I S Shltal
Landschaft im Grenzraum Nordostbelgiens
BB Emnalten Herenines
ZA EEE A
Kirch CH THOM.
> m SM ;„ - 5
210 5 —
Gl u a 7 ne “ae
an ET. a A ME
VEN Ken
ZZ
ZEITSCHRIFT DER VEREINIGUNG FÜR
KULTUR, HEIMATKUNDE UND GESCHICHTE
IM GÖHLTAL
Nr. 78 — August 2006
I [VOM a
yan Der Fahriee
= pas
} . ni
5 0
m N
38 en bar
= ai=%
= DS |
KENN
SL VE
IN Sal wol Cf iS
= SC IA Val
A en AZ
e 2 A x Zn:
II & Felibris. IM
Im Göhltal
ZEITSCHRIFT DER VEREINIGUNG
FÜR
KULTUR, HEIMATKUNDE UND GESCHICHTE
IM GÖHLTAL
Nr. 78
August 2006
Veröffentlicht mit der Unterstützung des Kulturamtes der
deutschsprachigen Gemeinschaft
Vorsitzender: Herbert Lennertz, Stadionstraße 3, 4721 Neu-Moresnet.
Sekretariat: Maxstraße 9, 4721 Neu-Moresnet, Tel. 087/65.75.04.
Lektor: Alfred Bertha, Bahnhofstraße 33, 4728 Hergenrath.
Kassierer: Alfred Bertha, Bahnhofstraße 33, 4728 Hergenrath.
Postscheckkonto Nr. 000-0191053-60.
Fortis Bank: 248-0068875-35
Konto NL: AMRO-BANK: 46.37.00.090 Vaals/L
Konto BRD: Aachener Bank: 821 363 012 (BLZ 390 601 80)
Die Beiträge verpflichten nur die Verfasser.
Alle Rechte vorbehalten
Druck.: Aldenhoff, Gemmenich - 087-78 61 13.
5
Das Haus Smets in Eynatten
von Alfred Bertha
Zu den markantesten Bauten im Eynattener Dorfkern gehört
unbestritten das Haus Smets, das 1920 in den Besitz des Notars L£&on
Trouet überging und seitdem auch häufig Haus Trouet genannt wird.
Notar L6&on Trouet wurde 1944 durch die Gestapo verhaftet und
umgebracht. Die einzige noch Überlebende der Familie ist die Tochter
Marie-Louise Trouet, die sich 1999 entschlossen hat, das Eynattener
Herrenhaus in eine Stiftung einzubringen, damit dort eine Wohnstätte
für ältere Menschen eingerichtet werde. Diese Idee wurde vom
zuständigen Gemeinschaftsminister Hans Niessen begeistert
aufgenommen und nach zweijähriger Vorbereitungszeit konnte am
27.6.2001 die Schenkung notariell beurkundet werden. So sollte das Haus
Smets/Trouet in absehbarer Zeit einer neuen sozialen Bestimmung
zugeführt und gleichzeitig der Erhalt dieses schönen Baues gesichert
werden.
In der Folgezeit erhielt der anfängliche Optimismus einen
unvorhergesehenen Dämpfer. Die bisherige Eigentümerin war nämlich
mit dem Vorgehen der anderen Vertragspartner nicht einverstanden und
wollte das Projekt folglich nicht weiter unterstützen...
Angesichts des weiter fortschreitenden Verfalls des Hauses und des
unmittelbar daneben liegenden Hofes «Leuff» sah sich die Gemeinde
Raeren zum Handeln gezwungen. Die von ihr als «Projektautor»
designierte gemeinnnützige Wohnungsbaugenossenschaft «Nosbau»
reichte «im öffentlichen Interesse» eine Enteignungsklage ein, der am
13.5.2005 stattgegeben wurde.
Die Planungen sehen für die nächsten Jahre in drei Bauphasen den
Bau von 21 Wohneinheiten vor; in einer ersten, finanziell schon
abgesicherten Phase, werden in den ehemaligen an den Kirchplatz
grenzenden Stallungen des Hofes «Leuff» zehn Sozialwohnungen
entstehen.
ok
Wir wollen diese Entwicklung im Dossier Smets/Trouet zum Anlass
nehmen, kurz auf die Besitzerfolge dieses imposanten Hauses an der
Eupener Straße einzugehen.
Bis ins frühe 17. Jahrhundert konnte Guillaume Grondal die Familie
Smets in der Herrschaft Lontzen bzw. der Bank Montzen zurück-
6
verfolgen, wo Edmund Smets als Schöffe belegt und am 4.3.1625
gestorben ist.
Sein Enkel Wilhelm Smets, geb. 1605, heiratete 1643 Gertrud
Rarmecker, die Tochter des Jan Rarmecker, vom «Hof» in Kelmis. Er
starb am 22.3.1692.
Dessen Sohn Johann Sigismund Smets, geb. am 30.12.1649, heiratete
am 5.8.1685 Regina Wildt aus Eynatten. Diese war die Tochter des
Eynattener Bürgermeisters Johann Wildt und der Gertrud Meessen. Ihr
Bruder Wilhelm Wildt war Kanoniker am Aachener Marienstift.
Johann Sigismund Smets starb in Eynatten am 22. Januar 1729,
Gertrud Meessen starb am 10.1.1733.
Das Ehepaar Smets-Meessen wohnte anfangs in Astenet, siedelte aber *
nach dem Tode des Bürgermeisters Wildt (21.6.1695) nach Eynatten
über.
Von ihren sechs Kindern entschlossen sich drei für den geistlichen
Stand:
-Hubert, geb. in Astenet am 3.11.1688, trat in den Karmel in Aachen
ein. Er starb 1717.
-Johann, geb. in Astenet am 29.1.1691, war Franziskaner in Kempen,
wo er am 3.5.1729 starb;
-Nikolaus Jakob, geb. in Eynatten am 25.3. 1699, erhielt 1722 von
seinem Onkel Wilhelm Wildt die Kanoniker-Pfründe am Aachener
Marienstift. Er starb am 20.3.1778.
Ein weiterer Sohn, Franz Sigismund, geb. am 20.4.1693, studierte
Jura in Löwen, fungierte dann erst als Rechtsanwalt in Lüttich,
anschließend in Aachen, wurde am 18. Juni 1738 zum Schöffen (= Rich-
ter) am Obersten Limburger Gerichtshof ernannt.
Am 18.4.1747 wurde ihm das Amt des Einnehmers für die Stände des
Adels und der Geistlichkeit im Herzogtum Limburg übertragen. Als
Sicherheit stellte Smets die Hälfte seines Elternhauses und zwei in
Eynatten gelegene Höfe (vermutlich die «Leuff» und den «Bouw»/Bau).
Zudem stellten sich sein Bruder, der Kanoniker Nikolaus Jakob Smets,
sowie sein Vetter Johann Wilhelm Wildt als Bürgen.
Franz Sigismund Smets starb in Eynatten am 12.12.1764.
Aus seiner Ehe mit Elisabeth Massart aus Lüttich, deren drei Brüder
als Kanoniker ULF in Aachen wirkten, gingen u. a. drei Söhne hervor,
und zwar
-Johann Nikolaus Jakob, geb. 1729;
-Erasmus Dionysius Philipp, geb. 1731, Kanoniker an Saint Hadelin
7
in Vise, wo er am 25.12.1759 starb. Er wurde am 28.12.1759 in der
Kirche in Eynatten beigesetzt;
-Franz Sigismund, geb. 1733, der ins Franziskanerkloster in Wenau
(Jülich) eintrat und dort 1771 starb.
Der erstgenannte Johann Nikolaus Jakob studierte Rechts-
wissenschaften in Löwen und folgte seinem Vater 1758 im Amt des
Steuereinnehmers für Adel und Geistlichkeit.
Auch für seinen Neffen verbürgte sich der Aachener Kanoniker Smets
und stellte seine Besitztümer als Sicherheit, u. a. das Joostenlehen in
Lontzen, das er 1734 erstanden hatte, während der ältere Bruder Erasmus
Dionysius Philipp mit seinem Erbteil für den Einnehmer bürgte.
Johann Nikolaus Jakob Smets hatte eine zahlreiche Familie. Von den
14 Kindern seien hier drei Söhne erwähnt:
-Johann Franz Joseph Xaver, geb. am 18. Okt. 1759, Kanoniker am
Aachener Marienstift von 1803 bis zu seinem Tode, am 19.1.1818.
-Peter Gaspard Joseph, geb. 2.12.1760, Kapitän in kaiserlichen
Diensten, gefallen 1796 bei der Belagerung von Mantua.
-Johann Nikolaus Jakob Wilhelm, geb. in Reval (Estland) am
15.9.1796, gest. in Aachen am 14.10.1848. Er war der letzte männliche
Vertreter der Eynattener Familie Smets.
Johann Sigismund Smets hatte, wie oben erwähnt, Regina Wildt, die
Tochter des Eynattener Bürgermeisters Johann Wildt, geheiratet.
Die Familie Wildt besaß im Herzen von Eynatten, südlich der Kirche,
ein Wohnhaus und zwei Bauernhöfe, nämlich die Leuff und den Bouw
(Bau).
Der 1693 geborene spätere Einnehmer Franz Smets, der in die Familie
des Lütticher Fiskal-Anwaltes Jean Massart eingeheiratet hatte, bewohnte
dieses Haus neben der Kirche.
Auch sein Sohn und Nachfolger im Amt des Einnehmers, der 1729
geborene Nikolaus Jakob Smets, bewohnte dieses Haus, das er (etwa
1770) zu dem herrschaftlichen Landhaus, das wir heute kennen, umbauen
ließ. Dabei blieb nur der linke Flügel des Vorgängerbaus erhalten. Im
Keller des Hauses Smets befindet sich noch ein aus diesem Vorgängerbau
stammender Türsturz mit der Jahreszahl 1658. Waren es, wie Guillaume
Grondal vermutete, die durch den Umbau/Neubau verursachten Kosten,
die den Einnehmer Smets dazu verleiteten, Gelder aus seinem Einnehmer-
amt zu veruntreuen? Am 3.4.1773 sah er sich gezwungen, durch
notariellen Akt (Notar Nik. Bounie) sein Amt an den Walhorner Schöffen
Arnold Schmetz abzutreten. Letzterer stellte als Bürgschaft seine zu
8
Eynatten, Walhorn und Kettenis gelegenen Güter sowie einige auf den
Höfen Steinkaul und Raaf lastende Hypotheken.
Am 2. September 1776 wurden die Güter des Ex-Einnehmers Smets
und die seines für ihn bürgenden Onkels, des Kanonikers Smets,
beschlagnahmt. Am 20. Januar 1777 kam es zum öffentlichen Verkauf
derselben.
Hierbei ging das Herrenhaus mit den beiden Höfen Leuff und Bouw
für die Summe von 40.000 Gulden an den Schöffen Arnold Schmetz.
Der Kaufpreis blieb als Hypothek zu 3,5% auf den gekauften Immobilien
sowie dem übrigen Besitz des Käufers lasten, d. h. auf den Höfen
Thorentgen (Türmchen) und Hochstraße in Kettenis, einem Hof in,
Walhorn, dem Gut Windmühle in Eynatten sowie den beiden Hypotheken
auf Steinkaul und Raaf.
Nach Schließung der Kontenbücher des Ex-Einnehmers J. N. J. Smets
stellte man einen Fehlbetrag von 37.574 Gulden fest, zu dessen
Begleichung der neue Einnehmer gerichtlich verpflichtet wurde.
ok
Durch Heirat war das Haus Smets von der alten Eynattener Familie
Wildt an die Familie Smets übergegangen, in deren Besitz es rund 80
Jahre blieb, ehe es 1777 durch Kauf an die Familie Schmetz überging.
Der neue Besitzer, Arnold Schmetz, war geboren in Lontzen am 31.
Mai 1720. Er verstarb in Eynatten am 1. Januar 1807. Auf dem alten
Friedhofsgelände an der Kirche ist sein Grabstein erhalten. Die
Grabinschrift teilt uns folgende Einzelheiten zum Leben des Verstorbenen
mit:
«HIERVOR LIEGT BEGRABEN DER
WOHLGEBORENE HERR ARNOLD
SCHMETZ IN SEINEM LEBEN
SCHOEFFEN DER BANK WALHORN
UND EMPFÄNGER DER STAATEN
VON LIMBURG. ER STARB DEN
1. JANUAR 1807 87 JAHRE ALT
UND DIE WOHLGEBORENE FRAU
MARIA CATHARINA SCHMETZ
GEBORENE PAEL. SIE STARB DEN
1. FEBRUAR 1812 77 JAHRE ALT
IM 34. IHRES EHE UND
IM 5. IHRES
WITTWE STANDS»
9
In seiner Eynatten-Monographie (Dison, 1962, S. 89-90) hat der
verdienstvolle Heimatforscher Guillaume Grondal die Lebensstationen
des Schöffen Arnold Schmetz nachgezeichnet und folgende Daten
festgehalten:
Die Eltern, Paul Schmetz und Elisabeth Reep, waren erst in Lontzen
ansässig, wo auch alle sechs Kinder dieser Eheleute geboren wurden. In
Eynatten übernahmen sie (wann, ist unklar) das Gut Neuenhof, das sie
1742 erwarben. Durch Kauf kamen sie auch in den Besitz von Stester,
das sie 1760 durch einen Neubau ersetzten.
Hier starb Paul Schmetz am 5. März 1768. Da dem Besitzer von
Neuenhof das Recht auf eine Beisetzung in der Kirche zustand, erhielt
der Verstorbene seine letzte Ruhestätte in der Eynattener Pfarrkirche
hinter dem Marienaltar.
Am 16. August 1753 heiratete Arnold Schmetz in Eynatten in erster
Ehe Anna Maria Roemer, nach deren Tode er eine zweite Ehe einging,
und zwar mit Maria Catharina Pael aus Eilendorf. Die Trauung fand am
23. Mai 1774 in der Karmeliterkirche in Aachen statt. Arnold Schmetz
wohnte damals in Kettenis.
Von 1754 an begegnen wir ihm als Schöffen der Hochbank Walhorn.
Wie er zum Einnehmer und zum Eigentümer des Hauses Smets und der
Höfe Leuff und Bouw wurde, haben wir oben dargelegt.
Aber er muss, wie gesagt, 1779 auch für Veruntreuungen seines
Vorgängers aufkommen. Stester und Panneschopp sind 1779 ebenfalls
Eigentum von Arnold Schmetz.
Grondal vermutet, dass Arnold Schmetz in zweiter Ehe eine
vermögende Frau geheiratet hat. Durch eine kluge und umsichtige
Vermögensverwaltung vergrößerten die Eheleute Schmetz-Pael ihren
Besitz durch weitere Güter, so Steinkaul, Raaf und Vogelsang.
Seinem Neffen und Patenkind Arnold Schmetz, dem Sohn seines
Bruders Christian, sicherte der Schöffe 1769 durch eine Schenkung den
Zugang zum Priestertum. Arnold Schmetz wirkte erst als Kaplan in
Kettenis, dann als Pfarrer in Hergenrath. Er ertrank am 24. August 1813
in einem Pfuhl auf Gemehret und wurde in Baelen beigesetzt.
Arnold Schmetz und Maria Catharina Pael waren, wie wir gesehen
haben, sehr vermögend, blieben aber kinderlos. Nach dem Tode der
Witwe Schmetz erbte die Nichte Maria Helena Pael (1767-1832) die
Liegenschaften. Sie war verheiratet mit dem aus Maastricht stammenden
Jacob Andreas Coenen (1763-1842), der durch die Sterbeurkunde als
Sohn der Eheleute Johann Coenen und Mechtilda Brauers ausgewiesen
10
wird. Maria Helena Pael starb an Lungenversagen im Spital in Aachen
im Alter von 64 Jahren, am 8.5.1832. Am 11.5.1832 wurde sie auf dem
Eynattener Friedhof beigesetzt.
Aus der Ehe Coenen-Pael gingen ein Sohn, J. Mathias J. Coenen, und
zwei Töchter, Maria Theresia (verh. van Meeuwen) und Maria Catharina,
hervor. Letztere heiratete Friedrich Christian Hertzog aus Aachen. Deren
Sohn Adolf Hertzog, beigeordneter Bürgermeister von Aachen, besaß
das Haus Smets bis zum Ende des Ersten Weltkrieges. Im Zuge der
danach folgenden Beschlagnahmungen deutschen Eigentums im
neubelgischen Gebiet von Eupen-Malmedy verlor die Familie Hertzog
das Haus Smets, das 1920 von der Sequesterverwaltung verkauft und
von dem Eupener Notar L6&on Trouet erstanden wurde. 4
Der vorgenannte Jacob Andreas Coenen, der am 18. Mai 1842 in
Eynatten im Alter von 79 Jahren verstarb, muss bei der Verwaltung sei-
nes Besitzes eine glückliche Hand gehabt haben. Nach seinem Tode
ließen die Kinder fast das gesamte Vermögen öffentlich versteigern. Die
Verkaufsanzeigen im Korrespondenzblatt des Kreises Eupen erlauben
es uns, eine Vorstellung von dem durch Coenen angehäuften Besitz zu
gewinnen.
Unter dem Titel «Großer Mobilar-Verkauf» brachte das Blatt am
22.7.1842 folgende Anzeige (in damaliger Schreibweise):
Auf Anstehen der Erben des zu Eynatten verstorbenen Rentners, Herrn
J. A. Coenen, sollen am
Montag, den 25., Dienstag, den 26., Mittwoch den 27. und Donnerstag,
den 28. Juli c., jedes Mal um 9 Uhr Morgens, in dem Sterbehause
A) Sämmtliche Mobilien, bestehend in: mehreren Pendulen mit Vasen,
zwei Hausuhren, Secretaire, Kommoden, Spiegel, Schränke,
Tische, Stühle, mehreren werthvollen Kupferstichen und
Gemälden, Porzellan, Gläsern, 10 Betten mit Zubehör, einer
Leinwand-Mandel, 12 Oefen, 2 Fournaisen, worunter eine ganz
neue, vielem Kupfer und Zinn, vielen Bütten und Fässern, worunter
Regen- und 3 Fuderfässer, einem neuen Butterfasse, einem großen
geschliffenen steinernen Mörser, 4 schönen Steinen zum
Farbereiben, worunter ein ganz großer, 2 Marmorblöcke
unbearbeitet; dann mehrere tausend Pfund altes Eisen, Blei und
Kupfer, worunter noch ganz neue Schlösser, etc. etc.
B) Eine große Parthie seit 15 Jahren zu Schreiner-Arbeiten
geschnittenes Kirsch-, Nussbaum-, Ulmen-, Eschen-, Eichen-, etc.-
Holz, eingetheilt in 30 Loose; dann eine Parthie Faßbinderholz,
11
auch in mehrere Loose eingetheilt, zwei neue Treppen, drei
Hobelbänke und vieles Schreinergeräthe, vieles Brennholz, alle
zum Betriebe eines Steinbruchs nöthigen Geschirre von Eisen, 8
Ahm zehn Jahre alter Apfel-Essig, circa 1000 Pfund Apfelsyrop,
etc.
C) Vier Pferde nebst Geschirren, 1 Karre mit breiten vierzölligen
Rädern, neu, 2 Schlagkarren, 1 Chaise, 1 Coupee-Wagen mit
Geschirren, beide neu, 2 Pflüge, Eggen, Wellen, worunter eine
steinerne, viele blaue und eine Parthie Beleg-Steine, Ketten, 120
Faß Hafer, eine große Parthie Stroh, 2 große kupferne Braukessel,
eine Essig-Presse, eine Syrop-Presse etc. etc.
D) Eine Orangerie von circa 1500 Töpfen; eine Baumschule enthaltend
1400 junge veredelte Obstbäume, in viele Loose eingetheilt; (diese
Bäume können bis zum Herbste stehen bleiben) öffentlich
meistbietend auf Kredit, gegen Bürgschaft, verkauft werden.
Am ersten und zweiten Tage werden die sub A bezeichneten
Hausmobilien, am dritten Tage, den 27. Juli, das sub B angeführte Holz
etc. und am vierten Tage, den 28 Juli, Morgens die sub C benannten
Pferde etc. und Nachmittags die sub D benannten Gegenstände etc. zum
Verkaufe ausgestellt werden.»
Aus dieser Aufstellung geht hervor, dass Coenen eine größere
Schreinerei und Stellmacherei und wohl auch Fassbinderei betrieben
hat. (In einer Anzeige vom 3.5.1833 bietet er «Buchen-, Birnbaum-,
Apfel- und Kirschbaumbretter, von jeder Gattung mehrere 1000 Fuß
sowie 100 Bäume beschlagen zu Bauholz und Hausmobilien vielfacher
Art» zum Verkauf). Daneben stellte er Apfelsirup und Apfelessig her,
hatte einen frostsicheren Wintergarten mit Blumen und eine Baumschule
mit veredelten Obstbäumen. Aus seinem Steinbruch lieferte er Blausteine
und Belegplatten. Die Landwirtschaft scheint ganz auf Ackerbau
ausgerichtet gewesen zu sein, denn es fehlt jeglicher sonst übliche
Hinweis auf «Kellergeräte» zur Herstellung von Butter und Käse.
Das Korrespondenzblatt vom 16.9.1842 kündete einen weiteren
Verkauf aus dem Nachlass Coenen an, bestehend aus
a) 4 Evangelisten, gemalt in den Jahren 1604, 1605, 1606 und 1607,
von Georg Geldorp;
b) 230 Gemälden, «welche sich auf einem Speicher vorgefunden, und
worunter sich nach dem Urtheile eines Sachverständigen sehr wertvolle
befinden», dann
c) mehreren guten Kupferstichen.
12
Auch mehrere kleine Güter und Häuser aus dem Nachlass des J. A.
Coenen wurden von den Erben verkauft. Im Korrespondenzblatt finden
sich eine Reihe von Anzeigen dieser Art.
Zum Nachlass Coenen gehörten demnach
- das Gut Haabenden (Hardbend) in Eynatten, 24 Morgen groß. 1854
steht dasselbe erneut zu verkaufen. Es war damals im Besitz des Johann
Wilhelm Renardy und es heißt vom «Hardbend», es sei «ein fast neu
erbautes Haus».
- das Gut Hasenbend auf Lichtenbusch, groß 26 Morgen und 57 Ruten;
- das Gut Gass in Eynatten, groß 19 Morgen;
- die sog. alte Schmiede in Eynatten, groß 90 Ruten
- eine Wiese genannt «Doodleger», 4 Morgen groß; 4
- ein kleines Gut auf Schimmerich (Kettenis), 7 Morgen
- im Thal in Kettenis, Wiese, Garten, Haus und Viehweide, 7 Morgen,
49 Ruten
- auf Prester (Hauset), das Gut «Prester», 7 Morgen, 165 Ruten
- zwei Wiesen «Heide» genannt, 15 Morgen
- 4 Morgen Ackerland in der Gemeinde Walheim
Die Erben Coenen trennten sich aber nicht vom gesamten
Immobilienbesitz des verstorbenen Jacob Andreas Coenen. So sehen
wir aus verschiedenen Anzeigen im Korrespondenzblatt, dass sie das
eine oder andere Gut verpachten.
Eines der schönsten Pachtobjekte war die «Leuff» (bzw. der
«Leufferhof» in Eynatten, unmittelbar neben dem Hause Smetz/Trouet
gelegen. «In der Leuf» nannte man den Hof damals. Er enthielt 21
Morgen Weiden, 29 Morgen Wiesen, 47 Morgen Ackerland, «alle erster
Klasse». In einer Anzeige vom 25. August 1843 wird darauf hingewiesen,
dass die Leuff «zur Ausspannung und Wirtschaft besonders vorteilhaft
gelegen» sei , wozu das Haus auch bis dahin benutzt werde. Es besitze
geräumige Stallungen für 24 bis 30 Pferde. Die Schenkwirtschaft wurde
1833 vom Wirte Janssen und 1842 vom Wirte Simons betrieben.
1835 hatte J. A. Coenen von Johann Aloys Wertz das Gut «Pütz» in
Eynatten erworben. Dieses war damals rund 70 Morgen groß und enthielt,
wie am 5.10.1838 im Korrespondenzblatt aufgezählt wird, «ein großes
Ökonomie-Gebäude, anhabend große Zimmer, große‘ Kuh- und
Pferdeställe, trockene Keller, Garten nebst 100 und mehrere Morgen
Wiesen und Ackerland von der besten Qualität und Kultur-Zustande».
Da sich auf diese Anzeige kein Pächter fand, inserierte Coenen erneut
am 8.2.1839 und wies auf die gute Lage des «Pütz» an der Einmündung
13
des neu angelegten Verbindungsweges von Raeren nach Eynatten hin.
Das Haus eigne sich vorzüglich zu einer Gastwirtschaft und wegen sei-
nes vielen und guten Wassers auch zur Anlage einer Brauerei und
Brennerei.
® Eynatten Gut Le
] 7
& | FUN
\ FF” ER KA ME
„a € SEE
Ka a A a= | Da
(Sara N BE ma ZA
SS ER
1 A
Das Gut «Leuff» (alte Ansichtskarte)
7 A A ZEN { EA
ES) AAN N |
8 N Wi HI
RT 5
ER A «
BIN AN
Bl DO aa N MID
s AR er NZ ZN \D \
EB a D A
5 DR SS LE \
MN ST
AZ al We SA!
= AD AWIA VI 13
5 CO AS A K 5 ;
5 Da AA
NN 8 Sa {
A AN SA
A N WE ‘
Ve
WA AT
AN Ab
Das Gut Leuff war 1843 «Ausspannung und Wirtschaft». Nach Umbau werden
in absehbarer Zeit 10 Sozialwohnungen entstehen.
