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Im Göhltal
ZEITSCHRIFT DER VEREINIGUNG
FÜR
KULTUR, HEIMATKUNDE UND GESCHICHTE
IM GÖHLTAL
Nr. 84
August 2009
Veröffentlicht mit der Unterstützung des Kulturamtes der
deutschsprachigen Gemeinschaft
Vorsitzender: Herbert Lennertz, Stadionstraße 3, 4721 Neu-Moresnet.
Sekretariat: Maxstraße 9, 4721 Neu-Moresnet, Tel. 087/65.75.04.
Lektor: Alfred Bertha, Bahnhofstraße 33, 4728 Hergenrath.
Kassierer: Alfred Bertha, Bahnhofstraße 33, 4728 Hergenrath.
Postscheckkonto Nr. 000-0191053-60.
Fortis Bank: 248-0068875-35
Konto NL: AMRO-BANK: 46.37.00.090 Vaals/L
Konto BRD: Aachener Bank: 821 363 012 (BLZ 390 601 80)
Die Beiträge verpflichten nur die Verfasser.
Alle Rechte vorbehalten
Druck.: Aldenhoff, Gemmenich - 087-78 61 13.
3
Inhaltsverzeichnis
Alfred Bertha Zum Umschlagbild: 5
Hergenrath Das Montzener Haus «Am Pütz»
Peter Kurnap & Grenzsteinwanderung 147
Dieter Pitz um Neutral-Moresnet
Aachen
Henri Beckers De Wiinflaisch 35
Kelmis
Walter Meven Die Pfarre Raeren-Neudorf 36
Aachen wählt eine neuen Küster
Günter Martinius Ein Kilometerstein 40
Lontzen aus napoleonischer Zeit
M.-Th. Weinert Das Bahkauv 46
Aachen-Forst
Franz Scherrer La guerre ä La Calamine 48
La Calamine/Pannesheydt
Franz Scherrer Wie die Pfarre Kelmis 63
La Calamine/ die Kriegsjahre überstand
Pannesheydt
Albert Creutz Zum Willkommensgruß 74
Eupen für den Kronprinzen
Jakob Langohr Et Blüske 79
Bildchen
Alfred Bertha & Der Mordfall Karthaus 81
Hermann-Josef Gatz
Hauset
Henri Beckers Wöet met «E» 93
Kelmis
Alfred Bertha Von Aachen bis Versailles: 94
Hergenrath Neutral-Moresnet
Die Redaktion: Zur Genealogie Schillings: Berichtigung 104
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Zum Umschlagbild:
Das Montzener Haus «Am Pütz»
von Alfred Bertha
Neben den Burgen von Streversdorp und Broich (ein drittes Adelshaus,
Nieuwhuys, musste 1916 dem Bau der Eisenbahn Aachen-West/Montzen/
Vise weichen, während die Burg Belderbusch bei dem großen Luftangriff
der Alliierten auf den Bahnhof Montzen am 28.4.1944 zerstört wurde),
besitzt Montzen auch eine beachtliche Anzahl alter Bauernhöfe und
stattlicher Bürgerhäuser des 17. , 18. und 19. Jahrhunderts.
Eines der markantesten und repräsentativsten Gebäude des Ortes ist
unbestritten das Haus «Am Pütz» (ajen Pötz), das eingangs der vom
großen Gemeindeplatz abzweigenden rue de Hombourg liegt und wegen
seiner etwas weniger ins Auge fallenden Lage manchmal nicht die
verdiente Beachtung findet.
Zum Namen des Hauses
In Montzen gibt es eine Vielzahl von alten Häusern, die einen
besonderen Namen tragen. So auch der «Pütz» (zu Deutsch: Brunnen).
Etwa zweihundert Jahre war das Haus im Besitz der Familie Schil-
lings. Nach dem Tode seiner Eltern Nicolas Joseph Lambert Schillings
(geb. 1809, gest. 1876 in Luck/Ukraine als «directeur» (Verwalter?)
der herrschaftlichen Betriebe in Bludow) und Julie Jamme (geb. 1815)
sowie seines Bruders Louis Vincent Nicolas Remacle Schillings (1859-
1905) fiel das Haus durch Erbschaft an Nicolas Joseph Marie Louis
Hubert Schillings (geb. 1853), der nach einem abenteuerlichen Leben
als Schiffskoch auf einem Atlantik-Frachter 1905 nach Montzen
zurückkam. Er starb in Pannesheydt am 12.1.1934, hatte aber einige
Monate zuvor das Haus Schillings auf Leibrente dem Notar Gerard Ernst
in Dolhain überschrieben. Als Zeugen fungierten dabei der Montzener
Dechant Guillaume Ferbeck und der Vikar Joseph Lahaye.
Gerard Ernst, ein Sohn des 1927 auf Alensberg verstorbenen Notars
Gustave Ernst, verheiratet mit Mathilde Ghinio, ließ einige
Veränderungen vornehmen, u. a.ließ er das Familienwappen über der
Eingangstür anbringen.
Wie Herr Francois Hick (Montzen) anhand notarieller Unterlagen von
Verkäufen und Verpachtungen nachweisen konnte, bezeichnete der
«Pütz» ursprünglich einen am Schnittpunkt der rue Hubert Denis und
6
der rue de Hombourg gelegenen Bauernhof, einst im Besitz der
Freimaurerfamilie Ernst und als Pächter durch die Familien Voncken-
Janssen, dann Houbben-Kempener und heute Albert Dobbelstein-Herzet
bewohnt. Dieser Hof besaß einen Brunnen, ein «Pötz».
Gustave Ernst, ein Sohn der Eheleute Ernst-Ladry, der gegenüber dem
Hause Schillings wohnte, ließ dort einen Zierbrunnen bauen, wodurch
sich der Name «Pütz» auf das alte Patrizierhaus übertrug, das so
unverdienterweise zu der heute üblichen Bezeichnung kam.
Wechselnde Bewohner
Der Notar Gerard Ernst, der seine Amtsstube nahe der Kirche in
Dolhain hatte und auch dort wohnte, verbrachte nur die Wochenenden
in Montzen. Mit dem Unterhalt des Hauses hatte er das Ehepaar Reynold
Vluggen und Marie Hubertine Collette betraut. Herr Vluggen war
Stellmacher in der Rue de Birken.
Mit dem Einmarsch der Deutschen im Mai 1940 brach der Notar die
Verbindungen zu Montzen ab. Er starb in Dolhain 1944. Familie Vluggen
blieb im Hause Schillings wohnen bis etwa 1950.
Der «Pütz» wurde als Mietshaus bewohnt durch Dr. Langer, den
Schuhmacher Charles Schyns, den Briefträger Rene Delnoy-Tiernes, die
Gebrüder Maurice und Christian Devidts aus Alost, die die Sandgrube
Belderbusch betrieben (Eigentum von Gustave gen. Stavy Ernst)....
Besitzaufteilung
Die Notarsfamilie Ernst war vermögend. Als es am 20. Oktober 1953
vor dem Vizepräsidenten des erstinstanzlichen Gerichtes in Brüssel,
Antoine Ernst de Bunswick, zur Aufteilung des Grund- und
Bodenbesitzes unter die Witwe Gerard Ernst-Ghinio und deren Kinder
Theröse Ernst (verheiratet mit Francis Van den Dries) und Gustave Ernst
genannt Stavy (geb. Lüttich, 2.8.1928 und später verheiratet mit Monique
de Halleux) kam, nannte das Teilungsprotokoll die Höfe Holz, Weydt,
Panhuys, Brandt und Belderbusch, alle zwischen 11 und 15 ha groß.
Die Mutter war in Brüssel wohnhaft und erhielt aus der Teilungsmasse
ein am Boulevard Saint-Michel gelegenes Appartement sowie die Höfe
Holz, Weydt und Panhuys.
Die Tochter Therese wurde Eigentümerin des Hauses «Pütz» und
des Hofes Brandt.
Der Sohn Stavy erhielt einige Weiden des Gutes Weydt, das Gut
Belderbusch, die Häuschen der «Gerberei» (tanneries) und eine kleine
Parzelle Wald in Moresnet.
Als die Teilung vorgenommen wurde, wohnte der Sohn Stavy in dem
herrschaftlichen Haus «am Pütz». Er erhielt die Zusage, dort weiterhin
wohnen zu bleiben bis das Haus Brandt (später Notar Zimmermann)
frei werde, oder auch weiterhin gegen Zahlung einer im gegenseitigen
Einverständnis festgesetzten Miete.
Die Besitzaufstellung von 1953 ergibt für das Haus Schillings mit
Garten eine Gesamtfläche von 23 a, 72 ca (Parzellen Nr. 571, 573, 573/
2 573/3, 574/B, 575/B. Letztere Nummer bezeichnet das Haus mit einer
Grundfläche von 6 a.
Maasländische Renaissance
Einen Hinweis auf die ersten Bewohner des Hauses liefert der mächtige
Kamin im Eingangsbereich, der links und rechts von Gewürzschränkchen
flankiert wird, deren Türen neben religiösen Symbolen die Initialen NS
und MAX sowie die Jahreszahl 1731 aufweisen.
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Kamin mit Takenplatte und Schränkchen (Foto F. Hick)
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Das Haus «a jene Pötz» (Foto F. Hick)
Diese Initialen geben uns die Namen der Erbauer, nämlich Nicolaus
Schillinx (Schillings) und Maria Anna Xheneumont, die 1731 heirateten.
Der 1699 in Montzen geborene Nicolaus Schillings (auch Schillinx)
wurde 1729 Drossard der Bank Montzen und blieb bis 1794 im Amt. Er
war der letzte Drossard von Montzen, da mit der Ankunft der Franzosen
im Jahre 1794 die Verwaltung umgeordnet wurde.
Nicolaus Schillings heiratete 1731 die im Jahre 1709 in Henri-Cha-
pelle geborene Anna Maria Xheneumont, die 1790 in Montzen starb.
Die Familie Schillings übte das Amt des Drossards in der Bank
Montzen über mehrere Generationen aus. Der Vater des Erbauers, der
ebenfalls auf den Rufnamen Nicolaus hörte, war 1659 in Montzen
geboren und daselbst 1729 gestorben. Er wurde Drossard von Montzen
im Jahre 1692 und nach seinem Tode ging dieses Amt nahtlos auf den
gleichnamigen Sohn über. Nicolaus Schillings (Vater) hatte in die
begüterte Familie des Lambert Janssen de Stock eingeheiratet. Dieser
war nicht nur Drossard von Montzen von 1684 bis zu seinem Tode im
Jahre 1692, sondern auch Kontrolleur des Altenberger Galmeibergwerks.
Durch die Heirat mit der Tochter Marie M. Janssen de Stock war der
Weg für die Amtsübernahme durch Nicolaus Schillings (Vater) bereitet...
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Schranktüren mit den Initialen der Erbauer Nicolaus Schillings und Maria
Anna Xheneumont. Die Tür des linken Kaminschrankes trägt das bekannte IHS
(Iesus Hominum Salvator), dazu den Namen ANNA und die Initialen NS (für
Nicolaus Schillings).
Der rechte Kaminschrank zeigt im Strahlenkranz die ineinander
verschlungenen Initialen MAR (= Maria) sowie im unteren Feld die kunstvoll
mit dem IHS verbundenen Großbuchstaben IOSEPH. Darunter die Initialen
MAX (für Maria Anna Xheneumont).
Die Jahreszahl (links mit ANNO angekündigt) wird rechts mit 1731 angegeben
(Foto: F. Hick)
Ein Vorgängerbau, an den die Jahreszahl 1720 in einem Türsturz
erinnert, hinterließ keine weiteren Spuren.
Es kam also 1731 zu einem Neubau, der als schönes Beispiel
«maasländischer Renaissance» bezeichnet werden kann. Heimische
Kalksteine lieferten die Eckquader sowie Fenster und Türgewände und
gliedern die Vorderfront des Hauses durch fortlaufende horizontale
Bänder.
Der Sockel und der zur Straße gerichtete Giebel sind aus Sandstein,
die Zwischenmauern aus Feldbrandziegeln.
Eine schön geschwungene fünfstufige Treppe betont den
Eingangsbereich.
Das mächtige Walmdach wird durch drei Gauben aufgelockert.
10
Im Innern fällt als Erstes der bereits erwähnte Kaminbereich mit einer
mächtigen Ofen- bzw. Kaminplatte auf. Solche «Takenplatten» dienten
bis ins 19. Jahrhundert zu Heizzwecken. Sie wurden zwischen Küche
und Stube in eine Aussparung der Feuerwand eingemauert und leiteten
die Wärme zum dahinter liegenden Raum. N
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Takenplatte im Hause Schillings (Foto. F. Hick)
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Man hat diese Ofenplatten häufig als «eiserne Bibeln» bezeichnet,
weil die Bildmotive vorwiegend der Bibel entlehnt waren.
Bei der Platte im «Pütz» diente das frühere Wappen Spaniens als
Vorlage. Das «Herzstück» bildet ein Schild mit vier Feldern, in denen
sich die Wappen der einzelnen Landesteile wiederfinden, so die
Burgtürme und Löwen für die Provinzen Kastilien (castellum = Burg/
Festung). und Leon (leo = Löwe). Der doppelköpfige Adler weist auf
das Haus Habsburg, zu dem Karl V. gehörte. Dieses Reich wird so in
seiner römisch-deutschen wie auch seiner spanisch-überseeischen
Komponente symbolisiert.
Aragon ist durch senkrechte Streifen vertreten, Neapel und Sizilien
(«die beiden Sizilien») durch ein von zwei Diagonalen durch-schnittenes
Feld mit 2 Adlern...
Der Wappenschild wird flankiert von zwei Säulen, die durch ein
Spruchband mit der Aufschrift «Plus Oultre» verbunden sind.
Diese Säulen symbolisieren die Lage Spaniens an der Meerenge von
Gibraltar. Bis zum 16. Jh. galt diese Meerenge als die Grenze der
bewohnbaren Welt. Schon im Altertum war diese Passage unter dem
Namen «Säulen des Herakles» bekannt. Gleichzeitig zeigt das «Plus
Oultre» (Plus Ultra = noch weiter, darüber hinaus), dass Karl V. sich ein
Weltreich aufbauen will. Er will über die Grenzen der damals bekannten
Welt hinaus. Dies war das Motto, unter dem der spanische König und
deutsche Kaiser antrat. Die Säulen des Herakles weisen auf das in der
Ferne liegende Amerika...
Nicht uninteressant ist auch die zweizeilige Unterschrift der
Wappentafel, wo wir einen leicht abgewandelten Spruch des Publilius
Cyreus (1. Jh. n. Ch.) lesen:
«Prudentis est opus
cum possit nolle nocere».
(= Das Werk des Klugen ist es, nicht schaden zu wollen, auch wenn
er es könnte). Es ist eine Mahnung an den Mächtigen, seine Macht nicht
zu missbrauchen.
(Genannter Publilius Cyreus hatte gefragt: «Quid stulti proprium? Non
posse et velle nocere». Was zeichnet den Toren aus ? Schaden zu wollen,
ohne die Macht dazu zu haben.)
Die Ofenplatte trägt keine Jahreszahl.
Zur Zeit der Erbauung des Hauses war unser Gebiet nicht mehr unter
spanischer, sondern (seit 1714) unter österreichischer Herrschaft. Die
Ofenplatte könnte aus einem Vorgängerbau stammen. Das spanische
18
Genealogische Forschungen zum Namen «Ernst» führen zum
Ursprung des Montzener Zweiges dieser Familie ins Aubeler Land.
Eine Familie des Namens Ernst war schon im 18. Jh. in Montzen
ansässig. Der aus La Vlamerie (Thimister/Clermont) stammende Jean
Francois Ernst hatte in Montzen Catherine Van der Heyden geheiratet.
Er starb in Montzen am 8.2.1843.
Beeindruckend ist v. a. der Aubeler Zweig der Familie Ernst. Ulrich
Pierre Antoine Ernst (1758-1808) und dessen Ehefrau Marie Agnes Gillet
(1764-1843) hatten eine zahlreiche Nachkommenschaft.
Beschränken wir uns auf die männlichen Nachkommen, und zwar
1. Jean Gerard Joseph (1782-1842), der seine Humaniora in der
Abteischule von Sainte Croix (Lüttich) und in Aachen absolvierte und
anschließend 1806 an der kurz zuvor in Brüssel gegründeten «Ecole de
Droit» ein Rechtsstudium begann, das er 1810 mit dem Doktortitel
abschloss.
Als Professor an der Universität Lüttich (1817-1835) und anschließend
in Löwen (1835-1842) genosss er höchstes Ansehen. Jean Gerard Ernst
hatte vier Kinder, von denen zwei ihm in den Tod vorauf gingen; ein
Sohn, Ulric (1822-1885), ebenfalls Jurist, wurde Generalstaatsanwalt.
2. Als Bürgermeister von Aubel, Friedensrichter, Rechtsanwalt und
Notar fungierte der zweite Sohn, Ulric, Antoine, Joseph Ernst. Auch er
hatte ein Jurastudium an der Brüsseler Rechtsschule 1817 mit dem
«Doktor der Rechte» abgeschlossen und war dann nach Aubel zurück-
gekehrt.
Seine Heirat mit Anne Marie Catherine Ernst aus Montzen bedingte
den Umzug von Aubel nach Montzen, wo er am 23. Mai 1844 im Alter
von 51 Jahren starb. Ein Totengedenkstein an der nördlichen
Kirchenmauer nennt ihn «Avocat — Notaire 4 Montzen».
3. Dem drei Jahre jüngeren Bruder Antoine Nicolas Joseph Ernst
(1796-1841) widmet die Biographie nationale de Belgique, Bd. VI, 1878,
nicht weniger als 10 Spalten, in denen der Autor, A. Le Roy, ausführlich
auf die wissenschaftliche und die politische Karriere dieses Mannes
eingeht.
Auch Antoine Ernst ging 1816 mit «summa cum laude» (der Bestnote)
aus der Brüsseler Rechtsschule hervor. Nach kurzer Anwaltstätigkeit
wurde er 1822 außerordentlicher Professor für Recht an der Universität
Lüttich. 1833-1839 war Antoine Ernst Justizminister und mit dem
politischen Geschehen im jungen Königreich Belgien eng verbunden.
Nach seinem Verzicht auf eine weitere politische Tätigkeit folgte er der
14
Einladung des Rektors der Universität Löwen auf einen Lehrstuhl an
der Rechtsfakultät dieser Hochschule.
Seine Kräfte hatte der Jurist und Politiker nie geschont. Jetzt rächte
sich diese fast fieberhafte Aktivität der vergangenen Jahre. Er wurde
von schmerzhaften Unterleibsbeschwerden befallen und man riet ihm,
eine medizinische Koryphäe in Heidelberg zu konsultieren. Auf dem
Rheindampfer zwischen Koblenz und Mainz verschlechterte sich sein
Zustand derart, dass man ihn in Boppard ins Krankenhaus bringen musste.
Dies war am 9. Juli 1841. Am folgenden Tage war Antoine Ernst tot.
Der Verstorbene wurde nach Löwen zurückgebracht und in Heverlee
auf dem Friedhof der Park-Abtei beigesetzt.
Die Verdienste des Professors und Politikers würdigte König Leopold
II. posthum am 31. Januar 1871 durch die Verleihung des Adelstitels an
seine Söhne. Ein päpstliches Dekret vom 6. August 1875 erhob die Söhne
und deren Nachkommen in den Freiherrenstand. Aubel ehrte den großen
Rechtsgelehrten durch Benennung eines Platzes nach seinem Namen:
«Place Antoine Ernst».
4. Auch der jüngste Sohn der Eheleute Ernst-Gillet, Lambert Ernst,
studierte die Rechte in Brüssel und lehrte als Professor an der Lütticher
Universität. Er war stellvertretender Generalstaatsanwalt am Lütticher
Appellationshof und von 1835-1840 belgischer Kommissar für das
Gebiet von Neutral-Moresnet.
Der an der Kirche gelegene alte Friedhof von Montzen weist neben
einer stattlichen Anzahl von Grabkreuzen des 17.-18. Jhs. auch zwei ins
Auge fallende Gebäude auf: eine Totenkapelle (sacellum sepulchrale)
der Familie Thiriart de Mutzhagen und (außerhalb der Friedhofsmauer)
eine 1917 angelegte Gruft der Familie Ernst mit einem Oberbau im Stil
eines kleinen antiken Tempels. Die Stirnseite trägt gut sichtbar die
Inschrift «Famille Ernst» und darüber das Wappen dieser Familie, so
wie es im Hause Schillings und auf Alensberg in Moresnet zu sehen ist.
Hier wurden von 1927 bis 1973 die Verstorbenen der Familien Ernst-
Petry, Ernst-Sampermans, Ernst-Pirre&e und Thierron-Pirree beigesetzt,
unter ihnen die Notare Gustave Ernst (1858-1927) und Gerard Ernst
(1882-1944).
Erneuter Besitzwechsel
Am 25.4.1957 ging der «Pütz» durch Kauf an Joseph Ernest
Vanderheyden (1907-1980) und dessen Ehefrau Elise Marie Louise Jans-
15
sen (1914-1991). Herr Vanderheyden betrieb dort einen Käse-
großhandel.
Das Haus blieb im Besitz der Familie Vanderheyden bis 1994. Dann
verkauften es die Töchter Marie Rose Josephine und Guillemine
Hubertine Odette Rose Vanderheyden an Herrn Dieter Schlusche, der
dort unter der Bezeichnung «euregionale kulturelle Begegnungsstätte»
ein Skulpturenmuseum mit eigenen Werken und Sammelobjekten
(Skulpturen, Ölbilder, Aquarelle) einrichtete.
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Öffnungszeiten des Skulpturen Hauses
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eike 1° en 3° zondag van de maand van 11 tot 16 uur
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Der «Pütz» wird Eigentum der Gemeinde Plombi@res
Am 22.05.2008 beschloss der Gemeinderat von Plombi@res, das zum
Verkauf stehende Haus Schillings zu erwerben und es ebenfalls einer
kulturellen Nutzung zuzuführen. Inzwischen wurden die konkreten
Formen dieser Nutzung näher umschrieben. Während die Gemeinde in
dem rechts des Vorhofes gelegenen Gebäude einen Mehrzwecksaal von
16
65 m? vorsieht, wird der bisherige Eigentümer das Wohnrecht im
Haupthause, das an 2 Sonntagen im Monat dem Publikum zugänglich
sein wird, behalten. Vom 1. Mai bis 30. September eines jeden Jahres
bleibt ein Teil des Haupthauses (mit Eingang im Westen) für die
Gemeinde zugänglich.
Gärten, Terrassen und Innenhof sind von Mai bis September an zwei
Sonntagen im Monat für kulturelle Veranstaltungen und einen kleinen
Cafetaria-Betrieb vorgesehen.
Die Gemeinde verpflichtet sich, das Wohnhaus nach dem Tode des
Verkäufers noch 15 Jahre lang ausschließlich kulturell zu nutzen.
Das Nutzungskonzept sollte also in Zukunft dreigliedrig sein: Neben
den verschiedensten Ausstellungen und anderen kulturellen Veran-"
staltungen (Filmvorführungen, Vorträgen, Konzerten, Lesungen etc.)
könnte der «Pötz» das gesellige Zusammensein fördern und (auf lange
Sicht) neben einem Restaurantbetrieb auch eine Dauerausstellung zur
Geschichte der Gemeinde aufnehmen...
17
Grenzsteinwanderung
um Neutral-Moresnet
von Peter Kurnap und Dieter Pitz
Teil 2: von Nr. XXX - I
Vorbemerkung. In der vorigen Nummer dieser Zeitschrift (Nr. 84,
Febr. 2009, S. 74 - 91) sind wir der östlichen Grenze des neutralen
Gebietes von der Lütticher Straße zum Drei-Länder-Eck gefolgt und
haben die dort vorfindlichen Grenzsteine (60 bis 32) zwischen Preußisch-
Moresnet und Neutral-Moresnet beschrieben.
