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Landschaft im Grenzraum Nordostbelgiens
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KULTUR, HEIMATKUNDE UND GESCHICHTE
IM GÖHLTAL
Nr. 82 — August 2008
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ZEITSCHRIFT DER VEREINIGUNG
FÜR
KULTUR, HEIMATKUNDE UND GESCHICHTE
IM GÖHLTAL
Nr. 82
August 2008
Veröffentlicht mit der Unterstützung des Kulturamtes der
deutschsprachigen Gemeinschaft
Vorsitzender: Herbert Lennertz, Stadionstraße 3, 4721 Neu-Moresnet.
Sekretariat: Maxstraße 9, 4721 Neu-Moresnet, Tel. 087/65.75.04.
Lektor: Alfred Bertha, Bahnhofstraße 33, 4728 Hergenrath.
Kassierer: Alfred Bertha, Bahnhofstraße 33, 4728 Hergenrath.
Postscheckkonto Nr. 000-0191053-60.
Fortis Bank: 248-0068875-35
Konto NL: AMRO-BANK: 46.37.00.090 Vaals/L
Konto BRD: Aachener Bank: 821 363 012 (BLZ 390 601 80)
Die Beiträge verpflichten nur die Verfasser.
Alle Rechte vorbehalten
Druck.: Aldenhoff, Gemmenich - 087-78 61 13.
3
Inhaltsverzeichnis
Alfred Bertha Zum Umschlagbild: 5
Hergenrath Das Rothaus in Eynatten
Walter Meven Als Kunstschutzoffizier in Deutschland 17
Aachen Aus den Erinnerungen des Captain
Walker Kirtland Hancock
M.-Th. Weinert An der Talsperre 37
Aachen-Forst
Firmin Pauquet Uran am Altenberg? 38
Kelmis
Jakob Langohr Ja, jo die Rezepte! 49
Bildchen
Alfred Bertha 1858-2008: 150 Jahre Pfarre Kelmis 31
Hergenrath
Hubert Jenniges Eine Seite aus der Regionalgeschichte: 13
Kraainem Die Abtei Stablo-Malmedy erhält die
Zehntabgabe von Henri-Chapelle (1172)
Henri Beckers Wöet met «D» 82
Kelmis
Alain Brose «La Memoire des Images» 84
Kelmis Das Gedächtnis der Bilder
Henri Beckers Die «Eerste Neederlandsche Naaldenfabriek 94
Kelmis A. en F. Musolf (MUVA) Vaals»
Alfred Bertha Kronprinzlicher Besuch in Raeren 96
Hergenrath
Henri Beckers Könengsvoorelschot 103
Kelmis
Die Redaktion Neuerscheinung 104
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Zum Umschlagbild
Das «Rothaus» in Eynatten
von Alfred Bertha
Auf halber Strecke zwischen Eynatten-Stangs und der Hauseter
Rochuskapelle führt die Landstraße Eynatten-Hauset an der Flur «An
der Windmühle» über die Autobahn Lüttich-Aachen. Von besagter
Landstraße führt kurz vorher zur Linken die Rothausstraße ab, deren
bauliche Erschließung in den siebziger Jahren begonnen und 2008 durch
ein größeres Bauvorhaben (12 Häuser) abgeschlossen wurde.
An deren Ende stößt man auf ein stattliches Anwesen, das seit jeher
unter dem Namen «Rotes Haus» bzw. «Rothaus» bekannt ist. Diesen
Namen verdankt das Haus seinem roten Anstrich, der wohl für frühere
Zeiten untypisch war und dieses Gebäude von allen anderen in Eynatten
unterschied.
Das Anwesen besteht aus einem stattlichen Herrenhaus und einem in
geringem Abstand und rechtwinklig dazu erbauten Wirtschaftsteil. Unser
Titelfoto zeigt den Komplex in den 80“ Jahren.
Das aus Feldbrandziegeln errichtete Wohnhaus zeigt in der
symmetrisch angelegten (verputzten) Vorderfront fünf Achsen auf
Blaustein- (= Kalkstein-) sockel. Fenster und Hauseingang haben
Blausteingewände mit Stichbogen, das Krüppelwalmdach ist als
Mansarddach ausgebaut. Auch die Hausecken sind durch Blausteinquader
in Zahnschnittfolge hervorgehoben.
In den neunziger Jahren wurden die hölzernen Doppelflügelfenster
mit Oberlicht durch einflügelige PVC-Kipp- und Drehfenster ersetzt.
Das «Rothaus» war schon 1994 unter Denkmalschutz gestellt, aber
im Oktober 1997 auf Wunsch der Besitzer wieder aus der Liste der
denkmalgeschützten Objekte herausgenommen worden. Dies geschah
damals auch auf Drängen der Gemeinde Raeren und «gegen den Willen
sowohl der Permanentdeputation von Lüttich als auch der Königlichen
Denkmal- und Landschaftsschutzkommission der Deutschsprachigen
Gemeinschaft, die sich beide für die absolute Aufrechterhaltung des
Schutzes aussprachen» (N. K. im Grenz-Echo vom 22.6.1999).
Bei der ab 2001 durchgeführten Renovierung des Hauses erhielt die
bis dahin in der Vorderfront fensterlose Mansarde drei Gauben.
6
Die unverputzte Rückseite hat einen Haus- und einen Kellereingang.
Letzterer war früher durch einen überdachten Vorbau geschützt. Bei der
Renovierung wurde eine zusätzliche dritte Gaube angebracht.
Das für den Neuanstrich gewählte dezente Bordeauxrot passt
ausgezeichnet zum Stil des Hauses und lässt den Blaustein hervorragend
zur Geltung kommen.
Das Trinkwasser gewann das «Rote Haus» aus einem im Vorgarten
liegenden Brunnen.
Während das Wohnhaus sich nach gründlichen Sanierungsarbeiten in
gutem Zustand befindet, kann solches vom Wirtschaftstrakt nicht gesagt
werden. Hier sind nur noch die Grundmauern erhalten, so dass schon
vor rd. 10 Jahren die gebietseigene Presse die Frage stellte: «Kann das’
«Rote Haus» in Eynatten noch gerettet werden?» Der Autor sah die
Zukunft des Wohnhauses als gesichert an, war jedoch wenig optimistisch,
was den Erhalt des Wirtschaftsteiles anging. Dem ist auch heute nur
wenig hinzuzufügen, es sei denn, es gelänge mehr oder weniger
kurzfristig, dem weiteren baulichen Verfall durch Überdachung Einhalt
zu gebieten und das Gebäude einer neuen Nutzung zuzuführen.
Ist das «Rote Haus» geschichtsträchtig? Dies ist eine Streitfrage,
wissen wir doch nur sehr wenig über die früheren Besitzer und Bewohner.
Die architektonischen Merkmale (Stichbogenfenster mit Blaustein-
gewänden, Mauerabschlüsse in Kalksteinquadern, Mansarddach) weisen
das Haus eindeutig den letzten Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts zu.
«NK.» (im Grenz-Echo vom 22.6.1999) macht zu Recht den Vergleich
zwischen dem «Roten Haus» in Eynatten und dem 1792 erbauten
«Weißen Haus» an der Aachen-Lütticher Straße vor Henri-Chapelle.
Letzteres war durch seine besondere Lage an der Einmündung der von
Eupen kommenden Chaussee in die Heerstraße Lüttich-Aachen als
Gasthaus, wie auch als Post- und Zollstation prädestiniert. Der zum
«Roten Haus» führende Weg hatte nur die Funktion, das am Ende des
Weges liegende Haus mit der Hauseter Straße zu verbinden.
Das Haus erinnert durch keinen sichtbaren Maueranker an das Jahr
der Erbauung. Der Bauherr hat auch seine Initialen in keinem Türsturz
hinterlassen. Einiges deutet auf die Familie Lambertz als Erbauer des
Hauses hin, vor allem der Besitzwechsel i. J. 1844 (s. unten).
Wenn auch die Ursprünge noch nicht aufgehellt werden konnten, so
hat das «Rote Haus» doch als gut erhaltenes Beispiel großbürgerlicher
Architektur des 18. Jahrhunderts auf dem Lande einen unbezweifelbaren
geschichtlichen Wert. Es zeugt auch vom Aufblühen und vom
9
Eine wichtige Quelle für diese Verkäufe und ähnliche Transaktionen
ist das seit 1827 erscheinende «Korrespondenzblatt des Kreises Eupen».
Die erste uns bekannte Verkaufsanzeige findet sich in besagter Zeitung
am 28.06.1844. Der Verkauf sollte teilungshalber stattfinden. Der Notar
handelte im Auftrag der beiden Schwestern und Eigentümerinnen
Angelina Gertrud und Helena Arnoldine Lamberts. Erstere war wohnhaft
in Maastricht und verheiratet mit dem pensionierten Major Peter Reiner
Crussier. Letztere, verheiratet mit dem Major a. D. Carl von der Gracht,
wohnte in Aachen. Die Größe des Gutes wird mit 50 Morgen, 33 Ruten
und 90 Fuß angegeben.
Der Verkauf sollte am 29. Juli 1844 stattfinden und bei Nicht- Verkauf
wurde Rothaus als zum 1. Mai 1845 frei werdendes Pachtgut angeboten.
Aus weiteren Anzeigen sehen wir, dass Letzteres eingetreten ist.
Pachtinteressenten werden gebeten, sich bei Major von der Gracht in
Eynatten zu melden, zuletzt 1849.
Pächter auf dem «Roten Haus» ist bis 1. Mai 1850 Johann Leonard
Wetten bzw. dessen Witwe. Diese verlässt den Hof nach Verkauf ihres
Viehbestandes und ihrer Mobilien. Die Anzeige im Korrespondenzblatt
listet auf: 7 tragende Kühe, 3 Rinder, Haus- und Kellergeräte als: Tische,
Stühle, Schränke, Bettladen, 1 Braukessel, 1 Butterfass, Eimer und
Bütten, 100 hölzerne Milchnäpfe, Käsebecken, Käseplanken, sodann
eine «Ostkarre» (= Erntekarre) mit breiten Rädern, 1 Welle, mehrere
Ketten, 1 Dachleiter, 6 Malter Korn und 1 Syrup-Presse.
In der Folgezeit wird die in Maastricht wohnende Frau Crussier geb.
Angelina Gertrud Lamberts nach dem Tod ihrer Schwester alleinige
Eigentümerin von Rothaus, das sie am 8. Januar 1866 in der «Leuff» in
Eynatten durch Notar Mathias Schüller (Eupen) öffentlich zum Verkauf
anbieten lässt.
Das Gut umfasst «Wohnhaus, Landwirtschaftsgebäude und dazu
gehörige Grundstücke» mit einer Größe von 50 Morgen, 43 Ruten und
60 Fuß. Dieser Grundbesitz liegt vorwiegend im Winkel zwischen der
Hauseter Straße und der zum Johberg führenden «Spellejatz».
Die Akten des Notars Schüller weisen jedoch keinen Verkauf an
besagtem 8. Januar 1866 aus. Erst am 9. April 1866 wird das «Rote
Haus» den Besitzer wechseln, und zwar nach Verkauf aus freier Hand.
Als dazu von seiner in Maastricht wohnenden verwitweten Mutter
bevollmächtigter Verkäufer tritt Franz Arnold Crussier, «erster Platz-
Lieutenant und Adjudant», wohnhaft zu Willemstadt in Nord-Brabant
(Niederlande) auf. Durch Urkunde vom 11. November 1865 vor dem
10
Deffentlicher Berkanf emes Suter zu Eynatten,
Montag, dem 8. Januar 1866, |
Morgens 10 Ubpr,
zu Fynatten, in der Wohzung des Gaftwirthes
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get. Camderts zu, Mafkvicht, vor dem unferzeichs
Neten Notar Dffentlich verfaufen: he hm
_da& in der Gemeinde Eynatten gelegene Sur
. „RNoche Haus“ genannt, deftebend aus einem,
Mobnhaufe, Lanvwirthfchaftsgebäude und das
zugehörigen Srundftücken, enthaltend gemäß
Katajter 50 Morgen 43 Ruthen 60 Fuß,
Schüller.
Korrespondenzblatt vom 9.12.1865
Maastrichter Notar Denis Emil Hupkens gibt Frau Crussier ihrem Sohn
Franz Arnold Crussier die Vollmacht, «um in ihrem Namen zum
Verkaufe, sei es öffentlich oder aus freier Hand, eines Hauses genannt
«das rothe Haus» mit Scheune, Stallungen und sonstigem Zubehör,
Wiesen und Ackerland, gelegen in Einatten bei Aachen/Preußen, zu
schreiten; den besagten Verkauf unter solchen Bedingungen und
Bestimmungen zu bewerkstelligen, sei es in Parzellen oder zusammen
und zu solchen Kaufpreisen, als der Bevollmächtigte für gut finden wird,
einzutreiben und in Empfang zu nehmen und darüber Quittung und
Entlastung auszustellen».
Neue Besitzer werden die in Aachen (Wilhelmstraße 57) wohnenden
Schwestern «Fräulein Theresia Einmahl und Maria Josephine Einmahl,
beide Rentnerinnen und ohne Gewerbe». Der Kaufpreis lag bei 5.500
Taler.
Im Kaufvertrag wird das Gut als in der Gemeinde Eynatten unter
Artikel Nummer 76 «auf den Namen Lambertz, Advocat zu Lüttich,
eingetragen» bezeichnet.
Zum Gut gehörten einige Parzellen Ackerland, insgesamt etwa 5
Morgen. Den Rest bildeten Wiesen und Weiden.
Im «Eigentumstitel» (Eigentumsnachweis) erklärt Franz Arnold
Crussier, das Eigentum seiner Mutter gründe sich bezüglich der Hälfte
der Wiese «Rothhauser Gemeinde» auf ein 1836 aufgenommenes
Protokoll und bezüglich der anderen Hälfte auf das Erbe aus dem
Nachlass ihrer Schwester Helene Arnoldine Lamberts, gewesene Ehefrau
des Carl Joseph Heinrich von der Gracht. Auch für die restlichen
11
Immobilien gründe sich der Eigentumsnachweis zur Hälfte auf den
Nachlass ihrer vorgenannten Schwester und zur anderen Hälfte auf das
von ihrem Vater Mathias Joseph Lamberts ihr hinterlassenes Erbe.
Beim Verkauf war das Gut schuldenfrei und nur mit drei kleineren
Leibrenten in Höhe von 500 Talern belastet.
Wir können aus den uns vorliegenden Unterlagen nicht mit
Bestimmtheit sagen, wer der Erbauer des stattlichen Hauses war. Vieles
deutet auf den vorgenannten Mathias Joseph Lamberts.
Ohne uns zu sehr mit ins Detail gehenden familiengeschichtlichen
Namen und Daten zu beschäftigen, wollen wir im Folgenden kurz auf
die Familie Lamberts eingehen, die uns schon im 17. Jahrhundert in
Eynatten begegnet. Als Notar, Schöffe der Bank Walhorn, Einnehmer
von Eynatten und Mitglied der limburgischen Ständeversammlung starb
1726 Lambertus Lamberts.
Friedrich Lamberts heiratete am 17.11.1697 Katharina Kütgen. Diese
Familie wohnte in der «Stangs/Stansch» und hatte 6 Kinder, darunter
den am 29.11.1714 geborenen Sohn Mathias, der am 21.4.1749 Maria
Kütgen heiratete. Er starb in der «Stangs» am 6.9.1801.
Von den sieben Kindern dieses Ehepaares interessiert uns v. a. der am
25.1.1760 geborene Mathias Joseph Lamberts, der Anna Catharina Pael
heiratete.
Diese Familie hatte drei Kinder, einen Sohn und zwei Töchter:
-Johann Friedrich Joseph, geb. 1793
-Angelina Gertrud, geb. 19.9.1794 und
-Helena Arnoldina, geb. 29.5.1796.
Die Taufregister vermerken zum Vater «I. U. L.» d. h. Iuris Utriusque
Licentiatus - Lizentiat beider Rechte -, womit im allgemeinen die von
der Universität Löwen diplomierten Rechtsgelehrten bzw. Rechtsanwälte
bezeichnet wurden.
Mathias Joseph Lamberts fungierte am 21.4.1789 in Eynatten als
Zeuge bei der Trauung seiner Schwester Maria Angela. Dabei vermerkt
der Pfarrer: «Mathias Josephus Lamberts aus Eupen».
Die Kinder der Eheleute Lamberts-Pael sind in Eupen geboren und
getauft worden. Wann ist die Familie nach Eynatten gezogen? Hatten
sie dort das «Rote Haus» erbaut oder erwarben sie es käuflich?
Im Korrespondenzblatt vom 7.10.1882 wird das «Rote Haus» als
«bestehend in schönem Wohnhause, Landwirtschaftsgebäude,
Stallungen, Pferdestall, Backofen, Hof, Garten, daran liegenden Wiesen,
Baumwiese, Wiese und Land unter günstigsten Bedingungen zum Kauf
12
oder zur Pacht» angeboten. Der bis dahin dort wohnende Pächter Johann
Heinrich Lambertz verließ das «Rote Haus» zum 1. Mai 1883 nach
Verkauf von Vieh- und Gerätschaften «wegen Aufgabe der
Ackerwirtschaft».
Als nächster Besitzer erscheint dann «der Herr Gutsbesitzer» Chris-
tian Brock, der auch den Nachbarhof «Kerresbusch» besaß. Im Sommer
1885 verpachtete Brock das Gut «Kerresbusch»; bei der Gelegenheit
ließ er den «überzähligen Viehbestand» (5 Pferde, 3 erwachsene und 2
Fohlen, 5 Kühe und 3 Rinder) auf seinem Gut «Rotes Haus» verkaufen.
Im Frühjahr 1887 stellte Christian Brock auch auf Rothaus die
Ackerwirtschaft ein. Am 28.3.1887 verkaufte er öffentlich auf Kredit '
gegen Bürgschaft seinen gesamten Viehbestand und das Inventar des
Hofes. Im Korrespondenzblatt erschien folgende Anzeige:
Rothaus (Roth Haus) Eynatten. Großer Vieh- und Geschirre-Verkauf
zu Eynatten.
Wegen Aufgabe der Ackerwirtschaft läßt der Eigentümer, Herr Chris-
tian Brock, auf dem Gute «Roth-Haus» zu Eynatten am Montag, dem
28.3.1887, morgens 10 Uhr, öffentlich auf Credit gegen Bürgschaft
verkaufen: 22 Kühe, teils tragend, teils gekalbt, 4 einjährige Rinder, 1
schönen 1-jährigen Stier, 3 Pferde, worunter 1 tragende Stute, 1 schönes
Fohlen, 2 lange und 1 Schlagkarre, 1 Dombasle und 1 Reitpflug, 1 eiserne
und 1 hölzerne Egge, 1 Welle, 1 Tilbury und 2 Phaetonwagen, sämtliches
Pferdegeschirr, Scheune- und Arbeitsgeschirr, 1 Dreschmaschine, 1
Heckselmaschine, 1 Wannmühle, alles fast neu, 100 Hühner, 6 Enten,
30 Stück prachtvolle Lorbeerbäume, Mobilargegenstände, worunter
Canapees, Stühle, Sophas, Hausuhren, 1 Fournaise, 1 Partie geschnittenes
Holz, worunter Eichen und Eschen, eine Partie eichene Erdtraven, 2
Schubkarren, Bohnenstangen, 1 großen Heurechen, Butterfaß,
Milchnäpfe, Käseplanke, Backmulde, 2 steinerne Schweinetröge, Bütten,
Tinnen und Eimer, 2 Jagdgewehre, 2 Revolver u. s. w. Astenet. Gottl.
Pohlen. (K. Bl. 12.3.1887).
Das «Rote Haus» wurde in der Folgezeit vermutlich als Pachtgut
bewirtschaftet, bis es am 2.12.1901 käuflich durch Wilhelm Cormann
erworben wurde. Dieser, in zweiter Ehe verheiratet mit Maria Hubertine
Janssen (1871-1912), bewirtschaftete den Hof bis zu seinem Tode. Die
beiden Söhne Peter und Leo Cormann führten die Landwirtschaft erst
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Rothaus. Vorderansicht und Nordgiebel mit kleinem Fürbittkreuz
(Aufn. 2008)
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Rothaus. Frühere, rückseitige Ansicht.
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Dem Dachgeschoss wurde durch eine zusätzliche Gaube mehr Licht zugeführt.
Im Erdgeschoss sind die Spuren der Überdachung der Kellertreppe noch zu
erkennen (Aufn. 2008).
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Die Aufnahme zeigt die früheren Wirtschaftsgebäude von «Rothaus».
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Der Hauptbau der Wirtschaftsgebäude. Das mit Bruchsteinen zugemauerte
Scheunentor erinnert noch an die früher betriebene Ackerwirtschaft. (Aufn. 2008)
16
gemeinsam weiter; dann übernahm der Erstgenannte (1904-1979),
verheiratet mit Anna Radermacher, das Rothaus. Die Kinder und Erben
der Eheleute Cormann-Radermacher verkauften das alte Anwesen, das
. am 15.1.1999 öffentlich versteigert wurde (Notar Lilien) und in den
Besitz von Frau Edda Junesch überging.
Bildnachweis
Das Umschlagbild und die alten Aufnahmen der Seiten 13, 14 und 15 stellte uns in
dankenswerter Weise Fam. Deneffe-Arnould zur Verfügung.
17
Als Kunstschutzoffizier in Deutschland.
Aus den Erinnerungen des Captain
Walker Kirtland Hancock
von Walter Meven
Walker Kirtland Hancock, geboren 1901 in St Louis im Staate Mis-
souri, wurde bekannt als Bildhauer allegorischer Figuren, Porträt-Statuen
und Denkmäler.
Nach dem Besuch der «School of Fine Arts» an der Washington
Universität seiner Heimatstadt, führten ihn weitere Studien an die
Akademie der Schönen Künste in Philadelphia, wo er von 1929 bis 1967
als Professor wirkte. 1956-57 arbeitete er in Rom. Einer seiner größeren
Aufträge war das «Pennsylvania Railroad War Monument», das an die
1307 gefallenen Angestellten der Pennsylvanien- Eisenbahn erinnert.
Am 17.11.1989 erhielt Hancock die «National Medal of the Arts».
Diese Würdigung erfuhr er wegen «seines außergewöhnlichen Beitrages
zur Bildhauerei und dafür, dass er die bleibende Schönheit der klassischen
Tradition bewiesen hat». W. K. Hancock starb 1998.
Im 2. Weltkrieg war Hancock einer der Kunstschutzoffiziere, deren
Aufgabe es war, von den Nazis gestohlene Kunstwerke zurückzufinden.
In dieser Funktion war er bei der 1. US-Division im Range eines
Captains eingesetzt. Am 12. September 1944 stand er gegen Mittag im
Aachener Stadtwald am Pelzerturm und durch sein Fernrohr betrachtete
er den Aachener Dom. Wolfgang Trees, in «Die Amis sind da!» (S. 152)
beschreibt die Szene wie folgt: «Er ist fasziniert von dem Bauwerk, das
er bisher nur von Abbildungen in Büchern kennt. Bald, so hofft er, kann
er es auch von innen besichtigen — wenn zumindest der kostbare Bau,
eine der wirklich großartigen europäischen Schöpfungen, die
Kampfhandlungen heil übersteht! Deshalb hat er sehr energisch darauf
gedrängt, dass ein Divisionsbefehl herausgegangen ist, der Dom von
Aachen sei zu schonen, sofern von dort nicht deutscher Widerstand
komme.
Die Sache hat ihn aber einige Mühe gekostet! Denn die vorherrschende
Meinung der amerikanischen Kommandeure lautet kurz und bündig: «Das
Blut unserer Soldaten ist wichtiger als Steine. Kunstdenkmäler kann man
wieder aufbauen. Tote GI’s aber kann niemand wieder lebendig machen!»
Hören wir nun, wie Captain Hancock seinen Einmarsch in Aachen
erlebt.
18
«Seit 2 Wochen hatten wir Aachen brennen sehen. In der Nacht war
der Horizont von einer unregelmäßigen Glut erhellt, und am Tag zeigte
sich das Feuer als eine kostante Dunstglocke. Nun war es Zeit, die Stadt
zu betreten. Die Straße führte uns zunächst an den vielen Reihen
drachenähnlich anmutender Betonzähne vorbei, die das Weiterkommen
der amerikanischen Panzer nicht hatten stoppen können. Dann folgte die
Straße einem Schienenstrang, der zunächst noch in Ordnung schien. Bald
schon sahen die Oberleitungen jedoch aus wie Girlanden. Ein Stück weiter
des Weges hingen die Kabel dann auf der Erde, an manchen Stellen hatten
die Geleise sich gelöst und nahmen merkwürdig verzerrte Formen an.
Beim Anblick vereinzelter Straßenbahnwagen hatte man das Bild
schutzsuchender Passagiere vor Augen.»' Ü
Die eleganten Häuser, die wir auf dem langen Weg hinunter in die alte
Hauptstadt Karls des Großen sahen, hatten immer weniger Fenster. Bald
schon fehlten Dächer und Wände, und schließlich sah man vor jedem
Haus einen Schutthaufen. Schließlich erfüllten die Wände nicht mehr
länger ihre ursprüngliche Funktion. Alle waren niedergebrannt. Was sie
einst geborgen hatten, lag nun in Haufen mit Schmutz vermischt auf
Rasenflächen oder Straßen, eine Einladung für Souvenirjäger (...). Ein
GI galoppierte auf einem Pferd vorbei, bekleidet mit der kompletten
Montur eines Indianerhäuptlings. Die meisten, die etwas für
Karnevalskostüme übrig haben, hatten sich jedoch mit einem Hut oder
einem Wanderstab zufrieden gegeben.
Im Geschäftsviertel war die Zerstörung noch schlimmer. Zwar standen
noch viele Mauern und in einigen Straßen sah man sogar nur einige
wenige Löcher in den Fassaden, aber dahinter war nur noch Leere. Die
Stadt war völlig verlassen. Mir wurde gewahr, was ich später noch so oft
bestätigt fand, nämlich dass eine derart skelettierte Stadt schlimmer ist,
als eine von den Bomben total ausgelöschte. Aachen war ein Skelett.
Hier und da sahen wir auf verkohlten Wänden die Abbildung, die uns
während unserer Zeit in Deutschland noch so vertraut werden sollte: die
Silhouette eines düsteren Mannes, der sich lauschend vorbeugt, und die
Warnung «Der Feind hört mit».
Ich verließ die Kriegsberichterstatter, die mich mitgenommen hatten,
und ging alleine weiter zur Kathedrale. Ich bahnte mir meinen Weg durch
übelriechendes Geröll, das die engen Straßen versperrte, und ließ alles
sichtbare Leben hinter mir. Nur einmal traf ich auf lebende Kreaturen,
' Die Szene beschreibt die Lütticher Straße.
9
eine Gruppe belgischer Plünderer in Uniform, die mich vielsagend
musterten, als sie an mir vorüber gingen.»?
Es war ein dunkler Tag. Manchmal hörte man das schneidende Zischen
einer Granate, gefolgt von einer widerhallenden Explosion. Aber das
betonte die herrschende Stille nur noch stärker. Einmal blieb ich stehen,
nachdem eine Granate eingeschlagen war, ich lauschte, aber konnte nicht
einen einzigen weiteren Ton hören. Der merkwürdig anmutende Dom
mit seinem Kirchturm überragte die Ruinen der Altstadt. Der stählerne
Rathausturm hing schlaff gebeugt in den Hof hinunter. Als ich meinen
Weg in die enge Straße, die zum emporragenden Chorraum der aus dem
14. Jahrhundert stammenden Kathedrale führte, fortsetzte, kamen die
Granaten bedrohlich näher. Immer wieder duckte ich mich unter
unsicheren Türschwellen, wenn dieses Geräusch sich näherte, und
rannte weiter zum nächsten vermeintlichen Unterschlupf, sobald die
Granate explodiert war. Alle Türen des fremd wirkenden Kirchen-
gebäudes, das die Kathedrale von Aachen bildete, standen offen. Aber
als ich mich schließlich im Inneren des dunklen Oktogons befand, das
den Kern des Gebäudes bildet, fühlte ich mich plötzlich sicher. Seit mehr
als elf Jahrhunderten hatten diese massiven Mauern sicher gestanden.