14
Nach dem Tode von Jacob Andreas Coenen kam der «Pütz» in den
Besitz der Tochter Maria Theresia (1805-1882), verheiratet mit Th. van
Meeuwen, der «das sehr geräumige Haus mit Stallungen, Remisen und
sonstigen Zubehörungen, wie auch 37 Morgen, 152 Ruten nahe dabei
gelegene, meistens in Wiesen bestehende Grundgüter» zum Pachten
anbot.
Etwa 150 Jahre lang wurde der «Pütz» als Wirtschaft unter dem Namen
«Zur Post» betrieben und war über mehrere Generationen mit den Namen
von Agris, Dobbelstein-von Agris und Korvers-Dobbelstein verbunden.
1987 wurde das Haus zum Kaufhaus (Schaus u. Kockarts) umgebaut.
*« Gasthof zur Post ,, e
Gruss aus Eynatten ZZ AN
ED X
Pe BE N
pe DE Ze Gis X
A er || ASTHOF ZUR Post
{Ob T ML
m DAN EB
A a
$ SS ‘a f _.
„a
a0 U "En mn
bus SEA MS
Sen A Et BL
A A SE ER
Um die Jahrhundertwende war der «Pütz» Eigentum des Johann von Agris, der
im Adressbuch von 1902 als «Postagent, Land- und Gastwirt» geführt wird.
Das Adressbuch von 1927 nennt das «Hotel zur Post» der Familie Gerh.
Dobbelstein-von Agris.
Im Bild, mit dem Giebel zur Lichtenbuscher Straße, das Anwesen «Winkel»,
das 1980 abgerissen wurde.
Unmittelbar neben dem «Pütz» befand sich ein weiteres Haus, das
dem J. A. Coenen gehört hatte. Es war bekannt unter dem Namen
«Winkel». Eine Anzeige im Korrespondenzblatt vom 28.2.1840
beschreibt den «Winkel» wie folgt: «...zu Eynatten an der Landstraße
von Aachen nach Verviers und eben so nahe an dem neuen Weg nach
Raeren gelegen, ganz neu erbautes Haus, der «Winkel» genannt, enthält
15
6 Zimmer, Keller und Speicher, anhabend Wiese und Ackerland, 50 ad
60 Morgen».
Auch diesmal findet sich nicht auf Anhieb ein Pachtliebhaber, so dass
Coenen das Objekt am 2.4.1841 erneut anbietet: «Ein ganz neu erbautes
Haus, gen. Winkel, steht zu verpachten. Dasselbe enthält 6 Zimmer,
Küche, Keller, Speicher, nebst einem großen Nebengebäude, mit einem
großen Brunnen versehen. Auch kann demselben für 6-7 Kühe Land
beigefügt werden. Dieses Haus ist wegen seiner gesunden Lage besonders
zur Brauerei geeignet.»
an
DS WE ® SWS
2 iM) EL HE BEZ
aA 2 EM mar a N
SA Zi 91 |
A Mn A
% I | ai Ss
«Pütz» und «Winkel» haben ihr Aussehen verändert... (Photo 2006)
Auch diese Immobilie befindet sich 1844 im Besitz der Familie van
Meeuwen-Coenen.
Zum weiteren Besitz von Jacob Andreas Coenen gehörte das Gut
«Langstraße» in Eupen, 44 Morgen groß, das weiterhin Pachtgut blieb.
Der «Winkel» besteht heute nicht mehr. Er lag an der Lichtenbuscher
Straße, wo sich heute die AXA-Bank befindet.
In der Gemeinde Walhorn besaß Coenen ebenfalls ein Gut, das etwa
45 Morgen groß war; davon war ein Viertel als Ackerland genutzt. Es
sollte am 27. Dezember 1842 auf Anstehen der Kinder öffentlich verkauft
werden. Dabei wird in der Verkaufsanzeige besonders darauf
hingewiesen, dass das zum Gut gehörige Haus massiv in Stein erbaut,
16
Ü A (| SB
JE Sn . RE
iM 3
Das Herrenhaus im Zentrum von Eynatten präsentiert sich in einem ziemlich
verwahrlosten Zustand. (Foto 2006)
dicht an der Kirche gelegen und zu jedem Geschäfte, besonders zur
Schenkwirtschaft, geeignet sei.
ok
Mit der Geschichte des Hauses Smets/Trouet verbindet sich, wie man
aus vorstehenden Angaben sieht, diejenige vieler anderer Güter und Höfe
des Eynattener Raumes, die hier jedoch nur gestreift werden konnten.
Quellen:
- Grondal, G., Les Communes du Canton d’Eupen, Eynatten, Bd. 49 des Bulletin de la
Societe Vervietoise d’Archeologie et d’Histoire, Dison, 1962, S. 60
- Korrespondenz-Blatt des Kreises Eupen.
17
Et es alles mä jelennt
Alles, wat de has erworbe,
dat blitt tröck, wenn dow jestorve.
Jeng Ihr, jee Jlöck än och jee Jeld,
Neks nemms de met hej van de Welt.
Et es alles mä jelennt,
wue de dech has vör jeschennt .
Dow moss alles werrem jääve,
wenn verbej ens es die Lääve.
Alles lötts de, Leed of Jlöck,
alles 1ötts de onde tröck.
Alles wat de hotts en et Lääve,
Es dech mä op Tiit jejääve.
Et es alles mä jelennt,
wue de dech has vör jeschennt .
Dow moss alles werrem jääve,
wenn verbej ens es die Lääve.
Wat dow jeschaffe en jewosst,
Ervöllde ömmer dech met Loss.
Verjäet wat alles dow besäete,
Schliet de Owwe än verjäete.
Et es alles mä jelennt,
wue de dech has vör jeschennt .
Dow moss alles werrem jääve,
wenn verbej ens es die Lääve.
E vrue Lääve, janz rösch schaffe,
ersett et Towwe än et Raffe.
Lääf janz vrue än voller Jlöck,
alles blitt doch ens tröck.
Et es alles mä jelennt,
wue de dech has vör jeschennt.
Dow moss alles werrem jääve,
wenn verbej ens es die Lääve.
18
Es am Eng da alles jedue
En dow moss va hej onde jue,
Denk vörher dra, wenn och janz heusch,
et letzte Hemme hat jeng Taisch.
Et es alles mä jelennt,
wue de dech has vör jeschennt .
Dow moss alles werrem jääve,
wenn verbej ens es die Lääve.
Dow wätts vör dinge Herrjott stue,
wie de koems janz nacks än blues.
Alles wat de has besäete, .
kanns de oove now verjäete.
Et es alles mä jelennt,
wue de dech has vör jeschennt .
Dow moss alles werrem jääve,
wenn verbej ens es die Lääve.
Vleks kriss de oove ääl e paar Väre,
Dongs de onde dech jot vööre;
Vleks och noch en schönn Schalmei,
da kanns de trööte op en Hemmelswej.
Dat va onde wor jelennt,
wue de dech has vör jeschennt.
Dow moss alles werrem jääve,
wenn verbej ens es die Lääve.
Me vrott dech, wat de hötts könne due,
En och, wat de has jedue.
Da säss de: «Et wor alles mä jelennt,
wuvöör ech mech esue hau jeschennt.
Now, wue es am Eng mi Lääve,
mott ech alles werrem jääve!»
Jakob Langohr
19
Die Familie Beelen und
der Hergenrather Hof «Bertolf»
von B. Villeneuve de Janti
Die Lehensregister der propsteilichen Mannkammer des Aachener
Marienstiftes erlauben es uns, die Geschichte des Hofes Bertolf bis ins
Jahr 1441 zurück zu verfolgen. Der «Hof zu Hergenrath», wie er in den
Lehensregistern genannt wird, kam am 31. Januar 1441 über Ulrich van
Kettenis, Ehemann der Lyse van der Merkatzen, an deren Sohn aus erster
Ehe, Johannes van Nudorp. (Lyse van der Merkatzen war dreimal
verheiratet, und zwar in erster Ehe mit N. van Nudorp, in 2. Ehe mit
Ulrich van Kettenis und in 3. Ehe mit Diederich van Herve).
Nese van Kettenysse, eine Schwester des genannten Ulrich, die nach
dessen Tod die Hälfte des Hofes zu Hergenrath empfängt, übergibt diesen
Anteil ihrem Sohn Coenrait/Konrad van Wailhaeren/Walhorn und Johan
van Boesdail/Beusdael) und seinen Miterben. Die andere Hälfte des
Hofes ist Eigentum des Johann van Nudorp, der sie 1458 seinem
Schwager, dem Clais/Claes Kemp, Priester und Kaplan der
Liebfrauenkirche zu Aachen, überlässt. Von diesem geht der halbe Hof
1460 in den Besitz des Johann Bertholff des Älteren über, während die
andere Hälfte, die 1454 durch Coinrait van Wailhaeren und Johan van
Boisdail den Gebrüdern Poleyn, Johan und Zanders van Kettenysse
überlassen wurde, weiterhin in deren Besitz ist.
Johann Bertholff gehörte einer Aachener Patrizierfamilie an. Er war
Schöffe von Aachen von 1462-1510, ein Amt, das auch schon sein Vater,
sein Großvater und sein Urgroßvater innegehabt hatten. Auf ihn geht
das so genannte Hergenrather Lehen in Aachen zurück, eine
Häusergruppe, die Johann Bertholff von der Familie Beissel erwarb und
die nach dem Tode seines Enkels Hermann an die Stadt überging.
Von den beiden Söhnen Johann Bertholffs und der Agnes Polleyn
von Kettenis erbte der eine, Simon, das Gut Belven. Er wurde zum
Stammherr der «Bertolff von Belven». Der zweite, Jakob, kam in den
Besitz des Hergenrather Lehens; seine Nachkommen nannten sich
«Bertholff von Hergenrath».
1562 geht der Hof zu Hergenrath durch Erbwechsel von Johann
Bertholff auf Peter Schardinel und dessen Ehefrau Marie über. Diese
verkaufen das Anwesen 1567 an Lambrecht Beeil van Embach/Imbach.
20
In der folgenden Generation wird der Hof «Heinrich Beylens Hof»
genannt (1581); 1631 heißt er «Beelen Hof».
Mit dem Namen der Familie Beelen bleibt der Hergenrather Hof bis
ins frühe 19. Jahrhundert verbunden. Im Folgenden wollen wir etwas
näher auf diese Familie eingehen und die verschiedenen Zweige
derselben vorstellen. Der Klarheit halber fügen wir Ordnungszahlen an.
Der erste uns bekannte Träger des Namens Beelen ist Lambert I. von
Beelen, der um 1390-1400 geboren sein dürfte. Wahrscheinlich ist er
derjenige Beelen, der im Zusammenhang mit dem Adelsbrief der Beelen-
Bertholff vom 2. August 1773 als Abgesandter des Adels bei der
Einsetzung des Ordens vom Goldenen Vlies durch Philipp den Guten,
Herzog von Burgund, im Jahre 1429 erwähnt wird. ;
Dessen Sohn, genannt Junker Hein Beelen von Nereth, ist 1425/1430
geboren. Die Bezeichnung «von Nereth» deutet darauf hin, dass er in
diesem bei Baelen gelegenen Weiler ein Rittergut besaß. Er heiratete
1458 die verwitwete Maria von Eys gen. Beusdael.
In der nächsten Generation führt Johann I. v. Beelen, Sohn des
Vorherigen, die Familie weiter. Geboren war er um 1460. Er war Schöffe
von Henri-Chapelle und starb in Aachen, wohin er sich wegen der
unruhigen Zeiten zurück gezogen hatte. Diese Unruhen sind
wahrscheinlich auf die Religionswirren des 16. Jahrhunderts
zurückzuführen.
Johann I. von Beelen hatte Maria Agnes Bertholff geheiratet. Diese
war — so nehmen wir an — die Tochter des Jakob I. Bertholff, eines
natürlichen Sohnes von Merten Bertholff und Begründers der Bertholff
von Hergenrath.
Lambert von Beelen, («Lambrecht Beel van Embach») vermutlich
der Sohn des genannten Johann I. von Beelen, besaß wohl ein Lehen zu
Imbach (Henri-Chapelle). Mit ihm beginnt die Linie der «Beelen-
Bertholff». Er kauft nämlich am 26.7.1567 von den Eheleuten Peter
Schardinel und Maria Bertholff deren Familienlehen Bertholff. Die
Beelen nannten sich fortan «Herren von Bertholff».
Hein Beelen «auf Imbach und Bertholff» bzw. «Heyn Belen van
Hergenraet», Sohn des Vorhergehenden, wurde geboren am 10.11.1542.
1565 ist er als Schöffe von Henri-Chapelle belegt. In erster Ehe hatte er
1563 Catherine Kloecker aus Baelen geheiratet; diese erlag 1578 mit
ihren 4 Töchtern einer ansteckenden Krankheit. Im folgenden Jahre
heiratete Hein Beelen Anne Pelsser aus Henri-Chapelle, die Tochter des
dortigen Schöffen Nicolas Pelsser. Diese starb am 18.2.1601.
28
Aus der ersten Ehe überlebten die Söhne Lambert II. und Nicolas/
Claes von Beel(en).
Aus der zweiten Ehe stammten weitere sechs Kinder, darunter
- Hein III. von Beelen, geboren am 12.3.1581, verheiratet mit N.
von Gülpen. Diese Eheleute hatten einen Sohn, Hein IV., der Anna von
Dobbelstein (von der Eyneburg) heiratete, womit eine verwandt-
schaftliche Bindung zwischen den von Beelen-Bertholff und den
Burgherren der Eyneburg entstand.
- Johann II. von Beelen-Bertholff, geboren im September 1589,
Bürgermeister von Aachen im Jahre 1639. Starb kinderlos.
- Elisabeth, die in erster Ehe N. Kannartz und in zweiter Ehe Frie-
drich von Hagen heiratete. Von dieser Tochter Elisabeth und ihren zwei
Ehemännern befand sich ein schöner Grabstein mit den Wappen
Kannartz, Beelen, Styverts, Ballarmee, Hagen, Roist, Brandenburg und
Neuraet/Nereth in der Walhorner Kirche.
Der oben genannte Nicolas/Claes Beel, Sohn des Hein Beel und der
Katharina Kloecker, Herr von Bertholff, relevierte das Lehen seines
Vaters im Jahre 1628. Er war, gemeinsam mit der Familie Dobbelstein
von der Eyneburg, maßgeblich am Neubau der Hergenrather Kirche
(1619) beteiligt. Gemeinsam mit dem Herrn von Dobbelstein stiftete er
die Kanzel für diese Kirche, deren Rendant er etwa 30 Jahre lang war.
Die Kanzel zeigt das Wappen der beiden Familien. Auch bekleidete Claes
Beelen ein Schöffenamt in Walhorn sowie in der Herrschaft Hergenrath.
Claes Beelen starb ohne Nachkommen am 1. Januar 1651. Seine Güter
gingen an seinen Neffen Johann Beelen, Sohn des Lambert II., geboren
am 29. November 1622, der das Lehen am 19.8.1651 als Universalerbe
seines Oheims (laut Testament) relevierte.
Vorgenannter Lambert II. mit dem Beinamen «der Reiche», der Bruder
des Claes Beelen, heiratete 1616/1618 Danielle de Meuth genannt
Donraet. Aus dieser Ehe gingen hervor:
- Heinrich, geboren am 14.3.1620, Junker, Offizier im Regiment
Piccolomini, gefallen in der Schlacht von Diedenhofen/Thionville
(Lothringen) am 7. Juni 1639, beigesetzt in St. Foillan in Aachen. Keine
Nachkommen.
- Johann II. von Beelen, geboren am 29.11.1622, Junker, Herr von
Bertholff, Generaleinnehmer der Provinz Limburg und Richter der
Zollkammer. Er heiratete in erster Ehe in Aachen am 13.7.1652 Catharina
Reul, gestorben am 12.4.1658, Tochter des Asteneter Schlossherrn Reiner
Reul. In zweiter Ehe heiratete Johann Beelen am 28.5.1659 Maria
22
Catharina Braumann, Tochter des Aachener Schöffen Karl Braumann,
der als Kommandeur des Ritterordens der Malteser auf Malta verstarb.
Johann Beelen war Schöffe von Walhorn sowie Meier der Herrschaft
Moresnet und der Grundherrschaft Hergenrath.
Aus der ersten Ehe hatte Johann Beelen keine, aus der zweiten Ehe
jedoch 9 Kinder, und zwar:
1. Maria Cäcilia, geboren am 12.5.1660, Kanonisse/Chorfrau im
adligen St. Leonard-Stift der Nonnen vom heiligen Grab in Aachen; die
Eltern übertragen ihrer Tochter bei deren Klostereintritt als Mitgift eine
Rente von 30 Rtlr., die mit 600 Rtlr. abgelöst werden kann. Als Sicherheit
stellen sie ihre Güter in Aachen und Limburg (Coels, S. 267).
2. Catharina Elisabeth, geboren am 23.1.1662, ledig; G
3. Anna Isabella, geboren am 1.8.1663, ledig;
4. Johann Carl, geboren am 8.8.1665, gest. am 17.7.1680;
5. Philipp Lambert, s. unten ;
6. Anna Clara, geboren am. 15.11.1668, ledig;
7. Johann Albert, geb. am 15.5.1670, Kanoniker des Jülicher Stiftes,
apostolischer Protonotar. Dieser Kanoniker relevierte das Lehen Bertholff
am 13.3.1721. Es umfasste das Schloss mit den Nebengebäuden,
Wassergräben, Weihern, Garten, Obstgarten und Ländereien in einer
Gesamtfläche von 13 Bundern, 163 Ruten (Coels, S. 268).
Wahrscheinlich war es auch Johann Albert von Beelen-Bertholff, der
die heute noch stehenden Wirtschaftsgebäude errichten ließ, wo ein
Türsturz im nordöstlichen Flügel die Jahreszahl 1733 und ein Keilstein
an der Innenseite der Hofeinfahrt einen Kelch trägt.
8. Margaretha Ludgardis, geb. am 12.12.1672, gest. Ende Dezember
1672.
9. Theodor Nicolaus, geb. am 11.10.1676, gest. am 28.10.1718, ledig.
Erhebung in den Freiherrenstand
Der unter Nr. 5 genannte Philipp Lambert von Beelen-Bertholff wurde
nach seinem Tode rückwirkend als erster Beelen geadelt und in den
Freiherrenstand (Baron) erhoben. Das Adelspatent wurde durch Maria-
Theresia am 2. August 1773 ausgestellt für den Sohn des Philipp Lam-
bert, Johann Albert von Beelen-Bertholff, doch mit Rückwirkung auf
den am 10.2.1710 gestorbenen Vater. Dieser war geboren am 14.6.1667
und, wie alle Beelen vor ihm, zählte er zum Stand der Landedelleute,
der so genannten Junker («&cuyer»). Die vielen Ämter dieses Mannes
23
zeigen, in welch hohem Ansehen er gestanden hat. Er nannte sich Rat
und General-Auditor der Provinz Limburg, Abgeordneter des Kreis-
Reichstages, Erster Berater des Aachener Kaiserstuhls, Hoher Drossard
und «Leutnant» der Lehen des Herzogtums Limburg, Syndikus des
Deutschordens, Schöffe und Richter der Zollkammer sowie Berater
mehrerer Fürsten.
Philipp Lambert von Beelen-Bertholff hatte an der 1655 gegründeten
Universität Duisburg studiert, wo sich sein Name unter dem 31.07.1686
findet: «Philippus Lambertus Beelen, Aquensis, anno 1686, die 31 Julii
1685/86». Es scheint sich um den Tag des Studienabschlusses zu handeln.
(Die Universität Duisburg wurde 1806 aufgehoben).
Verheiratet war Philipp Lambert von Beelen mit Marie Waltere de
Gevelmans, Tochter des Jean Waltere, der Berater des Kurfürsten von
Köln war, und der Maria Sibylla Henriquez von Streversdorf. Die
Eheleute Beelen-Gevelmans hatten fünf Kinder, nämlich
1. Johann Albert, der Stammvater des älteren Zweiges wird (s. unten)
2. Frederik Wilhelm Constant
3. Marie, Ehefrau des N. de Cullere, Ingolstadt
4. Martin Hermann, Kanoniker in Jülich
5. Maximilian Joseph, Stammvater des jüngeren Zweiges.
Im genannten Adelsbrief vom 2.8.1773 schreibt Kaiserin Maria-
Theresia einleitend, es sei ihr seitens ihres lieben und getreuen
Edelmannes Albert von Beelen-Bertholff untertänigst dargelegt worden,
dass er, wie seine Vorfahren, seit 1715 in Diensten ihres Hohen Hauses
stehe, als Leutnant, Kapitän, Oberst und Generalauditor in den
Niederlanden, wie auch als Ratgeber des verstorbenen Kaisers und
Königs Karl VI., ihres sehr lieben und sehr verehrten Vaters und Herrn
glorreichen Andenkens.
Auch hatte Johann Albert von Beelen-Bertholff die Kaiserin darauf
hingewiesen, dass er 1724 Jeanne Charlotte de Mahieu, die Tochter des
Antoine L6on de Mahieu, Herrn von Warelles geheiratet hatte; dass sein
ältester aus dieser Ehe hervorgegangener Sohn Frederic Eugene im Jahre
1759 Jeanne-Marie-Ther&se de Castro y Toledo, Tochter des Edelmannes
Francois-Joseph, Herrn von Villers, P&ruwez und Puyvelde geheiratet
habe; dass es sein sehnlichster Wunsch sei, seine Nachkommen dazu zu
bewegen, nach dem Beispiel ihrer Vorfahren Diensteifer, Treue und
Anhänglichkeit gegenüber dem Hohen Hause zu zeigen; dass er deshalb
unterwürfigst bitte, ihn mit Rückwirkung auf seinen Vater Philipp-Lam-
bert mit dem Titel «Baron» zu ehren, diese Ehre aber auch auf die
24
(en de Son em Da Seelen. Bertfolt? ae vr
| petroachif San Sn Lese Züihppe. EA ler iD |
| Neelen. en hol mat auff Set fand ee}
\De/cendant be Cum Ct De Laute 7 AES ehe |
| eihe de Pr Yiage Verben Ögne Ditecte, et |
| le jA S Lane De Bimegenitu, Maond Ct-Baton) H
200; (CE Dong et Ber meHOnT, que Leit CASES |
| Descendand Beim el de Pautie Sete Cmme }
Dir CH PpHIIERT Ch Ppourtond fpoeter Ce Prieme-
(Che 2e Aaton De AS Aom, ef Papa ligued Dar
| tell Prse ef DZ Heute Ge DZ Free VeROn tn
\Comlenir, Obja ach Je O4 & acquebir VS WIE
(Domina Yröm ef obliMance AUS. ZB Mate G ont]
| 260.0 örefen Fa at Las, (a tasbne. Corse Arad
ae. SEI Apen dancel et Daoendanceg, Kaufeurd,
(Zeit hen Kevenud 2b ZtLEtlend en Qi,
/ vn N Citre, Porn Bretsinence de ÄMattor:nie,
eur fretmeltond, De InEme qua eur nd Ben |
2 e/cemndand gi fmes bes eme Dibeete, Cniteie
|Z CH, de gehen ont BE ga Latte et |
1AUamEn Yafdn De e Äabohnie, y Zr inter.
| Am Lelles aefaed Certet et Minen ieh Sibd |
| et Abe Miond que bon Cat de Kia, feuer
efuder A Tamait, CHR EH-L2uhd Bfng ek Delcen=
1 Ausgabe fe Arnd, Sehen Pordze DE Bine Ent tt@ de. |
| Cole Ora han Lh Baonzui2, Aindt Sue Dad Dei)
; Auszug aus dem Adelsbrief .
25
Zei
WO F
nd
a IC
6 SL (I
m EA Di „> ED
VB TEEN
Dr N Hr fa
Dr WS
AN EA
ES NE IRA We;
(I) 7
zz << Y a
| e Pam
Tran, Dr. Jär: , SIEB
Wachen 1,5 1700 [RIO S4/204]
Wappen des posthum in den Freiherrenstand erhobenen Philipp Lambert von
Beelen-Bertholff
Erstgeborenen beiderlei Geschlechts zu übertragen, wenn diese in
direkter Linie aus einem ehelichen Verhältnis hervorgegangen sind bzw.
hervorgehen.
Der Antragsteller Johann Albert von Beelen-Bertholff hatte sich in
Brüssel von den kaiserlichen Ratgebern Joseph-Antoine-Albert Jaerens
und Gilles Gabriel Labiniau nach Vorlage authentischer Dokumente
bescheinigen lassen, dass daraus hervorgehe, dass die Famile Beelen
seit etwa 300 Jahren in den Niederlanden «noble et florissante»
(blühender Adel) sei und mehrere hervorragende und tapfere Offiziere
und andere Männer gestellt habe, die sowohl im zivilen wie im
militärischen und kirchlichen Bereich die herausragendsten Ämter im
Dienste der Hohen Herrscher der Niederlande ausgeübt haben.
Die Ratgeber stellen ebenfalls fest, dass auch die nächsten
Anverwandten dieser Familie (dem kaiserlichen Hause) gedient haben
u. a. als Feldherren, Gouverneure von Städten und Festungen, Colonel,
Major, Kapitän, Bailli, Ratgeber beim Hof von Brabant und im Finanzrat,
26
| 3 E A
S WS ee
$ A JE S
; | Ca °
3 Ka A 3 (OO 5
. A a A}
Me
Wappen des Johan Albert von Beelen-Bertholff (Zeichnung im Adelsbrief)
Vorsitzender des Rates von Flandern, Minister in Regensburg, als
Abgesandte in den ehrenwertesten Funktionen des Adelsstandes, so. z.B.
bei gewissen Einweihungsfeierlichkeiten unserer Herrscher, bei der
Einsetzung des Ordens vom Goldenen Vlies in Brügge im Jahre 1429
durch Philipp den Guten, Herzog von Burgund und Graf von Flandern,
als Maitre d’hötel der Erzherzöge Albert und Isabella und des Herzogs
von Parma....
