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Im Göhltal
ZEITSCHRIFT der }
VEREINIGUNG
für
Kultur, Heimatkunde und Geschichte
im Göhltal
No 9
JUNI 1971
]
)
Vorsitzender : Peter Zimmer, Kelmis, Siedlung P. Kofferschläger, 10.
Sekretärin : Frl. Georgette Xhonneux, Neu-Moresnet, Lütticher Straße, 168
Tel. 59.467 fr
Lektor : Alfred Bertha, Hergenrath, Bahnhofstraße 20 b
Schriftleiter : Jules Aldenhoff, Gemmenich, Craborn 9 A.
Kassierer : Fritz Steinbeck, Kelmis, Kirchstraße, 20
Bankkonto 251.251. der Soci&t& Generale de Banque, Verviers (P.S.K. 695)
Die Beiträge verpflichten nur ihre Verfasser.
Alle Rechte vorbehalten. }
Entwurf des Titelblatte$ : Frau Pauquet - Dorr, Kelmis. |
Diese Skizze zeigt den Moresneter Göhlviadukt sowie die Hergenrather
Hammerbrücke in ihrer ursprünglichen Form.
Druck. : Jacques Aldenhoff, Gemmenich.
Inhaltsverzeichnis
Die Redaktion In eigener Sache 4
Geschichtliches ;
Franz Uebags, Kelmis Aus der jüngsten Geschichte des
Altenberger Grubenfeldes 8
Alfred Janssen, Moresnet Cesar Franck - Arnold Franck, ein
Stammbaum ? nn
Alfred Janssen, Moresnet Das Kunstschmiedewerk auf dem Kal-
varienberg von Moresnet-Kapelle 15
Jules Aldenhoff, Gemmenich Aus den Aachener Amtsblättern
von 1816 19
Leo Homburg, Hauset Etwas zu den Bauernumzügen in der
«guten alten Zeit» 30
Mundartgedichte :
Gerard Tatas, Gemmenich Sommesch Jupp 34
Peter Zimmer, Kelmis Mie Oddeschhuus ! 37
Erinnerungen :
Franz Uebags, Kelmis Möng und die haltbare Kirmesfrisur 38
Peter Emonts-pohl, Waldgeheimnisse 42
Iserlohn (Raeren)
Hermann Heutz, Hauset (+) Jugenderinnerungen - Geburt und
erste Lebenserinnerungen 47
Walter Janssen, Hauset In Memoriam Hermann Heutz 52
Foto-Quiz
J. Demonthy, Neu-Moresnet Kennst Du Deine Heimat ? 53
Tätigkeitsbericht
Gerard Tatas, Gemmenich Tätigkeitsbericht 1970 37
4
IN EIGENER SACHE
Eigentlich sollten die beiden Nummern unserer Zeitschrift
Ende Juni bzw. Ende Dezember erscheinen. Damit diese Ter-
mine künftig eingehalten werden können, bittet der Redaktions-
ausschuß alle Mitarbeiter, ihre Beiträge für die erste Nummer
des Jahres bis spätestens Ende März und für die zweite bis
spätestens Ende September einzusenden, und zwar an den Lek-
tor, Herrn A. BERTHA, Bahnhofstraße 20 b, 4728 Hergenrath.
Die drei Monate bis zur Erscheinung reichen nämlich kaum
aus. Nachdem die Mitglieder des Redaktionsausschusses das
Eingereichte gelesen haben, treten sie Ende April bzw. Ende
Oktober zusammen, um darüber zu beraten, was gebracht wird
(ein gewisses Verhältnis zwischen Wissenschaftlichem und Er-
zählendem), ob die Aufsätze in der vorliegenden Form erschei-
nen können oder ob sie abzuändern sind. Hierzu bedarf es der
Rücksprache mit den Verfassern, die auch ihrerseits zu der Um-
arbeitung eine gewisse Zeit brauchen. Von dem Augenblick an,
wo das Material dem Drucker überreicht wird, verlaufen noch
leicht kleine zwei Monate bis zur Erscheinung, nicht nur weil
Drucker auch noch andere Bestellungen haben, sondern beson-
ders deshalb, weil wir zwei Druckproben des Ganzen und eine
dritte des dann noch Fehlerhaften verlangen, so daß gewisse
Stellen bis zur endgültigen Drucklegung viermal gesetzt werden
müssen. Hinzu kommt noch die rein technische Planung (An- |
ordnung der Aufsätze, Satzspiegel usw.) und last but not least |
das Heften. |
Die Redaktion
I
6
schluß, eine weitere Grube in Angriff zu nehmen. Das geschah
im Jahre 1900. Männer aus Lontzen, Kelmis und Welkenraedt
fanden hier einen gesicherten Arbeitsplatz.
Das neue Werk wurde errichtet in Lontzen ”Am Berg”,
125 Meter N-NW von der Kreuzung Dorfmitte. Ein Teil der
Gebäulichkeiten sind bis zum heutigen Tage erhalten geblieben.
Bei der Eröffnung übernahm Steiger Leonard Westhoven
die Leitung des jungen Betriebes. Bei seiner etwas spontanen
Charakteranlage blieb er trotzdem ein gewissenhafter und gerech-
ter Vorgesetzter. Seine Qualifikation als Steiger dürfte unüber-
troffen gewesen sein, da die Grube Lontzen bis zu ihrer Schlie-
Bung i. J. 1935 keinen anderen Betriebsführer gekannt hat. Wäh-
rend seiner langen Amtszeit stellte er seine Grubenkenntnisse
unter Beweis. Bei der Stilllegung, die ihm zu Herzen ging, äußer-
te er, hier einen Teil seines Lebens verbracht zu haben; er habe
immer seine Pflicht getan, sagte er, und er trage keine Schuld
an dem unerwünschten Ende seiner stolzen Grube.
Familie Westhoven hatte eine Dienstwohnung auf dem Werk
selbst.
Die Grube.
Überraschend muß der Start der dritten Grube der ”Vieille
Montagne”” gewesen sein, als die Bergleute schon in drei Meter
Tiefe auf pures Blei stießen. Diese Vorkommnisse galten zu
den Seltenheiten im Bergbau unserer Gegend, Nachdem Betriebs-
führer Westhoven diesbezüglich Meldung gemacht hatte, begab
sich Direktor Timmerhans mit seinen engsten Mitarbeitern so-
fort an Ort und Stelle, um sich von dem außergewöhnlichen Vor-
fall zu überzeugen. Es wird behauptet, daß ein umfangreiches
Erzlager ganz besonderer Art angetroffen wurde. Das hier ge-
wonnene Erz soll so sauber vorgefunden worden sein, daß es
beim Abbauen gleich ungewaschen in kleine Säcke verpackt
und direkt vom Werk nach Angleur zum Schmelzen verschickt
wurde, Für die Gesellschaft hatte es nie zuvor billigeres Material
gegeben. Mit wachsenden Hoffnungen sah man der Zukunft ent-
gegen.
Nach dem Abbau dieses Erzlagers begann das Sinken des
Hauptschachtes. Zu gleicher Zeit war eine andere Kolonne
7
Bergarbeiter damit beschäftigt, in unmittelbarer Nähe den erfor-
derlichen Luftschacht fertigzustellen. Alles verlief nach Plan und
ohne jegliche Komplikationen. Hatte der Hauptschacht die Teufe
von 40 Meter erreicht, wurde wie vorgesehen die erste Sohle
ausgebaut. Nun mußten die beiden Schächte in Verbindung ge-
bracht werden. Dieses geschah, indem man eine Strecke in süd-
liche Richtung trieb. In der Mitte der Sohle nahmen die Hauer
eine geräumige Pumpenkammer in Angriff. Wie in jeder anderen
Grube, so wurde auch dort das Wasser zum Störenfried, Mitt-
lerweile stieß auch schon eine Strecke, die zweite dieser Sohle,
nach Südwesten vor. Reiche Beute war wieder in Aussicht. Nach
allen Seiten hin blinkte im stillen Schein der Karbidlampe das
wertvolle Rohmaterial, Sofort wurden Hauerposten angesetzt.
Die Männer, die im Kopfe der Bahn weiter vordrangen, bohrten
eines Tages wiederum ein Erzlager an. Ein alter Bergmann sagte,
daß er in all seinen Dienstjahren nie mit soviel Lust und Liebe
in die Grube gefahren sei, als zu der Zeit, wo das Werk ”Am
Berg” an Ergiebigkeit nur Überraschungen brachte, Grube Lont-
zen, sagte er, galt allgemein, und das mit Recht, als das Blei-
lager der ”Vieille Montagne”.
Wie nun alles an der Südseite planmäßig verlief, wagte die
Grubenleitung einen Vorstoß in entgegengesetzter Richtung.
Man drang an zwei Stellen gleichzeitig in das Gebirge ein.
Ein Stollen verlief bis zum Mordang, der andere bis unter die
Lontzener Schule. Leider waren diese Bemühungen umsonst.
Nicht die geringsten Spuren an Erz wies dieser Abschnitt auf.
Da alle weiteren Versuche vergeblich blieben, wurde die Arbeit
in diesem Gebiet für immer eingestellt.
Allmählich dehnte sich das südliche Revier weiter aus.
Alles. was sein mußte, wie Pumpen, Damm und Wettertüre, war
vorhanden. Im Jahre 1922 fiel die Entscheidung, den Schacht
bis auf 80 Meter zu sinken. Auch dieses Unternehmen verlief
nach Wunsch, so daß im Jahre 1923 mit dem Ausbau der zwei-
ten Sohle begonnen wurde. Wie gewohnt verliefen auch dort die
Arbeiten mit dem Ziel, das zu holen, was dem Menschen zugute
kommt. Das Wagnis, eine zweite Galerie zu schaffen, hatte sich
wirklich gelohnt. Wie vorausgesehen, erwartete den Bergmann in
jeder Richtung eine reiche Beute. Die Produktivität steigerte
8
sich von Jahr zu Jahr, dank dem Einsatz neuester und modern-
ster Produktionsmethoden. Lontzen blieb bis zum Ende die sau-
berste und modernste aller umliegenden Gruben. Trotzdem kam
auch sie nicht daran vorbei, ihre Tore zu schließen.
Die Belegschaft
Bei der Inbetriebnahme des Werkes waren dem Betriebs-
führer 30 Mann unterstellt. Als seine engsten Mitarbeiter galten
damals die Oberhauer Fey und Teller aus Welkenraedt. Bei
Einführung der dritten Schicht kam ein weiterer hinzu, Herr
Schlemmer aus Walhorn. Die Arbeiterzahl stieg alsdann auf 60
Mann. Später kannte man als Oberhauer noch die Herren Louis
Gerkens aus Welkenraedt, Nicolas Lautermann aus Lontzen und
- nach Stillegung der Grube Schmalgraf - Herrn Philipp Schiel.
Die Pumpen
Wie die anderen Gruben, so blieb auch Lontzen von dem
Wasser nicht verschont. Ohne Pumpen wäre die Arbeit unmög-
lich gewesen. Um die Grube Sumpf, das heißt trocken zu halten,
drehten ununterbrochen vier elektrische Pumpen. Im Schacht,
der inzwischen bis 118 Meter vertieft wurde, hingen zwei mäch-
tige Pumpen an einem Kabiston. Mittels dieser Hebevorrichtung
konnten dieselben bei Reparaturen oder bei Ersaufen der Zeche
hochgezogen und gemäß den Anordnungen wieder gesenkt wer-
den. Zwei Liegepumpen befanden sich auf der 40-Meter-Sohle.
Das von den untersten hochgepumpte Wasser wurde dann von
hier zu Tage gedrückt und in den ”Lontzen Bach” abgeführt.
Herr Alfred Werner aus Kelmis ist als einer der ersten Pumpen-
knechte noch bekannt.
Schießen und Bohrer
In früheren Zeiten standen dem Bergmann nicht die tech-
nischen Bequemlichkeiten der heutigen Welt zur Verfügung. In
unserer Gegend kannte man vor 1912 noch nicht den Preßluft-
bohrhammer. Den Spitzbohrer schlug der Hauer mit einem Ham-
mer in das Gestein hinein, wogegen der Schneckenbohrer mit- |
tels einer Drehvorrichtung vorwärts gezwängt wurde. Es soll
eine langweilige und mühselige Arbeit gewesen sein, die manch-
mal blaue Finger verursachte. Die Explosivstoffe hießen, wie
9
heute noch, Dynamit und Nitroglyzerin. Dazu kamen dann noch
die Zündhütchen sowie die Zündschnur.
Die Seilfahrt
Im Förderturm hingen wie üblich zwei Körbe an den Draht-
seilen. In jedem Korb nahmen bei den Ein- und Ausfahrten vier
Mann Platz. Die Drahtseile unterlagen jeden zweiten Monat
einer Kontrolle. Diese wurde von einem Seilrevisor durchgeführt.
Seinen Anordnungen zufolge mußten die Seile ausgebessert oder
sogar neue aufgezogen werden: Das geschah meistens an Sonn-
und Feiertagen. Bei der Förderung von Erz schob der Anschlä-
ger einen Kippwagen in jeden Korb.
Über Tage
Oberirdisch bot der Grubenkomplex mit seinen Gebäulich-
keiten ein sehr zierliches Bild. Werkstätten, Büros, Eß-, Wasch-
und Umkleideräume, sowie ein Magazin, eine Lampenbude, die
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Grube Lontzen um 1907
Wohnung des Steigers und ein 30 X 20 Meter großer, komfor-
tabel eingerichteter Maschinenraum umrahmten das in die Höhe
steigende Eisengerüst des Förderturms. Der Arbeit im Maschi-
nenraum oblagen während vieler Jahre die Herren Corman und
Jungbluth Henri aus Montzen. Schreiner Peter Gier aus Lontzen,
10
später Heinrich Consten aus Kelmis sorgten für die Holzverar-
beituäg. Der Pumpenknecht Werner verrichtete zusätzlich noch
Schmiedearbeiten, bis schließlich Herr Martin Severin den Posten
annahm ; er behielt ihn bis Toresschluß.