Dass nun ausgerechnet ich hierher gelangen musste, um der einzige Zeuge
ihrer Zerstörung zu sein, war schlichtweg unfassbar. Wie viele andere
dasselbe Gefühl von Sicherheit in diesem Heiligtum zu finden glaubten,
wurde mir klar, sobald sich meine Augen an die Dunkelheit gewöhnt
hatten. Man hatte einen provisorischen Altar vor einer Leinwand im
Westteil aufgestellt. Davor lagen verschiedene Matratzen, Decken und
Federbetten.[...].
Auch Spielzeuge und Geschirr war dort verteilt. Auf einigen Stühlen
sah ich Reste unfertiger Mahlzeiten, und Tassen mit «Ersatzkaffee». Die
Unordnung ließ vermuten, dass der Ort hoffnungslos überfüllt gewesen
sein musste, bevor er übereilt evakuiert wurde. Ich schlüpfte durch eine
Tür in der provisorischen Wand, die das schwere Oktogon, das Karls des
Großen Hofkapelle gewesen war, von der luftigen gothischen Chorhalle
trennte. Die Gewölbe der Apsis waren von einer Bombe durchlöchert,
die den Altar getroffen hatte ohne zu explodieren. Die vier antiken Säulen,
? Sie hatten sich den regulären amerikanischen Truppen angeschlossen, waren diesen
jedoch bereits unangenehm aufgefallen. Am Dreiländereck hatten sie sich sogar einen
Schusswechsel mit ihnen geliefert. Wegen ungebührlichen Verhaltens wurden diese
belgischen Freiwilligen aus den amerikanischen Truppen entfernt, zum Teil sogar ins
Gefängnis gesteckt.
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die das Gewölbe (den Baldachin) gestützt hatten, standen noch. Alles
Glas war zerbrochen, aber das empfindliche Maßwerk der hohen Fenster
war wie durch Zauberhand intakt geblieben. Mehrere Granaten, die jetzt
in schneller Folge in meiner Nähe einschlugen, zwangen mich, wieder
Schutz im Oktogon zu suchen. Eine schwarze Figur schritt aus der
Dunkelheit. «Hier», sagte er, und gab mir Zeichen ihm zu folgen. Mir
war nicht gesagt worden, dass es dem Vikar erlaubt war, an seinem Posten
zu bleiben. Das war die Ausnahme vom generellen Befehl der
Evakuierung der Zivilbevölkerung. Aber ich erholte mich schnell von
der Überraschung und folgte ihm die enge, spiralförmige Treppe hinauf
zu dem Schutzraum, den er zwischen den dicken Wänden eingerichtet
hatte. Trotz des Lichts aus seiner Taschenlampe stolperten wir über
weitere Betten und Spielzeuge, die verstreut auf den Stufen lagen.
Sobald wir in dem gemütlichen Schlupfwinkel Platz genommen hatten,
erklärte ich den Grund meines Besuchs. Vikar Stephany war völlig
entnervt durch die lange Qual des Bombardements. Er zitterte
unaufhörlich und die Unsicherheit seiner Stimme war weitaus größer als
die seiner Englischkenntnisse. Ja, die Notlage war groß, und vielleicht
konnte der Captain etwas ausrichten, bevor es zu spät war. Es hatte eine
Feuerwache bestehend aus sechs Jungen gegeben. Sie waren ausgebildet,
um die exzellente Feuerschutz-Ausrüstung in der komplexen Struktur
des Doms und seines Daches einzusetzen. Sie konnten überallhin klettern,
wie alte Feuerwehrveteranen. Sie hatten bereits fünf Feuer löschen
können, die durch Brandbomben entstanden waren. Ihnen war es zu
verdanken, dass das Gebäude immer noch stand, inmitten der gigantischen
Zerstörung. Nun fielen die deutschen Mauern und es gab niemanden
mehr, um die Pumpen und Schläuche zu bedienen, falls die Kathedrale
getroffen würde. Ja, sie hatten alle zur Hitler Jugend gehört. Alle
deutschen Jungs ihres Alters hatten das. Aber sie fühlten das nicht hier
drinnen - Vikar Stephany berührte sein Herz. Sie hatten als Feuerwache
Uniformen getragen. Alle deutschen Jungs liebten es, Uniformen zu
tragen. Man sollte ihnen sagen, dass sie sie jetzt nicht mehr tragen sollten.
Sie könnten sonst erschossen werden. Vielleicht könnte ich ihnen
Zivilkleidung bringen, wenn sie keine bei sich hatten.
Er gab mir ihre Namen. Sie waren in Brand, aber er kannte ihre Adresse
nicht. Ich sagte, dass ich sehen würde, was ich tun könnte, und machte
mich wieder auf. Ich war sicher, dass ich angesichts des Evakuierungs-
befehls, auf den der Militärchef so stolz war, nichts ausrichten könnte.
Ich erhielt in dieser Nacht im Hauptquartier keine Ermutigung von
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George Stout, dem Offizier, der in der ersten Armee mein Vorgänger war
und inzwischen ein alter Hase in diesem Job.
«Es wird sie nur gegen uns aufbringen, wenn wir anfangen, um
Ausnahmen zu bitten,» sagte er. «Die Kathedrale wird eben ein paar
Tage ihrem Schicksal ausgeliefert bleiben müssen. Wir können es uns
schließlich nicht leisten, sie gleich zu Beginn unseres Vorhabens in
Deutschland gegen uns zu haben.»
Am folgenden Morgen schlug ich vor, die Situation einem erfahrenen
Offizier zu erklären und hoffte, so einen sinnvollen Rat für das weitere
Vorgehen zu bekommen. George fand die Idee gut und So gingen wir
zum G-5 der ersten Division, die zu diesem Zeitpunkt die Stadt
kontrollierte. Befehle, die von diesem Hauptquartier kamen, hatten‘
Vorrang vor allen anderen Befehlen. Major Lancer war in seiner Funktion
schon in Afrika, in der Normandie und Nordfrankreich gewesen. Er kannte
sich in seinem Job aus.
Entschlossen, ein ausführlich ausgearbeitetes Gesuch vorzutragen,
begannen wir:
«Sir, die Wache des Doms zu Aachen - sechs Jungs - wurden nach
Brand evakuiert und jetzt ist das Gebäude zum erstenmal in diesem Krieg
ungeschützt.» Er unterbrach uns. «Holen Sie die Jungs sofort, lassen sie
sie vom C.I.C. absegnen, besorgen sie ihnen Passierscheine und schicken
sie sie so schnell wie möglich zurück zum Dom.»
Wir brauchten nicht lange, um seine Befehle auszuführen. Mit
einem C.l.- Offizier als Passagier fuhren wir zu der kleinen Siedlung
auf dem Hügel im Südwesten der Stadt’. Es war ein lauter Ort. Große
amerikanische Kanonen waren direkt vor den Häusern aufgebaut worden.
Mit jedem Schuss aus den Batterien gingen wieder zahlreiche Fenster zu
Bruch. Man konnte gar nicht schnell genug die Fenster durch Pappe
ersetzen, einige Häuser waren voller Risse. Leider mussten wir feststellen,
dass die Menschen weit davon entfernt waren, uns den Aufenthaltsort
der Jungs zu nennen. Schließlich zeigte eine Frau - ob aus Vertrauen
oder Arglist weiß ich nicht - in Richtung eines Hauses. Wir klopften an
die Tür des angezeigten Hauses und fragten nach Helmut Hansen (Jansen).
Schnell kam er zur Tür, achtzehn Jahre alt, ängstlich zwar, aber total
gefasst. Man konnte spüren, dass er entschlossen war, jede Krise wie
ein Held zu meistern. Er stand vor uns, unbeirrbar, als hätte er ein
Exekutionskommando erwartet. «Sind Sie vom Dom?» fragte ihn unser
C.I.C.- Offizier. «Ja!» Helmuts Gesicht hellte sich auf. «Nun, Sie gehen
+ Gemeint ist Aachen-Forst.
23
zurück dahin - rufen Sie die anderen.» Der Junge drehte sich um und
stürzte ins Haus. «Hans! Georg! Willi! Carl! Niklaus!» Große Freude
brach aus. Wie der Blitz standen alle sechs aufgereiht am Zaun, in
Habtacht-Stellung. Der Jüngste war schätzungsweise sechzehn.
Hans war mit neunzehn wahrscheinlich der Älteste. Ihre Gesichter
strahlten vor lauter Freude. Es war, als gäbe es für sie nichts anderes
mehr auf der Welt. In diesem Moment erfüllten sie ihre Bestimmung.
Die Fragen des C.I.C. - Offiziers waren schnell beantwortet und wir
machten uns auf den Weg, um die Passierscheine zu besorgen.
«Kämmt Euch die Haare» riefen wir und sie rannten los, um sich fertig
zu machen. «Also, ich will verdammt sein,» sagte unser Passagier, «jetzt
sind sie endlich sicher und wenn man ihnen sagt, sie sollen in diese Hölle
zurückgehen, benehmen sie sich, als hätte man jedem von ihnen tausend
Dollar geschenkt. Ich kann’s nicht verstehen.»
Wir bestimmten, dass ein Nahrungsvorrat für einen Monat im Keller des
Hansen (Jansen-) Hauses gelagert wurde, der neben dem Dom lag. Die
Passierscheine für die Jungs und ihre Mutter, die für sie und den Vikar
kochen sollte, wurden im Militärregierungs-Büro ausgestellt. Als wir
zurückkamen, stand die kleine Versammlung am Zaun. Ich hielt ihnen
die Passierscheine entgegen. Helmut trat vor, um sie zu nehmen und
sagte: «Ich bin der Führer.»
Als wir uns mit unserem Jeep nach Verviers bewegten, sahen wir noch,
wie sie ihren langen Weg zurück in die Hölle antraten. Und wir sahen in
jedem Fenster Gesichter, die sie beobachteten.
Erster Besuch in Siegen
Der Tag, den wir mit so großer Ungeduld erwartet hatten, war
gekommen. Amerikanische Truppen besetzten den Teil Siegens, der
südlich der Sieg lag. George Stout kam aus Verdun zu unserem
Hauptquartier in Bad Godesberg, um mit mir das Aufbewahrungslager
zu erforschen, von dem wir zuerst im Katalog des Suermondt Museums
in Aachen erfahren hatten.
In letzter Minute erhielt ich einen Anruf aus der Abteilung in Aachen,
dass ich den Vikar Stephany mit nach Siegen nehmen sollte. Der Bischof
zu Aachen hatte darauf gedrängt, dass man ihn mitschickte, um den
Zustand des Domschatzes festzustellen, der im Stollen versteckt war,
und ich war froh, ihn als Führer dabei zu haben. Also fuhren wir zuerst
nach Bonn, weil man veranlasst hatte, dass er uns dort zu unbestimmter
24
Uhrzeit im militärischen Regierungsbüro treffen sollte. Wir suchten den
befehlshabenden Offizier auf und weckten ihn von seinem Halb-Zehn-
Schlummer, aber wir erfuhren nichts vom Vikar. Wir versuchten es beim
Dekan des Doms, der auch nichts von seiner Ankunft gehört hatte. Der
Nächste war der C.I.C.- Offizier. Der hatte auch keine Neuigkeiten von
ihm. Also gingen wir zurück zum militärischen Regierungsbüro. Und
diesmal erfuhren wir, dass der Vikar in einem Haus «irgendwo in der
Magdalenenstraße» war. Ein Ausläufer der Magdalenenstraße am
Stadtrand führte zu der Kirche, wo wir schließlich das Ende der Messe
abwarteten, um uns dann unter den Gemeindemitgliederh umzusehen.
Der Vikar war nicht dabei, aber wir fanden seinen Gastgeber, der uns zu
seinem Haus in der Kaufmannstraße brachte, von wo aus der Vikar vor
einer Stunde zu Fuß aufgebrochen war. Beim dritten Besuch im
militärischen Regierungsbüro standen wir dem Vikar endlich gegenüber.
Er wirkte schuldbewusst, nicht weil er die Verzögerung verursacht hatte,
sondern weil er uns in den ersten Tagen in Aachen nicht alles gesagt
hatte, was er vom Lager in Siegen wusste. Um so mehr überraschte es
ihn zu hören, dass es kein Geheimnis für uns war, dass der Aachener und
Kölner Domschatz mit anderen Schätzen im letzten September von Meis-
sen nach Siegen gebracht worden waren.
Unsere Reise nach Siegen war umständlich und trostlos. Wir mussten
zuerst das Hauptquartier [...] und dann das Regiment besuchen. Sie hatten
alle das TWX über das Lager erhalten und erwarteten unseren Besuch.
Der Captain des Hauptquartiers in Eisen führte uns auf der einzigen
Straße, die nicht unter Feuer stand, in die Stadt. Es gab immer noch
kleine Stützpunkte des Widerstands in den umliegenden Hügeln und man
konnte hier und da Handfeuerwaffen hören.
Die Stadt war seit drei Monaten bombardiert worden und in den letzten
zwei Wochen hatte es erbitterte Straßenkämpfe gegeben. Zwar waren
die Leichen weggebracht worden, aber an einer Stelle sah ich einen ganzen
See von Blut. Ein amerikanischer Helm lag daneben. Manchmal wagte
sich ein Zivilist aus seinem Versteck, aber sonst herrschte nur leere
Trostlosigkeit und die Zerstörung, die wir nun so gewohnt waren. Die
Trümmer in den Straßen machten es uns unmöglich, zum Eingang des
Stollens zu gelangen. Wir verließen den Jeep und gingen zu Fuß weiter.
Nach einigen Hindernissen fand unser priesterlicher Führer den Eingang
zu dem Tunnel (= Stollen), in dem die Kunstwerke aufgestapelt waren.
Im Gegensatz zu der verlassenen Stadt war hier ein Ort, der vor
bemitleidenswerter Menschlichkeit zu bersten drohte. Wir betraten den
25
engen Gang, der in eine erstickende Dunkelheit führte. Hier waren
Menschen so eng eingepfercht, dass es kaum vorstellbar war, wie sie
unter diesen Bedingungen auch nur einen Tag überleben könnten.
Niemand von ihnen hatte diesen Ort während der beiden vergangenen
Wochen verlassen. Immer tiefer drangen wir in das Innere des Stollens
ein. Als unsere Augen sich an die Dunkelheit und unsere Ohren an die
unterschwellige Geräuschkulisse gewöhnt hatten, wurden wir des ganzen
Ausmaßes dieses Dramas gewahr. (Unsere Nasen konnten sich allerdings
nicht an die Übelkeit erregenden Gerüche gewöhnen). Wir waren die
ersten Amerikaner, die diese Leute je gesehen hatten. Eingeschüchtertes
Geflüster war zu hören «Amerikaner! Amerikaner!....Sie kommen!»
Mütter riefen ihre Kinder ängstlich zu sich. «Sie haben Angst, sie könnten
ihre Kinder töten,» sagte der Vikar. «Das hat man neulich im Radio gesagt.
Nur um sie am Kämpfen zu halten.»
Aber manche hatten keine Angst. Ein kleiner Knirps nahm George bei
der Hand und hielt sie ein langes Stück des Weges fest. Manche versuchten
Englisch zu sprechen. Da waren Alte und Junge und Kranke aus der
Stadt, sie lagen zusammen in Schlafkojen oder waren eng aneinander
gepfercht. Hier und da spendete eine Kerze Licht, dass der Unwissende
gerade so viel sehen konnte, wie er ertrug. Wir gingen weiter und weiter,
mehr als eine Meile in den Berg hinein. Schwefelgeruch aus dem Stollen
kam zu den anderen Unannehmlichkeiten hinzu. Es wurde sehr heiß.
Nach einer schieren Ewigkeit kamen wir an eine Tür, die auf unser
Klopfen sofort geöffnet wurde. Ein steifer, ernster kleiner Mann erschien
und erkannte vollkommen überrascht den Vikar. Er schaute die beiden
Amerikaner und unsere zwei Soldaten mit noch größerer Verwunderung
an, und ließ uns ein. Dieser Durchgang führte zu einem weiteren, und
dort trafen wir eine Gruppe von Leuten, die offensichtlich den Status
von Wachmännern hatten. Hinter der nächsten Tür verbarg sich das, was
uns hierher geführt hatte. Regale voller Gemälde und Skulpturen füllten
das ungefähr dreißig Fuß breite und in vierzehn Erker aufgeteilte Gewölbe
bis in den kleinsten Winkel aus. Im Lampenlicht konnten wir mehr als
vierzig Gemälde erkennen. Ohne genau hinzuschauen, sahen wir sofort,
dass hier Rembrandt, Rubens (dessen Geburtsort Siegen war), Van Dyck,
Delacroix. Lochner, Fragonard, Van Gogh, Gauguin, Cezanne, Cranach,
Hals und Renoir unter den hier vertretenen Künstlern waren. Es gab
Regale voller Kisten aus den Museen von Bonn, Köln. Wuppertal, Essen
und Münster. Weitere Kisten enthielten Kirchenschätze aus Essen, Köln
und Siegburg, wie auch aus Metz, das die Deutschen anscheinend als
27
gebrochen war, war es nicht nötig, die Kisten zu öffnen, aber wir schauten
in den Behälter mit einem prächtigen goldenen Bischofsstab und dem
kostbaren goldenen und emaillierten Schrein von St. Heribert von Deutz.
Als wir gehen wollten, deutete Etzkorn auf vierzig Kisten vom Beetho-
ven-Haus in Bonn. Eine Kiste davon enthielt das Manuskript der Sechsten
Symphonie. Nahe dem Eingang lagen die sechs Eichentüren der St.
Marienkirche im Kapitol zu Köln. Diese Reliefs, die das Leben Christi
darstellten, waren nun vielleicht der einzige Teil der Dekoration in diesem
zerbombten Gebäude, der noch heil war.
Die Feuchtigkeit im Stollen hatte offensichtlich großen Schaden
angerichtet. Die Heizung, die die Feuchtigkeit bekämpfen sollte, war
von der angrenzenden Fabrik aus betrieben worden, die aber von den
Bomben zerstört worden war. Es herrschte eine schwere, feuchte
Atmosphäre. An vielen Stellen tropfte Wasser von der Decke. Viele Bilder
und mehrfarbigen Skulpturen waren mit Schimmel bedeckt und es
blätterte Farbe vom Holz ab.
Als wir unsere flüchtige Bestandsaufnahme beendet hatten, fanden
wir in einem kleineren Tunnelarm einen Ausgang. Dieser Tunnel (Stollen)
war voller Menschen, die vertrieben worden waren. Man sah die
verschiedensten Uniformen, deren Herkunft wir nicht mal erraten
konnten. Eine Gruppe französischer Gefangener begrüßte uns aufgeregt.
«Wann werden wir nach Frankreich zurück gehen können?»
Ich sagte ihnen, dass ich ganze Lastzüge voller Landsmänner gen West
hatte fahren sehen, und das munterte sie sichtlich auf. Fast alle Männer
in der Nähe des Ausgangs waren in Uniformen gekleidet, die wir nicht
kannten. Sie nahmen Haltung an, als wir vorbei gingen und wirkten
merkwürdig froh, uns zu sehen. Als wir wieder draußen an der Luft waren,
konnten wir uns kaum vorstellen, dass all dies unter diesen Trümmern
vor sich ging. Ein verrückter alter Mann folgte uns, obwohl wir ihn
vehement zum Umkehren zu bewegen versuchten. Er erzählte laut
lamentierend von den Grausamkeiten, die er und seine Familie durch die
Nazis erlitten hatten, und während er so herumschrie, tropfte Schaum
von seinen Mundwinkeln. Wir wurden ihn erst los, als wir den Jeep wieder
erreicht hatten und abfahren konnten.
Wir kehrten über Bonn zum Hauptquartier zurück. Dort sollten wir
den Vikar Stephany bei seinen Freunden lassen, wo bereits Vorkehrungen
für die Rückreise nach Aachen getroffen worden sein sollten. Später hörte
ich, dass er tagelang zwischen Bonn und Bad Godesberg auf der Suche
nach dem Roten Kreuz und UNRA Trucks, die nie auftauchten, umher-
geirrt war.
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Unsere Reise führte uns nicht nur an verlassene Orte des Leidens. Es
war Anfang April und das Land stand in voller Frühlingsblüte. Ein großes
Kunstschätzelager war das Franziskanerkloster in Ehrenstein. In einem
tiefen grünen Tal lag die weiße Kirche inmitten hoher Kiefernbäume.
Ein Gehöft, das aus einem Geschichtenbuch entstammt sein konnte,
umgab das Ganze. Kinder tollten dort herum. Ein Loch im Kirchendach
und einige zerbrochene Fenster waren die einzigen Anzeichen der
vergangenen Schlacht. Aber als wir so in unserem Jeep saßen und die
idyllische Schönheit der Szenerie bewunderten, kam eine Gruppe Männer
vorbei, die die Leiche eines deutschen Soldaten trugen. Die Kinder schien
das überhaupt nicht neugierig zu machen. Sie waren an solchen Anblick
gewöhnt. Als George dem Toten salutierte, bemerkte unser Fahrer nur ’
beiläufig: «Einer weniger, um den wir uns sorgen müssen...»
Wir fanden einen amerikanischen Wachsoldaten, der in einem kleinen
Raum zwischen dem Klostereingang und der großen Halle untergebracht
war. Dort befanden sich die Sammlung von Gemälden und Skulpturen
aus rheinländischen Kirchen und die Archive und Zeichnungen aus dem
Büro der Schutzes antiker Gebäude der Rheinprovinz. Meine Nachricht
war nicht ignoriert worden.
Noch am selben Tag, nachdem wir noch weitere entlegene Lager der
Region besucht hatten und sicher sein konnten, dass alles gut bewacht
war und wir die Bedürfnisse der Wachen aufgenommen hatten, kamen
wir schließlich bei Schloss Langenau im ruhigen, smaragdfarbenen Tal
der Lahn an. [...] Im Umkreis von -zig Meilen war kein anderes Gebäude
sichtbar. Am späten Nachmittag dann wirkte die Szenerie irgendwie irreal.
Dieser Eindruck verschwand auch nicht, als wir das Schloss betraten
und sahen, was es beherbergte. Es war voll von Gemälden aus Kölner
Museen. Fast alle waren uns bekannt. Unsere ganze Aufmerksamkeit
gehörte jetzt den Meisterstücken der Kölner Schule aus dem fünfzehnten
Jahrhundert. Dazu gehörten Werke von Lochner und der Altar der alten
Kirche von St. Lawrence, wie auch Gemälde von Monet und La Tour.
Die gesamte Bibliothek des Wallraf-Richartz Museums war in dem
Schloss gelagert.
Der Kurator und der Restaurator des Museums wohnten hier mit ihren
Familien. Die Frauen wirkten leicht verhärmt, aber der kleine Sohn des
Kurators, der vielleicht fünf Jahre alt war, hatte einen bemerkenswert
hübschen Kopf und sehr gute Manieren.
Das Schloss war für Militärs als tabu eingestuft und da die Gefahr
miltärischer Nutzung nun gebannt war, erschien die mittelalterliche
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Festung der ideale Schutz vor dem Einfall Heimatloser zu sein. Wir
konnten die Rückfahrt durch die Dunkelheit nach Bad Godesberg richtig
genießen, denn glücklicherweise hatte es auf der Hinfahrt keine
schlimmen Probleme gegeben. Um diese Zeit war der Feind so weit östlich
von uns, dass wir den ganzen Weg zum Hauptquartier mit hellen
Scheinwerfern fahren konnten.
Endlich war der Zeitpunkt gekommen, die Werke aus dem Siegener
Tunnel in eine trockenere Atmosphäre zu bringen. Der Friede in Europa
war zwei Wochen alt. Die erste große Wanderung Heimatloser war
vorüber, und obwohl Heimatlose immer noch die höchste Priorität
besaßen, betrachteten die G5 der Armee nun die Erhaltung von
Kunstwerken als eine ihrer wichtigsten Aufgaben. Daher gab es erstmalig
ausreichende Transportmöglichkeiten für größere Umzüge.
Die lange und schöne Fahrt vom Hauptquartier in Braunschweig nach
Siegen endete genau um sechs Uhr. Lamont Moore hatte sich bereits in
unserer Unterkunft eingerichet und hatte das Abendessen für uns
vorbereitet. Wir verbrachten den Abend damit, Pläne für das weitere
Vorgehen zu machen. Die Feuchtigkeit im Stollen hatte schon so großen
Schaden angerichtet, dass nach Schätzungen des Restaurateurs des
Wallraf-Richartz Museums, der aus Langenau gekommen war, zehn Leute
zehn Jahre lang brauchen würden, um diesen zu beheben. Lesley hatte in
Bonn einen Bunker zur Lagerung der Bilder vorbereitet und es waren
Männer bestellt worden, um sie auszuladen. Aber es gab auch in Siegen
selbst geeignete oberirdische Bunker. Wenn die Bilder umgelagert werden
sollten, dann am besten an einen hellen Ort, wo die Restaurateure ihre
Wiederherstellungsarbeiten ausführen konnten. Wir versuchten
vergeblich, telefonisch nach Bonn durchzukommen. Obwohl wir die
Abteilung dort nicht in Kenntnis setzen konnten, verwarfen wir den Plan,
die Bilder außerhalb Siegens zu lagern. Es musste einfach so sein, und
sie würden wohl über ihren Ärger hinweg kommen müssen. Wenn man
nur die zerstörte Heizung der angrenzenden Fabrik wieder reparieren
könnte, oder wenn man ein Ersatzsystem mit elektrischen Ventilatoren
installieren könnte, das würde uns weiterhelfen, bis ein geeignetes
Aufbewahrungslager gefunden war. In dieser Hoffnung riefen wir das
Hauptquartier an und strichen die Order für zwanzig Lastwagen, die am
nächsten Tag eintreffen sollten. Die bloße Tatsache, dass wir eine
Telefonverbindung bekommen hatten, bestärkte uns in unserer
Überzeugung, dass wir auf dem richtigen Weg waren. Aber es war sehr
peinlich, das Steve zu erklären. Er kam später am Abend aus Weimar an,
30
von wo aus er per Anhalter gefahren war, in ungeduldiger Erwartung,
die Dinge anzupacken und voller Energie, um viele Kunstschätze zu
transportieren.
Am folgenden Morgen fuhren wir zum Stollen. Ich war nicht mehr in
dieser zerstörten Stadt gewesen seit dem Tag, an dem ich mit George
und dem Vikar durch die kürzlich eingenommenen Straßen, die noch
unter Feindesbeschuss standen, gegangen war. Nicht eine einzige Stelle
konnte ich wiedererkennen. Das wiederkehrende Leben hatte alles
verändert. Sogar der Eingang zum Tunnel sah anders aus. Schon beim
Eintritt in die Stadt hatten mich Wegweiser zur «291igsten Kunst-
ausstellung» stutzig gemacht. Aber völlig verblüfft war ich, dass der
Wanderer am Eingang des Tunnels in bester Gl Manier geschrieben‘
sah:
Golden Arrow Kunstmuseum
(Siegen Kupfermine)
Europa’s Kunstschätze
Restauriert
Malereien der alten Meister
Rembrandt-Rubens-VanDyck
Delacroix-Van Gogh-Holbein
Gebeine und Krone
Karls des Großen
Originalmusik von
Beethoven
Entdeckt und bewacht durch die
8te Infanterie Abteilung
Die achte Division, deren Symbol der goldene Pfeil war, hatte ihre
Verantwortung ernst genommen. Die Wachen waren da, wie sie es von
dem Tag an waren, an dem unsere Truppen das erstemal die Stadt betreten
hatten. Auch wenn ihre Wegweiser eine Art Fremdenverkehrsgewerbe
ausgelöst hatten, so hatten sie es geschafft, die angepriesene Ware vor
Raub und Schaden zu bewahren. Als wir den Tunnel (Stollen) betraten,
kamen uns aus der Dunkelheit Dampfwolken entgegen, der schlüpfrige
Weg zum «Kunstmuseum» war ein Zeichen dafür, dass Eile geboten war.