Des weiteren erklären die beiden kaiserlichen Ratgeber, dass die
Familie Beelen stets nur mit alten Rittersfamilien eheliche Bindungen
eingegangen sei, so dass man sie verbunden finde mit den Familien der
Dobbelstein von Eynenburg, Gulpen, von Mahieu, v. Neve, Steelandt,
Bellarm&e, de Castro, Bayart de Gantau, Beaufort, Herthoghe, Villers
de Bomal, Luna Zerzanders, Montmerenci, Pottelsberghe, Neverle, Le
Poivre, van Mechelen.
alla
Mit dem Freiherrn Philipp Lambert von Beelen nimmt die Familien-
geschichte, wie angedeutet, eine zweifache Ausrichtung. Der «ältere»
Zweig geht auf den Sohn Jean Albert zurück, während der «jüngere»
Zweig sich vom jüngsten Sohn, nämlich Maximilian Joseph, ableitet.
27
Der ältere Zweig
Dieser spaltet sich in der auf Johann Albert folgenden Generation in
vier Zweige auf, und zwar:
- den amerikanischen
- den flämischen
- den österreichischen und
- den Mechelener Zweig
Der an zweiter Stelle genannte Frederik Wilhelm Constant von Beelen-
Bertholff, geboren in Aachen am 28.8.1707 und dort verstorben am
15.4.1766, war Rechtsanwalt am Brabanter Oberhof und heiratete am
21.11.1734 in Brüssel Euge&nie Marie Therese de Mahieu, die Tochter
des Bürgermeisters von Ath und Herrn von Warelles, Antoine L&on de
Mahieu. 1738 war der Junker Frederik Wilhelm Constant von Beelen-
Bertholff Schöffe in Aachen, wenig später wurde er dort Bürgermeister.
Er hinterließ drei Töchter:
- Marie Therese Louise Caroline, geb. in Brüssel am 24.10.1742;
- Marie Jeanne Eugenie Angelique, geb. am 16.2.1746 in Brüssel,
Ordensschwester bei den Coelestinen (Weißen Frauen) in Aachen;
- eine weitere Tochter (Namen nicht erwähnt), die ebenfalls bei den
Coelestinen eingetreten war.
Johann Albert (auch Albrecht), Freiherr von Beelen-Bertholff
Er erbte die Güter seines gleichnamigen Onkels, des Kanonikers, den
wir schon als vermutlichen Erbauer der Wirtschaftsgebäude des
Hergenrather Hofes genannt haben.
Der Neffe machte eine glänzende Karriere in Armee und Verwaltung.
Aus einer ersten Ehe mit Marie Jeanne Catherine Charlotte de Mahieu,
die er 1725 in Brüssel geheiratet hatte, stammten fünf Kinder. Nach
dem frühen Tode seiner Gattin, am 5. September 1733, heiratete der
Herr von Beelen am 20.4.1737 in St. Gudula in Brüssel Anne Catherine
d’Ansillon, geb. in Brüssel am 5.11.1703, Witwe (seit 8.2.1735) von
Ferdinand Jakob Ringler, Gerichtsrat und später Steueranwalt am
Brabanter Hof.
Jean Albert von Beelen-Bertholff und seine (zweite) Ehefrau haben
wohl längere Zeit auf ihrem Hergenrather Landhaus Bertholff zugebracht.
Wie anders erklärt sich die ihnen vorbehaltene und mit ihrem
Doppelwappen versehene Kirchenbank?
28
Durch Ernennungsurkunde vom 23.12.1737 wurde der 1715 in die
Österreichische Armee eingetretene Johann Albert von Beelen zum
Generalauditor der kaiserlichen Truppen in den Niederlanden und zum
Berater Kaiser Karls VI. ernannt.
Prinz Karl von Lothringen, Generalgouverneur der belgischen
Provinzen des Habsburger Imperiums, ernannte Johann Albert von
Beelen-Bertholff am 1. Juli 1749 zum Bevollmächtigten (= Kommissar)
der Provinz Limburg, betraute ihn mit der Leitung der Polizei und
beauftragte ihn, die Einhaltung der Verordnungen bzgl. der Verwaltung
und der Verteilung der Steuerlasten zu überwachen.
In der Armee hatte sich der Herr von Beelen-Bertholff vom Leutnant
zum Kapitän und Oberst hochgedient. Wie schon gesagt, wurde er am 2. .
August 1773 mit posthumer Wirkung auf seinen Vater in den
Freiherrenstand erhoben. Er starb nur wenige Tage später, am 6.8.1773.
Zwei Jahre vorher, 1771, hatten Johann Albert von Beelen-Bertholff
und seine zweite Ehefrau das Lehen Bertholff mit allem, was dazu
gehörte, sowie den Hof «Gillisheide» ihrem Sohn Maximilian Albert
Joseph gegen eine Leibrente für sich selber und einen finanziellen
Ausgleich für die anderen Kinder übertragen. Ob damit eine frühere,
vor Notar Nicolaus Bounie am 21.3.1766 getroffene Erbschaftsregelung
hinfällig wurde, ist nicht festzustellen. Damals hatten die Eheleute
Beelen-Ansillon den beiden Söhnen aus erster Ehe, Frederic Eugene
und Nicolas Ignace, eine Summe von 25.000 Florins als Hinter-
lassenschaft überschrieben.
Der neue Herr von Bertholff ließ das Lehen am 6. Juni 1771 durch
den Meier von Lontzen, Wilhelm Dobbelstein, relevieren.
Anne Catherine d’Ansillon war die Tochter von Francois d’Ansillon,
Herrn der Stadt und Freiherrschaft Wavre, de la Pierre und de la Gaite€,
Ritter des (Hl.) Römischen Reiches, gestorben im Jahre 1738 und
beigesetzt im Chor der Pfarrkirche von Wavre, und dessen Ehefrau Marie
Catherine Fenas.
Aus der ersten Ehe des Freiherrn Johann Albert von Beelen-Bertholff
stammten fünf Kinder: T
1. Hermann Francois Marie, geb. in Brüssel, getauft am 13.7.1726,
«Ecuyer»/Junker, gestorben in der Pfarre St. Gudula am 6.1.1730.
2. Marie Rose Antoinette, getauft in St. Gudula am 13.6.1727,
Klosterschwester bei den «Dames de Lorraine» in Brüssel, dort gestorben
am 8.9.1809.
3. Frederic Eugene Francois, Gründer eines ersten «älteren Zweiges»,
s. unten.
29
4. Nicolas Ferdinand Antoine Ignace, Günder eines zweiten «älteren
Zweiges», s. unten.
5. Eleonore Rose Joseph Albertine Hyacinthe, geboren in Brüssel am
5. Juli 1732, getauft in St. Gudula am 25. Juli 1732, jung gestorben.
Aus der zweiten Ehe des Barons Johann Albert von Beelen-Bertholff
mit Anne Catherine d’Ansillon stammten ebenfalls fünf Kinder, und
ZWar:
- Maximilian Jean Albert Joseph (Begründer eines dritten Stammes)
- Frederic Guillaume Joseph, getauft in Notre-Dame de la Chapelle
(Brüssel), am 9.7.1740, Kreuzherr in Köln ;
- Anne Francoise Rosalie, Zwillingsschwester des Vorhergehenden,
jung gestorben;
- Jean Albert Joseph, geb. am 17.8.1741, im Kindesalter gestorben;
- Michel Charles Francois Joseph (Begründer eines vierten Stammes,
s. unten).
Die Beelen-Bertholff in Amerika, direkte Nachfahren des Barons
Johann Albert von Beelen-Bertholff
Seit dem Adelsbrief vom 2. August 1773, durch den die Beelen in den
Freiherrenstand erhoben worden waren, hatte sich für den älteren Zweig
die Benennung «von Beelen-Bertholff» eingebürgert, während es beim
jüngeren Zweig der Familie bei der Bezeichnung «Beelen» blieb.
Frederic Eugene Francois, 3. Baron von Beelen-Bertholff
Der am 29. Juni 1729 als.drittes Kind des Johann Albert von Beelen-
Bertholff in St. Gudula in Brüssel getaufte Frederic Eugene Francois
heiratete am 18.7.1759 in St. Niklaas-Waes (Westflandern) die dort am
28.10.1731 geborene Marie Therese de Castro y Toledo, die Tochter des
Herrn von Villers, Perwin/Pe&ruwez, Puyvelde, Velde, Overhem und
Schöffen von Waes.
Am 13.8.1760 wird der Baron von Beelen-Bertholff als Sekretär des
Rates von Brabant vereidigt. Es folgte die wichtige Funktion des Gref-
fiers (Sekretärs) des Domänen- und Finanzrates, den man häufig (vor
allem bezüglich des Zollwesens und der Handelskontrollen) mit einem
wirklichen Finanzministerium verglichen hat. Man muss daran erinnern,
dass Kaiser Karl VI., der Vater Maria-Theresias, die Grundlagen einer
groß angelegten Wirtschaftspolitik gelegt hatte. 1722 hatte er die «Com-
30
pagnie des Indes Imperiale et Royale» (Kaiserlich-Königliche Indien-
Kompanie) gegründet, die vor allem als «Ostender Kompanie» bekannt
ist. Diese bestand zwar nur von 1722 bis 1731, hatte in dieser Zeit aber
große Erfolge im Handel mit Indien und China und konnte erfolgreich
das englische Handelsmonopol durchbrechen.
Im März 1731 sah sich der Kaiser jedoch als Gegenleistung für die
seitens England erforderliche Anerkennung der «Pragmatischen
Sanktion» zur Auflösung dieser Handelsgesellschaft gezwungen. Diese
Anerkennung sicherte Maria Theresia die Nachfolge auf den kaiserlichen
Thron.
Die «Ostender Kompanie» hatte ganz erhebliche Geldmittel in die
Staatskasse gespült und dem Kaiser gezeigt, welche Bedeutung die‘
Handelsströme für dieselbe besaßen. Diese Erkenntnis führte zum
progressiven Aufbau einer darauf ausgerichteten Verwaltung unter der
Leitung des Barons von Beelen-Bertholff. Die notwendigen Kontrollen
der Fluss-Schiff-Fahrt und des Zugangs zu den großen Häfen (vor allem
Antwerpen) gestalteten sich manchmal recht schwierig, da es häufig zu
Meinungsverschiedenheiten mit den Schiffern kam und der Baron von
Beelen-Bertholff seinen Zollkontrolleuren ganz konkrete Anweisungen
bei Verdachtsmomenten auf Unterschlagungen geben musste. So
verlangte er z. B. im Spätherbst 1764 eine genaue Auflistung der Schiffe
und der Frachtgüter am Kontrollpunkt Navagne an der Maas. ..»ä com-
bien se monte le chargement de chaque bateau de diff&rente sorte, dans
les divers especes, avec les marchandises qui passent le plus commun&-
ment, tels que les fers, les ardoises, pierres, houille.”
Seine Tätigkeit im Domänen- und Finanzrat hatte den Baron von
Beelen-Bertholff als fähigen Wirtschaftsfachmann ausgewiesen und auf
andere, höhere Aufgaben, vorbereitet.
Wie hoch seine Besoldung in jenen Jahren ausfiel, ist nicht belegt. Er
muss jedoch über größere Geldmittel verfügt haben, denn 1768 erwarb
er unweit von Antwerpen in Maria-ter-Heide, (zwischen Ekeren und
Braschaat) ein Grundstück von 2.200 ha, wo er um 1770 mit dem Bau
eines Schlosses begann. Dieses war als «Beelenhof» bekannt. 1772 wird
er als «kasteelheer» /Schlossherr in Maria-ter-Heide genannt. Das
eigentliche Schloss wurde im Krieg zerstört, aber unter Wahrung des
äußeren Erscheinungsbildes wieder aufgebaut.
Der Familienchronik der Familie Janti entnehmen wir, dass am 7.
Januar 1777 Charles Francois Maurice de Janti in der Schlosskapelle
von Beelenhof in Ekeren die Tochter des Schlossherrn Frederic Eugene
31
von Beelen-Bertholff, Therese Eugenie Francoise, Baronin von Beelen-
Bertholff, geheiratet hat. Wir wissen auch, dass der Schlossherr von
Beelen-Bertholff 1780 auf seinem Grund eine weitere Kapelle errichten
ließ.
BE ‚FAN
An = ZN
Z E SS YA
ACE ET. En
A 3 RM]
EA
HN MN SUN
ÖL 2008 M zn
Der Beelenhof in Maria-ter-Heide
Therese Eugenie Francoise war das älteste Kind des Barons von
Beelen-Bertholff. Sie war geboren in Brüssel und dort in der Kirche St.
Nicolas getauft worden am 9. August 1760. Sie heiratete den ebenfalls
in Brüssel geborenen Charles Francois Maurice de Janti, Herrn von
Bonines (1744-1818), und starb in Brüssel am 11. Januar 1818.
Eine zweite Tochter, Therese Eugenie, trug nach dem Tode ihres Vaters
den Titel Baronin von Beelen-Bertholff.
Eine dritte Tochter, Philippine Josephine Marie, getauft in Brüssel
am 23. Januar 1762, heiratete 1781 Edouard de Dorlodot aus Charleroi.
Es folgten weitere zwei Söhne und zwei Töchter, nämlich:
Sophie Louise, getauft in Notre-Dame de Finisterre (Brüssel, Rue
Neuve) am 15. Januar 1767, gestorben am 6. Oktober desselben Jahres;
Francois Eugene, getauft in Notre-Dame de Finisterre am 18.2.1768,
Lizenziat in Rechtswissenschaften (4. Juli 1783), ledig gestorben in den
Vereinigten Staaten;
Constantin Antoine, geboren am 9. Juni 1770 (s. unten)
Cle&mence Augustine Therese, getauft in Notre-Dame de Finisterre
am 9. August 1771, unverheiratet (?) gestorben.
32
Leben des Frederic Eugene und dessen Nachkommen in den USA
ea ES a
£ EN 2m SZ 3
E: Wr. 9
3 HN a A
VS SS E
% U > bh
A SD v
8
“AS m}
A |
E 8
u “
Frederick Eugene, 3. Baron von Beelen-Bertholff (1729 - 1805)
Frederic Eugene von Beelen Bertholff ist der Begründer des
amerikanischen Zweiges dieser Familie. Als «Conseiller au Commerce»
wurde er 1783 von der Regierung der Österreichischen Niederlande mit
einer (Wirtschafts-) Mission in die Vereinigten Staaten betraut. Er sollte
den Abschluss eines Handelsabkommens zwischen den Vereinigten
Staaten und dem Österreichischen Kaiserreich vorbereiten.
Im «Mus$&e de la Dentelle» (Spitzenmuseum) in Marche-en-Ardenne
(unweit Givet) kann man erfahren, dass der Baron 1784 die Spitzen aus
Marche in die Vereinigten Staaten einführte und dass diese Spitzenware
in Philadelphia trotz großer Mengen französischer, fast gleichartiger
Spitzen, starken Absatz fand.
33
Nach der Unterzeichnung des Handelsabkommens blieb Baron Fre-
d&ric Eugene Francois von Beelen-Bertholff in den Vereinigten Staaten
als ständiger Vertreter (Resident permanent) des Kaisers beim
amerikanischen Kongress.
Sowohl in der österreichischen Nationalbibliothek wie in der
Bibliothek der «Historical Society of Pennsylvania» finden sich
zahlreiche Briefe und Aufzeichnungen des Barons von Beelen-Bertholff
aus den Jahren 1785-1788, die zeigen, dass der Baron die Geschehnisse
in Amerika aus nächster Nähe verfolgte. So finden sich Informationen
zur Politik Spaniens hinsichtlich der Schiff-Fahrt auf dem Mississipi,
zur Einnahme der Forts von Niagara, Oswego und Detroit durch die
Engländer, zu den Friedensverträgen mit den Indianern, den
diplomatischen Missionen von John Adams und Thomas Jefferson in
Frankreich und England etc.
Die amerikanischen Unterlagen enthalten auch die Korrespondenz
von Joseph Gazzam mit John Jay und anderen Diplomaten, die über die
diplomatischen Aktivitäten des Barons berichtet und Einzelheiten über
dessen Abstammung gibt (Quelle: Google «general eugene beelen»).
Eine familiengeschichtliche Veröffentlichung aus dem Jahre 1894
(«The history of the Gazzam Family») aus der Feder von A. Beelen
Mackenzie enthält weitere interessante Details zum Baron von Beelen
und dessen Wirken in den Vereinigten Staaten. Der Baron hatte sich
nach Amerika begeben in Begleitung seiner Ehefrau (Marie Therese de
Castro y Toledo) und des einzigen Sohnes, Constantin Antoine de Beelen
Bertholff, wo er von 1783 bis 1787 als ständiger Vertreter der
österreichischen Regierung fungierte.
Die Gazzam-Chronik berichtet, im Jahre 1787 sei der Baron nach
Europa zurückgerufen worden, was ihm jedoch wegen der politischen
Unruhen nicht möglich gewesen sei. Daraufhin seien seine Besitztümer
durch die Regierung beschlagnahmt worden.
Frederic Eugene von Beelen Bertholff habe wahrscheinlich aus diesem
Grunde beschlossen, in den Vereinigten Staaten zu bleiben. Er hatte in
Philadelphia gelebt, war dann in der Grafschaft Chester im Staate
Pennsylvanien ansässig geworden, unweit des heutigen Bahnhofs von
Honeybrook, wo er sich ein imposantes Haus hatte bauen lassen, das
unter dem Namen «Das Schloss» bekannt wurde. Später verkaufte er
dieses wieder und nahm Wohnung in York, wo er größeren Grundbesitz
erwarb.
34
Die Eheleute Beelen-de Castro y Toledo starben in York, wo ihre
sterblichen Überreste auf einem Friedhof am Ufer des Conawago ruhen.
Ein imposantes Grabdenkmal markiert(e) die Ruhestätte.
Soweit die Details aus den Gazzam-Aufzeichnungen. Der Autor war
ein Nachkömmling des Constantin Antoine von Beelen-Bertholff. Wenn
es heißt, der Baron sei 1787 nach Europa zurückgerufen und anschließend
enteignet worden, so unterliegt der Autor gewiss einem Irrtum. Es handelt
sich unbezweifelt um Vorgänge, die in Zusammenhang mit der
Französischen Revolution stehen. Die Revolutionäre, die die österrei-
chischen Niederlande besetzt hatten (1792-93, 1794-1814) haben den
Baron von Beelen als Emigranten eingestuft und folglich seine
Besitztümer verstaatlicht. .
Die konfiszierten Güter liegen im Süden der heutigen Niederlande,
in Westflandern und in Limburg.
Eine weitere Berichtigung muss in der Azzam-Chronik angebracht
werden: Die Eheleute Beelen-Bertholff hatten neben dem schon
genannten Sohn Constantin Antoine noch zwei in den Staaten geborene
Kinder, und zwar Francois Eugene und Clemence.
Nachdem der Baron das imposante auf den Grenzen der Grafschaften
Chester und York gelegene «Schloss» verlassen hatte, kaufte er ein
größeres Anwesen in der Stadt Hellam (Grafschaft York). Der Kaufakt
vom 1. Februar 1798 gibt die Fläche mit etwa 70 ha an.
Daraus geht hervor, dass der Baron auch in Amerika zu der
wohlhabenderen Klasse gezählt werden musste. 1787 war er unter
denjenigen, denen für den Besitz eines Pferdewagens («Phaeton») vom
Staate York eine besondere Steuer auferlegt wurde.
Vom 17. November 1795 liegt ein Verkaufsakt des Barons über einen
Sklaven mit Namen Amos Michel vor, der für die Summe von 19 Pfund
und 10 Schillingen in den Besitz von James Hamilton übergeht.
In einem 1881 veröffentlichten «Biographical sketch of baron de
Beelen» heißt es von dem Baron, dieser sei an Botanik interessiert
gewesen und habe von Humphry Marschall Samen und Pflanzen zum
Anbau bekommen. Die Überlieferung sagt, er sei aus seinem Heimatland
geflohen und sein Silbergeschirr, sein chinesisches und französisches
Porzellan und Spiegel hätten das Staunen und die Bewunderung aller
kilometerweit in der Runde seines Wohnhauses bei Cambridge erregt.
Schließlich scheiterten seine Unternehmungen und sein Besitz ging
in andere Hände über.
35
Die Archive des «York Daily Record» enthalten für die Jahre 1804-
1805 u.a. folgende Notiz: «Der Baron von Beelen-Bertholff, ein
angesehener Ausländer aus der Grafschaft der Niederlande in Europa
stammend, fördert gegen Ende des 18. Jahrhunderts den Handel mit
Amerika. Seine Tätigkeit wirkt sich vorteilhaft auf den Außenhandel
zwischen Amerika und Europa aus.
Der Baron und seine Gattin wurden Opfer einer ansteckenden
Krankheit (vermutlich Gelbfieber). Er starb in York. Seine Leiche wurde
bis vor die Eingangstüre zur Kapelle von Conewago gebracht, wo man
sie einen ganzen Tag liegen ließ, da alle eine Ansteckung fürchteten.
Schließlich ließ der örtliche Pfarrer, Father de Barth, von der Farm
Lilly Hilfe holen. Zwei Schwarze kamen und halfen bei der Bestattung
des angesehenen Mannes.»
Im Internet finden wir unter «Church — History of Catholics in York
County» zusätzliche Informationen.
«Baron Beelen Bertholf
Die Kirche St. Patrick in York kann sich eines angesehenen Laien
rühmen, der lange in York ansässig war und eine gewisse geschichtliche
Bedeutung erlangt hat.
Als Josef II., Kaiser von Österreich und Sohn Maria-Theresias, die
Schelde zu öffnen versuchte, (Anm.: Seit dem Frieden von Münster i. J.
1648 war der Antwerpener Hafen für Großhandelsschiffe gesperrt)
beschloss er, den Handel zwischen Belgien und den Vereinigten Staaten
aufzunehmen und bat zu diesem Zweck den Baron von Beelen-Bertholff,
in Philadelphia ansässig zu werden, nicht als akkreditierter Vertreter,
sondern als Beobachter und Berichterstatter.
Nachdem der «Continental Congress» seine Sitzungen nach York
verlegt hatte, zog auch der Baron dorthin und richtete sich dort bis zu
seinem Lebensende sehr hübsch ein. Die lokale Überlieferung sagt, er
habe auf großem Fuße gelebt. (Anm.: Der so genannte
Kontinentalkongress, die Vertretung der 13 Kolonien, tagte in York vom
30.9.1777 bis 27.6.1778).
Das Grab der Eheleute Beelen wurde 1850 beim Bau eines neuen
Stadtviertels eingeebnet und die Marmorplatte im Innern der Kirche nahe
dem Altar der seligsten Jungfrau gelegt. Darauf liest man:
Zum Gedenken an Frederik E. F. Brn. von Beelen Bertolf, der aus
diesem Leben schied am 5. April 1805 im Alter von 76 Jahren.
Johanna Maria Theresia, seine Ehefrau, starb am 11. September 1804,
im Alter von 72 Jahren. Mögen sie ruhen in Frieden.»
36
Man erzählt, als der Baron gestorben sei, habe eine ansteckende
Krankheit in der Gegend geherrscht.»
Constantin Antoine de Beelen Bertholff
Der in Brüssel am 9. Juni 1770 getaufte Sohn des Barons Frederic
Eugene kam 1783 mit seinen Eltern nach Amerika. Schon als junger
Mann begann er sich unternehmerisch zu betätigen. Schon 1791 findet
sich sein Name unter den Betreibern einer Gießerei «Anshutz, Beelen
and Amberson Company». 1802 errichtet er zusammen mit einem
Industriellen namens Denny eine Glasfabrik am Ohio. 1806 kauft er die
nicht mehr in Betrieb stehenden Schiffswerften von Pittsburgh. Sein.
unternehmerisches Geschick macht ihn zu einem wohlhabenden und
angesehenen Bürger Pittsburghs, wo eine Straße nach ihm benannt wurde
(«Beelen Street»). 1810 errichtet er eine Eisengießerei, die 1813 als «De
Beelen’s Fondry» genannt wird.
a
N ka, Y DS,
Di DA
2 K8 we
Der jüngste Sohn des Barons Frederick Eugene
änderte seinen Namen in «Anton Beelen».
1814 wird er korrespondierendes Mitglied der Akademie der
Wissenschaften von Pittsburgh.
37
Nach dem Tode seiner Frau, Elisabeth Antoinette Murphy, heiratete
er ein zweites Mal.
Aus der ersten Ehe stammten mehrere Kinder. Eine Tochter, Marie de
Beelen, heiratete Dr. William Simpson aus Pittsburgh. Eine andere
Tochter, Elisabeth Antoinette, heiratete Dr. Edward G. Gazzam.
Aus der zweiten Ehe des Constantin Antoine de Beelen mit Anne
Aiken stammten fünf Kinder, darunter ein Sohn mit Namen Frederik
Antoine de Beelen, der am 12. April 1827 geboren war und während
vieler Jahre in Brasilien lebte. Nach anderen Quellen war er Sekretär
der Vertretung der Vereinigten Staaten in Chile, wo er eine spanisch-
stämmige Chilenin geheiratet hat.