5 Die Draktseitbahn
12
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Abfahrtstelle der Seilbahn den Produktion. Sie
mußte etwas unternehmen. Der Bau einer Drahtseilbahn
wurde geplant und im Jahre 1908 verwirklicht. Diese
3015 Meter lange Bahn verband Lontzen direkt mit der Wäsche.
Sie lief durch Wiesen und teils durch den Emmaburger Wald,
Die Anlage galt als ein technisches Ereignis und brachte die
Arbeit in der Wäsche auf Hochtouren. Dafür sorgten am Verlade-
haufen auf dem Bergwerk acht gute Schaufler. Durchschnittlich
pendelten täglich 350 Wägelchen, Inhalt zwei Schubkarren, das |
Drahtseil entlang. Ein für allemal, die Wäsche kannte keine
Ausfälle mehr. ”Haltet mir die Orgel am Drehen”, soll Herr
Westhoven jedesmal gesagt haben, wenn er sich am Verlade-
haufen zeigte. Und doch kam es eines Tages zum Stillstand.
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Zwei Todesfälle
Vom Entstehen bis zur Schließung forderte das Loch zwei
Menschenleben. Bei Schachtreparaturen erlitten der Kelmiser
Karl Langohr und ein Arbeiter namens Daniel aus der Welken-
raedter Heide den Tod.
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Grube Lontzen bei Toresschluß
Genau wie die anderen Gruben wurde auch Lontzen ein
Opfer der ausländischen Konkurrenz, die Grube wurde unren-
tabel und die Schließung unvermeidlich. Ein stolzes Werk hörte
auf zu existieren. Oft genug hört man heute noch sagen : ”Schade,
warum mußte das alles so kommen ?”
Da, wo es einstens ”Vieille Montagne” geheißen, heißt es
heute ”Werk Mustad”.,
12
Cesar Franck - Arnold Franck, ein Stammbaum ?
von Alfred Janssen
Ein Name, der mit unserer Heimat immer sehr verbunden
war und noch ist, ist der Name ”Franck”. Durch Jahrhunderte
hindurch kann man den Namen in alten Chroniken und Ge-
schichtsbüchern immer wieder finden. Persönlichkeiten, die im
Öffentlichen Leben standen, hörten auf diesen Namen und wohl
der Bekannteste ist Cesar Franck, der Musiker, der weltberühmt
wurde und dessen Eltern hier in der Gegend ansässig waren.
Wenn nun der Name Cesar Franck weitgehend das Image
unserer Gegend geprägt hat, so ist parallel der Name Arnold
Franck zu erwähnen, dem wir die Entstehung der Gnadenka-
pelle von Moresnet zu verdanken haben. Was Wunder, daß in
diesem Zusammenhang die Frage aufgeworfen wurde : besteht
eine Verbindung dieser beiden Familien ? Sind Sie aus demsel-
ben Stammbaum hervorgegangen ? Diesen Fragen sind schon
viele nachgegangen, ohne daß bisher eine Lösung der Streitfrage
dargelegt werden konnte.
Eine Vermutung diesbezüglich wurde noch durch Herrn
Jos. Franck in seinem Aufsatz ”Cesar Franck” (Im Göhltal 2,
42-43) geäußert.
. Mir ist nun eine Chronik in die Hände gefallen, die offen-
sichtlich zu erkennen gibt, daß die beiden Familienzweige mit-
einander verwandt sind. Diese Biographie, übrigens in Privat-
besitz, hat ein gewisser Hubert Franck aus der Linie Cesar
Francks geschrieben, seines Zeichens 40 Jahre lang Gemeindese-
kretär in Moresnet. Im Jahre 1923, im Alter von 75 Jahren, nach
seiner Pensionierung schrieb er seinen Nachkommen in ein altes,
in Schweinsleder gebundenes Buch, das schon Aufzeichnungen aus
dem Jahre 1793 enthielt, eine Biographie der Familie Franck.
Ist dieser Schrift nun Bedeutung beizumessen ?
Was bestimmt anzunehmen ist, ist die Tatsache, daß Herr
H. Franck als langjähriger Gemeindesekretär Zugang zu Ar-
chiven, Geburts- und Sterberegistern hatte und infolgedessen mit
genauen Daten aufwarten konnte. Der Umstand, daß der Vater
des Verfassers im Jahre 1816 geboren wurde, gewährt ihm
schon einen Rückblick. Ich glaube auch nicht, daß dieser
14
einem dessen Großvater, ein Herr Laurent Franck, geb. 20. 8.
1694, als ein Bruder des Herrn Lambert Franck, geb. 18. 2.
1690, entgegen, dessen Sohn Arnold der Gründer der Gnaden-
kapelle ist.
Vielleicht könnte diese bescheidene Entdeckung, die natür-
lich noch verglichen und überprüft werden muß, zu einer Lösung
des Problems führen,
Anbei ein übersichtlicher, bis auf das 17. Jh. zurückgehen-
der Stammbaum.
FRANCK Lambert - WIERTZ Katharina 17. Jahrhundert
FRANCK Laurent, geb. 8. 9. 1653 MFRANCK Etienne, geb. am 3. 5. 1656
verh. am 18.9.1688 mit + am 29, 6. 1732
DE CHENEUX Odile vermählte sich am 8. 6. 1687
Über diesen Stamm fehlt jede Unterlage. Mit PELZER Katharina geb, 15, 4. 1661
7 am 2. 6. 1754
Aus dieser Ehe wurden 8 Kinder geboren
2) FRANCK Lambert geb, 18. 2. 1690 FRANCK Laurent geb, 20. 8. 1694
vermählte sich am 25. 4. 1716 mit + 20. 10. 1758
PELZER Barbara geb. 31. 3. 1695 verheiratet am 23, 1. 1723
zu Moresnet mit CUSTERS Maria, geb. ?
+ 7. 1. 1786
Aus dieser Ehe entsprossen 10 Kinder
Das 5. Kind hieß Arnold, geb. 6. 3. 1725 |
Das 10. Kind hieß Arnold Louis, Aus dieser Ehe entstammen 9 Kinder.
geb. 13. 4. 1739. „Das 6. Kind hieß Etienne, geb. 18.1.1739
Einer dieser beiden ist der Gründer der In 1. Ehe vermählte sich obengenannter
Gnadenkapelle von Moresnet. mit Dobbelstein Elisabeth ;
aus dieser Ehe kamen 3 Kinder.
In 2. Ehe heiratete er
CHAINEUX Anne-Marie ;
aus dieser Ehe entstammen 2 Söhne :
FRANCK Bartholome
FRANCK Thomas
Der erstgenannte ist der Großvater des
Musikers Cesar FRANCK.
16
rung des Kalvarienberges hierher beordert wurde oder ob es Zu-
fall war, daß er hier im Kloster lebte, ich habe es nicht in Er-
fahrung bringen können, Valensz Zimmermann hatte das Schmie-
dehandwerk erlernt, aber darüber hinaus verfügte er über ein
außergewöhnliches Talent, eine große künstlerische Begabung.
Zu der Zeit, als er hier am Ort lebte, wurde der Kalvarienberg
gebaut. Ein Werk, das sich über viele Jahre hinauszog, da es
meistens aus freiwilligen Spenden und von freiwilligen Hand-
werkskräften errichtet wurde.
Valensz Zimmermann schuf nun ein Werk nach eigenem
Ermessen. Er machte Entwürfe und Pläne, brachte sie zu Papier,
und danach schnitt, stanzte, bog und formte er die Eisenbleche
und Stäbe und zauberte daraus seine Rosetten und Figuren am
Amboß, kalt oder warm, mit einer Genauigkeit und Akkuratesse,
die einfach als genial zu bezeichnen sind. Dabei verfügte der
Künstler nur über die gebräuchlichen Schmiedewerkzeuge und
keinesfalls über eine spezielle Werkausstattung.
Daß Zeit keine Rolle spielte und Geduld ebenfalls zu den
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19
Aus den Aachener Amtsblättern von 1816
von Jules Aldenhoff
Vor einigen Jahren ist mir ein Ausgabe in die Hände geraten,
der den Jahrgang 1816 des Amts-Blatts der Regierung zu
Aachen und den gleichen Jahrgang des Öffentlichen Anzeigers
von Aachen enthält. Für beide scheint 1816 das erste Erschei-
nungsjahr gewesen zu sein. Beide erschienen wöchentlich, aber
das Amts-Blatt erlebte seine erste Nummer am 27. April und
brachte es vor Jahresende auf 39 Nummern, die insgesamt
440 Seiten zählen ; dagegen tritt der viel dünnere Anzeiger
erstmals im Anschluß an Nr. 6 des Amts-Blattes (31. 5. 1816)
auf ; er ist diesem später nicht jede Woche beigefügt und bringt
es daher bis Jahresschluß auf nur 31 Nummern und 82 Seiten.
In dem mir zur Verfügung stehenden Ausgabe sind die Nummern
des Anzeigers jeweils zwischen zwei Nummern des Amts-Blat-
tes zu finden : der Anzeiger erschien wohl als Beilage des
Amts-Blattes, worauf auch der Umstand hinweist, daß ersterer
nie ein Datum trägt. Das zu meinen Auszügen in eckigen Klam-
mern angegebene Datum ist das der in dem Ausgabee jeweils
voraufgehenden Nummer des Amts-Blattes. Beide Blätter wur-
den gedruckt bei Beaufort Sohn, Aachen, Peterstraße 596.
Die in ihnen enthaltenen Verordnungen, Bekanntmachun-
gen und Anzeigen betrafen natürlich auch die ostbelgischen
Gemeinden, die damals Preußen gehörten oder unter preußi-
scher Verwaltung standen. Einiges bezieht sich auf Verkäufe
und Verpachtungen oder spielt sonstwie auf das Alltagsleben
an. Diese Stellen lege ich hier vor, und zwar unter strenger
Beachtung der sprachlichen Form der Vorlage. (Nebenbei sei
bemerkt, daß von den nicht ganz wenigen Steckbriefen, die
in dem Amtsblatt vorkommen, nur einer auf einen Bewohner
unserer Ostkantone lautet !)
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Im Amts-Blatt finde ich nur wenig hier zu Übernehmendes;
es betrifft alles Eupen und sein Hinterland :
20
N° 3., Freitag den 10. Mai 1816, S. 39/40 :
Unglücksfälle,
Am 17, Dezember v. J. sandte der Steuer-Empfänger
Petrasch zu Eupen den dortigen Steuer-Diener, Peter Die-
derichs, mit einer bedeutenden Summe herrschaftlicher
Gelder nach Malmedy, um dieselbe dort der Kreis-Kasse
abzuliefern.
Dieser Bote kam aber zu Malmedy nicht an und er-
schien nirgends wieder ; bis am 27. April d. J. der todte
Körper desselben in der Gemeinde Mont, Kanton Malmedy,
wiedergefunden wurde.
Die frühere Vermuthung, daß der Diederichs auf dem
hohen Veen im Schnee umgekommen sey, hat sich dem-
nach bestätigt.
Aachen, den 6. Mai 1816.
Königl. Preuß. Regierung zu Aachen.
N° 4., Freitag den 17. Mai 1816, S. 48/49 :
Unglücksfall und Warnung.
In der Nacht vom 7. auf den 8. dieses ist ein in der
Gemeine Eupen gelegenes, von verschiedenen Familien
bewohntes Haus eingestürzt, und es sind dadurch in dem-
selben drei Menschen ums Leben gekommen und einige
schwer verwundet worden.
Aus der von der Lokal-Behörde auf der Stelle vorge-
nommenen Untersuchung hat sich ergeben, daß besagtes
Haus Alters halber und wegen Mangel an Ausbesserung
zusammen gestürzt ist. Der wohlhabende Eigenthümer,
welcher das Haus nicht selbst bewohnte, ist angeblich und
fruchtlos von der Polizei vorher aufgefordert worden, das
Haus zu repariren und die Miethsleute gegen Gefahr zu
sichern. Ob und in wie fern diese Angabe gegründet und
der Eigenthümer nach Vorschrift des bürgerlichen Gesetz-
Buchs Art. 1386 verantwortlich und strafbar sey, wird
von der competenten Behörde untersucht werden.
21
Die bei dem Eintritt solcher Unglücksfälle auf der-
gleichen grobe Vernachläßigungen stehende Strafen, kön-
nen den Umständen nach, hart ausfallen, und wird daher
von dem vorgedachten traurigen Vorfalle die Veranlassung
genommen, sowohl die Polizei-Behörden des hiesigen Re-
gierungs-Bezirks als das Publikum zu warnen, ähnliche
Vernachläßigungen sich zu Schulden kommen zu lassen.
Es verdient übrigens bemerkt zu werden, daß sich die Ein-
wohner zu Eupen die Rettung der unter dem Schutte ver-
grabenen Menschen mit lobenswürdigem Eifer haben an-
gelegen seyn lassen.
N° 28., Freitag den 18. Oktober 1816, S. 315 :
Unglücksfall.
In der Stadt Eupen ereignete sich am 4. d. M. das
Unglück, daß die beiden Schreiner-Gesellen Trost und Gyr,
bei Anlegung einer Dachrinne, indem sie sich gegen die
Warnung ihres Meisters zu weit auf das äußerste Ende des
angebrachten Baugerüstes wagten, von diesem herabstürz-
ten, wodurch der eine sogleich sein Leben verlor, der an-
dere aber am Rücken so beschädigt wurde, daß man an
seiner Rettung zweifelt.