Welch ein Tag des Verhandelns, Entdeckens und der Enttäuschung
das war! Da war Etzkorn, der Konservator, der uns die Tür bei unserem
ersten Besuch geöffnet hatte. Er sah jetzt noch dünner und sehr viel
besorgter aus. Da waren die beiden Männer vom Wallraf-Richartz; Co-
lonel Stone, Befehlshaber der amerikanischen Besatzungstruppen; die
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technischen Offiziere und die britischen Offiziere der Militärregierung;
sie waren im Begriff, die Verwaltung des Gebietes zu übernehmen. Der
erste Schlag, den unser Plan erlitt, war die klare Ansage, dass es in diesem
Stadtteil lange Zeit keinen Strom geben würde. Es gab keine tragbaren
Generatoren, die mehr Energie erzeugen konnten als man für die
Beleuchtung brauchte. Es konnte keine Heizung und kein
Belüftungssystem aufgetrieben werden. Wir suchten nach anderen
oberirdischen Bunkern, aber fanden nur einen, dessen Eingang jedoch
zu eng für die größeren Objekte war. Zur Abendbrotzeit war unsere
Ratlosigkeit schließlich komplett. Nun war es klar, dass die Bilder wohl
an einen anderen Ort transportiert werden mussten, und das mit weiterer
Verzögerung. Aber wir hatten ja die Transporter abbestellt. Nun blieb
die unangenehme Aufgabe, das Hauptquartier anzurufen und denen zu
sagen, dass wir unsere Meinung wieder geändert hatten. Und schließlich
mussten wir darauf warten, dass ein neuer Convoy vorbei kommen
konnte.
Am späten Abend kam Colonel Stone zu unserer Unterkunft und war
sichtlich aufgeregt. Neunzehn Lastwagen mit französischen Fahrern
waren angekommen, um «Kunst» zu transportieren. Es gab Probleme
mit der Unterkunft und es bestand ein akuter Mangel an Verpflegung.
Aber Colonel Stones Gastfreundschaft war ungebrochen. Er konnte das
regeln. Schließlich gab es wieder eine Möglichkeit, die Bilder zu
transportieren !
Im schlimmsten Fall konnten wir die Lastwagen wenigsten dazu
benutzen, die Bilder in oberirdische Bunker nach Siegen zu bringen.
Vier Wagen könnten die Teile, die zu groß für die Eingänge waren, direkt
nach Aachen und Köln zurückbringen, wo die beschädigten Kathedralen
immer noch Schutz bieten konnten. Glücklicherweise konnten die größten
Kisten alle mit einem Transport verschickt werden. Das waren der
Domschatz von Aachen, Kunstschätze aus Kölner Kirchen und die
Eichentüren von St. Maria im Kapitol. Wenn diese Schätze erstmal aus
dem Weg waren, war es nur noch halb so schlimm, die vierhundert Bilder
und dreihundert Skulpturen durch den engen Gang zu schleppen,
vorausgesetzt es gab genug Männer, die helfen konnten.
Nachdem wir zu dieser Entscheidung gelangt waren, konnten wir
ruhiger schlafen. Allerdings hätten wir das nicht, wenn wir gewusst hätten,
welche Neuigkeiten uns am nächsten Morgen erwarteten. Colonel Stone
erhielt die Nachricht - er sagte uns nicht von wem - dass die Lastwagen
für den Transport Heimatloser gebraucht wurden. Der Leutnant, der für
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den Convoy verantwortlich war, war verschwunden. Es konnte also nichts
entschieden werden, bevor dieser nicht gefunden war. Wir schickten Steve
los, um ihn zu suchen - das war die erste Mission, die er nicht erfüllen
konnte - und dann hielten wir uns mit der Annahme aufrecht, dass, selbst
wenn die Trucks für Heimatlose vorgesehen waren, wir vielleicht vier
von ihnen für die erste Phase des Umzugs loseisen konnten.
Es wurden dann später Lampen im Stollen aufgehängt und ein kleiner
Generator an den Eingang gestellt, der von der Wache bedient wurde.
Eine aus Zivilisten bestehende Arbeitsgruppe wurde gebildet und nach
dem Mittagessen veranlassten wir, dass die schweren Kisten zum Eingang
geschleppt wurden, um sie für den Transport vorzubereiten. Ich schickte
Steve los, um die vier Lastwagen zu besorgen, weil ich mir sicher war,
dass er das schaffen würde, auch wenn er den verirrten Leutnant nicht
hatte finden können. Wenn Steve sich um die Lastwagen kümmern wollte,
dann konnten ihn keine Heimatlosen oder irgendwelche Befehle davon
abhalten.
Aber es wurde fünf Uhr - die heilige Stunde, zu der zivile Arbeiter
ihre Beschäftigung üblicherweise niederlegten - und die Lastwagen waren
immer noch nicht da. Als ich sie jedoch entließ und die Arbeiter ans
Tageslicht gingen, fuhren plötzlich vier Lastwagen vor. Ich riskierte also
den Zorn der militärischen Aufsicht und schickte die Zivilisten ans
Verladen der großen Kisten. Sie arbeiteten gehorsam, aber als das
Abendessen nahte, war erst die Hälfte der Fracht verladen. Wir hatten
nichts, um die Arbeiter, die ohnehin schon an Unterernährung litten, zu
sättigen. Die Ankunft der französischen Fahrer hatte die Essensrationen
schon bis an die Grenze belastet. Ich schickte die Crew wieder zurück zu
ihren Familien; ich wusste, dass es außer Frage war, sie zum
Wiederkommen zu bewegen, schließlich war es verboten, Zivilisten zur
Nachtarbeit abzurufen. Es waren immer noch zwei Lastwagen zu beladen.
Wenn wir es nicht schaffen würden, am nächsten Morgen früh damit
anzufangen, würde uns das Wochenende drei Tage zurückwerfen - und
so lange konnten wir einen Militärtransport auf keinen Fall in Anspruch
nehmen, vor allem in Anbetracht unseres fragwürdigen Rechts, diesen
Transport überhaupt nutzen zu dürfen. Als ich mich in dieser brenzligen
Situation an Steve wandte, versicherte er mir, dass jemand auftauchen
würde, um das Aufladen zu erledigen. «Ich hole ein paar kräftige Frauen
aus dem Straflager,» sagte Steve. «Aber guck dir an, wie groß die Kisten
sind, Steve». «Oh das ist okay, Captain, warten Sie nur, bis Sie sehen,
wie groß die Frauen sind.»
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Ich blieb - um es vorsichtig auszudrücken - mit einigen Bedenken
zurück. Aber ich war sehr erleichtert, als Steve mit der gesamten Siegener
Polizei zurück kam, die dann alles wunderbar verlud.
Wir nutzten den Convoy nach Köln und Aachen, um noch in letzter
Minute wenigstens einige Kisten vom Schnütgen-Museum in Köln und
ein paar neuzeitliche Kopien von Kronen und Insignien des antiken
Heiligen Römischen Reiches mitzugeben. (Eine dieser Kronen, von denen
die Amerikaner annahmen, es sei die echte von Karl dem Großen, war
laut Etzkorn vierhundert Gl’s gezeigt worden und von mindestens
zweihundertfünfzig aufgesetzt worden. Sie war sogar zum Hauptquartier
der Neunten Armee in Braunschweig gebracht worden, in Begleitung
vom begeisterten Etzkorn.)
Unsere übereilte Entscheidung und die hastigen Vorbereitungen hatten
zur Folge, dass ein sehr wichtiger Teil des Arrangements übersehen wurde.
Aachen und Köln gehörten nicht zum Gebiet der Fünfzehnten Armee.
Laut den Bestimmungen musste alles mit dem stellvertretenden Stabschef,
G5, geklärt werden, bevor irgendetwas von einer anderen Armee ins Areal
gebracht werden durfte. Ich wusste, dass nicht einmal Karl der Große
ohne Genehmigung empfangen werden durfte, obwohl er elfhundert Jahre
in diesem Land verbracht hatte. Auf normalem Dienstwege hätte die Sa-
che Wochen in Anspruch genommen. Also verbrachten wir den Abend
damit, das Telefon zu reparieren, um zum Hauptquartier der Fünfzehnten
durchzukommen. Da es nicht möglich war, Bill Lesley, der dort meinen
Job ausübte, über unser Kommen zu informieren, entschieden wir, dass
es kein Zurück gab und dass wir ungeachtet der Konsequenzen morgen
aufbrechen würden.
Unser kleiner Convoy fuhr früh los. Wir nahmen einen Wachmann in
einem Waffentransporter mit, der von Colonel Stone zur Verfügung
gestellt worden war. Steve und Etzkorn kamen mit mir, während Lamont
zurückblieb und sich mit den Vorbereitungen für den nächsten Transport
plagen musste. Die französischen Fahrer hatten zunächst Bedenken. Wenn
amerikanische Soldaten unordentlich und ungepflegt sind, erscheinen
sie wie gewöhnliche Landstreicher. Französische Soldaten hingegen
umgibt unter denselben Umständen die romantische Aura eines Briganten,
der zwar nett anzuschauen ist, aber nicht wirklich Vertrauen erweckend
scheint. Außerdem kannten wir sie als sprichwörtlich rücksichtslose
Fahrer. Bevor wir losfuhren, kam meine kleine Gruppe Abenteurer
geschlossen zu mir. Sie hatten etwas auf dem Herzen, das zu klären war.
Ihr Sprecher, der scheinbar vorher auserkoren worden war, um mich zu
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fragen, sagte: «Mon Capitaine, bei allem Respekt, wir finden, wir haben
das Recht zu erfahren, was wir nach Aachen schleppen.»
Das war meine Chance. Mit dem durchbohrendsten Blick, den ich
beherrschte, sagte ich feierlich: « Es ist Karl der Große selbst, den ihr in
eurem Lastwagen nach Aachen zurückbringt.» Dann, nach einer
angemessenen Pause, fügte ich hinzu: «Und ihr transportiert in eurem
Lastwagen auch den Mantel der Heiligen Jungfrau, die Windeln des
Jesuskindes, das Leichenhemd Johannes des Täufers und die Gebeine
vieler anderer Heiligen.»
Nie wurden Lastwagen mit solcher Behutsamkeit gefahren als die,
die Steve und ich westwärts zum Rheinland steuerten! )
Unsere Fahrt wurde mehrmals in Städten mit militärischen Einheiten,
bei denen wir mögliche Telefonverbindungen zur fünfzehnten Armee
vermuteten, unterbrochen. Trotzdem blieb unsere Ankunft um zwei Uhr
in Köln unangekündigt und unwillkommen. Die Offiziere der dortigen
Abteilung der Militärregierung waren nicht im Geringsten an Schreinen
und romanischen Türen interessiert. Ihr einziger Vorschlag war, bis
Montag zu warten, dann würden wir vielleicht Hilfe zum Abladen aus
dem Büro des Bürgermeisters erhalten. Es war klar, dass übers
Wochenende nichts erreicht werden konnte. Der Offizier, zu dessen
Sonderaufgabe es gehörte, sich um solcherlei Angelegenheiten zu
kümmern, war damit beschäftigt, eine Gruppe US Senatoren auf ihrem
Besuch zu begleiten. Uns war das Glück ausgegangen. Als dieser Offizier
endlich ansprechbar war, war seine einzige Hilfe, uns einen Parkplatz
für unseren Convoy zu zeigen, auf dem wir bis Montag stehen bleiben
konnten.
Wir standen zu diesem Zeitpunkt vor der Kathedrale, dem einzigen
Gebäude in Sichtweite, das noch vollständig stand. Es gab darin einen
Bunker, in dem die Kölner Schätze sicher untergebracht werden konnten.
Aber die leere Straße, die Stille und Verlassenheit der zerstörten Stadt,
die Verwirrtheit unseres Gastgebers, alles machte nur noch deutlicher,
wie unpassend unsere Ankunft war. Ich merkte, dass Steve plötzlich
verschwunden war. Ich wartete, bis er zurück kam und fand mich schon
mit dem Gedanken an die unvermeidliche Verzögerung ab, die mit
Sicherheit in Siegen für Verwirrung sorgen sollte. Aber nach zehn Minuten
tauchte Steve wieder auf und hatte zahlreiche Männer und Jungs bei
sich. Ich fragte nicht, wie er sie zusammen bekommen hatte und erinnerte
ihn auch nicht an die Warnungen, keine Zivilisten an Wochenenden oder
«außer der Reihe» zum Arbeiten zu befehligen. Schließlich gehörten die
35
Sachen ihnen; Köln war ihre Stadt - zumindest was von ihr übrig geblieben
war. Angesichts der aufkommenden Geschäftigkeit ließ uns der
Kanonikus in die gigantische, verstümmelte Kirche eintreten und gab
seiner Freude Ausdruck, die Schätze wieder in Empfang nehmen zu
dürfen. Es war keine leichte Aufgabe, die großen Türen des Kapitols die
Treppe hinauf zu schleppen. Wenige Meter weiter klafften dort die
Türöffnungen und gaben die berühmte und vollkommen zerstörte Apsis
dem Himmel preis.
Nach einem schnellen Abendessen, bei dem wir uns gegenseitig für
das Getane beglückwünschten, nahmen wir Abschied von unserem
Gastgeber, damit wir die trostlose Reise durch das verlassene Rheinland
gegen Abend beenden konnten. Unsere Ankunft in Aachen war zwar
ebensowenig erwartet gewesen, wurde aber mit ausgesprochener Freude
begrüßt. Hier gab es keine Probleme, Freiwillige für das Abladen der
schweren Kisten zu finden, und so wurden sie zügig und sicher in der
Hubertus-Kapelle der Kathedrale untergebracht.
[...], dass irgendjemand die alten Papiere wertschätzte, aber es wurde
uns angeboten, sie in ein anderes Gebäude zu bringen bevor der Sturm,
der sich angekündigt hatte, losbrach. Alle Einwohner der Stadt machten
mit [?], und etliche Wochen später konnten wir die Archive - zwei ganze
Räume voll - zurück nach Magdeburg bringen.
Dies waren die Aufgaben, mit denen unsere Mission endete. Trotz der
entmutigenden Einsicht, dass wir angesichts der unendlich großen Not
machtlos waren, war es uns doch immer wieder eine Befriedigung, alles
zu versuchen, auch wenn nur das Geringste dabei heraus kam. Die größte
Freude dabei bestand darin, sich mit Gleichgesinnten zu vereinigen, wie
z. Bsp. den Belgiern, die unsere Sorge um ihr vaterländisches Erbe
überraschte, anderen Offizieren, seien es Briten oder Amerikaner, die
verstanden hatten, wie wichtig es war, etwas aus der Vergangenheit der
Menschen vor dem Ruin, der die Welt bedrohte, zu retten, Gl’s, wie
Pioniere, die mir im strömenden Regen geholfen hatten, die Statuen vom
Dachzimmer des durch Granaten zerstörten Schulhauses in Amblöeve (=
Amel) zu holen, als die Ardennenoffensive losbrach. Sie hatten sich
gewünscht, einen weiteren so interessanten Job wie diesen zu bekommen.
Es gab Deutsche, die uns so vertrauten, dass sie trotz allem gerne die
mühsamen Aufgaben ausführten, mit denen wir sie betrauten. Sie sahen,
dass unsere Bemühungen um die Kunstschätze - sowohl in Deutschland
als auch im Ausland - nicht auf purem Egoismus begründet waren, wie
es bei so manchem ihrer Führer war. Keimte da vielleicht in diesem
36
gegenseitigen Vertrauen und gemeinsamen Interesse etwas auf, das
schließlich dem Weltfrieden genauso gut dienen könnte wie all die
disziplinarischen Maßnahmen, an die wir heute so stark glauben?
Soweit der Bericht des Captain Hancock über die Erlebnisse in Aachen
und die Rückführung des ausgelagerten Domschatzes.
Nachtrag
Hancock gehörte auch zu den Unterzeichnern des «Wiesbadener
Manifests» vom 7. November 1945, in dem sich 24 der 35
Kunstschutzoffiziere der MFA & A (Monuments, Fine Arts & Archives/
Denkmäler, schöne Künste u. Archive) gegen den Abtransport deutscher
Kunstgegenstände in die Vereinigten Staaten aussprachen. X
Sie sahen in einer solchen von höchsten Stellen angeordneten
Überführung einen Präzedenzfall, der «weder moralisch noch
glaubwürdig» sei.
Seit Beginn des Eintritts der USA in den Krieg sei es erklärte Politik
derselben gewesen, soweit es militärische Notwendigkeiten zuließen, alle
Denkmäler und Dokumente von historischem, künstlerischem,
kulturellem oder archäologischem Wert vor der Zerstörung zu schützen.
Jetzt, wo der Krieg zu Ende sei, könne man keine militärische
Notwendigkeit für den weiteren Schutz der wegzuführenden Gegenstände
anführen, denn passende Lagerräume und kompetentes Personal sei bereit
gestellt und in Funktion.
«Wir möchten betonen, so die Unterzeichner des Manifests, dass nach
unserer Kenntnis keine geschichtliche Kränkung so lange anhält oder
den Grund für eine so gerechtfertigte Bitterkeit darstellt, wie es die
Wegnahme — aus welchem Grunde auch immer — eines Teiles des Erbes
einer Nation darstellt, selbst wenn dieses Erbe als Teil der Kriegsschuld
betrachtet würde.
Und obschon diese Wegnahme in altruistischer Absicht geschehen
könnte, sind wir nichtsdestoweniger überzeugt, dass es unsere Pflicht
ist, individuell und gemeinsam dagegen zu protestieren.»
Trotz dieser deutlichen Worte wurden 202 deutsche Kunstwerke
verpackt und mit dem Schiff nach Amerika gebracht, wo sie im Dezember
1945 in der National Gallery in Washington eintrafen. Eine Ausstellung
dieser Objekte wurde zu einem Riesenerfolg. Die Vereinigten Staaten
gaben diese Kunstschätze später wieder an die deutschen Museen zurück.
37
An der Talsperre
Der See trinkt von des Himmels Blau
mit seinem dunklen Mund,
die lichte Wolke, taubengrau
erzittert überm Grund.
Der grünen Ufer steiler Fall
neigt sich zur Spiegelflut,
als suchten sie das ferne Tal,
das in der Tiefe ruht.
Das tiefe Wasser, kühl und weit,
wellt leise bis zum Rand,
ein Segel der Gelassenheit
zieht lautlos hin zum Land.
Des Vogels Schwinge blitzt im Licht,
das schimmernd sich ergießt,
lautlose Einsamkeit zerbricht,
die aus der Tiefe fließt.
M. Th. Weinert
38
Uran am Altenberg ?
von Firmin Pauquet
In der Nummer 81 der Zeitschrift «Im Göhltal» erschien S. 75-90 ein
Aufsatz mit diesem Titel von meinem ehemaligen Schüler Henri Beckers.
Dieser Aufsatz wäre bestimmt hochinteressant gewesen, falls die Angaben
stimmten, was selbstverständlich dann in wissenschaftlichen
Publikationen erwähnt worden wäre. Als Quelle gibt Henri Beckers eine
Internetmitteilung eines Herrn Moritz Kuszcynka (www. weetnet. nl /
moresnet) an.
Als ehemaliger Geographielehrer an der Kelmiser Staatlichen.
Mittelschule habe ich diese Quelle dann auch befragt. Ich habe feststellen
können, dass mein ehemaliger Schüler treu aus dem Niederländischen
ins Deutsche übersetzt hat. Nur hat er sich nicht die Frage gestellt,
inwiefern diese Internetmitteilung glaubwürdig sein konnte.
Ich habe einen Haufen geologische Publikationen deswegen zu Rate
gezogen. Hier folgt das Ergebnis meiner Recherchen:
1° Geologische Karte der Wallonie (Maßstab 1/25.000); Karte 35/5-
6, 43/1 -2, 43/3-4; Gemmenich-Botzelaar, Henri-Chapelle-Raeren,
Petergensfeld-Lammersdorf. Ausgabe 2000. In den beigefügten
Erläuterungen heißt es S. 67 unter 8.2. Ressources minerales et fossiles
(Bodenschätze) und S. 68 Minerais m6talliques (Metallerze): La min&-
ralogie de ces gisements &tait g&nEralement simple: il s’agissait le plus
souvent d’assemblages de sphalerite (ZnS), de galene (PbS), de pyrite
ou de marcassite (FeS2) et de leurs produits d’oxydation. Parmi ces der-
niers, citons la calamine, un m&€lange de minerais oxydes de zinc,
carbonat&s (smithsonite et hydrozincite) et silicat&s (willemite et
he&mimorphite), souvent souill& par des oxydes de fer (limonites) et des
argiles....le gisement de La Calamine a produit ä lui seul plus de zinc
mö6tal que tous les autres gisements r&unis (571.900 t contre 529.874 t).
In den Erläuterungen zur Karte 43/5-6, Limbourg-Eupen, 1996, finde
ich einen ähnlichen Kommentar in deutscher Sprache, S.161: Die
Mineralogie dieser Lagerstätten ist in der Regel recht einfach: es handelt
sich meistens um Vergesellschaftungen von Zinkblende (ZnS), Bleiglanz
(PbS), Pyrit oder Markassit (FeS2) und ihren Oxidationsprodukten. Unter
diesen letzteren sollte man das Calamine (/), d. h. Galmei, erwähnen,
eine Mischung aus oxidierten Zinkmineralien, karbonatischen Mineralien
(Smithsonit) und Silikaten (Willemit und Hemimorphit), oft durch
39
Eisenoxide (Limonit) und Tone verschmutzt. In diesen: Erläuterungen
kommt ein zusätzlicher Abschnitt «Urananomalie», S. 163, vor: Das
Uranforschungsprogramm in Belgien (CHARLET et al., 1983) hat einige
Urananomalien auf dem Kartenblatt (43/5-6) gezeigt und zwar im Sta-
velot Massiv, am Kontakt der La Gleize und Jalhay Formationen, und
im Weser Massiv.
Seltsamerweise werden keine Urananomalien auf dem angrenzenden
nördlichen Blatt 43/1-2, angegeben, auf welchem sich der Altenberg in
der jetzigen Gemeinde Kelmis, ehemals Neutral-Moresnet, vor 1794
Herrschaft Kelmis, befindet. A
2° Melon Joseph, Bourguignon Pol, Fransolet Andre-Mathieu: Les
mineraux de Belgique, 1976. Die drei Autoren sind Professoren der
Uni Lüttich, Mineralogisches Institut. Es werden überhaupt keine
Uranerze erwähnt, obschon mehrere schöne Farbabbildungen aus
Moresnet stammen (d. h. wohl aus dem Konzessionsfeld der Vieille
Montagne): Photo 1: Schalenblende (wohl Schmalgraf); Ph.2:
Strickbleiglanz auf Sphalerit (ib.); Ph.7: Smithsonit auf Galmei (wohl
Altenberg); Ph.14: Willemit (ib.); Ph. 20: Fraipontitader in Smithsonit
(ib.).
3° Buttgenbach H. (Emer. Professor der Uni Lüttich, Mitglied der
Kgl. Akademie): Les Mineraux de Belgique et du Congo belge, 1947,
erwähnt S. 586 alle 22 Mineralien, die in Moresnet (wohl neutre), d. h.
Kelmis, entdeckt wurden. Ferner gibt er auch die Mineralien folgender
Ortschaften der Umgebung an: Baelen, Bilstain, Bleiberg, Bruye&re,
Dickenbusch, Dison, Dolhain, Fouron-le-Comte, Heggelsbruck,
Herbesthal, Pandour, Rocheux (Theux), Schmalgraf, Sippenaeken,
Stemberg (sie), Theux, Vaux-sous-Olne, Verviers. Manchmal werden
verschiedene Orte als zu Moresnet (Gemeinde) gehörend angegeben, es
handelt sich dann fast ausschließlich um Gruben der Vieille Montagne
(Konzession Moresnet). Nirgendwo erwähnt der angesehene Mineraloge
Uranerze. S. 52 schreibt er, dass die belgischen Zinkblenden folgende
Mineralien enthalten können: Quecksilber, Indium, Cadmium, Thallium.
Nach spektographischen Analysen sind typisch für die Zinkblende von
Bleiberg, Moresnet und Engis bei Huy: Mangan, Kupfer, Silber, Germa-
nium und Cadmium, manchmal auch Zinn, Nickel und Kobalt.
Dagegen werden natürlich viele Uranerze in Belgisch-Kongo
beschrieben: Pechblende, bzw. Uraninite, 5.465; Uranolepidit, S. 486;
...Die Uranate werden S. 465 bis 488 behandelt.
40
Unter der zitierten Fachliteratur findet sich bei Buttgenbach beim
Artikel «Zinkblende» u. a. die Beschreibung von Charles Timmerhans:
Les gites metalliferes de la region de Moresnet, Congrös international
des Mines, Liege, 1905. Timmerhans, geboren in Lüttich am 29. April
1865, war 1887 als Bergingenieur an der Universität Lüttich diplomiert
worden und trat 1888 der Agence de Moresnet der Vieille Montagne bei.
Er heiratete am 16. Juni 1892 die Lütticherin Rachel Oury. Am 14.
November 1894 wurde er zum Direktor der Agence de Moresnet ernannt.
Diese Verantwortung trug er bis zu seiner Pensionierung am 1. Januar
1939 und blieb noch Berater des Verwaltungsrates bis zu seinem Tode in
Lüttich am 16. Dezember 1946. Unter der Direktion von Timmerhans
wurden in Neutral- und Preußisch-Moresnet bedeutende neue ”
Einrichtungen aufgebaut: 1900 die sogenannte neue Wäsche oder
Aufbereitung der Sulfiderze (Zinkblende, Bleiglanz, Schwefelkies) aus
den unteren Etagen der neuen Gruben (Schmalgraf, Eschbroich, Fossey,
Lontzen); 1910 das neue Gebäude der Direktion und die elektrische
Zentrale (Kraftwerk für alle Gruben und Anlagen); 1928 die
Zinkoxidfabrik (sogenannte Giftmühle) zur Verwertung alter Halden, die
noch Stoffe bis 11% Zinkgehalt enthielten; 1935 das Flottationsverfahren
zur Aufbereitung ärmerer Haldenstoffe.
4° Der Bergbau auf der linken Seite des Niederrheins. Festschrift
zum XI. Allgemeinen Deutschen Bergmannstage in Aachen, 1910. Ber-
lin, 1910. Verlag der Kgl. Geologischen Landesanstalt.
Erster Teil: Die Geologie des Nordabfalles der Eifel und des
Niederrheinischen Tieflandes von E. Holzapfel, W. Wunstorf, G. Fliegel,
aufgeteilt in I. Holzapfel: Die Geologie des Nordabfalls der Eifel mit
besonderer Berücksichtigung der Gegend von Aachen. S. 1/214. Zweiter
Teil: Der Erzbergbau von F. Klockmann und F. Herbst, aufgeteilt in I. F.