Hiernach folgen wir im zweiten Teil der Grenzsteinwanderung der
westlichen Grenze (Steine Nr. 30-1).
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Nur wenige Schritte vom Parkplatz am Dreiländereck, am Rand der Straße
nach Gemmenich, beginnt unsere Wanderung beim Stein Nr. 30.
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Nach ca. 200 m weiter am Wiesenrand ist der Grenzstein lose an einen
Baum angelehnt: Nr. XXVI (26) . Die Beschriftung fehlt.
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An einen Baum gelehnt: die Nummer 26
Bis zum Wiesenende weitergehen (hier biegt der Zaun nach rechts ab)
und hier steht die Nr. XXV (25). Hier trifft die Neutral-Moresneter Grenzlinie
auf die sog. Burgunderlinie: Stein Nr. 13.
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In der unteren Ecke der großen Wiese, die fast bis zum Dreiländereck reicht,
finden wir die Nummer 25.
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Folgen wir dem durch die Nummern 28-25 vorgegebenen Grenzverlauf
weiter geradeaus durch den Wald, an einem Hochstand vorbei, danach
über eine Senke auf einen Fußweg (rechts bergan halten) weiter bis zu einer
kleinen Weggabelung, rechts oberhalb steht die Nr. XXIII (24). Zur
Orientierung bitte die unterschiedliche Waldnutzung auf dem neutralen
Gebiet (links) und dem Gemmenicher Gebiet (rechts) beobachten.
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Wir finden die Nummer 24 nach einem leichten Anstieg in direkter Fortsetzung
der durch den Wiesenrain gezogenen Linie.
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Die Nummer 22 ist mit gelber Farbe aufgetragen worden. Der Stein liegt schon
lange flach.
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Der Stein Nr. 21 neben einem Ansitz
Wir folgen unserem Fußweg geradeaus weiter bergab bis zu einem
breiteren Querweg (Wandermarkierung gelbes Kreuz, blaues Rechteck auf
der anderen Seite). Die hier vermutete Nr. XX (20) wurde nicht gefunden.
Wir überqueren den Weg geradeaus weiter (rechte Seite umgefallener Stein
mit Bezeichnung ML ? oder Mt K ? oder Mt G ?).
24
Nach ca.150 m, auf einem leichten Anstieg an einem schmalen Querweg
steht die Nr. XVIII (19).
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Auf einer Anhöhe sehen wir die Nummer 19.
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Unterschiedliche forstwirtschaftliche Nutzung weist den Verlauf der Grenze an
vielen Stellen, so auch hier zwischen den Steinen Nr. 19 und 18.
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Es geht weiter abwärts in Richtung Bittweg und an der Pfadgabelung,
kurz vor dem Bittweg, steht rechts auf der Anhöhe die Nr. XVIII (18).
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Nr. 18 steht einige Meter vom Bittweg entfernt, an einer Böschung.
Nachdem wir den Bittweg überquert haben, folgen wir dem
gegenüberliegenden Fußpfad, wo wir nach ca. 20 m die Nr. XVII (17)
finden. Auf dem Fußpfad weiter in Richtung breiter Weg (hier Trimmpfad
nicht nach links folgen), sondern gegenüber weiter durch den Wald. Hier
müsste die Nr. XVI (16) sein. Sie war aber nicht auffindbar. Wohl hat ein
aufmerksamer Wanderer vor mehreren Jahren ein Bruchstück des Steines
Nr. 16 im Museum abgegeben.
Wir gehen weiter geradeaus durch den Wald in Richtung Wiese, wo
am Zaun die Nr. XV (15) steht.
Von diesem Stein aus links am Zaun entlang und dann nach rechts auf
dem daneben liegenden Weg immer rechts halten. Am Ende der Wiese steht
halbrechts versteckt in einer Buschreihe ca. 10 m vom Weg entfernt die Nr.
XII (14).
29
Es geht zurück auf den Weg und wir halten uns hier nach links bis zur
Buschhausenerstraße, hier Hinweise auf Wanderwege. Bleiben wir links
bis zum Ortsschild Moresnet. Hier steht die Nr. XII (12, nicht lesbar, da
mit Metallschild «H» versehen).
Wir gehen auf der Buschhausenerstraße zurück bis an die Einmündung
in die Rue Calamine und schwenken dann nach links bis zum Haus Nr. 127
auf der rechten Seite (rot, vor einer Tierarztpraxis); hier steht auf dem hinteren
Grundstücksrasen die Nr. XI (11).
Gehen wir weiter in Richtung Kelmis und biegen dann in die erste von
rechts einmündende Straße (Bauweg) abwärts ein, bis sie nach links/rechts
abknickt (Verkehrsspiegel, Haus Nrn. 47 u 49}. Auf der großen, zur rechten
Seite liegenden Wiese, steht vom Weg aus sichtbar, in der Wiese die Nr. X
(10).
Von diesem Stein aus nach links in gedachter Linie weiter gehen; nach
etwa 100 m steht auf einer Kuppe jenseits des «Roten Bachs» die Nr. VIII
(9). Sie ist an der Westseite stark beschädigt und die Nummerierung ist
nicht mehr zu erkennen.
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Nr. 9. Im Hintergrund der Bahndamm der Strecke Montzen-Aachen/West
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In der gedachten Linie weiter geradeaus über den nächsten Zaun hinweg
steht die Nr. VIII (8), knappe 100 m vom Bauweg entfernt, am Wiesenrand.
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Knappe 100 m vom Bauweg entfernt, in der Wiese neben einem abgeernteten
Maisfeld, finden wir die Nr. 8.
Zurück zu den Grenzsteinen VIII und X und hier auf dem Bauweg rechts
halten und an der rechtsseitigen neuen Häusersiedlung vorbei, bergan bis
zum Ende des Bauweges. Dort rechts in die Bachstraße (Rue du Ruis-
seau) abbiegen und bis zum Ortsschild Moresnet gehen. Daneben steht
die Nr. VII (7).
Wieder zurückgehen bis zur von rechts einbiegenden Rottstraße und
dieser folgen. Nach ca. 100 m steht rechts am Wiesenrand in der Böschung
die Nr. VI (6).
Weiter geradeaus bis zur Kreuzung Rue du Viaduc, Im Käfer und
Drieschstraße gehen. An der Ecke der Rue du Viaduc steht links die Nr.
VS.
Wir folgen der Drieschstraße nach links und gehen an Haus Nr. 93 am
Spielplatz vorbei, um dann rechts in die „Heide» einzubiegen. Nach ca.
100 m hinter dem weißen Haus Nr. 67 steht auf der links daneben liegenden
Wiese in der hinteren Gartenecke des Hauses Nr. 52 rechts der Stein Nr. IIII
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Der Stein Nr. 3, an der Bahntrasse Im Hof wird die frühere Grenze noch
Kelmis-Moresnet, kurz vor der durch einen alten Hohlweg (links im
Abzweigung zur Heide. Er wurde Bild) markiert. Der Stein ist
unlängst um einige Meter versetzt. beschädigt, die Nummerierung
weggebrochen.
Brombeerranken) steht die Nr. III (3), die unlängst um einige Meter
‘versetzt wurde.
Dann bis zum Tennissportlerheim gehen und dem zwischen den
Spielplätzen befindlichen Weg nach rechts über die Göhl - Brücke folgen.
Dieser Übergang zeigt den Verlauf der Hauptverbindungsstraße Kelmis-
Aachen vor dem Bau der großen Chaussee Herve-Aachen. Zur Straße «Hoß»>
gehen und links halten. Am zweiten Haus auf der rechten Seite (Nr. 47)
befindet sich im Garten der Stein mit der Nr. II (2). Dieser ist an der nach
Westen gerichteten Seite, d. h. dort, wo die Nummerierung sich befand,
teilweise abgebrochen, die Nummerierung somit nicht mehr erhalten.
Von hier aus in Richtung Lütticher Straße gehen und dort rechts abbiegen
(hinter der Leitplanke bleiben!). Nach etwa 50 m, gegenüber dem Hause
Nr. 317, steht die Nr. I neben der Hinweistafel auf die Grenzsteine von
Neutral-Moresnet. (Rechts zweigt ein Privatweg zu einem einzeln stehenden
Haus ab).
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Der Grenzstein Nr. 1 steht neben der Hinweistafel auf die Grenzlinie, die von
der Lütticher Straße zum Dreiländereck führt.
Hiermit endet unsere Grenzbegehung, deren Westflanke durch die
Bebauung nicht mehr überall so leicht ausgemacht werden kann und im
oberen, d. h. dem bewaldeten Teil des Gebiets, auch einige Anforderungen
an den Wanderer stellt.
Wir haben an der Westflanke des Dreiecks Neutral-Moresnet von den
ursprünglich 30 Steinen nur die Nummern 16 und 20 als verloren zu beklagen.
Man darf hoffen, dass die steinernen Zeugen der Vergangenheit helfen,
noch viele Jahre die Erinnerung an das Kuriosum Neutral-Moresnet aufrecht
zu erhalten.
Nachtrag:
Bei Forstarbeiten im Frühjahr dieses Jahres wurde der Stein Nr. 36
stark beschädigt (irreparabel übergebrochen) während der Stein Nr. 37
umgefahren wurde.
35
De Wiinflaisch
va Henri Beckers
D’r Pit, dat es n’ fliiseje Maan,
dä mie wi en Krütschensbotram s6ch leiste kann.
Wä esue wi häe noch woove d&6et,
b&s dat eraaf höm löpt d’r Schw&6t,
trekt ut de Flaisch ens jär d’r Stop,
schött s£&ch manch Gläske iije-ne Kop.
Dat schmakt höm, än sät a si Tring,
16€f Vroow, dat es vööl bäeter wi Melezing !
Sue bliivt me jesond! Mä betaale d&&t dä Schpass
bes hüj noch ömmer j&ng Krankekass.
”T Schicksal, wän dat äver n&6€t welt,
drivt töscheb6&j at ens e jruuselech Schpe€1
D’r Pit kömt ut-ne Kälder erop,
schticht met de Flaisch d’ Trap erop,
vertrent s£ch, an vlüt kladeradatsch - bes onde -
set ob-ne Bokseboom, an te€lt de Wonde.
«Läfste - noch ?» röpt va oove Tring, verschrekt,
wi hät d’r Pit do lijje sit.
«Jo», röpt d’r Pit, «£ch jlöv ‘t waahl.
Mi Hat, dat klabastert mär fataal!
A-je-ne Älleboch vööl &ch jät Ping,
mär almäälech kom &ch b&j de ming.
Es da maredjü, mä zapperloot
de Wiinflaisch, di £ch jeholt, kapot ?»
36
Die Pfarre Raeren-Neudorf wählt einen
neuen Küster.
Ein Bericht aus dem Jahre 1750
von Walter Meven (7)
Als die Pfarre Raeren-Neudorf am letzten Novembersonntag des
Jahres 1750 die vakant gewordene Küsterstelle neu besetzen sollte, hatten
die Pfarr- und Gemeindeverantwortlichen keine große Wahlmöglichkeit,
hatte sich doch nur eine einzige Person, Johannes Heisters, um das Amt
beworben. 4 ;
Die stimmberechtigten Einwohner waren acht Tage zuvor, am
22.11.1750, einem Sonntag, zusammengekommen, um über die
Neubesetzung der Küsterstelle zu beraten. Die Anstellung des Küsters
blieb in letzter Instanz eine dem Pfarrer, dem Drossard, den
Bürgermeistern, den Schöffen und den Herren der Adelshäuser (Hauzeur
und Flamige) vorbehaltene Angelegenheit.
Die nachfolgenden Anstellungs- und Arbeitsbedingungen sowie ein
Leistungsverzeichnis mit den jeweiligen Entlohnungen sind ein Teil des
Verhandlungsprotokolls. Rechte und Pflichten des zukünftigen Küsters
wurden detailliert dargelegt. Bei den Beratungen war neben dem Herrn
Pastor Tilmann Ganser auch der Herr Prior von Brandenburg anwesend.
Die Rechte
Für das Läuten im Sterbefall
Für das angeordnete Läuten für den Souverän oder die Herrschaften
soll der Küster für das Läuten mit dreimaliger Pause (x) Aachener Mark
für jede Viertelstunde erhalten und so im Verhältnis für alle Personen.*
Seine Gebühren («accidentalia») soll er aus der Kirchen- und
Armenkasse wie folgt erhalten:
Für die Trauung von Braut und Bräutigam 4 Schilling oder 28
Aachener Mark.
UA Formulierung (<en alsoo naer proportie voor alle persoenen»)
37
Für das Begraben und das Seelenamt («Seelmisse»)» jeder
Erwachsenenleiche, die am Friedhof abgeholt wird, 3 Schillinge oder
21 Aachener Mark; für die an ihrem (Sterbe-)hause oder auf dem
Leichenweg abgeholte Leiche 4 Schillinge oder 28 Mark.
Für das Begraben jedes Kindes 1/2 Schilling oder 3 1/2 Aachener
Mark.
Für das eventuell für das Kind zu lesende Seelenamt 1 Schilling oder
7 Aachener Mark.
Für die Hilfe bei der Taufe eines jeden Kindes 1/2 Schilling oder 3
1/2 Aachener Mark.
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Auszug aus dem Anstellungsvertrag
Wer sich für das Küsteramt bewirbt oder in die Wahl kommen wird,
darf bis zur Wahl bzw. Anstellung nicht an der Versammlung (Beratung)
teilnehmen.
Die Bedingungen sind, mit Ausnahme des Küsterbrotes, angenommen
worden in der (Dorf-)versammlung von Raeren und Neudorf in der
Dorfschule («Naebuyr School») am 22. November 1750. Unterschrieben
war das Dokument von Hupert Comoet, Jacob Raedermecher, Mattijs
Schouff, Jan Mennicken-Holley.
38
Die Abstimmung
Zu den angegebenen Bedingungen und ohne das (Küster-)brot gibt
der Herr Pastor Tilmann Ganser seine Stimme dem Johannes Heister,
dgl. der Herr Prior von Brandenburg, dgl. der Schöffe J. L. Mennicken
für den Herrn Baron de Hauzeur und den Herrn Rittmeister de Flamige.
Die mit dem Amt verbundenen Aufgaben
Diese gehen über das Amt des Küsters, wie dieses heute aufgefasst
wird, weit hinaus, ist er doch gleichzeitig Sekretär der Kirchen- und der
Armenverwaltung. Es wird nämlich gefordert, .
- dass er alle die Öffentlichkeit der beiden Orte Raeren und Neudorf
angehenden Bekanntmachungen gewissenhaft vornimmt und darüber
einen schriftlichen Bericht verfasst;
- dass er alle Rechnungen der Kirche und der Armenverwaltung
(Armenmomber) auf der Grundlage der Ausgabenbelege, die ihm zeitig
(von den Mombern) zugestellt werden, in gehöriger Form niederschreibt
(«coucheren») und dieselben abgeschlossen hat am Tage, wo sie
gebraucht werden;
- dass er alljährlich, wie es sich gehört, die Liste der Kirchen- und
der Armenrenten (= Einkünfte) anlegt und dieselbe mit dem Herrn Pastor
zusammenträgt und vergleicht und sie am Tage der Neuwahl der Kirchen-
und Armenmomber bereit hält; auch soll er darauf notieren, was ihm
zukommt bzgl. Kirche und Armen sowie seine Bezüge
(«Emolumenten»); es wird verlangt, dass er das Küsteramt getreulich
ausübt, die vorgenannten Bedingungen etc. pflichtgemäß erfüllt und
seine mit dem Amt verbundenen Verpflichtungen allen anderen vorzieht.
Er ist auch gehalten, den dazu gehörenden Eid auf seine Kosten
abzulegen.
- dass er von jedem Haus oder Haushalt jährlich als Gage oder
Küsterbrot drei Mark Aachener Währung bekommt, die auf St. Anna-
Tag fällig sind; diese Gage darf er jedoch nicht fordern von denen, die
seine Dienste «um Gottes Willen begehren», darin einbegriffen ist das
Singen der hl. Sakraments-Messe. Ferner soll er aus dem Dorfswald
gegen Zahlung des «Loesgeldts» von jedem Quartier ( = Ortschaft) das
«Naebuyr Brandt houdt» (Brennholz) bekommen, so wie jeder andere
Bewohner.
39
Zu Raeren in der Schule, am 29. November 1750, nach dem Hochamte,
nachdem der Hr. Drossard die Vollmachten vorgelesen und beglaubigt
hat. Der Schöffe Mennicken protestiert im eigenen Namen und im Namen
der ihn Bevollmächtigenden gegen die Stimmen, die dazu nicht
qualifiziert seien. Alles in Anwesenheit des vorg. Herrn Drossards und
Michiel Hompers, die als Zeugen fungierten.
Unterschrieben hatten J. Poswyck und Michiel Hompers
Quellen: Ungeordneter Aktenbestand der Bank Walhorn im Stadtarchiv Aachen
40
Ein Kilometerstein
aus napoleonischer Zeit
von Günter Martinius
Schon manches hat man in unserer Zeit über die großen preußischen
Meilensteine in unserer Region geschrieben, auch über deren
«Familienmitglieder», die kleinen, halbkugelförmigen Viertelmei-
lensteine, denen man nach ihrer Form die Bezeichnung «Glocke»
gegeben hat.
Das sind markante Entfernungskennzeichen, die um 1814-15 von der ,
seinerzeitigen preußischen Ober-Bau-Deputation entwickelt und fest-
gelegt wurden.
Die Entfernungen sind in Meilen angegeben, wobei 1 Meile 7,532
km, 1/4 Meile also 1,883 km entspricht.
Etwa soweit gingen die bisherigen Erkenntnisse, wobei nicht nur diese
theoretischen Maße bekannt waren. Auf der Achse Köln-Aachen-Weißes
Haus (Ende des preußischen Gebietes) kannte man nicht nur einen großen
Meilenstein mit der Angabe 11 Meilen nach Köln, sondern auch eine
kleine Glocke (Abb. 1 und 2).
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| 3 FF N Abb. 1. Der einzige heute auf
CE Im hal in belgischer Seite stehende
| Mm Meilenstein der Strecke Aachen-
A dl Lüttich steht unweit des Weißen
> | Hauses.
42
Form, Aussehen und einer Markierung «K 33» an einen Stein aus früherer
Zeit erinnerte?
Und es war in der Tat ein wirklicher Straßen-Kilometerstein, mit
ziemlicher Sicherheit aus der napoleonischen Zeit. Dazu folgende Ar-
“ gumente:
Zur Zeit Napoleons und seiner Eroberungskriege wurden viele neue
Straßen und Chausseen gebaut, nicht etwa für den zivilen Gebrauch,
sondern um den Truppen bequeme und schnelle Bewegungs-
möglichkeiten zu bieten. Auch wir profitieren heute von jenen
Konstruktionen.
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Abb. 3: Das Fundobjekt mit der Bezeichnung «K 33» ist ca. 145 cm lang.
Im Jahre 1799 wurde in Frankreich das Meter als Längenmaß
eingeführt. Wenn es auch erst im Jahre 1840 dortzulande obligatorisch
wurde, sollte es doch schon aus militärischen Gründen so bald wie
möglich eingeführt werden, und so begannen etwa 1805-1810 die ersten
Positionierungen. Die Steine erhielten als Parameter zur Stadt Lüttich
ihre Zahlen und ein «K» für «Kilometer». Das «Km» für Kilometer wurde
erst in der internationalen Meter-Konvention vom 20.5.1875 festgelegt.
Wenn wir nun eine alte belgische (militärische) Straßenkarte von 1970/
72 anschauen, erkennen wir hier etwa auf der Mitte der Karte
43
(eingekreist) die Bezeichnung K 33, wie man auch in Richtung nach
Kelmis, später Aachen, die Kilometerzahl 34 sieht.
Was nun die Nummer 33 auf unserem Stein betrifft, so befindet sich
die Fundstelle desselben in der Nähe des Hofes «Wind» und in der Nähe
des Steines mit der Bezeichnung «K 32» (Abb. 5).
Man könnte sich also leicht vorstellen, dass durch Bau- und
Straßenarbeiten der eine oder andere Stein verschleppt oder versetzt
wurde. Nachdem er auf dem Fundort tief in der Erde war, steht zu
vermuten, dass dieser französische Stein bäuerlicherseits zum Ausfüllen
eines Loches in der Wiese bewegt wurde, als ihn die preußischen
Behörden andernfalls zerstört hätten.
Interessanterweise zeigt Bild 1 an der Vorderfront das Schild «km
34», zusammen mit der Markierung «N 3», die sich auf die belgische
Nationalstraße bezieht. Daneben sieht man den Torso eines alten Steines
mit einer erkennbaren «4», mit Sicherheit Teil der Bezeichnung «34»
eines anderen Steines, der, wenn auch ohne Oberteil, dem ausgegrabenen
Stein sehr ähnlich ist.
Dem Verfasser sind bei oftmaligen Fahrten auf belgischen Straßen
früher die Bezeichnungen, wie hier km 34, begegnet, später aber
verschwunden.
Eine Anfrage beim Straßenbauamt bzgl. Kilometersteine der
gefundenen Art oder ähnlicher Objekte wurde uns dahin gehend
beschieden, nichts von dieser oder anderer Art zu haben oder zu wissen
(Abb. 4).
Madame, Monsieur,
Faisant suite a votre courrier reprisS vuus ıumi4ue, ) al HONNEU OE
vous informer que j'ai interroge mes services concernant les bornes
kilometriques anciennes le long de la N3.
Nous ne disposons d’aucune information relative a ces bornages.
Par ailleurs, nos depöts ne renferment plus aucune borne
ancienne en pierre ou en fer,
Veuillez agreer, Madame, Monsieur, l’assurance de ma
consideration distinguee.
La Directrice des Ponts
et Chauss6es
Abb. 4: Der Bescheid des Straßenbauamtes
(Zeile 1 = sous rubrique, j’ai l’honneur de etc.)
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Abb 6: Preußische Glocke und französischer Kilometerstein am Dorfhaus in
Lontzen
Hier noch abschließend einige Angaben zur Meterfindung und —
feststellung:
Das Ur-Meter, ein Platin-Iridium-Stab, liegt in Paris. Es wurde 1983
neu definiert als eine Geschwindigkeit im Vakuum.
Das Meter wurde in den meisten belgischen Provinzen seit 1816/17
obligatorisch; in der Provinz Lüttich allerdings erst 1836.
Vor diesen Zeiten gab es in belgischen Provinzen namentlich folgende
Längenmaße: pied, pouce, ligne, point, palme, perche, mille, aune, taille,
brache.
Quellen:
Enzyklopädisches Wörterbuch Sachs-Villatte, Vlg. Langen-scheidt, Berlin 1905
Littre: Les travaux lexicographiques n’ont point de fin!
Mahrenberg, G. «Straßenweise Zusammenstellung der heute noch vorhandenen
Meilensteine» in Heimatblätter des Kreises Aachen, März 1993.
46
Das Bahkauv
M.-Th. Weinert
Schwarz war die Nacht,
windgeschüttelt die Bäume,
als aus den tobenden Wassern
brüllend das Untier entstieg...
triefend den Nacken gewölbt
schnellt es im Sprung hoch,
bis die gewaltigen Pranken
auf festem Grund stehn. ; 3
Dann blickt es um sich,
grollt in die Runde...
Was sieht es unten?
Viele kleine, harmlose Leute
hasten geschwätzig,
lächeln hinauf...
Da stockt dem Untier
der Wutschrei im Halse,
langsam erstarrt es
zu festem Bestand.