Dieses traurige Ereigniß wird hiemit zur Warnung be-
kannt gemacht.
Aachen, den 10. Oktober 1816.
Königl. Preuß. Regierung, erste
Abtheilung.
N° 14., Freitag den 19. Juli 1816, S. 151/152 :
Verkauf des Waldheues und der Heidestrau in den Königl.
Forsten der Oberförsterei Eupen, pro 1816.
In Gemäßheit eines darüber erhaltenen Auftrags der
Königl. Preuß. Hochlöblichen Regierung vom 4. Juli 1816,
soll am Donnerstag, den 25. Juli 1816, in dem, im Herto-
gen-Walde gelegenen, Forsthause Ternell, vor dem Herrn
22
Landrath oder einem Bevollmächtigten desselben, zum öf-
fentlichen Verkauf der Heidestrau und des Wald-Grases,
welches sich auf den Waldblößen im Hertogen-Wald und
in der Landwering findet, - in vielen Loosen getheilt, -
geschritten werden.
Der Herr Oberförster Gronenscheld zu Eupen und die
betreffenden Förster können die zum Verkauf kommenden
Loose den Kauflustigen anweisen, und über deren Größe
und Beschaffenheit nähere Auskunft geben. Eben so kön-
nen die Verkaufsbedingungen bei denselben und außer
dem bei dem Herren Landrath zu Eupen und bei dem
Unterzeichneten eingesehen werden.
Aachen, den 8. Juli 1816.
Der Königl. Preuß. Kreis-Forstmei-
ster, Kopstadt.
Kine X ee
Aus dem Anzeiger (genauer Titel : Oeffentlicher Anzeiger
von Aachen) sei zunächst dasjenige angeführt, was sich auf
Lontzen bezieht :
N° 13. [23. 8. 1816] :
Das große Haus zu Lontzen, nebst Zubehörungen, beste-
hend in Stallungen, Remisen, zwei großen wohlgepflanzten
Gärten, ferner in zwei fischreichen Weyern, Jagd und Fi-
scherei, gelegen in der Gemeinde Lontzen, Kreis Eupen,
2 Stunden von Aachen entfernt, steht auf den 1. Mai 1817
zu verpachten. Bescheid zu vernehmen bei Herrn Notar
Lamberts, in Eupen.
Einer im Kreise Eupen, Gemeinde Lontzen, gelegenen
Meierhof, steht auf den 1. Mai 1817 zu verpachten, groß
200 bis 240 Morgen. Bescheid zu vernehmen beim Gärtner
auf dem Hause Lontzen.
23
N°®. 16. [13.9.1816] :
Das große Haus zu Lontzen, Kreis Eupen, nebst Gar-
ten, Weiern, Stallungen u.s.w., ferner der Unterhof des
großen Hauses daselbst, bestehend in etwa fünf und fünfzig
Bunder Land und Wiesen ; weiter noch zwei andere Höfe,
einer von etwa fünf und zwanzig und der andere von zehn
Bunder, stehen auf den 1. Mai 1817 zu verpachten.
Ferner ist allda eine Mühle von zwei Gängen, nebst
Bierbrauerei, Garten und ‘Wiese, zu verkaufen. Die Pacht-
und Verkaufs-Bedingungen sind bei Herrn Notar Lam-
berts in Eupen und beim Gärtner, auf besagtem Hause
Lonzen, zu erfahren.
Letztere Bekanntmachung wird wortwörtlich in N° 17. [20.9.1816]wie-
derholt.
N°, 20. [11.10.1816] :
Herr Notarius Lamberts, von Eupen, wird am Mitt-
woch, den 30. Oktober, um 9 Uhr Morgens, in der Gemeine
Lontzen, Kreis Eupen, beim Bürger Nießen, zum Verkaufe
mehrerer aus den Gehölzen besagter Gemeine herkom-
mender Käufe von Eichen- und Raspenbäume, schreiten.
Sich zu melden, um solche einzusehen beim Görtner des
Schloßes Lontzen.
Der Große Hof des Schloßes Lontzen, nebst einem andern
von acht Morgen, stehen zu verpachten. Sich zu melden,
wie in vorstehender Anzeige.
Diese beiden Mitteilungen werden in N°. 21. [18.10.1816] wörtlich wie-
derholt, nur daß hier der Druckfehler ”Görtner” zu ”Gärtner” berich-
tigt ist.
N°.22. [25.10.1816] :
Mittwoch, den 30. Oktober 1816, wird Herr Notar Lam-
Berts, im Hause des Bürgers Nießen, zu Lontzen, Kreis
Eupen, mehrere Käufe Eichen- und Raspenbäume, an den
24
Meistbiethenden verkaufen, auch steht für den 1. Mai 1817,
der hintere Meyerhof, groß 8 Bonniers 3 Morgen, zu ver-
pachten ; alles in der Gemeine Lontzen, Kreis Eupen, zwei
Stunden von Aachen, gelegen. Sich zu melden beim Herrn
Henrotay, Gerichtsvollzieher im besagtem Lontzen.
En A ——
Einige Bekanntmachungen im Anzeiger betreffen Walhorn :
N°, 15. [6.9.1816] :
Ankündigung.
Eine nahe bei Walhorn, im Kreise Eupen, zwei Stun-
den von Aachen, und eine Stunde von Eupen gelegene,
zweiräderichte Mahlmühle, Prys-Mölen genannt, steht zu
verkaufen, und wird am neunzehnten dieses Monats Sep-
tember, um zwei Uhr Nachmittags, zu Walhorn, im Hause
des Herrn Franz Joseph Lamberts, beigeordneten Bürger-
meisters, öffentlich versteigert werden. Diese Mühle ist
zu jedem Gebrauche geeignet, und empfiehlt sich besonders
dadurch, daß es ihr nie an Wasser fehlt, und das Wasser
auch nie zufriert, indem sie durch Springwasser getrieben
wird. - Die Bedingnisse sind bis dahin beim Herrn Ad-
vokaten und Notar Lamberts in Eupen zu erfahren.
In N°. 18. [27.9.1816] wird mitgeteilt, daß dieser Verkauf
schließlich am 10. Oktober stattfinden wird. Wahrscheinlich
hat sich dann ein Käufer gefunden, vielleicht zum Leidwesen
eines anderen Mühlen-Liebhäbers, der in N° 26. [22.11.1816]
folgendes inseriert :
Jemand sucht in der Nähe der Stadt eine Mühle zu pach-
ten oder gegen baare Bezahlung zu kaufen.
Verleger gibt Auskunft.
23
N°, 24. [8.11.1816] :
Le jeudi 21 novembre 1816, a deux heures de relevee,
chez le sieur Francois-Joseph Lamberts, cabaretier a Wal-
horn, ä la requete des sieur Jean-Joseph Lennarts, ma-
rechal-ferrant, et Jean-Nicolas Lennarts, cultivateur, de
la dame Marie-Elisabeth Lennarts, cultivatrice, veuve
de Denis Has, et de la dame Gertrude Lennarts, y
autorisee par son 6€poux le sieur Jean-Guillaume Heudt,
cultivateur, tous demeurant a Walhorn, du sieur Mathias-
Joseph Lennarts, cultivateur, demeurant a Brandt, et du
sieur Jean-Joseph Keutgen, cultivateur audit Walhorn,
a titre de tuteur des deux enfants mineurs de feu Jean-
Evrard Lennarts, nommes Jean et Laurent, sans profession,
demeurant ä Verviers, et finalement du sieur Mathieu
Paux, cultivateur audit Verviers, subroge tuteur desdits
mineurs, il sera procede devant le notaire Hennen, residant
& Eupen, a ce commis par jugement du tribunal civil, seant
ä Malmedy, du 5 aoüt 1816, duement enregistre a l’adju-
dication preparatoire d’une maison et 6difices, servant ä
Vexploitation, et d’une autre maison, sise devant la pre-
miere, avec 13 bonniers 2 journaux et 44 vergers (sic), ou
11 hectares 86 ares de bien-fonds y appartenant, situees
audit Walhorn.
Immeubles 6values par les experts ä une somme totale
de 9950 francs 50 centimes, dont le cahier des charges se
trouve depose en l’etude dudit notaire.
P. J. HENNEN.
Eine Anzeige in N°. 27, [29.11.1816] setzt die ”adjudication de-
finitive” auf den ”lundi 9 decembre 1816 a neuf heures du
matin” an.
nn Ei ———
Französischsprachige Anzeigen finden sich ferner für Verkaufs-
angelegenheiten in Kettenis und Hergenrath :
26
N° 22 [25.10.1816] und N’ 24 [8.11.1816] kündigen für den 5. bzw.
19. November 1816 die vorläufige bzw. endgültige Versteigerung
eines in Kettenis gelegenen Hofes namens Noen an, dessen
Flächeninhalt 16 Bunder 1 Morgen 37 Ruten oder 14 Hektar
24 Ar betrage. Die Versteigerung war beantragt von dem Ei-
gentümer Jean-Francois Kerres und seinen Anverwandten.
N° 28 [6.12.1816] und N° 30 [20.12.1816] beraumen auf den 16.
bzw. 30. Dezember 1816 die vorläufige bzw. endgültige Ver-
steigerung eines Hofes in Hergenrath an, der 4 Bunder 377 Ru-
ten oder 4 ha 30 a groß war. Der Hof wird nicht näher bezeich-
net ; zum Verkauf kam er auf Antrag der Erben von Frau
Marie-Therese Moresnet.
im 11 PRrieh
Zum Schluß noch zwei Mitteilungen, die sich auf das Gebiet
mehrerer Gemeinden oder Pfarreien beziehen.
N. 22. [25.10.1816] :
Bekanntmachung.
Mathias Kausen, Bergmann, Franz Peter Esser, Bierbrauer,
und Joseph Bey, Bademeister, alle drei wohnhaft in Aa-
chen, haben unter dem 21. v. M. auf ein in den Gemeinen
Eynatten und Raeren, Kantons Eupen, Kreis Malmedy,
anzulegendes Blei-, Galmei- und Eisenstein-Bergwerk, so
sie Mariaberg genannt, die Definitiv-Concession gesetzlich
bei uns nachgesucht.
Das von ihnen begehrte Grubenfeld enthält 33 Hekta-
ren 91 Aren und hat folgende Grenzen :
Gegen Norden : eine Linie, welche von einem die Gren-
ze zwischen den Gemeinen Walhorn und Eynatten be-
zeichnenden Steine anfangend, westlich bis an eine
nahe befindliche Hecke, östlich über die Eynatter Heide
27
und längs der Hecke des Nicolaus Edmund Pesch bis an
die nördliche Heckenspitze des Jacob Birken fortläuft.
Gegen Osten : die eben genannte Hecke in südlicher
Richtung verfolgend bis an den Weg von Eupen nach Cor-
nelymünster, denselben quer durchschneidend bis an das
Eigenthum des Laurenz Ahn und von da westlich und süd-
lich längs der Umzäunungen, welche in verschiedenen
Krümmungen die Grundstücke des Laurenz Ahn, Nicolaus
Edmund Pesch und Peter Emonds, zur Gemeine Raeren
gehörig, trennen.
Gegen Süden : dieselbe Umzäunung an dem Eigenthum
des Peter Emonds bis an den Weg von Aachen nach Röd-
gen, diesem in nordwestlicher Richtung folgend bis in
die Linie des Hauses und Gartens von Gothard Pastor,
längs desselben bis an die Heide der Gemeine Raeren
und durch diese in gerader Linie bis in die Richtung einer,
zur Eynatter Gemeine gehörigen Hecke des Nicolas Ed-
mund Pesch,
Gegen Westen : eine gerade Linie, welche von letztge-
dachtem Punkte aus und längs der eben genannten Hecke
gegen Norden fortlaufend, bis wo diese sich krümmet, in
151 Metres Länge an die nördliche Grenzlinie anschließt.
Die Supplikanten erbieten sich, den Eigenthümern der
Oberfläche in dem ganzen Umfang des vorstehend bezeich-
neten Grubenfeldes, als gesetzliche Abgabe, 75 Centimes
pro Hektare jährlich zu bezahlen, und überdies alle durch
den Grubenbetrieb veranlaßten Beschädigungen gesetzlich
zu vergütigen.
Demnach und in Gemäßheit des Gesetzes vom 21. April
1810, wird ihr Concessions-Gesuch vier Monate lang und
zwar allhier zu Düren, dann zu Malmedy, Eupen, Aachen,
und in den Gemeinen Eynatten und Raeren durch Anschlag
und Verkündigung, ferner durch Einrücken in den öffent-
lichen Anzeiger des Aachener Regierungs-Bezirks, zur all-
28
gemeinen Kenntniß gebracht, und haben diejenigen, wel-
che dagegen Einspruch zu machen gedenken, solchen bei
dem unterzeichneten Königlichen Berg-Amte, innerhalb
vorbestimmter Zeit, anzubringen, zu welchem Behufe
ihnen erforderlichen Falls von dem Gesuch und dessen
Beilagen allhier nähere Mittheilung gemacht werden soll.
Gegeben Düren, den 18. Oktober 1816.
Königlich Preußisches Berg-Amt.
N°, 31. [27.12.1816] :
Holz-Verkauf.
In Gemäßheit der, von der hochlöblichen Königlichen
Regierung hieselbst, genehmigten Hauungs-Vorschläge für
das Wirthschaftsjahr 1817, sollen am Montag, den 6. Jan.