Klockmann: Die Erzlagerstätten der Gegend von Aachen. S. 6/30. Darin
S.15/17: «Das Altenberger Galmeilager: Der nördlichste der in der
Aachener Gegend auftretenden Oberdevon Sättel, auf dem die Stadt
Aachen selbst und ihre beiden Thermallinien liegen, streicht in breitem
Zuge unter den Senonsanden des Aachener Waldes hindurch nach SW
auf Altenberg zu und teilt sich hier in 2 Spezialsättel, zwischen die sich
eine schmale, flach nach SW einsinkende Carbonmulde einlagert. Diese
Carbonmulde ist die Trägerin der wichtigen Erzvorkommen des
Altenbergs, von Schmalgraf und von Mützhagen. Das Altenberger Lager
selbst liegt ganz am äußersten Nordostende der genannten Carbonmulde
41
und ist in seinen Vorkommen an die Dolomite geknüpft, die als
durchgehender Horizont den unteren Teil des Kohlenkalks ausmachen
und hier zu Tage ausgehen... Während das größere Nordlager (die Kull)
dessen Inhalt auf 1,5 Millionen Tonnen berechnet ist, nur bis 65 m Tiefe
herabreicht, findet das nur 1/3 so große Südlager (das früher Herkenbroich
hieß) sein Ende erst bei 116 m. Die gesamte Längenerstreckung des
Erzlagers beträgt ca. 600 m. Die Erzmasse bestand, abgesehen von
gelegentlichen blockartigen Einschlüssen unveränderten Dolomits, aus
Galmei und bildete ein festes, derbes Gemenge von vorherrschendem
und für den Altenberg charakteristischem Kieselzinkerz mit Zinkspat,
wozu häufig auch noch größere und kleinere Partien von Willemit traten.
Sulfide sind nur in Spuren vorhanden gewesen. Die ein- und aufgelagerten
Dolomitmassen waren von Galmeiadern durchtrümmert. Im Altenberger
Galmeilager liegt der Typus der rein metasomatischen Lagerstätte, die
aus der Umwandlung des Dolomits hervorgegangen ist, vor... Von irgend
welchen die Umwandlung bedingenden Gangspalten ist nichts mehr zu
sehen, doch weist die Lage des Erzvorkommens auf dem von Bleiberg
bis zur Grube Fossey herüberstreichenden Spaltensystem auf den
ursächlichen Zusammenhang und das Vorhandensein durchgehender
Spalten hin.»
5° BECK, Dr. Richard (Prof. der Geologie u. der Lagerstättenlehre
an der Kgl. Bergakademie Freiberg (Sachsen); Kgl. Sächsischer
Oberbergrat, Ehrenmitglied des Amer. Institute of Mining Engineering:
Lehre von den Erzlagerstätten, 3. Auflage, Berlin 1909 (1. Auflage
1900), frz. Übersetzung Chemin; Engl. Übersetzung W. H. Wead, 1905)
Erwähnenswert ist sicher, dass 1906/1907 Prof. Dr. Beck in
freundschaftlichem Briefwechsel mit Direktor Timmerhans nach der 1905
veröffentlichten Studie des Letzteren stand, die er Prof. Beck zukommen
ließ. Ich besitze einige dieser Briefe aus dem Bestand des Moresneter
Archivs der Vieille Montagne. Beck bedankt sich u. a. für die Zusendung
einer geologischen Übersichtskarte des Altenberger Konzessionsfeldes
für das berühmte Freiberger geologische Institut.
In seinem Werk (Bd. I, S. 410) finden wir Uranerze in Gängen der
edlen Silber-Kobalterzformation des Erzgebirges u. a. bei Joachimsthal,
heute Jachymov, in Böhmen, sowie in der Umgebung von Annaberg in
Sachsen (S. 414); bei Johanngeorgenstadt in Sachsen (S. 417). In Gängen
der kupferigen Goldquarzformation (ab S. 449) erscheinen Uranerze in
den Gängen von Gilpin County bei Denver, Colorado, in den USA (S.
42
452). In der quarzigen Kobaltformation (ab S. 507) findet man sie z. B.
im Revier vom Schneeberg in Sachsen (S. 510). Ferner kommt
Uranglimmer (S. 281) in den Zinnerzlagerstätten von Altenberg, Zinnwald
und Graupen (ab S. 275) im sächsischen Erzgebirge vor. Dagegen erwähnt
Beck keine Uranerze in seiner Beschreibung der Erzlagerstätten der
Umgebung von Aachen (Bd. II, S. 265-271), die er unter den
epigenetischen Erzstöcken der Silber-, Blei-, sowie Zinkerzformation
einordnet (Bd. II, S. 249 ff). Als wichtigste Literatur zitiert Prof. Beck:
Max Braun (ehemals Oberingenieur der Vieille Montagne in
Moresnet), Über die Galmeilagerstätte des Altenbergs in
Zusammenhang mit den Erzlagerstätten des Altenberger
Grubenfeldes und der Umgegend; Zeitschrift der Deutschen
Geologischen Gesellschaft, Bd. IX, 1857, S. 354-370, sowie
Charles Timmerhans, Les Gites metallif&res de la region de
Moresnet. Liege, 1905, pp. 1-28 avec 5 planches.
Aus diesem langen Exkurs zu den spezialisierten geologischen und
mineralogischen Fachwerken scheint es mir klar, dass die Behauptung
des Herrn Moritz Kuszcynka (S. 79) eben ein Märchen ist!!! Oder hat
vielleicht dieser Niederländer tschechischer Abstammung aus
Leidenschaft unser Altenberg bei Aachen (la Vieille Montagne des cala-
mines du duch€ de Limbourg) mit dem Altenberger Stockwerk des ihm
wohlbekannten Erzgebirges verwechselt? (Beck, Bd. I, S. 191, 204, 228,
2757292)
Merkwürdig ist auch, dass der bekannte Prof. der Geologie und
Mineralogie an der Universität Bonn, Arnold von Lasaulx, ein Enkel des
Bürgermeisters Arnold Timothee de Lasaulx in seinen vielen
Veröffentlichungen nie das Vorhandensein von Uranerzen in der
Moresneter Umgebung erwähnt, die er so oft bei seinem Großvater auf
Buschhausen besuchte.
Nachdem wir somit das Uranmärchen, als Ursache der weiteren
Überlegungen des Herrn Kuszcynka erledigt haben, müssen wir uns nun
diesen Überlegungen widmen. Das im Jahre 1808 angegebene Treffen
der Herren von Stein und von Limburg-Stirum mag wohl ein Tippfehler
(für 1818?) sein, da in diesem Jahre Napoleon und die Franzosen noch
uneingeschränkt über Europa herrschten. Es konnten damals überhaupt
keine geheimen Verhandlungen «über die Zukunft der kleinen Domäne
Moresnet» eingefädelt werden. Was mit der «Domäne Moresnet» gemeint
ist, bleibt ein Rätsel. Wahrscheinlich meint der Autor das ca. 8500 ha
große Konzessionsfeld, das die französische Regierung am 30. Ventöse
43
des Jahres XIII (21. März 1805) um den Altenberg festgelegt hatte, in
Anwendung des Berggesetzes vom 28. Juli 1791, das in den annektierten
Gebieten («departements r&unis» = Belgien + Lüttich) durch Erlass der
Volksrepräsentanten am 29. Brumaire des Jahres IV (20.11.1795) in Kraft
trat. Dieses Konzessionsfeld wurde dann am 26. Frimaire des Jahres XIV
(17. Dezember 1805) dem eh. Stiftsherrn des Lütticher St. Petersstiftes J.
J. D. Dony als Meistbietendem für 50 Jahre seitens des Präfekten des
Ourtedepartements zugeschlagen. Durch kaiserliches Dekret vom 4. März
1806 wurde dieser Zuschlag bestätigt.
Die dann erwähnte Meinungsverschiedenheit über die «Souveränität»
der Erzgrube ist gar nicht auf dem Wiener Kongress entstanden, sondern
erst später bei der Festlegung der Grenze zwischen Preußen und den
«wieder vereinigten» Niederlanden und der Aufteilung der
vorspringenden Spitze des Kantons Aubel südlich von Aachen (la pointe
avanc6e du canton d’Aubel au midi d’Aix-la-Chapelle), die dem
Königreich Preußen auf dem Wiener Kongress zugesprochen worden
war. Die neue Grenze wurde endgültig im Aachener Grenzvertrag vom
26. Juni 1816 festgelegt mit der einzigen Bemerkung, dass sie im Bereich
der früheren Mairie de Moresnet (und wohl auch Gemmenich)
unbestimmt blieb. Wohlbemerkt, dass der westlich der von den
preußischen Kommissaren vorgeschlagenen Linie liegende Teil dieser
Mairie jedenfalls niederländisch blieb und dass der östlich der von den
niederländischen Kommissaren vorgeschlagenen Linie (der durch den
Berührungspunkt der drei Departements Ourthe, Niedermaas und Roer
ziehende Meridian) jedenfalls preußisch wurde. Der zwischen diesen
beiden Linien liegende Teil der Mairie de Moresnet (und wohl auch der
im Text nicht erwähnte bewaldete Teil der Mairie de Gemmenich) sollte
provisorisch von beiden Mächten gemeinsam verwaltet und durfte
militärisch von keiner der beiden besetzt werden. Deswegen wurde er
«neutral» Da alle durchgeführten Verhandlungen über’ die eventuelle
Teilung des streitigen Gebietes im Laufe der Jahre auch nach der
Erschöpfung des Altenberges 1884 scheiterten, blieb das dreieckige (und
nicht rautenförmige!) juristische Kuriosum bis zum Versailler Vertrag
vom 19. Juni 1919 bestehen.
Für weitere Informationen diesbezüglich siehe: PAUQUET, Firmin:
Le Territoire conteste de Moresnet, dit Moresnet neutre, Bull. Soc.
Vervietoise d’Archeologie et d’Histoire, Bd 47, S. 53-154, Verviers,
Gerard,1960, sowie KLINGENBURG, E. M.: Entstehung der deutsch-
niederländischen Grenze. Leipzig, 1940.
44
Das sogenannte «Neutral Moresnet» war auch kein Kondominium im
juristischen Sinne, da beide Mächte es vollständig für sich allein
beanspruchten. De facto haben sie die provisorische Mitverwaltung der
anderen Macht geduldet, um z. B. kriegerische Auseinandersetzungen
zu vermeiden, und sehr oft über Teilungsprojekte verhandelt.
Ob der Herr vom Stein tatsächlich als Vorsitzender einer Kommission
zur Verwaltung der von den Alliierten eroberten Gebiete nach der
Völkerschacht zu Leipzig ernannt und insbesondere der ehemaligen
Österreichischen Niederlande (Belgien) wurde, entzieht sich meiner
Kenntnis. Meines Wissens wird nur der aus Kleve gebürtige preußische
Staatsrat Johann August Sack als Generalgouverneur des am 12. Januar
1814 gebildeten «Generalgouvernements vom Niederrhein» d. h. der von
den Allierten besetzten zwischen Rhein und Maas liegenden Territorien,
d. h. der Departements Ourthe, Niedermaas und Roer, erwähnt. Die Rolle
des Grafen von Limburg-Stirum im November 1813 in den Haag bei der
Machtübernahme durch Wilhelm von Oranje-Nassau scheint mir auch
mindestens übertrieben. In der Allgemene Geschiedenis der
Nederlande, Bd. 11, S. 211 (Fibula-Van Dishoeck,Weesp, 1983) wird
dieser Graf wohl erwähnt, aber eher als ein Hitzkopf geschildert, der in
der Stadt den Haag mit dem Ausruf «Oranje boven» herumprahlt. Der
von Stein an Stirum vorgeschlagene Rat, dafür zu sorgen, dass die
niederländische Delegation in Wien unvorhergesehen Moresnet
beanspruchen könne, scheint mir wie die Uranerze am Altenberg, ein
Märchen. In Wien wurde Moresnet nur indirekt erwähnt, als bestimmt
wurde, dass Preußen verschiedene Kantone im Osten des Departements
Ourthe erhalten sollte, darunter Eupen und die oben erwähnte Spitze des
Kantons Aubel. Auf keinen Fall wollte England Preußen an der Maas
Besitz nehmen lassen. Das Interesse Preußens an dem Aubeler Kanton
war selbstverständlich der Altenberg. Aber nicht wegen Uranerz, sondern
einfach wegen des reichhaltigen Galmeis, der vor allem für die wichtige
Stolberger Messingindustrie unentbehrlich war. Während des ganzen 18.
Jhs. ist die «Montagne des calamines du duch€ de Limbourg» für ihr
hochgeschätztes Erz zur Messingfabrikation in ganz Europa bekannt.
Die wirtschaftliche Bedeutung dieses Reichtums mag wohl so groß sein,
dass die eventuelle Präsenz von Uran überhaupt keine Rolle spielte. Diese
Bedeutung war noch gestiegen durch die Erfindung des Lütticher
Zinkreduktionsofens durch Dony. Neben der Messingherstellung konnte
Altenberger Galmei nun auch zur Herstellung des neuen Metalls dienen.
Dafür mussten wohl Absatzgebiete gewonnen und neue Anwendungs-
45
bereiche gefunden werden und dies bedurfte des Einsatzes von einfalls-
reichen und kapitalkräftigen Handelsleuten. «Der Gelehrte Wilhelm von
Humboldt, (Mitglied der preußischen Delegation am Wiener Kongress,
Gründer der Berliner Universität 1810), sorgte dafür, dass der von Stein
und Stirum vorbereitete Plan, das Problem Moresnet außerhalb der
Schlussakte von Wien zu halten, gelang», behauptet Moritz Kuszcynka.
Diese Behauptung ist falsch: die vordringende Spitze des Kantons Aubel
südlich von Aachen (d. h. die Gemeinden Moresnet und Gemmenich)
wird im Gegenteil ausdrücklich genannt. Wenn es also einen Plan Stein-
Stirum gab, erreichte dieser Plan bestimmt nicht sein Ziel !!
Eine weitere Behauptung, das streitige Gebiet sei nicht unter die
(gemeinsame) Herrschaft von Berlin und den Haag, bzw. Brüssel gelangt,
ist ebenfalls falsch. Wie ich in meiner Studie über das streitige Moresnet
ausführlich gezeigt habe, bildeten die beiden Könige der Niederlande
(später der Belgier) und Preußens, gemeinsam handelnd, die höchste und
souveräne Obrigkeit in Neutral Moresnet. Vertreten wurden sie jeweils
von einem königlichen Kommissar, die beide gemeinsam die Befugnisse
eines französischen Präfekten auszuüben hatten. Preußischerseits wurden
zuerst Bergräte bestimmt: der Geheime Bergrat Wilhelm Hardt, Justitiar
am Oberbergamt Bonn, 1817-1819; Oberbergrat Johann Martin Daniel
Mayer 1819-+1835; Oberbergrat u. Justitiar Heinrich Martins 1836-1853,
später der jeweilige Landrat von Eupen. Belgischerseits waren es erst
Vertreter der Lütticher Provinzialverwaltung, nämlich Werner Jacob,
Mitglied der Deputierten Stände, 1817-1823 und Joseph Brandes,
Protokollführer der Stände, 1823-1830. Nach der Revolution waren die
belgischen Kommissare Magistrate: Lambert Ernst, stellvertretender
Oberprokurator am Lütticher Appellationshof (1835-1840) sowie der
Vervierser Richter Mathieu Cremer (1840-+1889) und endlich der
Vervierser Bezirkskommissar.
Der französische Maire von Moresnet, Arnold Timothee de Lasaulx,
bzw. von Lasaulx, blieb stillschweigend, und zwar bis zu seinem
freiwilligen Verzicht (1859) im Amt. Berücksichtigen muss man dabei,
dass die Einwohnerzahl 1818 ca. 250 Personen betrug, die in ca. 50
Häusern oder Hütten wohnten. Die Gesamtfläche des Gebietes betrug
ca. 344 ha. Die von unserem niederländischen Autor zitierten
Beamtennamen stimmen also. Welche Quelle hat er hierfür benutzt? Ist
ihm meine, aber von ihm nicht erwähnte Studie doch vielleicht bekannt?
Nur war Bürgermeister von Lasaulx natürlich kein «Staatsoberhaupt»
sondern Ortsvertreter derselben.
46
Er irrt auch, wenn er behauptet, diese Beamten seien nur Strohmänner
des Bergwerksdirektors Dony gewesen!!! Im Gegenteil. Sie verfügten
über Kontrollfunktionen über das Bergwerk. Wieso hätte Preußen sonst
gerade Bergräte als königliche Kommissare eingesetzt? Siehe
insbesondere in meiner erwähnten Studie S. 122-130 den Abschnitt «M.-
Affaires minieres, Impöts miniers et surveillance des mines (S. 129-130).
Dony war in Moresnet nicht Bergwerksdirektor sondern Konzessionär,
Pächter des Konzessionsfeldes von ca. 8500 ha auf 50 Jahre, laut
französischem Berggesetz von 1791. Er wohnte weiter in Lüttich im
Viertel Saint L&onard, wo er eine Werkstatt unterhielt, ih der er seine
Versuche zur Herstellung des Reduktionsofens durchführte und später
seine Zinkfabrik baute. In Moresnet war er durch einen Betriebsleiter
vertreten: Gilles-Joseph Deprez, aus Ramet bei Lüttich 1806-+1831. Die
Aufbereitung von Uran und den Transport nach Rotterdam und Sankt
Petersburg gehören natürlich zum Uranmärchen.
Interessant ist weiter, dass M. Kuszcynka den Aachener
Monarchenkongress erwähnt und hierbei seine Quelle, «Geschichte
Aachens in Daten» angibt. Übrigens gibt es seit 2003 eine neue Auflage
dieses bedeutenden Werkes. Archivdirektor Dr. Poll, den ich übrigens
sehr gut gekannt habe, erwähnt hierin auch die Besichtigungen, welche
die hohen Herren in der Umgebung von Aachen durchgeführt haben.
Vom Altenberg ist aber nicht die Rede. Es ist natürlich nicht
ausgeschlossen, dass Zar Alexander I. Interesse für das europaweit
bekannte Galmeilager gezeigt hat, aber dies hätte dann etwas mit dem
Neumetall Zink oder mit Messing zu tun und nicht mit dem nicht
vorhandenen Uran. Die unsichere Besichtigung wird dann auch fast wie
ein Wildwestabenteuer beschrieben. Dafür werden auch keine Quellen
angedeutet. Wieso ?
Dony geriet in finanzielle Schwierigkeiten u. a. durch die Last der
festgelegten Bergsteuern. Am 20. Juni 1813 sieht er sich gezwungen,
seinen Hauptgläubiger, den Pariser Bankier Hector Chaulet; als Teilhaber
seines Unternehmens aufzunehmen. Am 20. August 1813 muss er dem
Pariser Geschäftsmann Brüsseler Herkunft Francois Dominique
Mosselman 3/4 seines Betriebseigentums übergeben. Am 17. September
1819 übernimmt Mosselman auch die Anteile von Chaulet. Inzwischen
hat Dony Konkurs angemeldet. Verarmt stirbt der Entdecker der Lütticher
oder belgischen Zinkreduktionsöfen am 6. November 1819 in Bois 1’Ev&-
que. Mosselman übernimmt alle Rechte des Dony von dessen Witwe
und dem Konkursverwalter durch Notariatsurkunde vom 21. Januar 1824.
47
Er ist nun einziger Eigentümer der Konzession des Altenberger
Grubenfeldes. Laut Kuszcynka wäre dieses Mitglied einer wohlbekannten
Brüsseler Patrizierfamilie in bescheidenen Umständen geboren. Er hätte
sich erst durch den Uranhandel mit dem Zaren bereichert. Tatsächlich
hat Dominique Mosselman sehr gute Geschäfte in den vorangegangenen
Jahren gemacht, aber nicht mit dem Zaren, wohl mit den französischen
Republikanern, die er mit Waffen und Versorgunggütern für die Armeen
belieferte. Er war u. a. vom Kriegsminister Fache 1792-1793 beim
General Dumouriez während der ersten Besetzung Belgiens durch die
Franzosen akkreditiert. Er und seine Familie gehörten zu den Kreisen
der belgischen Demokraten um den Anwalt Vonck. Später wohnte er in
Paris, wo er 1808 nach dem Konkurs des Bankiers Recamier ein
Privathotel chaussee d’Antin erworben hatte. Seine Tochter Fany hatte
nicht einen Sohn des großen Talleyrand geheiratet, sondern Graf Le Hon,
Bürgermeister von Tournai (ab 1830), Mitglied des belgischen
Nationalkongresses nach der Revolution von 1830 und erster belgischer
Botschafter in Paris, wo er u. a. die Heirat unseres ersten Königs Leopold
I. mit Louise Marie d’Orl&ans, der Tochter des neuen Königs der
Franzosen Louis-Philippe arrangierte. Graf Le Hon wurde erster Präsident
des Verwaltungsrates der S. A. des Mines et Fonderies de Zinc de la
Vieille Montagne, die 1837 durch die Familie Mosselman und die Ban-
que de Belgique gegründet wurde. Fany Le Hon-Mosselman war sehr
befreundet mit dem ältesten Sohn Louis-Philippes, dem Duc d’Orl&ans.
Später wurde sie die Geliebte des Duc de Morny, eines Halbbruders Kaiser
Napoleons III., der den Putsch vom 2. Dezember 1852 organisiert hatte.
Morny war auch Mitglied des Verwaltungsrates der «Vieille Montagne»
und sorgte dafür, dass die Gesellschaft bedeutende Lieferungen Zink für
die Dächer der Pariser Neubauten entlang der von Hausmann geplanten
Boulevards machen konnte. Literatur zu diesem Abschnitt:
GOBERT, Th6&odore: Les d£buts de l’industrie du zinc ä Liege et l’abbe
Jacques Dony. Bulletin de l’Institut Arch&ologique Liegeois, T. 48, 1923,
p. 63-83.
BRONNE, Carlo: La comtesse Le Hon et la premiere ambassade de
Belgique ä Paris. Renaissance du Livre, Bruxelles, 1952.
Auf die weitere Geschichte des krankenden Zaren Alexander I. möchte
ich kaum eingehen. Es interessiert mich wohl, dass er im Jahre 1826
wieder in Kelmis aufgetaucht sein soll. Der niederländische Autor gibt
diese Meldung nach einem an Limburg-Stirum gerichteten Brief des
damaligen niederländischen Kgl. Kommissars Joseph Brandes. Dieser
48
Brief vom 29. Februar 1826 soll sich im Familienarchiv derer von
Limburg-Stirum befinden (wo?). Darin steht, dass «notre cher comte von
Todtleben» (= Zar Alexander I.) nach beinahe acht Jahren zurückgekehrt
ist und in dem «chäteau de Bempt» wohnt. Da soll er «medizinische
Bäder» genossen haben mit dem (nicht bestehenden) Uranerz vom
Altenberg.
Im gleichen Archiv soll sich auch ein Brief von unserem Bürgermeister
Arnold von Lasaulx datiert vom 1. April 1827 an Stirum befinden, in
welchem vermerkt wird, dass «unser guter Graf (von Todtleben = Zar
Alexander I.) wohnend auf Schloss Bempt verstorben ist». Schloss Bempt
in Moresnet gehörte damals der Familie de REsimont, die mit Lasaulx
befreundet war. i
Es wäre hochinteressant, von beiden Briefen aus dem Archiv Limburg-
Stirum Kenntnis nehmen zu können. Hiermit schließe ich meine
Richtigstellungen zu den romantischen Erzählungen des Herrn Moritz
Kuszcynka über unsere Gemeinde und ihre Galmeigrube.
49
Ja, jo die Rezepte!
Mech deet at lang Tiit jät bewäjje:
Jupp, kanns de mech ens en Antwoet jäve?
Wenn e-ne Dokter hat studiet,
hant die och schrieve da jeliet?
«Jo, mä die schrive da esue flott,
da jeet de Handschreff janz kapot.»
Decks vror ech mech jo, wat sow dat sihe
do sow der Düvel Lues drut krijje!
E-ne Dokter hauw mech jät verschräve,
dat sow ech e-jen Apethiek vörläje.
Ming Owwe wolle et net mihe due
än do hauw ech mech fies verdue.
Jemössjeschäff än Apethiek,
do hau ech mech janz vies versihe,
die twei Jeschäffte lijje bejee,
da könnt me at ens janz dörjee.
Joof dat Mademoisellche dat Rezept
An saat: «Dött mä alles no die Tüüt erä:»
Jesaat, jedue; ech hau waal neet jeluet,
daat waal, die Melezing es schwuer.
Heem utjepackt, du wor ech platt,
Ut die Tüüt do koem en vresche Schlat,
En Jurk, eng van die lange,
En och noch achtie Sparjelstange.
Och noch e Büllche met Patate
Van die lang, die rue, di platte,
e janz deck Bündel Brkoli
än e-ne Knubbel Sellerej.
50
Ech verstong jo neks va Melezinge,
Off donge se werr jät Nöjjts ervenge.
Vleks deet dä Dokter jät Nöjjts now wääle
Än welt met Jurk än Schlat mech heele.
Daat, now hant se sech e-jen Apethiek verdue,
do moss de ääl ens tröck met jue.
Jupp sätt: „dat kann ech neet verstue,
met esö Rezept kann ech janz vööl due.
Ech vaar krüz en quer, wie ech jrad Loss,
Överaal he met der Autobus. |
Dat zeg ech a-je Museum vör,
Da magd der Portier mech op.de Döör.
Zeg ech dat bej de Jemengde, dat es en Spass,
Da schliete die sofort op de Kass.
Wenn die mä wösste, wat dat wüer,
die minge, dat wüer jät va Namür!
Es en Feier va Veri-Impertinent,
kanns de Jlööve, dat me mech do vengt.
Da möss de mech ens an die Häppkere sihe,
mänchenge deet e Jesech da schnijje.
Op dat Rezept, ech weet dat wät mech jlöcke,
Wäet ech bo de Invalide trecke!
Jakob Langohr
S1
1858 — 2008: 150 Jahre Pfarre Kelmis
von Alfred Bertha
Nach der Gründung der Aktiengesellschaft «Usines et Fonderies de
Zinc de la Vieille Montagne» i. J. 1837 erlebte der Bergbauort Kelmis
(seit 1816 Neutral-Moresnet) einen raschen wirtschaftlichen Auf-
schwung, der mit einer starken Bevölkerungszunahme einherging.
Das Gebiet der 1816 durch den Aachener Grenzvertrag geschaffenen
(provisorischen) Gemeinde Neutral-Moresnet hatte in der Franzosenzeit
gemeinsam mit «Alt-Moresnet» die «Mairie» (Bürgermeisterei)
Moresnet gebildet, die nach dem Wiener Kongress durch den genannten
Aachener Grenzvertrag vom 26.6.1816 dreigeteilt wurde und deren
Mittelteil als «Neutral-Moresnet» vorläufig unter die gemeinsame
Oberhoheit der Niederlande und Preußens gestellt wurde.
In religiöser Hinsicht hatte dieses Gebiet seit jeher größtenteils zur
Pfarre Moresnet gehört. Die Bemühungen der Bewohner der 1654
gegründeten Königlichen Herrschaft Kelmis, einen eigenen Seelsorger
zu erhalten, waren 1662 von Erfolg gekrönt. Drossard, Schöffen und
Einwohner von Kelmis hatten den König um die Genehmigung zum
Verkauf von 50 Bunder Gemeindegrund gebeten. Der Erlös aus diesem
Verkauf sollte dazu dienen, einen eigenen Kaplan anzustellen.
Der König gab seine Einwilligung zum geplanten Verkauf; der Ka-
plan solle täglich in der Kapelle unweit von Kelmis (wahrscheinlich ist
die Rochus-Kapelle gemeint) oder auf dem Bergwerk selbst die Messe
lesen und dafür ein Gehalt von 50 Pattacons beziehen‘. Die Besoldung
des Kaplans wurde von 1686 an durch die Regierung übernommen. Es
ist sicher, dass in der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts die Gottesdienste im
Hause des königlichen Kontrolleurs stattfanden, wo man eine Kapelle
eingerichtet hatte.