Hier sei noch am Rande vermerkt, dass sich Frederic Antoine de Beelen
Bertholff in Pittsburgh nur noch Anthony Beelen nannte.
Der flämische Zweig der Familie Beelen
Dieser flämische Zweig ging in direkter Linie von Baron Johann Al-
bert von Beelen-Bertholff aus, dessen Sohn Nicolas Ferdinand Antoine
Ignace von Beelen-Bertholff, Herr von Overhem, Velpe etc., in Brüssel
geboren und dort in St. Gudula am 5.10.1730 getauft wurde. Er war
«Procureur General du Limbourg et du Pays d’Outre Meuse»
(stellvertretender Generalanwalt Limburgs und der Lande von
Overmaas).
Am 29. Mai 1760 heiratete Baron Nicolas von Beelen-Bertholff in
St. Niklaas (Waes) Charlotte Caroline Eugene de Castro y Toledo, die
älteste Schwester der Frau seines Bruders Frederic Eugene Francois,
des Begründers der amerikanischen Linie.
Die Eheleute hatten sieben Kinder:
- Amelie Albertine Antoinette (1761-1787) ;
- Francois Eugene (1762-1835), Herr von Puyvelde, starb unverheiratet
in Waesmunster;
- Catherine Louise Joseph (1764-1842), war verheiratet mit Charles
Emmanuel Aim6€, Graf van der Meere, Baron von Jauche, Kämmerer
König Willems I., Vorsitzender des Ritterordens Ostflanderns;
- Antoine Frederic (1766-1853), starb unverheiratet in Brüssel;
- Louis Ferdinand (1768- ), Leutnant im Regiment des Herzogs von
Sachsen-Teschen, starb unverheiratet;
- Charlotte Therese (*1771), jung gestorben;
- Francois Alexandre Joseph, (*1773), jung gestorben.
38
Fünf der Kinder wurden in St. Gudula in Brüssel getauft, Catherine
Louise Joseph und Antoine Frederic in Ste Catherine.
Da die männlichen Nachkommen des Barons Nicolas von Beelen-
Bertholff unverheiratet blieben bzw. jung starben, erlosch die Familie
Beelen in Flandern.
Der österreichische Zweig
Über Maximilian Johann Albert Joseph von Beelen-Bertholff, das 6.
Kind des Barons Johann Albert von Beelen-Bertholff, geht auch die
österreichische Linie der Beelen direkt auf Letzteren zurück.
Besagter Maximilian Johann Joseph Albert wurde getauft zu Brüssel -
in Notre-Dame de la Chapelle am 6. Juli 1738. Auch er bekleidete nach
seinem Studium in Duisburg wichtige Ämter in Staat und Regierung.
Als Auditor und «Conseiller Maitre» beim Rechnungshof, Mitglied des
Regierungsrates der «Belgischen Provinzen» (d. h. der Österreichischen
Niederlande) verließ er unser Land beim Einmarsch der Franzosen und
floh nach Österreich, wo er am 1. Juli 1798 verstarb.
Am 9. November 1772 hatte Baron Maximilian die am 7. Juli 1750 in
Brüssel geborene Marie Jeanne Joseph van Casteel geheiratet. Aus dieser
Verbindung gingen acht Kinder hervor:
1. Maximilien Adrien Dominique, getauft in Notre-Dame de la Cha-
pelle (Brüssel), am 6. November 1773. Diente 1789 als «enseigne»
(Fähnrich) im Regiment Murray, starb vor 1808;
2. Eugene Frederic Albert Joseph (s. u.) ;
3. Jeanne Adelaide, getauft am 6. Juli 1776, gestorben vor 1808;
4. Therese Joseph, getauft am 18. Juni 1778, gestorben in Nettolitz
(Böhmen) am 5.3.1802. Sie hatte den Baron von Puetani, Kapitän im
Regiment von Spork und später Generalmajor, geheiratet;
5. Marie Catherine Joseph, geboren im Schloss zu Hergenrath
(Bertholff) am 13. November 1779, heiratete 1806 Philippe Marie Fran-
cois Ghislain, Baron von Pelichy, Oberst in kaiserlichen Diensten im
Regiment von Württemberg, Träger des Eisernen Ordens und später
Mitglied des Tiroler Ritterordens. Seine Karriere führte ihn als Kämmerer
der «Kaiserlichen und Königlichen Apostolischen Majestät» an den Hof
zu Wien. Die Ehefrau lebte noch 1838 in Wien;
6. Charles Bernard Joseph, getauft am 7. Juli 1783, jung gestorben;
7. Charles Joseph, getauft in St. Jacques sur Caudenberg am 6. April
1788. Offizier in österreichischen Diensten, gefallen in der
Völkerschlacht bei Leipzig im Oktober 1813;
39
8. Jean Albert Joseph, getauft am 1. Januar 1789, gestorben am 6.
März 1789.
Eug@ne Frederic Albert Joseph von Beelen-Bertholff
Der als zweites Kind der Eheleute Beelen-van Casteel am 7. März
1775 in Notre-Dame de la Chapelle getaufte Sohn Eug&ne Frederic Al-
bert Joseph wird 1813 als «Freiherr» bezeichnet. Auch er machte Karriere
in der österreichischen Armee und brachte es 1823 zum Generalmajor.
1831 wird er als «Brigadier» in Italien genannt.
Er heiratete am 16. Mai 1819 die aus Schlesien stammende Elisabeth
von Jankwitz, (*1795), die 1869 noch lebte, während ihr Ehemann schon
am 27. September 1838 in Wien verstorben war.
Es sind uns keine Nachkommen dieser Eheleute bekannt.
Der bekannte Historiker Guillaume Grondal hat in einer
unveröffentlichten Monographie über Hergenrath eine Kurzbiographie
des Barons Eug@ne Frederic eingefügt. Hier das Resultat seiner
Nachforschungen (in Übersetzung):
«Generalmajor Baron Eugene de Beelen-Bertholff
Der berühmteste Vertreter des Geschlechtes, das während zwei
Jahrhunderten das Schloss Bertholff besaß, ist der Baron Eugene Frede-
ric Albert von Beelen-Bertholff, dessen glänzende Militärkarriere es
verdient, aufgezeichnet zu werden.
...Seine Kindheit verbrachte er zum großen Teil im väterlichen Schloss
in Hergenrath.
1794 trat er als Kadett ins Infanterie-Regiment des Grafen von Cler-
fayt ein und wurde wenig später als Unterleutnant bei den Jägern
zugelassen. Er tat sich besonders hervor bei den Rheinfeldzügen 1795-
1796, in Schaffhausen sowie in Bayern und Tirol 1797-1798.
1800 wurde er zum Leutnant ernannt und zeichnete sich besonders
im Italienkrieg in der Schlacht von Caldiero (Provinz Verona) am 30.
Oktober 1806 aus, wo die österreichischen Truppen unter dem Befehl
des Erzherzogs Karl trotz heroischem Widerstand es nicht mehr schafften,
den siegreichen Unternehmungen des französischen Marschalls Mas-
sena Einhalt zu gebieten.
Als durch den Frieden von Pressburg am 26.12.1805 (nach der
Schlacht von Austerlitz) zwischen Napoleon I. und Kaiser Franz II.
40
vorübergehend Friede herrschte, widmete sich der Baron von Bertholff
der bis dahin vernachlässigten militärischen Ausbildung und führte das
Fechten mit dem Degen in die österreichische Armee ein, wodurch der
Fußsoldat im offenen Felde gegen die Kavallerie antreten konnte.
EN A
44 ; K
En ) 4
N
6 HE
A Bar
HE E
EA 4
al ;
Sr 4
5 Zi EEE EST
FEST zZ = E
Das Portrait stellt nach der Überlieferung
Eugene Frederic von Beelen-Bertholff dar.
1806 wurde der Baron zum «capitaine lieutenant» ernannt, als solcher
diente er 1809 im Infanterie-Regiment des Grafen von Kaunitz und nahm
am Feldzug jenes Jahres teil. 1812 ging er (im Alter von 37 Jahren!) in
Pension.
Seine militärische Karriere war damit aber noch nicht beendet, denn
nachdem er Mitglied des Kriegsrats (conseil aulique de guerre) gewesen
war, nahm er 1813 den aktiven Dienst wieder auf. .(Anm.: 1813 wird
der» Major Freiherr Eugene Beelen de Bertholff» als Kommandant des
41
12. Jägerbataillons genannt. Damit unterstanden ihm 6 Kompanien zu
je 166 Mann, d. h. 996 Mann und etwa 12-15 Offiziere). Er kämpfte mit
den Österreichern im Süden Frankreichs, wurde «lieutenant colonel»
(1821), Colonel/Oberst (1823) und schließlich Generalmajor in Italien.
1835 wurde der Freiherr von Beelen zum zweiten Male pensioniert.
Er starb in Wien am 27. September 1838.»
Am 16. Mai 1819 hatte er Elisabeth von Jankwitz aus dem
österreichischen Schlesien geheiratet. Die Ehe blieb kinderlos.
Der Mechelner Zweig
Auch dieser wurde durch einen Sohn des Johann Albert, des zweiten
Barons von Beelen-Bertholff, begründet.
Der Mechelner Zweig geht aus von Michel, Charles, Francois de Paul,
Joseph von Beelen-Bertholff, der am 1. Juli 1745 geboren und am 22.
Juli 1745 in der Brüsseler Kirche St. Gudula oder in Notre-Dame de la
Chapelle getauft wurde.
Michel Charles von Beelen-Bertholff wurde 1767 zum Lizenziat der
Rechte diplomiert, wurde Rechtsanwalt beim «Grand Conseil» von
Mecheln, Oberdrossard des Landes von Mecheln und am 4. Juni 1775
«forestier» (Forstmeister) Seiner Majestät im Land von Arckel.
Am 3. September 1776 wurde er zum «Conseiller Pensionnaire» der
Stadt Mecheln und am 5. Februar 1788 zum «Amman» von Brüssel
ernannt.
Er heiratete am 3. Oktober 1775 in Mecheln Marie Lucr&ce Geraldine
Corten de Thulden. Aus dieser Ehe gingen sechs Kinder hervor, vier
Mädchen und zwei Jungen, die zwischen 1776 und 1785 geboren wurden.
Die beiden Söhne, Eug@ene (*18.8.1777) und Jean Joseph Marie
(*14.8.1781) haben keine weiteren Spuren hinterlassen.
ook
Der Vollständigkeit halber erwähnen wir nun noch den jüngsten
Zweig der Beelen, der auf Philippe Lambert, den ersten Baron von
Beelen-Bertholff, zurückgeht. Begründet wurde er durch Maximilian
Joseph von Beelen, einen Sohn von Philipp Lambert und Bruder von
Johann Albert von Beelen-Bertholff.
Er diente als Oberleutnant im Regiment von Arberg und starb an den
Folgen von Kriegsverletzungen in Brügge, wo er in der Kirche Saint
Sauveur beerdigt wurde.
42
Aus der Ehe mit N. Delore (oder Dethove) gingen zwei Söhne hervor:
Georg (s. u.) und Dominique. Letzterer war Offizier im Regiment de
Ligne und fiel 1757 in der Schlacht von Hastenbeck. War unverheiratet.
Der genannte Sohn Georg war Oberleutnant im Regiment de Ligne. In
der Schlacht von Leuten, am 5.12.1757, (Sieg Friedrichs des Großen
über die Österreicher) wurde er verwundet; im folgenden Jahre erlitt er
einen Armbruch in der Schlacht von Hochkirch (südöstlich von Baut-
zen, Sieg der Österreicher über Friedrich den Großen am 14.10.1758).
Georg von Beelen heiratete (Name unbekannt) und hatte einen Sohn,
Nicolas, Joseph, der ebenfalls als Leutnant im Regiment de Ligne diente.
Ob dieser aus seiner Ehe mit Marie Therese Caroline Broers aus Tour-
nai Nachkommen hatte, ist uns nicht bekannt. .
43
Charlemagne
dans l’optique National-Socialiste
par Alain Brose
Le mythe et l’histoire de Charlemagne dans la propagande natio-
nal-socialiste et dans la litterature allemande des annees trente ä la
fin de la Seconde Guerre Mondiale.
Plus de 1200 ans apr&s sa mort, Charlemagne demeure 1’un des
plus grands souverains d’Europe. Les Francais, les Allemands et les
Belges revendiquent cet empereur m€die&val comme le fondateur de leur
nation. Pour les uns, c’est «l’empereur ä la barbe fleurie, pere de la
France». Pour les autres, c’est le fondateur du Reich allemand enterre ä
Aix-la-Chapelle. Pour les Belges enfin, le h&ro li&geois par excellence.
De nos jours meme, certains voudraient voir en lui le fondateur de 1’Eu-
rope. Les recherches historiques et les ouvrages de qualit& sur Charle-
magne ne manquent pas. Et cet article n’a pas pour but d’apporter telle
ou telle information biographique supple&mentaire. Non. Cet article a
pour objectif de retracer 1’histoire du «mythe» de Charlemagne. En ef-
fet, des la mort de ce dernier, c’est son mythe qui a commenc€ 3 vivre.
De tout temps, des hommes ont cherche ä cautionner leur position poli-
tique en s’appropriant le mythe «Charlemagne». Tous ceux qui r&vaient
d’&tendre leur domination territoriale sur le continent europeen ont fait
appel a celui-ci pour legitimer leurs pretentions. Maximilien d’Autriche
et Napoleon Bonaparte n’en sont que les exemples les plus Eloquents.
Le national-socialisme, mouvement pangermaniste voulant &tendre sur
1l’Europe la domination allemande, ne deroge pas ä la regle.
Un pouvoir politique peut prendre exemple sur le passe et justi-
fier gräce ä lui ses entreprises et ses pretentions. A 1l’inverse, il peut
refuter des actes pass€s afin que ceux-ci ne se renouvellent pas. Dans
cette constatation, une interrogation surgit instantane&ment. Les natio-
naux-socialistes se sont-ils servis de Charlemagne comme d’un modele?
Ont-ils vu en lui le premier Germain ä avoir etendu 1’h&gemonie alle-
mande sur toute 1’Europe ? Ont-ils au contraire vu en lui un traitre, un
«Sachsenschlächter», un «boucher des Saxons»? Charlemagne, dans sa
personnalit€ et dans ses actes, pose un veritable defi ä tout nationalisme,
qu’il soit allemand ou francais. Ce souverain aux origines germaniques
44
incontestables et de culture latine tout aussi averee a, d’une part cons-
truit son empire sur le mythe et le modele de 1’Empire Romain, tout en
promouvant d’autre part la conservation des chants Epiques germani-
ques. Charles en outre, a use d’une certaine tol&rance, voire d’une bien-
veillance envers les Juifs. Les nazis le lui ont-ils reproche? Canonise en
1165 3 l’initiative de Frederic Barberousse, Charlemagne passe pour le
souverain chretien par excellence. Les nazis, adversaires du christia-
nisme, cette religion aux origines bien trop juives a leurs yeux, ont-il
cherch& ä occulter cet aspect?
La position du NSDAP face ä Charlemagne
Quelle &tait la position du NSDAP face au mythe et ä 1l’histoire de
Charlemagne? Pour tout dire, le NSDAP n’en a pas. Nous avons pu
constater qu’au sein du NSDAP regnait un veritable «chaos» ideologi-
que. C’est peut-&tre d’ailleurs ce qui distingue le national-socialisme
des autres fascismes, ce «vide» ideologique. En dehors de 1l’antisemi-
tisme et de certains autres concepts, comme celui de «race», de «sang»
et de «superiorite du sang allemand», le national-socialisme n’offre pas
d’ideologie uniforme. Ainsi, nous avons de&couvert gräce au mythe de
Charlemagne, des tensions, voire des oppositions entre les dignitaires
du r&gime.
Commengcons par ceux d’entre eux qui lui &taient les plus hostiles.
Ainsi, Walter R. Darre, ministre du Reich pour 1’alimentation et l’agri-
culture, n’a jamais cache son profond ressentiment pour Charles ä qui il
reproche d’avoir conc&de des terres allemandes aux Slaves au cours de
sa conqu&te de la Saxe. Darre qualifie Charlemagne de Sachsenschlächter
dans de nombreux ouvrages,
Heinrich Himmler, le Reichsführer-SS., en revanche, et quoi qu’en
pensent certains historiens, n’a jamais qualifi£€ Charlemagne de
«Sachsenschlächter». Par contre, Himmler glorifiait les Saxons, victi-
mes du roi Franc. Au roi Charles, Himmler preferait, et de loin, voir en
Widukind, son adversaire saxon, le he&ros allemand par excellence. Se-
lon Joseph Ackermann, Himmler prenait le parti des Saxons pour des
raisons pratiques: elles justifiaient sa politique anti-chretienne. Himmler
rejetait le christianisme, cette religion juive prönant 1’amour, la piti€ et
la douceur et qui &tait a l’oppose€ des valeurs soi-disant germaniques:
l’he&roisme, la virilit&, le combat... A la suite d’une visite au champ du
massacre de Verden an der Aller parait-il, Himmler, &mu, semble avoir
45
rapporte ä domicile un demi sac de terre de cette prairie sanctifige par le
sang germain vers&€ en ces lieux'.
Alfred Rosenberg, le «Beauftragter des Führers für die Überwachung
der gesamten geistigen und weltanschaulichen Schulung und Erziehung
der NSDAP», le charg€ de mission aupres du Führer pour la totalit& de
la formation et 1’Education spirituelle et id&ologique du NSDAP, le veri-
table th&oricien du nazisme tente de donner une base philosophique au
nazisme dans son ouvrage Der Mythus des 20. Jahrhunderts. Rosen-
berg est un fervent partisan du Deutschglaube, une €bauche de religion
aux valeurs inverses ä celles du christianisme et concurrente de celle-ci.
Rosenberg rejette la forme «romaine» de la religion chretienne et il im-
pute a Charlemagne cette «perversion» du christianisme?. Tout comme
Himmler, c’est en Widukind que Rosenberg voit le prototype du heros
allemand. Rosenberg doit n&anmoins reconnaitre que racialement et psy-
chologiquement parlant, Charles etait bien de type nordique, bien que
Rosenberg restreigne la qualite du sang de celui-ci en le qualifiant de
Rundschädel. Toutefois, il considere Hitler comme !’heritier politique
de 1l’oeuvre de Charlemagne bien qu’il voie en Widukind son predeces-
seur id&ologique.
'- Josef ACKERMANN, Heinrich Himmler als Ideologe, Göttingen-Zurich-Francfort,
1970, p. 54-59.
- Schreiben Astels an Wolff, 24. August 1937, Bundesarchiv NS. 19/176.
Nous devons souligner cette &motion d’Himmler, qui passait a juste titre pour un &tre
particuli&rement froid et inhumain, m&me aux yeux des autres dignitaires nazis,et ne
jamais oublier que ce dernier inspectait les chambres ä gaz des diff&rents camps de
concentration, muni d’un masque 3 gaz, lors du fonctionnement de celles-ci!
?_ Alfred ROSENBERG, Der Mythus des 20. Jahrhunderts. Eine Wertung der seelisch-geis-
tigen Gestaltenkämpfe unserer Zeit, 24&me €d., Munich, 1934, p. 186, 191, 292, et p. 523.
Cet ouvrage a connu un grand succ&s commercial. Des 1934, ä savoir, trois ans apres la
premi@re parution de 1’ouvrage, ce dernier s’est vendu & plus de 113 000 exemplaires.
* - Alfred ROSENBERG, Der Mythus des 20. Jahrhunderts, p. 186: Das lebendige
Gleichnis des ersten abgeschlossenen Kompromisses ist das Schwert mit dem Kreuzgriff,
ist der auf dem Schlachtross reitende Bischof. Ohne Frage überwog zuerst die Ritterehre;
selbst ein Karl der Große hätte einen Pius IX. lachend abgewiesen*. Aber er hielt es
für zweckmäßig, seine Würde durch die Religion heiligen zu lassen -ganz wie der
Agyptische Pharao- und seine Herrschaft als von Gottes Gnaden stammend über die
Völker zu verbünden; Kaiser und Papst waren also zunächst machtpolitisch Verbündete
gegen die «edlen Sachsen», denen es -nach Goethe- zum Ruhm gereicht, dass sie das
Christentum in der gebotenen Form gehasst haben. Widukind kämpfte zwar für sich,
aber zugleich für die Freiheit aller nordischen Völker. Er unterlag; aber kein Zweifel
darf heute mehr darüber bestehen, dass wir zu den Kräften stehen, die ihn leiteten und
nicht zu denen, welchen Karl der Große zum Siege verhalf.
* Das rassische Bild Karls des Großen ist in diesem Zusammenhang von Interesse:
Karl war ein ausgesprochener Rundschädel mit dickem, kurzem Nacken, im Übrigen
wohl nordischer Prägung, also ostisch-nordisch, nicht mehr selbstverständlich frei wie
sein großer Gegner Widekind.
46
A l’inverse, d’autres membres du parti voient en Charlemagne une
des plus grandes figures de l’histoire allemande. Otto Abetz, 1’ambassa-
deur du Reich 3 Paris, qui aura un certaine influence sur la Belgique au
debut de l’occupation, au cours d’une discussion avec Albrecht von
Kessel, ambassadeur allemand ä Oslo, affirme que le massacre commis
par Charlemagne ä Verden est comparable ä la Nuit des Longs Cou-
teaux. Rappelons que celle-ci avait eut lieu le 30 juin 1934 et avait &li-
mine Ernst Röhm et des centaines de S.A.*. Selon Abetz, Charlemagne
aurait simplement r&tabli l’ordre en Allemagne et Ecrase des insurg&s
pour les soumettre au Führerprinzip.
Joseph Goebbels Egalement voit en Charlemagne le precurseur de la
politique disciplinaire appliquee par le Führer. Il considere que Charle- *
magne avait dü &tre ferme envers les Saxons afın d’assurer l’unit& entre
tous les Allemands. Möeme s’il est regrettable pour Goebbels que Char-
lemagne ait fait couler le sang allemand, cela Etait n&cessaire pour faire
naitre 1’Etat allemand. Nous devons cependant rester prudents face ä
l’opinion exprimee par Goebbels et rappeler combien les tensions au
sein du parti Etaient tres fortes. Chacun cherchant 3 attirer 1’attention du
Führer pour s’assurer son soutien, Goebbels plus que tout autre avait
compris a quel point Hitler ne supportait pas qu’on le contredise. Aussi,
beaucoup d’historiens actuels soulignent que Goebbels &vitait tant que
possible d’avoir une opinion propre et tentait de fondre completement
avec son Führer.
Il existe ä Verden an der Aller, dans la region de Hanovre, un
memorial ä ciel ouvert. Il s’agit d’un parc parcouru d’un sentier longe
de part et d’autre de 4500 grosses pierres d’une taille de 1m ä 1,5m. Ce
me&morial rend hommage aux 4500 Saxons ex&cutes ä Verden. Mais de-
finissons d’abord ce qu’est un memorial. Comme son nom l’indique, il
a pour but de conserver mat&riellement la me&moire. Un m&morial fige
le souvenir. Il immortalise autant les hommes qui se sont souvenus, que
le souvenir qu’ils voulaient transmettre°. Celui de Verden an der Aller
est ä ciel ouvert. Le spectateur qui y entre est entoure de toutes parts par
le memorial, il en devient une partie int&grante, il est «totalis&» par lui.
L’individu disparait devant le souvenir materialise, devant 1’idee con-
cretisee, devant 1’ideologie...Le concept du memorial de Verden n’est
*- Albrecht von KESSEL, Verborgene Saat. Aufzeichnungen aus dem Widerstand 1933
bis 1945, Berlin-Francfort, 1992, p. 118-119.
5 - Jens MARQUART, Vom Blutbad zum Ratespiel. 4500 Steine dokumentieren
Geschichte. Pilotstudie zum Thema 1992 «Denkmäler». Schülerwettbewerb Deutsche
Geschichte um den Preis des Bundespräsidenten, Verden, 1992.
48
christianisme’. Charlemagne est pour eux une des figures les plus detes-
tables de l’histoire allemande. Ils le qualifient de Sachsenschlächter, de
boucher des Saxons ou de Metzgermeister, de maitre boucher. Le mas-
sacre de Verden est pour eux un feiger Massenmord, un läche massacre
de masse®. Alfred Rosenberg, Robert Ley, chef de 1l’organisation Kraft
durch Freude, 1a «force par le travail», et chef d’Etat-major du NSDAP
et B. Wollersdorf, le chef du district du NSDAP de Hanovre-Est, sou-
tiennent que le sol de Verden est sacr€ et que la comm&moration des
Saxons morts en ce lieu est indispensable. Ces milieux n&o-paiens ont
joue un röle important dans l’agitation anti-ecclesiastique et anti-Chre-
tienne des premi&res annees du Troisieme Reich. Mais l’intervention
d’Hitler au Congres de Nuremberg de 1935 en faveur d’une histoire
Etatique leur coupe tout Elan. A la suite de ce congrös, seule «1’adminis-
tration Rosenberg» et la Ahnenerbe der SS, continueront encore ä hono-
rer le chef saxon.
La construction du Sachsenhain a debute€ en hiver 1934 sur les
plans de Wilhelm Hübotter. Himmler est venu plusieurs fois inspecter
personnellement le chantier. Il &tait toujours au courant de son Etat d’avan-
cement gräce a son interm&diaire toujours sur place. Toutefois, malgre
tous les efforts des donateurs, car le Reich n’a en effet pas vers le moindre
Mark pour le memorial, il n’est pas devenu le premier sanctuaire de
tous les Allemands tant d&sir& par Rosenberg et Himmler. L’interven-
tion d’Hitler en faveur de Charlemagne en a retire la justification id&o-
logique au courant favorable ä Widukind. Dorenavant, le me&morial n’&tait
plus qu’un lieu de rencontre et de formation des groupes SS locaux. En
1939, les partisans du culte de Widukind parviennent toutefois ä creer
un m&morial de Widukind ä Enger, ol ce dernier est enterr&.