1817, um 10 Uhr Vormittags, auf dem Gemeinde-Hause zu
Walhorn, im Landkreis Eupen, vor dem Herrn Landrath
von Eupen, oder einem Bevollmächtigten desselben, aus
dem Gemeinde-Wald von Eynatten, der Kerresbusch ge-
nannt, ohngefähr 146 Klafter Buchen-Brandholz, nebst
dem Abfall an Reiserholz, in mehrere Loose öffentlich
verkauft werden.
Eben daselbst und zu der nemlichen Zeit sollen auch
ohngefahr 184 Klafter Buchen-Brandholz, aus den Kirchen-
Waldungen von Walhorn, Eynatten, Raeren und Hergen-
rath, Stockem und Vossehäcker genannt, ebenfalls in
viele Loose eingetheilt, zum Verkauf ausgesetzt werden.
Kauflustige, welche das zu verkaufende Holz in Augen- |
schein nehmen wollen, haben sich deshalb an den Königl. |
Oberförster, Herr Gronenscheld zu Eupen, und an die be-
treffenden Förster zu wenden. Die allgemeinen und spe-
ciellen Verkaufs-Bedingungen werden den Käufern vor
dem Verkauf bekannt gemacht werden, und können vor-
läufig bei der landräthlichen Behörde zu Eupen, bei dem
|
|
29
benannten Herrn Oberförster und bei dem Unterzeichne-
| ten eingesehen werden.
Aachen, den 23. Dezember 1816.
Der Königl. Preuß. Kreis-Forstmeister, Kopstadt,
LS X a PE
Die voraufgehenden Auszüge werden weniger um ihrer
| selbst willen denn als Anregung zur Forschung hier vorgelegt.
Einige gewähren Einblick in frühere Gepflogenheiten und Ge-
setze, in einstige Beziehungen zwischen Bürger und Obrigkeit,
in vergangene Besitz- und Wirtschaftsverhältnisse, ... Sollte
jemand andere Dokumente besitzen, die über diese und andere
Lebensbereiche Aufschluß geben, so wären seine Beiträge dem
Redaktionsausschuß willkommen. Der Historiker verfügt nie
über zu viel Material. Mitunter wirft auch ein scheinbar ganz
unbedeutender Text neues Licht auf ein Problem,
Jules Aldenhoff
|
30
- Etwas zu den Bauernumzügen in der
«guten alten Zeit»
Wenn sie.bei schönem Wetter vorbeizogen, war so ein Um-
"zug beinahe ein kleiner Dorfrosenmontagszug.
Von der Tragik, die hinter manchem Umzug steckte, ahnten
die Zuschauer nichts. In den zwanziger Jahren habe ich jedes
Jahr, in den dreißiger Jahren auch noch etliche Male solche
“Bauernumzüge mitgefahren. Auf Plattdeutsch nannte man das
”Bajeere”.- Bauern, die hier geboren waren und Jahrzehnte hier
gewohnt hatten, habe ich mit nach Aubel, Clermont oder Remers- -
dael zu einem neuen Hof gefahren. Sie hatten ihren alten Hof
verlassen müssen, mänchmal nach Unstimmigkeiten mit dem
Gutsherrn, manchmal auch, weil ein Fremder den Hof gekauft
hatte und dem Pächter für den 1. Mai des kommenden Jahres
gekündigt hätte, Die Bauern; denen so gekündigt worden war,
suchten dann verzweifelt nach einem neuen Hof, denn für einen
verjagten Bauern hielt es damals schwer, Arbeit zu finden. Übri-
gens wäre der Gang zum Arbeitsamt (wenn es das damals gege-
ben hätte) der letzte Gang gewesen, den ein Bauer getan hätte,
denn er‘ fürchtete, daß die anderen Bauern auf den bankrotten
Kollegen mit Fingern zeigten. Ö
Wenn diese Bauern nun einen neuen Hof gefunden hatten,
gleich wo er lag, zahlten sie jede geforderte Pacht. Sie achteten
nicht darauf, ob der Grund gut oder schlecht war, oder ob die
Gebäude heruntergekommen und abbruchreif waren. Hauptsache
war, sie hatten wieder einen Hof und ihre Ehre war gerettet.
Ich habe noch Pachtverträge meiner Vorfahren von 1880 bis
zu den meinigen von 1928 bis Anfang der fünfziger Jahre. Sie
lauten alle auf eine Pachtzeit von 3 Jahren und konnten mit a
ein- oder zweijähriger Frist gekündigt werden. Nur einer galt.
als um zweimal drei. Jahre verlängert, wenn keine Kündigung
ausgesprochen worden war.
Die meisten Gutsherren kündigten zu jedem Termin, selbst
wenn sie mit Pächtern sehr zufrieden waren. Sie sagten, das sei
eine Formsache. Mein eigener Vertrag wurde in 24 Jahren sie-
benmal gekündigt und ebensooft verlängert. Die Verträge ent-
halten zwischen 24 und 32 Artikel. Fast alle waren zu Gunsten
33
des Verpächters. Der am 19. 9. 1928 abgeschlossene Vertrag
enthält unter anderen folgende Artikel :
Art. 4. : Dem Pächter Homburg ist es gestattet, unentgelt-
lich die bewirtschafteten Flächen zu vergrößern, indem er die
früher durch die bergbaulichen Arbeiten der Grube Fossey be-
nutzten Grundstücke mittels der verfügbaren Halden und Erden
anfüllt und ebnet.
Diese Vergrößerungsarbeiten, welche der Gesellschaft in
keinem Falle hinderlich sein dürfen, können jedoch nur nach
vorheriger Verständigung mit Letzterer in Angriff genommen
werden.
Art. 5. : Der halbjährlich am 1. Mai und 1. November
jeden’ Jahres im Voraus auf dem Kassenbureau der Gesellschaft zu
La Calamine zu entrichtende Pachtpreis wird auf 1100 frs pro
Hektar und Jahr festgesetzt, wobei ein Jahresdurchschnittsver-
kaufspreis der Butter von 25 frs pro Kilo angenommen wird.
Am 1. Mai jeden Jahres soll jedoch eine Regulierung des
Pachtzinses für das vorhergegangene Pachtjahr auf Grund des
auf dem Aubeler Markt wöchentlich ermittelten bzw. erzielten
Durchschnittspreises der Butter in der Weise erfolgen, daß der
Pachtzins im Verhältnis des Durchschnittspreises der Butter
während des abgelaufenen Pachtjahres zum angesetzten Preise
von 25 frs entweder erhöht oder vermindert wird,
Art. 6. : Der Pächter hinterlegt als Caution ein auf Namen
der Gesellschaft Vieille Montagne ausgestelltes und ein Guthaben
von 5.000 frs nachweisendes Sparkassenbuch ...
Art. 7. : Der Verpächterin steht ausdrücklich das Recht
zu, gegen eine vorherige, einmonatliche schriftliche Benachrichti-
gung des Anpächters zu jeder Zeit über die verpachteten Grund-
stücke nach Gutdünken zu verfügen, sei es zur Ausführung von
ihr passend erscheinenden Grubenarbeiten, sei es zum Zwecke
des Verkaufes oder des Umtausches, jedoch unter folgenden
Bedingungen und Eınschränkungen : (Folgı die Aufzählung der
dem Pächter in diesem Falle zu zahlenden Vergütungen).
Art. 9. : Der Anpächter hat bei Zeiten, ohne daß die Ver-
pächterin behelligt. wird, die ihm obliegenden. Personal-, Mobi-
lar-, Wegebau und alle sonstigen existierenden Steuern, ein-
32
schließlich Grund- und Gebäudesteuern, sowie alle eventuelle
noch zu veranlagenden Steuern oder Taxen zu entrichten,
Art. 12.: Er hat das Gut wie ein guter Ackerwirt zu ver-
walten und zu bewirtschaften, die Grundstücke zur richtigen
Zeit und nach Landesbrauch zu düngen, zu pflügen und zu be-
sähen ; die Wiesen frei von Dornen und Unkraut zu halten, die
Maulwürfe zu zerstören und die jungen Bäume mit Kalkwasser
zu bestreichen und mit Dornen und sonstigem Schutz versehen
zu lassen. Die Obstbäume sorgfältig abraupen zu lassen, sie
wenn nötig zu beschneiden, und die absterbenden Bäume er-
setzen zu lassen, und zwar alles dies auf eigene Kosten,
Derselbe muß die Hecken gehörig schneiden, ehe der Saft
in das Holz kommt und das Holz blos zum Ausbessern dersel-
ben gebrauchen.
Art. 14. : Alles auf dem Gute gewonnene Stroh muß wie-
der zu Düngmittel auf dasselbe verwendet werden und hat der
Anpächter alles bei seinem Abzug vorhandene Stroh, Futter,
Asche, Dünger und Düngemittel zurückzulassen.
Art. 15. : Der Anpächter hat die Gebäulichkeiten des Gu-
tes in einem guten Reparatur-Zustand zu erhalten, und dieselben
beim Ablauf des Pachtvertrages auch wieder in einem guten
Zustand abzutreten.
(Dieser Pachtvertrag wurde am 30, 9. 1931 erneuert und
verlängert. Dort heißt es dann in Art. 5 :”Mindestens alle zwei
Jahre alle äußeren Holzteile der Wohnung einschließlich der
Schranken mit einem Ölanstrich versehen und letztere sowie die
Einzäunungen in gutem Zustande zu erhalten.”)
Art. 16. : Beim Abzug erhält der Pächter die Hälfte der zu
Felde stehenden Saat, während. die andere Hälfte sowie alles
Stroh der Verpächterin verbleibt.
Art. 17. : Der Anpächter kann wegen Mißwachses, Über-
schwemmungen, Frost, Mausebiß und sonstiger unvorherzusehen-
der Unglücksfälle keinen Nachlaß am Pachtpreise oder irgend
eine Entschädigung beanspruchen.
Art. 18. : Im letzten Jahre der Pachtung darf der Anpäch-
ter drei Monate vor seinem Abzuge das Vieh nicht mehr weiden
33
lassen, auch darf er in diesem Jahre weder Hecken noch Bäume
scheeren.
Art. 20. : Sämtliche Stempel- und Einregistrierungskosten ge-
hen ebenfalls zu Lasten des Anpächters.
Soweit diese kleine Kostprobe. Es ließen sich weitere in-
teressante Einzelheiten aus diesen Pachtverträgen herauspicken.
In der preußischen Zeit wurden sie vor Notaren abgeschlossen.
Die Kosten lagen zwischen 27 und 42 Goldmark. Die Pacht selbst
mußte laut Vertrag vom 13. 2. 1889 ”in gutem kurshabendem
Geld” und laut Vertrag vom 22. 12. 1891 ”in Deutscher Reichs-
gold Münze” bezahlt werden. Die Höhe der Kaution betrug
1891 1.300 Goldmark. Eine erkleckliche Summe.
In der belgischen Zeit wurden die Verträge nur einregi-
striert. Das Verfahren war jedoch auch nicht billiger.
In einem der Pachtverträge wird der Verpächter ”Hoch-
wohlgeborener Herr” genannt. Als solch ein Hochwohlgebore-
ner Herr seinem Pächter die Verlängerung des Pachtvertrags
verweigerte und dieser ihm sagte, das sei nicht recht, war die
Antwort : ”Recht mag Recht sein, Unrecht kann auch Recht
sein und große Herren haben immer Recht !”
Die ”gute alte Zeit”, wie wir sie so gerne heute nennen,
war für manch einen eine Zeit der Not und der Bedrängnis.
Das ist glücklicherweise vorbei. Heute schützt das Gesetz den
Pächter. Sein über 18 Jahre laufender Pachtvertrag macht kurz-
fristige Kündigungen unmöglich. Auch kann ein von ihm be-
wirtschaftetes Gut ohne sein Wissen nicht verkauft werden, und
im Falle eines Verkaufes hat der Pächter das Vorkaufsrecht.
(Im nächsten Heft : ”Bajeere”)
Leo Homburg, Fossey-Hauset
|
34 I
Sommesch Jupp /
Da auch außerhalb des Göhltals unseren Dialekttexten, wie wir
wissen, Interesse entgegengebracht wird, hat der Redaktionsausschuß be-
schlossen, einmal ein längeres und sprachlich ziemlich reichhaltiges Ge-
dicht mit gegenüberstehender hochdeutscher Übersetzung zu bringen. So
dürften für die Interessenten Wortschatz, Lautstand und Formen bedeu-
tend durchsichtiger werden. Die Übersetzung - von der Hand des Schrift-
leiters - hält sich so eng wie möglich an den Mundarttext, vermeidet
auch volkstümliche Wendungen nicht, verzichtet aber auf poetische Ver-
zierungen.
E litt net op Hubertesknupp (1) Er liegt nicht auf dem Hubertushügel,
Der örme aue Sommesch Jupp ; der arme alte Josef Sommer ;
E vremde Äed litt ose brave in fremder Erde liegt unser braver
En tröje Barbaraschötz bejrave. und treuer Barbaraschütze begraben.
Bej os jehuet häe op en Bohr, Bei uns gehörte er auf die Totenbahre,
Weil häe e Stöck va Jömm’lech wor. weil er ein Stück von Gemmenich war,
Häe wor ne Vrönd va Pick en Beer Er war ein Freund von Schnaps und Bier
En Pilosoph op sing Maneer, und Philosoph nach seiner Art,
E hat vas an dat Römerwoet er hat fest an das Römerwort
”In vino veritas” jegloet. ”In vino veritas” geglaubt.
En dovör hat häe Dag en Naht Und deshalb hat er Tag und Nacht
De Worret ömmertu jesat. die Wahrheit immerzu gesagt.