Durch die Franzosenzeit ging die relativ große Eigenständigkeit der
Kapellengemeinde Kelmis verloren und die Bindungen an Alt-Moresnet
wurden wieder enger, was für die Arbeiter, besonders im Hinblick auf
die sog. Sonntagspflicht, mit großen Unannehmlichkeiten verbunden war.
Der oben erwähnte rasche Bevölkerungsanstieg bewog die
Gesellschaft des Altenberges dazu, sich intensiver mit dem Problem der
seelsorglichen Betreuung der Arbeiter und der religiösen Einrichtungen
im Ort zu befassen.
''S. dazu: F. Pauquet, 1858-1958. Hundert Jahre Pfarre Kelmis, S. 6.
53
Eine weitere wichtige Etappe in der Pfarrwerdung stellte die
Ernennung eines residierenden Kaplans dar. Wieder war es die
Bergwerksgesellschaft, die sich beim Bischof von Lüttich für die
Ernennung eines Geistlichen einsetzte.
Bischof Theodore Alexis de Montpelliers Wahl fiel auf den in
Roermond am 17.4.1822 geborenen Regulierkanoniker Heinrich Gerhard
Hubert Flemmincks aus der Prämonstratenser-/Norbertiner-Abtei von
Averbode, der am 21. Mai 1854 seinen seelsorglichen Dienst in Kelmis
aufnahm. Er trug den Klosternamen Aloysius.
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Die Prämonstratenserabtei Averbode
Bis zur definitiven Loslösung von Moresnet und zur Pfarrerhebung
des neutralen Gebietes war es nur noch ein kleiner Schritt, den die
«Neutralen», angetrieben durch den auch in der Gemeindepolitik
engagierten Bergwerksdirektor Adolphe van Scherpenzeel-Thim, 1858
vollziehen konnten. Der Bergwerksdirektor hatte beste Beziehungen
sowohl zum Bischof wie zu den beiden für Neutral-Moresnet zuständigen
Kommissaren. Bischof de Montpellier zeigte sich dem Wunsch der
Kelmiser nach einer eigenen Pfarre sehr aufgeschlossen und es gelang
ihm auch, die anfänglichen Bedenken des Pfarrers von Moresnet
auszuräumen. Dieser sah nämlich durch eine Lostrennung Neutral-
Moresnets seine Pfarre zahlenmäßig um etwa 2/3 schrumpfen!
54
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4-9)
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Erst Kaplan, dann Pfarrer in Kelmis: Heinrich Gerhard Hubert Flemmincks
Am 25. August 1858 unterzeichnete der Bischof die Urkunde zur
Pfarrerhebung, die abschriftlich der Mutterpfarre Moresnet und der neuen
Pfarre Kelmis zugestellt wurde mit dem Auftrag, sie wortwörtlich ins
Urkundenbuch der jeweiligen Pfarre einzutragen.
Der Bischof begründet zunächst die Lostrennung Neutral-Moresnets
von der bisherigen Pfarre Moresnet mit seelsorglichen Erwägungen, und
Zwar:
- Im Gebiet der Pfarre Moresnet, im Dekanat Aubel, habe sich eine
zahlenmäßig starke Bevölkerung entwickelt, die ein weit ausgedehntes
Dorf mit Namen «Neutrales Gebiet» bewohne;
- Wegen der Entfernung und der schwierigen Wegeverhältnisse
könnten die dort wohnenden Christen die Kirche in Moresnet nur mit
großer Mühe aufsuchen, um dort die Sakramente zu empfangen und den
Gottesdiensten beizuwohnen;
- Dieses Territorium sei im zivilen Bereich schon abgetrennt und
abgegrenzt und es sei dort eine Kapelle errichtet worden, die mit allem
zum Kult Notwendigen ausgestattet sei. Auch bestehe ein Pfarrhaus sowie
eine Schule.
«Aus diesen Gründen», so der Bischof, «haben Wir nach Anrufung
des Namens Unseres Herrn Jesus Christus und Seiner jungfräulichen,
ohne Makel empfangenen Mutter, nach vorheriger Zustimmung des
ehrwürdigen Herrn Schmetz, Pfarrer von Moresnet, und nach Anhörung
aller anderen, die ein Interesse daran haben, kraft Unserer gewöhnlichen
55
Autorität und der Uns durch das Konzil von Trient (Sitzung 21, Kap. 4)
verliehenen apostolischen Autorität den vorgenannten Ort genannt
«Neutrales Gebiet» von der Pfarre Moresnet getrennt, losgelöst und
abgeteilt und Wir wollen, dass er zukünftig getrennt, losgelöst und
abgeteilt bleibe;
und durch Gegenwärtiges erheben Wir das gesamte Gebiet, auf das er
sich ausdehnt, zu einer Pfarrei unter der Anrufung der in den Himmel
aufgenommenen seligen Jungfrau Maria und Wir erklären diese Pfarrei
für errichtet und mit allen Rechten und Privilegien ausgestattet, deren
sich solche Pfarreien in unserer Diözese erfreuen und über die sie
verfügen und mit allen Lasten und Pflichten, denen sie unterliegen.»
Abschließend ordnete der Bischof an, eine authentische Abschrift
seines Dekretes an die Pfarren von Moresnet und Neutral-Moresnet zu
schicken. Dort solle, wie schon gesagt, die Urkunde wortwörtlich in die
Register (Urkundenbücher) der Pfarre eingetragen werden.
ck
Die Loslösung aus der Sicht des Pfarrers von Moresnet
Wenn der Bischof sagt, die Pfarrerhebung habe mit Zustimmung des
Pfarrers von Moresnet und nach Anhörung aller Betroffenen
stattgefunden, so liest sich das in den Eintragungen des Pfarrers von
Moresnet etwas anders. Da seine Niederschrift nicht für den Bischof
gedacht war, konnte er sich sogar erlauben, seinen Vorgesetzten zu
kritisieren, auch wenn er zugibt, dass er selbst dem Bischof seine
Zustimmung (freiwillig?) zur Teilung seiner Pfarre gegeben hat.
Pfarrer Peter Joseph Schmetz hatte sein Amt als Pfarrer von Moresnet
und des ‚gemischten’ Teiles von Kelmis im Jahre 1841 übernommen.
«Zu meiner Zeit und besonders seit 1841 sind», so der Pastor, «einige
bemerkenswerte Geschehnisse eingetreten:
In den ersten vier Jahren meiner Amtszeit hat die Einwohnerzahl des
«gemischten Gebiets» (partis mixtae) durch den Fortschritt der dortigen
Fabrik so stark zugenommen, dass die Notwendigkeit bestand, in der
Nähe der Fabrik eine Kapelle für diejenigen Arbeiter zu errichten, die
gezwungen waren, an Sonn- und Feiertagen zu arbeiten. Die
Genehmigung zum Bau dieser Kapelle wurde von der Fabrikgesellschaft
beim Bischof erbeten.
Im Jahre 1844 wurde diese Kapelle mit Mitteln jener Gesellschaft
erbaut und die Geistlichen der Pfarre lasen dort von 1845 bis 1854 mit
56
besonderer Erlaubnis zum Binieren' die Messe mit Predigt um 6 Uhr
morgens.
1854 bat die Gesellschaft dieser Fabrik den Bischof um einen
residierenden Vikar; für dessen Unterhalt würde die Gesellschaft
aufkommen.
Der hochwürdigste Herr Bischof schickte 1854 einen Vikar, der dem
Pfarrer (von Moresnet) unterstand, und die sonntäglichen Gottesdienste,
sowohl morgens wie nachmittags, fanden in der Pfarrkirche und in der
Kapelle statt und der Kaplan besaß die Erlaubnis, dort zu binieren, so
dass die gesamte Pfarre, die damals 3-4.000 Einwohner zählte, an Sonn-
und Festtagen zu verschiedenen Stunden 4 Messen hatte.
Im Jahre 1858 begannen einige Fremde, die dort keinen festen‘
Wohnsitz hatten, sondern mal hierhin, mal dorthin zogen, sowohl
mündlich wie schriftlich Kontakt mit dem hochw. Herrn Bischof
aufzunehmen, um gegen den Willen der meisten Einwohner dieses
«gemischten» Gebietes von Moresnet die Trennung von der Pfarre
Moresnet zu erlangen.
Der hochw. Herr Bischof zögerte lange; schließlich, Ende 1858, im
Monat September”, unter dem Druck von einigen, die damals diese Fabrik
(= Vieille Montagne) leiteten, ohne die beiden Regierungen, den
Bürgermeister oder den Kirchenfabrikrat von Moresnet zu befragen und
nur mit Zustimmung des Pastors, gewährte er die Lostrennung und schuf
dort, d. h. im Neutralen Gebiet von Moresnet, eine neue Pfarre, so dass
die Pfarre Moresnet heute nur noch 7-800 Pfarrkinder zählt.»
ook
Am 30. August 1858 folgte die Ernennung des bisherigen Kaplans
Flemmincks zum ersten Pfarrer der neuen Pfarre. Dessen Einführung
nahm Dechant Jac. Broers von Aubel am 9. September 1858 vor. Als
Zeugen fungierten Pfarrer Nicolas Eymal (Homburg), der Superior der
Prämonstratenser aus Averbode, Frederic Mahieux, der Kelmiser
Bürgermeister Arnold von Lasaulx und der 1. Beigeordnete/Schöffe
Adolphe van Scherpenzeel-Thim.
Nur kurze Zeit später, am 5. Oktober 1858, ernannte der Bischof einen
weiteren Prämonstratenser, Philipp Jacob Segers, zum Kaplan in der
' Mit «binieren» bezeichneet man die Genehmigung, zweimal an einem Tag eine Messe
zu lesen.
? Muss heißen: «August»
57
neuen Pfarre. Nach Prüfung durch den Bischof erhielt dieser das Recht
zu predigen und Beichte zu hören, das später noch durch das Recht der
Segenerteilung verbunden mit vollkommenem Ablass erweitert wurde.
Pfarrer Hubert/Aloysius Flemmincks starb am 18.3.1866 um 5 Uhr
nachmittags. Vikar Segers hatte ihm die Sterbesakramente gespendet
und ihn gestärkt.
Im Urkundenbuch der Pfarre findet sich dazu aus der Feder des
späteren Pfarrers Kept die Eintragung: «Es starb im Herrn der ehrwürdige
und betrauerte Herr Aloysius Flemmincks, Regulier-Kanoniker des
Prämonstratenserordens in Averbode, der erste Pfarrer der Pfarrkirche
Kelmis, im Alter von 43 Jahren.
Er wurde beerdigt am 21. (März) in Anwesenheit einer großen
Volksmenge und von 17 Priestern.
Am 11. April wurden die feierlichen Obsequien durch den Superior
des Ordens aus Averbode gesungen. 27 Priester waren anwesend.
Der ehrwürdige Herr Klausener, Dechant von Herve, hielt die
Leichenrede.
Zum Gedenken an den Verstorbenen wurde im oberen Teil des
Friedhofes durch Freunde und Pfarrkinder ein Grabmal errichtet.»
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Der Grabstein für Pfarrer Flemmincks steht heute auf dem «neuen» Friedhof.
58
Die als Chronogramm angelegte Inschrift ist leider nur unvollständig entziffert
worden. Es muss heißen: DILeCta anIMa eIVs reqVIesCat In ChrIsto = Seine
liebe Seele ruhe in Christus, wobei die Großbuchstaben (als lateinische Ziffern
gelesen) die Jahreszahl 1866 ergeben.
Mit dem Namen des ersten Pfarrers verbindet sich der Bau der neuen
Pfarrkirche, die 1863 begonnen und 1865 fertig gestellt wurde. Darauf
werden wir zu gegebener Zeit nochmals eingehen.
Die durch den Tod von Pfarrer Flemmincks vakant gewordene
Pfarrstelle vertraute der Bischof am 17.4.1866 dem aus
Laurensberg stammenden und bis dahin in Ensival als Kaplan tätig
gewesenen Emile Hubert Lanckohr an. Dieser wurde am 18.6.1866 in
sein Amt eingeführt. Kaplan Segers wurde 1868, nachdem er große
Unruhe gestiftet hatte, («pertubationibus maximis excitatis») durch den
Bischof in die Abtei Averbode zurück geschickt. Zum Vikar in Kelmis
wurde am 18. Juni 1868 der aus Henri-Chapelle stammende Joh. Ludwig
Hubert Lacroix ernannt.
Pfarrer Lanckohr verließ Kelmis am 28.9.1869. Sein Nachfolger im
Amt wurde Dr. Pierre Joseph Hubert Renardy, der in Gemmenich am
18. Mai 1839 geboren war. Er studierte Theologie in Rom, wurde in der
Heiligen Stadt am 30. Mai 1863 zum Priester geweiht und erlangte dort
den Doktortitel. In Kelmis wirkte Renardy bis 1897. Er starb in Membach
am 29. Oktober 1898.
59
Nach dem Weggang von Pfarrer Renardy ernannte der Bischof den
bisherigen Kaplan Guillaume Kept am 18. Oktober 1900 zum Pfarrer
von Kelmis. Er kam aus Biwisch bei Ulflingen, im Norden des
Großherzogtums Luxemburg, wo er am 21.11.1860 geboren war. Seine
Studien hatte er in Limoges absolviert. Über Limoges und Lüttich kam
er im Februar 1896 als Kaplan nach Kelmis, wo er bis 1920 tätig war.
Dann führte ihn sein Weg als Pfarrer nach Baelen, wo er am 31. Mai
1931 starb.
Unter Pfarrer Kept feierte Kelmis 1908 das goldene Jubiläum der
Pfarrerhebung. Über den Hergang der Feierlichkeiten fügte der Pfarrer
einen ausführlichen Pressebericht in das Urkundenbuch ein. Da dieser
Bericht bisher nicht veröffentlicht wurde und im Original wohl den
wenigsten bekannt sein dürfte, lassen wir ihn hiernach folgen.
Das 50-jährige Pfarrjubiläum
Das unter der Leitung von Johann Harrus gebildete Festkomitee hatte
die Veranstaltungen zum 50jährigen Bestehen der Pfarre am 12. Juli
1908 in einen kirchlichen und einen weltlichen Teil gespalten. Den
kirchlichen Teil beschrieb die Presse (es war das in Welkenraedt
erscheinende Grenz-Echo) überschwänglich mit folgenden Worten:
«Eine wärmesprühende Julisonne bezauberte bereits seit der frühen
Morgenstunde mit ihren blendenden Strahlen die herrlichen
Ausschmückungen an Häusern und Straßen, welche unserem Ort als
Festgewand für den 50jährigen Jubeltag angelegt waren. Wir müssen
gestehen, Kelmis hat sich übertroffen; das Bild, welches dem Auge
geboten wurde durch die prachtvollen Triumphbogen, die grünenden
Kränze, die zahllosen Fahnen, Fähnchen und Wimpel, war fesselnd.
Um 9 1/4 Uhr rückten vom Schützenlokale aus die löbliche Altenberger
Bergwerkskapelle, der Kirchenchor, das Festkomitee und die
Vereinsführer aus und begaben sich zur Wohnung des hochw. Herrn
Pfarrers Kept. Hier überreichte der besorgte Seelenhirt dem Kirchenchore
das neue Banner unter herzlicher Ansprache. Derselbe hob besonders
hervor, dass die neue Fahne nicht als Devise «Sport, Vergnügen», sondern
«Arbeit» trage. Geschafft und gearbeitet habe der Kirchenchor bis heran;
schaffen würden die Sänger auch in Zukunft zu aller Freude und zur
Ehre Gottes und auf die Frage des hochw. Herrn Ehrenpräsidenten Pfarrer
Kept hin: «Das Versprechen zu fernerem gemeinsamem Schaffen gebt
Ihr Euch feierlichst unter dem neuen Banner?» antworteten die Sänger
61
mit kräftigem «Jawohl». In das auf den Kirchenchor ausgebrachte Hoch
stimmte die Menge begeistert ein.
Dieses erwiderten die Herren Sänger, der Aufforderung ihres
Präsidenten Herrn Joh. Jongh folgend, durch ein donnerndes «Hoch»,
das dem Ehrenvorsitzenden Hrn. Pfarrer Kept galt.
Hierauf wurde dem Kirchenchor durch Herrn Nikolaus Kofferschläger
eine goldene Preismedaille überreicht, welche die älteren Sänger bereits
vor 30 Jahren im Wettstreite gegen bedeutende städtische Brudervereine
errungen hatten, und dieses Ehrenzeichen schmückt als erstes den Kranz
der Fahnenstange.
Nunmehr setzte sich der schöne Zug durch die girlandengeschmückte
Straße unter dem Freudengeläute der Glocken nach dem Gotteshause in
Bewegung. Der Kirchenchor nahm im Chore Aufstellung und es erfolgte
hier die Einweihung der Vereinsfahne.
Das feierliche Danksagungshochamt wurde Gott dem Herrn durch
den hochwürdigsten Dechanten Herrn Lacroix dargebracht, welcher
bereits vor 40 Jahren als Kaplan in unserer Pfarre wirkte. Die Festpredigt
hielt der hochw. Pater Präses der Franziskaner von Moresnet-Eichschen.
[...] Der hochw. Pater Präses zitierte die geistlichen Herren, welche seit
Bestehen der Pfarre Kelmis im Jahre 1858 hier die Seelsorge vollzogen,
und führte die Anschaffungen und Verschönerungen in dem herrlichen
Gotteshause an, wie diese unter der Aegide der hochw. Pfarrer
Flemmincks, Lanckohr, Renardy, Brach und des jetzigen Seelsorgers
vollzogen wurden. ...Kelmis sei bekannt als eine echt christlich-
katholische Glaubensgemeinde. Die Schätzung einer solchen lasse sich
schon nach der Ausschmückung des Hauses Gottes anstellen und wenn
man die schöne Kirche unserer Pfarre betrete, dann zeuge alles von der
Ehrung und Liebe zu Gott. Die große Opferfreudigkeit der Kelmiser
Pfarrkinder zeige sich schon dadurch, dass in den letzten acht Jahren
12.000 Mark zum Besten der Kirche von der Einwohnerschaft zu-
sammengebracht worden seien. Dieses ist sicherlich umso größer
anzurechnen, als die hiesige Einwohnerschaft sich zumeist aus Arbeitern
zusammensetzt....»
Der Kirchenchor führte während der heiligen Handlung die schwierige
vierstimmige Messe von Witt in der musterhaftesten Weise auf. Beim
Offertorium wurde das vom hochw. Abbe Hecht komponierte prachtvolle
vierstimmige «Memorare» mustergültig gesungen. Der Augenblick der
Wandlung ist indes angekommen [...] Der Seniorpriester und Arbeiter
im Weinberge des Herrn erhebt die heilige Hostie und den Kelchl...],
62
die Glocke verkündet den Moment dem frommen Christen nach
außenhin, Freudensalven krachen [...] Nach Absingen des ambrosia-
nischen Lobgesanges und Erteilung des sakramentalischen Segens
bestieg Herr Dechant Lacroix, Hochw. von der Pfarrkirche St. Bartho-
lomäus in Lüttich, die Kanzel, um an seine ehemaligen Bekannten und
deren Nachfolger etliche Worte zu richten.
Vorab brachte der hochw. Herr in fließend reiner, deutscher Ansprache
als Beauftragter des hochwürdigsten Bischofes Monseigneur Rutten die
Glück- und Segenswünsche des Diözesanoberhauptes zum Ausdruck.
Dieser habe erst am Samstagmorgen vor der Abreise des Herrn Dechanten
zur Teilnahme an der 50jährigen Jubelfeier noch versichert, wie sehr
dem Bischofe das Wohl und Glück der Kelmiser Pfarrkinder am Herzen
liege, woselbst man diesem stets einen so großartigen Empfang bereitet
habe.
Auf seine bescheidene Persönlichkeit übergehend, so bemerkte Herr
Dechant Lacroix, dass es an dieser heiligen Stätte in der Pfarre Kelmis
sei, woselbst er vor 40 Jahren seine priesterliche Laufbahn begonnen
und während 10 Jahren durchgeführt habe. Habe er auch später dem
Ruf des Oberhirten folgen müssen, so könne er es doch unumwunden
aussprechen, dass die in Kelmis zugebrachten Jahre als die schönsten
seines Lebens gälten.
Der ehrfurchtsvolle priesterliche Greis führte alsdann an, dass er
überglücklich sei, heute wieder an dieser Stätte erneut dem Herrn das
hl. Messopfer dargebracht zu haben. Bei diesem habe er der längst
verstorbenen Vorgänger, Mildtäter und Bekannten gedacht. ....
Mit dem Gesange «Großer Gott wir loben Dich» fand die erhabene
Kirchenfeier ihren Abschluss. Dankestränen und Tränen reuiger
Erinnerungen an vergangene Zeiten rollten von der meisten Pfarrkinder
Wangen.
In derselben Ordnung, wie der Zug die Kirche betreten, setzten sich
jetzt der Kirchenchor und die Ehrenkorporationen wieder zusammen
und kehrten durch eine Spalier bildende Menge zum Schützenlokale
zurück. Hier fanden wir Gelegenheit, die neue Fahne, ein Kunstwerk
des hiesigen Paramentenvereins, in Augenschein zu nehmen. Das
Mittelfeld der Vorderseite zeigt uns den heiligen Papst Gregorius, den
Schaffer und Förderer des nach diesem erhabenen Kirchenlehrer
benannten Gesanges, am Pulte sitzend und sich der Komposition
widmend.
64
Die andere Seite, vollständige Handstickerei, ist in gelber Seide
ausgeführt, ein grüner Eichenkranz mit schwarz-weiß-blau ausgestickter
Schleife verwirklicht die Farben des neutralen Ländchens und umschließt
ein aufgeschlagenes Notenbuch mit daraufliegendem Taktstock. Die
Inschrift lautet: «Kirchen-Chor Altenberg, 1908". Der Fahnenkopf stellt
den auf einer Kugel thronenden Schwan mit Lyra dar und ist von einem
Medaillenkranze umgeben. Die Fahne erregte späterhin die Bewunderung
der sämtlichen Festteilnehmer.
Die weltliche Feier .
Den Nachmittag hatte das Festkomitee unter Johann Harrus zu einen
Musik- und Gesangfest gestaltet, feierte doch der Kirchenchor, wie schon
vorhin dargelegt, sein 50jähriges Jubiläum mit Fahnenweihe.
Der aufmerksame Pressevertreter gibt eine ausführliche Schilderung
des Ablaufes der Feierlichkeiten.
«Nach durch Sonnenglut und Marsch erforderten gründlichen Res-
tauration des Magens und Körpers traten Bergwerks-Kapelle, Kirchen-
Chor und Festkomitee um 3 Uhr wieder in ihrem Standquartiere
«Schützenlokal» an, um gemeinsam die Festwiese aufzusuchen.
Hier hatte sich unterdes bereits ein buntbelebtes Treiben entfaltet.
Die Gesang- und Musikvereine, welche von 1 Uhr ab, schon von allen
Seiten herkommend, das neutrale Gebiet unter fröhlichen Märschen
betreten hatten, waren durch die emsigen Vereinsführer begrüßt und zum
Gesamtsammelplatze geführt worden.
Hier ging es nun an die Bildung des Festzuges heran. Plötzlich
bewölkte sich der Himmel in drohender Weise. Staubwolken flogen auf,
und angsterfüllt glaubte man, um das Gesang- und Musikfest ist es
geschehen. Jupiter hatte indes für die jauchzende vergnügte Menge ein
Einsehen. Das herangetriebene Gewitter suchte seinen Weg nach Holland
hin, und ebenso hell und glühend zeigte sich Mutter Sonne wie in den
Vormittagsstunden.
Großartiger wird Kelmis wohl noch keinen Festumzug gesehen haben,
wie er sich am vorigen Sonntage zu Ehren der tapferen Kirchen-
Sängerschar zusammensetzte.
62 Gesellschaften mit ihren Prachtfahnen, Bannern und Standarten
durchzogen die von unzähligen Menschen allenthalben besetzten schönen
Straßen. Am Schützenlokale angelangt, wurden die Herren Präsidenten
65
und Dirigenten der verschiedenen Vereine in den neuerbauten Prachtsaal
dieses Lokales geführt.
Die Begrüßung der Gäste seitens des Kirchen-Chores erfolgte durch
den Vortrag des schwierigen Chores «Hymne an die Musik», welcher
mit Applaus entgegengenommen wurde. Namens des Festkomitees
richtete nun dessen Präsident, Herr Johann Harrus, in schwungvollen
Sätzen das Wort an die Musik- und Sangesbrüder, bewillkommnete
dieselben herzlich und brachte das Hoch auf S. M. Kaiser Wilhelm II.
und König Leopold II. aus. Kräftig erschallten die Melodien des «Heil
dir im Siegerkranz'» und der «Brabanconne». Edler Rebensaft, der Cham-
pagne beste Marke, sprudelte und perlte in den Pokalen, welche so
kameradschaftlich angestoßen wurden.
Die Vereine hatten unterdes schon ihren Einzug in die Festwiese
gehalten.
Gemeinsam betraten Bergwerks-Kapelle, Kirchen-Chor, Festkomitee
und die Ehrengäste nunmehr den festlich geschmückten Park des
Ehrenvorsitzenden des Festsausschusses, Herrn Bergwerks-Direktor
Timmerhans, um denselben in Empfang zu nehmen und zum Festplatze
zu geleiten. Hier spielte sich aber noch ein ungeahnter erfreulicher
Zwischenakt ab. Herr Timmerhans dankte den Vorständen der
auswärtigen Vereine, welche der Einladung Folge geleistet, in herzlichen
Worten und begrüßte dieselben im Namen des vielumstrittenen neutralen
Ländchens. «Nehmet alle», so meinte Herr Direktor Timmerhans,
«nachdem Ihr Euch sogleich auf dem Felde des friedlichen musikalischen
Wettberwerbs gezeigt und erfreut, von Neutral-Moresnet ein
angenehmes, erinnerungsvolles Andenken mit nach Hause.»
Die echt herzigen sympathischen Worte wurden mit einer Salve des
Beifalls und Hochrufen belohnt.
Aus dem Kreise der Familie des geschätzten Herrn Redners trat
nunmehr plötzlich dessen Töchterlein, Fräulein Madeleine Timmerhans,
hervor und überreichte Namens der Damen des St. Nikolausvereines
dem Kirchenchor eine prachtvolle Schleife unter folgendem
dichterischem Reime:
! «Heil Dir im Siegerkranz, Herrscher des Vaterlands, Heil, Kaiser, Dir...» war von der
Reichsgründung 1871 bis 1922 die deutsche Nationalhymne. Darauf folgte das sog.
Deutschlandlied.
66
«Hochverehrter Sänger-Chor!
Wo des Gesanges holde Klänge / zum Himmel rauschen froh und frei,
Wo aus der Sänger Lustgedränge / entquillt des Liedes Melodei,
Da pocht das Herz in raschen Schlägen
der edlen Sangeskunst entgegen.
Ihr Sänger wahret dieses Streben / nach deutscher Lieder Harmonie
Und eifert, dass sie auch im Leben / mit jedem Tage mehr erblüh’.-
Denn da nur kann die Kunst gedeihen,
Wo ihr sich Lieb’ und Eintracht weihen. 1
An Eures Festes schönsten Stunden / nehmt hin erfreut dies Angebinde,
das edle Herzen Euch gewunden / zum Dank, zum Lob, zur Festeszierde.