7-G.E. LAMPRECHT, Julfeuer, dans Niedersachsen, 20, n°6, 1914-1915, p. 83, cite
par Justus H. ULBRICHT, «Heil Dir, Wittekinds Stamm». Verden, der «Sachsenhain»
und die Geschichte völkischer Religiosität in Deutschland, dans Heimatkalender für
den Landkreis Verden, 1995, p. 92: Und einige Jahrhunderte später (776), da sprühten
die Funkengarben des Julfeuers zu Ehren des kriegs- und sieglenkenden Allvaters
Wuotan, da konnten die heimischen Barden singend erzählen von Saxlands Mut und
Kraft, von einem glänzenden Siege über die Scharen des «aisken [sic !]Schlächters
Karl», der ein Jahr zuvor die Ehresburg mit der Irminsul zerstört hatte.
* _ Karl der Sachsenschlächter, dans Auf Vorposten, 3, fasc. 5, 1914, p. 114, cit& par
Justus H. ULBRICHT, «Heil Dir, Wittekinds Stamm». Verden, der «Sachsenhain» und
die Geschichte völkischer Religiosität in Deutschland, dans Heimatkalender für den
Landkreis Verden, \995, p. 94.
? - Justus H. ULBRICHT, «Heil Dir, Wittekinds Stamm». Verden, der «Sachsenhain»
und die Geschichte völkischer Religiosität in Deutschland, dans Heimatkalender für
den Landkreis Verden, 1995, p. 93: Solange noch ein einziger Deutscher lebt, stirbt
Widukind nicht. Tel est le slogan du monument de Widukind ä Enger mentionne€ par
Ulbricht.
49
Deux manifestations aux dimensions megalomaniaques ont eu lieu a
Verden. L’une le 22 juin 1934 pour 1l’ouverture des travaux'°, l’autre le
22 juin 1935 pour l’inauguration solennelle du me&morial!'. Justus H.
0 _ Alfted ROSENBERG, Widukind für immer das Symbol des heldenhaften
Widerstandes. Reichsleiter Alfred Rosenberg weiht den Ehrenhain am Leutfeld bei Ver-
den a.d. A. A. Engen i. M. 23. Juni, dans Völkischer Beobachter. Kampfblatt der natio-
nal-sozialistischen Bewegung Großdeutschlands, n°176, Ausgabe A, Norddeutschland,
Berlin 24-25 Juni, 1934, p.1-2.
«Angesichts dieser wahrhaft grandiosen Tatsache erheben wir uns aber alle kleinlichen
Wertungen, denken auch nicht daran, die Gestalt des Konigs Karl mit beleidigenden
Worten kennzeichnen zu wollen; nicht destoweniger steht für das heutige Deutschland
fest, dass wir alle innerlich nicht mehr auf der Seite des damaligen Frankenkönigs,
sondern alle geschlossen auf der Seite des kämpfenden Niedersachsentums stehen. [...]
Ermordung der 4500 Sachsen bei Verden an der Aller noch spätere Jahrhunderte mit
Schaudern gesprochen haben. [...] 1000 Jahre später, Adolf Hitler als unmittelbarer
Fortselzer des Werks Hermann des Cheruskers und des Herzogs Widukind. [...] Trotz
allem aber ging der erbitterte Widerstand weiter, bis Karl auch noch vom Osten sich
Kampfgenossen heranzog und ein Bündnis mit dem Führer der Slawen abschloss, um
diese immer mehr in germanische Lande zu ziehen. [...] Heute reitet wie vor tausend
Jahren wieder Herzog Widukind durch die Wälder und Täler Deutschlands, ruft uns
zwar nicht zum kriegerischen Kampf, wohl aber zum Kampf um die innere Ausgestaltung,
zum Kampf für die Überwindung aller Gegensätzlichkeiten innerhalb des deutschen
Volkes, zum Kampf für ein Denken festverwurzelt in Blut und Boden. Das ist das große
Vermächtnis, das wir zu hüten haben.»
- Kurt JESERICH, Herzog Widukind unterlag im IX. Jahrhundert, im XX. hat er in
Adolf Hitler gesiegt. Alfred Rosenberg auf dem Niedersachsentag in Engen, Verden,
Wildeshausen und Braunschweig, dans Völkischer Beobachter, n°177, le mardi 28 juin,
1934: Über das mit Girlanden und Fahnen überreich geschmückte Verden an der Aller
sinkt golden der Abend nieder.60.000 marschieren auf im Stadion, S.A., S.S., H.J.,
Jungvolk, Arbeitsdienst, Formationen der Wehrmacht, Bürger und Bauern der
Weserlandschaft. Von hohen Masten wehen die Banner des Reiches, die Fahnen der
deutschen Jugend. [...] Als Alfred Rosenberg endet, flammt es auf, rings um den Platz:
4500 Fackeln glühen für jene, die einst sterben mussten und die hier auferstehen in
einem neuen Volk! [...] Wenn wir uns heute auf altem historischen Boden
zusammenfinden zum Gedenken, jener Männer, die mit eiserner Kraft zur Erhaltung
des deutschen Bodens und deutscher Gesinnung gekämpft haben, Widukind und Heinrich
der Löwe, wenn wir uns das tiefe Bekenntnis zur deutschen Lebensordnung und zum
deutschen Charakter abzulegen... [...] Männer, wie Widukind und Heinrich der Löwe
sind uns heute die großen Rebellen gegen die Universalmonarchie des Heiligen
Römischen Reiches. [...] Das dritte Reich ist somit nicht die Fortsetzung des Heiligen
Römischen Reiches, sondern knüpft an [sic!] jene Rebellen, die damals aufstanden um
Blut und Boden zu verteidigen. [...] Ihr Niedersachsen, so schloss der Minister, erhebt
noch einmal die Hände, treu der Idee, treu der Fahne, treu dem Führer Adolf Hitler!
Sieg Heil! [...] Niedersachsen wurde so zum Sprecher des jungen Deutschland, das in
Widukind und Heinrich dem Löwen seinem Herzog huldigt, dem Führer Adolf Hitler!»
" _ Reichsleiter Alfred Rosenberg und Reichsführer S.S. Himmler im «Sachsenhain»,
vor 25000 Volksgenossen, dans Völkische Beobachter. Kampfblatt der national-
sozialistischen Bewegung Großdeutschlands, Norddeutsche Ausgabe, Ausgabe A, n.
174, Jg.48, 23 Juni 1935. Nous avons cherche dans les ecrits et les biographies de
Baldur von Schirach (chef des Jeunesses Hitleriennes), nous n’avons pas trouve de
mention aux rassemblements de Verden,
- Kurt JESERICH, Herzog Widukind unterlag im IX. Jahrhundert, im XX. hat er in
Adolf Hitler gesiegt: Damals fielen 4500 Köpfe, die sich nicht beugen wollten, heute
recken sich Köpfe, die sich niemals beugen werden. [...] «Wir wissen, daß der Aufstand
der Niedersachsen damals der Anfang zum Aufstieg des deutschen Volkes war. „Heil
Herzog-Wittekind-Stamm!»
50
Ulbricht nous apprend que la participation des milliers de SS, de SA, de
membre de la Jeunesse Hitl&rienne, de travailleurs volontaires, etc. a
cette premiere manifestation n’&tait ni libre ni gratuite'*, Les nationaux-
socialistes du Gau &taient oblig&s d’y assister et devaient me&me acheter
une petite plaquette de participation. Dans ce contexte, reconnaissons-
le, il n’est pas difficile de comprendre pourquoi il y a eu tant de partici-
pants ä la premiere manifestation de Verden: ils y Etaient oblig&s. Cette
manifestation Etait €&galement pour eux une facon d’affirmer leur ardeur
politique en ce d&but de Troisieme Reich. D’ailleurs, pour la seconde
manifestation en 1935, le nombre de participants chute.
Des questions s’imposent. Hitler a-t-il completement ignore le:
de&roulement des c&r&monies de Verden et notamment la premiere? Et
s’il Etait informe de l’existence de ces c&r&monies, a-t-il simplement
interdit aux partisans du mythe de Widukind d’attaquer la personne de
Charlemagne afin de conserver l’integrite de 1’histoire allemande? Il
n’y a aucune chance qu’”Hitler n’ait pas &t& informe de ces manifesta-
tions. Des manifestations qui rassemblent 60 000 personnes en 1934 et
10 000 en 1935 ne peuvent passer inapercues. Si vraiment Adolf Hitler
avait voulu prot&ger Charlemagne contre d’&ventuels detracteurs, il aurait
sürement interdit la seconde manifestation. Il aurait €&galement interdit
les attaques directes contre la personne de Charlemagne. Et gräce ä ces
El&ments r&unis, nous pouvons tr&s sincerement douter de la since&rite de
l’attachement d’Hitler pour Charlemagne. Nous croyons qu’Hitler n’a
jamais voulu prendre la de&fense de personne, ä l’exception de sa propre
personne et de ses int&rets. Nous ne pouvons pas non plus croire quHit-
ler ait voulu de&fendre 1l’int&grite de 1’histoire allemande, sans quoi ja-
mais aucun nazi n’aurait rejet& le Saint Empire Romain de la Nation
Germanique.
'? _ Justus H. ULBRICHT, «Heil Dir, Wittekinds Stamm». Verden, der «Sachsenhain»
und die Geschichte völkischer Religiosität in Deutschland, dans Heimatkalender für
den Landkreis Verden, 1996, p. 114: «Jeder Partei- und Volksgenosse in Ost-Hannover
hat die Pflicht, an diesem Niedersachsentag am 23. Juni in Verden teilzunehmen und
die Führenden Männer der Partei nud [sic !] (=und) des Staates bei ihren Ausführungen
über Karl «den Sachsenschlächter» zu hören. [...] Niedersachsentag 1934 in Verden.
Kein Verdener ohne Plakette!»
Ulbricht precise: «Da der Vorverkauf dieser Plakette, die als Eintrittskarte für die
Feierlichkeiten diente, von den Block- und Zellenleitern der Partei vorgenommen wurde,
war in der Tat eine lückenlose Gesinnungsprüfung aller «Volksgenossen» gewährleistet.»
Sl
Le Congres du NSDAP de 1935
Nous devons rapidement remarquer que Charlemagne n’apparait
pas dans Mein Kampf, bien que cet ouvrage soit relativement riche en
appels historiques. Deux mois et demi apr&s la seconde manifestation
de Verden, le 16 septembre 1935, au cours du Congrös du Parti national-
socialiste de Nuremberg, Hitler prend la d&fense de Charlemagne'?. Pour
bien signifier le lien entre le Premier et le Troisieme Reich, Hitler avait
fait r£aliser une copie de la cElebre €pee par Bernhard Witte qui lui fut
'*_ Adolf HITLER, Der offizielle Bericht über den Verlauf des Reichsparteitags 1935.
Der Parteitag der Freiheit, vom 10. bis 16. September 1935, Munick, 1935, p. 73-75:
«Schlußrede des Führers auf dem Kongreß: «Aus dieser Tatsache können wir folgende
Erkenntnis ableiten, daß nämlich die Zusammenfügung der Angehörigen der damaligen
deutschen Stämme zu einer Nation nicht über den Weg einer bewußten oder gar
gewollten Volkswerdung, sondern nur über den Weg einer aus anderen Absichten
angestrebten Staatsbildung zu erreichen war. Das heißt also, die erste staatliche
Zusammenfügung deutscher Menschen konnte nur über eine Vergewaltigung des
völkischen Eigenlebens der einzelnen deutschen Stämme zustande kommen. Damit trat
aber auch solange ein Gegensatz zwischen Staatsorganisation und individuellem
Volkstum ein, also nicht die Deutschen von bewußten Angehörigen ihrer Stämme zu
bewußten Angehörigen einer Nation wurden. Ein harter und für viele Jahrhunderte
schmerzlicher Prozeß. Unzählige individuelle Fähigkeiten und Symbole sind ihm zum
Opfer gefallen. Man kann sie im einzelnen vielleicht bedauern, aber man soll nicht die
Geschichte verdammen, weil der Weg, der von Dutzenden deutscher Stämme zu einer
einzigen Deutschen Nation führte, als mehr oder minder harte Vergewaltigung über
Zehntausende und oft so wertvolle Gefallene und Traditionen ging und gehen mußte.
Es ist daher auch falsch, zu wehklagen über die eigenreligiösen und eigenstaatlichen
Opfer, die dieser Weg der deutschen Volkwerdung erforderte. Was in diesen
Jahrhunderten fiel, es mußte fallen. Es ist auch nicht richtig, die inneren Beweggründe
jener analysieren zu wollen, die uns als Gestalter der ersten größeren und großen
deutschen Staatsgebilde in die Augen fallen und uns bekannt sind. Die Vorsehung, die
wollte, daß aus den deutschen Stämmen ein Deutsches Volk wird, hat sich ihrer bedient,
um diese Volkswerdung zu vollziehen. Wer will uns die innere Seele, ihre Gedanken
und treibenden Kräfte jener großen germanischen Kaiser enthüllen oder gar analysieren,
die mit hartem Schwert über die einzelnen Stammesschicksale hinweg nach einer
größeren Zusammenfallung deutscher Menschen strebten! Und es ist weder Fügung
der Vorsehung, daß sich ihnen Hilfe anboten, ohne sicherlich die germanische
Staatengründung und damit die Voraussetzung zur deutschen Volkswerdung entweder
überhaupt nicht gelungen wäre oder bestimmt nicht in dieser verhältnismäßig kurzen
Zeit. Denn uns treten ja die Völker ins geschichtliche Blickfeld, wenn sie sich, und
zwar als organisatorische Einheit, anschicken, den Zenit ihrer Kraft, ihres
Lebensdranges und ihrer Lebensauswirkung zu erreichen. Die Dauer der
vorausgegangenen Entwicklung bleibt meist verborgen. Ohne den Blick auf die antiken
Staaten des Altertums und ohne die weltanschauliche Hilfe des Christentums würden
seine germanischen Staatenbildungen zu jener Zeit denkbar gewesen sein. Das Schicksal
Europas aber und der übrigen Welt wäre, soweit es sich um die weiße Rasse handelt,
dann nicht ausdenkbar und heute jedenfalls nicht vorzustellen. Die Männer aber, die
in diesem Prozeß geschichtliche Vollstrecker waren, handelten im Auftrag einer
Vorsehung, die wollte, das wir Deutsche zu einem Volk wurden.»
52
remise au cours du Congres.'* Celle-ci se trouve de nos jours encore
dans la grande salle de 1’hötel de ville d’Aix-la-Chapelle. Et devant des
milliers de personnes r&unies Hitler rappelle que Charlemagne, en uni-
fiant A lui ses «freres» saxons, avait pose les bases de 1’unit€ allemande.
Cette premi&re unite ne pouvait cependant se r&aliser sans la violation
des libert&s et des particularit&s des peuples. Le destin voulait que 1’Al-
lemagne soit cr&&e. Ce qui est tombe aux cours des guerres de Saxe,
ajoute Hitler, devait tomber. Charlemagne, conclut-il, avait cr&€ un Etat
pangermanique. Par cette phrase, Hitler l&gitimait la suppression des
Länder allemands. Elle justifie &galement son ambition ä rassembler
tous les Germains de l’empire carolingien. Pour Hitler, Charles est un
«grand empereur», et Hitler rejette les attaques port&es contre lui. Il”
l’innocente au nom de 1’unit€ allemande et de la providence. Hitler pre-
cise que rien en ce monde ne nait sans douleur. Par analogie, Hitler
declare qu’autant les hommes sont enfantes dans la souffrance, autant
les Etats ne peuvent s’unir sans pertes. Charlemagne aurait agi sous les
ordres d’une providence qui voulait que les Allemands ne forment plus
qu’un peuple. Hitler prend ensuite la d&fense du christianisme. Cette
religion aurait joue un röle primordial pour la coh&sion du peuple alle-
mand. C’est le christianisme qui aurait donne ä 1’Allemagne des institu-
tions unificatrices. Hitler, dans ce discours, detruit 1’enti&ret€ des opi-
nions defendues par Rosenberg et Himmler. Un detail d’importance ce-
pendant doit &tre souligne: Hitler r£alise la prouesse de consacrer un
discours sur Charlemagne sans nommer ce dernier!
A la suite du congrös, le 26 septembre 1935, lors d’une r&union
des Gauleiters a l’hötel de ville de Munich, dans une conversation, Hit-
ler attaque le Deutschglaube et prend ä nouveau la d&fense de Charle-
magne. Goebbels, dans son journal intime, assure qu’Hitler avait &t&
limpide comme il ne l’avait jamais &t& encore, «presque prophetique» et
'*- Joseph Goebbels ne mentionne cependant pas son opinion personnelle sur Charle-
magne. Nous ne croyons pas que Goebbels ait et aurait exprime son opinion ä ce sujet.
Goebbels en effet n’avait pas toujours e&te membre du NSDAP. Ce n’est qu’ä partir de
1922 qu’il s’est rallie ä Hitler. On decrit Goebbels comme un homme subjugue par son
Führer. Goebbels se voulait ä ce point soumis ä son chef, qu’il tentait de concevoir un
enfant par an pour honorer le programme de natalite d’Hitler. Les rivalites au sein du
Parti nazi etaient ä ce point exacerbees que chacun tentait de discrediter l’autre pour
Etre ä la droite du Führer. Dans ces conditions, nous sommes persuades que Goebbels
gardait toujours ses opinions personnelles pour lui afın de ne jamais decevoir Hitler et %
tomber en disgräce. Le siege du N.S.D.A.P. etait encore plus que partout en Allema-
gne, le domaine de l’arbitraire. Une disgräce pouvait tomber pour un oui ou pour un
non. Nous sommes convaincus que Goebbels a attendu qu”Hitler exprime son opinion
sur Charlemagne pour acquiescer.
3
assure Etre d’accord avec lui «presque a 100%»'>. Goebbels affirme
qu Hitler s’est attaque a Alfred Rosenberg et ä Julius Streicher, Gau-
leiter de Franconie et Editeur du journal Der Stürmer, pour leurs con-
ceptions non orthodoxes ä celles du parti'®. Le 15 novembre 1936 en
outre, Goebbels rapporte le discours d’Hitler sur l’unit€ de 1’histoire de
la veille. Hitler y a rejete les efforts de certains ä diminuer la valeur de
l’histoire. Hitler considere que 1’histoire forme un tout et de cet ensem-
ble est issu le peuple allemand. Charlemagne aussi y appartient. Ce qui
s’est pass6€, ajoute le Führer, les Allemands doivent 1’accepter, ce qui va
arriver, l’admettre. Toutes les tentatives pour creer l’unite du Reich &taient
n&cessaires et bonnes. Goebbels de&crit, non sans delectation, l’image de
Rosenberg, assis et silencieux sur sa chaise mais en rageant'”, Le 4 f&-
vrier 1942, Hitler revient sur 1’unification de tous les Allemands par
Charlemagne'®, Hitler pr&cise que l’unit& d’un Etat ne peut s’obtenir
sans contrainte ni renoncement aux libertes individuelles. C’est gräce ä
cette stricte organisation Etatique que Charles aurait fonde un empire
qui m&me aprö@s sa mort pouvait encore porter le titre de Reich. Charles
avait dot& ce Reich du meilleur de 1’Empire Romain, de telle sorte que
pendant des si&cles, partout en Europe ce Reich &tait percu comme la
continuation de 1’Empire Romain. Et au soir du 31 mars 1942, Hitler
rappelle ä ses proches qu’il a interdit l’emploi de 1’€pithete
Sachsenschlächter employe jusque lä, d’apres ses dires, par Himmler et
'5 _ Comme le note Goebbels, le Völkischer Beobachter mentionne bien le passage
d’Hitler ä l’hötel de ville de Munich mais le journal ne nous precise pas ce qui y fut
discute.
'6_ Ralph Georg REUTH, Joseph Goebbels Tagebücher, 1924-1945, t. 1ä
V, Munich-Zurich, 1992, p. 1007-1008.
«Mittags beim Führer. Er wendet sich bei Tisch scharf gegen die Bestrebungen, die
deutsche Geschichte zu entwerten durch kleinliche Versuche, sie in gut oder böse zu
spalten. Alles ist eine Einheit. Daraus ist das deutsche Volk geworden. Auch Karl der
Große gehört zu uns. Was gewesen ist, müssen wir hinnehmen, was kommt gestalten.
Nur keine vorgefaßte Meinungen. Und vor allem: alle Versuche zur Reichseinheit waren
nötig und sind deshalb richtig. Rosenberg, gegen den das geht, sitzt stumm und grollend
dabei.»
7 _ Henry PICKER, Hitlers Tischgespräche im Führerhauptquartier 1941-1942, Stut-
tgart, 1943. p.74, 173, 228, 230-321, 396, 418, 437, 478 et p. 496.
® _ Henry PICKER, Hitlers Tischgespräche im Führerhauptquartier. Hitler wie er
wirklich war, Stuttgart, 1977, p. 165: «Es müsse daher den Schwaben, die im Sinne des
Kaisergedankens am reichstreusten gewesen seien, unsere höchste Achtung gelten.
Lehenfürsten wie Heinrich den Löwen wegen ihres Ausderreihetanzens zu verherrlichen,
hatte er nicht für richtig, denn sie hätten «ihre» Politik damals eindeutig gegen das
Reich gemacht. Er habe deshalb auch Rosenberg gewarnt, die großen deutschen Kai-
ser zugunsten von Eidbrüchigen zu lassen und einen Heroen wie Karl den Großen als
Karl den «Sachsenschlächter» zu bezeichnen.»
54
d’autres encore. Le Führer rappelle avoir mis Rosenberg en garde de ne
pas faire 1’Eloge des f£lons. Cette qualification est une idiotie aux yeux
du Führer'*, Et il reproche a ces derniers de se fonder sur des historiens
fort peu serieux. Henry Picker, l’&diteur des monologues, affirme qu’Hit-
ler parlait toujours avec respect de Charlemagne*. Hitler f£licite en ef-
fet Charles d’avoir pousse€ le Reich a 1’Quest, au Sud et ä 1’Est, et sur-
tout d’avoir unifie les Germains. Charlemagne selon lui, aurait cr&€ un
ensemble racial avec le Sud. Hitler note au passage qu’au Moyen Age, il
n’y avait pas de politique impe&riale de 1’Est car les pre&occupations des
souverains m&di&vaux Etaient de creer un espace racialement uniforme.
Or les Lombards &taient selon lui tre&s proches racialement des Francs.
L’Est par contre, n’&tait que tres partiellement couvert de populations >
germaniques.
Le journal prive de Goebbels rapporte le 29 mai 1942 les plans
politiques concrets du Führer: agrandir le Reich a l’ensemble des Pays-
Bas. La Belgique et la Hollande doivent &tre annex€s. Lors d’une con-
versation avec le dirigeant nazi hollandais Mussert, Hitler a fait com-
prendre ä ce dernier que toute tentative de r&sistance de la part de ces
regions &tait inutile et sans importance. Au sujet de cette possible re&sis-
tance, Hitler a precise que la Basse-Saxe aussi n’avait pas voulu des
'” - Ralph Georg REUTH, Joseph Goebbels Tagebücher, 1924-1945, p. 392. «Was nun
die Politik des Reiches anlangt, so hat der Führer ganz konkrete Pläne zur Erweiterung
unserer Grenzen. Für ihn ist es eine Selbstverständlichkeit, dass sowohl Belgien als
Flandern als Brabant zu deutschen Reichsgauen gemacht werden. Auch die Niederlande
dürfen kein eigenstaatliches Leben mehr führen. Er hat das bei seiner letzten
Unterredung mit dem holländischen Nationalführer Mussert, der andere Ziele verfolgte,
ganz klar und deutlich zum Ausdruck gebracht. Ob die Holländer dabei Widerstand
leisten werden oder nicht, ist ziemlich unerheblich. Auch die Niedersachsen haben
sich den Reichsplänen Karls des Großen nicht beugen wollen, und er musste sehr harte
und grausame Mittel anwenden, um die Einheit des Reiches den niedersächsischen
Hartköpfen gegenüber durchzusetzen. Es ist dabei ganz gleichgültig, ob später ein
paar abwegige Geschichtsschreiber die Methode mit dem Ergebnis verwechseln.
Ausschlaggebend ist, ob es uns zu unsererZeit nicht mehr gefährdet werden kann. Das
ist das unverrückbare Ziel der Politik des Führers [...] Im übrigen stelle ich bei dieser
Unterredung mit dem Führer wieder einmal fest, dass ich mich mit seinen
Gedankengängen in einer fast hundertprozentigen Übereinstimmung befinde.»
2% _ Ralph Georg REUTH, Joseph Goebbels Tagebücher, p. 496-497: «1200 [sic!] Jahre
sind vergangen seit der Geburt des Mannes, der zum ersten Mal in ganz großem Ausmaß
unter Anlehnung vorgeschichtlicher und historischer Gegebenheiten die deutschen
Stämme mit blutigen harten Kämpfen im Innern zusammenfaßte in einem gewaltigen
Reich. [...] Es mußte Härte angewendet werden, um Härte schaffen zu können. Was
damals für manchen den Verlust teuerster Überlieferungen und Traditionen bedeutete,
war im großen gesehen nur die Formung eines Staatskörpers, der allein geeignet war,
den Widerstand gegen den fortgesetzt aus Osten drängenden und drohenden Feind
aufzubauen.»