Twei Anekdötschre ut sie Läve. Zwei Anekdötchen aus seinem Leben
Die könne os e Beispiel jäve. können dafür ein Beispiel abgeben,
Der Somesch Jupp wor Lompesammler Josef Sommer war Lumpensammler
En sog bo ut wie hüj ne Gammler., und sah bald (fast) aus wie heut ein Gammler.
Häe dräv der Handel op sie Kopp, Er betrieb den Handel selbständig,
Jol Lomm’le en ot Iser op, kaufte Lumpen und altes Eisen auf;
Dat woet jewogt en schön sortiet, das wurde gewogen und schön sortiert,
Betallt no Wäet en no Jewiet, bezahlt nach Wert und nach Gewicht.
Die Wog, die zechde, wat häe wol, Die Waage zeigte, was er wollte,
Janz jenachdem, wie häe se hol. ganz je nachdem wie er sie hielt.
Ens, wie der Jupp met Wog en Lomm’le Als der Jupp wieder einmal mit Waage und Lumpen
Drejviedel vol wer koem jebomm’le zu drei Vierteln betrunken angebummelt kam
De Bahn erop va Dör te Dör, von Tür zu Tür die Bahnhofstraße hinauf,
Stong an ne Zol ne Kontrollör. stand am Zoll ein Kontrolleur,
Dä wol - wat komesche Maneere - Der wollte - was für komische Manieren-
Der Jupp sing Wog ens kontrolleere. dem Jupp seine Waage (die Waage des
J.) mal kontrollieren,
35
Do wor now äl nex a te due, Da war nun aber nichts dran zu machen,
Der Jupp, dä bläv dernäve stue. der Jupp blieb daneben stehen.
Op emol jov now wie ne Dölle Auf einmal nun begab sich, wie ein Verrückter,
Dä Kontrollör sech an et brölle : der Kontrolleur ans Brüllen (fing an zu brüllen) :
"Ech han de Wog examiniet, ”Ich hab die Waage untersucht,
Ech han der Zeger kontrolliet, ich hab den Zeiger kontrolliert,
Ech han se drej Mol utprobiet : ich hab sie dreimal ausprobiert :
Die Wog van dech die jeht verkiet !” die Waage von dir, die geht verkehrt
(zeigt falsch an)!”
”Herr Kontrollör, dat sall wall sie, ”Herr Kontrolleur, natürlich
A (wörtlich : das wird wohl sein),
Wu hat dör da och all’ns jesie, Wo haben Sie denn schon mal gesehen
- Jov Sommesch Jupp dorop Bescheed - - gab J. S. darauf zur Antwort -
Ne Hoddelekrom wat rechteg jeht ?!” einen Trödelkram, der richtig geht?”
Dat wor der öÖschte jowe Schlag, Das waı der erste gute Streich (Scherz),
Der twäde vol ne andre Dag. der zweite fiel an einem anderen Tag.
Der Jupp, dä hau sech bej et ”Rott”(2) Der J. hatte sich bei der Roten
Jätt Hov wer op en Lamp jeschott wieder einige Halbe auf die Lampe gegossen
En bommelde der Sand (3) erav und schwankte die Sandstraße herunter
Va lenke Jrav no räete Jrav. vom linken Graben zum rechten Graben.
Kom koem häe ajje Denkmal - os, Kaum kam er ans Denkmal -
Du trebeliede höm de Blos. da quälte (tribulierte) ihn erbärmlich die Blase,
Pissoire jov et äl jeng wiet Aber Pissoire gab es keine weit
En breet e Jömmlech en dä Tiet. und breit in Gemmenich, zu der Zeit.
(Hej kann me tösche Parenthese (Hier kann man zwischen Parenthesen
En kleng Bemerkong och noch lese : auch noch eine kleine Bemerkung lesen :
Des jett et och bes hüj noch jeng, deren gibt es auch bis heute noch keine,
Vör jruete Nuet net, net vör kleng.) nicht für große Bedürfnisse (wörtlich :
große Not) und nicht für kleine.)
En jedder Minsch, och Hond en Katz Und jeder Mensch, auch Hund und Katze
Jong du der Tiet e Pomm6&s Jatz. ging damals in Pommes Gasse,
Do stoht der Jupp sech och now jau Dahin stellte sich nun auch schnell der J,
En dong dat, watte nüedeg hau. und tat das ‚was er nötig hatte (als nötig empfand).
En dat Moment, du koem äl jrad In dem Moment, da kam aber grade
Der Hopsgendarm van de Brigad der Hauptgendarm von der Brigade
En ropde an der Jupp met Jrol : und rief dem J. mit Groll zu :
”He, Jupp, dow bes och werrem vol!” ”He, J., du bist auch wiederum betrunken !”
Der Sommesch Jupp, dä wankt en hoddelt Der J. S., der wankt und schwankt
En peest sech op en Schon en stroddelt: und pißt sich auf die Schuhe und stammelt :
”Jo, ech ben vol en han eng kläve, ”Ja, ich bin betrunken und hab einen
(wörtlich : eine) kleben,
36
Dat es wal net vör allmeläve, aber das ist nicht für mein ganzes Leben,
Dat ben ech - hick -wer mörje quitt, das bin ich - hick - morgen wieder quitt,
Al dow - hupp - bes Gendarm - dat blitt !” aber du - hupp - bist Gendarm, und das
bleibt (bleibt haften) !”
Wenn hüj noch an sing Schläg vör denke, Wenn wir heute noch an seine Streiche
(Scherze, Witze) denken,
Da wöl vör noch e op höm drenke dann wollten (möchten) wir noch eins
auf ihn trinken
En rope nojjen Hemmel än : und in den Himmel hinein rufen :
”Prost, Jupp! Ding Schläg die haue Sän. ”Prost, J.! Deine Witze hatten Sinn.
Dow hots, wat hüj net mie besteht, Du hattest, was heute nicht mehr besteht,
De recht’ge au Jemütlechkeet. die richtige alte Gemütlichkeit.
Och has dow met die janze Läve Auch hast du mit deinem ganzen Leben
Os praktesch der Bewies jejäve, uns praktisch den Beweis gegeben,
Dat die, wat ajjen Theke stönd, daß die, die an den Theken stehen,
De schlemmste Minsche jarnet sönd.” gar nicht die schlimmsten Menschen sind.”
(1) Friedhof von Gemmenich
(2) Gemmenicher Wirtin
(3) Eine Straße in Gemmenich
G. Tatas
i
37
Mie Oddeschhuus !
Mie Oddeschhuus märr ut jries Steng
steht eje Jöhldal schönn en kleng,
e Höfke drömm wiej bejde Buure,
en Wengterjrön op heel auw Muure ;
der scheefe Dörpel, märr bloo Steen,
do jonn ech heel jär dröver heen.
Dä Plaatsch, wu ech‘ jeboore bäen,
blitt lävenslank e minge Säen !
Do sörchde Mamma janz alleng
vör Pittsche e siej Weechske kleng ;
do woet ech jruht op höre Schuet,
met Späljetüch än sonder Nuet,
do liede seej mech bäne, kalle,
och vör de Schul et Ränske schnalle.
Än litt datt trökk och hüj hiel wiet,
verjeate kan ech niej diej Tiet !
Do beej ne auwe Eekeboom,
do dromt ech minge Lävensdroom,
ä Mätsche plattdütsch jonk en blont
te fenge vör der Lävensbont.
Dä Boom woet van et Huus e Stökk,
heiej braat miej Hatt et Lävensjlökk
ne allerlevste Hattedeef
miej Vröeke, schönn, brav, jonk än leef !
Wie fruwe bän ech datt Huus te haan ;
ech hauw, Jott wett wiej völ dervaan,
dat schönn klee Plätschke open Eat,
dat hat vör mech der jrötste Weat.
Än wätt dat Huus noch enz sö oht,
da lött et doch miej Hatt niej koot.
Ech denk Johr ut, Johr än dra trökk,
dänn hätt braat mech miej Lävensjlökk !
Peter Zimmer
38
Möng und die haltbare Kirmesfrisur
Sowas gab’s früher !
Möng, Stukke, Nöll und Stutz galten einst in Kelmis als
die Unzertrennlichen. Sie waren vier Junggesellen und hielten
zusammen wie Pech und Schwefel. Auf ihrem Kopfe wuchs
kein gutes Haar, da sie in punkto Eulenspiegeleien ihren Meister
suchten. Stutz, der Friseur, hatte sich mit seinem Geschäft einem
gutgehenden Taubenlokal gegenüber niedergelassen. Solange die
Moneten reichten, traf man sich hier nach getaner Arbeit. Sonst
aber fand ein Plauderstündchen im Frisiersalon ihres Freundes
statt. Was dabei herauskam, dürfte selten etwas Gescheites ge-
wesen sein. Einer versuchte dem anderen einen Streich zu spie-
len, gleich welcher Art. Obschon sie sich dessen bewußt waren,
gingen sie immer wieder auf den Leim. Es gab keinen Ärger,
nach dem Dreh wurde gelacht und alles blieb, als sei nichts
passiert. Innerlich jedoch schwor der Betroffene einen Gegenzug.
Stutz, das letzte Opfer einer Schikane Möngs, mußte sich nun
was einfallen lassen, seinen koketten Freund Möng mal richtig
‘hereinzulegen. Stukke und Nöll streckten bei jeder Begegnung
mit Stutz die Fühler aus, zu erfahren, was er eigentlich vorhabe,
jedoch ohne Erfolg, da dieser die Ohren steifhielt. Er hielt dicht
und gab nur zu verstehen, daß alles klappen werde. Die Kelmiser
Kirmes rückte näher und der Zufall wollte, daß Möng, der Gru-
benarbeiter, gerade in der Woche davor Nachtschicht hatte.
Abend für Abend versammelte sich das Dreigestirn, bis schließ-
lich Stutz verriet, wie er sich die Vergeltung ausgedacht habe.
”Ich habe,” so sagte er, ”für unseren hoffärtigen Freund einen
spezial Haarfestiger präpariert mit garantierter Haltbarkeit.” Er
spannte die Neugierigen nicht lange auf die Folter, zeigte ihnen
eine Flasche mit roter Flüssigkeit, worauf auf einem mit Blumen
umrandeten Etikett ”Blumen-Haarwasser” geschrieben stand.
”Eine Mischung von Himbeersaft und einigen Tropfen Parfum
soll unserem Möng die Kirmes doppelt schön machen”, meinte
er und stellte das Präparat in ein Glasschränkchen, das er ab-
schloß, da er selbst seinen Komplizen kein Vertrauen schenkte.
Stutz bat seine Kollegen, dichtzuhalten, damit der Spaß gelinge.
Als die Kirmes nun gekommen war und Stutz wie an jedem
Sonntagmorgen seine Kunden bediente, kamen auch Stucke und
39
Nöll zum Verschönerungsrat.”Ist Möng schon hier gewesen ?”
war ihre erste Frage. ”Nein”, erwiderte Stutz und gab zu ver-
stehen, daß er der Nachtschicht wegen noch schliefe und erst
kurz vor Mittag käme. Auch die beiden ließen sich fein machen,
blieben im Frisiersalon, ihren teueren Kameraden begrüßen zu
können, viel mehr aber, um zuzusehen, wie Stutz den Racheakt
vollzog. Endlich war es so weit. Händereibend trat der Erwar-
tete in die Rasierstube ein, foppte in üblicher Manier seine Kum-
panen, bestellte eine glatte Rasur und zur Feier des Tages eine
haltbare Frisur mit wohltuendem Geruch. Was das koste, be-
merkte er, spiele keine Rolle, denn Möngke habe noch Pinke.
Als nun sein Gesicht glatt geschoren, kam es zu der geplanten
Prozedur. Stutz empfahl seine Haarwasser und bot letzten Endes,
mit etwas Fisimatentchen, seinen ”Spezial Haarfestiger” an.
Selbst der übertrieben hohe Preis schüchterte den Kunden nicht
im geringsten ein. Er wollte adrett sein und auf Brautschau
gehen. Alles war verlaufen wie gewollt. Bevor man zum Mit-
tagessen ging, wurden Zeit und Treffpunkt für den Abend festge-
legt. Es hieß : Um sieben Uhr im Taubenlokal !
Wie verabredet, erschienen die anderen schon eine Vier-
telstunde vor Möng. Es mußte ja breitgetreten werden, daß ihr
Kumpel mit seiner Frisur das Opfer des Abends sein mußte.
Bei seinem Erscheinen sah ihn ein jeder erstaunt an. Er hatte
gleich bemerkt, daß alle Augen auf ihn gerichtet waren, lächelte
und stellte sich zu seinen Freunden. Da er immer wieder die
Stirne runzelte, fragten ihn diese, ob er Kopfschmerzen habe.
Das gerade nicht, meinte er. Aber der Stutz habe ihm was auf
die Birne geschmiert, das spanne seine Kopfhaut dermaßen, daß
es fast unerträglich werde. Sein Unbehagen war deutlich sicht-
bar. Hoffart leide Pein, warf man ihm vor, und das nahm er
lächelnd hin. Die Sache kam zum Höhepunkt, als die Gäste an-
fingen, mit der Nase zu schnuppern und den Möng dauernd frag-
ten, ob er es sei, der so gut rieche. Er mußte immer und immer
den Kopf beugen, jeder wollte riechen, sich überzeugen, woher
der Geruch kam. Als es nun zu weit ging, platzte ihm der Kra-
gen, er wies alle energisch zurück und schrie : ”Ihr seid nichts
Gutes gewohnt, das kann Möng sich leisten.” Innerlich jedoch
wuchs sein Stolz. Seine eitle Gebärde verriet eine wohltuende
40
Genugtuung. Heimlich zog er Stutz beiseite, um ihn wissen zu
lassen, daß seine Haare so steif wie ein Brett seien. Dieser gab
ihm alsdann zu verstehen, daß er sich daran gewöhnen müsse,
Möng hätte gern ein Tänzchen gedreht und schlug vor, zum
”Kino Pax” zu gehen, was auch geschah. Das Tänzchen
das er sich gewünscht, solle er haben, wispelten die anderen un-
tereinander, wie sie in dem überfüllten Restaurant ankamen.