Es sei das Symbol der Himmelskrone
Die einst Euch schmücken wird zum Lohne!»
x
In Gegenwart der hochw. Herren Dechant Lacroix aus Lüttich sowie
des Herrn Pfarrers Kept und Kaplan Bosch glaubte Herr Festkomitee-
Präsident es nicht unterlassen zu können, der Güte und Opferwilligkeit
des Herrn Direktor Timmerhans zu gedenken, welcher überall und stets
bei der Hand ist, wo es heißt, Ideale, Nächstenliebe, christlich-karitative
Werke zu unterstützen und seinen pflichttreuen Untergebenen und
Familien auch Stunden der Muße, der Zerstreuung, der Erholung und
des Vergnügens zu gönnen. Hei, wie die Hochs auf diesen
Menschenfreund erklangen!
75 Jahre...
Am 17.9.1933 feierte die Pfarre zusammen mit dem Kirchenchor das
Fest ihres 75jährigen Bestehens.
Aus der Festtagspredigt von Pfarrer Scherrer zitierte das Grenz-Echo
vom 22.9.1933 wörtlich:
«Seit der vor 75 Jahren erfolgten Gründung der Pfarre Kelmis ist diese
ein blühender Zweig geworden, welcher, durch den Hauptast, die
Diözese Lüttich, fest mit dem Baum der Kirche verbunden, der
Erlösungsgnaden Christi teilhaftig geworden ist.
Für all diese Gnaden wollen wir Gott heute besonders danken. Vor
allem aber wollen wir am heutigen Tage derjenigen gedenken, die Gottes
Werke unter uns verrichteten, insbesondere des hochw. Herrn
68
N JOHANN FRYNS
EAU nenanennDnnE NUM UUND RUHM am 19 Juli 1936
PROGRAMM DES _FESESS.:
Alle Einwohner von Kelmis sind herzlichst
] | \ eingeladen an dieser, in Kelmis so seltenen Yeier teilzunehmen.
Die geistlichen und weltlichen Behörden sowie die Vereine versammeln
sich um 8 1/4 Uhr Morgens im Patronageho®. -- Sie werden gebeten,
f , sogleich bei ihrem-Zintreffer-dortseibst hinter die, unten angego-
\ | benen und durch das Loos bestimmten Nummern, Aufstellung zu Nehmen,
Y \ -- Ug. 81/2 Uhr, Abgang des Festzuges durch die Parkstrasse zur
d \ Wohnung des Herrn Primizianten in der Heide, Kloster,
Nach einer kurzen Begrüssung, setzt sich der Zug wieder in Bewegung
durch : Schützenstrasse - “hymstrasse - Albertstr. zur Kirche,
—-— Nach dem Hochemte stellen eich die Behörden und Vereinen dersel-
ben Reihenfolge, in der Xirchstrasse wieder auf - d.h. die Spitze
| 0A des Zuges in der untern Kirchstresse (Eaus Emonüäs).‘
HE 77 Der Zug bewegt pich sodann über Haserä durch die Kapellstrasse -
A % Albertstresse zum Patronegehof. -—— Dort angekommun, Begrüssung des
WE ALZ/ hochw. Herrn Primizianten durch den Herrn Bürgermeister,sowie durch +
x, WU einen Vertreter der Schulfreunde des jungen Priesters;-Überreichung
{X WW der Geschenkej- Musik- und Gesangvorträge;- Redc des Neu-Priesters,
WW 0 und dann allgemeıner Schlusschor,
N
N | | FESTZUG ABIFENFOLGE _DER_ BEEÖRDEN_ UND _VEREINE_.
VE mannwanTANUN 7
\f 1° Reiter; Radfahrerverein Calaminia | 18° Egl. St Barbara-Sebastien-
Va 2° Radfahrerzarein Vendorlust, Schützengesellschaft,
Ali 3° Die Schulkinder. e j22 Kgl. St-Hubertus Schützen.
Hi 4° Trommler- und Pfeiffercorps. 20°"St-Paulus Schützengesells.
1} 5° Xgl. Turnverein. 21° Schützenvereinigung.
i 6° Kgl. Turngeneinde, [22° St- Johannes Schützengesel.
i\ 7° Turnverein "Binigkeit! 23° St-Petrus Schützengesell.
} ? 8° Socist6 royale des Ex-Miiitaires ‚24° Fussballclub Union.
N Föderation des Ex-Combattants. [255 Musik-Kapelle.
Dan Verein der Kriegsinvaliden und 26° Gewerbe-Verein.
| Kriegs Hinterbliebenen, 27° Cercle L'Union.
9° Jungfrauen Congregation. |28 St-Lambertus Gesangverein.
WW | 10°&11° J.0.C.P. und Frauenliga, 29° St-Josaf gesangverein.
N |/ 12° Die KXommunionkinder. LE Christli.Grubonarbeiter.
JEW Bi 13° Kirchenchor St Gregorivs, AR
AU 14° Bergwerkskapelle, ‚32° Kath. .Arbeiferverein St-Jos
M 15° Gemeinderat- Armenverwaltung,, [33° Christl. Eisenbahnerverb.
LM Kirchenvorstand & Vincenz Verein. 34° Bergmannverein,:,
|V” 16° Bine Gruppe Engelohen, [22° Theaterverein Fidele Fr.
I 17° Der Kochw._HSRR PRIMIZIANT mit 36° Freiwillige Feuerwehr:
A Eltern und Geschwister, die hochw. LLLB00LBBBALARANGAAG |
A Geistlichkeit,- Das Fostkomitee,
& und die Schulfreunden.
41 N.B, Die Anwohner der Strassen die der Festzug durchzieht, werden höfl
8, gebeten ihre Häuser mit Fahnen und nach Möglichkeit mit Blumen zu
19 Dali schmücken,
1936, Das Festkomitee dankt herzlich allen Einwohnern, für die überaus
reichlichen Spenden. d
DAS FESTKOMITEE,
Besondere Höhepunkte im Pfarrleben waren immer wieder die Primizfeiern, so
wie am 19. Juli 1936, als Jean Fryns, der spätere Missionsbischof in Kindu
(Kongo), von der Heimatpfarre geehrt wurde.
69
Nach einem imposanten Festzuge durch den Ort fand am frühen
Nachmittag auf dem Kirchplatz die Weihe der Pfarre an die Gottesmutter
statt, die mit dem Auflassen von etwa 1000 Brieftauben abschloss.
Auf der Festwiese an der Patronage wetteiferten alsdann die Musik-
und Gesangvereine miteinander und die Turnvereine stellten ihr
sportliches Können unter Beweis.
«Die Kelmiser und alle Festteilnehmer dürfen mit Stolz auf dieses
schöne Fest zurückblicken», so der Grenz-Echo Berichterstatter
abschließend.
«Pfarre Kelmis feierte in überwältigender Weise ihr
hundertjähriges Bestehen»
«Ein ergreifendes Zeugnis von der Glaubenskraft der Bevölkerung»
nannte der Grenz-Echo Journalist Heinrich Toussaint die am 7. September
1958 veranstalteten Feiern zum 100-jährigen Bestehen der Pfarre Kelmis.
In monatelanger Vorarbeit hatten die Kelmiser Festverantwortlichen
und Vereine zur Krönung des Pfarrjubiläums eine Jubelprozession
organisiert, wie man sie bis dahin in der Doppelgemeinde nicht erlebt
hatte.
Diese Jubelprozession gab Toussaint Gelegenheit, ausführlich auf die
Ausschmückung der Straßen und Plätze einzugehen.
«Kurz vor 3 Uhr», so der G-E-Berichterstatter, «verlässt die lange
Reihe der Geistlichkeit mit Pfarrer Olbertz, darunter zahlreiche aus der
Pfarre stammende Priester, von denen allein drei in Eupen tätig sind, die
Pfarrkirche. Zuletzt die hochw. Äbte von Averbode und Gottesthal, die
Vertreter des hochw. Diözesanbischofs, die Kanoniker Nuelens und
Wolfs, und Dechant Schoonbroodt, Montzen. Der Abt von Averbode
trägt das Allerheiligste, das auf dem prächtig ausgeschmückten
Sakramentswagen ausgestellt wird....
Der Prozession voran schreiten die beiden Feldhüter, denen
Chorknaben mit dem Kreuz und ein Reiter, St. Martinus, Pfarrpatron
von Hergenrath, folgten.
Hinter der Musikkapelle Hergenrath kommen die Gruppen der Pfarren
Hergenrath mit Pfarrer Xhonneux und Moresnet mit Patres und einer
Gruppe Knaben in Franziskanertracht.
Liebevoll bis in die kleinsten Einzelheiten ausgearbeitet sind die von
den Schulkindern dargestellten 15 Rosenkranzgruppen....
70
Der Schützenbund stellte den Muttergotteswagen, auf dem man unter
dem Spruchband «Königin aller Heiligen» Maria, die hl. Theresia und
mehrere andere Heiligendarstellungen sieht. Die Schützen umringen auch
diesen prächtigen Wagen, und alle Schützenvereine von Kelmis und Neu-
Moresnet, teilweise in Uniform, die anderen im schwarzen Anzug und
der für jeden Verein charakteristischen Kopfbedeckung folgen mit ihren
z. T. sehr alten Fahnen.
Als nächste Gruppe kommen die Pfarrfahnen und dann die besonders
umfangreiche Gruppe der Frauen. Es sind viele Hunderte, darunter
solche, die nur mit Mühe den rund vier Kilometer langen Prozessionsweg
durchhalten.
Die Kleinen Kelmiser Sänger, der Kirchenchor St. Gregorius und der
Cercle Musical bildeten die nächsten Gruppen, denen die Messdiener
und die starke Gruppe der hochw. Geistlichkeit folgten. Sie bildeten die
eigentliche Sakramentsgruppe, deren Mittelpunkt der mit seinem
weißgelben Baldachin weithin leuchtende Sakramentswagen, vom
Gewerbeverein gebaut, bildete. Er war von Gendarmen im Stahlhelm
und mit geschultertem Karabiner flankiert, dahinter folgten die
Behördenvertreter: Bürgermeister der beiden Gemeinden, Schöffen und
Gemeinderatsmitglieder sowie die Delegierten der übrigen Ortsbehörden.
Auf dem Sakramentswagen war ein Altar errichtet, auf dem die
Monstranz mit dem Allerheiligsten ihren Platz fand. Davor knieten die
beiden Äbte, Dechant Schoonbroodt, Pfarrer Olbertz, Pfarrer Ossemann
und die beiden Vertreter des Diözesanbischofs.
Bei jedem Segen trugen die K.K.S. und der Gregoriuschor mehrere
Gesänge vor. Der erste Segen wurde an der Ecke Lütticher Straße-
Kapellstraße, der zweite an der Ecke Neustraße-Driesch, der dritte in
der ebenfalls zu dieser ersten religiösen Feier seit ihrem Bestehen festlich
geschmückten Cite€ Belle-Vue! gegeben. Der vierte und letzte Segen
folgte auf dem Kirchplatz zum Abschluss des Pontifikalamtes.
Eine besonders stolze Gruppe in der Prozession war die der Kelmiser
Köhler in Arbeitsracht: blaue Bluse, rotes Halstuch, Helm auf dem Kopf,
in der Hand die Grubenlampe. Diese Gruppe, die in langer Reihe hinter
ihrer Fahne herschritt, war überraschend stark und zeigte deutlich,
wieviele Kelmiser in der Grube ihr schweres Brot verdienen. Je vier
Köhler trugen eine Statue ihrer Schutzpatronin, der hl. Barbara, und
eine weitere eine alte Statue des hl. Leonardus.
* Die Siedlung wurde 1955-57 erbaut.
N
Dahinter kamen alle Vereinsfahnen der beiden Gemeinden, weitere
Pfarrfahnen und zum Abschluss die ebenfalls sehr zahlreichen Männer.
... Der prachtvollen Ausschmückung der Straßen sei hier noch ein
besonderes Wort gewidmet. Es gab in ganz Kelmis kaum einen Meter
Ohne Fähnchengirlanden, in jeder Straße in einer anderen Farbe. Es
müssen Tausende Pfählchen gewesen sein, die für diesen Zweck
eingesetzt wurden. Zwischen ihnen spannten sich viele Kilometer weit
die Schnüre mit den roten, blauen, grünen, gelben, weißen und lila
Wimpeln.
Jede Straße hatte ihre besondere Ausschmückung erfahren... die
phantasievolle Gestaltungskraft, eine echt Kelmiser Eigenschaft, feierte
an vielen Stellen Triumphe. Da waren z. B. die Pfeiler mit den lebenden
Engelfiguren und den kleinen Köhlern mit Helm und Lampe, die schöne
Verkündigungsgruppe unterhalb der Mittelschule, die herrliche
Lourdesgrotte in der Parkstraße, aus Schlackensteinen von der Halde
naturgetreu gebaut, in der ein kleines Mädchen als Muttergottes stand
und ein anderes davor als Bernadette kniete. Über eine Stunde lang hielten
sie tapfer in dieser schwierigen Stellung aus! Hunderte Menschen
drängten sich bewundernd um diese schönen Gruppen.
In der Thimstraße sah man einen weiteren imposanten Aufbau: «Dir,
Petrus, will ich die Schlüssel des Himmelreiches geben.»
Andere Grotten, Altäre und Aufbauten sahen wir an mehreren weiteren
Stellen. Auch die Bewohner der Cite Belle-Vue hatten auf dem schönen
Platz inmitten der Siedlung unter den mächtigen alten Bäumen einen
Altar errichtet und davor mit viel Liebe einen bunt leuchtenden
Blumenteppich gelegt...
Ganz Kelmis war an diesem unvergleichlichen Festtage herrlich
ausgeschmückt. Eine solche Gemeinschaftsarbeit, die ungeheuere Mühe
und nicht weniger finanzielle Mittel erforderte, können wir uns in keiner
anderen Gemeinde unserer engeren Heimat als eben nur gerade in Kelmis
vorstellen.
Abends war das Bild noch weit schöner. Ungezählte direkte und
indirekte Lichtquellen schufen feenhafte Beleuchtungseffekte. Die
Straßen waren bis zum Abend voller Menschen ...
Einen sehr schönen Gedanken setzten die Pfarrangehörigen von
Moresnet, der Mutterpfarre von Kelmis, in die Tat um. Sie kamen
prozessionsweise geschlossen zur Jahrhundertfeier. Die Kelmiser
bedankten sich dafür auf sinnige Weise, indem sie den ganzen Weg nach
Moresnet bis zum Viadukt ebenfalls mit Fähnchen schmückten...
73
Eine Seite aus der Regionalgeschichte:
Die Abtei Stablo-Malmedy erhält die Zehntabgabe
von Henri-Chapelle (Kapell) 1172
von Hubert Jenniges
Ort und Zeitpunkt des Geschehens
Es war im Spätherbst des Jahres 1172. Da begab sich Heinrich III.,
Graf von Arlon und Herzog von Limburg, nach seinem lehnsherrlichen
Ort Henri-Chapelle, das in der damals herrschenden Volkssprache
Heinrich-Kapelle oder kurz Kapell genannt wurde‘. Der Ort galt als
bedeutender zentraler Verwaltungspunkt innerhalb der aufstrebenden
Herrschaft Limburg, die sich nach der Burg gleichen Namens auf dem
linken Ufer der Weser bei Dolhain, halbwegs Eupen und Verviers
benannte und deren Herrscher zunächst als Grafen, vor 1100 aber auch
schon als Herzöge aufgeführt werden, nachdem sie mit dem Herzogtum
Niederlothringen belehnt worden waren. In Henri-Chapelle wollte
Heinrich von Arlon vor der versammelten Prominenz des
Herrschaftsbezirks einige Verwaltungsakte erledigen und die ergebene
Huldigung seiner Lehnsmänner entgegennehmen.
Henri-Chapelle war nicht nur ein administrativ bedeutender, sondern
auch ein verkehrstechnisch wichtiger Knotenpunkt im alten Königshof
Baelen, der 888 in der bekannten Nona-Bestätigung für das Aachener
Marienstift erstmals als «Bailus» auftritt und später seine
verwaltungspolitische Bedeutung als eine der vier «Banken»
(Hoheitsbezirke) des Herzogtums Limburg festigt*. Mit den «Banken»
Walhorn und Montzen bildete Baelen «de dry duytsche banken»; die
vierte war Herve, das in diesem sprachlichen Zwischenland das «welsch
quartier» - «quartier wallon» genannt wurde*. Hinzu kamen später
Sprimont, Esneux und andere Teile in Wallonien.
Henri-Chapelle ist mit Sicherheit aus einer Kapellengründung, einer
Stiftung der limburgischen Hausmacht, hervorgegangen und genoss wohl
deswegen schon die besondere Gunst des nahe gelegenen
Herrscherhauses. Die Annahme, dass Heinrich I. von Limburg (1082-
1119) den Kapellenort gründete, ist sehr wahrscheinlich, bleibt aber
unbewiesen‘,
In diesem geschichtlichen Rahmen zeigt sich, dass Henri-Chapelle
offensichtlich von der besonderen Gunst seiner Gründung profitierte,
als es im Jahre 1263 die Rechte einer Freiheit erhielt, die ihren Bewohnern
74
zahlreiche Privilegien zustanden, wodurch diese praktisch in gleicher
Position mit den Bürgern der Hauptstadt Limburg und der Stadt Herve
eingestuft wurden”.
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«Vielleicht das älteste Bauwerk der ganzen Gegend», so urteilte die
Denkmalschutzkommission 1902 über den romanischen Wehr- und
Glockenturm der St. Georg-Pfarrkirche von Henri-Chapelle,
Die Hauptfiguren des Geschehens
Heinrich führte wie sein Vater Heinrich II., der 1167 zu Rom auf Frie-
drich Barbarossas viertem Römerzug mit 2.000 anderen Rittern an der
Pest gestorben war®, gerne und oft den Titel eines Herzogs von Limburg
oder der Ardennen («Henricus Ardennae Dux»), obwohl diese Würde
zu dem Zeitpunkt stark verblasst und zudem durch den Stauferkönig
Konrad III. der brabantischen Nebenlinie (Gottfried dem Bärtigen von
Löwen) übertragen worden war. Den Titel «Marchio de Arlo» (Markgraf
von Arlon) scheint er sich um das Jahr 1170 aus Gründen, die uns heute
entgehen, zugelegt zu haben’. Er ging in die Regionalgeschichte als
«Heinrich der Alte» oder «der Ältere» ein — eine späte Zutat, da er auf
eine über 50jährige Regierungszeit zurückblicken konnte.
75
Heinrich lässt in der Urkundenfassung für die Zehntbestätigung an
Stavelot durch die Hand des anwesenden amtierenden Schreibers, des
Pfarrers Lambert von Baelen («per manum Lamberti capellani nostri
investiti ecclesie de Bailus»), festhalten, dass er «post multiplices labores
et gravissimos motus bellorum»® («nach zahlreichen Mühen und
schlimmsten kriegerischen Ereignissen») in Henri-Chapelle eingetroffen
sei. Dieser Hinweis muss eigentlich nicht wundernehmen, denn die
Limburger waren in allen Generationen ein äußerst kriegerisches
Geschlecht und an allen Fehden und Kriegen ihrer Zeit und Umgebung
beteiligt. Krieg war ein Grundelement und ein Dauerzustand des Hauses
Limburg.
Bei diesen in der Urkunde angesprochenen kriegerischen Ereignissen
handelt es sich um einen Waffengang, den Heinrich III. im Herbst 1172
gegen Heinrich den Blinden, Graf von Luxemburg und Namür,
unternommen hatte*. Grund und Anlass der Auseinandersetzung dürften
in gegensätzlichen, nachbarschaftlichen Machtansprüchen im Areler
Land zu suchen sein. Der Limburger zog brandschatzend durch das
luxemburgische Gebiet, besetzte einige Burgen und nahm als vorläufiger
Sieger die Huldigung der dortigen Bewohner entgegen. Indessen wandte
sich rasch das Blatt, als Heinrich der Blinde und sein Neffe Balduin von
Namür im Gegenzug die alten Besitzungen zurückeroberten und sogar
die Festung Arlon einnehmen konnten. Auf luxemburgischer Seite waren
über 2.000 Mann an den Kämpfen beteiligt, darunter über 300 Ritter.
Heinrich III. war offensichtlich der Verlierer dieses blutigen Feldzugs,
wenn man die Entschädigungen als erzwungene «Kriegsreparationen»
betrachtet, zu deren Zahlung er an den Grafen von Luxemburg
verpflichtet wurde. Der Waffengang gegen das Haus Luxemburg-Namür
dauerte gut vier Wochen und fand, wie bereits angedeutet, im Herbst
1172 statt.
Des Limburgers erste Handlung nach diesem kriegerischen Abenteuer
war das Abhalten des Hoftages in Henri-Chapelle, so dass wir eine
Datierung dieser Versammlung im Spätherbst ansetzen können. In dieser
Überlegung bietet sich als eventuelles Datum der Martinstag (11.
November) an, der stets ein traditioneller «Zahltag» war.
Gleichzeitig mit der Ankunft Heinrichs in Henri-Chapelle meldete
sich eine Abordnung der Abtei Stablo-Malmedy in der limburgischen
Ortschaft an. Prior Heinricus — auch er trug den damals weit verbreiteten
Namen Heinrich — war in Gefolgschaft mehrerer Klosterbrüder dem
Limburger entgegengeeilt, um ihm eine schwerwiegende Bitte, nämlich
76
i die der Wiederherstellung des Zehnten von Henri-Chapelle an die
Klostergemeinschaft von Stablo-Malmedy, vorzulegen: «...gravem apud
nos querimoniam deposuerunt».
Heinricus war Prior in Stavelot, gewissermaßen der zweite Mann nach
Abt Erlebald (1158-1192), dem Bruder des berühmten Wibald (1131-
1158); er war in der Klosterhierarchie die «persona post abbatem», die
sich mit der tagtäglichen Verwaltung des Konvents befasste. Ein zweiter
Prior amtierte gleichrangig in Malmedy.
Die Abordnung der Klostergemeinschaft von Stavelot traf
offensichtlich gleichzeitig mit Graf bzw. Herzog Heinrich III. in Henri-
Chapelle ein. Wohl zwei Tage werden die Kosterbrüder bis zu dem gut
45 km entfernt gelegenen limburgischen Residenzort benötigt haben:
Um diese Strecke über das Hohe Venn zu bewältigen, mussten sie
zunächst über den alten Weg in Richtung Neuville nach Francorchamps
oder den Umweg über Malmedy einschlagen, indem sie der Vennstraße
folgten; weiter ging es dann an der heutigen Baraque Michel vorbei
nach Hestreux; ferner über Go€, Dolhain, Limburg nach Henri-Chapelle.
Bei der sicherlich nicht gerade günstigen Jahreszeit des Spätherbstes
war dies schon ein beschwerliches Reiseunternehmen‘®.
Die Klage der Mönche
Als Heinrich III. Markgraf von Arlon (1168-1221) im Jahre 1172 «in
villam nostram que Heinrici capella nuncupatur» («in unserem Heinrich-
Kapelle genannten Landgut») eintraf, fand er hier, neben der soeben
eingetroffenen Mönchabordnung aus Stavelot, die örtliche Prominenz
vor - Männer, die in der Öffentlichkeit der zweiten Hälfte des 12. Jh.s
eine maßgebende Rolle spielten; von ihnen wird gleich noch die Rede
sein.
Die Delegation aus Stavelot trat vor Heinrich III., legte ihre Klage
vor und berief sich auf ein erworbenes Recht, denn Heinrichs Großvater,
Herzog Walram II., hatte gemeinsam mit seiner Gemahlin Judith der
Klostergemeinschaft bereits den Zehnten Henri-Chapelles zu einem
früheren Zeitpunkt bestätigt. Dies muss zu Abt Wibalds Amtszeit
geschehen sein, der bekanntlich enge freundschaftliche Beziehungen zu
den Limburgern unterhielt. Wiederholt traten diese als Beschützer und
Gönner der Abtei Stablo-Malmedy in den Vordergrund, zumal Kaiser
Friedrich I. im Jahre 1157 in einer Botschaft Graf Heinrich II. eindringlich
nahe gelegt hatte, den ihm treu ergebenen Wibald zu ehren und seine
Abtei stets zu beschützen‘.
I
Bei ihrem Auftritt in Henri-Chapelle legten die Mönche sichere
schriftliche Beweise der ihnen zugestandenen Privilegien vor («certa
scriptorum et privilegiorum munimenta») — es waren wichtige
Schutzbriefe und Erklärungen der Vorfahren Heinrichs III. Aus diesen
Angaben ließ sich entnehmen, dass Walram und Judith, Heinrichs
Großeltern, selber bereits eine Neubestätigung der früheren Rechte
vorgenommen hatten, die wohl bis in die Gründungszeit Henri-Chapel-
les zurückreichten.
Was Heinrich III. zu Ohren kam, war ein schwerwiegender Verstoß
gegen die verbrieften klösterlichen Zehntrechte. Mit Entrüstung vernahm
er den Tathergang: Da hatten doch die hörigen Bauern von Henri-Cha-
pelle in unerhörter Weise die fällige Zehntabgabe für Stablo-Malmedy
umgangen. Von einigen Bösewichtern aufgehetzt («...coloni nostri
hortatu quorundam pravorum...»), hatten sie sowohl den Zehnten auf
die Erträge neugerodeter Ländereien (Novalzehnt) als auch die Lieferung
der Erdfrüchte, deren Anbau sie seit längerer Zeit schon wegen ihrer
Kargheit vernachlässigt hatten, in sträflicher Weise hinterzogen.
Dornengestrüpp wucherte auf den unbebauten Feldern («...in quibus rubi
concreverant...»); die dürftigen Erträge aus anderen Landstücken wurden
in die eigenen Scheunen eingefahren. Über dieses frevelhafte Tun, das
ihm schon eher zugetragen worden war, hatte Herzog Heinrich III.
zunächst den Mantel des Schweigens gelegt, dann aber ob der Schwere
der Geschehnisse seine Empörung geäußert und sogleich seine
Bereitschaft bekundet, die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um
das Unrecht ungeschehen zu machen.
Die Interessen der örtlichen Prominenz
Nach Beratschlagung mit den Siedlern des Orts und seinen engen
Vertrauten, ließ Heinrich den Hofverwalter (“villicus») und die
zehntpflichtigen Bauern zu sich kommen, um sie wegen ihrer
schwerwiegenden Verfehlungen und der gezeigten Untreue zur Rede zu
stellen. Der begangene Frevel sollte auf jeden Fall wieder gutgemacht
werden; der Mönchsgemeinschaft in Stavelot sollten die ihnen
vorenthaltenen Zehnterträge in voller Integrität wieder zuerkannt werden.
Mehr noch: Die Abgaben aus Henri-Chapelle sollten sogar noch vermehrt
werden, sowohl was den Zehnten aus den Wäldern und aus den
neuangelegten Feldern betraf, als auch die Zehnt-Abgaben, die sich aus
den jetzt und künftig kultivierten Ländereien ergeben sollten - dies ohne
Widerspruch und für alle Zeiten.
78
Ausgenommen sollten aber die Pfründe derjenigen sein, die nach
althergebrachtem Recht («qui ab antiquo jure») in Henri-Chapelle und
Umgebung bereits im Genuss des Zehnten eines Lehnguts («benificium»)
waren. Diese Rechte der lokalen Gutsbesitzer durften in der Neuregelung
nicht angetastet werden. Damit darüber auch kein Zweifel herrscht, lässt
Herzog Heinrich die Namen dieser freien Bauern aufschreiben. Einigen
Örtlichkeiten des Landes an der Göhl bringt diese Erwähnung die erste
urkundliche Bezeugung.
Für die genaue Identifikation und Lokalisierung der genannten
Lokaldynasten überlassen wir gerne das Feld der geschichtlichen
Ortsforschung. Dennoch kann an dieser Stelle einigen Namen etwas
Relief gegeben werden: %
Genannt werden zunächst diejenigen, deren Pfründe aus dem Landgut
«villa Hukelebach» stammten: Es waren dies «Hildricus de Scahs oder
Scahj» und «Bonifacius de Hukelebach» sowie «Godescalcus de
Menebach». Das genannte «Hukelebach» ist das heutige Gehöft
Hockelbach bei Henri-Chapelle. «Scahj» oder je nach Lesart «Scahs»
ist eine untergegangene Siedlung, wohl auch in der Nähe von Henri-
Chapelle, die wir nicht lokalisieren können. Bei «Menebach» handelt es
sich zweifelsohne um Membach.