Verzaubert für immer
staunt es gebannt
in die wechselnde Zeit.
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Das Bachkalb (Bahkauv) in Aachen, ein 1904 am Büchel gesetztes
Brunnendenkmal. Es wurde im 2. Weltkrieg eingeschmolzen und 1967 durch
ein Bahkauv-Denkmal von Kurt Wolf von Borries ersetzt.
48
La guerre ä la Calamine'
par le r&v. cur€ Franz Scherrer (+)
A l’aube du 10 mai 1940, tandis que des nu&es d’avions envahissent le
ciel belge pour aller bombarder les champs d’aviation, les premiers sol-
dats allemands se presentent dans le vieux chemin de la Ruhr en disant:
«Da wären wir ja wieder!» Bientöt le gros de la troupe entre au village
par la route d’Aix la Chapelle, conduit par le d&pute provincial Kriescher
de Neu-Moresnet, en costume de c&re&monie. Immediatement, c’est la
mainmise sur la maison communale. Le bourgmestre Kofferschläger et
le conseil communal pourront encore pendant un petit temps exercer leurs
fonctions pour expedier les affaires courantes et surtout pour assurer le
ravitaillement. L’arrivee de 1’ ennemi a €t€ si subite que seuls les soldats
garde-frontiere, les employ&s de 1’Etat et quelques rares familles pretes
pour cette Eventualite, ont eu le temps de fuir. Heureusement que 1’affo-
lement n’a pas eu le temps d’entrainer un plus grand nombre de fuyards.
Apres quelques essais d’organisation de 1’&vacuation des civils, le gou-
vernement en Etait venu ä recommander de rester en place, tant que cela
serait possible. De fait, l’exode inconsidere des civils, obstruant les rou-
tes et ge&nant meme les operations militaires, chassant les civils jusque
dans le midi de la France, a cause d’ incalculables pertes de biens ainsi
que d’ innombrables pertes de vies. Deux familles originaires de La Cala-
mine, mais parties d’autres endroits, ont eu ä regretter des pertes de leurs
membres, en Hesbaye et dans le Nord de la France. L’experience lamen-
table de la fuite des civils de Flandre en 1914 aurait dü suffire pour que
cette fois l’on restät dans ses foyers comme c’&tait recommande?, Nous
verrons d’ailleurs bientöt une päle image des tristesses de 1’&vacuation,
quand, le 17 mai, nous arrivera un nombreux groupe d’ habitants de
Charneux, Evacue€ par le commandement de l’arm&e allemande, ä cause
du bombardement du fort de Battice. Nous pouvons dire ä la louange de
la population de La Calamine, que ces €migreEs ont Et& recus avec une
charit€ Edifiante, dont les int&ress&s ont garde un tel souvenir, qu’ä leur
retour apr&s une huitaine de jours, ils ont donne ä une de leurs rues, le
nom de rue de La Calamine.
Le 12 mai, föte de la Pentecöte, les esprits ne sont pas assez tranquil-
les pour assurer l’adoration des Prieres de XL heures; nous nous conten-
terons de l’exposition pendant le temps des messes et pour les Vepres et
Complies. Nous ne sommes que trois pour les offices, Mr le vicaire
49
Xhonneux, qui 6tait alle ä Bruges pour la procession du St Sang, ayant
dü, ä son retour, rejoindre directement son regiment 0 il fut fait prison-
nier dös les premiers jours, captivit€ ä Fallingbostel (Hannovre) qui dura
jusqu’au mois d’aoüt. Pendant ces jours de Pentecöte, le canon ne cesse
de gronder, une grosse piece d’artillerie Etant installge dans le tunnel
pres de Bildchen, une autre pres de la gare de Birken.
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Le Cure Jean-Francois Scherrer (*6.4.1880 - + 17.11.1956),
cure€ ä La Calamine du 28.11.1920 au 28.08.1945
50
Le 18 mai, Hitler d&clarant la d&cheance du trait€ de Versailles, de-
cröte le retour ä 1’Allemagne des cantons d’Eupen, Malmedy et St Vith
et l’annexion pure et simple des dix communes du doyenn€ de Montzen
avec la paroisse de La Clouse. La frontiere est reculge jusqu’ä la
Berwinne?. Cela repond environ 3 la frontiere linguistique comme l’avait
tracge le professeur Henri Bischoff (en r&alit& Bischops) originaire de
Lontzen, professeur retrait& de 1’Universit& de Liege. II est int&ressant
de constater que dans son ouvrage «Das Deutschtum in Belgien» paru
apres sa mort, monsieur Bischoff, se gausse de la crainte du gouverne-
ment belge de voir un jour les Allemands annexer la terre belge de lan-
gue allemande. Les gouvernants avaient tout de me&me vu un peu plus
loin que lui. Cela soit dit sans vouloir blämer ceux qui avec Bischoff ont‘
voulu defendre les droits que la constitution accorde ä la 3° langue natio-
nale, croyant d&fendre en meme temps le caractere ethnique &minem-
ment religieux du pays de Montzen.- Dans les actes officiels allemands
ce pays sera d&nomm&€ Moresnet dans la d&signation «die Gebiete von
EUPEN, MALMEDY und MORESNET».: Ce sera la r£alisation d’un
reve de Mr Kriescher qui devint bourgmestre du grand Moresnet com-
prenant Alt Moresnet, Altenberg (l’ancien Moresnet Neutre) Neu-
Moresnet et Hergenrath.
Nous voilä donc citoyens du «ewige deutsche Reich». Par reconnais-
sance, la rue Thymrecevra le nom de «Straße des 18. Mai», tandis que la
Maxstraße sera baptisee «Adolf-Hitler-Straße », la rue du Parc «Her-
mann Göring-Straße» et la rue du Patronage recevra le nom du 1“ bourg-
mestre de La Calamine Arnold de Lasaulx que Kriescher dans sa bro-
chure sur Moresnet d&peint comme Champion du Germanisme. Je crois
qu’il avait besoin de cette r£habilitation posthume*.
LES CONSEQUENCES DE L’ANNEXION:
A) AU POINT DE VUE CIVIL
L’annexion rend de plein droit la nationalite allemande aux Allemands
devenus belges par le trait& de Versailles; elle pretend accorder la me&me
faveur aux anciens Neutres de La Calamine. Les anciens belges rece-
vront une carte d’identit& portant la d&signation «Deutsch auf Widerruf»
C’est ä dire que s’ils sont sages et se conduisent en loyaux sujets du
Reich, ils deviendront Reichsdeutsch en 1950. Je me demande si la Bel-
gique n’aurait pas gagn€ ä adopter une mesure semblable en sens in-
verse, apres la guerre, au lieu de tant d’emprisonnements arbitraires aussi
coüteux qu’impopulaires.
51
Une premi&re cons6quence de l’annexion fut 1’incorporation dans la
Wehrmacht des anciens ressortissants allemands, meme s’ils revenaient
des camps de prisonniers comme anciens combattants belges. L’on es-
saya d’appliquer la me&me mesure aux anciens Neutres. Mais ceux-ci,
dans la mesure du possible, regimberent et passerent la frontiere belge
comme un certain nombre d’ Allemands d’ailleurs. Ceux qui furent d&-
couverts en Belgique occup&e firent connaissance avec les prisons jus-
que 2 ans mais c’&tait autant de temps gagne sur le service militaire. II
est certain qu’un nombre conside&rable ne s’est soumis ä l’enrölement
que parce qu’il ne trouvaient pratiquement pas le moyen de s’y sous-
traire et qu’ils auraient donne leur vie pour une cause qu’ils abhorraient.
Pour les autres hommes valides et pour les femmes jusque 45 ans, ce
sera l’enrölement dans 1’Arbeitsfront et le travail obligatoire, ä moins
encore une fois qu’ils ne puissent s’y soustraire par la fuite au delä de la
frontiere. Les mineurs Echangeront les charbonnages du bassin de Liege
contre ceux d’Aix-la-Chapelle. La Vieille Montagne continue ä exploi-
ter les re&sidus de minerais pour extraire le blanc de zinc; la Schleifmühle
travaille €galement; ä Hergenrath une papeterie est mise en oeuvre; beau-
coup sont embauch6&s dans les usines d’Aix.
Autre cons6&quence de l’annexion: la monnaie belge est &chang&e contre
des Marks au cours obligatoire de 10 francs pour un Mark d’abord, et
apres un delai fixe, a 12.50 fr. Une succursale de 1a Kreissparkasse
d’Eupen est €tablie dans la pharmacie Demez; les livrets de la Caisse
d’Epargne belge doivent Etre Echanges contre des livrets de la Caisse
d’Eupen. Ceux qui doivent attaquer leurs &conomies, sont oblig&s de se
conformer ä cette mesure. Les autres tiennent leurs livrets cach6s et ä la
rEquisition pretendent les avoir €gar6s ou les avoir en Belgique. Ceux-ci
auront l’avantage de voir Echang€ leur avoir contre argent belge, apres la
liberation, tandis que les livrets d’Eupen devront attendre une procedure
d’E&change plus tardive et plus d&savantageuse. La SEparation de la Bel-
gique aura un avantage au point de vue du ravitaillement, 1’ Allemagne
pouvant au cours force du Mark sucer ä blanc tous les pays occup&s au
profit de 1’alimentation de ses sujets.
B) AU POINT DE VUE RELIGIEUX:
La Cour Romaine (le Vatican) d&cida que les Cantons d’Eupen,
Malmedy et St.Vith seraient places sous l’administration de 1’Eveche
d’Aix. A la demande des pretres d’Eupen, quel &v&que ils devaient nom-
mer au canon de la Messe, 1’&v&que d’Aix r£pondit: &videmment I’&v&que
52
de Liege puisque nous ne sommes qu’administrateurs. Par contre, le
doyenne€ de Montzen, comme ancien territoire belge, resta sous la juri-
diction de Liege. Rome ne voyait manifestement pas une situation defi-
nitive dans l’annexion. Tel n’&tait pas l’avis de la Gestapo: le cur& de La
Calamine, etant comme plus proche voisin d’Aix, d&sign& comme inter-
möediaire entre les deux &v&ches, ne recut qu’une fois un passeport pour
aller ä Liege. Apres cette demande, la Gestapo lui signifia la defense
d’avoir des rapports verbaux ou &crits avec l’&v&que de Liege. Celui-ci
n’obtint pas non plus l’autorisation de venir administrer la Confirmation
ni d’envoyer a cette fin l’abbE de Val-Dieu. De ce fait, la confirmation
qui aurait dü Etre administree en juin 1940 fut remise au 10 aoüt 1945.
Une des premi@res mesures fut la defense de l’usage de la langue fran- *
caise a l’&glise m&me pour les annonces. Cela n’offrait guere d’inconve-
nient pour notre paroisse, presque tous les employ&s de langue francaise
ayant quitte la paroisse des le 10 mai. Apres quelque temps, le bourg-
mestre me rappela ä l’ordre en me disant que je devais suivre 1l’exemple
de mon confrere de Hergenrath et observer les ordonnances concernant
les sonneries des cloches apres les grandes victoires de l’arm6&e alle-
mande; ensuite ce fut l’obligation d’arborer ä 1l’&glise et au presbytere le
drapeau ä croix gamm6e ä la föte du Führer et autres. Comme je ne m’6&tais
pas presse le 20 avril, ä 9 heures, un gendarme vint m’avertir que le
drapeau aurait dü Etre hiss€ depuis 7 heures et s’offrit ä l’arborer au
presbyt&re. Pavoisement et sonneries cesseront dös les revers en Russie.
L’ ADMINISTRATION FABRICIENNE de l’&glise doit, a son tour,
se conformer ä la l&gislation allemande. L’&v&che d’Aix-la-Chapelle se
met genereusement ä notre disposition pour nous donner les renseigne-
ments n&cessaires. Monsieur le recteur Thelen, chef du bureau adminis-
tratif, vient plusieurs fois 4 Montzen, donner ses instructions; il mon-
trera une grande largeur de vue, specialement pour ceux qui auront des
d&mel€s avec la Gestapo. D’apres la loi allemande, c’est la fabrique de
l’Eglise qui doit pourvoir au traitement du clerge. L’Etat donne un sub-
side pour le traitement des cur6s, pas pour les pretres auxiliaires. Ce
subside ne recoit aucune augmentation du fait de 1’augmentation nume&-
rique des membres du clerge€ par l’annexion des territoires. Les &ve&ches
devront rogner sur la part des allemands pour former un traitement aux
cur6s des regions annex6&es.
Le conseil de fabrique r&duit au cur& et au tr&sorier doit prevoir, dans
son budget les traitements des membres du clerg&, d’apres le baröme
fixe par la loi - traitement de beaucoup superieur ä celui du clerge belge;
53
th&oriquement le cur€ devrait toucher 8000 Marks; en r&alit&, cela se
rEduisait ä 4500 M, augment&s dans la suite ä environ 6000 - Ce qui
manque aux recettes ordinaires doit &tre suppl&€ par 1’impöt du culte
(environ 9% de l’impöt sur le revenu). L’introduction de 1’impöt du culte
que la population d’Eupen - Malmedy, acceptait plus ou moins de bon
gre, parce qu’elle l’avait connu sous le r&gime allemand, &tait une me-
sure tres impopulaire dans le doyenn€ de Montzen; les cur&s des petites
paroisses l’ont introduite avec beaucoup de discretion, Welkenraedt et
La Calamine ont remplac€ 1’impöt par des collectes libres, qui ont tre&s
largement subvenu aux besoins. D’ailleurs, toutes les collectes ordinai-
res ont augment€ dans de telles proportions qu’elles ont suffi pour com-
bler le gros d&ficit restant des travaux de reparation ä 1’Eglise et au Pa-
tronage. ’ASSURANCE contre incendie dut &tre confiee obligatoire-
ment ä une compagnie allemande, agent Mr Charles Gehlen-Döme. Ce
contrat devint naturellement caduc apr6s la guerre.
Les Offices ä l’Eglise restaient libres mais nous Etions surveill&s pour
les sermons, j’en ai eu la preuve quand, le 4 aoüt 1941, je fus convoque
ä la GESTAPO ä Eupen pour re£pondre au sujet d’un sermon fait quinze
jours plus töt. II s’agissait d’un sermon au sujet de St Paul qu’un pam-
phlet r&pandu dans la paroisse repre&sentait comme un Juif ayant intro-
duit le Judaisme en Europe. Comme j’exprimais au chef le regret de ne
pas avoir cette brochure d’apr@s laquelle j’aurais pu reconstituer mon
sermon, il me dit que cela n’avait pas d’importance puisqu’il avait en
mains mon sermon en double expEdition, st&nographie ä deux messes.
Je n’ai jamais connu l’auteur de cette st&nographie. Le motif de la con-
vocation &tait que la brochure ayant &t€ distribuge par la Hitler-Jugend
sur ordre du Parti Nazi, j’avais donn€ l’impression de vouloir combattre
ce dernier en chaire! Comme cela n’&tait pas prouv6e, l’accusation n’eut
pas de suite directe.
Les PROCESSIONS n’&taient autorisees que sur le terrain apparte-
nant aux Eglises, ce qui Equivalait pratiquement ä la defense. Les Fran-
ciscains de Moresnet pouvaient organiser les processions sur le grand
terrain de leur chemin de croix. Ce fut un peu pour suppleer ä la proces-
sion paroissiale du 15 aoüt que nous songeämes ä celebrer la CONSE-
CRATION de la paroisse ä la Sainte Vierge, le 15 aoüt 1942. D&jä l’an-
n6&e precedente, avait eu lieu la cons6&cration du Dioc&se et celle de nom-
breux doyenn€s. Monsieur le vicaire Hendriks prepara les enfants de la
Croisade Eucharistique et les congreganistes et nous eümes une f@te tres
bien r&ussie: le 15 aoüt pour les enfants et le lendemain dimanche, pour
54
les adultes. Acte de Cons&cration de la Paroisse avec choeurs parles et
sermon du Pöre Bentivolius a 15 heures. Pour 17 heures, une sonnerie
des cloches demandait la Cons&cration des familles dans leurs foyers.
Le souvenir de cet acte, appuy€ de la reconnaissance pour la protec-
tion manifeste que la Ste Vierge a accorde ä la paroisse surtout ä la fin de
„la guerre, est perpetu€ par le renouvellement de 1a Cons&cration a 1’0c-
casion de la fete de 1’Assomption, titulaire de 1’ €glise.
V’ECOLE est peut-&tre l’institution qui a subi les plus graves attein-
tes par l’annexion. D&jä au mois de juin 1940 le nouveau bourgmestre
Kriescher me signifia que les pretres n’auront plus acc&s aux 10caux Sco-
laires. La m&me mesure atteint les Soeurs de Notre Dame de Namur. Ces
bonnes religieuses qui se sont d&vou&es pour la jeunesse de La Calamine
pendant plus de 80 ans et souvent dans des conditions extrömement dif-
ficiles, sont simplement mises ä la porte. Le caract&re odieux de cette
mesure apparait d’autant mieux quand on considere qu’il ne restait plus
qu’une quinzaine de jours jusqu’ä la fin de l’annee scolaire et que le
Bourgmestre savait que les religieuses Etaient decidees a quitter la pa-
roisse parce qu’elles n’avaient plus les sujets n&cessaires. Ce qui &tait
plus grave encore, c’est que ce me&me bourgmestre qui continuait ä rem-
plir ses devoirs religieux ait donne 1’ordre d’enlever les crucifix des
locaux scolaires et qu’il se soit trouves deux traitres pour appliquer cette
mesure.
Le personnel enseignant belge qui ne voulait pas preter le serment de
fidelite ä Hitler, s’est retir& en Belgique pour revenir au complet apr6s la
liberation. Trois instituteurs seulement s’accorderent au nouveau r&gime;
ils durent aller suivre en Allemagne un cours de formation ou plutöt de
deformation pour pouvoir Elever les enfants d’apres les methodes na-
zies. Les autres instituteurs partis furent remplac&s par des Allemands,
dont quelques uns n’&taient pas antireligieux, mais l’institutrice charg&e
des cours de religion Etait une protestante hitl&rienne. L’on devine la
formation religieuse qu’elle pouvait donner.
Nous &tions obliges de donner la religion soit ä l’&glise soit au Patro-
nage au courant de l’apres-midi et l’institutrice susnomm6&e trouvait le
moyen de nous contrecarrer en mettant des lecons supple&mentaires aux
heures que nous avions fix6es, me&me d’accord avec elle. La formation des
enfants est surtout civique et physique. Que de parents bien intentionn6&s
se sont lament&s pres de moi sur les r&sultats de cet enseignement.
Pour an6antir jusqu’au souvenir des religieuses, le bourgmestre fit
marteler 1’inscription: Ecole St Louis 1857, sur le fronton de 1’&cole qui
55
d&sormais servira de local pour la jeunesse hitl&rienne et pour les organi-
sations du Parti. Quant au PATRONAGE, il fut d&s l’abord l’objet des
convoitises et puis des pers&cutions des Allemands. Des le de£but, des
membres de la jeunesse hitl&rienne voulurent s’installer dans ces locaux.
Ils pretendaient que le bourgmestre leur en avait donne l’autorisation.
Un paragraphe de l’acte de donation du terrain nous a preserv€ de cette
invasion. D’apres ce paragraphe, le Patronage redeviendrait propriete
des donateurs du terrain (famille Schoenauen), s’il arrivait un jour que
l’6tablissement serait detourn€ de son but d’Education chretienne de la
jeunesse. En le mettant sous le nez de Kriescher, je forcais celui-ci ä
admettre que le Patronage Etant fondation priv6e, il n’avait pas le droit
de l’occuper. En revanche, Kriescher se montrera toujours hostile aux
mouvements de jeunesse, surtout ä la J.O0.C. Des jeunes gens qui n’avaient
que de tr@s lointaines accointances avec cette derniere, mais qui se r&u-
nissaient dans les environs du Patronage et jouaient occasionnellement
dans la cour, furent soupconn€s de men6&es anti-hitl&riennes notamment
d’avoir souill& la maison de quelques hitl&riens. Certains furent empri-
sonn6s et maltrait&s. Faute de preuves on finit par les relächer. Nous
avons eu des preuves que la haine des occupants poursuivait les vicaires
ä cause de leur travail sur les jeunes gens. Ne pouvant maintenir nos
Organisations de jeunesse, les r&unions prirent le caractere d’assembl&es
de formation religieuse et morale.
LA BIBLIOTHEQUE ne put pas continuer la distribution de livres.
Un jour des employ€s de la GESTAPO se presenterent au Patronage
pour le contröle de la bibliotheque. Comme nous ne trouvions pas tout
de suite le catalogue, ils se contenterent de rejeter les livres francais, les
traductions de 1’Anglais et les oeuvres qu ils pretendaient d’origine juive
Ou pas assez propres. Plutöt que d’accepter toutes leurs conditions, nous
avons ferme la biblioth&que.
L’ASSOCIATION SANS BUT LUCRATIF, proprietaire du Patro-
nage, aurait dü &tre chang&e dans une association similaire conforme ä la
loi allemande. Le docteur Lohmans, conseiller juridique de 1’&ve&che
d’Aix, me conseilla de demander ä MM Simons, Wenders et Darcis de
donner leur d&mission de membres de 1’Association. Comme ils habi-
taient en Belgique, il &tait ä craindre qu’un jour leur part de propriete ne
füt confisquee (l’avoir de la biblioth&que, 400 frs qui se trouvaient au
compte-chöques ä Bruxelles, a &t& confisque ). Mr Lohmans a r&ussi ä
faire remettre d’ann&e en anne la constitution d’une nouvelle soci&te.
Notre Association continue donc comme devant; la d&mission dont il fut
57
gne plutöt que de faire comme nos confreres des cantons d’Eupen-
Malmedy. Cette pens&e ne m’6tait jamais venue en t&te parce que nous
nous trouvions, non en ancienne Allemagne mais en ancienne Belgique.
La conclusion fut que notre cas serait soumis au jugement du tribunal du
Peuple ä Berlin, qui ne jouait pas avec les traitres et que nous pouvions
nous attendre ä des peines tres graves. Ce ne fut, en effet, que gräce ä
notre avocat Mr Knops d’Eupen qui se rendit personnellement ä Berlin
que l’affaire fut soumise au tribunal ordinaire d’Aix. Apres trois mois de
prison preventive nous parümes au tribunal le 29 d&cembre pour nous
entendre condamner, Mr. Xhonneux ä deux ans de «Zuchthaus », 'Mr
Hendriks ä sept mois et moi-meme ä quatre mois de prison. A l’expira-
tion des 4 mois, la Gestapo s’opposa ä ma liberation; j’ai appris dans la
suite que j’aurais dü aller ä Dachau. Sur les instances combin&es de 1’avo-
cat et de 1'&veche d’Aix, et vu le mauvais Etat de ma sant6€, j’obtins la
liberation ä condition de donner ma de&mission de cur& et de retourner en
Belgique endeans 5 jours. Le 3e jour je recus contre-ordre d’avoir ä res-
ter a La Calamine ä la disposition de la Gestapo, sans exercer la moindre
fonction. Entre-temps mes chers compagnons furent transferes, Mr
Hendriks ä la prison de Wittlich et Mr Xhonneux au bagne de Butzbach.
Le 20 avril je fus appel& ä Aix pour m’entendre dire qu’il m’6&tait
interdit de rester ä La Calamine et en Belgique, que pour le 30 avril je
devais &tre parti pour 1’Allemagne ä l’exclusion de la Rhenanie, de la
Westphalie et de 1’Allemagne du Sud et que je devais payer une caution
de 2000 Marks qui me serait rendue le 1” mai 1946, si on n’avait plus eu
de reproche ä me faire.