55
projets de Reich de Charles et que celui-ci avait dü employer des moyens
durs pour imposer 1l’unite& du Reich et contraindre les «t&tes dures»
saxonnes. Goebbels, dans son journal marque son plein accord avec le
Führer.
Le 30 mai 1942 au Sportpalast de Berlin, devant la nouvelle g&-
neration des officiers allemands r&unis, Hitler prononce un discours dont
le texte a Ete &crit d’une seule piece, sans modification. Picker croit que
pour cette raison, nous pouvons d&celer dans ce discours les concep-
tions personnelles d’Hitler. Hitler defend dans ce discours que Charles
est ä la base de la cr&ation de 1’Allemagne. Il est le premier unificateur
des Allemands. Charles a dü employer la force car il n’en allait pas
autrement. Dans ce discours, Hitler defend rigoureusement les me&mes
idees qu’il a toujours defendues ä 1’Egard de Charlemagne. Il n’a pas
change la moindre de ses opinions sur ce souverain medieval?!.
Le jugement d’Hitler sur Charlemagne n’est pourtant pas si posi-
tif qu’il n’y parait. Ainsi, le 7 juin 1942, Hitler s’exprime sur les rela-
tions entre Charlemagne et 1’Eglise*. C’est depuis Charlemagne, selon
Hitler et par l’intermediaire des femmes, que 1’Eglise a commence ä
s’insinuer dans les affaires de 1’Etat. Et le 28 juin 1942, Hitler rappelle
un &venement survenu au debut des annees trente. Franz Pfeffer von
Salomon, le chef superieur des S.A. de 1926 ä 1930, est venu un jour se
vanter aupres d’Hitler que son arbre genealogique remontait jusqu’äa
Charlemagne. Hitler Iui a repondu sechement: «cela ne m’interesse
pas!» Il est vrai aussi que le desinteret d’Hitler pour l’aristocratie vient
de ses conceptions sur le «sang». Le Führer ne pouvait accepter la tradi-
tion de consanguinite de rigueur chez la noblesse. C’est pourquoi, il
s’en est desinteresse.
Albert Speer note que le 20 avril 1943, ä l’occasion du cinquante-
quatri&me anniversaire du Führer, Hitler a invit& Otto Saur et lui-me&me
A un entretien prive dans son bureau“*, Hitler leur montre des esquisses
?_ Henry PICKER, Hitlers Tischgespräche, p. 396.
? _ Ralp Georg REUTH, Joseph Goebbels Tagebücher, 1924-1945, p. 392.
Franz von Pfeffer von Salomon, capitaine pendant la premiere guerre mondiale, puis
combattant dans un corps franc dans la Baltique, en Lituanie, en Haute Silesie et dans
la Ruhr, est devenu Gauleiter du NSDAP de Westphalie des 1924. A partir de 1925, il
devient Gauleiter de la Ruhr. Du 1 novembre 1926 au 29 aoüt 1930 il est le chef supe-
rieur des SA. Et de 1932 ä 1941, il est d&put€ nazi au Reichstag. Picker nous signale la
disgräce de von Pfeffer que Reuth, pourtant plus pre&cis, ne nous signale pas.
2 _ Albert SPEER, Spandauer Tagebücher, p. 99-100.
%_ C’est en effet Albert Speer et le sculpteur Arno Breker qu’Hitler emmöne lors de sa
visite matinale de Paris, ä la suite de la capitulation de la France.
56
de chars qu’il avait faites et se perd ensuite dans un long discours sur
l’histoire et les grands hommes du passe. Tous ces hommes auraient
force l’histoire par leur seule volonte. Albert Speer, que nous pouvons
considerer comme un intime d’Hitler, pretend que pour Hitler, Charle-
magne 6&tait la base fondamentale de ses propres plans de domination
europEenne?°, Speer note qu’Hitler n’appreciait pourtant pas 1’histoire
möedievale*, Speer ne peut se souvenir qu Hitler ait jamais mentionne
les empereurs Saliens ou Hohenstaufen. Speer pre&cise en outre que Char-
lemagne est le seul souverain dont Hitler parlait avec respect, mais seu-
lement parce que 1l’empire de celui-ci offrait un stade preliminaire aux
plans de domination europgenne du Führer. Hitler reprochait aux prin-
ces f£&odaux d’avoir emp&che la cr£ation d’un Reich gigantesque?”. Se- ”
lon lui, si ces derniers s’E&taient comport&s autrement, le Reich aurait ä
present des dimensions Enormes. C’est parce que la Lombardie formait
un ensemble racial avec 1’Allemagne, que 1’Italie avait toujours &t& une
pre&occupation majeure dans la politique imperiale allemande. Albert
Speer ajoute que le goüt d’Hitler pour !’histoire Etait surtout «romanti-
que». Il y recherchait des h&ros, des mythes, non des faits?®.
Pour finir, signalons qu Hitler a laiss€ fabriquer quatre-vingt SOoucou-
pes par la manufacture de porcelaine de S&vre sur laquelle on pouvait
voir sur une face la statue E&questre de Metz et sur l’autre face, on pou-
vait lire:
«IMPERIUM CAROLI MAGNI DIVISUM PER NEPOTES ANNO
DCCCXLII DEFENDIT ADOLPHUS HITLER UNA CUM OMNI-
BUS EUROPAE POPULIS ANNO MCMXLIII»".
«L’empire de Charlemagne, divis€ par ses petits-enfants en 843 et
refonde par Adolf Hitler avec le concours de tous les peuples d’Europe
en 1943". Cette soucoupe a Et€ fabriquee pour &tre offerte en cadeau aux
officiers des «L&gions des volontaires francais contre le bolchevisme»,
2 _ Ibd., p. 99-100.
2% _ Henry PICKER, Hitlers Tischgespräche, p. 478-479.
2” _ Albert SPEER, op.cit., p. 99-100: «Seine Beziehung zur Geschichte war nur
romantisch und zum Begriff der Helden orientiert, und er konnte nahezu in einem Satz
Napoleon und Old Shatterhand nennen.»
% Karl Ferdinand WERNER, Karl der Große in der Ideologie des Nationalsozialismus,
Pa Voix du Nora du 14/15 juillet 1985.
%» _ Konrad BARTHEL, Friedrich der Große in Hitlers Geschichtsbild, Wiesbaden,
1977 (Frankfurter Historische Vorträge, Heft 5), p. 22.
58
ment, Hitler pouvait voir en Charlemagne un chef implacable, celui qui
a mate les r&voltes saxonnes. Gräce ä cet argument, Hitler pouvait y
trouver une justification pour la mise au pas des Allemands et pour les
bains de sang commis en Allemagne.
Hitler avait parfaitement compris tout le parti qu’il pouvait tirer de
Charlemagne contrairement aux autres nationaux-socialistes. Hitler sa-
vait que prendre la d&fense de Charlemagne justifierait chacune de ses
exigences politiques.
En conclusion
Les conceptions national-socialistes sur Charlemagne sont tout
aussi ambigu&s que 1’approche religieuse de ce mouvement*”. La direc-
tion du NSDAP semble avoir men€ une Realpolitik et s’&tre servie d’€16-
ments unificateurs tels que Charlemagne et le christianisme. L’id&olo-
gie, au contraire, les poussait plutöt A les rejeter. Au debut des annees
trente, le national-socialisme avait besoin de se justifier en se placant
dans la droite ligne de 1’histoire allemande. Et nous devons toujours
avoir a l’esprit qu’il se definissait lui-me&me comme la conclusion de la
dialectique historique allemande et mondiale.
Plus personne aujourd’hui ne s’attaque au mythe de Charlema-
gne. Pas pour des raisons politiques en tous cas. Par contre, certains
autodidactes sont prets ä avancer des theses des plus saugrenues dans
un but purement lucratif. Certains sont m&me pr&ts ä supprimer arbitrai-
rement plusieurs si&cles d’histoire et voir en eux une des plus grandes
supercheries de tous les temps... Et nous devons insister sur le fait que
toutes les p&riodes de 1’histoire sont menac&es de la me&me mani&re.
Ainsi l’Egyptologie, par exemple, ne compte plus ses «pyramidologues»...
Tous ces ouvrages ne sont pas plus scientifiques que ne l’&taient le Mythus
des 20. Jahrhunderts ou le Mein Kampf...
Pour &tre honn6te enfin, 1’histoire sera toujours menac&e par de telles
entreprises tant que l’esprit critique ne l’emportera pas sur les motiva-
tions Economiques, politiques ou religieuses. Mais 1’int&r&t pour Char-
lemagne, lui, ne s’est jamais Eteint. Le succ&s de la grande exposition
d’Aix-la-Chapelle en 1965, de Paderborn en 1999, le Karlspreis, les
+ - Otto DIETRICH, 72 Jahre mit Hitler, Munich, 1955, p. 171.
- Claus-Ekkehard BÄRSCH, Erlösung und Vernichtung. Dr. phil. Joseph Goebbels.
Zur Psyche und Ideologie eines jungen Nationalsozialisten, 1923-1927, Munich, 1987,
p- 400-401.
59
nombreuses mentions ä Charlemagne par la Communaute Europeenne
montrent que Charlemagne n’est pas mort dans la memoire collective.
Les regimes et les extr&mismes peuvent se succ&der, mais le souvenir de
Charlemagne demeurera longtemps encore. Et pour 1’immense majorite
des hommes et des femmes, le roi Charles sera toujours «le Grand»...
60
Auf dem Michelsberg (bei Münstereifel)”
Sag mir, wo wir hingehen sollen !
Auf den Berg, zu dem alten Heiligtum!
Schon Kelten und Römer
hielten hier Wache,
Ausschau in der Runde
über die Berge der Eifel,
blickten ins Weite a ;
Zum Siebengebirge, A ' fir
ahnten den Strom. vv - .
Hier hinauf kam keiner, „= 1 x
den sie sich wünschten. 1 |
Hier stand ihre Wehr An zZ ? f A |
gegen Feinde und böse Gewalten... A n
Nahe den Wolken Die Wallfahrtskapelle auf dem
Opferten sie ihren Göttern. Mh Dre
Bargen sie auch die Besten der Toten?
Wer weiß es?
Nun hält die Wache St.Michael.
Friedvoll leuchtet
durch Baumgeäst
das Weiß seiner Kapelle,
überm Felsen erbaut
vor Jahrhunderten.
M.-Th. Weinert
*Der 558 m hohe Michelsberg hat seinen Ursprung in vorchristlicher Zeit, in der er den
Germanen als Gerichts- und Kultstätte diente. Auf dem Berg regierte Wotan, der im
Mittelalter dem Gottesstreiter Michael weichen musste. Heute wird der Michelsberg
gerne von Wallfahrern und Eifelwanderern besucht, die in der restaurierten
Wallfahrtskapelle Erbauung finden oder den wunderschönen Rundblick vom Turm der
Kirche genießen wollen...» (Eifelführer S. 558).
61
Simon Angeli,
Pfarrer in Walhorn in schwerer Zeit
von Walter Meven
Das Jahr 1578 ist in die Geschichte unseres Gebietes als ein sehr
unruhiges und unsicheres eingegangen. Die nördlichen Provinzen der
Spanischen Niederlande hatten sich dem reformierten Glauben
angeschlossen und unter der Führung des Prinzen Wilhelm von Oranien
den Kampf um die Loslösung von Spanien aufgenommen. Was Kaiser
Karl V. unter dem Begriff der «17 Provinzen» als eine Verwaltungseinheit
zusammengeschlossen hatte, zerfiel nun sehr schnell.
Die Spanier versuchten zwar mit allen Mitteln, das weitere Vordringen
des Protestantismus zu verhindern, konnten aber letzten Endes nur die
südlichen Provinzen der Niederlande «bei der Stange halten».
In jener Zeit hatte Walhorn noch keinen residierenden Pfarrer. Die
vom Aachener Marienstift ernannten Pfarrer ließen sich vor Ort von
einem Kaplan vertreten. Der erste ständig in Walhorn anwesende Pfarrer
war Wilhelm Voets (1635-1682).
Auch wenn es sich bei der Pfarrstelle also hauptsächlich um eine
Versorgung, d. h. materielle Absicherung des darauf ernannten
Geistlichen handelte, so nahm dieser doch hoch offiziell von der Pfarre
Besitz. Diese Besitznahme wurde sogar durch einen Notar urkundlich
festgehalten.
Ein solcher Fall trat 1578 ein. Der neue Pfarrer, Simon Angeli (nach
anderer Lesart Agnelli oder auch Engel), Kanoniker des Aachener
Münsterstiftes, hatte sich am 14. November 1578 mit einem Notar und
mehreren Zeugen nach Walhorn begeben, um sich dort einführen zu
lassen. Was er danach auf dem Rückweg nach Aachen erlebte, berichtet
er am 24.11.1578 dem Probst des Aachener Marienstiftes, Heinrich von
Vlatten, in bewegten Worten'.
Gruß, ehrwürdiger und großherziger Wohltäter, den ich besonders
achten und verehren muss!
Da ich die vielfältigen und unzähligen Wohlaten, die mir und all den
meinigen erwiesen wurden, nicht vergelten und würdigen Dank dafür
' Der Wortlaut des Schreibens wurde im lateinischen Original abgedruckt in der
Zeitschrift des Aachener Geschichtsvereins, Bd. 3 und 4, S. 275-276).
62
abstatten kann (wie der berühmte Dichter singt), aber vor allem für die
mir kürzlich übertragene Pfarrei in Walhorn, wonach ich gewiss
sehnlichst verlangte, wenn doch nur die Kraft dazu meinem brennenden
Wunsche entspräche, so bitte ich und bete inständigst, dass Euer
Ehrwürden den Dank in Worten für gut aufnehme, bis dass ich etwas
später durch ein Zeichen oder einen Ausdruck das Gefühl der dankbaren
Erinnerung für eine so große Wohltat beweise.
Alles ist bisher, Gott Lob! Ehrwürdiger Herr, nach Wunsch verlaufen,
und dies dank der Hilfe und des Rates Ihres Confraters, des mir sehr
geneigten Herrn Heinrich Doern.
Nachdem er erreicht hatte, dass eine Verkündigung (proclamatio)
genügte und die beiden anderen weggelassen wurden, und er weniger
Unkosten als üblich für mich gemacht hatte, erhielt er auch die Investitur-
Urkunde für den Abwesenden, so als ob ich anwesend gewesen wäre.
Ich hätte nämlich selber in Lüttich erscheinen müssen, um mich der
Prüfung zu stellen, worauf man wegen der gefährlichen Reise auf den
Ratschlag von Herrn Doern hin verzichtete.
Nachdem ich so im Besitz der Ernennungsurkunde war, habe ich mich
alsbald mit dem Notar und anderen (Begleitern) nach Walhorn begeben,
von wo ich nach erfolgter Besitznahme (der Pfarre) am 14. d. M. bei
Einbruch der Dunkelheit das Vaterland wieder zu erreichen suchte.
Sehr zu meinem Unglück! Nach einem erbärmlichen Verrat wurde
ich nämlich unterwegs mit meinen sechs oder sieben Begleitern von
holländischen Soldaten, die die Burg Raaf besetzt hatten, überfallen.
Sie ergriffen mich und noch zwei andere, fesselten uns die Hände auf
dem Rücken, quälten mich furchtbar und beraubten mich. Als sie jedoch
meinen geschorenen Kopf sahen und ich immer wieder behauptete, der
Sohn eines Bürgers zu sein, nahmen sie mir alles ab, ließen mich frei
und entließen mich dank Gottes besonderer Hilfe unverletzt.
Für meinen Wärter, den sie gefesselt zur Burg mitgenommen hatten,
habe ich 11 Taler Lösegeld bezahlen müssen; unter der Folter aufgehängt
musste er gezwungen und hängend zugeben, dass ich ein Pfarrer war,
was er in meinem Beisein verneint hatte.
Für den anderen (Gefangenen), der Notar und Kaplan unserer Kirche
ist, forderten sie 25 Taler. =
Herr Doern schreibt mir, die Seelsorge in Walhorn obliege mir vom
kommenden Fest des hl. Johannes an.
Ich habe dem Sekretär Eurer Hochwürden die Notariatsurkunde Eures
Bruders, des Statthalters von Düren, übermittelt, für deren Anfertigung,
63
Eurem Auftrag gemäß, Ehrwürdiger Herr, (Herr) Lysgen dem Herrn
Dekan von (St.) Adalbert einen Taler gezahlt hatte. Selbst habe ich für
die Unterschrift nach Anweisung des Dekans von (St.) Adalbert dem
Herrn Breuwer einen Goldgulden (florenum aureum) gegeben.
Ich empfehle Euer Hochwürden dem dreifach guten und großen Gott
und seiner allerliebsten Mutter, der Sie so lange wie möglich gesund
und unversehrt bewahren und beschützen möge. Amen.
In Eile, am 24. November 78.
Ihr sehr ergebener und zu allen Opfern bereiter Diener Simon Angeli.
ok
Simon Angeli war nur kurze Zeit Pfarrer von Walhorn. Er starb schon
1579. Auch die auf Angeli folgenden Walhorner Pfarrer Hermann Francot
(1579-1587) und Wilhelm Darimont (1604-1635) waren nicht
residierende Pfarrer. Erst mit Wilhelm Voets (1635-1682) erhielt Walhorn
einen ständig im Ort wohnenden Seelsorger.
67
Gegenstände benutzen dürfen: a) 6 versilberte Kerzenleuchter; b) 1 Schrank; c)
die in der Kapelle befindlichen Bilder (wie die 12 Apostel und die 7 Schmerzen
Mariens);
6. Die Patres behalten sich das Recht vor, die Kapelle nach den Regeln der christlichen
Kunst auszuschmücken. Sollten politische Umstände sie an einer Weiterführung
ihres Dienstes an der Kapelle hindern, so verpflichten sie sich, nur diejenigen
Gegenstände mitzunehmen, die sie aus eigenen Mitteln angeschafft hätten.
7. Zwei Drittel der Einnahmen aus den Opferstöcken sowie der großen Votivkerzen
zu Ehren der hl. Jungfrau Maria kommen der Kirchenfabrik zu, 1/3 der Kloster-
gemeinschaft.
8. Die Patres verfügen frei über die Eremitage (Klause) und den anschließenden
Garten.
9. Ohne das Einverständnis der Kirchenfabrik dürfen keine Änderungen an der Kapelle
oder der Klause vorgenommen werden.
10. Dieser Vertrag tritt in Kraft am 1. Mai 1876, dem Tag der Übernahme der Seelsorge
an der Kapelle durch die Patres.
Le premier Pre Superieur de la communaut€e, Othmarius, acquit le 4
avril 1877 un terrain afın d’agrandir la chapelle et plus tard, en 1884, se
construisit le couvent juste derri&re la chapelle.
N ea A $ 8
A SAAL AM on <
] 4 TA ML BE
5 Han N B A ÄM [> “
5 OO 0 VE ES
A .* 4 U S
A, En
‚ar Pe
Ban“ Sr sn
BP ET PN e
Ancienne carte postale, illustrant la chapelle et le couvent des Pifres a la fin du
19‘ siecle. Moresnet: Kloster und Kapelle gegen Ende des 19. Jhs.
Afin de concretiser le projet du Pere Ruiter, ä savoir 1’amenagement
: d’un parc dote€ des 14 stations du chemin de croix selon les idees du
fondateur St Francois d’Assise, le Pere Franciscain fut aide par Mon-
sieur le baron F. Raiz von Trenz; il acquit un certain nombre de terrains
et proceda ä des changes avec la Fabrique d’Eglise de Moresnet. Les
travaux purent commencer en 1898, le Calvaire fut acheve en 1904.
Z1
Lorsque nous parcourons le chemin de croix entre la 2° et 3° station,
sur notre gauche nous observons une immense fontaine en fonte; cette
piece, memoire d’un temps pass6, se trouvait sur la place communale ä
Montzen, elle fut offerte aux Franciscains par la commune de Montzen
entre les deux guerres.
HFC Bil %
8 % BP un A #0
A
(8. ‘ A 3
N VB ns A
ku SE vn“ BA
SS A Ä
MIRES 32 = n
VE ve De
LU ESS a Zn
AA A KEN
MENGE U Ri
Ursprünglich befand sich diese beeindruckende Pumpe auf dem Gemeindeplatz
in Montzen., Sie wurde den Franziskanern in den Zwischenkriegsjahren
geschenkt.
Un peu plus loin, lorsque nous nous arretons devant la 4° station,
Nous sommes &merveilles par le magnifique ouvrage d’art en fer forge,
r&alise par le Frere artiste Valenz Zimmermann. Le grillage comporte 3
parties: la premi&re contient les initiales J S en souvenir du bourgmestre
Jean Schmets de Moresnet. Il fut un grand bienfaiteur du «Wallfahrtsort».
Nous pouvons y lire Pro Deo et Patria, la deuxieme grille est illustree
par le lion de la Belgique ainsi que de la devise « L’Union Fait la Force »,
la troisieme grille attire notre attention sur Deus Meus et Omnia.
73
Les deux cloches en bronze fournies ä Moresnet-Chapelle par la fon-
derie Francois Sergeys de Louvain pesent respectivement 233 kg et 133
kg; elles ont coüte 40611 FB.
Les cloches de Moresnet-Chapelle portent les inscriptions suivantes:
Sacellum B.M.V sub Titulo Auxilii Christianorum in Moresnet
1953
+
Monstra Te esse Matrem
Voca peccatores - Audi oratores - Duc ad coelos viatores
Ex munificentia Domini Joseph Jennes, patris spiritualis
Conventus nostri
+
Sancte Francisce, ora pro nobis !
Laudate et benedicite Dominum Meum - Gratias agite et servite Ei
Cum magna humilitate
Ex munificentia incolarum hujus pagi Moresnet-Chapelle
Administrationis civilis de Moresnet et aliorum
Von den beiden Glocken ist die eine Maria, der Hilfe der Christen,
geweiht („Zeige, dass du eine Mutter bist. Rufe die Sünder, erhöre die
Betenden, führe die Reisenden zum Himmel“), während die andere auf
den Namen des hl. Franziskus getauft wurde („Hl. Franziskus, bitte für
uns! Lobet und preiset meinen Herrn. Danket Ihm und dienet Ihm in
großer Demut“).
En 1991, nous assisterons ä la pose de la premi&re pierre de la nou-
velle chapelle mariale situge sur le cöte droit de la grande €glise.
75
de la commune de Plombieres. Hubert Bindels (president), Marc Bindels,
Jose Jennes, Albert Langohr, Leon Schifflers, Joseph Meessen, Alexan-
dre Gerkens, Peter Schorr, Bernardin Schröder sont membres de l’ A.S.B.L
«Association des Peres Recollets Franciscains de Moresnet-Chapelle».
Le Pöere Peter Schorr pose la premiere pierre de la nouvelle chapelle
mariale dedige ä Notre-Dame Auxiliatrice, contigue ä l’ Eglise du pele-
rinage de Moresnet-Chapelle. La conception et la realisation de cet Edi-
‚fice ont &te configes aux architectes Luc Lebeau et Manfred Lerho. «Que
la gräce de Dieu descende sur tous ceux qui ont contribue ä la realisa-
tion de cette chapelle, que gräce dl’ intercession, en 1750 pour la gue-
rison de Peter Arnold Franck, alors äge de 9 ans, de la TS Vierge et
Mere de Dieu, que nous venerons en ces lieux, sous le vocable de
Augxiliatrice des chretiens, poursuive son action de soutien dans nos
besoins spirituels et materiels, pour la gloire de la Sainte Trinite&, au
nom du Pere, du Fils et du Saint Esprit. Amen.»
BO
SE
WR
a E:E . e Ü= Fr
N ale SA
0 BEN
£ FR BUNG
Aka KA
a A LA CM
A "Pe E a Rz
. —U————— S- Be EST
La nouvelle chapelle mariale accolee ä 1’6glise de Moresnet-Chapelle.
Die 1991 errichtete neue Marienkapelle
I
ZB AT AE LSA OI
A BA
> 8 SS »
; - X |
: << #
En € Y ww 4
OR PS AN \
a | | { | A| in MM 5
"an | Hl HE I Ji {L ®
A A BE 8 | MN
en An. HE OH
+ A ; 7 A
"ea a
en | | { Sl 7 an
3 | } | {
— km 1 a P8} iL
= Ve 3 Ü
ga A A,
L’ancien couvent des Peres Franciscains ä Moresnet-Chapelle
Das frühere Franziskanerkloster zu Moresnet
Le 11 d&cembre 2005 se deroule ä Moresnet-Chapelle, une c&r&mo-
nie de de&part de 1a communaut€ des P&res Franciscains, ceci sous la
presidence de Monseigneur Aloys Jousten, Ev&que de Liege.
C’est en presence d’une foule nombreuse que Mgr Jousten remercie
la communaut&e franciscaine pour tout le travail accompli pendant ces
quelque 130 ann&es &coul&ges, il precise que 1l’Evenement de ce jour n’est
pas la fin d’une belle histoire, mais que dor£navant un nouveau chapitre
commence a Moresnet-Chapelle et que tout reste comme avant avec
une nouvelle &quipe de gestion. La c&r&monie se clöture par la pose
d’une nouvelle plaque comm&morative appos&e au dos de la grande €glise
en m&moire des Peres Franciscains.
79
La nouvelle &quipe mise en place pour continuer le travail de
l’A.S.B.L creee en 1925
La nouvelle &quipe ainsi que les nouveaux statuts sont parus au mo-
niteur en f&vrier 2006.