Es folgen weitere, von der Abgabepflicht befreite Gutsleute:
«Heinricus et sui participes» (Heinrich und seine Teilnehmer) in
«Fokoldi valle»; «Hildricus et Hubertus in terra de Vivario»; «Arnoldus
apud Rivam beneficium decime sue habet, que ei a Heinrico avunculo
Su0o per successionem provenit» (Arnold bezieht den Zehnten aus seinem
Landgut ‘Riva’ - je nach Lesart auch ‘’Ruua’-, das er von seinem Oheim
mütterlicherseits geerbt hatte).
Für «Fokoldi vallis» (Tal des Fokolds) fehlen uns lokalgeschichtliche
Identifizierungselemente. Die Vermutung, es könnte sich um Völkerich
bei Gemmenich handeln, ist aus sprachhistorischen Gründen nicht zu
vertreten. «Terra de Vivario» ist das Land bei dem Ortsteil Weiher,
während es sich bei dem genannten «Riva» bzw. «Ruua» um Schloss
Ruyff, halbwegs Henri-Chapelle und Welkenraedt, handelt.
Als Zeugen der Vereinbarung werden u. a. folgende Personen genannt:
«Oldricus de Stockheim advocatus de Lemburg et Arnoldus, filius ejus»
(Oldrich von Stockheim, Vogt zu Limburg und dessen Sohn Arnold) - es
handelt sich um die Burg Stockem bei Eupen. Ferner treten als Zeugen
auf: der Gutsbesitzer «Bonifacius de Vivario» und dessen Sohn Hubert
sowie «Robertus de Brechanges», «Desiderius de Mormanil»,
79
«Theodericus de Vrisheim», «Wazelinus de Silva», «Reinerus de Falisia»,
«Cuno et Heinricus fratres de Fait», «Winaldus filius Arnoldi Schiplars»
und viele andere mehr. Auch hier erweist sich eine Identifizierung als
schwierig. Während Brechanges, (La)mormanil und Vrisheim (Urisheim)
bezeichnet werden können, bleibt die Lokalisierung der übrigen Namen
in der Schwebe. «Silv4» , «Fait» und «Schiplarz» treten in der regionalen
schriftlichen Überlieferung nicht weiter in Erscheinung.
Ein für die Abtei Stablo-Malmedy interesssanter Mann ist der genannte
«Reinerus de Falisia», ein treuer Gefolgsmann der beiden Äbte Wibald
und Erlebald, der auch unter dem Namen «Reinerus de Rupe» (Reinhard
vom Felsen) urkundlich fassbar wird und in Falize, auf einem
Felsvorsprung bei Malmedy, eine «mazure», ein festes Haus besaß.
Reinerus - vielleicht war er der Erbauer von Reinhardstein'? — genoss
auch die Gunst der limburgischen Herzogsfamilie und durfte eigentlich
auf dem Hoftag in Henri-Chapelle nicht fehlen, wo es sowohl um die
Interessen Limburgs als um die Wiederherstellung alter Rechte der
Doppelabtei im Tal der Warche ging.
Bedeutung und Verwendung des Zehnten
Die Abgabe des 10. Teils aller Erträge gehört zu den ältesten
Steuerabgaben, und diese Erträge waren im ländlichen Raum vor allem
landwirtschaftlicher Natur — nur in seltenen Fällen gab es auch
Geldzahlungen. Die Erhebung des Zehnten, die sich auf
alttestamentarische Stellen (Moses auf dem Berge Sinai) bezog, ist in
der Merowingerzeit bereits bekannt und wurde später in den Kapitularien
Karls des Groäßen durch ein staatliches Gebot bekräftigt!?.
Ursprünglich gehörte das Zehntrecht dem Landesherrn, in erster
Instanz dem König, der es später mit der Festigung des
Pfarrkirchensystems zur Sicherung der wirtschaftlichen Lebensfähigkeit
den Ortskirchen (Mutterpfarren) übertrug. So kann davon ausgegangen
werden, dass wohl zunächst der Mutterkirche in Baelen die Abgabe des
zehnten Teils im Gebiet des altgenannten Königshofes zustand, dessen
Grenzen mit denen der Pfarre konkordierten. Der Zehnte von Henri-
Chapelle dürfte daher ursprünglich über Baelen der Abtei Stablo-
Malmedy überwiesen worden sein. Dies könnte wohl auch eine Erklärung
dazu bieten, dass die Bestätigungsurkunde von 1172 durch den Pfarrer
Lambert von Baelen aufgestellt wurde.
Hierzulande unterschied man gewöhnlich zwischen dem «großen”
und dem “kleinen Zehnten”. Der “große Zehnt” bestand aus der Lieferung
80
des 10. Teils aller Feldfrüchte (Korn, Roggen, Hafer...), der deshalb auch
«Feldzehnt» genannt wurde. Der «kleine Zehnt» umfasste die Abgaben
der Garten- und Baumfrüchte, darunter im Falle Henri-Chapelles auch
die Erträge «tam in silvis quam in novis terris», d. h. sowohl die
Buchecker und Eicheln aus den Waldungen als auch den «Novalzehnt»,
d. s. die Erträge aus den Neubrüchen, den neugewonnenen Feldern.
Da ursprünglich der Zehnte grundsätzlich der Kirche überwiesen
wurde, wurde üblicherweise seine Verwendung nicht spezifiziert. Im
Falle Henri-Chapelle wird jedoch seine Bestimmung genau angegeben:
«ad sustentationem et usus pauperum, quorum ibi maxima confluentia
est» — zur Unterstützung und zum Nutzen der Armen, die hier (bei der
Abtei von Stablo-Malmedy) in sehr großer Menge zusammenströmten.‘
Es ist schon so, dass die Klöster im Mittelalter als Zufluchtsorte armer
Menschen und Bettler galten, die sich vor deren Pforten und Eingängen
ansammelten. Die Doppelabtei Stablo-Malmedy dürfte keine Ausnahme
gewesen sein.
Die Nächstenliebe, die Unterstützung bedürftiger Menschen, war stets
eine heilige Pflicht des Christenmenschen. Die Werke der Barmherzigkeit
und die Freigebigkeit waren neben der Keuschheit die höchsten
erstrebenswerten Tugenden im Leben des mittelalterlichen Menschen.
An erster Stelle wurden die Begüterten dazu angehalten, diese
Christenpflicht zu erfüllen. Der Reichtum war nämlich nicht nur eine
Quelle irdischen Wohlbehagens, sondern bei Freigebigkeit auch eine
solide «Jenseitsversicherung».
Mit den Umwälzungen, die der Einmarsch der französischen
Revolutionsheere 1794-1795 bewirkte, verschwanden die
mittelalterlichen Abgaben. Auch der Zehnte von Henri-Chapelle für die
Abtei Stablo-Malmedy gehörte dann mit dem Doppelkloster im Tal der
Warche endgültig der Vergangenheit an.
81
Anmerkungen
Für den ehemals germanischen (deutschsprachigen) Ort Kapelle verwenden wir die
heute amtliche französische Bezeichnung Henri-Chapelle. Was die vor 648
gegründete Doppelabtei Stavelot-Malmedy angeht, greifen wir — je nach der
Textsituation — auch auf den historisch gefestigten deutschen Namen Stablo zurück.
?_ Zur Bestätigung der Nonenschenkung gibt es eine umfassende Literatur: Vgl. u. a.
für dieses Gebiet: Pauquet, Firmin: Betrachtungen zu einem dreifachen Jubeljahr.
In: Im Göhltal — Zeitschrift der Vereinigung für Kultur, Heimatkunde und Geschichte
im Göhltal, Nr. 45, 1989, bes. S. 16-21. (Weiter genannt: Im Göhltal).
Zur Geschichte des königlichen Fiskalbereichs Baelen: Vgl. vor allem: Müller-
Kehlen, Helga: Die Ardennen im Frühmittelalter. Untersuchungen zum Königsgut
in einem karolingischen Kernland.
Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte. Göttingen 1973, S.
121-125.
3 Wirtz, Hermann: Eupener Land — Beiträge zur Geschichte des Kreises Eupen, Ber-
lin 1936, S. 42-43.
* Im Göhltal Nr. 49-50, 1991, S, 163 u.ff.
5 Wintgens, Leo: Grundlagen der Sprachgeschichte im Bereich des Herzogtums
Limburg. Beitrag zum Studium der Sprachlandschaft zwischen Maas und Rhein. I
Ostbelgische Studien, Eupen 1982, S. 30. Anhand eines veröffentlichten
Urkundenbelegs (S. 177) weist Wintgens jedoch auf den Privilegien-Unterschied
zwischen den Freiheiten Henri-Chapelle und Limbourg hin.
6 Mathar, Ludwig: Von den Karolingern bis zu den Jülichern. In: Das Monschauer
Land, historisch und geographisch gesehen. Herausgegeben vom Geschichtsverein
des Kreises Monschau. Redaktion: Hermann Prümmer. Monschau 1955, S. 24.
7 Als Grundlagewerk für die Geschichte des Hauses Limburg gilt noch immer S. P.
Ernst, Histoire du Limbourg, 7 Bände, Lüttich 1837-1847. Ernst, Pfarrer in Afden
und Altkanonikus der Abtei Rolduc, beschrieb die wechselvolle Geschichte Limburgs
bis 1427. Das Manuskript wurde lange nach dem Tod des Verfassers (1817) aus
dem Nachlass herausgegeben und fortgesetzt von Edouard Lavalleye.
Zu dem hier angesprochenen Fragenkomplex s. Bd. 3, S. 154-155
® Die Bestätigung der Zehntrechte für Stablo-Malmedy ist in mehreren
Urkundenbüchern enthalten. Neben Ernst, Bd. 6, LXI, S. 148-149, auch bei Halkin-
Roland: Recueil des Chartes de l’Abbaye de Stavelot-Malmedy, Bd. 1, Brüssel 1909,
No 264, S. 499-501. In der Transkribierung bestehen zwischen Ernst und Halkin-
Roland einige Abweichungen.
? Ernst, Bd. 3, S. 157-158
19 Über die verkehrsstrategische Lage Henri-Chapelles s. Im Göhltal, Nr. 49-50, S.
163
!_ Halkin-Roland, Nr. 249, S. 476.
!? Vannerus, Jules: L’origine de Reinhardstein. In: Folklore Eupen-Malmedy-St.Vith,
Bd. IV, NO 1, 1925, S. 5-9
3 Schultz, Uwe (Hrsg): Mit dem Zehnten fing es an. Eine Kulturgeschichte der Steuer.
Beck-München, 1992 (passim).
82
WOET MET «D>»
va Henri Beckers, Kelemes
Vorbemerkung :
Die in Nr. 81 (Febr. 2008) begonnene Reihe mit seltenen Begriffen in
Kelmeser Platt möchten wir nachstehend mit dem Anfangsbuchstaben
D fortführen.
Es wir den Lesern dabei auffallen, dass Wörter mit dem Buchstaben
C fehlen. Solche Begriffe werden aber im Kelmiser Dialekt unter der
Rubrik „Ts» erscheinen.
Wie bereits erwähnt, sind Hinweise der Leser(innen) auf alte Begriffe
in unserer Sprache jederzeit willkommen.
Dääm Zitze beim Milchvieh
Die Kow hauw d£kke Dääme
Däätsch Kopf
Dä hauw sech der Däätsch jestuete
dabbe wühlen, scharren, sich kratzen
Jübbe (= Hühner) dabbe ijene Dreck
Därbi Spiel zweier benachbarter Mannschaften.
Lokalderby.
Kelemes schpält e Därbi met Oepe
debräjeere (frz. debrayer) auskuppeln
Debräje&r dr Motor
Deklamatsjuen Deklamation
Häe mos op-en Büühn deklam&ere
dek(s), deker, döks,
dökker oft (ndl. dikwijls)
Denge(s) Füllwort, wenn einem der richtige Begriff
nicht einfällt
derösch zuerst
Derösch dat K£ngk, da dow
Diäss Musikzeichen, das die bezeichnete Note um
einen halben Ton erhöht, z. B. „fa diäss» = fis
(griech. diesis = Intervall)
dingentwääje deinetwegen
dingentwääje kräech vör Striit
83
Ditske kleine Person
E kl&€ Ditske
Döbelsche a)frühere niederländische Münze (10 Cent),
b) Dübel
Dobbelvijuel Stiefmütterchen (Vijuel = Veilchen)
Dörepel Türschwelle
Ijene Sommer opene Dörepel zette
Domjroov ungehobelter Mensch (aus dumm + grob)
Donderkiel! Donnerkeil. Ausdruck des Erstaunens f
doo-ezö dorthin, dahin, dort, da
Dööj nur ein wenig, ein kleiner Rest
Et es mär noch ne Döjj, eat et op
Dool Eigelb, Dotter
Döppe Top, kleiner Behälter
Pot än Pann, alle Döppens
Döörestil Türpfosten (nl. stijl = Pfosten)
Dörepsteer Mann, der allen Frauen des Dorfes nachstellt
Drakaar Schiff, Wikingerschiff mit Drachenfigur am
Bug
drejsche dreschen
Et Koan drejsche
Drientrap Drehtreppe, Wendeltreppe
Drienvat Drehfass, alter Name für Butterfass
Drömel Träumer, langsamer Mensch, Trödler
Drömpot Träumer, zerstreuter, langsamer Mensch
Drüschsel Trockenmittel (Sikkativ)
Drüschsel i-jen Väref due, domet se flotter
aafdrüscht
duke den Kopf senken
sech duke den Kopf einziehen, klein beigeben
Dusel Glück
Do has-te noch ens Dusel jehad
Düüvelstövke starker Gasherd/Kocher
(stoov = Ofen, Herd, nld. stoof = Fußwärmer)
Duvvestüeter «Taubenstoßer», Sammelbegriff für
Greifvögel (Stoßvögel)
84
«La Memoire des Images»
Das Gedächtnis der Bilder
von Alain Brose
Am 12. März d. J. starb im Alter von 110 Jahren Lazare Ponticelli,
der letzte «Poilu», der letzte französische kämpfende Soldat des Ersten
Weltkrieges. Mit ihm ist das «persönliche», auf eigenes Erleben
beruhende Gedächtnis an die Schützengräben physisch ein und für alle
Male gestorben. Trotz massiven Maßnahmen der belgischen, deutschen
und französischen Regierung, um das Gedächtnis an die zwei großen
Weltkriege durch Ausstellungen, Abendkurse und so weiter zu aktivieren,
beziehungsweise zu reaktivieren, und trotz einem beeindruckenden
Erfolg der Kriegsfilme bei Jugendlichen, verliert unsere zeitgenössische
Gesellschaft immer mehr den Kontakt mit der Realität des Krieges, mit
der unsere Vorfahren in diesen Kriegsjahren 1914-1918, 1939-1945
konfrontiert gewesen sind.
Die Zeugen des Zweiten Weltkrieges sterben aus. Dies ist eine
Feststellung, die uns täglich immer klarer wird. 63 Jahre sind seit Ende
der Ereignisse vorbei. Es bedeutet sogar, dass ein 18jähriger Kämpfer,
der nur im letzten Kriegsmonat einberufen worden ist, heute mindestens
81 Jahre alt ist... Die Erinnerung an die Ereignisse wird täglich immer
trüber, die an das Alltagsleben undeutlicher...
Wie lebte es sich in der Zeit der Besatzung? Was geschah damals?
Warum geschah es? Solche einfache Fragen finden immer seltener
Antworten. Diese Fragen aber müssen eine deutliche Antwort bei den
Jugendlichen bekommen, wenn man will, dass sie sich ein klares Bild
der Geschehnisse machen können. «Die Vergangenheit zu vergessen»,
sagte Winston Churchill, «verpflichtet uns, die Geschehnisse. wieder mal
erleben zu müssen.» Die zahlreichen Jugendlichen, die am 1. Mai dieses
Jahres in Berlin und Hamburg am neo-nazistischen Marsch
teilgenommen haben, zeigen uns, wie aktuell die Mahnung des englischen
Premiers bleibt. Vor einer so großen Anzahl von Demonstranten der
rechtsextremen Szene müssen wir uns die Frage stellen: «Wissen sie
eigentlich genau, was alles hinter einem «Heil-Hitler-Ruf» steckt?»
Wissen diese Jugendlichen, warum ihre Urgroßeltern 1933 für den
böhmischen Gefreiten gewählt haben? Wissen sie, wie viele Toten die
Rassengesetze durch Auschwitz hinzugeführt haben? Wissen Sie, dass
85
eine faschistische Weltanschauung immer von einer Logik des Terrors,
der Verfolgung, gar einer Logik der Zerstörung und des Krieges begleitet
ist? Offensichtlich nicht...
Wie der Abgeordnete Pierre Yves Jeholet, der Initiator des im
folgenden vorgestellten Projektes es feststellen musste, haben wir heute
die letzte Möglichkeit, die Überlebenden der Ereignisse des Zweiten
Weltkrieges direkt zu befragen und ihnen die Möglichkeit zu geben, uns
die Fackel der Erinnerung zu übergeben. Es ist unsere letzte Möglichkeit,
diese einfachen Fragen zu stellen, bevor die Zeit, wie schon mit den
Zeitzeugen des Ersten Weltkrieges geschehen, auch die letzten Zeugen
des Zweiten Weltkrieges verschlungen hat.
Mehr als irgendein anderer Landesteil Belgiens ist unser
Grenzgebiet vom Kriege hart getroffen worden. Natürlich weiß die
Mehrheit der belgischen Bürger, dass die deutschsprachige Gemeinschaft
vom ersten Tag des Weltkrieges an annektiert wurde. Wenige wissen
aber, dass ein Großteil der Herver Region kurz darauf auch dasselbe
Schicksal erlitt. Wir werden auf dieses Thema etwas später
zurückkommen. Dies veranlasste Pierre- Yves Jeholet, Zeugen des Herver
Landes zu einem Dokumentarfilm zu suchen.
Worum geht es eigentlich? Es handelt sich um die Schaffung eines
pädagogischen Filmes, der hauptsächlich Heranwachsende des Herver
Landes, aber auch die gesamte Bevölkerung der Gegend über die
Erlebnisse ihrer Vorfahren im Kriege informieren soll. Die Reihen der
in situ gedrehten Interviews, die auf mehreren DVD’s festgehalten
werden, sollen aber auch ein pädagogisches Werkzeug für das
Unterrichtswesen sein. Viele Zeugen haben sich schon über ihre
Erinnerungen geäußert. Wir besprechen es etwas später in diesem Artikel.
Die Reportage soll im November 2008 im Herver Land in der
Öffentlichkeit, im Rahmen einer großen Ausstellung «Au film du temps»
gezeigt werden.
Die von der absl La Besace geleitete Produktion der zwei Reportagen
«La Memoire des Images» hat eine große Anzahl verschiedener
Teilnehmer einbezogen. La Besace ist eine 1974 gegründete
gemeinnützige Gesellschaft, die in den verschiedenen Provinzen der
Französischsprachigen Gemeinschaft vertreten ist. Sie bietet den
Jugendlichen eine große Anzahl sozio-kultureller Aktivitäten, wie zum
Beispiel im Sport, soziale Engagements, Auslandsreisen und kulturelle
Ausstausche mit vielen Ländern der Welt. La Besace veranstaltet auch
verschiedene sozio-kulturelle Schulungen und bietet der Jugend
ökonomische, soziale und ausbildende Tätigkeiten.
86
Unter den oben eben erwähnten Gesellschaften, die am Projekt La
Memoire des Images teilgenommen haben, möchten wir auch Sparchives
und Clara vorstellen. Die 1994 gegründete asbl Sparchives hat als Ziel
die Strukturierung und Archivierung der in Wallonien gedrehten
Amateurfilme. Im Kontext der großen Ausstellung «Au film du temps»,
soll Sparchives einen 52-minütigen Film «Pays de tradition» produzieren,
der demnächst auch als DVD erhältlich sein wird. Dieser Film stellt die
verschiedenen Aspekte des kulturellen und ökonomischen Lebens des
Herver Landes vor: unsere Heckenlandschaft, unsere Landwirtschaft,
unsere kleine Viehzucht, unsere Folklore, die heute verschwundenen
Berufe, unsere Traditionen, usw.
Alle technischen hoch professionellen Medienmittel werden von
der asbl Centre Liberal d’Action et de Reflexion sur l’Audiovisuel
(CLARA) zur Verfügung gestellt. CLARA ist eine in Brüssel ansässige
gemeinnützige Gesellschaft, die seit 1986 vom Ministerium der
Französischsprachigen Gemeinschaft als eine anerkannte permanente
Organisation der Erwachsenenbildung tätig ist. CLARA ist eine
Produktionswerkstatt, die sowohl Filme als auch Ausbildungen rund um
den audiovisuellen Bereich anbietet.
Die pädagogische Koordination der Interviews wird von der asbl Les
Territoires de la Memoire gelenkt. Die 1994 in Lüttich gegründete
Gesellschaft hat sich als Ziel die pädagogische Erziehung der Jugend
gesetzt. Les Territoires de la Memoire fördert sowohl das
Toleranzbewusstsein als auch das Verständnis der zerstörenden Macht
der Lüge und des Ausländerhasses. Die Gesellschaft Les Territoires de
la Memoire setzt sich große Ziele. Rassismus und Xenophobie
(Fremdenfeindlichkeit) stellen für unsere Demokratie und unsere mo-
derne Gesellschaft eine große Gefahr dar. Deswegen setzt sich La Be-
sace als Ziel, die Aufmerksamkeit gegen diese heute wieder propagierten
«Werte» zu wecken. Um rechtsextreme Ereignisse, wie sie in Hamburg
und Berlin vor kurzem geschehen sind, zu vermeiden, fördert La Be-
sace eine zivil- und toleranzgerichtete Erziehung. Die gemeinnützige
Gesellschaft stellt die Tatsache fest, dass die meisten Ausländer
ausschließende Argumente reine Wahnbilder bleiben. Parallel dazu
fördert La Besace auch einen demokratischen Consensus. Letztendlich
ermöglicht La Besace der älteren Generation, das Gedächtnis des
Widerstandes gegen den Faschismus wiederzubeleben, beziehungsweise
dank einer Arbeit über das kollektive Gedächtnis die Lüge und das
Vergessen der Vergangenheit unwiderruflich zu verweigern.
87
Bevor wir die Aussagen der Augenzeugen des Herver Landes
vorstellen, sollten wir zuerst vielleicht kurz an den historischen Rahmen
der Ereignisse erinnern.
1. September 1939, der Weltkrieg fängt an. Bis Mai 1940 aber erlebt
unser Land die «dröle de guerre», eine Zeit relativer Inaktivität der
Alliierten und der Wehrmacht gegen einander. Am 10. Mai 1940 aber
greifen die deutschen Truppen plötzlich unser Land an. Trotz einem
18tägigen und heldenhaften Kampf unserer Armee kapituliert unser
König Leopold III. am 28. Mai 1940 vor der Übermacht Deutschlands.
Es folgen 5 Jahre Besatzung. Der König ist gefangen in seinem eigenen
Palast, die Regierung ist nach England geflohen und Belgien wird von
einer Militärverwaltung geleitet. Das 1919 von Belgien annektierte
Gebiet Moresnet, die weiteren «plattdeutschen» Gemeinden des
Montzener Landes und die nach einer Volksbefragung begleitete
Angliederung der deutschsprachigen Kreise Eupen - Malmedy an
Belgien, werden vom Großdeutschen Reich am 28. Mai, also am
Kapitulationstag Belgiens, ohne Prozess annektiert.
Zwei Dokumente berichten über diese Annektierung. Das erste
im Bundesarchiv Koblenz mit der Signatur RK. 8233 R. konservierte
Dokument vom Reichsminister des Innern an Herrn Reichsminister und
Chef der Reichskanzlei datiert vom 23. Mai 1940. Das zweite ebenso im
Bundesarchiv Koblenz mit der Signatur RK. 9452 B. konservierte
Dokument vom Reichsminister des Innern an die Obersten
Reichsbehörden, den Herrn Preußischen Ministerpräsident, den Herrn
Preußischen Finanzminister, an den Herrn Oberpräsidenten in Koblenz,
und an den Herrn Regierungspräsident in Aachen datiert vom 29. Mai
1940.
Das erste Dokument berichtet über die Annektierung der «10
Gemeinden»! ans Reich und unterscheidet eine Teilung des
Grenzgebietes zwischen rein deutschen Gebieten, also jenen, die vor
1919 zu Deutschland gehörten, und (alt-)belgischem Gebiet mit einer
überwiegend plattdeutschsprachigen Bevölkerung, die aber vielfach ihre
Arbeitsstelle im deutschsprachigen Grenzland hat. Dieses Dokument
erwähnt zwei Karten, die wir noch nicht finden konnten.
Das zweite Dokument ist ein Erlass, der die konkreten Maßnahmen
der Annektierung der genannten Gebiete festlegt.
' Dabei handelt es sich um Baelen, Membach, Welkenraedt, Henri-Chapelle, Montzen,
Moresnet, Gemmenich, Homburg, Sippenaeken und Kelmis.
88
Beide Dokumente und generell die ganze Annektierung der
deutschsprachigen Gebiete Belgiens und eines Teils des Herver Landes
sollen in der kommenden Nummer der Zeitschrift Im Göhltal
tiefgründiger analysiert und vorgestellt werden.
Kommen wir jetzt zu unseren Zeugen
Eine im September 1944 achtzehnjährige Aubelerin, Nichte eines
Bäckers, berichtet über ihre Jugend während der Besatzung. Sie
beschreibt die große Armut der Zivilbevölkerung während des Krieges.
Noch zitternd erinnert sie sich an den Hunger, den sie sowie die gesamte
belgische Bevölkerung erleiden musste. Sie lässt die Erinnerung an das’
zur täglichen Nahrung gehörende, geschmacksneutrale, heute kaum noch
findbare Gemüse Rutabaga (Kohlrübe) wieder aufleben, das damals den
Hauptgang der belgischen Bevölkerung darstellte.
Die am deutlichsten im Gedächtnis aufbewahrte Erinnerung der
damaligen Zeit stellt die Befreiung durch die Amerikaner dar. Kämpfe
zwischen Alliierten und Wehrmacht hatte sie nicht erlebt. Versteckt in
ihrem Keller, sah und hörte sie die Abertausende vorbeigehenden
deutschen Stiefel. Als dann aber die Stiefel lautlos wurden, wusste sie,
das sind die Amerikaner. Als erste Aubelerin durfte sie die Befreier unter
großem Jubel begrüßen. Was aber nicht ohne Gefahr war, da immer noch
geschossen wurde. Sie erinnert sich‘ ganz genau, zwei Pakete Kekse
monatelang aufbewahrt zu haben, um sie den Amerikanern schenken zu
können. Diese jedoch waren sich der materiellen Not der
Zivilbevölkerung wohl bewusst und nahmen selbstverständlich die Kekse
nicht an, schenkten ihr aber eine Menge Schokolade.
Sie erinnert sich an einen präzisen Kriegsfall. Zwei Deutsche hatten
sich im alten Friedhof versteckt: ein Melder und sein Offizier. Die Amis
aber hatten sie gefunden, und unter Beschuss genommen. Dabei
erschossen sie den Offizier und verwundeten den Melder schwer. So
mussten die Amerikaner einen Ort finden, wo sie den Verletzten
zurücklassen konnten, um den Kampf fortsetzen zu können. Da klopften
sie an die Tür des Hauses unserer Zeugin. Dort, auf dem Boden liegend,
unterhielt sich der Deutsche Soldat auf Plattdeutsch mit ihrem Vater.