Wichtig strich er nochmal mit beiden Händen über sein Haar, bat
ein Mädel zum Tanze und drehte im Walzertakt auf die Tanz-
fläche. Währenddessen gingen die drei von Tisch zu Tisch, for-
derten Frauen und Mädchen auf, ihren Freund mit dem Tanzen
nicht zur Ruhe kommen zu lassen. Selbst der Akkordeonspieler
bekam einen Wink, die Pausen nicht zu lang zu machen. Bei
jedem Tanze hatte Möng eine große Auswahl an Tänzerinnen,
Er kam nicht zur Ruhe, mußte tanzen ob gern oder nicht.
”Habe ich heute Chancen,” dachte er. ”Das muß meine Frisur
machen,” äußerte der arme Kerl sich seinen Kameraden gegen-
über, die sich still ins Fäustchen lachten.
In kurzer Zeit war in dem Lokal Hochstimmung. Unser
Möng war die Zielscheibe des Abends. Man gönnte ihm keine
Ruhe. Andauernd wurde getanzt, gesungen und gesprungen. Ihm
wurde immer heißer, er zog Rock und Pullover aus, sprang
fleißig weiter und pries selber seine Ausdauer. Allmählich begann
der Schweiß auf seiner Stirn sichtbar zu werden, was für die
anderen drei Brüder der Zweck der Sache war. Sie hatten nur
die Frisur im Visier und waren gespannt, wie der Tänzer aus-
sehen werde, wenn der Himbeersaft zu rinnen beginne. Welch
ein Spaß, als es so weit war und die ersten roten Schweißtropfen
über seine Backen perlten. Ahnungslos wusch und wusch er
immer wieder mit dem Taschentuch die klebrige Flüssigkeit von
sich. Seine Tanzpartnerinnen, die nun erst recht begriffen, wo
der Hase im Pfeffer lag, ließen jetzt nicht locker, Auf seinem
weißen Hemd kamen, wo der Schweiß fiel, rote Tupfen zum
Vorschein. Seine Komplizen, die ihr Ziel erreicht hatten, hielten
sich im Hintergrund. Sie wußten zu gut, daß der kleine Mann
manchmal ungemütlich sein konnte. ”Möng schwitzt Blut !” rief
man im Lokal, und tatsächlich sah es so aus. Die rote Brühe,
41
die ihm den Nacken hinunterlief, hatte seinen Kragen gefärbt.
Sein Gesicht war gesüßt und gestreift von dem Saft. Küßten ihn
die Frauen und Mädchen, riefen sie, Möng sei wirklich ein
Süßer, fuhren mit beiden Händen durch sein Haar, so daß von
der Kirmesfrisur nichts mehr blieb. Je später es wurde, desto tol-
ler wurde auch das Treiben, bis schließlich die Bombe platzte. Der
vierte Mann sah nun erst, daß er in die Falle gegangen war,
schrie derbe Fluchworte, schlug sich selber um den Kopf und
bekannte sich als Idiot. Vergebens war die Suche nach seinen
Kollegen, da die inzwischen schon das Weite gesucht hatten.
Nun stand er da ohne Rock und Pullover, denn die Taugenichtse
hatten ganze Arbeit gemacht und die Klamotten mitgenommen.
Die Wut zwang ihn zum Trinken, Viele Glas Bier brachten den
Möng ganz aus dem Häuschen. Er schlug Purzelbäume, warf
Tische, Stühle und alles, was ihm im Wege stand, um. Geschickt
brachte der Wirt es fertig, daß er nach Hause ging. Wie ein
Sommerfrischler stolperte Simon, so war sein richtiger Name,
von allen guten Geistern verlassen, die Straße hinunter. Rock
und Pulli fand er an der Türklinke. Dabei hing ein Zettel, auf
dem geschrieben stand : ”Rache ist süß, doch du bist noch
süßer.” Die teueren Freunde, die etwas abseits gestanden hatten,
riefen kräftig : ”Gute Nacht !” und lachten von ganzem Herzen.
Möng, der mit viel Mühe die Haustür aufgeschlossen hatte,
brüllte dann laut : ”Wartet nur ihr Lumpen, das zahle ich euch
heim !”
Franz Uebags
42
Waldgeheimnisse
von Peter Emonts-pohl
Vor einem halben Jahrhundert habe ich als Kind viele Er-
zähler gekannt, Waldarbeiter, Fuhrleute, Bauern, Viehhändler
und vor allem Tierärzte, studierte und volkstümliche. In einer
Zeit, als Rundfunk und Fernsehen noch ihrer Erfindung harrten,
waren sie gern gesehene Gäste, wenn die Abende lang wurden,
die schwarzen Kanonenöfen Holzkloben in anheimelnde Wärme
verwandelten, die Petroleumlampen mildes Licht spendeten und
die Zimmerluft verdarben. Viele von ihnen hausten als Jungge-
sellen in schmalbrüstigen Häuschen auf der Pfau oder im Sträß-
chen, machten im Walde Faschinen oder Klafterholz für die
Holzhändler zurecht, holten sich bei meiner Großmutter nebenan
ihr Viertel Butter, ihr Krüglein Buttermilch, ihren Weißkäse.
Dabei ließen sie sich viel Zeit, erzählten von ihren Abenteuern
im Walde, glaubten noch an die wilde Jagd, an den verborgenen
Schatz, an den Spuk in der Stöckelchens Gasse. Meist saß ich
dann still auf dem Fußschemel, und gebannt hing ich an den
alten bärtigen Lippen, die so viel wußten von der geheimnis-
vollen Welt des Übersinnlichen, die sich auskannten in den ge-
heimnisvollen Gründen jenes dunkel dämmernden Waldes, der
das Dorf mit seinen grünen Armen umfaßte und nach Süden ins
Endlose hinauswallte. Keiner aber konnte so spannend erzählen,
wie Onkel Mathies. Er war eigentlich unser Großonkel, den
Tant Drück, ein spätes Mädchen, mit Weiberlist und Weiber-
tücke aus dem einsamen Baumhauershäuschen entführt und un-
ter ihre Herrschaft gebracht hatte. Seine Gestalt hatte etwas von
der Hagerkeit eines Asketen. In Wald und Flur aufgewachsen,
war er ein Träumer und Erzähler geworden. Doch hatte die Tant
dem Flügelroß seiner Phantasie so lange die Schwingen gestutzt,
bis es sich als einfaches Zugpferd resigniert vor den Karren des
Lebens spannen ließ, Den Schalk im Alten hat sie jedoch nicht
ganz abzuwürgen vermocht und noch weniger war es ihr gelun-
gen, die Tür zum Paradies seiner Jugenderinnerungen ganz zu
verschließen. Was er an geheimnisvollen Schätzen aus seinem
Innern hervorholte, ließ er zur Dämmerstunde vor unseren mär-
chengläubigen Kinderaugen aufglänzen. Er hatte die Gabe, jede
Begebenheit mit spannendem Leben zu erfüllen und jedesmal
44
Wenn der Winter besonders streng war, wenn eine dicke
Eisschicht Seen und Flüsse bedeckte, kamen zuweilen noch Wöl-
fe aus den Vogesen bis in die Wälder der Heimat. So kamen
sie über das Eis der Flüsse und Seen, und der Hunger trieb sie
in die Nähe der einsamen Höfe. Einmal in der Nacht erwachten
wir von einem ungewohnten Getöse im Kuhstall. Die Kühe brüll-
ten und zerrten wie wild an den rasselnden Ketten. Wir fuhren
erschreckt aus den Betten, und Vater griff nach der Büchse, Er
Öffnete das Fenster und sah im fahlen Schein des Mondes auf
der hellen Schneefläche einen Schatten und zwei glühende Lich-
ter. Es war ein hungriger Wolf, der sich an der Stalltür zu schaf-
fen machte. Er spürte das warme Leben hinter der schützenden
Tür und versetzte durch sein Scharren und Kratzen das Vieh
in einen tödlichen Schrecken ; ein Instinkt, der ihnen aus grauer
Vorzeit im Blute lag, erkannte oder witterte den Todfeind. Da
peitschte Vaters Schuß durch die Nacht; Geheul und eilige
Flucht. Am nächsten Morgen führte eine Schweißfährte durch
den knietiefen Schnee auf den Wald zu. An einem Eichenstumpf
lag ein gewaltiger Wolfsrüde verendet.
Besonders dramatisch sollte der Abend des 20. Februar
1874 werden. Friedlich saßen wir beim Abendessen um den
großen Tisch. Plötzlich nahten sich eilige Schritte. Die Haustür
flog auf, und atemlos stürzte ein Mann in die Diele, die Augen
vor Entsetzen geweitet. Mit versagender Stimme stieß er hervor :
Kommt schnell ... ein Toter ... am Schimmericher Bach !” Wir
Jungen, der Kornel, der Jook und ich sprangen auf. ”Mir nach !”
rief der Mann. In atemlosem Lauf eilten wir auf die Stelle zu,
wo in einem kleinen Gehölz der Fußpfad von Eupen nach Rae-
ren über den Bach führt. Dort lag der Tote. In der Dämmerung
des fallenden Abends sahen wir den entseelten Körper als einen
dunklen Schatten am Ufer des friedlich dahinmurmelnden Baches
liegen. Der Kopf war halb in den Uferschlamm hineingetreten,
das Gesicht schien durch brutale Tritte mit genagelten Schuhen
furchtbar entstellt.
Am folgenden Tag erfuhren wir, daß der Tote der Land-
wirt Johann R. aus Raeren war. Er hatte sich mit einem Nach-
barn zerstritten, und an jenem verhängnisvollen Tage hatte ein
Gerichtstermin in Eupen die beiden wieder versöhnen sollen.
Gemeinsam kehrten sie zu Fuß nach Raeren zurück. Ob nun der |
|
45
Streit wieder aufgeflackert war? Gott weiß es. Gerüchte wurden
von Mund zu Mund geflüstert, doch die Täterschaft konnte nie
geklärt werden. Es ‚hieß, daß der unheimliche Weggenosse des
Erschlagenen, statt seinen Weg fortzusetzen, plötzlich nach Süden
abgebogen und auf den Schönefelder Weg gelangt sei. Hier habe
er sich von einem Holzfuhrwerk ein Stück‘ mitnehmen lassen.
Bald darauf hat er die Heimat verlassen und‘ ist'nach‘ Amerika
ausgewandert. Man ‘hat nie wieder etwas von ihm gehört.
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Ein schweres Kreuz aus Eisen kündet noch heute von dem
grausigen Geschehen, von blutiger Tat. Doch rauscht der Wald
friedlich wie eh und je, verträumt murmelt das Bächlein sein
Lied, die Natur hat das alte Kreuz mit Vergessen überwuchert.”
]
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Doch nun zurück in die Gegenwart ! Nachdem ein Freund
mir vor wenigen Monaten den Totenzettel von Onkel Mathies
geschenkt hat, vermag ich nunmehr auch die Lebensdaten nach-
zuzeichnen des ”wohlachtbaren Herrn Johann Joseph Mathias
Kohl, der am 12. Oktober 1931, gestärkt durch die Tröstungen
der hl. kath. Kirche, im Alter von 75 Jahren zu Raeren im Herrn
entschlafen ist. Der Verstorbene war am 5. Oktober 1856 zu
Kettenis geboren als Sohn der Eheleute Servaz Kohl und Elisa-
beth geb. Hellebrandt. Er vermählte sich am 25. September
1894.”
Im letzten Sommer wollte ich nach vielen Jahren jenes
Kreuz am Bächlein wiedersehen. Wie mancher Raerener Bauer
hat das rostige Eisenkreuz gegrüßt, wenn er schwer beladen mit
Butterkörben zum Eupener Wochenmarkt ging! Wie oft habe
auch ich an das grausige Geschehen gedacht, wenn ich zu Fuß
oder auf dem Fahrrad vorbeikam. Mein Vorhaben, es im Bild
festzuhalten, sollte sich nicht verwirklichen lassen. Ich fand den
schmalen Waldsteig gänzlich zugewachsen mit undurchdringli-
chem Gesträuch. Von dem Kreuz nicht eine Spur. Ein noch-
maliges Suchen nach dem Laubfall im Herbst blieb ebenfalls
ergebnislos. Bauern in der Umgebung, die ich fragte, wußten
nichts von dem Kreuz und von dem Drama des Jahres 1874.
Ich habe das Mahnzeichen dann aus dem Gedächtnis gezeich-
net, so wie es nach Jahrzehnten noch lebendig in meiner Erin-
nerung steht.
1
47
Jugenderinnerungen
Geburt und erste Lebenserinnerungen
von Hermann Heutz
Geboren bin ich im September 1911 daheim im elterlichen
Ehebett. Damals war das allgemein so üblich, und reiche und
arme Kinder taten dies ohne Ausnahme. Auch einen Doktor
zog man damals nur in schweren Fällen zu Rate, ”De Hevamnm”
(Hebamme), damals Frau Goebbels aus Eynatten, kam eines
Tages ins Haus und ”brachte” das neue Kindchen. Die bereits
vorhandenen Kinder wurden für einige Tage zur Oma befördert.