Les membres de cette A.S.B.L sont : Monsieur le Doyen Joseph Baltus
(president), Monsieur Joseph Langohr, professeur retraite (secretaire),
Monsieur Joseph Meessen, employe retraite (tr&sorier), Monsieur Guido
Döme, architecte de jardin, Monsieur Albert Langohr, courtier en assu-
rances retrait&, Monsieur Michel Gans agronome retraite, Monsieur Jac-
ques Krott, commissaire de police retraite&, Monsieur Ghislain
Weickmans, assistant paroissial, Monsieur Werner Burtscheidt, ortho-
pediste, Monsieur le Cure Benoit Sadzot.
„a S, F =
a ; Ku &
U A CN A
Le = JE kA
> 5 Sn BE
ww. KO Ken G 8
DEF : AR
Membres de 1’A.S.B.L : Joseph Baltus, Michel Gans, Albert Langohr,
Joseph Meessen, Joseph Langohr, Guido Döme, Jose Jennes, Jacques Krott
(sont absents: Ghislain Weickmans, Benoit Sadzot et Werner Burtscheidt)
Le conseil d’administration est compose des administrateurs suivants :
MM Joseph Baltus (president), Joseph Langohr (secretaire) Joseph
Meessen (tr£sorier), Albert Langohr, Guido Döme, Michel Gans.
L’assembl&e Generale ou le Conseil d’Administration se r&unit cha-
que premier jeudi du mois afın d’organiser le fonctionnement du site
marial tout au long de l’annee et de veiller au bon de&roulement de la
saison de p£lerinage.
L’&quipe ainsi constituge est formee de 11membres ben&voles au ser-
vice du Pe?lerinage Marial de Moresnet-Chapelle, chacun occupe une
place specifique en fonction de ses aptitudes personnelles. Il est bien
entendu que d’autres personnes offrent gratuitement leurs services ä 1’or-
ganisation du culte de Marie Auxiliatrice. Sans toutes ces personnes, le
pelerinage de Eiksken ne pourrait pas survivre !
80
Karolingisch-Fränkisch:
Die plattdütsche Volkssprache
im Aachener Dreiländereck
Drs. Jean Frins MA
Universität Groningen
Der Öcher und der Vaalser könnten sich heutzutage nicht mehr
verstehen, wenn sie sich im Platt zu unterhalten versuchten. Das
behaupten Prof. Roeland van Hout von der Radboud Universität:
Nimwegen und Dr. Georg Cornelissen vom Bonner Amt für
Rheinische Landeskunde in der ersten diesjährigen Ausgabe der
Zeitschrift Taal en Tongval. Aus unserer im Sommer 2003
angefangenen Untersuchung im euregionalen Dreieck Valkenburg-
Stolberg-Eupen ergibt sich ein anderes Bild. Das Öcher Platt und
die anderen Dialekte im Bereich des mittelalterlichen Herzogtums
Limburg bilden zusammen die einzigartige karolingisch-fränkische
Sprache, die bis heute durchaus eine grenzüberschreitende Einheit
darstellt. Dieser Artikel bietet eine Übersicht unserer bisherigen
Erhebungen und wirft zudem einen Blick in die regionalsprachliche
Zukunft.
Die ersten Medien, die Anfang 2005 über unsere Ergebnisse
berichteten, nannten die von uns untersuchte Regionalsprache
„Limburgisch“. Diese Bezeichnung war offenbar missverständlich. So
mussten wir einen Redakteur der belgisch-limburgischen Zeitung Het
belang van Limburg, der uns fragte, welche Orte westlich von Maastricht
wir während unserer Arbeit besucht hätten, enttäuschen, indem wir darauf
hinwiesen, dass wir lediglich den Südosten der niederländischen Provinz
Limburg sowie die Bereiche Aachen und Eupen untersucht hatten.
„Limburgisch“‘ ist daher wohl nicht der geeignete Name.
Bereits in den sechziger Jahren wurde über alternative Bezeichnungen
für die „plattdütsche‘“ Regionalsprache nachgedacht, und damals zeigte
sich schon die Schwierigkeit dieser Aufgabe. Die deutsche Dialektologie
sprach von Südniederfränkisch, in der niederländischen Literatur hieß
es hingegen Ostniederfränkisch, was von der westlichen Lage des
Niederländischen aus besser zutraf.
81
Leo Wintgens schlug eine neue Bezeichnung für die in seiner
Grammatik beschriebene Sprache vor: Karolingisch-Fränkisch, nach Karl
dem Großen (742-814), der, so Wintgens, „selbst bestrebt war, eine
Grammatik seiner fränkischen Muttersprache in unserem Gebiet, das zum
nächstliegenden Familienbesitz der fränkischen Karolinger gehörte,
redigieren zu lassen“. Deshalb nennt Wintgens die Gebietssprache im
Bereich der Reichsstadt Aachen, des Herzogtums Limburg und der
Grafschaften Dalhem und Valkenburg sowie der Herrschaft Rolduc
Karolingisch-Fränkisch. Dieser Name ist wertneutral, unpolitisch,
unabhängig von geographisch begrenzten Räumen, Himmelsrichtungen
oder etwa Flüssen und daher aus wissenschaftlicher Sicht vorzuziehen.
Außerdem bezieht sich die Wintgens’sche Grammatik auf genau die
Mundarten unseres Untersuchungsgebiets. Gerade diese Gegebenheit
halten wir für den entscheidenden Grund, den Wintgens’schen Terminus
aufzugreifen. Die nachstehende Tabelle zeigt die wichtigsten Orte des
karolingisch-fränkischen Untersuchungsgebiets.
niederländische Orte belgische Orte deutsche Orte
Bocholtz Aubel Aachen
Epen Battice Alsdorf
Eysden Charneux Bardenberg
Eygelshoven Dalhem Brand
Eys Dison Breinig
Gulpen Eupen Eilendorf
Heerlen Eynatten Eschweiler
Kerkrade Gemmenich Geilenkirchen
Klimmen Grand-Rechain Herzogenrath
Mechelen Hauset Horbach
Mheer Henri-Chap. Kohlscheid
Nieuwenhagen Hergenrath Kornelimünster
Nijswiller Homburg Laurensberg
Noorbeek Jul&mont Lemiers
Palemig Kelmis Marienberg
Rimburg Kettenis Merkstein
Schaesberg Lambermont Palenberg
Schin op Geul Limburg Richterich
Simpelveld Membach Scherpenseel
Slenaken Montzen Stolberg
Ubach o. Worms Moresnet Übach
82
Vaals Raeren Walheim
Valkenburg Remersdael Windhausen
Vijlen Sinnich Würselen
Voerendaal Sippenaeken
Wahlwiller Teuven
Wijlre Walhorn
Wittem Welkenraedt
Eine gemeinsame Geschichte
Spätestens seit dem 12. Jahrhundert bildeten diese Orte als Herzogtum
Limburg und dessen engstes Umfeld eine politische und wirtschaftliche
Einheit. Diese Einheit förderte die Einführung einer tendenziell
standardisierten limburgischen Schreibsprache. Eine der ältesten
volkssprachlichen Originalurkunden aus dem gesamten rheinischen Raum
ist in dieser Schreibsprache abgefasst. Diese Urkunde aus dem Jahre
1261 befindet sich heute im Aachener Stadtarchiv.
Limburg erlebte zu dieser Zeit eine wirtschaftliche und kulturelle Blüte,
während der es auch den „einfachsten“ Bewohnern gut ging. Im 13.
Jahrhundert entstanden wichtige literarische Werke. Dazu zählt das um
1220 in Aachen geschriebene Gedicht Karl und Galie, eine Bearbeitung
einer französischen Chanson de geste. Da die Zahl der überlieferten
limburgischen Werke aus dieser Epoche so begrenzt ist, bereichert dieses
Gedicht den bekannten mittelhochdeutschen Wortschatz mit
offensichtlich rein limburgischen Elementen.
Nach der Schlacht bei Worringen (worüber gleich mehr) entstand
zwischen 1291 und 1317 noch der große Roman von Heinric und
Margriete von Limborch. Zurückgreifend auf historische Fakten schildert
dieser Roman in zwölf Bänden die Erlebnisse der nach Konstantinopel
entführten Herzogstochter Margriete, die von ihrem Bruder Heinric auf
tapfere Weise gerettet wird. Der tötet dabei nach guter mittelalterlicher
Art eigenhändig Tausende Muslime. Die Erzählung endet mit der Krönung
Heinrics zum Kaiser von Konstantinopel.
Im Jahre 1280 starb der letzte limburgische Herzog, Walram IV., und
acht Jahre später hatte die Schlacht bei Worringen, einer Burg am Rhein
unweit von Köln, wichtige Folgen für das Gebiet und seine
Weiterentwicklung. Bei diesem entscheidenden Ereignis im
limburgischen Erbfolgestreit verlor das Herzogtum nämlich seine
Unabhängigkeit und kam an Brabant, das viel reicher und größer war,
83
und Limburg nur als Beutegebiet zu schätzen schien. Obwohl es dem
Herzogtum - wie Yans 1938 gezeigt hat - bis ins 15. Jahrhundert
wirtschaftlich nicht schlechter ging als vorher, konnte nur noch eine kleine
Gruppe von privilegierten Adligen und Geistlichen von diesem Reichtum
profitieren.
Das kulturelle Leben beschränkte sich von nun an ausschließlich auf
die Klöster und Abteien, wo die Volkssprache nicht verwendet wurde.
Daran änderte sich nichts, als Limburg 1482 von den Habsburgern
übernommen wurde. Es folgte ein ständiges Hin und Her zwischen den
Niederlanden, Spanien und Österreich, wobei die limburgischen Grenzen
jedesmal verlegt wurden. Erst um 1730 lehnte sich die Bevölkerung als
„Bockreiter“ gegen die Ungerechtigkeit ihrer Herrscher auf. Von 1730
bis 1790 gehörten mindestens 1500 Männer, Frauen und Kinder zu den
Ausgabeen. Von ihnen endeten mehr als 600 am Galgen. Die Behörden
schlugen nämlich rücksichtslos zurück. Erst der Wiener Kongress
bereitete 1815 durch die Einführung einer neuen staatlichen Organisation
diesem Wirbel ein Ende. Aus diesem Zeitraum stammen auch die ersten
überlieferten volksliterarischen Zeugnisse seit dem 14. Jahrhundert. Es
handelt sich dabei um zwei Lieder, das eine geschrieben in Maastricht
(Rei mer oet, wagel), das andere in Aachen (Ühr Hong).
Aber auch diese neue Grenze bestand nicht lange. Nach der Revolution
von 1830 verblieb das ehemalige Herzogtum Limburg größtenteils bei
Belgien (Provinz Lüttich). Die definitive Grenze wurde jedoch erst 1839
festgelegt, als der nördliche Teil dem König der Niederlande als
Kompensation für den Verzicht auf einen Teil Luxemburgs zugesprochen
wurde.
Im Lichte dieser ständigen politisch-gesellschaftlichen Änderungen
ist es umso bemerkenswerter, dass sich die Regionalsprache in der
Zwischenzeit nicht wesentlich änderte. Wintgens (1982) verglich eine
Reihe schriftlicher Beispiele von rund 1500 mit den in den zwanziger
und dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts (u.a. von Welter 1933)
gesammelten Daten (vergl. etwa Wintgens 1982: 303, 427) und schloss
daraus, dass die Wortformen sich nicht geändert hatten. Und das, obgleich
die Regionalsprache schon im 16. Jahrhundert zugunsten des
Brabantischen aus den Gerichten, und im 17. Jahrhundert zugunsten des
Hochdeutschen aus den Gottesdiensten verschwunden war (Wintgens
1982: 146ff). Mir scheint, als habe die Regionalsprache in der Turbulenz
der zwischenliegenden Jahrhunderte die Rolle eines verbindenden und
gleichzeitig konstanten Faktors gespielt, wo es im limburgischen Alltag
84
ansonsten nur wenig Konstanz gab. So sah das auch Welter (1938: 155):
„Wenn (...) auch die heutige politische Situation an unserer Dreiländerecke
tiefe Grenzgräben zieht, so gibt es doch ein deutliches Kennzeichen, das
über die jungen Grenzbildungen und Entzweiungen hinweg auf alte
Zusammenhänge weist: die Sprache und die Mundart.“
Obwohl öfters durch neue Grenzen voneinander getrennt und durch
ständig wechselnde Herrscher mit ständig wechselnden
Lebensbedingungen konfrontiert, konnten die Bewohner sich aufgrund
ihrer Sprache immer miteinander verbunden fühlen.
Frühere Untersuchungen
Eine wichtige Grundlage für die Feststellung einer (neuen staats-)
grenzüberschreitenden volkssprachlichen Einheit zu Beginn des 20.
Jahrhunderts liefert die „Enquete-Willems‘“ (1885). Pieter Gaspard
Huibrecht Willems (Maastricht 1840 — Leuven 1898) galt bereits mit 25
Jahren als angesehener Gelehrter — er wurde später u.a. Ehrendoktor der
Universität Heidelberg. Willems hat 1885 nicht weniger als 347
Fragebogen in 337 verschiedene Dörfer und Städte im limburgischen
Raum und den benachbarten Gebieten verschickt. Der Fragebogen war
sehr umfangreich. Er enthielt Fragen zu 990 Substantiven und 313 Verben,
zu denen Willems jeweils eine Reihe von Formen erbat. Er wollte mit
Hilfe dieser Daten eine Laut-, Formen- und Wortlehre der fränkischen
Mundarten erarbeiten. Goossens (1989: 9) hat berechnet, dass jeder
Gewährsmann nicht weniger als 15.554 (sic!) Fragen zu beantworten
hatte. Es dauerte in der Regel etwa fünf Jahre, bevor eine ausgefüllte
Frageliste zurückgesandt wurde. Die Auswertung blieb unvollendet —
und sie wäre es höchstwahrscheinlich auch dann geblieben, hätte Willems
länger gelebt. Von den 347 verschickten Fragebogen sind aber nicht
weniger als 342 erhalten geblieben und in der Mehrzahl komplett
beantwortet worden. Für den Vergleich der heutigen Regionalsprache
mit jener von vor Anfang des turbulenten 20. Jahrhunderts ist die
„Enquete-Willems‘“ deshalb eine Informationsquelle von größter
Bedeutung. So stellte Leonie Cornips fest, dass 1885 zumindest auf der
Syntaxebene von einer grenzüberschreitenden, grammatikal vom
Standardniederländischen und Hochdeutschen abweichenden Einheit des
(südost-) limburgisch-rheinländischen Raumes auszugehen war (Cornips
1996b: 72f).
Es würde zu weit führen, an dieser Stelle alle politischen und
gesellschaftlichen Änderungen aufzulisten, womit sich die
85
Regionalsprache seitdem konfrontiert sah. Zwei Weltkriege, die sich
permanent ändernde belgische Sprachgesetzgebung, die Zuwanderung
Zehntausender nicht-limburgischer Bergleute nach Heerlen in den
dreißiger Jahren und die Tatsache, dass wir in den heutigen drei beteiligten
Staaten mit unterschiedlichen Hochsprachen im Unterricht zu rechnen
haben, sind wohl einige der wichtigsten Gegebenheiten gewesen, mit
denen sich die Regionalsprache konfrontiert sah. Dies konnte nicht ohne
sprachliche Folgen bleiben. Der belgische Sprachwissenschaftler Cajot
hat Anfang der siebziger Jahre angefangen, der Frage nachzugehen,
inwiefern die heutigen Staatsgrenzen infolge dieser Entwicklungen auch
Sprachgrenzen geworden sind. Cajots Veröffentlichungen tragen Namen
wie Neue Sprachschranken im ‚Land ohne Grenzen’ ? (Cajot 1989) oder
De Nederlands-Duitse staatsgrens als scheidingslijn tussen klanken,
vormen en woordgeslachten (Cajot 1996). Für seine Dissertation fragte
Cajot in jedem seiner 63 Untersuchungsorte durchschnittlich 3,5
Gewährsleute nach der dialektalen Bezeichnung von denselben 690
Begriffen. Er stellte fest, dass auch im äußersten südlimburgischen Osten
immer mehr deutsche Realisationstypen durch hochniederländische
verdrängt wurden und sich das gegenwärtige 50:50-Verhältnis wohl bald
zugunsten des Niederländischen verschieben werde, weil die
niederländischen Mundartsprecher sich bei neuen Wörtern stets für eine
niederländische Form entschieden (Cajot 1990: 140).
Unsere Untersuchung
Unser Bestreben ist es, die sprachliche Dynamik dieses Gebietes zu
skizzieren und dabei deutlich zu machen, woher die Entwicklungen
kommen und wohin sie führen. Dieses Projekt wird momentan von fünf
Wissenschaftlern betreut: Prof. Dr. Hermann Niebaum, Dr. Ron van
Zonneveld und Drs. Mik van Es von der Universität Groningen sowie
Prof. Dr. Leo Wintgens vom Montzener Sprachforschungszentrum und
Dr. Leonie Cornips vom Meertens Institut Amsterdam.
Bisher beurteilten 120 Mundartsprecher im Alter von 14 bis 87 Jahren
Mundartsätze, die ihnen mündlich oder schriftlich angeboten wurden.
Jeder Interessierte durfte eine Frageliste ausfüllen, vorausgesetzt, er
sprach die Regionalsprache und wohnte im Dreieck Valkenburg-
Eschweiler-Eupen. Die Gewährspersonen sollten angeben, ob ein Satz
in der eigenen Mundart richtig oder falsch klingt und den Satz mit einer
Note zwischen 1 (falsch, so sagt man es nie) und 5 (sehr üblich) bewerten.
86
Auch durften sie jeden Satz korrigieren. Die Buchstabierung wurde dabei
nicht beachtet (uns war es gleichgültig, ob die Gewährsperson sich beim
Schreiben etwa für jut, jot oder got entschied). In die neueste Frageliste
wurden außerdem 30 Wörter aufgenommen, um somit der Frage
nachzugehen, ob sich auf Wortebene inzwischen eine Standardisierung
feststellen ließ.
Wir betonen, dass vieles bisher aus zeitlichen Gründen nicht untersucht
werden konnte und wir hoffen, unsere Arbeit noch mindestens zehn
weitere Jahre fortzusetzen.
Hypothese 1: Wortschatz (Lexik)
In den letzten fünfzig Jahren fand in der karolingisch-fränkischen Lexik
ein großer Wandel statt. Weijnen (1957) stellte bereits Änderungen auf
der Wortebene fest, Kremer (1979) sprach von einem 40%igen Wandel
im Wortschatz und Cornelissen (1994) befürchtete infolge der
Änderungen sogar einen totalen Dialektverlust. Unsere erste zu
beweisende Hypothese bezieht sich auf diese drei Studien und lautet:
I. Die Lexik in den jeweiligen Dialekten wird sich
a) immer mehr dem Wortschatz der unterschiedlichen Standard-
sprachen anpassen. Dies hat u. a. mit dem Einfluss der Medien und der
Unterrichtssprachen zu tun.
b) Die meisten regionalen Formen, die Welter (1933, 1938) und
Roukens (1937) auflisten, werden inzwischen durch hochsprachliche
Formen ersetzt und den Teilnehmern mittleren Alters bereits unbekannt
sein.
c) Neue Wörter, etwa aus technischen Lebensbereichen, werden nicht
mehr in die Regionalsprache übersetzt, sondern unverändert aus den
Fachsprachen übernommen, wie Cajot (1989) bereits feststellte.
Keine dieser Annahmen ist bisher bestätigt worden. Für jedes der
dreißig von uns abgefragten Wörter gibt es mindestens eine Variante,
mit der man sich im ganzen karolingisch-fränkischen Gebiet verständigen
kann und dabei handelt es sich meistens um genau die Variante, die Welter
und Roukens vor etwa siebzig Jahren auch aufzeichneten, wie etwa ate(r)
für hinter, Boks für Hose, Jade für Garten, No(a)(b)ber für Nachbar, Ratt
für Fahrrad, Spital für Krankenhaus, Zog für Eisenbahnzug, Vakans für
Ferien und zösche für zwischen. Von einem Wörterverlust, geschweige
denn einem totalen Dialektverlust, darf daher u. E. nicht gesprochen
87
werden. Allerdings sind einige Bezeichnungen sehr selten geworden.
Dazu zählt Leähmkleäner, ein Wort, das aus jener alten Zeiten stammt,
als in der Region noch die typischen Fachwerkhäuser erbaut wurden, bei
denen Lehm (leähm) zwischen hölzernen Balken gestrichen (kleänt)
wurde. Eine 86-jährige Aachenerin war die einzige Gewährsperson, die
jenes Wort erwähnte. Bloetes, womit im Aachener Land ursprünglich
ein Pflegeheim für Aussätzige bezeichnet wurde, ist dort in der
gegenwärtigen Bedeutung von Krankenhaus nahezu aus der
Umgangssprache verschwunden. Dies gilt auch für Balbutz (Friseur) und
Soadeschdig (Samstag).
Für die fünf modernen Wörter, die wir bisher abgefragt haben, versucht
man zumindest regionalisierte Formen zu verwenden, anstatt die
standardsprachlichen Wörter unverändert zu übernehmen. Ein
Führerschein heißt also Führerschien und für Reißverschluss denkt man
sich originelle Bezeichnungen aus, wie etwa Flatteroetsch, Zipper oder
Rötsch.
Hätten wir auf Wortebene einen Verlust festgestellt, dann hätte uns
das dennoch nicht beunruhigt. Wir sind nämlich der Meinung, dass die
Lexik als die Software einer Sprache aufgefasst werden kann. Eine
Software ändert sich häufig. Wer sich den PC-Markt alle sechs Monate
erneut ansieht, wird bemerken, dass wieder ganz neue, avanciertere
Softwareprogramme erschienen sind. Diese lassen sich aber alle mit der
unverändert gebliebenen Hardware der Computer verwenden. Diese
Hardware steckt von Anfang an im Computer und wird bei fehlerfreiem
Funktionieren nicht von neuerer Hardware ersetzt. Bei Sprache sieht das
nicht anders aus. Sprecher installieren ihre „Wörtersoftware“ auf die
„Satzbauhardware‘“. Wie eine bestimmte Software werden auch
bestimmte Wörter weniger verwendet, sie gelten eines Tages als veraltet
und verschwinden letztendlich, andere erfreuen sich plötzlich einer
erneuten Popularität oder werden sogar erst neu erfunden. Sprecher
können sich leicht dafür entscheiden, bestimmte Wörter vorzuziehen,
wenn sie zu einer bestimmten Sprechergruppe gehören wollen. Anhand
ihrer Wortwahl beweisen sie der Umgebung entweder, dass sie
„mitmachen“ wollen und wissen, mit welchen Wörtern man dezent und
integriert wirkt, oder sie grenzen sich stattdessen gewollt oder ungewollt
aus. Wer von Senioren spricht, gehört zur ersten Gruppe, wer aber
Kukidents oder Gruftis bevorzugt, verwendet Formen, die als
jugendsprachliche Beispiele zu gelten haben. Es handelt sich hier um
genau den gleichen Unterschied wie bei zwei PC-Besitzern, von denen
88
der eine angibt, täglich streaming online zu sein und massenhaft MP3s
herunterzuladen, und der andere, mit Windows95 zu arbeiten.
Wer Deutsch spricht, wird sich hingegen nicht dafür entscheiden,
künftig einen Satzbau wie Ein ich Buch lese statt Ich lese ein Buch zu
verwenden, weil eine solche Änderung einer vollkommen anderen
Struktur entsprechen und die deutsche SVO-Reihenfolge (Subjekt-Verb-
Objekt) umkrempeln würde. Es ist immer fraglich, ob eine neu erfundene
bzw. eine aus einer anderen Sprache übernommene Satzstruktur überhaupt
genügend mit den normalen, üblichen Satzstrukturen übereinstimmt, um
von einer Mehrheit der Sprecher akzeptiert und übernommen zu werden.
Es kommt dazu also darauf an, dass sich eine neue Konstruktion in die
normale Struktur einordnen lässt. %
Hypothese 2: Satzbau (Syntax)
Unsere zweite Hypothese hängt mit dieser Voraussetzung zusammen
und lautet:
II. Die Syntax der Dialekte wird weitgehend unbeeinflusst bleiben,
weil der Versuch, diese zu ändern, praktische Schwierigkeiten mit sich
bringen würde. Wir erwarten daher, dass die regionalsprachlichen
syntaktischen Merkmale, wie sie z. B. Willems (1885) hinsichtlich des
Gebrauchs des Reflexivpronomens sich festgestellt hat, bis heute keiner
Standardisierung unterlegen sind.
So genannte middle constructions (auf Deutsch: Medial- oder
Mittelkonstruktionen) spielten in unserer Untersuchung eine wichtige
Rolle. Insgesamt 90 der 160 bisher abgefragten Sätze gehörten zu dieser
Kategorie.