Avec l’aide du P&re Thadd&6e Soiron de Moresnet, je trouvai un refuge
chez les Pöres franciscains de Mühlen en Oldenburg 0ü j’ai trouve un
accueil absolument fraternel. Le repos idyllique de ce couvent fut bien-
töt troubl& par une lettre de mon avocat m’annoncant que le tribunal
supreme du Reich ä Leipzig avait cass€ le jugement parce que la peine
ne repondait pas A la gravit& de notre crime. En cons&quence, les deux
confreres durent revenir en instruction ä la prison d’Aix. Apres deux
ajournements l’affaire fut appel&e au m&me tribunal le 14 septembre. La
condamnation de Mr Xhonneux fut portee ä 5 (4 ?) ans, celle de Mr
Hendriks ä 18 mois tandis que l’exil et I’amende paraissaient une aggra-
vation suffisante de ma peine. Mr Xhonneux retourna ä Butzbach, Mr
Hendriks ä Wittlich en attendant sa de&portation ä Dachau et moi ä
Neuenkirchen oü 1’Official de Vechta m’avait confie le poste d’aumö-
nier du Sanatorium pour dames.
58
L’ADMINISTRATION DE LA PAROISSE connut un certain d&-
sarroi naturel apres notre d&part subit. Cependant, Mr 1l’abb€ Flas s’y
attela avec un de&vouement et un courage que les paroissiens se plurent ä
reconnaitre. Mais les superieurs, manquant de confiance en sa sant6e,
designerent d’abord le r&verend Pere Schmetz, Spiritain de Gentinnes,
revenu de Belgique pour rester en rapport avec sa famille ä Gemmenich,
comme administrateur. A la suite des instances de Mr le cur& de Membach,
qui desirait pour son vicaire un poste qui lui donnät plus d’occasions
d’utiliser ses aptitudes, Monsieur le Doyen Ferbeck nomma Monsieur J.
Brouwers comme vicaire a La Calamine. Cette nomination fut ratifice
dans la suite par 1’&v&que d’Aix nomm6 vicaire general pour la contree
par Mgr de Liege. Mr Brouwers vint peu de temps avant mon depart:
Comme il eut ä son tour des d&m6&1&s avec la Gestapo, il crut plus pru-
dent de mettre la frontiere belge entre la Gestapo et lui.
Entre-temps les confreres voisins: MM les cure&s de Plombi@res et
Moresnet et celui de Hombourg nomme faisant-fonction de doyen, ainsi
que le Pere Bentivolius de Moresnet, s’efforcerent selon leurs possibili-
tes d’aider au service de la paroisse.
L’&v&que d’Aix r6gla plus definitivement la situation, fin de 43, en
nommant ä la place de Mr Schmetz, envoy€ comme recteur ä Bracht, le
reverend Pere Pleuss, Spiritain de la r&sidence de Broich pres d’Aix et
peu de temps aprös, il lui adjoignit le r&v&rend Pere Schmitt de la me&me
Congregation. Ces deux religieux firent des efforts vraiment apostoli-
ques pour maintenir l’esprit religieux dans la paroisse, par les offices
bien soign6s, par le soin des malades et le d&vouement pour l’instruction
des enfants. Le Pere Pleuss se distingua notamment comme administra-
teur soucieux de regulariser la situation financi&re de la paroisse, oeuvre
qui lui valut un brillant succ@s. Les paroissiens admirant surtout son de-
vouement, lorsque, ä l’approche des arm6es alliges, le bourgmestre donna
le conseil d’&vacuer le village et de partir pour le centre de 1’ Allemagne.
Le Pöre declara rester avec ceux qui preferaient affronter le danger et fut
un v6&ritable soutien peur eux. Aussi, ä notre retour, les bouches &taient
pleines d’&loges pour les Peres ; chaque jour j’entendais la recomman-
dation: tächez de garder les Peres. Le Pere Schmitt qui n’avait 6t6 desi-
gn€ que pour le temps de notre absence, quitta la paroisse avec les Alle-
mands venus apres 1940. Monseigneur le vicaire general Simenon, me
demanda au mois d’Aoüt 45 si le Pere Pleuss Etait dispos€ ä accepter une
place dans le dioc&se quand je n’aurais plus besoin de ses Services. Les
circonstances amenerent sa nomination comme vicaire ä La Calamine,
59
poste qu’il garda jusqu’au 2 Septembre 1946. Il lui arriva ce qui arriva ä
Joseph en Egypte; quand arriverent au pouvoir des hommes qui n’avaient
pas connu les Services rendus pendant les ann&es maigres, il dut quitter
le pays. 4
Pour &tre complet, il faudrait encore signaler les grandioses festivit&s
improvis&es ou organis&es lors de notre retour en mai et juin 1945: cor-
teges aux flambeaux ä travers la paroisse, r&unions et discours au Patro-
nage rendu ä sa destinge etc. II faudrait rappeler la communion solen-
nelle, retardee au dernier dimanche de juillet pour la laisser aux pretres
attitr&s, la r&ception de Mgr 1’&v&que au soir du 9 aoüt, dans la pluie
battante, au pont de la Gueule. La visite de Monseigneur avait Et& an-
nonc£&e pour le mois de juin 1940, mais fut &videmment emp&ch&e par
l’&tat da guerre. Pendant la periode de l’annexion, Son Excellence ne put
obtenir un passeport et d’autre‘part, les confreres ne desiraient pas rece-
voir la visite officielle de 1’&v&que d’Aix; de ce fait, il y eut pour la
confirmation du 10 aoüt, les enfants de huit annees, le nombre depassait
les 600 exclusivement pour La Calamine. Pour cette journee dans le
doyenne€ de Montzen, son Excellence 6tait accompagnee de Monsieur le
chanoine Keufgens, originaire de Montzen, qui pröcha A la c&r&monie.
Le 26 aoüt, eut lieu la deposition ä la pelouse d’honneur de notre cime-
tiere, du corps du gendarme Gui Hocke€ de La Calamine, tomb€e aussi
Chretiennement qu’h&roiquement sous les balles du peloton d’ex&cution,
ä la citadelle de Liege, le 28 d&cembre 1941. Le corps avait Et€ provisoi-
rement enterre ä Stembert et fut ramen€ ä La Calamine le 24 aoüt (45); il
fut conduit ä l’&glise pour la grand-messe du dimanche au milieu d’une
assistance extraordinaire. Cet enterrement fut le dernier acte de mon
ministere, car le 28 aoüt, le bon Dieu me montra qu’il Etait temps de
ceder la place ä des forces plus jeunes, capables d’administrer la pa-
roisse dans les circonstances si difficiles.
Notes (de Firmin Pauquet)
! Le document ci-dessus publi€ a Et€ redig& par Monsieur le cur€ Fran-
cois Scherrer peu apres son admission 3 la retraite, fin aoüt 1945. Il
repose aux archives de la Fabrique d’&glise de La Calamine et m’a
Et€ soumis par mon beau-frere, Nicolas Dorr, de son vivant marguillier
de la Fabrique. La relation traite &videmment de la guerre 1939-1945.
Francois Scherrer est n€ ä Henri-Chapelle le 6 avril 1880 et ordonne
60
pretre ä Liege le 17 juin 1905. Il fut d’abord professeur au college
€piscopal de Beringen (prov. de Limbourg), puis vicaire 4 Montzen
en 1906. C’est en 1921 qu’il est nomme cure de l’importante paroisse
ouvriere de La Calamine comptant 4216 habitants en 1920. A partir
de fin aoüt 1945 il s’est retir& comme Emerite au couvent de
Pannesheidt ä Montzen oü il d&cede le 17 novembre 1956 (voir E.
Koninckx, « Le clerg€ du diocese de Liege 1825-1967 », Liege 1974,
n° 3832).
Le cure Scherrer prend la succession du cur Guillaume Kept
(28.10.1900 — novembre 1920). Ce dernier &tait entre en conflit avec
la direction de la Vieille Montagne qui payait son traitement et met- |
tait la cure ä la disposition de la paroisse. Charles Timmerhans, direc-
teur de l’agence de Moresnet, lui reprochait son attitude pendant la
guerre. Le cure€ Kept s’en trouve humili€ et notifie son indignation ä
Timmerhans dans une lettre du 5 d&cembre 1918 dans laquelle il si-
gnale qu’il remettra sa d&mission comme cur&€ de La Calamine.
Les collaborateurs successifs du cure Scherrer furent les vicaires Jo-
seph Wenders, fondateur de la section calaminoise de la JOC en 1925,
de 1919 ä 1932); Mathias Boutsen, invalide de guerre, de 1924 3 1931;
Joseph Pennings de 1931 ä 1934; Franz Darcis, initiateur des repre-
sentations «Passio Christi», de 1932 ä 1936; Nicolas Xhonneux de-
puis 1934 et Pierre Hendriks depuis 1937.
Sous son pastorat, trois Calaminois s’engagerent dans le sacerdoce :
Jean Fryns, n€ le 3 juillet 1910, ordonne ä Rome le 12 juillet 1936,
pretre du Saint Esprit, missionnaire au Congo et sacre vicaire aposto-
lique de Kindu le 7 juillet 1957, y d&c&de€ le 2 juillet 1965.
Joseph Hilligsmann, n€ le 25 juin 1910, ordonne ä Liege le 4 juillet
1937, directeur des (Euvres Sociales ä Eupen en 1945, doyen de
Montzen en 1966, puis cur€ a Hergenrath en 1968, oü il d&cede le 24
novembre 1971.
Jacques Pirson, n€ le 10 janvier 1918, ordonne a Liege le 1 juillet
1943, directeur des (Euvres Sociales ä Eupen en 1956, puis cure ä
Welkenraedt, enfin Emerite ä La Calamine.
Le 30 novembre 1930, la paroisse et les autorit&s communales c61&-
brent le 25° anniversaire de l’ordination du cure€ Scherrer. Le 17 juin
1955, celui-ci a encore l’occasion d’en feter le 50° anniversaire. A
cette occasion, une petite c&r&monie est organisee par 1’administra-
tion communale en son honneur ä la maison communale, oü de nom-
breux anciens paroissiens viennent lui manifester leur gratitude.
61
Pour suivre, quelques remarques concernant le texte du cure Scherrer
en vue d’en faciliter la comprehension aujourd’hui.
? LVexode des civils des communes plus Eloignees que La Calamine
peut se comprendre en raison des souvenirs des &venements d’aoüt
1914, lors de la premi&re invasion allemande : massacres de civils et
incendies sous pretexte de tirs de « francs tireurs », non le jour me&me
de l’invasion, mais quelques jours apr6s : ainsi 4 Overoth/Baelen, ä la
sortie d’Eupen, ä Membach, au Jongenbosch ä la sortie de La Cala-
mine..., mais surtout les incendies et massacres ä Battice, a Herve et
ä Vise, apres que les troupes allemandes eurent rencontre les premi&-
res r&sistances belges, auxquelles elles ne s’Etaient pas attendues.
3 Dans un premier temps, il est vrai fort court, l’arre&t& du 18 mai de
Hitler ne concerne que les territoires que 1’Allemagne a dü ceder ä la
Belgique en vertu du Traite de Versailles du 28 juin 1919, entre en
application le 10 janvier 1920. L’article 34 dudit trait& rattache les
«cercles» d’Eupen et Malmedy ä la Belgique, r&servant aux habitants
la possibilit& de protester par Ecrit en s’inscrivant dans des listes de-
pos&es ä Eupen et ä Malmedy, tandis que l’article 32 regle le sort de
la partie de Moresnet Prussien situge ä 1’ouest de la route de Liege ä
Aix-la-Chapelle (en fait, au nord-ouest). Par l’article 32 du trait& de
Versailles, le territoire de Moresnet-Neutre passe Egalement ä la Bel-
gique. Par l’arr&t& du 18 mai 1940, il est &galement incorpore€ ä 1’Al-
lemagne.
C’est par une decision du ministre allemand de 1’Interieur que, le 10
juin 1940, le trac€ de la frontie&re est porte& beaucoup plus a 1’Quest
pour englober en territoire allemand tout le doyenne de Montzen et
en plus des parties des communes d’Aubel (La Clouse), de Clermont,
de Limbourg et de Bilstain.
+ Les promoteurs de la «nazification» des noms de rues montrent entre
autres qu’ils n’ont gu@re de references historiques. C’est ainsi qu’ils
ignorent que la rue Max ä Neu-Moresnet rappelle Max Braun, inge-
nieur principal de la Vieille Montagne et en son temps partisan du
rattachement de Moresnet-Neutre ä la Prusse. Notre premier bourg-
mestre neutre, Arnold de Lasaulx, semble montrer plus de sympathie
pour le roi de Prusse Frederic-Guillaume III (1797-1840) que pour
celui des Pays-Bas, Guillaume I d’Orange-Nassau, manifestement plus
62
calviniste militant... N’oublions pas que sa möre appartenait a une
vieille famille patricienne de Cologne, de Mylius, et qu’il a &pouse
une cousine allemande, Dorothee von Braumann. Toutefois, il main-
tient son domicile en Belgique, bien qu’il ait envisage de s’installer ä
Hergenrath. Apres l’abandon du chäteau et domaine d’Alensberg
vendu ä James Cockerill en 1823, il s’installe dans sa propriet& de
Boschhausen 0oü il d&c&de le 18 juillet 1863.
63
Wie die Pfarre Kelmis
die Kriegsjahre überstand
von Pfr. Franz Scherrer (t)
Kurzfassung
Den ersten deutschen Soldaten, die am 10. Mai 1940 über die Ruhr in
Kelmis einmarschierten und sich mit einem «Da wären wir ja wieder»
vorstellten, folgte bald das Gros der Truppe über die Lütticher Straße,
geführt vom Provinzialrat Kriescher in SA-Uniform.
Die Deutschen nahmen als erstes Besitz vom Gemeindehaus, wo
Bürgermeister Kofferschläger und die Verwaltung noch eine kurze Zeit
bleiben konnten, um die laufenden Angelegenheiten abzuwickeln.
Die Ankunft des Feindes war so plötzlich, dass nur die Grenzsoldaten,
die Beamten und einige wenige Familien, die auf eine solche Situation
vorbereitet waren, die Flucht ergreifen konnten. Die Regierung hatte
angeraten, vor Ort zu bleiben. Unbedachtes Fliehen der Zivilbevölkerung
verursachte Chaos und Verluste an Menschenleben. Zwei aus Kelmis
stammende Familien, die jedoch die Flucht von anderswo ergriffen
hatten, hatten im Hespengau bzw. in Nordfrankreich Verluste an
Menschenleben zu beklagen. Die Erinnerung an die fliehenden Zivilisten
in Flandern im Jahre 1914 hätte genügen müssen, um die Leute zum
Verbleib in der Heimat zu bewegen.
Am 17. Mai bekamen wir eine Vorstellung vom Flüchtlingselend, als
eine Gruppe Menschen aus Charneux bei uns Aufnahme suchten. Wegen
der Bombardierung des Forts von Battice hatte die deutsche
Heeresleitung diese Menschen evakuiert. Zum Lobe der Kelmiser
Bevölkerung können wir sagen, dass diese Evakuierten mit einer
erbaulichen Nächstenliebe aufgenommen wurden, so dass sie etwa 8
Tage später, nach ihrer Rückkehr, einer Straße ihres Ortes den Namen
«rue de La Calamine» gegeben haben.
Am 12. Mai, dem Pfingstfest, sind wir nicht in der Verfassung, das
40stündige Gebet durchzuführen. Wir begnügen uns mit der Aussetzung
des Altarssakramentes während der Messen sowie bei Vesper und
Komplet. Wir sind nur zu dritt für die Gottesdienste. Vikar Xhonneux,
der zur Hl.-Blut-Prozession nach Brügge gegangen war, hatte sofort nach
seiner Rückkehr sich zu seinem Regiment begeben müssen. Nach
64
wenigen Tagen wurde er gefangen genommen und blieb bis August in
Gefangenschaft in Fallingbostel b. Hannover.
Die Kanonen donnern unaufhörlich während der Pfingsttage; schwere
Artillerie ist im Tunnel bei Bildchen installiert, eine andere Batterie steht
beim Bahnhof Birken (Montzen).
Am 18. Mai erklärt Hitler den Anschluss von Eupen-Malmedy-St.
Vith sowie der 10 Gemeinden des Dekanates Montzen und der Pfarre
La Clouse (Klause/Aubel'). Die Grenze wird bis zur Berwinne
verschoben und entspricht damit in etwa der von Professor Heinrich
Bischoff in seinem posthum erschienenen Werk «Das Deutschtum in
Belgien» bezeichneten Sprachgrenze. Bischoff hatte sich lustig gemacht
über die Furcht der belgischen Regierung, Deutschland könnte eines ”
Tages das deutschsprachige Gebiet (um Montzen) annektieren. Wir
wollen denjenigen, die mit Bischoff für die Verteidigung der in der
Verfassung verbrieften Rechte der deutschen Sprache eingetreten sind,
keinen Vorwurf machen...
Für Herrn Kriescher geht damit ein Traum in Erfüllung. Er wurde
Bürgermeister von Groß-Moresnet, das aus Alt-Moresnet, dem früheren
Neutral-Moresnet, Neu-Moresnet und Hergenrath bestand.
Um ihren Dank dem deutschen Reich gegenüber auszudrücken,
wurden einige Straßennamen umgetauft: Die Thimstraße wurde zur
«Straße des 18. Mai», die Maxstraße nannte sich nun Adolf-Hitler-Straße,
die Parkstraße wurde zur «Hermann-Göring-Straße». Kriescher
betrachtete den ersten Bürgermeister von Neutral-Moresnet als Verfechter
des Germanentums; so erinnerte nun die Patronagestraße als «Arnold
v. Lasaulx-Straße» an den früheren Bürgermeister.
Die Folgen der Annexion
A. Im zivilen Bereich
Durch die Annexion werden diejenigen deutschen Bürger, die durch
den Versailler Vertrag zu Belgiern geworden waren, mit allen Rechten
wieder zu Deutschen. Den sog. «Neutralen» soll dasselbe Recht
zugestanden werden.
Die sog. Altbelgier erhalten einen Ausweis mit dem Vermerk «Deutsch
auf Widerruf». Das bedeutete, dass sie bei guter Aufführung im Jahre
!_ Der Erlass vom 18. Mai 1940 betraf nur Eupen-Malmedy und Moresnet (= Kelmis).
Durch Bestimmung des Innenministeriums vom 10. Juni 1940 wurde die Grenze
weiter nach Westen verschoben.
65
1950 zu Reichsdeutschen werden sollten. Ich frage mich, ob Belgien
nicht nach dem Kriege statt der vielen willkürlichen, teuren und
unpopulären Haftstrafen ähnlich hätte vorgehen sollen.
Eine erste Folge der Annexion waren für die ehemals Deutschen die
Einberufungen zur Wehrmacht, auch wenn sie als belgische Soldaten
gerade aus der Kriegsgefangenschaft zurückkamen. Die ehemals
Neutralen entzogen sich häufig der Einberufung durch Flucht über die
belgische Grenze. Wurden sie im Innern des Landes aufgespürt, so
drohten ihnen bis zu 2 Jahre Haft. Es ist sicher, dass eine bedeutende
Zahl der Einberufung nur Folge geleistet haben, weil sie keine
Möglichkeit sahen, sich dieser zu entziehen.
Arbeitsfähige Männer und Frauen bis zum Alter von 45 Jahren wurden
in die Arbeitsfront integriert. Die Grubenarbeiter wechselten von den
Kohlengruben des Lütticher Beckens zu denen des Aachener Reviers.
Die Vieille Montagne gewinnt weiter Zinkweiß aus den Halden. Auch
die Schleifmühle bleibt in Betrieb. In Hergenrath hat eine Papierfabrik
die Arbeit aufgenommen, während viele Arbeiter in Aachener Fabriken
beschäftigt sind.
Eine andere Folge der Annexion: Die Einführung des deutschen Geldes
zum Wechselkurs von 10 F zu 1 Mark, später 12,50 F:1. Eine Zweigstelle
der Kreissparkasse Eupen wurde in der Apotheke Demez eröffnet. Die
belgischen Sparbücher mussten durch solche der Eupener Kasse ersetzt
werden. Nicht alle folgen dieser Aufforderung. Wer nicht an das
«Gesparte» gehen muss, zieht es vor, sein belgisches Sparbuch zu
verstecken. Letztere sehen ihre Guthaben nach dem Krieg sofort gegen
belgische Franken anerkannt, für die Eupener Sparbücher ist die Prozedur
langsamer und nicht so vorteilhaft.
Im Ernährungsbereich hatte die Grenzziehung zu Belgien den Vorteil,
dass Deutschland zum Pflicht-Wechselkurs die besetzten Länder
aussaugen konnte...
B. Im religiösen Bereich
Der Vatikan beschloss, die Kantone Eupen, Malmedy und St. Vith
unter die Verwaltung des Bistums Aachen zu stellen. Auf die Frage der
Eupener Seelsorger, welchen Bischof sie in der Messe nennen sollten,
kam die Antwort: «Natürlich den Bischof von Lüttich, denn wir sind
nur Verwalter!»
66
Das Dekanat Montzen, als altbelgisches Gebiet, blieb im Bistum
Lüttich. Rom sah wohl in der Annexion keine definitive Maßnahme.
Die Gestapo sah das anders. Der Pfarrer von Kelmis, als nächster Nachbar
von Aachen zum Mittelsmann zwischen den beiden Bistümern ernannt,
erhielt nur ein einziges Mal einen Pass, um sich nach Lüttich zu begeben.
Danach verbot ihm die Gestapo jeden schriftlichen oder mündlichen
Kontakt mit dem Bischof von Lüttich. Dieser erhielt auch keine
Genehmigung zum Spenden der Firmung oder den Abt von Val-Dieu damit
zu beauftragen. So kam es, dass die Firmung, die im Juni 1940 hätte
stattfinden sollen, bis zum 10. August 1945 aufgeschoben werden musste.
Eine der ersten Maßnahmen war das Verbot des Gebrauchs der
französischen Sprache in der Kirche, selbst für die Verkündigungen. Da
fast alle französischsprachigen Angestellten unsere Pfarre am 10. Mai
verlassen hatten, war dies weiter ohne große Bedeutung. Nach einiger
Zeit wurde ich vom Bürgermeister ermahnt, dass ich dem Beispiel meines
Hergenrather Konfraters folgen müsse und die Verordnungen über das
Läuten der Glocken nach den großen Siegen der deutschen Armee zu
befolgen hätte.
Dann kam die Verpflichtung, an der Kirche und am Pfarrhause bei
Festen des Führers etc. die Hakenkreuzfahne zu hissen. Da ich es damit
am 20. April (Führers Geburtstag) bis 9 Uhr nicht eilig hatte, kam ein
Gendarm und machte mich darauf aufmerksam, dass die Fahne schon
um 7 Uhr morgens ausgehängt sein musste. Er bot sich an, dies am
Pfarrhaus zu tun. Glockengeläute und Beflaggung hörten mit den
Niederlagen in Russland auf...
Die Verwaltung der Kirchengüter
Der Kirchenfabrikrat muss sich ebenfalls der deutschen Gesetzgebung
anpassen. Das Bistum Aachen stellt sich uns bereitwilligst zur Verfügung
und’gibt uns alle notwendigen Auskünfte. Rektor Thelen, Vorsteher der
Verwaltung, kam mehrmals nach Montzen, um uns Instruktionen zu
geben. Er zeigte großes Verständnis, vor allem denen gegenüber, die
Schwierigkeiten mit der Gestapo hatten. Nach deutschem Gesetz muss
die Kirchenfabrik (Kirchenverwaltung) für die Besoldung des Pfarrers
aufkommen (aus Kirchensteuermitteln). Der Staat gibt eine finanzielle
Beihilfe zum Pfarrergehalt, jedoch nicht für die Hilfsgeistlichen
(Kapläne). Diese Beihilfe wird nach der Annexion nicht angehoben,
obwohl jetzt die Zahl der Geistlichen höher liegt als vorher. So müssen
67
die Bistümer den Pfarrern in Deutschland Gehaltsabzüge machen, um
denjenigen der annektierten Gebiete das Gehalt zu sichern.