Frau Goebbels schaltete und waltete für diese Tage im Hause,
versorgte die Mutter und trank unzählige Tassen Kaffee zu ihrer
eigenen und der Wöchnerin Stärkung. Nach diesen wenigen
Tagen erhob die Mutter sich wieder, noch etwas bleich und
wackelig, und die Kinder kamen wieder ins Haus, besahen neu-
gierig das neue Kindchen, fanden es durchaus nicht so schön,
wie man es angepriesen hatte, und lärmten bald wieder wie vor
dem großen Ereignis durch Haus, Keller, Söller, Garten und
Wiesen. Nach einer Woche wurde das neue Kindchen dann von
dem brummigen Pastor Schoelgens getauft, und die Kinder freu-
ten sich auf den Taufkaffee mit ”Flaam en Platz”. Patin und
Pate saßen am Tisch, anfangs etwas steif, später aber, angeregt
durch Kaffee und sehr viele Körnchen, recht munter und ge-
sprächig. Besonders mein Pate muß bei meiner Taufe Beacht-
liches im Körnchentrinken geleistet haben, denn später habe ich
es von Mutter gehört, daß man ihn zu später Stunde mit saniter
Gewalt heimbefördern mußte. Es war ein heißer Sommer, dieser
Sommer 1911. Das Venn hatte wochenlang gebrannt, und die
heimatlichen Wiesen sind rostbraun gewesen. 1911 ist übrigens
auch ein gutes Weinjahr gewesen. Mein Pate und die Sonne in
meinem Geburtsjahr müssen sich wohl zusammengetan haben,
um mir Freude an einem guten Wein zu vererben. Ich danke
jedenfalls für diese Neigung, die ich gerne habe und immer im
Zaume halten will. Ich bin am ”Panneschopp” sozusagen im
Klei aufgewachsen. In der Schule schimpfte man uns ”Pan-
nestütz” oder ”Kleikonditter”. Da ich schon früh recht
erfinderisch in Spitznamen war, blieb ich der Dorfjugend
in dieser Hinsicht nichts schuldig. Wenn die Dorfjungen
48
gegen mein scharfes Mundwerk nicht mehr ankamen, ver-
prügelten sie mich. Aber ich greife der Zeit vor. So weit
sind wir noch lange nicht. Kurz vor dem ersten Welt-
krieg waren meine Großeltern mütterlicherseits zum Bell-
merin nach Eupen verzogen. Großvater F., übrigens auch ein
Pannebäcker, hatte seinen Söhnen den Panneschopp übertragen
und hatte sich also im Bellmerin ein Häuschen gekauft. Es ist
das heutige Haus Carls. Damals war allerdings der Aufbau auf
dem Haus noch nicht vorhanden, und auch der Garten vor dem
Haus war noch unbebaut und von einer hohen Weißdornhecke
umgeben. Ein Fräulein Godesar, die Nachbarin, verkaufte in
ihrem Lädchen Süßigkeiten und Kolonialwaren. Wenn man vor
dem Hause Großvaters stand, lag links in ca. 150 m Entfernung
am Ende eines Feldes die damalige Fachschule, heute ältester
Gebäudeteil der Kaserne. Das Feld muß wohl früher ein Park
gewesen sein. In den Kriegsjahren aber war es ein Kartoffel-
acker. Das Haus Großvaters war ein Doppelhaus, d.h. es stand
Rücken an Rücken mit genau demselben Haus. Dieses Haus
wurde von der Familie Gorgels bewohnt. Es war dies eine Fa-
milie mit unzähligen Kindern. Der alte Herr Gorgels ist übrigens
noch nicht lange tot. Auf den Ausfahrten der Alten habe ich
ihn bis vor einigen Jahren jährlich begrüßen können. Großvater
hat dem Herrn Gorgels noch im Kriege die rückwärtige Haus-
hälfte verkauft. Aus dem Bellmerin habe ich meine erste Lebens-
erinnerung. Und das kam so : Gleich zu Beginn des Krieges
wurde mein Vater eingezogen. Meine Mutter blieb mit 5 kleinen
Kindern ”sitzen”. Um sie zu entlasten, nahmen meine Großel-
tern mich zu sich. Wahrscheinlich wählten sie mich, weil ich
mit meinen weißblonden Haaren mehr der Mutter glich als
der schwarzhaarigen Sippe meines Vaters. An diesen ”Umzug””
meiner sehr kleinen Person kann ich mich natürlich nicht mehr
erinnern. Das erste Bild meiner Kindheitserinnerungen ist das
folgende : Es ist ein warmer, regnerischer Sommerabend. Ich
sitze am Fenster des ersten Stockes in Großvaters Haus und sehe
auf den tropfnassen Garten hinab, höre die Regentropfen in den
Gartenbäumen rauschen und lausche dem Plätschern des Wassers
im Kandel. Hinter der Straße, auf der in regelmäßigen Abstän-
den ein kleiner gelber Kleinbahnwagen, ”de Tramm’”, vorbei-
rumpelt, schließt eine hohe Betonmauer das Grundstück Peters
ab. Dahinter liegen Garten und Park des reichen Fabrikanten
49
Peters. Heute sind Mauer und Garten längst verschwunden und
mit Häusern bebaut. Alte Eupener werden sich aber noch gut
an diese Mauer erinnern. Die Straße ist menschenleer. Da kommt
ein Soldat von Eupen her und biegt in die Gasse zu Großvaters |
Haus ein. Ich erkenne ihn, es ist mein Vater. Ich gleite von der
Fensterbank und eile ihm durch den Regen entgegen. Er hebt
mich hoch. Sein Gesicht ist rauh von Bartstoppeln, und die
Uniform riecht nach Karbol. Das ist meine erste Jugenderin-
nerung. Nun zurück zu Großvater F.. Aus der Heinsberger
Gegend kommend, hatte er in Hauset auf der Eynattener Heide
mit seinem Bruder einen Panneschopp errichtet und viele Jahre
darin fleißig gewerkelt. Er lieferte gute Ware in einer guten Zeit
für kleine Unternehmer. Fast monatlich soll er zuerst mit der
Postkutsche und nach 1905 mit der ”Tramm” nach Eupen zur
Sparkasse gefahren sein. Dann trug Großvater eine Schweinsblase
mit harten Gold- und Talerstücken zur Kasse. Also arbeitend
und sparend hatte er sich bis kurz vor dem ersten Weltkrieg ein
beachtliches Vermögen erworben. Als der Krieg ausbrach, setzte
Großvater alles auf eine Karte und zeichnete 100.000 Mark
Kriegsanleihe. Das geschah weniger aus Patriotismus als aus
Gefallen an dem ungewöhnlich hohen Zinssatz von 5%. Das
Kriegsende hat Großvater zum armen Mann gemacht, der selbst
das Haus im Bellmerin verkaufen mußte, Großvater war klein
von Gestalt. Haar und Bart waren weißblond und daraus leuch-
tete meistens ein freundliches Gesicht mit roten Bäckchen und
etwas schelmischen Augen, Er war immer adrett gekleidet. Viel-
leicht erinnern sich alte Eupener an das alte Herrchen im Bell-
merin. Der pensionierte Lehrer Crahe, der an der Fachschule
wohnte, war Großvaters Freund und Genosse bei den zahlreichen
und langen Spaziergängen im Langestal und in den Hertogen-
wald. Ich durfte fast immer mitgehen. Großvater hatte Sinn für
die Schönheiten der Natur. Er hatte eine gute Stimme und sang
manchmal im Walde. Sein Lieblingslied war : ”Wer hat dich,
du schöner Wald, aufgebaut so hoch da droben.” Ich glaube,
daß ich von Großvater F. die ”Lust zum Fabulieren” habe. Der
Höhepunkt dieser langen Spaziergänge war die Einkehr in eine
Wirtschaft am Waldrand. Großvater und Lehrer Crahe tranken
Schnäpschen, und ich erhielt eine Apfelperle, so hieß die Kriegs-
limonade. Großvater F. war ein grundehrlicher Mann, ein gläu-
biger Christ und eine Frohnatur. Das Kriegsende nahm ihm
50
nicht nur, wie oben erwähnt, das sauer verdiente Vermögen, es
zerstörte auch seinen Glauben an die Gerechtigkeit der Welt.
Er ist kurz nach Kriegsende gestorben und ruht neben seiner
Frau und seiner Tochter auf dem Eupener Friedhof, nicht weit
von der Grabstätte seines Freundes Crahe. Großmutter F. war
eine geborene Keutgen aus Hergenrath. Sie war Kind eines ar-
men Webers und stammte vom Völkersberg in Hergenrath.
Sie muß ein hübsches Mädchen gewesen sein, war fast einen
halben Kopf größer als Großvater und sehr resolut. Ihren klei-
nen quicklebendigen Mann hat sie allerdings nie unter den Pan-
toffel gekriegt. Im Alter hat sie diesen Kampf wohl aufgegeben,
denn ich habe meine Großeltern nie streiten sehen. Trotz einer
gewissen Engstirnigkeit und der rauhen Schale hatte Großmutter
F. ein goldenes Herz. Wenn ich in Eupen mal über die Stränge
schlug, griff sie mich bei den Strohhaaren und zog mich zwecks
Züchtigung ins Haus. Großvater entfernte sich dann. Großmutter
und auch ihre Tochter, meine Mutter, hatten beide in Sachen
Bestrafung eine ”gute Handschrift”. Trotz mancher gründlichen
Behandlung bin ich der Goßmutter niemals böse gewesen. Im
Hause lebte auch noch eine junge, unverheiratete Tochter, Tante
Julie. Sie war eigentlich mehr meine Freundin als Miterzieherin.
Sie ist in jungen Jahren an einer zu spät behandelten Entzün-
dung kurz vor Großvater gestorben und ruht, wie gesagt, bei
ihren Eltern auf dem Eupener Friedhof. Im Hause Großvaters
war ich während der Kriegsjahre wohlgeborgen. Dort habe ich
keinen Hunger gekannt. Großmutter kaufte Butter, auch wenn
sie 10 Mark für das Pfund geben mußte. Ich erinnere mich, daß
ich morgens zum Frühstück immer ein gekochtes Ei kriegte, Da
ich länger schlief als die übrigen Hausbewohner, standen Milch,
Ei und Butterbrote säuberlich am Tischende für mich bereit.
So habe ich im Bellmerin bei ”Opa en Oma” eine sorglose, fast
verträumte Kleinkinderzeit verlebt. Da ich oft mit mir allein
sein mußte, begann ich zu sinnen und zu träumen. Vom Kriege
habe ich eigentlich wenig bemerkt. Ich erinnere mich aber noch
an drei Begebenheiten, die eng mit dem Kriege zusammenhingen.
Die erste war die, daß Großvater eines Tages den kupfernen
Warmwasserkessel, der seitlich an den alten Küchenherden im-
mer angewärmtes Wasser enthielt, in Zeitungspapier einschlug
und zum Rathaus brachte. Großmutter war dagegen gewesen,
A 1
aber Großvater wollte den Aufruf des Korrespondenzblattes be-
folgen und den Kupferkessel ordnungsgemäß abliefern. Ich er-
innere mich, daß noch viele andere Eupener, Männer und Frauen,
mit ähnlichen Kesseln zum Rathaus kamen. Ein alter Polizist
nahm die Kessel in Empfang und warf sie achtlos auf einen
großen Haufen. Großvater erhielt 5 Mark. Dafür kaufte er mir
in der Klosterstraße eine ”Knallbüchse”, Die zweite Kriegsbege-
benheit führt mich mit Großvater zu einem großen Platz an der
Judenstraße. War es der heutige Sportplatz der Alliance, ich
weiß es nicht. Dort übten junge Burschen mit Lettow-Vorbeck-
Hut das Auswerfen von Schützengräben. Ich erinnere mich, daß
sie recht eifrig begeistert bei der Sache waren. Es leben be-
stimmt noch viele Eupener, die damals fleißig und freudig mit-
geschanzt haben. Gewiß werden auch etliche nur mißmutig mit-
gemacht haben. Die dritte und letzte ”Kriegserinnerung”. ist
ein Fliegeralarm in Eupen. Ich erinnere mich, daß in der Mit-
tagszeit alle Glocken der Stadt läuteten. Hoch oben am Himmel,
völlig unhörbar, kreiste ein krähengroßes Flugzeug. Die ganze
Stadt muß in Aufregung gewesen sein, denn Großmutter ergriff
das Sparkassenbuch und mich und stieg in den Keller hinab.
Großvater ließ sich nicht ziehen. Er stand‘ im Garten und beo-
bachtete den harmlosen Vogel mit seinem Feldstecher,. Ich sagte
schon, daß ich im Umgang mit den Großeltern zum Träumer
wurde. Bei ihren Besuchen stellte Mutter das fest und beschloß,
mich wieder in die rauhere Wirklichkeit des Panneschopps auf der
Eynattener Heide zurückzuholen. Da ich außerdem schulpflich-
tig geworden war, konnten meine Großeltern meine Heimkehr
nicht mehr verhindern. Ich habe damals bitterlich geweint, ‚als
ich das traute Haus am Bellmerin verlassen mußte. Nur das
Hallo, mit dem mich die Geschwister und die sehr zahlreichen
Vettern und Bäslein am Panneschopp empfingen, ließ mich in
relativ kurzer Zeit mein Heimweh nach Bellmerin vergessen.
Trotzdem aber bin ich in den Schulferien noch 2 Jahre lang zu
den Großeltern zurückgekehrt und bin zeitlebens immer ein biß-
chen Eupener geblieben. Das Eupener Platt spreche ich übrigens
heute noch recht gut. Nur ein waschechter Eupener, wie Herr
Vilvoye, merkt, daß ich eigentlich nur ein ”Imi” bin.