Der aus dem Aachener Großraum stammende Melder berichtete, er habe
die Absicht gehabt, den Kampf einzustellen und heimzugehen. Sein
Offizier aber habe sich geweigert, in amerikanische Kriegsgefangenschaft
zu gehen, bis sie beide von den Alliierten beschossen wurden. Der vom
89
Aubeler Arzt versorgte, am Bauch schwer verwundete Soldat wurde drei
Stunden später vom Amerikanischen Roten Kreuz abgeholt. Was aus
ihm wurde, weiß unsere Zeugin nicht. Starb er, überlebte er? Durfte
unser Aachener Nachbar endlich heimkehren? Das wissen wir nicht.
Falls Sie, liebe Leser unserer Zeitschrift Im Göhltal Informationen über
sein Schicksal haben, bitte kontaktieren Sie unsere Redaktion, damit
wir unseren gesamten Lesern in einer kommenden Nummer mehr
erzählen können.
Ein ebenso aus Aubel stammender Zeuge berichtet über seine
Erinnerungen der Ereignisse. Der damals, als die Deutschen unsere
Grenzen überschritten, 7 Jahre alte Junge, sieht noch ganz deutlich in
seinem Gedächtnis die von ihm «Menschen aus dem Osten» [sic!]
genannten, also aus Plombieres, Hombourg und so weiter vor den
Deutschen flüchtenden Zivilisten. Eine seiner Verwandten, eine von der
Großmutter erzogene Cousine, eine Vollwaise, wurde in einem
Schubkarren durch Aubel gefahren. Diese beiden Verwandten aber
starben bei einer Bombardierung in Tienen.
Am Tag der Invasion, dem 10. Mai 1940, verlangte eine
orientierungslos gewordene deutsche Kavalleriegruppe von seinem Vater
unter Waffenandrohung den Weg nach bestimmten Orten zu zeigen. Diese
Orte kannte sein Vater aber nicht. Glücklicherweise konnte er sich mit
den Deutschen in deutscher Sprache unterhalten, was ihm vielleicht das
Leben rettete.
Im Kriege musste er wöchentlich in die Kirche, obwohl er Schüler in
der Gemeindeschule war, was ihm heute erstaunlich erscheint. Ebenso
wie unsere oben erwähnte Zeugin, berichtet er über die Armut und den
alltäglichen Hunger der damaligen Zeit. Doch erwähnt er, dass er und
seine Familie nicht zu der Kategorie Bürger zählten, die so arm waren,
dass sie alleine auf das Winterhilfswerk angewiesen waren. Immerhin
nahm er jährlich am Winterhilfswerksfest teil, und nahm trotz der
reduzierten Möglichkeiten am Abendmahl teil. Er selbst hatte nie unter
Hunger gelitten, seine Familie aber, muss er heute erkennen, hatte auch
mit den Rationierungsscheinen geschummelt.
Was uns vielleicht heute erstaunlich erscheinen kann, ist die Art, wie
manchmal Familienkontakte aufrecht erhalten werden konnten. Unser
Zeuge hatte zwei Tanten. Von diesen wohnte die eine in Plombieres, die
andere in Aubel. Sie durften miteinander reden, jede musste aber auf
ihrer Seite der Reichsgrenze bleiben! Die Grenze konnte nur heimlich,
nachts und abseits der Wege überschritten werden.
90
Häufig sah er, wie die nach Deutschland fliegenden alliierten
Flugzeuge kurz vor der deutschen Grenze von der Luftwaffe angegriffen
wurden. Auf die Frage «Haben Sie Angst im Krieg gehabt?», antwortet
unser Zeuge ohne Zögern «nein!». «Wenn man 8 oder 9 Jahre alt ist,
spürt man keine Angst.» Das einzige Mal, berichtet unser Zeuge, wo er
Angst gespürt habe, sei am Tag der Bombardierung von Montzen
gewesen. Die Bombardierung war so stark, dass alle Häuser Aubels
zitterten.
Am Befreiungstag von Aubel, dem 11. September 1944, starb ein
junger amerikanischer Offizier am Eingang des Dorfes. Unser Zeuge
hat alles versucht, diesen Soldat zu identifizieren, ja, ging sogar zum
War Memorial in Washington, konnte aber nie erfahren, wer er war.
Andere Zeugen berichten über ihre Angst der deutschen Armee
gegenüber oder der ungerechten Verwaltung der Militärverwaltung der
Zivilbevölkerung gegenüber. Dies aber werden wir in einer künftigen
Nummer der Zeitschrift Im Göhltal beschreiben. Wir laden Sie ein, die
große Ausstellung in Herve zu besuchen, wo Sie die Premiere der
Interviewreihe persönlich erleben können.
Anhang
Brief des Reichsinnenministers Frick an den Reichsminister und Chef
der Reichskanzlei betr. die vorzunehmenden Grenzberichtigungen.
Schnellbrief des Reichsinnenministers mit Erläuterungen zum
Grenzverlauf.
Übersichtskarte der Grenzverschiebungen im Kanton Eupen (nach
Schärer, M., Deutsche Annexionspolitik im Westen. Die Wieder-
eingliederung Eupen-Malmedys im Zweiten Weltkrieg. Lang, Bern u.
Frankfurt, 1975, S. 114).
91
RK. WA ki-K PO Sy
Z Bcham
Der Keihsminifter des a Besfin, den. 23+ Mai 1940.
ga range 100080" 81
Beier: Prdtmnerataten.
LATE Ss MR Be
7 N
£ Wr OR
den Herrn Reichuminister und Chef %
der Reichakanzlei- -
Betrifft: Eupen-Nalmedy.
Alıfilefe 1 5. Nach 232er 13 den Brlannen von 18.Xar 1940
4ffa 4x Mir Ai Yinderrernöntung der Gebiete vön open,
A Falnedy und Morosnet mit dem Deutschen Reich hat sich
JS FA ke rer mE GE
MS lassen vorbehnlten. Hierbei handelt en sich auch um
die Abgrenzung der mit dem Deutschen Reich wieder
JM vereinigten Gebietsteile.
Va 1I. Gegenstand der Yiedervereinigung bilden nach
et See re Aa
schen Landkreisen Eupen und Nalnedy der Gebietoteil
Heutral-Roresnet und diejenigen Toile der landkreise
Konschau und Prüm, die jm Woge der Grenzfestsetzung
an Belgien abgetreten werden mussten.
Us die Köglichkeit offen zu halten, die aus der
neuen Orenzführung in volkstumenäoniger, wirtochaft-
licher und verkehrapolitischer Beziehung aich ergebenden
Schwierigkeiten zu beseitigen, iet im $ 1 in vorsichtiger
Weine eine Eralichtigung zur Vornahme der‚erforderlichen
Grenzberichtigungen vorgesehen. 30 geht z.B. die von Eupen
nach Malnedy führende Strasse einige Kilometer durch belgisches
Gebiet (Forsten). Bine entsprechende Grenzberichtigung ot
hier ebenso unerlässlich, wie da, wo etwa die Belogechaft eines
auf geutschen Boden belegenen Werkes einen grossen Teil der
Wohnbevölkerung einer belgischen Ortschaft bildet. In der
Onliegenden grossen Karte (1 : 300 000) sind 10 Gemoinden
kenntlich gemacht,die auf belginchen Gebiet liegen,nber eine
deutsche Sprachmehrheit besitzen, Für diese Gemeinden ist
eine Spezialkarte (1 : 1C0 000) beicefügt,
171. Die Wbrigen Bestinnungen eo Durchführungserlasses
lehnen sich auf das engste, zum Teil wörtlich an das "Gesetz
Uber die Medervereinigung der Freien Stadt Danzig mit dem
Deutschen Reich” vom 1.September 1939 (ROBL.I CR an.
A
Brief des Reichsinnenministers Frick an den Reichsminister und Chef der
Reichskanzlei betr. die vorzunehmenden Grenzberichtigungen
92
—we . DEZE MELLE
A AT
„I 440/40 — 1935 MARE she {lb
& A PEN 5
RU zZ Me Di
Lu KA Ar
LM ei USE AR
AL
) un 8 V 4 5 7408
A VG Ba nl
a) die Obersten EA a Ar Al:
den Herrn Preußischen Winieterpräsidenten, IBM DEAL OS
Meß leihen‘ om failaike Kal +
den Herrn Preußischen Finanzminister, pn RP abet ba Da ffnn
b) den Herrn Oberpräsidenten in Koblenz, za (life wm Meticen),
c) den Herrn Regierungspräsidenten in Aacheh. VE Lfd
) EHE
Auf Grund des $ 1 des "Führererlasses Zur ee Me
Wiedervereinigung der Gebiete von Eupen, Malmedy a m:
dem Deutschen‘ Reich" vom 23. Mai’ 1940 (RGB1.I 8.803) habe ich ad
Grenzführung im.Raume Eupen-Malmedy gegenüber Belgien vorläufig |
festgelegt; In der Anlage übersende ich eine Karte (Photokopien)
7 ..in die die neue vorläufige Verwaltungs- und Zollgrenze als blaue
Linie eingezeichnet ist, ij
Diese Grenze tritt für die Verwaltung.mit dem 1. Juni 1940
in Kraft. Mit dem gleichen Zeitpunkt tritt in diesem Raum an die|
Stelle der Militärverwaltung die Zivilverwaltung. Ich habe den
| Herrn Reichsminister der Finanzen gebeten, auf die genannte Lini|
Y | ml re enERE
| epätestens vom gleichen Zeitpunkt ab die Zollgrenze von der.bis:
\ rigen Reichsgrenze vorzuverlegen.
Aus sicherheits- und seuchenpolizeilichen sowie be- -
völkerungs- und: wirtschaftspolitischen: Gründen ist es nicht mög|
lich, die bisherige Reichsgrenze völlig, zu öffnen. Der Reichsfühl {
rer-ij} und Chef.der.Deutschen Polizei wird daher eine Linie, die
der beiliegenden Katte rot eingezeichnet ist, polizeilich sicher|
Die Polizeigrenze fällt mit der Reichsgrenze von 1919 zusammen,
Das Nähere, insbesondere die Besetzung der Polizeigrenze ınd i!
& Überschreitung wird durch besondere Erlasse des .Reichsführers-it
und Chefs der Deutschen Polizei geregelt werden.
Ü Dieser Erlaß sowie.die badliegenden Karten sind.nicht.zur
Veröffentlichung und nicht r öffentlichen Bekanntgabe‘ destimm:
® iv
ne FAN Mirdeeborgelegt |
Mi Lo0 fh Ad 3 A. RA y0sT B 3
‚ Relhomlaier und Chef der RAGSrÄrtal, zu H#ıb
[9 7 8 SO UEMEROE 7
Schnellbrief des Reichsinnenministers mit Erläuterungen zum Grenzverlauf
94
Die «Eerste Neederlandsche
Naaldenfabriek A. en F. Musolf
(MUVA), Vaals»
von Henri Beckers
Die erste Nadelfabrik in Vaals wurde bereits ca. 1780 von Jakobus
Kuhnert gegründet. Sie wurde allerdings bereits 1784 zahlungsunfähig.
J. C. Rampe, ein Altenaer Drahthersteller und Hauptgläubiger der Firma,
übernahm die weitere Produktion. Anfang des 19. Jhs. wurde R.
Tro(i)sdorf(f) als Besitzer genannt. 1923 gründeten die Brüder Albert
und Ferdinand Musolf die oben genannte Nadelfabrik am heutigen
zentralen Bushof. Produziert wurden Haushalts- und Nähma-
schinennadeln. 1942 erfolgte der Umzug in ein neu errichtetes
Sheddachgebäude im Francotteweg. 1950 wurde die Produktion von In-
dustrie-Nähnadeln aufgenommen. 1952 starb Ferdinand Musolf. Ab 1954
bot man auch gebogene Nähmaschinennadeln an. Nach dem Eintritt von
Schwiegersohn Dr. Cesare Paganoni 1959 begann die Modernisierung
des Betriebs. Im Februar schloss man einen Kooperationsvertrag mit der
Rheinischen Nadelfabriken GmbH in Aachen inkl. einem gegenseitigen
Anteiltausch von 10%.
Zum 1.1.1973 wurde die Firma in Nederlandse Naaldenfabriek MUVA
B. V. umbenannt. Inzwischen produzierte man 100 Mio. Nadeln pro
Jahr. Mit dem Ausscheiden von C. Paganoni zum 30.9.1979 wurde die
Firma eine hundertprozentige Tochter der Rheinnadel GmbH. Zum
10.7.1981 erfolgte die Umbenennung in MUVA Maschinennadel GmbH
und Sitzverlegung nach Aachen. Am 31.3.1988 schlossen sich bei der
MUVA in Vaals die Tore.
*N.V.: Namloze Vennootschap (Anonyme Aktiengesellschaft)
B.V.: Besloten Vennootschap met beperkte aansprakelijkheit (Gesellschaft mit
beschränkter Haftung)
Quellennachweis: Jürgen Baral, Oberforstbach
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Kronprinzlicher Besuch in Raeren
von Alfred Bertha
Als der deutsche Kronprinz Friedrich-Wilhelm am ersten Juli-
Wochenende des Jahres 1885 Aachen einen Besuch abstattet., war der
offizielle Anlass dazu das 25jährige Jubiläum des 1860 gegründeten 5.
Westfälischen Infanterie-Regiments Nr. 53, dessen oberster Chef der
Kronprinz war. Das Fest wurde am Freitagabend, dem 3. Juli 1885, durch
einen großen Zapfenstreich eröffnet. Der ganze folgende Tag war mit
militärischen Festlichkeiten und zivilen Kontakten ausgefüllt: Der
zukünftige Herrscher fuhr zur Kaserne der 53er, wo die besten:
soldatischen Leistungen im Schießen, Turnen und Bajonettfechten belohnt
wurden, nahm das Mittagessen im Offizierskasino ein, schaute eine kurze
Zeit den Volksspielen der Mannschaften zu, fuhr zum
Regierungspräsidenten, wo ihm die Spitzen der Behörden vorgestellt
wurden, besichtigte das Rathaus und dann das Polytechnikum (TH.),
besuchte um 1/2 8 Uhr das Fest der Mannschaften in Bernarts Lokal und
begab sich anschließend mit seinem Gefolge zum Konzert ins Kurhaus.
Der Tag endete mit einer Rundfahrt durch die Stadt «behufs Besichtigung
der Illumination».
° Kriegerverein in Haufet,
AS
Samftag den 4. Juli, Morgens punkt 6 Uhr
Antreten der Vereins-Mitgliedber In vorge=
fOriedenem Anzuge (ohne Waffen) im Ber:
ein8lofale, Wbmarfeh nach Machen.
Der Borfrand.
Die Hauseter Krieger treten zur Begrüßung des Kronprinzen in Aachen
an (Korresp.-Blatt 1.7.1885).
Am Sonntag, dem 5. Juli, war der Kronprinz schon um 8 Uhr im Müns-
ter, besichtigte anschließend die protestantische Kirche und trat um 9
Uhr eine Fahrt nach Monschau an.
Obschon nur wenige Tage zuvor die neue Eisenbahnstrecke Aachen -
Monschau über Raeren eröffnet worden war, zogen es der Kronprinz
und sein Gefolge vor, per «Extrapost», d. h. per Kutsche, zu reisen. Das
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Amtlidier Weil,
Seine Kaiferlidhe und Königlide Hoheit
der Kronprinz beabfichtigen am Sonntag
dem 5, Kult d. I. von ein 7 bis 8 Gerz
rem begleitet, cinen Ausflug zu Wagen
von Aodjen nad Montkfoie zu maden und
werden bei diefer Gelegenheit den hHiefigen
Kreis bei Eynatten und Raeren berühren.
Die Abfahrt erfolgt von Nahen Mor-
gens 9 Uhr bis Linuzenshäuschen über die
Höhen des Andhen’er Stadtwaldes, von
dort weiter auf der Wachen-Eupen’er Ak
tienftraße bis Eynatten, weiter über Rae-
ren, Nötgen, Conzen, Imgenbroidy nach
Montjoie. -
Die Ankunft Seiner Kaiferliden und
Königliden Hoheit in Raeren erfolgt vor-
ausfichtlid zwijden 10 und 11 Uhr Vor-
mittags. Da dort ein Kurzer Anfenthalt
zur Befichtigung der vor dem Hanfe des
Bürgermeifter8 Dr. Pefd) aufgeftellten Er-
zenguiffe der Racrener Kunfttöpferei ftatt-
finden fol, bietet fi hier die Defte Gele
genbheit den Hohen Herrn zu fehen.
Schließlidh erfuhe id die Einwohner
von Eynatten und RKacren für fejtlihe
Ausfhmücung der Straßen und Häufer
Sorge tragen zu wollen.
Eupen, den 25. Juni 1885.
Der Königlide Landrath
Gülcher,
Von der bevorstehenden Durchfahrt wurde die Bevölkerung durch den Landrat
informiert. (Korresp.-Blatt. 27.8.1885)
Korrespondenzblatt des Kreises Eupen vom darauffolgenden Mittwoch,
dem 8. Juli 1885, schildert die Fahrt in allen Einzelheiten. Die Zeitung
schreibt:
«Se. k.k. Hoheit der Kronprinz traf Morgens gegen 10 Uhr vermittelst
Extrapost an der Grenze des Kreises Eupen (Gut Grenzhof, Gemeinde
Hauset) ein, wo derselbe durch den Landrat Herrn Gülcher empfangen
wurde. An dem daselbst errichteten Triumphbogen hatten sich Herr
Bürgermeister Mostert, der Gemeinderat sowie der Kriegerverein und
die Schützengesellschaft von Hauset eingefunden, welche den Hohen e
Herrn begrüßten.
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An der Eynattener Grenze sowie an der Färberei des Herrn Franssen
in Eynatten stand ebenfalls ein prachtvoller Triumphbogen, an welchem
die Eynattener Schützengesellschaft mit ihrem Präsidenten Herrn
Franssen Aufstellung genommen hatte. Vor dem Gemeindehause war
ein dritter Triumphbogen errichtet. Hier wurde der Hohe Herr durch den
Bürgermeister Esser, den Gemeinderat, die Ortsgeistlichkeit, den
Kriegerverein und die Schulkinder -die Knaben mit Fahnen, die Mädchen
mit Blumensträußchen- begrüßt. Der Definitor des Kreises, Herr Pfarrer
Offermanns. hielt eine kurze Ansprache, worauf der Kronprinz unter dem
letzten Triumphbogen durch seinen Weg nach Raeren fortsetzte.
Dem Herrn Landrat Gülcher gegenüber hat der Hohe Herr sich
wiederholt dahin ausgesprochen, wie sehr er über den herzlichen Empfang
im hiesigen Kreise erfreut sei.
In dem ersten Wagen befanden sich der Kronprinz, der Oberpräsident
der Rheinprovinz, Exzellenz von Bardeleben, sowie der kommandierende
General des siebenten Armeekorps, Exzellenz General der Kavallerie
von Witzendorff, im zweiten Wagen der Regierungspräsident von Hoff-
mann und die persönlichen Adjutanten des Kronprinzen, Major von Kes-
sel und Major Freiherr von Lyncken, im dritten Wagen der Oberst des
53. Infanterie-Regiments von Wentzel und die Ordonnanz-Offiziere des
Kronprinzen, Rittmeister Freiherr von Vietinghoff und der Premier-
Leutnant von Baumeister, im vierten Wagen der Polizeipräsident Hirsch
und der Oberbürgermeister Pelzer von Aachen, im fünften Wagen ein
Oberpostbeamter. Über den Empfang des Kronprinzen in Raeren war
dem Korrespondenzblatt «von geschätzter Hand» folgender Bericht
zugegangen:
«Es war eine wirkliche Triumphstraße, durch welche der Kronprinz
in das alte Raeren einzog. Triumphbogen, Guirlanden und
Fahnenschmuck wetteiferten miteinander, der Straße ein festliches
Aussehen zu geben. Einen noch festlicheren Eindruck machten die
Gruppen von Menschen, welche die Straße belebten, alle in gespannter
Erwartung auf das seltene Ereignis. Vor dem Hause des Herrn
Bürgermeisters Dr. Pesch standen Tausende von Menschen, weil hier
Seine Kaiserliche Hoheit einige Minuten verweilen wollte, um die
Erzeugnisse alter und neuer Kunsttöpferei in Augenschein zu nehmen,
einer Kunsttöpferei, welche Raeren einen Platz in der Kunstgeschichte
der Töpferei überhaupt sichert. Es war den Festordnern Herrn
Bürgermeister Dr. Pesch und den beiden Herren Kaplan Schmitz und H.
Schiffers trotz manchen Schwierigkeiten gelungen, vortreffliche
99
Exemplare dieser Kunst in einer kurz gedrängten Ausstellung
vorzuführen.
Kopf an Kopf harrte die Menge des hohen Herrn. Da langte die
Nachricht von Eynatten an, daß der Kronprinz dort abgefahren sei. Ein
beifälliges Gemurmel verbreitet sich über die Volksmenge. Er kommt!
Und in der Tat! Nach 10 Minuten trabten schon die Vorreiter heran.
Dahinter fährt der Landrat des Kreises Eupen, Herr Gülcher, im Wagen
dem Zuge voraus. Jetzt kommt der Wagen Seiner Kaiserlichen Hoheit,
in welchem außer dem Kronprinzen noch ein General, der Oberpräsident
Herr von Bardenberg und der Regierungspräsident Herr von Hoffmann
saßen. Als der Wagen Seiner Kaiserlichen Hoheit in Sicht kam, erscholl
aus Tausenden von Kehlen ein begeistertes Hurrah. Seine Kaiserliche
Hoheit trug die Uniform seines Westfälischen Infanterie-Regiments Nr.
53, auf den Epauletten die gekreuzten Marschallstäbe.»
Am Tage vor dem hohen Besuch konnte man im Korrespon-
denzblatt des Kreises Eupen folgende Verse lesen:
ODE
zum Willkommen - Gruss am 5. Juli 1885
Seiner Kaiserlichen und Königlichen Hoheit dem
Kronprinzen des Deutschen Reiches
ehrerbietigst gewidmet von Dr. C.
Hurrah! willkommen! herrlicher Kaisersohn,
Des Vaterlandes schirmender Held und Hort!
Froh schlägt Dir unser Herz entgegen,
Liebling und Stolz Du des deutschen Volkes!
Von nah und fern strömet das Volk herbei,
Zum Freudenfest der heutige Tag ihm wird:
Es jauchzet und jubelt allerwege:
«Heil Dir, erhabener Fürst und Sieger!»
Willkomen hier im Banne von Kaiser Karl,
dem Du so trefflich gleichest an hohem Wuchs,
An Siegesruhm und Heldengröße,
Sorglicher Pflege von Kunst und Wissen.
100
Dies Wiesenland im grünenden Heckenschmuck,
e Belebt von treuem Volk und der Herden Pracht,
Umrahmt von dichtem Wälderkranze,
Möge Dir Auge und Herz erfreuen.
Wie Urgroßväter übten in alter Zeit
Und ihre Enkel jetzo die Töpferkunst,
Will einfach schlicht sich zeigen heut des
Fürsten bewandertem Kennerauge.
Dank, tausend Dank Dir, herrlicher Friedensfürst,
Daß Du beglückst heut unseren Heimatsgau; ;
Wir werden Dein und dieses Tages
Freudig gedenken zu allen Zeiten.
Wer kennt den Verfasser dieser Ode?
Die Hergenrather Gemeindechronik hat die Durchfahrt des
Kronprinzen (Hauset gehörte damals zur Bürgermeisterei Hergenrath)
in folgenden Worten festgehalten: «Am 5. Juli Morgens gegen zehn Uhr
passierte Seine Kaiserliche und Königliche Hoheit der Kronprinz Frie-
drich Wilhelm von Preußen nebst Gefolge, bei einem Ausfluge von
Aachen nach Montjoie vermittelst Extrapost die Aachen-Eupener
Actienstraße. In der Nähe des Gutes «Grenzhof» am Aachenerbusch,
Gemeinde Hauset, woselbst sich die Grenze der Kreise Aachen und Eupen
und die Grenze der Gemeinden Aachen und Hauset befinden, wurde Seine
Hoheit durch den Königlichen Landrat, Herrn Gülcher, empfangen. An
dem daselbst von der Gemeinde Hauset errichteten prachtvollen
Triumphbogen hatte sich ein schönes Musikchor (sic!) der Bürgermeister
Mostert, die Herren I. Beigeordneter Kittel, Gemeinde-Vorsteher
Kaldenbach und die Herren Gemeinderats-Mitglieder Peter Joseph
Bohlen, Peter Finken, Theodor Klinkenberg und Hubert Laschet (Herr
2. Beigeordneter und Gemeinderats-Mitglied Schmetz konnte wegen
Krankheit nicht anwesend sein) sowie der Kriegerverein, die St. Rochus-
Schützengesellschaft und viele Einwohner der Gemeinde Hauset zur
feierlichen Empfangnahme des Hohen Herrn eingefunden. Sämtliche an
der Aachen-Eupener Actienstraße in der Gemeinde Hauset gelegenen
Häuser waren festlich geschmückt.»
103
Könengsvoorelschot
va Henri Beckers, Kälemes
Op’ne H66€jkop, ane Hollensbärej,
do scht&&t en Voorelsstang.
Geschoete wät möt et dik Jeweär,
at twintech Joore lang.
De Schötse, di va Kälemes
zönt enge Jod änn Pot,
dänn jedes Joor öm desälbe Tiit,
es Könengsvoorelschot.
Dä hoote Voorel op di Stang,
troof at ene mäneje Paaf.
Mär et zet noch ömmer Lääve drää,
häe welt noch ne€t eraaf.
Der Köneng van et letste Joor,
hat e paar mool em Eng jeprumt.
At twaimool wor der Köneng Erwin,
now wät vor höm jedumt. !
Op eemool &s et da esue wiet,
me tr£kt va Vröjd z&ch ajen Hoore,
et drede mool 6&s et jeflupd,
ne Kaiser €&s jeboore !
! Dummen = Daumen drücken/halten
104
Neuerscheinung
«Mini-trip au pays des Trois Frontieres. Histoire par le texte et
par l’image des beaux villages de notre terroir».
So der Titel einer Text- und Bildsammlung zu den Orten der Gemeinde
Plombi@res aus der Feder von H. Joseph Langohr, die dieser mit der
Unterstützung des Verkehrsamtes der Gemeinde veröffentlicht hat.
Die Sammlung (DIN A4) umfasst 152 Seiten und zählt 290
Illustrationen. Erhältlich ist das Werk zum Preise von 16 Euro. Es wird
verkauft zu Gunsten der Palliativpflegestation des Pflegeheimes St. Jo-
seph in Moresnet-Kapelle und ist erhältlich .
- beim OTCP, rue Laschet, 8, Hombourg
- bei den Verkehrsämtern (SI) in Montzen und Gemmenich
- beim Verfasser, 197, rue de Moresnet, Gemmenich
(E-Mail: josephlangohr@hotmail.com)
Vient de paraitre:
«Mini-trip au Pays des Trois Fronti@res - Histoire par le texte et
par l’image des beaux villages de notre terroir».
Ce travail de 152 pages et de 290 illustrations est patronne par
1’0.T.C.P.; il concerne les villages de l’entit& de Plombi@res.
Cette chronique est vendue au prix de 16 euro; le benefice de cette
action est destin€ au service des Soins Palliatifs du M.R.S. de Moresnet-
Chapelle.
Il est ä votre disposition:
- a l’O.T.C.P., rue Laschet 8, 4 Hombourg,
- au S.I. de Montzen,
- au S.I. de Gemmenich,
- chez l’auteur: Joseph Langohr, rue de Moresnet 197, Gemmenich.