Der Kirchenfabrikrat, auf den Pfarrer und den Rendanten zusam-
mengeschrumpft, muss in seinem Büdget die Gehälter für die Pfarr-
seelsorger vorsehen, und zwar nach den durch.Gesetz’festgelegten
Gehaltsstufen. Dieses Gehalt liegt weit über dem der belgischen Priester.
Theoretisch musste der Pfarrer 8.000 Mark (monatlich) beziehen; in
Wirklichkeit waren es nur 4.500 Mark, später auf etwa 6000 Mark
angehoben. Was an gewöhnlichen Einnahmen fehlt, muss durch die
Kirchensteuer (etwa 9 % der Einkommensteuer) ausgeglichen werden.
Im Dekanat Montzen war die Einführung der Kirchensteuer eine sehr
unpopuläre Maßnahme. In Eupen-Malmedy, wo man diese Steuer in der
deutschen Zeit gekannt hatte, wurde sie mehr oder weniger freiwillig
bezahlt. In den kleinen Pfarreien des Dekanates Montzen haben die
Pfarrer diese Kirchensteuer sehr diskret eingeführt. Welkenraedt und
Kelmis haben die Kirchensteuer durch Kollekten ersetzt, die vollkommen
die notwendigen Ausgaben deckten. Außerdem stiegen die Einnahmen
der gewöhnlichen Kollekten sehr stark an, sodass sie ausreichten, um
die großen aus den Reparaturen an Kirche und Patronage entstandenen
Schulden zu tilgen.
Die Feuerversicherung musste bei einer deutschen Gesellschaft
abgeschlossen werden, deren Agent Herr Charles Gehlen-Döme war.
Dieser Vertrag wurde nach dem Kriege wieder aufgelöst.
Die Gottesdienste wurden nicht behelligt, aber unsere Predigten
wurden überwacht. Als Beweis dafür habe ich den 4. August 1941, wo
ich von der Gestapo nach Eupen bestellt wurde, um mich zu einer 14
Tage zurück liegenden Predigt zu äußern. Es handelte sich um eine
Predigt über den hl. Paulus, den ein in der Pfarre verbreitetes Pamphlet
als Juden dargestellt hatte, der das Judentum in Europa eingeführt habe.
Da ich dem Gestapo-Chef gegenüber bedauerte, dieses Pamphlet
(Broschüre) nicht zu besitzen und meine Predigt dadurch rekonstruieren
zu können, sagte er mir, das sei nicht nötig, er sei nämlich im Besitz von
zwei Exemplaren meiner Predigt, die in zwei Messen mitstenographiert
worden seien. Man machte mir den Vorwurf, da die Broschüre durch die
Hitlerjugend verteilt worden war, Letztere von der Kanzel herunter
angreifen zu wollen! Das war jedoch nicht nachweisbar und so blieb die
Angelegenheit ohne Folgen.
Prozessionen waren nur noch auf dem Gelände der Kirche erlaubt,
was praktisch einem Verbot gleichkam. Die Franziskaner in Moresnet
konnten auf ihrem großen Kreuzweggelände Prozessionen veranstalten.
68
Es war gewissermaßen ein Ersatz für die Pfarrprozession vom 15. August,
dass wir am 15. August 1942 die Weihe der Pfarre an die heilige Jung-
frau vornahmen. Im Vorjahre hatte schon die Weihe der Diözese und
zahlreicher Dekanate stattgefunden.
Vikar Hendriks bereitete die Kinder auf den eucharistischen Kreuzzug
vor und die Kongregationen und wir hatten ein sehr gelungenes Fest:
am 15. August für die Kinder und am nächsten Tag für die Erwachsenen.
Um 15 Uhr Weihe der Pfarre mit Sprechchören und Predigt von Pater
Bentivolius (ein Franziskaner aus dem Kloster Moresnet); um 17 Uhr
lud Glockengeläute zur Weihe der Familien ein.
Die Erinnerung an diese Zeremonie gepaart mit dem Dank für den
Schutz der hl. Jungfrau besonders gegen Ende des Krieges, wird
alljährlich durch die am Himmelfahrtstag wiederholte Weihe
wachgehalten.
Die Schule ist wahrscheinlich die Einrichtung, die am meisten unter
der Annexion gelitten hat. Schon im Juni 1940 teilte mir der neue
Bürgermeister Kriescher mit, dass die Geistlichen von nun an keinen
Zugang mehr zu den Schulen hätten. Dieselbe Maßnahme traf die
Schwestern von Notre-Dame aus Namür. Diese Schwestern, die sich
mehr als 80 Jahre lang und häufig unter schwierigsten Bedingungen für
die Kelmiser Jugend aufgeopfert haben, werden einfach an die Tür
gesetzt. Diese Maßnahme ist umso abscheulicher, wenn man bedenkt,
dass nur noch zwei Wochen bis zum Ende des Schuljahres verblieben
und der Bürgermeister wusste, dass die Schwestern die Absicht hatten,
die Pfarre zu verlassen, da ihnen die Schüler(innen) fehlten. Und, was
noch schlimmer war: Derselbe Bürgermeister, der weiterhin seinen
religiösen Verpflichtungen nachkam, gab den Befehl, die Kreuze aus
den Schullokalen zu entfernen, und es fanden sich zwei Verräter, diesen
Befehl auszuführen.
Das belgische Lehrpersonal, das den Treueid auf Hitler nicht schwören
wollte, hat sich nach Belgien zurückgezogen und ist nach dem Kriege
vollzählig zurückgekommen. Nur drei Lehrer passten sich dem neuen
Regime an. Sie mussten einer Schulung (Umschulung) in Deutschland
folgen, um die Kinder nach den Nazi-Methoden unterrichten zu dürfen.
Die übrigen Lehrkräfte wurden durch Deutsche ersetzt; einige davon
waren nicht antireligiös eingestellt, aber die Lehrerin, die den
Religionsunterricht gab, war eine hitlertreue Protestantin («une protes-
tante hitl&rienne»). Man kann sich leicht vorstellen, welche religiöse
Unterrichtung sie zu geben imstande war!
69
Wir waren gezwungen, Religionsunterricht in der Kirche oder im
Pfarrsaal (Patronage) zu erteilen, und zwar nachmittags, und besagte
Lehrerin fand Mittel und Wege, uns zu behindern, indem sie zusätzliche
Unterrichtsstunden zu den von uns für den Religionsunterricht
vorgesehenen Stunden festlegte. Die Kinder erhalten vor allem
Turnunterricht und Staatsbürgerkunde. Wieviele Eltern haben sich nicht
bei mir über die Resultate dieses Unterrichtes beklagt!
Um die Erinnerung an die Schwestern auszulöschen, ließ der
Bürgermeister die Inschrift «Ecole Saint Louis 1857» im Ziergiebel der
Vorderfront wegmeißeln. Das Haus dient fortan der Hitlerjugend und
den Parteiformationen.
Was die «Patronage» angeht, so war sie für die Deutschen erst ein
Objekt der Begierde, dann der Verfolgungen. Gleich zu Beginn wollten
sich Mitglieder der Hitlerjugend dort einquartieren. Sie behaupteten,
der Bürgermeister habe ihnen dazu die Erlaubnis erteilt. Ein Absatz in
der Stiftungsurkunde des Grundstücks hat uns vor dieser Invasion
bewahrt. Dieser Absatz besagt nämlich, dass die Patronage an die
Stifterfamilie (Schoenauen) zurückfällt, wenn sie eines Tages von ihrem
christlichen Erziehungsauftrag abgelenkt würde. Ich hielt Kriescher
diesen Paragraphen vor und er musste zugeben, dass er die Patronage —
eine Privatstiftung- nicht belegen durfte.
Im Gegenzug zeigte sich Kriescher den Jugendorganisationen
gegenüber sehr feindselig eingestellt, besonders gegenüber der
christlichen Arbeiterjugend (JOC). Junge Leute, die sehr lockere
Bindungen zur JOC hatten, sich aber in der Nähe der Patronage trafen
und gelegentlich dort im Hof spielten, wurden anti-hitler’scher Umtriebe
verdächtigt, u. a. sollten sie die Häuser einiger Hitler-Anhänger
beschmiert haben. Einige dieser Jungen wurden verhaftet und gequält.
Mangels Beweisen ließ man sie schließlich wieder frei. Wir wissen, dass
die Besatzer die Vikare wegen deren Jugendarbeit mit ihrem Hass
verfolgten. Da wir die Jugendorganisationen nicht weiter aufrecht
erhalten konnten, nahmen die Versammlungen den Charakter von
religiösen und moralischen Bildungsveranstaltungen an.
Die Bibliothek konnte die Ausgabe von Büchern nicht weiterführen.
Eines Tages erschienen Angestellte der Gestapo in der Patronage, um
die Bibliothek zu überprüfen. Da wir den Katalog nicht sofort finden
konnten, begnügten sie sich damit, die französischen Bücher und die
70
englischen Übersetzungen zu verwerfen, desgleichen die Werke, von
denen sie behaupteten, sie seien jüdischen Ursprungs oder «nicht sauber
genug».
Statt all ihre Bedingungen zu akzeptieren, haben wir es vorgezogen,
die Bibliothek zu schließen.
Die Gesellschaft ohne Erwerbszweck, die Eigentümerin der Patro-
nage war, sollte in eine ähnliche Gesellschaft deutschen Rechts
umgeändert werden. Dr. Lohmans, juristischer Berater des Aachener
Bistums, riet mir, die Gesellschaftsmitglieder Simons, Wenders und
Darcis zu bitten, ihre Mitgliedschaft zu kündigen. Da sie in Belgien
wohnten, bestand die Gefahr, dass ihre Anteile an der Gesellschaft eines
Tages konfisziert würden (das Guthaben der Bibliothek, 400 F, die beim
Postscheckamt in Brüssel ruhten, wurde beschlagnahmt). Herr Lohmans
schaffte es, die Bildung einer neuen Gesellschaft von Jahr zu Jahr
hinauszuschieben. So arbeitete unsere Gesellschaft also weiter. Die hier
oben angesprochene Demission wurde nie registriert, so dass diese
Konfratres vor dem belgischen Gesetz Mitglieder der Gesellschaft
blieben.
In all diese Bemühungen fiel wie ein Blitz unsere Verhaftung. Es war
der 28. September 1942; ich kam zurück aus der Patronage, wo ich
Katechismusunterricht erteilt hatte. In der Nähe der Kirche stoße ich
auf mehrere Gestapomänner, die mir die Verhaftung meiner beiden
Kapläne mitteilen. Auf meine Frage nach dem Warum antworteten sie:
«Das wissen Sie wohl besser als wir. Sie haben sich in Dinge
eingemischt, die sie nichts angehen.»
Erst am nächsten Tage, als ich selber nach Aachen gebracht wurde,
erfuhr ich, dass man uns anklagte, wir hätten flüchtigen alliierten
Kriegsgefangenen geholfen. Der Gestapo-Chef bemühte sich mir
klarzumachen, dass das, was wir als einen Akt der Nächstenliebe
betrachteten, den ein Prieser nicht verweigern kann, in Wirklichkeit ein
schlimmes Vergehen gegen die Staatssicherheit war: Dieses Vergehen
war umso schlimmer, als es von Menschen begangen wurde, die vom
deutschen Staat besoldet wurden, und zwar erheblich besser, als der
belgische Staat dies tat.
Als ich ihm entgegnete, nicht der Staat, sondern die Pfarre bezahle
uns, fand er, wir hätten es doch vorgezogen, in Deutschland zu bleiben,
anders als unsere Konfratres in Eupen-Malmedy.
Es war mir vorher noch nie in den Sinn gekommen, dass wir uns
nicht in früherem deutschem Gebiet, sondern in Altbelgien befanden.
A
Schlussendlich wurde uns eröffnet, der Fall werde in Berlin vor den
Volksgerichtshof kommen. Dort gehe man nicht zimperlich mit Verrätern
um und wir könnten uns auf die schwersten Strafen gefasst machen.
Wir hatten es nur unserem Rechtsanwalt Herrn Knops aus Eupen zu
verdanken, der sich persönlich nach Berlin begeben hatte, dass unser
Fall in Aachen verhandelt wurde. Nach 3monatiger Vorbeugehaft
erschienen wir am 29. Dezember vor Gericht, um den Urteilsspruch zu
hören: Zwei Jahre Zuchthaus für Vikar Xhonneux, 7 Monate für Herrn
Hendriks und 4 Monate Gefängnis für mich.
Nach diesen 4 Monaten erhob die Gestapo Einspruch gegen meine
Entlassung, später habe ich gehört, man habe mich nach Dachau (KZ)
schicken wollen. Auf Drängen meines Rechtsanwaltes und des Bistums
Aachen und angesichts meines schlechten Gesundheitszustandes wurde
ich frei gelassen unter der Bedingung, dass ich als Pfarrer zurücktreten
und binnen 5 Tagen nach Belgien zurückgehen würde.
Nach drei Tagen kam von der Gestapo der Gegenbefehl, ich hätte in
Kelmis zu bleiben und mich zu ihrer Verfügung zu halten, ohne
priesterliche Tätigkeiten auszuüben. Zwischenzeitlich wurden meine
Konfratres Hendriks und Xhonneux ins Gefängnis nach Wittlich bzw.
ins Zuchthaus von Butzbach gebracht.
Am 20. April wurde ich nach Aachen bestellt, wo man mir eröffnete,
ich dürfe nicht in Kelmis bleiben, auch nicht nach Belgien verziehen.
Bis zum 30. April müsse ich in Deutschland eine Unterkunft finden. Es
durfte dies aber nicht im Rheinland, nicht in Westfalen und nicht in
Süddeutschland sein. Zudem hätte ich eine Kaution von 2000 Mark zu
hinterlegen, die mir am 1. Mai 1946, wenn man mir in der Zwischenzeit
nichts vorzuwerfen habe, zurückgezahlt würde.
Mit Hilfe von Pater Thaddäus Soiron aus Moresnet (Franziskaner)
fand ich Unterkunft bei den Franziskanern in Mühlen (Oldenburg), wo
ich wirklich sehr brüderlich aufgenommen wurde.
Die idyllische Ruhe des Klosters wurde jedoch bald durch einen Brief
meines Rechtsanwaltes gestört, der mir mitteilte, dass das oberste
Reichsgericht in Leipzig den Aachener Urteilsspruch aufgehoben hatte,
weil die Strafe (angeblich) nicht der Schwere des Vergehens entsprach.
Folglich mussten meine zwei Konfratres nach Aachen zurück in
Untersuchungshaft. Nach zweimaliger Verschiebung fand die Verhand-
lung am 14. September (1943) statt. Die Strafe für Herrn Xhonneux
wurde auf 4 Jahre angehoben, die von Herrn Hendriks auf 18 Monate,
während das Exil und die Geldstrafe für mich genügend erschienen. Herr
72
Xhonneux kehrte nach Butzbach zurück, Herr Hendriks nach Wittlich,
bis zu seiner Deportation ins KZ Dachau. Ich ging nach Neuenkirchen,
wo mir der Offizial von Vechta eine Stelle als Seelsorger in einem Damen-
Sanatorium besorgt hatte.
Unser plötzlicher Weggang führte in der Pfarre zu einer ziemlich
großen Verwirrung. Doch Herr Abbe Flas setzte sich mit viel Hingabe
und Mut ein, bis seine Vorgesetzten mit Rücksicht auf seine Gesundheit
den Spiritanerpater Schmetz (Gentinnes) als Verwalter einsetzten. Dieser
war aus Belgien zurückgekommen, um mit seiner Familie in Gemmenich
in Kontakt zu bleiben. Auf Drängen des Pfarrers von Membach, der für
seinen Vikar eine Seelsorgestelle wünschte, wo dieser mehr
Gelegenheiten hätte, seine Fähigkeiten einzusetzen, ernannte Herr ’
Dechant Ferbeck den Herrn J. Brouwers als Vikar für Kelmis. Diese
Ernennung wurde vom Bischof von Aachen, den der Bischof von Lüttich
zum Generalvikar für das Gebiet ernannt hatte, bestätigt. Herr Brouwers
begann seinen Dienst kurz vor meiner Abreise. Da er aber seinerseits
Probleme mit der Gestapo bekam, zog er es vor, die belgische Grenze
zwischen sich und der Gestapo zu haben...
In der Zwischenzeit mühten sich die Pfarrer der Nachbarpfarren, d. h.
Bleyberg, Moresnet und Homburg (Letzterer als diensttuender Dechant)
sowie Pater Bentivolius vom Kloster Moresnet soviel wie möglich Dienst
in Kelmis zu tun.
Der Bischof von Aachen regelte die Situation Ende 43 durch die
Ernennung des Spiritaner-Paters Pleuss (aus der Niederlassung Broich)
zum Pfarrverwalter von Kelmis, während Herr Schmetz als Rektor nach
Bracht (b. Reuland) versetzt wurde. Wenig später sandte der Bischof
einen zweiten Spiritaner-Pater, Herrn Schmitt, zur Aushilfe nach Kelmis.
Die beiden Geistlichen leisteten Großes, um den religiösen Geist in
der Pfarre wach zu halten, durch die sorgfältige Gestaltung der
Gottesdienste, den Besuch der Kranken und die Belehrung der Kinder.
Pater Pleuss zeichnete sich auch dadurch aus, dass er mit großem
Erfolg die finanzielle Situation der Pfarre in Ordnung brachte. Als der
Bürgermeister beim Nahen der alliierten Truppen den Befehl zur
Räumung des Ortes und zum Rückzug ins Innere Deutschlands gab,
erklärte Pater Pleuss, er wolle bei denen bleiben, die es vorzögen, der
Gefahr ins Auge zu sehen. Die Bevölkerung wusste diese Haltung des
Paters zu schätzen.
Als wir zurückkamen, waren alle voll des Lobes für die Patres und
jeden Tag hörte ich, dass man mir sagte: «Versuchen Sie, die Patres zu
73
halten.» Pater Schmitt, der nur für die Dauer unserer Abwesenheit
ernannt worden war, verließ die Pfarre mit den nach 1940 gekommenen
Deutschen. Im August 1945 fragte mich Generalvikar Simenon, ob Pa-
ter Pleuss bereit sei, eine Stelle in der Diözese anzunehmen. Die
Umstände brachten es mit sich, dass er zum Vikar in Kelmis ernannt
wurde. Dieses Amt konnte er jedoch nur bis zum 2. September 1946
ausüben. Es erging ihm dann wie Joseph in Ägypten. Als diejenigen an
die Macht kamen, die nicht wussten, welche Dienste er in den mageren
Jahren geleistet hatte, musste er das Land verlassen.
Der Vollständigkeit halber müsste man noch die grandiosen
Feierlichkeiten anlässlich unserer Rückkehr im Mai und im Juni 1945
erwähnen: Fackelzüge durch den Ort, Versammlungen und Reden in
der Patronage... Man müsste die feierliche Kommunion erwähnen, die
man auf den letzten Sonntag im Juli hinausgeschoben hatte, um den
amtlichen Pfarrseelsorgern diese Ehre zu lassen; dann den Empfang des
Bischofs, am Abend des 9. August, bei strömendem Regen an der
Göhlbrücke.
Der bischöfliche Besuch war für Juni 1940 vorgesehen gewesen, hatte
aber durch die Kriegsereignisse nicht stattfinden können.
Während der Annexionszeit konnte Seine Exzellenz keinen
Passierschein bekommen und die Geistlichen wünschten keinen
offiziellen Besuch des Bischofs von Aachen. So kamen zur Firmung am
10. August 1945 die Kinder von sechs Geburtsjahrgängen, es waren allein
für Kelmis mehr als 600.
Begleitet wurde Se Exzellenz an diesem Tage im Dekanat Montzen
durch den aus Montzen stammenden Kanonikus Keufgens, der auch die
Predigt hielt.
Am 26. August 1945 wurde auf unserem Ehrenfriedhof der Gendarm
Guillaume Hock&e beigesetzt, der am 28.12.1941 in der Zitadelle von
Lüttich unter den Kugeln des Erschießungskommandos gefallen war.
Der Tote war vorläufig in Stembert beigesetzt worden. Am 24. August
1945 hatte man ihn nach Kelmis gebracht; zum Hochamt brachte man
am Sonntag (26. August) die sterblichen Reste in die Kirche, wo die
Messe unter außergewöhnlich großer Beteiligung der Gläubigen gefeiert
wurde.
Diese Beerdigung war meine letzte Amtshandlung in Kelmis, denn
am 28. August 1945 zeigte mir Gott, dass es Zeit war, meinen Platz frei
zu machen für jüngere Kräfte, die die Fähigkeiten hatten, die Pfarre
unter so schwierigen Umständen zu leiten.
74
Zum Willkommensgruß für den
Kronprinzen
von Albert Creutz
Das Korrespondenzblatt des Kreises Eupen vom 4. Juli 1885 brachte
einen Willkommensgruß in Form einer Ode «Seiner Kaiserlichen und
Königlichen Hoheit dem Kronprinzen des Deutschen Reiches
ehrerbietigst gewidmet von Dr. C.»
In dieser Zeitschrift Nr. 82 (S. 96-102) wurde dazu die Frage gestellt:
Wer war der Verfasser? f
Die Antwort können wir in überzeugender Form liefern.
Genealogische Forschungen führten uns zurück zu Nicolas Deodat
Creutz (geb. Aubel 11.10.1730, gest. Raeren, + 11.10.1811), der als
Stammvater aller Träger des Namens Creutz in Raeren anzusehen ist.
Besagter Nicolas Deodat Creutz heiratete in Raeren in erster Ehe Anna
Catharina Havenith, die ihm 7 Kinder schenkte. Nach dem Tod seiner
Frau heiratete er in zweiter Ehe Johanna Maria Crott. Die Familie
vergrößerte sich um weitere 11 Kinder!
Aus der Linie des neunten Kindes stammte der am 11.8.1834 in Raeren
geborene Kreisarzt Dr. Carl Joseph Creutz, dessen Grabstätte sich noch
auf dem Friedhof in Raeren befindet.
Sein Tod, am 16. Mai 1906, bot der «Eupener Bürgerzeitung» vom
24. Mai 1906 den Anlass zu einer ausführlichen Würdigung dieses Man-
nes. Die Zeitung schreibt: «...Er besuchte das Gymnasium zu Aachen
und widmete sich dem Studium der Medizin auf den Universitäten Prag,
Würzburg, Berlin und Bonn.
Seine erste ärztliche Tätigkeit entfaltete er in Preußisch-Moresnet als
Arzt der Societ€ de la Vieille Montagne. Sie wurde unterbrochen durch
die Mobilmachung des Jahres 1859.
Im Jahre 1863 siedelte er als Kreisphysikus nach Montjoie über und
blieb in diesem Amte bis 1872.
Während dieser Zeit machte er die beiden Feldzüge 1866 und 1870/
71 als Stabsarzt mit. Er erwarb sich das Eiserne Kreuz und das Militär-
Verdienstkreuz.
!_ Zur Familie Creutz s. Albert Creutz, Gedenksteine und Wegekreuze im Grenzraum
des oberen Göhltales, Helios Vlg. 2005, S. 147-150 sowie ders. Gedenksteine und
Wegekreuze im Grenzraum des Göhltales, Kelmis, 2000, S. 242-251.