92
In Memoriam Hermann Heutz
Am 18. Januar dieses Jahres verstarb in Hauset unser Hei-
matdichter Hermann Heutz. Er ist allen Heimatfreunden durch
seine zahlreichen Geschichten und Mundartgedichte bekannt,
die in den letzten Jahren in lokalen Zeitungen und Zeitschrif-
ten erschienen.
VASE m Hermann Heutz wurde
5 am 24. September 1911 ge-
BO boren. Sein ganzes Leben
a ud 1 N _____ stand im Zeichen einer tiefen
AA & A m Heimatverbundenheit. Die
a Liebe zu seinem Heimatdorf
A ZUM Hauset und der näheren Um-
DO Ur gebung brachten ihn schließ-
A lich zum Schreiben. In Zei-
ET ZA _. tungsartikeln finden wir eine
d | | gekonnte Schilderung des All-
2 „tags vergangener Tage. Für
3 \R | cine ganze Generation weckt
B 7x 7 er Erinnerungen, und dies
a \ nicht ohne den gesunden Hu-
mor, wie er vielen zeitkriti-
$ schen Schriftstellern zu eigen
ist. So begegnen wir auch
in vielen Anekdoten der Verzwicktheit, welche die wechselhafte
Geschichte unserer Gegend bescherte. Manchmal hat man den
Eindruck, als spräche er nicht ohne Wehmut von der goldenen
Zeit der Kindheit und Jugend, dann aber schildert er ebenso
lebhaft die Aufregung der Kriegsjahre und der darauf folgenden
Schmuggelzeit. Nie aber läßt cr es an der nötigen Kritik fehlen,
wenn es darum geht, die Verworrenheit unseres Sprachgrenzge-
bietes zu schildern. Dies ist ihm auch mit originellen Gedanken
vortrefflich gelungen. Darüber hinaus hat er sich besonders für
die Erhaltung der Mundart und die Bewahrung der deutschen
Muttersprache in unserer Gegend eingesetzt. Wenn man ihm |
auch manchmal Unverständnis entgegenbrachte, so kann doch
nichts darüber hinwegtäuschen, daß er eines seiner Ziele, näm-
lich anderen durch seine Gedichte und Erzählungen eine Freude
zu bereiten, voll erreicht hat.
Hermann Heutz wird seinen Freunden und Lesern stets in
angenehmer Erinnerung bleiben.
Walter Janssen
54
dieser Zeichnung.
Bild C : NEU-MORESNET.
Der große Meilenstein steht auf der Lütticher Straße zwi-
schen Neu-Moresnet und "Weißes Haus”, kurz vor Haus ”Hirtz”.
Der Meilenstein trägt den preußischen Adler als Emblem. Ein
gleichartiger Meilenstein, an der Strecke nach Aachen, steht ober-
halb des Aachener Ortsteils ”Bildchen” mit dem gleichen Em-
blem. Dieser Meilenstein trägt die Nr. 35. Diese Meilensteine
stehen mit fortlaufender Nummerzahl von Lüttich bis zur deut-
schen Grenze und weiter ins Innere der Bundesrepublik Deutsch-
land.
Bild D : GEMMENICH.
Der Grenzstein zeigt die Grenze der Niederlande an. Die
Jahreszahl 1843, die auf allen Grenzsteinen entlang der nieder-
ländisch-belgischen Grenze angebracht ist, deutet darauf hin, daß
diese Grenzsteine erst in diesem Jahre gesetzt worden sind. Die
kleine Zahl zeigt die Reihenfolge der Grenzsteine an ab Vaals.
In unserem Falle handelt es sich um den 3. in Richtung Sip-
penaeken, Der Stein steht bei der Auffahrt von Gemmenich nach
Vaals, kurz vor dem Zollamt.
Und nur. zu neuen Aufgaben ...
; Bild A
Wo steht dieser alte Brunnen ?
ZZ Aa in Keimis,
N A AR
Bu A DA.
A 80 A in Moresnet
A e oder in
HS A RAN Hergenrath ?
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Bild B
Wo findet man diese alte Wasserzapfstelle ?
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Wo ist diese Handpumpe angebracht ?
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in Neu-Moresnet, in Lontzen oder in Hergenrath ?
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Wo steht diese Pferdetränke ?
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in Walhorn, in Kettenis oder in Henri-Chapelle ?
Das wär’s wieder einmal für heute. Und nun viel Spaß beim
Raten und Suchen.
Jac. DEMONTHY
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Tätigkeitsbericht 1970
von Gerard Tatas
Die Tatsache, daß die regen Diskussionen bei fast allen
Punkten der Tagesordnung die Generalversammlung am 18. Ja-
nuar im Cafe Pax zu Kelmis - die den Auftakt zu den Veran-
staltungen und Tätigkeiten des Jahres 1970 bildete - vier Stunden
dauern ließen, bewies das große Interesse der erschienenen 40
Mitglieder an der Arbeit des Verwaltungsrates. Zu den wichtig-
sten Beschlüssen dieser Versammlung gehörte die Gründung
eines Redaktionsausschusses für die Zeitschrift ”Im Göhltal”.
In diesen Ausschuß wurden die Herren Aldenhoff, Bertha, Pau-
quet, Heutz und Palm gewählt. Zum Thema Heimatmuseum
sprachen sich alle Mitglieder dafür aus, daß bei Gründung einer
Dachorganisation die Kompetenz der Göhlvereinigung voll und
ganz zu berücksichtigen sei. Ein Dia-Vortrag, der einen Rück-
blick auf verschiedene Tätigkeiten seit dem Bestehen der Ver-
einigung bot, schloß sich der Tagesordnung an.
Der erste Punkt, der auf der Verwaltungsratssitzung am
3. Februar im Hotel Select zu Kelmis behandelt wurde, hatte
wieder das Projekt Heimatmuseum zum Gegenstand. Nachdem
die Versammlung, die sich aus Pfarrer Olbertz, Frl. Xhonneux
und die Herren Zimmer, Wintgens, Aldenhoff, Steinbeck, Bertha,
Tatas, Heutz, Hamacher, Kulturinspektor Pauquet, H. Heutz,
Demonthy und Palm zusammensetzte, aus den Ausführungen
des Kulturinspektors erfahren hatte, daß sie ihre Rechte und den
Anspruch auf Parität bei der eventuellen Gründungssitzung der
Museumsgesellschaft geltend machen könne, klang die Diskussion
ab, und man ging zur Aufstellung des Veranstaltungskalenders
über,
Dieser wies als erste Veranstaltung einen Heimatabend in
Raeren auf. Er fand in Zusammenarbeit mit dem Kgl. Hand-
werker-Gesangverein und unter der Schirmherrschaft der Ge-
meindeverwaltung am 28. Februar im Bergscheiderhof statt. Aus
eigenen Werken trugen vor : Frau Weinert-Mennicken, Peter
Emonts-pohl, G. Tatas, J. Bindels und H. Heutz. Aus Hubert
Schifflers poetischem Nachlaß lasen Pfarrer Gielen und P. Men-
nicken, J. Radermacher sprach Gedichte aus dem Buch ”Fröhli-
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ches Grenzland” von Pfarrer Gielen. Der Kgl. Handwerker-Ge-
sangverein erfreute unter der Leitung von Lambert Kalff mit
gepflegtem Gesang, und Peter Zimmer, Jos, Bindels und Nades
hingen dem Programm ein lustig blinkendes Schlußlicht an. Die
Veranstaltung war gut besucht und hatte einen schönen Erfolg.
Sehr interessant war der Dia-Vortrag über den vorgeschicht-
lichen Feuerstein-Bergbau, den die Herren Felder und Radema-
kers aus Maastricht am 14. März im Saale Bauens zu Hergen-
rath hielten. Da die beiden Vortragenden regelmäßig an Aus-
grabungen teilnehmen, wußten sie Bilder und Texte recht an-
schaulich zu bringen und eine klare Übersicht über den Stand
der Ausgrabungen zu geben. Etwa 50 Zuhörer folgten gespannt
den Ausführungen, an welche sich noch eine lebhafte Diskussion
anschloß.
Auf Initiative einiger Vorstandsmitglieder der Vereinigung
wurde am 3. April in Kelmis eine Versammlung für Theaterin-
teressenten einberufen. Diese Versammlung fand im Cafe Coonen
statt und hatte konkrete Ergebnisse. Die Gesellschaft ”Kelmiser
Theaterfreunde” wurde gegründet und ihre Vorstandsmitglieder
gewählt. Im Herbst trat die Spielgruppe mit einem dreiaktigen
Lustspiel zum ersten Mal auf.
Im Hotel Reinartz zu Neu-Moresnet machten am 4. Mai
ein Dia-Vortrag und eine Ausstellung eine Gruppe der Euro-
paschüler aus Brüssel mit allem Interessanten und Schönen des
Göhltals bekannt. Diese Veranstaltungen haben die Herren Jans-
sen, Demonthy und Zimmer durchgeführt.
Der Beschluß, dem Verkehrsverein ”Drei Grenzen” jeder-
zeit leihweise Material der Vereinigung unter der Bedingung
zur Verfügung zu stellen, daß der Eigentümer bekanntgegeben
wird, wurde auf der Quartalversammlung am 5. Mai im Hotel
Reinartz gefaßt. Ferner wurde beschlossen, auch Beiträge in
französischer oder niederländischer Sprache in der Zeitschrift zu
veröffentlichen, falls sie unsere Gegend betreffen.
Auf der Tagesordnung der Verwaltungsratssitzung vom
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7. Juli im Schützenlokal in Kelmis wurde der jährliche Unter-
haltungsabend in Hauset geplant und die letzten Vorbereitungen
zu dem ”Französisch-belgischen Freundschaftstreffen” getroffen.
Bedauerlicherweise fand dieses am 10. Juli im Saale Schif-
flers in Gemmenich organisierte Treffen, das die folkloristische
Gruppe ”Les petits chanteurs lorrains” aus Freyming unter der
Leitung des dortigen Heimatdichters Aug. Rohr mit dem von Jos.
Steins dirigierten Gemmenicher Gregorius-Chor zusammenführte,
wenig Publikumszuspruch. Da der Gesang an diesem Abend
nicht nur Selbstzweck hatte, sondern darüber hinaus als Bot-
schaft der Völkerverständigung und -freundschaft aufzufassen
war, ergab das Fehlen jeglichen Anklangs in Gemmenich ein
trauriges Fazit.
Reichhaltig und vielseitig ist der Inhalt der N° 7 der Zeit-
schrift ”Im Göhltal” die cum tempore den Mitgliedern Ende
Juli zugestellt wurde, Das Heft erschien mit Zeitzugabe, kann
dafür aber auch das Wort auf sich beziehen : Was lange währt, ;
wird endlich gut.
Mit den unterschiedlichsten Darbietungen - sie reichten von
Musik von Händel und Gounod über Heimatdichtung bis zum
Schunkelwalzer und Krätzchen - wurde die Tradition der Unter-
haltungsabende am 21. August im Saale Gatz in Hauset fort-
gesetzt. Das von Heinz Errenst präsentierte Programm bestritten
mit Erfolg die Kgl. Harmonie von Gemmenich (Leitung Alf.
Brauwers), das junge Zupforchester (Leitung Hermann Joseph
Heutz), die Heimatdichter Jos. Bindels, Peter Emonts-pohl und
Ger. Tatas sowie der Komiker Nades. Es war ein Abend, bei
dem sich ein Geschichtsverein zwar stellenweise hemdsärmelig
zeigte, der aber dem Publikum gerade so gefällt, wie er alljähr-
lich in Hauset aufgezogen wird.
Zu der letzten Quartalversammlung hatten sich Frl. Xhon-
neux und die Herren Zimmer, Wintgens, Steinbeck, Tatas, Pau-
quet, Hamacher, Heutz, Palm und Pavonet am 6. Oktober im
Restaurant Bauens in Hergenrath eingefunden. Die Punkte der
Tagesordnung galten der Bereinigung einiger Mißstimmigkeiten,
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verschiedenen Mitteilungen über die letzten Veranstaltungen, der
Planung des Krippenspiels und vor allem dem Problem der
Unterbringung des Archivs und sonstigen Materials der Verei-
nigung.
Eine plastische und auf szenische Akribie ausgerichtete In-
szenierung von G. Tatas, eine die Bildwirkung stark fördernde
Dekoration von Hubert Counotte und das gute, disziplinierte
Spiel der Darsteller (Margarete Küpper ; Louis Michiels ; Louis,
Henri und Carmen Drouven; Pierrot, Jose und Rose-Marie
Straet, Alice Küpper-Koch und Gerard Tatas) waren die Fakto-
ren, die das diesjährige Krippenspiel zu einem eindrucksvollen
Erlebnis für seine Besucher werden ließen. Das Spiel wurde
an den beiden Weihnachtstagen in Sippenaeken und Moresnet-
Kapelle und am 3, Januar in Hauset unter Mitwirkung der loka-
len Kirchenchöre in vollbesetzten Kirchen aufgeführt. In Mores-
net-Kapelle wirkten auch die Solisten Yvonne Kraut, Leo Wint-
gens, Joseph Steins und Anni Steins-Brouwers, sowie der ge-
mischte Gregorius-Chor aus Gemmenich erfolgreich mit.
” Das ganze Jahr über war jeden vierten Montag im Monat
in den Fünfminutensendungen der Geschichtsvereine die Stimme
unserer Vereinigung im deutschsprachigen belg. Rundfunk zu
hören. A. Bertha, L. Wintgens, F. Straet, H. Heutz, R. Jongen,
L. Kohl, G. Tatas und P. Zimmer sprachen zu den Themen
Heimatdichtung, Heimatgeschichte, Folklore und Mundart. Da-
mit wurde viel Geschichtliches und Musisches aus dem Göhltal
einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht.
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