76
AS
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: Ans 4
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Dr. Carl Joseph Creutz, Träger nationaler Auszeichnungen,
*Raeren, 11.8.1834, + Godesberg, 16.5.1906
Seine Übersetzung der besten Stellen der Bibel in deutsche Verse liegt
leider nur im Manuskripte vor.
Mit ganz besonderem Fleiße unterrichtete er seine drei Söhne selbst
und prägte sie nach seinem Typus zu Pflegern der Wissenschaft mit
Erfolg.
Daß ein Mann, von höchstem sittlichem Ernste erfüllt und frei von
Leidenschaften, ein unvergleichlich liebevoller Gatte und Vater war, ist
erklärlich aus seinem edlen, feinen Charakter.
Er wurde Oberstabsarzt 1. Klasse und Ritter des Roten Adlerordens.
Im vorigen Jahre zwangen ihn die Beschwerden des Alters, seiner
aufreibenden Tätigkeit zu entsagen und in Godesberg Ruhe zu suchen.
Er fand sie leider nur zu früh; still und friedlich, wie gelebt, starb er
ohne Todeskampf an seinem Schreibtische sitzend. Seine Gattin fand
ihn dort vor, nachdem der Tod bereits eingetreten war, auf den er sich
durch den Empfang der österlichen Kommunion gleichsam vorbereitet
hatte.
Sein Andenken bleibt in Ehren bei allen, die Gelegenheit hatten, seinen
schönen abgeklärten Geist zu erkennen, bei allen, die seinem klugen
ärztlichen Rate lauschten.
Sein letzter Wunsch, seine Ruhestätte zu finden neben seinen Eltern
und Geschwistern in Raeren, ist am Montag Morgen (21. Mai) in
77
Erfüllung gegangen. Ernst und feierlich bewegte sich der Leichenzug,
dem sich auch eine größere Anzahl Eupener Freunde und Bekannte
angeschlossen, vom Raerener Bahnhof zum dortigen Friedhof, wo die
Leiche rechts vom Eingange beigesetzt wurde. Ein feierliches Seelenamt
in der Raerener Pfarrkirche brachte die Trauerfeierlichkeiten zum
Abschluß.»
Ein «Lorbeerzweig» betiteltes Gedicht aus der Feder von «B. Z.» und
«gelegt auf das Grab des Herrn Sanitätsrath Dr. Carl Joseph Creutz aus
Dankbarkeit» enthält u. a. folgende Verse:
Besonnen klug warst Du in schwerem Amte,
Voll Eifer stets und Dich Deiner Pflicht bewußt;
Als treuer Freund Dein Herz für All’ entflammte,
Zu heilen sie dann Deine größte Lust.
Und wenn die Ruhe kaum es noch erlaubte,
Galt Deine Zeit der Mühe edler Art;
Ja manche Dichtung reif auf’s neu belaubte
Dem Frühling gleich, die Seele wonnig zart.
Dem aufmerksamen Leser wird nicht entgangen sein, dass Dr. Creutz
seine ärztliche Karriere als Knappschaftsarzt der Altenberger
Bergwerksgesellschaft der Vieille-Montagne begonnen hat. Da er 1834
geboren war und 1859 seine Arbeit bei der VM anlässlich der
Mobilmachung unterbrechen musste, kann er seine Tätigkeit in
Preußisch- und Neutral-Moresnet wohl nicht vor 1858 begonnen haben.
Wir wissen, dass Dr. Wilhelm Molly (1838-1919) im Jahre 1863 nach
Preußisch-Moresnet kam und als Betriebsarzt bei der Vieille-Montagne
eingestellt wurde. Bisher kannte man keinen Vorgänger Mollys in dieser
Funktion.
Die Ankunft von Molly deckt sich also mit dem Weggang von Dr.
Creutz.
Dieser war durch königliche Entscheidung vom 4. Juni 1859 zum
Assistenz-Arzt des 8. Artillerie-Regiments ernannt worden.
In Anerkennung seiner pflichttreuen Teilnahme an dem Feldzuge des
Jahres 1866 erhielt Dr. Creutz als Stabsarzt des 2. schweren Feld-
Lazaretts des 8. Armee Corps das Erinnerungskreuz für Nicht-
Combattanten.
78
A306
n Mn 0,
CEDS
Am'16; Mai verschied zu Godesberg unser
Heberunyergesslicher Gatte und Väter
Hört Dr. Carl Jos. Creutz,
Königl-Kreis:Physikus a. D. Sauitätsrat,
“57; Oberstabsarzt I. Klasse a. D.,
Ritter des eisarnen Kreuzss IL Kl., des Paten
* . Adierordens IV. Kl., p. D-
Tiefbetrauert von den Seinen. ‘
Im Namen der Hinterbliebenen :
Dr. Rudolf Crentz. ___
‘Die Beerdigung findet statt vom Bahn-
hofe Raeren aus am Montag, den 21. Mai,
vormittags 9 Uhr. Gleich darauf das See-
lenamt in der Pfarrkirche zu Raeren.
Die Todesanzeige erschien in der «Eupener Bürgerzeitung» vom 19.5.1906
Als Stabsarzt des 2. Bataillons des 1. Rheinischen Landwehr-
Regiments Nr. 25 machte Dr. Creutz die Feldzüge von 1866 und 1870/
71 mit. Der König dankte es ihm am 20. Juli 1872 mit der Ernennung
zum Ober-Stabs-Arzt, und dies «wegen seiner guten Eigenschaften und
erlangten militärärztlichen Kenntnisse». Man erwartete von dem Arzt,
dass er «Seiner Königlichen Majestät und Dero Königlichem hohen
Hause ferner getreu, hold und gehorsam sein, Dero Nutzen und Bestes
überall suchen und befördern, Schaden und Nachteil aber verhüten und
abwenden werde». Was ihm von seinen Vorgesetzten aufgetragen und
anbefohlen wird, solle er «bei Tag und bei Nacht, zu Wasser und zu
Lande, mit Fleiß und Application ausführen, auch bei allen
vorkommenden Kriegs-Begebenheiten mit williger und ungescheuter
Darsetzung seines Leibes und Lebens sich ferner dergestalt verhalten
und bezeigen, wie einem getreuen Diener und rechtschaffenen Militär-
Arzte eignet und gebührt.»
Am 13.8.1882 erteilte «Wilhelm, von Gottes Gnaden König von
Preußen etc» dem Kreis-Physikus Dr. med. Carl Josef Creutz zu Eupen
«den Charakter als Sanitäts-Rath».
79
Et Blüske
Jakob Langohr*
Se wolle mä jät spazeere jue,
du blääf hät vör e Jeschäffke stue.
«Komm met mech vör dä Owwebleck»,
saat Like, «vör sönt janz flott tröck.
Lott ver ens flott erä hej jue,
ech han neks mihe a te due.
Ech kick ens flott hej no e Blüske.»
«Ouwie», daat Pitt, dä kannt si Liske.
Et kräch sech en lila, än wie et die hau,
do soch et hengedrä en Vau.
«Nee, wenn ech die höj, da wüer ech blamiet,
jät mech mä eng, die jät kariet.
Off mings de, Pitt, en liete blo?
Ech jlööf, die stöng mech och neet schroo.»
Än wie et sech woll en pinke krijje,
käek Pitt at wöst no alle Sijje.
Du vrott et: «Hat der neet en jestrippde,
Off vieleich en schmal jereppde?»
«Nee, do kann ech neet drä sette,
wett der wat, jett mech en wette!»
Mä op eemool voll em ä,
Do hat me janz flott Vlecke drä.
«En wette», sätt et, «es flott vies,
ech krij mech bäeter doch en jris.
Off hat der eng met jät jääl derbenne?
Die paasde da op ming sess nöj Hemme.»
Noch ömmer neet de rechteje vonde,
Du sätt et: «Hat der och jät met Ponkte?»
Pitt wor esö langsam stiif va Wut
Än daat: «Wüer ech mä hej erut.
Da wellt et brun än da oliv,
dat magd mech väedech hüh dat Wiiv!»
* 08.11.1921 + 02.06.2009
80
«Pitt, now kick ens, deet die sette,
off mings de hej, die violette?
Sow ech ens hej die jrön adue,
Mings de wall, die köss mech stue?»
Pitt e sing Wut saat: «Now hüer bo op
Än treck dech e-ne Zuckersack övver e-ne Kopp!»
Dat wor te vööl, Pitt vool kolesch met blo Leppe.
«E-ne Stool», böckt enge, «dä mot sech sette.»
Liske vrodde: «Hat Pitt e-ne Fimmel?»
Et soch em at hoof ewäcks e-ne Hemmel.
Et jrään, hau Owwe janze natte, {|
du sätt et: «Da jä mech at mä en schwatte!»
In Memoriam Jakob Langohr
Seit 1992 gehörte Jakob Langohr zum festen Stamm der Mitarbeiter
an dieser Zeitschrift und seine plattdeutschen Verse wurden von allen
gerne gelesen. Am 2. Juni 2009 ist er von uns gegangen.
Er schrieb «et metste vör te laache
mä hej en do och änschte Saake».
Er schrieb über seine Heimat, das Göhltal, seine Muttersprache und
die «aue Tiit». Seine Gedichte ließen Kinder- und Jugendjahre wieder
aufleben. Auch als die Altersbeschwerden sich bemerkbar machten,
behielt er seinen manchmal tiefgründigen Humor und betete:
«Lott mech noch jät hoddele äan onde stellewäks noch jät knoddele»
und er versprach:
«Ech saar och janz bestemmt Bescheed
wenn et ens jareneet mihe jeet.
Da loot ech alles lever sihe
saar janz langsam stell: «Adie»,
bis Pitres sätt: Et woet och Tüt
ech han e Hückske vör dech reserviet.»
Die Göhltalvereinigung bleibt dem Verstorbenen in dankbarer
Erinnerung verbunden.
81
Der Mordfall Karthaus
von Alfred Bertha und Hermann-Josef Gatz
Wir schreiben das Jahr 1949. Zwar liegt das Ende des Zweiten
Weltkrieges nun schon einige Jahre zurück, doch von einer
Normalisierung der Verhältnisse, vor allem in den Grenzregionen, war
man noch weit entfernt.
Es war die Zeit der großen und kleinen Schmuggler, die mit Kaffee
und Zigaretten in kurzer Zeit das große Geld machen wollten und oft
bandenmäßig organisiert waren. Mit den Zöllnern lieferten sie sich
manchen Schlagabtausch und die Wirtshäuser in Grenznähe waren
beliebte Treffpunkte für den Kaffeeumschlag. Das Grünthal in
Hergenrath (Romans) war solch ein ideal gelegenes Kaffee. In Hauset,
wo der offizielle Grenzübergang noch nicht wiedereröffnet war, gingen
die Schmuggler gerne in Köpfchen über die Höckerlinie der
Panzersperren und die Bunker boten guten Unterschlupf. Auf einem
Bauernhof «bei der schmutzigen Mutter», konnte man in Hauset sich
mit Kaffee eindecken. Auch Eynatten-Lichtenbusch hatte einen im
Schmuggelgeschäft aktiv mitmischenden Wirten...
Der im Aachener Grenzland bestens bekannte Publizist Wolfgang
Trees (+ 2009) hat die «Arbeit» der gut organisierten Schmug-
glerkolonnen in «Kaffee, Krähenfüße und Kontrollen» (Zeitungsverlag
Aachen, 1974, 5. Auflage 1977) ausführlich beschrieben.
Das Grenz-Echo titelte einen Bericht von der Grenze am 17.9.1949
mit «Nie gekannter Schmuggelbetrieb im deutsch-belgischen
Grenzgebiet». Täglich seien es rund 2000 Schmuggler und 100 Zentner
Kaffee, die unerlaubt über die Grenze wechselten. Der Schmuggel habe
in den letzten Monaten ein «nie gekanntes Ausmaß» angenommen. Tage-
und nächtelang, so die Zeitung, trieben sich Schmuggler beiderlei
Geschlechts, darunter zahlreiche Jugendliche, in und besonders vor der
Sperrzone herum, um den geeigneten Augenblick für den unerlaubten
Grenzübertritt abzupassen. Sie lagerten in und vor dem Wald und
richteten enormen Feldschaden an. Wie festgestellt wurde, seien dabei
vornehmlich asoziale und arbeitsscheue Elemente beteiligt, die zum
größten Teile orts- und landfremd seien.
Die Zollgrenzbehörde besaß keine gesetzliche Handhabe, die Leute
von der Sperrzone fernzuhalten; die Militärregierung versuchte Mitte
September 1949 durch eine Vergrößerung der Sperrzone den Zustrom
fremder Menschen einzudämmen.
82
Das Schmuggelwarenlager der Aachener Zollfahndung gleiche zur Zeit
einem kleinen Kaufhaus, schrieb die Zeitung. Die Bilanz eines einzigen
Monats ergab 15 Lastkraftwagen, 8 Personenwagen, 5 Motorräder, 8
Fahrräder, 4 Pferde, fast 2.700 kg Kaffee, 550 kg Schokolade, 112 kg
Tee, 1232 kg Fett, 40 Fotoapparate und 312 Flaschen Likör!
Neben dem Schmuggel machten den Grenz- und Polizeibeamten aber
auch die vielen Einbruchdiebstähle zu schaffen. Fast täglich berichtete
die Presse über solche Fälle, in die häufig nach dem Kriege
zurückgebliebene Fremdarbeiter aus Polen, der Ukraine etc. verwickelt
waren. Die entwurzelten Menschen waren oft durch die Umstände verroht
und auch zu Gewalttaten bereit. So entstand ein Klima der Unsicherheit,
in dem die Ordnungshüter sich überfordert fühlten. j
«Die in der Vorkriegszeit in der Chronik der Verbrechen fast
unbekannten Ostkantone», so schrieb der Grenz-Echo Chef-Redakteur
Henri Michel in einem seiner Wochenendartikel, «sind mehr und mehr
zu einem Eldorado übelster Gestalten geworden, und es ist mehr wie
Zeit, daß endlich einmal Maßnahmen getroffen werden, die geeignet
sind, diese lange Serie blutiger und unblutiger Gewalttaten abzustoppen
und der Bevölkerung das. beruhigende Gefühl der Sicherheit
zurückzugeben, das ihr vor dem Kriege eigen war und auf das sie mit
Recht Anspruch erheben darf.»
Hauset in den Schlagzeilen
«Es brennt beim Nachbarn». Durch diesen Ruf und Klopfen an der
Tür ihres Hauses auf Frepert wurde Nikolaus Luchte in der Nacht zum
24. August 1949 aus dem Schlaf gerissen. Unglücklicherweise konnte
der Mann wegen einer Strompanne kein Licht einschalten. Er nahm also
eine Taschenlampe und ging zur Haustür, um nachzusehen, wer da sei.
Wie groß war sein Schrecken, als er beim Öffnen der Tür vier mit
Revolvern bewaffneten Männern gegenüber stand! Sie forderten ihn auf,
sie ins Haus zu begleiten und mit vorgehaltener Waffe hielten sie Herrn
Luchte und dessen Frau in Schach. «Bei der geringsten Bewegung
schießen wir euch kaputt», so ihre Drohung.
Beim Durchstöbern des Hauses fielen den Ausgabeiten ein Geldbetrag
von mehreren Tausend Franken, eine Uhr sowie Wäsche und
Kleidungsstücke in die Hände.
Die Diebe verließen das Haus, indem sie davor warnten, Lärm zu
machen oder die Polizei zu alarmieren. Sie würden in der Nähe bleiben
und beim Versuch, die Gendarmerie zu benachrichtigen, sofort schießen.
83
So wurden die Ordnungshüter erst beim Morgengrauen alarmiert und
konnten dann mit den Nachforschungen beginnen. Die Überfallenen
konnten nur wenige Angaben zu den Tätern machen. Diese hatten
schwarze Handschuhe getragen und Deutsch mit fremdem Akzent —
vermutlich waren es Polen — gesprochen. Schon vor einigen Monaten
hatte sich in einem Nachbarhaus ein ähnlicher Einbruchsversuch ereignet,
wobei die Diebe jedoch durch die Bewohner verscheucht werden
konnten. Die Kriminalpolzei von Verviers traf ebenfalls in Hauset ein
und nahm eine Ortsbesichtigung vor. Dabei blieb es vorläufig.
Hauset lädt zur Kirmes
Die letzte Augustwoche 1949 war vielfach mit den Vorbereitungen
zur Ortskirmes angefüllt. Kirmesbälle waren in den Lokalen Peter
Kockartz (Kirchstraße 9), Heinrich Kockartz (Vestert) und Karl Gatz
(Zur Geul) angesagt. Die Rochus- und die Petrus-Schützen bereiteten
sich auf Preisvogelschießen vor. Der Fußball-Club 1948 Hauset lud
ebenfalls zum Kirmesball bei Heinrich Kockartz... So war das
Wochenende des 28. bis 30. August 1949 zum fröhlichen Feiern
vorprogrammiert.
Eine feuchtwarme Treibhausluft herrschte am Kirmessonntag und trieb
den Menschen den Schweiß aus den Poren. Der Ausflüglerverkehr war
ungewöhnlich stark, doch da der Grenzübergang Köpfchen noch nicht
wieder eröffnet war und der Personenverkehr somit weiterhin über
Bildchen laufen musste, lag Hauset etwas abseits vom Verkehrsstrom
und die Kirmes wurde zu einem Fest, wo die Dorfbevölkerung unter
sich war.
An der Grenze auf Köpfchen war vom Kirmestrubel nicht so viel zu
spüren. Im Wirtshaus der Frau Anni Karthaus geb. Schaekow waren am
Kirmessonntag ein paar Stammgäste ein- und ausgegangen. Frau
Karthaus, eine 51jährige Witwe, die ihren Mann Franz Karthaus im KZ
Groß-Rosen in Niederschlesien verloren hatte, galt als «gute, durchaus
ehrenwerte Frau». Natürlich gingen bei ihr auch schon mal lichtscheue
Gestalten ein und aus und an der Theke wurde so manches gesagt, was
nicht für die Ohren der Grenzschützer gedacht war.
An jenem Kirmessonntag Abend hatte Frau Karthaus, nachdem der
letzte Gast das Lokal verlassen hatte, das Licht gelöscht und sich schlafen
gelegt.
Während dessen lagen in der Nähe hinter einer Hecke 6 Männer und
warteten auf den günstigen Augenblick für einen geplanten Raubzug.
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HAUSET »Restaurant zur Geul«__ Kirmes 1949
SEE m se "7 | Gamütlicher Familienball Königs-Ball
Grosser Kirmes-Festball = Yanon MM ung nd AD: Bikch inl A N
En A Te AP
Achtung!‘ Ayf zur Hauseter Kirmes "chung!
am 28., 29. u. 30. Aug. im Restaurant P. Kockartz, Hauset, Kirchstr. Tel. Amt Hergenrath 64
SONNTAG, abends 7.30 Uhr: MONTAG, abends 8 Uhr DIENSTAG, abends 8 Uhr:
| Großer Kirmes-Festball | Großer Familien-Ball | Kirmes-Schluß-Ball |
TC
Hauset lädt;zur Kirmes
Sie waren am Sonntag Abend über die Grenze gekommen in der Absicht,
in einen Bauernhof in der Nähe einzubrechen. Im Wald, in der Nähe des
Wirtshauses, hatten sie bis gegen Mitternacht gewartet bzw. geschlafen,
um sich dann zu dem ins Visier genommenen Anwesen zu begeben, das
sie aber in der Dunkelheit nicht mehr finden konnten.
Daraufhin beschlossen die Männer, der Frau Karthaus einen Besuch
abzustatten. Sie warteten, bis die Wirtin das Licht gelöscht hatte, und
was sich dann zutrug, konnte bei einem späteren Ortstermin wie folgt
nachgestellt werden:
Frau Karthaus beherbergte in jenen Tagen einen jüngeren Verwandten
aus Bonn, Jakob Bastgen, der seiner in Eupen wohnenden Braut näher
sein wollte.
Er sei, so die erste Aussage Bastgens, in der Nacht durch einen Schrei
aus dem Schlafe geweckt worden und sofort nach unten gelaufen, wo er
Frau Karthaus mit einer Schusswunde sterbend gefunden habe. Er habe
die Täter nicht gesehen.
Schon am nächsten Tage gab Bastgen eine ganz andere Version der
nächtlichen Vorfälle. Er sei in seinem Schlafzimmer (dieses lag neben
dem Schankraum) von Ausgabeiten überrascht worden. Diese hätten ihn
mit der Waffe bedroht und gezwungen, die Decke über den Kopf zu
ziehen und sich ruhig zu verhalten, sonst würde man ihn «über den
Haufen schießen».
Es hieß auch, Bastgen sei der Wirtin zu Hilfe geeilt und man habe
auch auf ihn geschossen. Das Geschoss habe aber den Lauf nicht
85
verlassen. Am Tatort wurde jedoch weder ein zweites Geschoss noch
eine zweite Patronenhülse entdeckt.
So widersprüchliche Aussagen erleichterten nicht gerade die Arbeit
der Polizei, die früh am Morgen des Kirmesmontags zur Grenze auf
Köpfchen gerufen worden war, wo Frau Karthaus Opfer eines Überfalls
geworden war.
Deutsche Polizeibeamte, die mit einem Spürhunde sich an der Suche
nach dem oder den Mördern beteiligte, konnten einer Spur bis in die
Nähe von Linzenshäuschen folgen, woraus man schließen konnte, dass
die Täter von jenseits der Grenze gekommen waren.
«Jupp» half weiter
Der Eynattener Gendarmeriekommandant, der als einer der ersten am
frühen Morgen nach dem Mord am Tatort erschien, hatte von den
Nachbarn den Namen «Jupp» nennen gehört. Mit dieser Information
begab er sich mit Vertretern der Vervierser Kripo nach Aachen, wo schnell
eine Verbindung zwischen «Jupp» und einem gewissen Josef Klaar
hergestellt wurde. Dessen Verhaftung führte auf die Spuren eines weiteren
Tatverdächtigen mit Namen «E.» Klaar und «E» führten die ermittelnden
Beamten auf die Spur von vier weiteren Männern, zwei Polen und zwei
polnischstämmigen Ukrainern.
Klaar war in Hauset nicht ganz unbekannt, jedoch traute man ihm
keinen Mord zu. Die Polen gehörten zu denjenigen Schmugglerkrei-
sen, die als gewalttätig und gefährlich eingeschätzt wurden.
Auch über das Opfer bekam man allmählich ein etwas nuancierteres
Persönlichkeitsbild. Sie war nicht nur eine ehrbare Frau, sondern stand,
«wie so viele andere an der Grenze, den Schmugglern gar nicht ferne»
(Grenz-Echo). Die Zöllner waren in der Vergangenheit auch schon mal
bei Frau Karthaus fündig geworden und hatten einen Kino-Apparat und
rd. 600 Mark beschlagnahmt.
Auffallend war, dass außer einer größeren Summe Geldes in belgischen
Franken (12.000 F, die unter einer Hausapotheke versteckt lagen) kein
Geld, vor allem kein deutsches Geld, gefunden wurde. Jedes Wirtshaus
im Grenzland erhielt jedoch Besuch von jenseits der Grenze und Frau
Karthaus musste also auch über DM verfügt haben.
Unter den verhafteten Polen war einer, der öfters schon bei Frau
Karthaus gesehen worden war und durch seine deutschen Militärstiefel
auffiel. Er war als Schmuggler bekannt und vielleicht der Anführer einer
86
kleinen Ausgabee. Auch brachte man ihn in Verbindung zu dem Überfall
auf Familie Luchte. Der Umstand, dass Frau Karthaus in der Morgenfrühe
des 29. August den Gangstern Einlass gewährte, deutete darauf hin, das
sie den Täter kannte.
Klaar gab zu, bei dem Überfall auf Frau Karthaus dabei gewesen zu
sein, doch habe er nur Schmiere gestanden. Der Pole habe ihm gesagt,
er habe Frau Karthaus erschossen.
Letzte Ehrung für eine Patriotin
Die Beerdigung des Mordopfers, am 2.9.1949, gestaltete sich zu einer
großen patriotischen Veranstaltung, an der die Ortsgruppe der Invaliden
und Kriegsversehrten, die Ortsvereine mit ihren Fahnen, das Lehrpersonal’
mit den Schulkindern, Bürgermeister Lorreng und der Gemeinderat, eine
Gendarmerie-Abordnung aus Eynatten, die politischen Gefangenen von
Kelmis, Eupen und Welkenraedt sowie eine Abordnung der «Arm&e des
Partisans» aus Verviers erschienen waren.
Das Grab der Frau Karthaus ist nicht mehr erhalten.
Der Mordfall hatte im Dorf allgemeine Bestürzung hervorgerufen.
Im Protokollbuch der Rochus-Schützen findet sich dazu die Eintragung:
«Sämtliche Veranstaltungen litten unter der Mordtat an Frau Karthaus,
die von Dieben in ihrer Wohnung auf dem Aachenerbusch erschossen
wurde.»
Wie es zur Verhaftung der Verbrecher kam
Wir haben oben schon gesagt, dass die Spur über «Jupp» und «E» zu
den Polen geführt hatte. Diese Polen hatten sich in einem durch die
englische Miltärverwaltung in Wipperfürth für «D.P’s» (displaced
persons, heimatlose Flüchtlinge) eingerichteten Ausländerlager versteckt
gehalten und wurden mit Genehmigung der britischen Militärbehörde
der Polizei in Aachen überstellt.
Einige der Verhafteten gaben zu, in der fraglichen Nacht in Hauset
gewesen zu sein, doch keiner wollte die Mordtat begangen haben. Beim
Verhör gaben die Verbrecher jedoch das Versteck ihrer Waffen an und
die Polizei konnte daraufhin im Aachener Wald zwei 9 mm-Pistolen
sicherstellen, von denen eine «Spuren eines kürzlichen Gebrauchs»
aufwies.
Am 8. September 1949, beim Ortstermin mit Gegenüberstellung, hatte
sich eine ziemlich große Schar von Neugierigen an der Grenze
eingefunden.
87
Untersuchungsrichter Peters aus Verviers, Beamte der dortigen
Kriminalpolizei, der Chef des Gendarmeriedistrikts Eynatten, der
Feldhüter von Hauset und Bürgermeister Lorreng warteten auf den
deutschen Gefängsniswagen mit den 6 Beschuldigten.
Der Grenz-Echo-Vertreter Jos. Gerkens konnte in der Zwischenzeit
das Treiben am wenige Tage zuvor wiedereröffneten Grenzübergang
Köpfchen beobachten und Einzelheiten zum Mordfall erfahren.
Nachdem alle Tatverdächtigen am Ort des Geschehens eingetroffen
waren, begann die Gegenüberstellung mit Jakob Bastgen, der den
Überfall im Wirtshaus ja hautnah miterlebt hatte. Er wiederholte seine
schon früher gemachte Aussage, sprach aber nur von einem Gangster,
der ihn mit der Waffe bedroht habe. Dieser habe seine Brieftasche
durchsucht und dann das Zimmer verlassen. Daraufhin sei er, Bastgen,
in die Wirtsstube gegangen, wo er gesehen habe, wie der gleiche Kerl
seine Waffe auf Frau Karthaus richtete. Diese habe dann die Nerven
verloren und um Hilfe gerufen, worauf der Gangster abgedrückt habe.
Der Halsschuss war sofort tödlich.
Zwei Komplizen waren inzwischen durch das Fenster in das
Hinterzimmer eingedrungen. Ein vierter Ganove blieb draußen. Auch
die beiden Deutschen nahmen keinen direkten Anteil am Geschehen.
Nach dem Mord verließen die Eindringlinge fluchtartig das Haus .
Bastgen war formell: Von dreien der Gangster konnte er mit
Bestimmtheit sagen, sie seien nicht dabei gewesen. Darunter waren die
beiden Deutschen.
Die übrigen drei Verdächtigen werden dem Zeugen nun einzeln
vorgeführt. Mit einem Revolver in der Hand werden sie vor die Couch
gestellt, auf der Bastgen geschlafen hatte, und sie müssen die Worte
«Die Decken über den Kopf, sonst schieße ich dich über den Haufen»
wiederholen.
An Stimme und Haltung glaubt Bastgen denjenigen zu erkennen, der
ihn bedroht und der Frau Karthaus erschossen hatte.
Der Grenz-Echo-Reporter beschreibt die in Handschellen vorge-
führten Tatverdächtigen als «junge Kerle mit zerknitterten Anzügen,
deren Gesichtsausdruck auf nichts Gutes schließen lässt». Besonders
die 4 Slawen machten auf ihn einen wenig Vertrauen erweckenden
Eindruck. Man sehe ihnen an, dass man ihnen alles zumuten könne, so
der Journalist.
Da der Überfall bei Luchte ebenfalls noch einer Klärung bedurfte,
wurden die Männer nun Herrn und Frau Luchte vorgeführt. Herr Nikolaus
88
Luchte konnte keinen der Angreifer erkennen, während Frau Claire
Luchte (geb. Kistemann) auf einen der Kerle zeigte und im Brustton der
Überzeugung rief: «Das ist der Schuft, der mit einem Revolver vor
meinem Bett stand, meine Handtasche stahl, die neue Brieftasche meines
Mannes einsteckte und seine Komplizen aufforderte, noch dies und das
mitzunehmen.» Frau Luchte war ihrer Sache ganz sicher. «Übrigens»,
sagte sie, «der Kerl hat ja ein gestohlenes Hemd meines Mannes am
Leib; ich erkenne es ganz genau!»
Der so Beschuldigte hatte als einzige Reaktion «einen finstern, fast
furchterregenden Blick» (G-E). Das Hemd musste er auf der Stelle
ausziehen. Es kam mit einer bei Luchte entwendeten Taschenlampe zu
den übrigen Beweisstücken. .
Nach dieser Gegenüberstellung bleibt es sehr lange still im Mordfall
Karthaus.
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Das Lokal Karthaus hat seit der Mordtat 1949 erhebliche Umbauten erfahren
und ist heute ein «Spiel-Paradies».
89
Erst am 21.5.1950 konnte das Grenz-Echo mit der Nachricht
aufwarten, der Mordfall Karthaus werde in drei bis vier Wochen vor
dem Aachener Schwurgericht sein Nachspiel finden. Auch wenn die seit
Anfang September 1949 in Haft befindlichen vier Osteuropäer und die
beiden Deutschen immer noch nicht alle Tatumstände dargelegt hatten,
sah der Staatsanwalt die Untersuchung des Falles als weit genug
fortgeschritten an, um die Gerichtsverhandlung in Kürze eröffnen zu
können.
Aus welchem Grunde die belgischen Strafverfolgungsbehörden das
Verfahren an die Aachener Kollegen abgegeben haben, wird nicht gesagt.
Es sollte aber noch bis zum 23. Mai 1950 dauern, ehe das Aachener
Schwurgericht zusammentrat, um die Mörder ihrer gerechten Strafe
zuzuführen.
Die in Handschellen vorgeführten Beschuldigten waren:
1. Josef Klaar aus Königshütte (Oberschlesien), 21 Jahre alt,
verbrachte nach Kriegsende 2 Jahre in einem polnischen
Internierungslager in Kattowitz, von wo er 1947 nach Westdeutschland
fliehen konnte. Nach einer kurzen Zeit als Bergmann in Baesweiler hatte
er sich ganz auf den Schmuggel verlegt. Wegen Diebstahls und
Grenzübertritts war Klaar schon vorbestraft.
2. Friedrich Erben, 29 Jahre alt, aus einer angesehenen Familie bei
Altenkirchen stammend, war als deutscher Soldat in russische
Gefangenschaft geraten und schon 1945 frei gelassen worden. Hatte sich
in Berlin mit dunklen Geschäften über Wasser gehalten, wollte dann zur
Fremdenlegion, entwich aber auf dem Weg nach Marseille. Er arbeitetete
kurze Zeit als Bergmann in Belgien, war dann ausgewiesen worden und
als Bergmann in Kohlscheid tätig gewesen. Er hatte keinen festen
Wohnsitz. Bei Schwarzhandelsgeschäften mit belgischen Offizieren
betrog er Letztere. Sein Vorstrafenregister nennt Untreue und Diebstahl.
3. Michael Szpakowski, 20 Jahre alt, stammte aus Lemberg (Lwow)
in der Ukraine. Der junge Mann hatte seine Eltern bei Kriegsausbruch
durch Bombenangriff verloren. Mit 13 Jahren wurde er nach Deutschland
verschleppt und erlebte das Kriegsende im KZ Buchenwald. Sein
Schicksal führte ihn dann in ein britisches Ausländerlager (D.P.) bei Celle.
Zwei kurz darauf verübte Raubüberfälle auf Bauernhöfe brachten ihm
10 bzw. 7 Jahre Gefängnis ein. Doch schon im Juli 1949 wurde er mit
Bewährungsfrist ins Lager Wipperfürth entlassen
4. Leo Szapowalek aus Smirnow (östl. Stettin), 22 Jahre alt; seine
Familienangehörigen waren von den Russen nach Innerasien deportiert
90
worden. Der junge Szapowalek schloss sich der ukrainischen
Partisanenbewegung an, wurde von einem deutschen Feldgericht zum
Tode verurteilt, konnte jedoch entkommen. Später von den Deutschen
wieder aufgegriffen, wurde er nach Erkenschwick gebracht. Nach einem
1946 verübten Raubüberfall erhielt er 8 Jahre Gefängnis. Im Mai 1949
wurde er auf Bewährung entlassen.
5. Waslaw Szcechura aus Kielce (Heiligkreuz) in Polen stammend,
22 Jahre alt, war der Sohn eines Berufsoffiziers. In jungen Jahren hatte
er sich den Partisanen angeschlossen und den Warschauer Aufstand
mitgemacht. Wegen zweier Raubüberfälle, die er gemeinsam mit
Szpakowski verübt hatte, war der Pole zu 5 bzw. 7 Jahren Gefängnis
verurteilt worden. Auch er war auf Bewährung vorzeitig aus der Haft’
entlassen worden.
6. Josef Iwazew, 25 Jahre alt, aus Lemberg (Ukraine), war 1942 als
Landarbeiter nach Deutschland gebracht worden. Wegen Waffenbesitzes
und Plünderung war er zu 7 Jahren Haft veurteilt, aber im Juli 1949 ins
Ausländerlager Wipperfürth entlassen worden.
Da die Angeklagten Szapowalek und Erben auch. am Überfall auf
Familie Lüchte beteiligt waren, wurde der Fall Luchte zuerst verhandelt.
Zwei Uhren, zwei Aktentaschen, sechs Hemden, einige Päckchen
Zigaretten, 600 DM und 600 Franken hatten die Räuber mitgehen lassen
und anschließend den Erlös in Schnaps umgesetzt.
In Wipperfürth planten sie sodann einen neuen Coup und Josef Klaar
machte den Vorschlag, Frau Karthaus einen nächtlichen Besuch
abzustatten.
Mit Hilfe eines Freifahrtscheines der Fremdenlegion, wie man sie im
Lager Wipperfürth bekommen konnte, kamen die sechs Beschuldigten
nach Aachen, wo in der Wohnung von Klaar Kriegsrat gehalten wurde.
Erben und Szapowalek bewaffneten sich mit einer aus einem
Waldverstecke geholten Pistole.
Als sie an der Grenze in der Nähe des Cafes Karthaus ankamen,
mussten sie längere Zeit, nach eigenen Aussagen: zwei Stunden, warten,
weil in dem benachbarten Cafe Homburg noch Licht brannte. Nachdem
dann überall Dunkelheit herrschte, kletterten Iwazew und Szapowalek
durch ein offenstehendes Fenster in das Lokal Karthaus ein. Szechura
und Szpakowski, dem Erben noch im letzten Augenblick die geladene
Pistole in die Hand gedrückt hatte, folgten ihnen, während die beiden
Deutschen draußen warteten.
91
Den Neffen der Frau Karthaus, von dessen Anwesenheit die Ausgabee
nichts wusste, zwang man, die Decke über den Kopf zu ziehen.
Szpakowski gab dem Mann auch noch einen Fußtritt ins Gesicht.
Frau Karthaus war inzwischen aufgewacht und, so scheint es, hatte
beim Anblick der Räuber um Hilfe gerufen. Daraufhin flohen drei der
Ganoven in den Garten. Frau Karthaus hat ebenfalls das Haus verlassen
und in dem Glauben, sie habe Schmuggler vor sich, soll;sie den drei
Polen zugerufen haben: «Es sind Ausgabeiten im Haus!»
Die Wirtin ging dann ins Haus zurück, wo sie auf Szpakowski stieß,
der der Frau zurief: «Hände hoch, oder ich schieße!» Da Frau Karthaus
der Aufforderung nicht nachkam, versetzte der Pole ihr einen Tritt in
den Leib, sodass sie über einen Tisch fiel. Sie versuchte, eine Flasche zu
greifen, der Pole aber forderte sie erneut auf, die Hände zu heben. Darauf
soll Frau Karthaus dann gesagt haben: «Schieß mal!»
Dann fiel der tödliche Schuss, worauf die Ausgabeiten fluchtartig das
Haus verließen. In der Nähe von Linzenshäuschen traf sich das Sextett
wieder...
Fast neun Monate dauerte es, ehe die Ermittlungsbehörden das Puzzle
der recht widersprüchlichen Einzeldarstellungen zu einem Gesamtbild
zusammengefügt hatten. Erst kurz vor der Verhandlung hatte Szpakowski
zugegeben, den tödlichen Schuss auf Frau Karthaus abgefeuert zu haben.
Zwei der vier Osteuropäer hatten auch am ersten Verhandlungstag vor
dem Aachener Schwurgericht ihre Teilnahme an dem Überfall auf Frau
Karthaus heftig abgestritten.
«Jetzt möchte ich die reine Wahrheit sagen»
Am zweiten Verhandlungstag kam dann die Überraschung: Waclaw
Szczechura sagte wörtlich: «Ich möchte dem Hohen Gericht erklären,
gestern habe ich gelogen. Erst heute möchte ich mich zu der Tat bekennen,
die ich begangen habe. Jetzt möchte ich die reine Wahrheit sagen.
Ich habe zusammen mit jedem der anderen Angeklagten teilgenommen
an diesem furchtbaren Diebstahl in Belgien...»
Der Angeklagte gab an, Szpakowski habe den tödlichen Schuss
abgegeben. Als Motiv seiner Teilnahme an dem Raubüberfall erklärte
er: «Zu dieser Tat bin ich durch die Umstände der Lebensweise
gezwungen worden. Ich hatte nichts zum Anziehen und Hunger.»
Auch Iwazew legte ein ähnliches Geständnis ab.
92
Als der eigentliche Antreiber im Lager Wipperfürth erschien der
Angeklagte Szapowalek, doch auch Erben fiel eine Hauptrolle in der
Planung und Anstiftung zur Tat zu.
Große Aufmerksamkeit schenkte man den Ausführungen des
Kriminalwachtmeisters Schymiczek aus dem Lager Wipperfürth. Von
den Insassen des Lagers, so der Zeuge, gingen nur 10-15 % einer
geregelten Arbeit nach. Von den Angeklagten sei Iwazew schon im Lager
als rabiat aufgefallen. Fast 10% der Lagerinssassen seien Vorbestrafte.
Auch Szapowalek habe sehr viele derartige Räubereien organisiert und
er sei einer der Hauptbanditen im Lager gewesen. Obermedizinalrat Dr.
Stilger aus Düren bezeichnete Szapowalek als «affektlabil» und leicht
erregbar; seine Ethik sei dürftig und er sei gefühlsroh, aber voll ”
verantwortlich.
Die Urteilsfindung
Die Staatsanwaltschaft forderte für die sechs Angeklagten eine harte
Strafe, die sowohl Sühne wie Abschreckung bedeuten müsse. Nur eine
exemplarische Strafe könne ähnliche Verbrecher von solchen Taten
abhalten, so der Staatsanwalt.
Bei der Urteilsverkündung am 25. Mai 1950 blieb das Schwurgericht
weit unter dem, was der Vertreter des Staates gefordert hatte.
Szpakowski, Szapowalek und Erben wurden zu je 8 Jahren, Iwazew
und Scechura zu 7 Jahren und Josef Klaar zu 6 Jahren Zuchthaus
verurteilt.
93
Wöet met «E» :
va HenriBeckers
easch ernst
Dat &s mech easch jeminkt
Eateschte/Äteschde der Hintern
E soot m6t dr Eateschte i-jen Bäennietele
E&Ejesänech eigensinnig
Dä wor at ömmer &&jensänech
6€länd/6€ländech elend
Ech vööl mech &€ländech
6&väldech/ kleinlich, einfältig
Eeväldechke6t, Einfalt, Kleinigkeit
Ekske kleine Eiche; Gnadenort Moresnet-Kapelle
eemasch (aus der Umgangssprache „am Arsch»)
eemoka euphemistisch für eemasch
EEmaj&&re emaillieren
Di Kann €s 6&majiiet
en6&&krömpele/ schrumpfen
en&&römpele Die Äedäppel sönt en&&jerömpelt
Engeländer Bewohner Englands; verstellbarer
Schraubenschlüssel
Enk, Enkpot Tinte, Tintenfass
Hüj brukt me sälde noch Enk
erlaij (als Erweiterung von Zahlwörtern, auch
«verschiedene»)
Twaijerlaij
erutbässeme mit dem Besen hinausjagen
Dä Volle hauwe se erutjebäsemt
erutprutsche (in breiiger Form) herausgedrückt werden
(Prutsch = Matsch)
Der Hoanech wäd ut de Botteram
erutjeprutscht
ewäch weg
Hauw dech ewäch, jank ewäch
Auch als Suffix: domewäch, flodewäch (auf
die Schnelle)
94
Von Aachen bis Versailles:
Neutral-Moresnet
von Alfred Bertha
Nachdem der Aachener Grenzvertrag vom 26. Juni 1816 zur
Schaffung des als Provisorium gedachten Gebietes von Neutral-Moresnet
geführt hatte, sah sich der von den Franzosen als «Maire»
(Bürgermeister) für die Großgemeinde Moresnet eingesetzte Arnold von
Lasaulx durch die Niederlande und Preußen als Bürgermeister für die
neue Teilgemeinde Neutral-Moresnet bestätigt. Zudem wurde er
Bürgermeister des nun Preußisch-Moresnet benannten Teiles der‘
früheren Mairie de Moresnet.
Von Lasaulx war keineswegs begeistert von dem ihm überlassenen
Amt als Gemeindeoberhaupt des «Kleinstaates», sah er sich doch quasi
unmöglich zu lösenden Problemen gegenüber. Seiner Gemeinde fehlten
einfach alle Voraussetzungen, um auf Dauer lebens- und
entwicklungsfähig zu werden bzw. zu bleiben.
In seiner Eigenschaft als Bürgermeister unterstand von Lasaulx den
beiden königlichen Kommissaren, die in Vertretung der Niederlande
bzw. Preußens agierten. An die Regierung in Aachen richtete der
Bürgermeister via den Landrat zu Eupen mehrere Situationsberichte aus
seiner Gemeinde. Diese sind geprägt von Enttäuschung über das
Geschehene (die Dreiteilung der Gemeinde Moresnet), sieht sich der
Bürgermeister doch betraut mit der Führung eines Gebildes, in dem die
Verwaltung, die Polizei, das Gesundheitswesen, die öffentliche
Unterstützung, die Steuererhebung und vieles andere mehr im Argen
liegen. Der Bürgermeister sah seine Gemeinde durch die Teilung
«gleichsam gemordet, und Tote kann man nicht erwecken».
In den Akten des ehemaligen Landratsamtes (Staatsarchiv Eupen, Kreis
Eupen, Nr. 264) fand sich folgender abschriftlich erhaltene Bericht des
Bürgermeisters:
«Auf das verehrliche Schreiben der Königl. Hochlöbl. Regierung vom
26. Mai, welches Ew. mir unterm 30. Mai abschriftlich mitteilten, habe
ich die Ehre zu berichten, daß, da das Neutrale Gebiet von Moresnet nur
57 Häuser und ungefähr 250 Einwohner enthält, es eigentlich unmöglich
ist, eine regelmäßige Gemeindeverwaltung auf dem noch bestehenden
Fuße daselbst einzurichten; es fehlt an tauglichen Subjekten zur Besetzung
der Stellen, so wie es auch an Mitteln fehlt, die Verwaltungs-Unkosten
95
und andere Gemeinde-Ausgaben zu zahlen; so wie Moresnet schon vor
der Teilung war, bildete es schon eine der kleinsten Bürgermeistereien,
inzwischen, jetzt nur zersplittert, kann keiner ihrer Teile, selbst nicht der
größere, belgische, auf die Dauer fortfahren, eine eigene Gemeinde zu
bilden: Es ergibt sich hieraus, daß über die meisten in Ihrem verehrlichen
Schreiben berührten Verwaltungs-Gegenstände für den neutralen Teil
nichts zu berichten ist, jedoch werde ich sie hier durchgehen, um nochmal
der Königl. Regierung die Lage der Sache vorzustellen.
Sicherheits-Polizei
Da es im neutralen Gebiete weder Beigeordnete, noch Feldschütze
noch Förster gibt, auch aus Mangel an tauglichen Subjekten nicht geben
kann, so ist die ganze Polizei in einem erbärmlichen Zustande.
Glücklicherweise schützet die Kleinheit des Gebiets für große
Unordnungen. Protokolliert verhaftete Einwohner dieses Gebiets schickte
ich an die preußischen Gerichte; unterm 30. Jan. habe ich Euer
Hochwohlgeboren berichtet, daß es scheine, als ob Belgischer Seits meine
Verwaltung im neutralen Gebiet nicht anerkannt würde und ich glaube,
daß der belgische Maire B. Schever daher keinen Anstand nimmt,
seinerseits im neutralen Gebiet zu fungieren und zu protokollieren. Diese
Protokolle gehen dann nach Lüttich, ebenso geht es im neutralen Teile
des Preus-Waldes; er wird von dem preußischen Waldschützer
Gronenscheid und vom belgischen Förster Franz aus Geminich (=
Gemmenich) begangen. Gronenscheid wendet sich zur Bekräftigung
seiner Frevel-Berichte an mich und sie kommen an die preußischen
Gerichte, Franz wendet sich an H. Schever und seine Berichte gehen
nach Lüttich.
Dies verwickelte Wesen würde Anlaß zu unzähligen Schreiben geben,
wenn wir, Herr Schever und ich, statt in freundschaftlichem Benehmen
zu stehen, uns einander schikanieren wollten; überhaupt aber, da es vor
allem nötig ist, daß der Frevler bestraft werde, und da es eigentlich gleich
viel ist, wo er es wird, lassen wir die Sachen ruhig auf diesem Fuß
fortgehen, auf die Länge und noch weniger auf immer kann es aber so
nicht bleiben.
Medizinalwesen
Davon kann in ganz Moresnet nicht die Rede sein, also noch viel
weniger im neutralen Gebiete, denn wir haben hier weder Doctor noch
Apotheker.
96
Kirchenwesen .
Die hiesige Kirche und Pfarre liegen im Belgischen; alles, was darauf
Bezug hat, gehört also an die belgischen Behörden; in dieser Hinsicht
wird dann noch der große Nachteil der Teilung der Gemeinde recht fühlbar
werden, wenn einst ein Konkordat mit dem Heiligen Stuhle, sei es von
Preußen oder von Belgien (sic!) geschlossen wird; dann muß die Pfarre
zwischen verschiedene Diözesen geteilt werden und jeder Teil wird zu
klein sein, als daß es allein eine eigene Pfarre bilden könnte, besonders
wäre dies der Fall, wenn das neutrale Gebiet preußisch würde.
Armenwesen
Auch in dieser Hinsicht existiert keine Anstalt im neutralen Gebiet, es
kann keine bestehen, der ohnehin sehr unbeträchtliche Armenfonds der
ganzen Gemeinde Moresnet wird noch durch den Bureau Central de Bien-
faisance zu Aubel verwaltet.
Landwirtschaftliche Verhältnisse
sind im neutralen Teile nach wie vor der Teilung unverändert geblieben,
die Einwohner desselben haben noch den Vorteil, daß sie ihre Produkte
nach Aachen bringen können, ohne von den belgischen Douanen
(Zöllnern) geplagt zu werden.
Straßen
Hier ist nur von Gemeinde-Wegen die Rede; es gibt deren im neutralen
Gebiete nur wenige, und diese sind in gutem Stande.
Zu dem wenigen, was zu machen ist, fehlt es im neutralen Gebiete
weder an guten Steinen und anderen Materialien, weder an Handarbeitern,
wohl aber an Karren und Pferden zum Transport der Materialien; deshalb
habe ich es jetzt, wo die Reparaturen anfangen, mit dem belgischen Maire
abgeredet, daß er mir einige Karren, ich ihm hingegen einige Arbeiter
stellen soll; auf diese Weise werden die nötigen Reparaturen geschehen.
Die Kapital-Schulden
haften teils auf der alten Gemeinde Moresnet, teils auf der ehemaligen
Gemeinde Kelmis, vorbehaltlich der Forderungen dieser Gemeinde an
die limburgische Tilgungskasse, worüber ich am 9. April berichtet habe;
wird diese Kapitalschuld geteilt werden, denn der größte Teil von
Moresnet (gemeint ist die vor der Franzosenzeit bestehende Gemeinde
97
Moresnet) ist belgisch und ein Teil neutral; Kelmis (gemeint ist die
ehemalige Herrschaft Kelmis) ist größtenteils belgisch, teils preußisch,
teils neutral. Die Schuld nun gehörig zu verteilen, ist gewiß keine kleine
Aufgabe, jedoch kann es geschehen, sobald man über die Basis, worauf
verteilt werden soll, einig wäre.
Meines Erachtens könnte nur die Grundsteuer als Basis angenommen
werden, da es aus den Obligationen selbst hervorgeht, daß das sämtlich
in der Gemeinde liegende Gemeinde- und Privat-Grundeigentum die
Hypothek dieser Schuld bildet. Belgischen Anordnungen würde dies aber
widerstreben, denn trotz der sonnenklaren Ungerechtigkeit, welche
dadurch begangen wird, ist es doch der Wille der belgischen Regierung,
daß die Zahlung der Kapitalschulden entweder mittels der gewöhnlichen
Gemeinde-Einkünfte oder, wenn diese nicht hinreichen, mittels einer
außergewöhnlichen Umlage auf die Personal- und Mobiliensteuer
geschehen. Über diesen Gegenstand hätten sich die Regierungen zu
einigen; allein, was die einforderliche Schuld, nämlich die noch
rückständige Bezahlung von Park- und Dienstfuhren und andere durch
die Einwohner gemachten Lieferungen betrifft, so kann diese nicht geteilt
werden und müßte sie mittels Umlage auf die ganze Gemeinde getilgt
werden, weil es, wie ich schon zu seinerzeit bemerkt habe, nicht sowohl
eine Zahlung als die gleiche Verteilung der Kriegslasten unter alle
Einwohner ist.
Gemeinde-Renten: Einkünfte
Diese bestehen in dem Produkte der Holzverkäufe in den
Gemeindewaldungen, in Renten, welche auf ehemals veräußerten
Gemeinde-Grundstücken haften und einigen anderen Renten. Alles dieses
gerät nun durch die Teilung in Unordnung; alles muß auf sehr
verschiedene Weise zerrissen und zerteilt werden, und so lange diese
Teilung nicht geschehen ist, sind die verschiedenen Teile der Gemeinde
in der peinlichsten Lage; die Verwaltungskosten, die Gehälter, kurz: fast
alle Artikel der Ausgabe sind vermehrt, und keiner der Verwalter weiß,
wo er eigentlich die Mittel hernehmen soll, um sie zu decken. Zwei
verschiedene Gemeinde-Empfänger, die nicht genau wissen, was sie
empfangen sollen; drei verschiedene Verwaltungen, die noch weniger
wissen, was sie und wie sie es anweisen sollen: dies ist die traurige Lage,
worin eine sonst blühende Gemeinde-Haushaltung versetzt wurde. Gott
gebe, daß wir bald aus diesem Abgrund errettet werden.
98
Der Preus Wald
Die traurige Lage, worin wir in Hinsicht dieses Waldes als Hauptquelle
der Gemeinde-Einkünfte versetzt sind, ergibt sich aus dem
Vorhergehenden. Hier will ich also nur die eigentliche
Forstverwaltung berühren.
Auch sie leidet sehr durch die Teilung der Gemeinde. Der Wald gehört
bekanntlich den 3 Gemeinden Moresnet-Kelmis, Montzen und Gemenich,
aber nur der Ertrag der Holzschläge wurde im Geldwerte verteilt, der
Wald blieb ungeteilt, der nämlichen Forstverwaltung unterworfen. Jetzt
aber treffen zwei ganz verschiedene Verwaltungen darin zusammen und:
müssen sich oft im Wege stehen. Die jährlichen Schläge, wenn sie
regelmäßig, wie Lage und Art des Holzes es erfordern, ausgeführt werden,
müssen notwendig meistens die beiden Gebiete und oft die drei Gebiete
berühren. Es müssten also, wie dieses Jahr schon geschehen ist, zwei
verschiedene Verkäufe gehalten werden. Die Käufer werden
verschiedenen Gesetzen unterworfen; der auf dem preußischen Kauf wird
keine oder geringere Registrierungsgebühren zahlen, der auf dem
belgischen Kaufe hingegen die nämlichen und noch größere Kosten
tragen, als unter der französischen Regierung. Der Preuße wird sein Holz
frei und ungehindert nach Hause bringen können, der Belgier wird den
Vexationen der Douanen (= Zöllner) ausgesetzt sein. Kurz, im nämlichen
Walde werden fast in jedem Punkte ganz verschiedene Einrichtungen
statthaben müssen. Leicht, sehr leicht ist leider zu berechnen, welche
nachteiligen Folgen dies haben muß, denen man selbst durch eine Teilung
des Waldbodens nicht entgehen kann, weil eine solche Teilung, welche
vorhin schon nicht tunlich war, jetzt vollends unmöglich geworden ist,
jetzt, wo, statt in drei gleiche Teile zu teilen, man in 5 bis 6 ganz ungleiche
Teile teilen müßte‘.
Aus alle diesem wird die Königl. Regierung unsere Lage ersehen. Und
was ich vom neutralen Gebiete sage, gilt auch alles vom preußischen
Gebiete, die belgische Einmischung in die Verwaltung ausgenommen.
Die ganze Gemeinde ist in eben diesem Zustande. Viel weitläufiger könnte
ich darüber schreiben, halte es aber jetzt für überflüssig, teils weil ich
schon so oft und viel über diesen traurigen Gegenstand geschrieben habe,
teils weil ich, wenn die Regierung über den einen oder anderen Punkt
!_ Gemeint sind Alt-Moresnet, Neutral-Moresnet, Preußisch-Moresnet, Gemmenich und
Montzen.
99
noch weitläufigere, genauere Erörterungen verlangen sollte, stets bereit
bin, solche zu geben. Von jeher ist die Gemeinde übel verwaltet worden,
was der Krieg von 1794 und die schlechte Verwaltung in den ersten Jahren
der französischen Regierung verdorben hatte, suchte ich während 15
Jahren wieder zu verbessern und ich darf es kühn sagen: es war mir
gelungen. Diese Wunden schlug uns auch der letzte Krieg, auch sie wären
leichter noch als die alten geheilt worden, dazu fehlte es nicht an Mitteln.
Nun aber gibt uns die Teilung den Todesstoß; die Gemeinde kann nur
dann wieder ein Ganzes bilden, wenn sie ganz preußisch würde. Wird
nur das neutrale Gebiet mit dem Preußischen oder Belgischen vereinigt,
so bleibt die Gemeinde immer noch geteilt und es ist keine Hilfe mehr,
denn durch die Teilung wird die Gemeinde gleichsam gemordet und Tote
kann man nicht erwecken.
Moresnet, den 9. Juni 1818 gez. von Lasaulx
Viele der von Bürgermeister von Lasaulx aufgeworfenen Probleme
fanden erst sehr viel später eine Lösung. Der preußisch gewordene Teil
der Mairie de Moresnet kam 1825 zur Pfarre Hergenrath und gehörte
auch zum Schulverbande dieser Gemeinde. Kelmis (Neutral-Moresnet)
wurde‘ 1858 bischöfliche Pfarre und war seither von Alt-Moresnet
getrennt. Eine Regelung der verzwickten Eigentumsverhältnisse im
Preuswalde handelten die betroffenen Gemeinden 1864-69 aus. Eine
Gemeindeverwaltung im Sinne des belgischen oder preußischen
Gemeindegesetzes sollte Neutral-Moresnet nie kennen. Erst 1854 erhielt
der Bürgermeister einen ihm zur Seite stehenden Gemeinderat, dessen
Mitglieder jedoch nicht gewählt, sondern von den beiden Kommissaren
ernannt wurden.
Nach den Worten des ersten Bürgermeisters hatte Neutral-Moresnet
also keine Überlebenschance. Der Bürgermeister konnte allerdings nicht
vorhersehen, dass durch die Schaffung der Bergwerksgesellschaft der
Vieille Montagne im Jahre 1837 sich vieles grundlegend verändern würde.
Auf vielen Gebieten übernahm die genannte Gesellschaft die andernorts
den Gemeinden zufallenden Aufgaben, so dass steigender Wohlstand die
weitere Entwicklung prägte und kaum noch jemand der früheren Situa-
tion in einer Großgemeinde Moresnet nachtrauerte, auch nicht der
Bürgermeister, der noch bis 1859 im Amt blieb.
Die beiden Aufsichtsmächte, Preußen und die Niederlande bzw.
Belgien versuchten mehrmals im Laufe des 19. und im ersten Jahrzehnt
100
des 20. Jahrhunderts, das Problem des Provisoriums Neutral-Moresnet
auf dem Verhandlungswege zu lösen, konnten aber keine beide Seiten
zufriedenstellende Lösung finden. Erst der Krieg 14-18 setzte einen
Schlusspunkt hinter die Geschichte des Kuriosums im Dreiländereck,
allerdings auch nicht auf demokratische Art und Weise.
Neunzig Jahre trennen uns inzwischen von den Versailler
Vertragsabschlüssen. Neunzig Jahre Zugehörigkeit zu Belgien. Eine
Gelegenheit, Neutral-Moresnet als Verhandlungsobjekt der Siegermächte
kurz aufleben zu lassen.
Belgien stand bei den Verhandlungen in Versailles etwas abseits und
konnte den Gang der Dinge nur indirekt, vor allem über die Vertreter *
Frankreichs, beeinflussen. Der belgische Außenminister Paul Hymans
berief sich auf die Ereignisse von 1815, als Preußen zum Ausgleich für
den Verzicht auf einige sächsische Gebiete im linksrheinischen Raum u.
a. Eupen-Malmedy erhalten hatte.
Belgien verlangte die Rückgabe dieses Landstrichs und erhob zudem
Anspruch auf Neutral-Moresnet. Einen neuen Vertrag mit Deutschland
schloss der Außenminister aus. Statt dessen verlangte er die Anwendung
des Artikels 25 der Schlussakte des Wiener Kongresses, der den
Niederlanden das Gebiet von Moresnet zugesprochen habe. Belgien als
Rechtsnachfolgerin der Niederlande habe somit einen Anspruch auf dieses
Territorium?. Wie Miller? schreibt, wurden der Friedenskommission für
Belgien und Dänemark folgende Vorschläge gemacht:
- der wallonisch sprechende Teil des Kreises Malmedy kommt zu Belgien;
- das streitige Gebiet von Neutral-Moresnet wird Belgien zugesprochen;
- die Frage einer besseren Grenze mit Preußen soll durch Militärexperten
untersucht werden. Die jetzige Grenze setze Liittich deutschem Beschuss
aus und öffne Belgien für eine Invasion via die strategischen Eisenbahn-
strecken und die entlang dieser Strecken angelegten Militärlager.
Schon bei der ersten Sitzung der am 12. Februar 1919 ins Leben
gerufenen Kommision für belgische und dänische Angelegenheiten, am
25.2.1919, kam das Problem Neutral-Moresnet zur Sprache. Frankreich,
Italien, Groß-Britannien und die Vereinigten Staaten waren sich ohne
lange Diskussionen darin einig, dass Neutral-Moresnet Belgien
zugesprochen werden solle. Eine Schwierigkeit stellten jedoch die Gruben
? Collinet, Roger, L’Annexion d’Eupen et Malmedy ä la Belgique en 1920, Verviers
1986, 5. 37
3 My diary at the Conference of Paris», Bd.5, S. 47-48
101
und Werksanlagen der Vieille-Montagne dar, die fast ausschließlich auf
preußischem Gebiet lagen: die Grube Fossey in Hauset, die Grube
Schmalgraf in Preußisch-Moresnet, die Gruben Lontzen, Eschbroich und
Mützhagen in Lontzen.
Von einer Annexion des gesamten Kreises Eupen war damals noch
nicht die Rede und Belgien selber bezweifelte die Realisierbarkeit einer
solchen. Es möchte aber unbedingt durch spezielle Vorkehrungen der
Vieille-Montagne die bislang dieser Gesellschaft gewahrten Vorteile und
Rechte gesichert sehen‘. Die mächtige Gesellschaft der Vieille-Monta-
gne blieb während dieser entscheidenden Tage und Wochen nicht inaktiv
und wies vor allem auf die wirtschaftliche Notwendigkeit einer Annexion
des gesamten Kreises Eupen hin...
In der Kommissionssitzung vom 6.3.1919 beschließt man, Belgien
die Gemeinde- und Staatswälder von Preußisch-Moresnet zuzuer-
kennen,und zwar als Entschädigung für die von den Deutschen in Belgien
während des Krieges verursachten Waldschäden. Am 10.3.1919 -
inzwischen hatte die Kommission weitere Informationen bzgl. Eupen-
Malmedy erhalten- wurde ein von dem französischen Vertreter Andre
Tardieu (dem Vertrauten Clemenceaus und späteren Ministerpräsidenten)
redigierter Entwurf eines Memorandums verlesen, in dem es heißt: «Die
Kommission ist der Ansicht
- Moresnet betreffend
* dass das neutrale Gebiet von Moresnet, das seit 1815 streitig war, zu
Belgien kommen soll;
* dass es gerecht ist, aus geschichtlichen und juristischen Gründen,
und zur teilweisen Wiedergutmachung für die Zerstörung von Wäldern
in Belgien während des Krieges, diesem (neutralen) Territorium den
Staatswald und die Gemeindewälder von Preußisch-Moresnet
anzugliedern, die ein beinahe unbewohntes Gebiet bedecken.
* dass das an der Landstraße von Lüttich gelegene Gelände, auf dem
sich ein Teil der Werksanlagen der Vieille-Montagne befinden, aus
dringenden wirtschaftlichen Gründen Belgien angegliedert werden soll.»
Dieser Text wurde einstimmig angenommen.
Damit war die 103 Jahre ungelöst gebliebene Frage Neutral-Moresnet
«vom Tisch» und auch Preußisch-Moresnet, von dem Tardieu sagte, es
sei nach der Karte vom I. Januar 1814 genau so belgisch wie Belgisch-
+ daselbst
102
Moresnet, sah sein Schicksal schon mit dem des neutralen Gebietes
verbunden.
Die Annexion des Kreises Eupen war ein sehr umstrittenes Thema.
Tardieu befürwortete diese Annexion und argumentierte u. a. damit, dass
es besser sei, dieser Kreis komme zu Belgien, weil die belgische
Bergwerksgesellschaft der Vieille-Montagne von Moresnet die Zinkerze
des Kreises Eupen erschließen werde.
Da es fast überall im Kreise Eupen Vorkommen gebe, sei eine
Angliederung des ganzen Gebietes zu empfehlen. Wenn auch die
englischen und amerikanischen Vertreter sich dieser Argumentation nicht
anschließen wollten, so zeigt sie doch, dass die Vieille-Montagne einen
recht weit reichenden Einfluss ausübte..5 %
Sie versuchte auch, durch direkte Kontaktaufnahme mit dem
Außenministerium den Gang der Verhandlungen in ihrem Sinne zu
steuern. So schrieb VM-Direktor Timmerhans am 17.2.1919 dem
Brüsseler Büro der Gesellschaft, man habe aus der Presse vernommen,
dass Außenminister Hymans die Kantone Malmedy und Monschau sowie
das neutrale Gebiet von Moresnet für Belgien beansprucht habe. Warum
wurde der Kanton Eupen nicht erwähnt? Hat die Presse die Stellungnahme
von Hymans gekürzt wieder gegeben?
«Wie dem auch sei», so Timmerhans, «ich wiederhole, dass die An-
nexion des Kantons Eupen nicht nur aus geschichtlichen und
gefühlsmäßigen Gründen sich aufzwingt; sie ist eine wirtschaftliche
Notwendigkeit, und die Vieille Montagne im besondern wäre schwer
geschädigt, wenn dieses Gebiet deutsch bliebe, so schwer, dass die
Agentur Moresnet nicht mehr mit Gewinn arbeiten könnte. Sie würde
unter der Last der Steuern und der hohen Kosten der Wasserhaltung
zusammenbrechen, denn die Kohle ist der besonders der Steuer
unterworfene Grundstoff.
Übrigens machen sich auch andere als wir Gedanken über die Zukunft
des Kantons. Die dort ziemlich zahlreich wohnenden Belgier wenden
sich durch eine Unterschriftenliste an den König, um den Anschluss an
Belgien zu fordern.» (s. Collinet, op. cit. S. 38).
Der Kelmiser Bürgermeister Pierre Grignard, seines Zeichens
Oberingenieur der Kelmiser Bergwerksgesellschaft, richtete sich am 24.
Juni 1919 in einem vor Patriotismus und Lobhudelei triefenden Brief an
5 Veithen, Paul, Die deutsch-belgischen Beziehungen im Hinblick auf die an Belgien
abgetretenen Gebiete von Eupen-Malmedy 1919-1927. Lizenzarbeit d. Fakultät für
Wirtschafts-, Sozial- und Politikwissenschaften, Löwen 1968, S. 24-40.
103
König Albert, um an diesem Tage......eines historischen Irrtums bedrohten
Territorium an Belgien feiert», der großen Freude der Neutral-Moresneter
darüber Ausdruck zu geben, dass ihre Wünsche in Erfüllung gegangen
seien und sie ihr Schicksal mit dem des freien belgischen Volkes, dem
ihre Sympathien gelten, verbunden sehen.
Zu Füßen des Königs lege die Bevölkerung die Versicherung ihrer
unverbrüchlichen Treue zur Krone und den belgischen Gesetzen, sie
jubele begeistert ihrem König zu, der «unsterblichen Personifizierung
von Ehre und Recht», ihrer Majestät der Königin, «der reinen Inkarnation
von Gnade und Güte», der tapferen und siegreichen belgischen Armee,
dem glorreichen Belgien und der Nationalfahne, dem heiligen Symbol
des Vaterlandes...»
Am 28.6.1919, dem Tag der Unterzeichnung des Versailler
Vertragswerkes, rief die Gemeindeverwaltung von Neutral-Moresnet die
Bevölkerung dazu auf, ihre Häuser zu beflaggen und an einem großen
Fackelzug teilzunehmen.
In den «Papiers Hymans» im Staatsarchiv findet sich ein Dossier zu
Neutral-Moresnet, in dem ebenfalls auf die große Bedeutung dieses
Grubenfeldes («domaine minier») für Belgien hingewiesen wird.
Die persönlichen Kontakte von König Albert I., der sich am 1. April
1919 nach Paris begab und dort die führenden Köpfe der Friedens-
konferenz aufsuchte, um eine für Belgien günstige Entscheidung zu
erreichen, scheinen schließlich den Ausschlag für den Anschluss des
Kreises Eupen an Belgien gegeben zu haben.
Der Versailler Vertrag besiegelte schließlich in Artikel 32 in nur zwei
Zeilen die Zugehörigkeit Neutral-Moresnets zu Belgien:
«Deutschland erkennt die volle Souveränität Belgiens über das ganze
streitige Gebiet von Moresnet (das sog. Neutral-Moresnet) an.»
Artikel 33 desselben Vertrages schreibt Belgien das westlich der Straße
Lüttich-Aachen gelegene Gebiet von Preußisch-Moresnet zu. Die am
Rande dieses Gebietes verlaufende Strecke der Straße fällt ebenfalls an
Belgien.
Am 10. Januar 1920, dem Tag des Inkrafttretens des Versailler
Vertrages, ging Neutral-Moresnet in die volle Souveränität Belgiens über,
ohne dass hier -wie in Eupen-Malmedy- die Möglichkeit gegeben wurde,
sich in eine Protestliste einzutragen.
104
Das Parlament hatte am 15. September 1919 das notwendige Einglie-
derungsgesetz verabschiedet.
In der Folge hat Deutschland immer wieder auf den Unrechts-charakter
des Versailler Vertrages und die erzwungene Abtretung Eupen-Malmedys
hingewiesen. Die deutsche Delegation in Paris, angeführt von Brockdorff-
Rantzau, hatte schon am 7. Mai 1919 gegen die Annexionspläne für
Eupen-Malmedy protestiert und auch Moresnet in diesen Protest mit
einbezogen. Es gebe keinen Grund, daran zu zweifeln, dass diese Gebiete
deutsch seien, so das Argument der deutschen Delegation. In einer
weiteren Protestnote vom 29. Mai 1919 argumentieren die deutschen
Vertreter, die besagten Gebiete von Eupen-Malmedy und Moresnet seien
nie belgisch gewesen und hätten auch nie einem Staat angehört, als dessen +
Erbe Belgien sich betrachten könnte. Es gibt jedoch deutscherseits in
der Zwischenkriegszeit keine Forderung nach Wiedererrichtung des
«neutralen» Staates von Moresnet und nach Revision des Versailler
Vertrages hinsichtlich dieses Gebietes.
Erst am 18. Mai 1940 wird das kleine Fleckchen wieder erwähnt, und
zwar im bekannten «Führererlass», in dem es u.a. heißt:
«Ich bestimme daher schon jetzt:
I. Die durch das Versailler Diktat vom Deutschen Reich abgetrenn-
ten Gebiete von Eupen, Malmedy und Moresnet sind wieder Bestandteil
des Deutschen Reichs.
II. Die genannten Gebiete werden der Rheinprovinz (Regierungsbezirk
Aachen) zugeteilt.»
Zur Genealogie Schillings
Berichtigung
In den Beitrag von Hrn. L6on Schillings in Nr. 83 dieser Zeitschrift
(Febr. 2009, S. 61) hat sich ein bedauerlicher Irrtum eingeschlichen.
Das Ehepaar Schillings-Boltersdorf hatte 5 Kinder: Tinchen, Käte,
Maria, Peter (früh gestorben) und Willy, dessen Sohn Ralf noch mit
seiner Mutter in Kelmis lebt.
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