Im Grunde handelt es sich bei Mittelkonstruktionen um aktivierte
passive Sätze. Das Verb ist aktiv, das Subjekt (surface subject) ist
eigentlich ein Objekt (notional object). Ein Beispiel kann dies erklären:
Hochdeutsch Niederländisch
Aktive Form Er verkauft Bücher Hij verkoopt boeken
Medialform Das Buch verkauft Het boek verkoopt
sich gut *zich goed
Objekt in Subjektrolle
Passive Form Das Buch wird verkauft Het boek wordt verkocht
89
Ein wichtiger Unterschied zwischen Niederländisch und Hochdeutsch
steckt im Reflexivum zich/sich. In unserem Beispielsatz muss dieses im
Hochdeutschen notwendigerweise vorhanden sein, im Niederländischen
führt es aber zu einem ungrammatikalischen Satz (darauf deutet das
sprachwissenschaftliche Zeichen * hin). Weiter sind im Niederländischen
intransitive Verben in solchen Konstruktionen ausgeschlossen, im
Hochdeutschen und im Karolingisch-Fränkischen können sowohl
transitive wie intransitive Verben Mittelkonstruktionen bilden. Betrachtet
man die Grammatik, dann gilt also:
Niederländisch *Het rijdt zich goed op de autosnelweg
Hochdeutsch *Es fährt sich gut auf der Autobahn
Karolingisch-Fränkisch *’t Viert sich jot op de Autoban
Die Mittelkonstruktion in diesem zweiten Beispiel ist eine andere als
im ersten, und zwar wegen Het/Es/t, einem Wort, das sich, anders als
Das Buch/Het boek, auf kein konkretes Element, keine konkrete Sache,
bezieht. Das hat Folgen für die Benennung des Satzes. Während das
erste Beispiel eine persönliche Mittelkonstruktion (personal middle)
darstellt, handelt es sich beim zweiten um eine unpersönliche (impersonal
middle). Beide gehören zu den plain middles.
Sehen wir uns jetzt die erste von uns festgestellte Besonderheit in
Bezug auf middles an:
Im Karolingisch-Fränkischen können p/ain Mittelkonstruktionen
gebildet werden ohne Adverb als Stellvertreter des nicht-explizitierten
Agens, außer in den Fällen, wo das Subjekt handelnd auftritt.
Der amerikanische Wissenschaftler Noam Chomsky hat 1965
behauptet, solche Konstruktionen seien nicht möglich. Das von ihm
formulierte recoverability principle lautet nämlich:
„no role may be deleted (...) unless there exists an over element through
which the role is recoverable” .
Bleibt die Agensposition also leer, dann muss es ein anderes Wort im
Satz geben, mit dem die gestrichene Agensrolle wiedergegeben wird.
Am häufigsten erscheint in solch einem Fall ein Adverb der Art und
Weise. Diese Regel gilt sowohl für Niederländisch als auch für
Hochdeutsch. In den folgenden, von uns untersuchten Sätzen gibt es aber
kein Ersatzwort. Wo es eigentlich stehen müsste, steht jetzt LEER (für
90
Leerstelle). Dennoch wurden die Sätze ohne Probleme verstanden und
für richtig gehalten:
Dis Sjrieve üverzet sich LEER *Dieser Text übersetzt sich
De Schlat ot sich LEER *Der Salat aß sich
Dis Boch lie&s sich LEER *Dieses Buch liest sich
’t Boch lie&s sich ut LEER *Das Buch liest sich aus
Über siebzig Prozent der Gewährspersonen interpretieren diese
Mittelkonstruktionen offenbar wie folgt: Subjekt (Text, Salat, Buch) ist
im positiven Sinne, also: gut, lecker, leicht (übersetzbar, essbar, lesbar).
Sie brauchen das Adverb nicht, um diese positive Lesung zu erzielen. ,
Dies ist im Hochdeutschen und im Englischen nicht möglich, wohl aber
im Französischen:
Cette carotte se mange *Diese Möhre isst sich
Sobald das Subjekt die beschriebene Handlung nicht erfährt, sondern
selbst ausführt, darf das Adverb in karolingisch-fränkischen
Mittelkonstruktionen nicht fehlen, wie aus den folgenden, von den
Teilnehmern negativ bewerteten Testsätzen hervorgeht:
* D’r Wagel varet sich LEER / Das Auto fuhr sich
* De Fornöis verwermde sich LEER / Die Grillplatte heizte sich (auf)
Mehrere Wissenschaftler (u.a. Fagan 1992) behaupten, eine
Mittelkonstruktion mit einem Achievementverb (z. B. erkennen, finden,
erreichen) sei in germanischen Sprachen ungrammatikalisch. Das Verb
muss nämlich, um in einer Mittelkonstruktion zu erscheinen, eine Hand-
lung wiedergeben, die während einer bestimmten Zeit einer Veränderung
unterliegt. Das ist bei achievements nicht der Fall und daher gilt:
Hochdeutsch *Mit der Bundesbahn kommt es sich leicht zur
vorgesehenen Zeit an
*Dieses Ziel erreicht sich nicht leicht
Im Französischen dürfen achievement-Verben aber wohl in
Mittelkonstruktionen erscheinen (Fagan 1992: 94):
Französisch Pierre se reconnait ä son nez rouge
Hochdeutsch *Pierre erkennt sich an seiner roten Nase
91
Dieser zwischensprachliche Vergleich bringt uns dazu, die folgende
Hypothese aufzustellen:
Karolingisch-Fränkisch stimmt hinsichtlich der in Mittelkonstruk-
tionen erlaubten achievement-Verben mit der französischen Grammatik
überein. Deshalb dürfen karolingisch-fränkische Mittelkonstruktionen
achievement-Verben enthalten.
In wievielen Orten dies tatsächlich der Fall sein wird, lässt sich im
Moment noch nicht sagen. Unsere Gewährspersonen aus Gemmenich
und Homburg standen den von uns abgefragten Achievement-
Mittelkonstruktionen auf jeden Fall positiv gegenüber.
Künftig wollen wir auch zwei für die Regionalsprache typische plain
Mittelkonstruktionen untersuchen:
Hochdeutsch (a) Das Bett schläft gut
Ort Adverb der Art und Weise
(b) Der Saal singt bequem
Ort Adverb der Art und Weise
(c) Die Tinte schreibt gut
Instrument Adverb der Art und Weise
Die grammatikalischen Subjekte Das Bett (a) und Der Saal (b)
verweisen auf einen Ort (lateinisch /ocus), das grammatikalische Subjekt
Die Tinte (c) verweist auf ein Instrument. Wegen dieser andersartigen
Verweisungen spricht man bei (a) und (b) von einer lokationellen adjunct
und in (c) von einer instrumentellen Mittelkonstruktion.
Beide Konstruktionstypen müssen ein Adverb der Art und Weise (guf,
beziehungsweise guf und bequem) enthalten. Dennoch sind sie nicht als
völlig identische Konstruktionen zu betrachten. Cornips (1996b: 72)
meint, bei diesen Mittelkonstruktionen handele es sich um zwei separate
Typen, weil das grammatikalische Subjekt die Tinte in der instrumentellen
Konstruktion (2c), im Gegensatz zum grammatikalischen Subjekt der
beiden adjunct middles (2a) und (2b), als logisches Subjekt analysiert
werden kann. Plain instrumentelle Mittelkonstruktionen seien auch im
Englischen und Hochdeutschen grammatikalisch, anders als adjuncts,
wie Cornips anhand folgender Beispiele illustriert (1996b: 64):
92
Instrumentelle Mittelkonstruktion
Englisch This ink writes easily
Hochdeutsch Diese Tinte schreibt gut
Adjunct Mittelkonstruktion
Englisch *This chair sits easily
Hochdeutsch *Dieser Stuhl sitzt (sich) herrlich
Willems (1885) stellte für das Gebiet östlich der Maas fest, dass dort
auch die folgenden Formen von adjuncts mit Reflexiven benutzt wurden: *
Dialekte östlich der Maas Das Bett schläft sich gut
Der Saal singt sich bequem
Wir möchten künftig der Frage nachgehen, ob und inwiefern sich diese
Besonderheit inzwischen auch im karolingisch-fränkischen Sprachgebiet
hat verbreiten können.
Hypothese 3: Grenzüberschreitende Einheit
Ludger Kremer und Hermann Niebaum haben 1990 nachgewiesen,
dass sich die ehemals grenzüberschreitend einheitlichen
Regionalsprachen in sieben westeuropäischen Grenzregionen in einer
ziemlich aussichtslosen Lage befanden. Für die südjütischen Dialekte
heißt es (Kremer und Niebaum 1990: 10): „Ihr Aussterben ist zu
erwarten“‘, in der Grenzregion zwischen Dollart und Vechtegebiet gilt
(Kremer und Niebaum 1990: 11), „daß das Dialektkontinuum sich im
Prozess der Auflösung befindet‘. Positivere Feststellungen fehlen. Im
saarländisch-lothringisch-luxemburgischen Grenzgebiet habe das
Moselfränkische sich (Kremer und Niebaum 1990: 12) „infolge
unterschiedlicher standardsprachlicher Überdachung auseinan-
derentwickelt‘“. Die inzwischen entstandenen Unterschiede liegen dort
sowohl auf pragmatischer Ebene wie im Sprachsystem. Am Oberrhein
an der deutsch-französischen Grenze befinden sich heute „die beiden
Sprachlandschaften ... nicht mehr wie früher in enger sprachlicher
Gemeinschaft‘ (Kremer und Niebaum 1990: 12) und die sprachso-
ziologische Position der niederländischen Dialekte Französisch-Flanderns
93
erscheint als so geschwächt, dass „der Autor [Hugo Ryckeboer, JF]
innerhalb einiger Jahrzehnte den Zusammenfall von Staats- und
Sprachgrenze erwartet“ (Kremer und Niebaum 1990: 13).
Auch wir hatten im karolingisch-fränkischen Sprachgebiet damit
gerechnet, dass infolge des unterschiedlichen hochsprachlichen
Unterrichts und des hochsprachlichen Medieneinflusses die Staatsgrenze
immer mehr eine Sprachgrenze bildet. An niederländischer Seite sieht
man abends letztendlich Goede tijden, slechte tijden, an deutscher Seite
Gute Zeiten, schlechte Zeiten. Unsere dritte Hypothese hat damit zu tun
und lautet:
III. Dem von Willems im Jahre 1885 festgestellten Dialektkontinuum
in unserem Untersuchungsgebiet entspricht heute kein Kommuni-
kationskontinuum mehr, d. h. die deutsch-niederländisch-belgische
Staatsgrenze bildet heute eine Bruchstelle in diesem Kontinuum.
Dank der Ergebnisse hinsichtlich des Wortschatzes und Satzbaus
wussten wir schon, dass von großen Unterschieden zwischen den drei
Grenzgebieten nicht die Rede war. Mithilfe des Programms SPSS haben
wir genau berechnen können, ob es signifikante Unterschiede zwischen
den niederländischen Teilnehmern einerseits, und den deutschen und
belgischen Teilnehmern andererseits gab.
Eine geeignete, hieb- und stichfeste Methode, um dies zu überprüfen,
bietet die Berechnung der Korrelationen zwischen den von den
Niederländern einerseits und den Deutschen und Belgiern andererseits
erteilten Bewertungen der unterschiedlichen Sätze. Für jeden Satz haben
wir die Bewertungen durch den jeweiligen Teilnehmer auf der Skala von
1 bis 5 in das Programm eingegeben. Danach haben wir in SPSS die
beiden Teilnehmergruppen miteinander korrelieren lassen.
Laut Newbold (1984: 442) zeigt ein Korrelationskoeffizient p zwischen
zwei Daten, inwiefern die wechselseitige lineare Verbindung dieser Daten
sich als kräftig oder eher schwach bezeichnen lässt. Die Ziffern -1, 0 und
1 bilden Grenzen. Deshalb lautet die Grundregel: -1 dp d 1
Die Ergebnisse -1 und 1 sind Idealfälle: Bei einem p von -1 oder 1 ist
die lineare Verbindung zwischen den Daten am kräftigsten. Bei -1 ist
nämlich von einer perfekten negativen Verbindung die Rede und eine +1
stellt eine perfekte positive Verbindung dar. Je weiter sich p einem dieser
beiden Grenzwerte nähert, desto stärker ist die wechselseitige Verbindung.
94
Falls p aber = 0 gibt es gar keine Beziehung zwischen den miteinander
verglichenen Daten.
Die von uns bei der oben geschilderten Berechnung festgestellte p-
Matrix betrifft:
deutsch/belgisch niederländisch
deutsch/belgisch 0,2625 0,2571
niederländisch 0,2571 0,2793
Die Korrelation der totalen Matrix lautet: 0,2658. Diese scheint zwar
auf den ersten Blick nicht überwältigend stark zu sein (denn sie liegt
unter 0,30), da aber die Unterschiede in den Korrelationen sehr beschränkt
sind, deuten sie dennoch auf eine Einheit hin. Die aufgrund historischer
Gegebenheiten unterstellte (sprachliche) Einheit des Karolingisch-
Fränkischen ist somit statistisch bewiesen. Die Staatsgrenze bildet bis
heute tatsächlich keine Bruchstelle im jahrhundertealten sprachlichen
Kontinuum.
Diese Situation ist außergewöhnlich, weil, wie wir gesehen haben,
keine andere westeuropäische Grenzregion über eine Regionalsprache
verfügt, die sich bis heute grenzüberschreitend auf die gleiche Weise
weiterentwickelt. Überall bildet eine relativ junge Staatsgrenze
mittlerweile auch eine Sprachgrenze, die sich immer trennender auswirkt.
Es gibt im Aachener Dreiländereck einen regen Grenzverkehr, bei dem
sich Mundartsprecher aus den entferntesten Ecken des Sprachgebiets
treffen und miteinander kommunizieren. Dies konnten wir aus den
Antworten auf folgende Frage ermitteln:
+ Wie oft ungefähr kommen Sie in die Niederlande/die Bundesrepublik/
nach Belgien?
Alle ... Monate Alle ... Wochen
Fast alle 120 Gewährspersonen gaben an, mindestens einmal pro
Woche die Grenze zu überqueren. Allerdings gaben die Deutschen und
Belgier auch an, jenseits der Grenze nur selten Platt und fast immer
Hochdeutsch zu sprechen. Auf die Frage: „Weshalb?“ antworteten die
meisten, dass sie sich nicht darüber im klaren waren, dass sie sich im
eigenen Dialekt jenseits der Grenze verständigen konnten und sie
zweifelten daran, ob die ausländischen Gesprächspartner einen
Kommunikationsversuch im Dialekt schätzen würden. Hier stellte sich
95
heraus, dass es eine „Grenze in den Köpfen“ gibt. Niederländer, Deutsche
und Belgier sprechen zu Hause die gleiche Sprache. Sie arbeiten
inzwischen in wichtigen Bereichen wie Verkehr, Infrastruktur, Arbeit,
Unterricht und Handel intensiv zusammen, betrachten sich dabei aber
als unterschiedliche Staatsbürger und sprechen beruflich fast
ausschließlich die verschiedenen Hochsprachen, was einer optimalen
Zusammenarbeit u. E. im Wege steht.
Eine Euregio: Die Volkssprache macht es möglich
Ohne etwa politisch-gesellschaftliche Änderungen, wie eine Aufteilung
der heutigen niederländischen Provinz oder die Wiederherstellung des
ehemaligen Herzogtums Limburg zu beabsichtigen, betonen wir, dass
die Volkssprache die Rolle eines verbindenden Faktors spielen könnte.
Sobald die Bewohner einsehen und feststellen, dass sie sich im Dialekt
euregional verstehen und verständigen können, könnte ein euregionales
Gefühl der gemeinsamen Identität und Verbundenheit auf der Basis
geteilter historischer Wurzeln heranwachsen. Seit der Einführung der
europäischen Sprachen-Charta sind alle Voraussetzungen dafür gegeben,
eine euregionale Zusammenarbeit im sprachlichen Bereich anzufangen.
Ein Versuch von politischer Seite ist aber bisher ausgeblieben.
Diese Sprachen-Charta, die 1992 vom Europarat verabschiedet wurde,
gründet auf der Überzeugung, dass die in vielen Ländern Europas
vorhandene Zwei- oder Mehrsprachigkeit einen kulturellen Reichtum
per se darstellt, der eine wichtige Grundbedingung für das Gemeinwohl
bildet und zu durchaus besseren Lebensumständen führt. Ihr zweiter Teil
ist von besonderer Bedeutung. Jeder Staat, der die Charta unterzeichnet
und sich damit verpflichtet, die eigenen Regional- oder
Minderheitssprachen nach bestem Vermögen zu schützen, muss die sieben
Paragraphen dieses zweiten Teils auf jeden Fall akzeptieren bzw. in die
Praxis umsetzen. Diese Paragraphen lauten:
1: Die Regional- oder Minderheitssprachen des Landes werden als
Ausdruck kulturellen Reichtums betrachtet.
2: Der geographische Raum jeder Regional- oder Minderheitssprache
wird respektiert.
3: Durchgreifende Maßnahmen zur Förderung solcher Sprachen sind
erforderlich.
4: Der mündliche und schriftliche Gebrauch solcher Sprachen, sowohl
in der Öffentlichkeit wie im Privatleben, muss gewährleistet werden.
96
5: Voraussetzungen für den Unterricht dieser Sprachen müssen
geschaffen werden, dazu gehören auch Maßnahmen, die es
Nichtsprechern ermöglichen, sich diese Sprachen anzueignen.
6: Das Studium und die Untersuchung dieser Sprachen an Universitäten
oder ähnlichen Instituten müssen ermöglicht und unterstützt werden.
7: Dies gilt auch für den relevanten transnationalen Austausch von
Wissenschaftlern.
Im Jahre 1997 hat die niederländische Regierung die Regionalsprachen
Nedersaksisch und Limburgisch im Sinne des zweiten Teils der Charta
anerkannt. Der Provinz Limburg sowie verschiedenen Instanzen und
Vereinen wird seitdem jährlich eine Geldsumme zur Verfügung gestellt;
damit die sieben oben erwähnten Punkte tatsächlich in Anwendung
gebracht werden können. Inzwischen kann dort von einem wahren
Aufschwung der Regionalsprache gesprochen werden. Bei dieser
Erfolgsgeschichte spielt auch ein psychologischer Effekt mit. Eine
Sprache, die sogar auf europäischer Ebene Anerkennung genießt, darf
man natürlich stolz hören lassen.
Das Aachener Land, die DG und die belgische Provinz Limburg
profitieren aber hiervon nicht, weil die Anerkennung nur für die
niederländische Provinz gilt. Angesichts der heutigen regionalsprach-
lichen Lage (Einheit!) wäre die gleiche Anerkennung aus sprachlicher
Sicht nicht nur angemessen, sondern dürfte gerade in den erwähnten
Regionen für den Spracherhalt besonders positive Folgen haben.
So ist an deutscher Seite die Parole „Mit den Kindern kein Platt!“
stark verbreitet. In jeder Gruppe von 15 deutschen Mundartsprechern
gab jeweils eine Gewährsperson an, mit den eigenen Kindern noch
Mundart zu sprechen. Die mittlere Generation der ca. Vierzigjährigen
orientiert ihre Sprechweise den eigenen Kindern gegenüber eindeutig
am Standard. Die Regionalsprache wird häufig als fehlerhaftes
Hochdeutsch betrachtet, oder gilt als die Sprache der Landwirte und
Putzfrauen. Als H. Küsters 1986 in Alsdorf per Fragebogen die
Dialektkompetenz bei 220 Schülern/-innen von Hauptschule und
Gymnasien erhob, konnte er schon feststellen, dass nur 9% der Befragten
auf die Frage „Kannst Du Platt sprechen?“ mit „ja‘ antworteten, und
49% mit „nein‘‘.
In Belgien war die Situation jahrzehntelang nicht anders. Manche
Einwohner der Eupener Region verbanden die sich ‚deutsch’ anhörende
97
Heimatsprache mit Krieg und Annexion, und haben sich seit Kriegsende
häufig dafür entschieden, mit ihren Kindern Französisch zu sprechen.
Im Falle einer Ehe mit einem Partner von außerhalb der Region wurden
die Kinder auf Hochsprache erzogen. In vielen Häusern verstummte das
plattdütsche Echo. Aber das Kulturministerium der Deutschsprachigen
Gemeinschaft bemüht sich momentan stark um den Dialekt. Es gibt
Veröffentlichungen im Platt, einen Wettbewerb für Jugendliche „3+“ und
auch Mundartbühnen feiern wieder Erfolge. Mir wurde von Jugendlichen
aus Gemmenich und Kelmis mitgeteilt, es gebe mittlerweile sogar
Amateurbands, die sich trauen, ihre coolen Lieder im Platt zu singen.
Die Heimatsprache wird mehr und mehr von jungen Eltern weitergegeben
und kehrt allmählich in den öffentlichen Gebrauch zurück. Viel länger
hätte diese Entwicklung nicht auf sich warten lassen dürfen, denn bereits
1979 stellte Nelde für Aubel fest, dass dort nur noch 15% der Einwohner
Platt sprachen. Selber empfand ich dies vor kurzem, als ich in der Aubeler
Abtei Val-Dieu auf Platt um ein Bier bat, und es erst bekam, nachdem
ich meine Bitte auf Französisch wiederholt hatte.
Schlusswort
Die Entscheidung der niederländischen Regierung, sich 1997 bei der
Anerkennung der Regionalsprache nur auf den niederländischen Teil des
geographischen Bereichs „Limburg“ zu beschränken, ist aus sprachlicher
Sicht ein Irrweg. Die euregionalen Politiker sollten sich auf diploma-
tischem Wege dazu durchringen, ihre belgischen und deutschen Seiten
zum gleichen sprachpolitischen Schritt - d h. zur Anerkennung der
plattdütschen Sprache gemäß Teil II der Charta - zu bewegen. Eine
gemeinsame euregionale Sprachpolitik könnte durchaus positive Folgen
haben, sowohl für die Regionalsprache als für ein geteiltes euregionales
Identitätsgefühl.
Wappnen wir uns gleichzeitig gegen die Sirenentöne jener
Sprachwissenschaftler, die, ohne mit den Mundartsprechern gesprochen
zu haben, verkünden, die Staatsgrenze sei heute auch eine Sprachgrenze
geworden. Verhindern wir als Mundartsprecher, Politiker und Sprach-
wissenschaftler gemeinsam, dass im euregionalen Sprachenwald
tatsächlich Kahlschlag stattfindet und eine hochsprachliche Monokultur
entstehen kann. Erinnern wir uns an die Warnung des großen
Sprachwissenschaftlers Winand Roukens und seien wir davon überzeugt,
dass
98
„het verlies van onze volkstaal, van ons dialect betekent: het verlies
van onze eigen geaardheid, van ons Limburger-zijn. (...) Instandhouding
van onze Limburgse dialecten betekent mede instandhouding van het
diepste wezen onzer Limburgse cultuur“ — Winand Roukens (1947: 18).
Die Untersuchung von Frins und seinem Team wird fortgesetzt.
Wer mitmachen möchte, kann sich bei Frins anmelden über Email:
jeanfrins@yahoo.com oder telefonisch: 0031-640702515.
Literatur
- Börnsen, Wolfgang: Plattdeutsch im Deutschen Bundestag, Sankt-Augustin:
Siegler Verlag, 2001, 79-80, 113-116.
- Cajot, Jose: Neue Sprachschranken im ‘Land ohne Grenzen’? , Köln/Wien:
Böhlau Verlag, Reihe Rheinisches Archiv Teil 121/I, 1989.
- Cajot, Jose: Neue Sprachschranken im ‘Land ohne Grenzen’ ?, Köln/Wien:
Böhlau Verlag, Reihe Rheinisches Archiv Teil 121/II: Karten und Tabellen,
1989b.
- Cajot, Jose: „Neue Sprachgrenzbildung an der deutschen Staatsgrenze zu
niederländisch-Ostlimburg, Ostbelgien und Luxemburg“, in: Kremer, Ludger
und Hermann Niebaum: Grenzdialekte. Studien zur Entwicklung
kontinentalwestgermanischer Dialektkontinua (Germanistische Linguistik
101-103), Hildesheim/Zürich/New York: Georg Olms Verlag, 1990, 125-152.
- Cajot, Jos&: De Nederlands-Duitse staatsgrens als scheidingslijn tussen
klanken, vormen en woordgeslachten, Hasselt: Vereniging voor Limburgse
dialect- en naamkunde, 1996.
- Cornips, Leonie: „De betrouwbaarheid van de schriftelijke dialect-enquete
Willems (1885): de middel-constructie in de Limburgse dialecten”, in:
GrammaIlTTT tijdschrift voor taalwetenschap, Jahrgang 5, 2, 61-76, 1996b.
- Fagan, Sarah M.B.: The syntax and semantics of middle constructions — A
study with special reference to German, Cambridge: Cambridge University
Press, 1992.
- Grin, Francois: Language Policy Evaluation and the European Charter for
Regional or Minority Languages, Hampshire/New York: Palgrave Macmillan,
2003.
- Janssens, Jozef (u.a.): Fragmenten van de Roman van Heinric en Margriete
van Limborch, Antwerpse Studies over Nederlandse Literatuurgeschiedenis
6, Leuven: Uitgeverij Peeters, 2001.
- Kremer, Ludger: Grenzmundarten und Mundartgrenzen — Teil I: Text, Köln/
Wien: Böhlau Verlag, 1979.
99
- Kremer, Ludger: Grenzmundarten und Mundartgrenzen + Teil II: Tabellen
und Karten, Köln/Wien: Böhlau Verlag, 1979b.
- Kremer, Ludger und Hermann Niebaum: „Zur Einführung: Grenzdialekte
als Gradmesser des Sprachwandels‘“, in: Kremer, Ludger und Hermann
Niebaum (Hrsg.): Grenzdialekte. Studien zur Entwicklung kontinental-
westgermanischer Dialektkontinua (Germanistische Linguistik 101-103),
Georg Olms Verlag Hildesheim/Zürich/New York, 1990, 7-21.
- Lehnhardt, Helge: Os Heämetsproech I — Et es Hervs, Aachen: Thouet, 1987.
- Nelde, Peter H.: „Zur volkssprachlichen Situation in einer germanisch-
romanischen Übergangszone“, in: Deutsch als Muttersprache in Belgien —
Forschungsberichte zur Gegenwartslage, Wiesbaden: Franz Steiner Verlag
GmbH, 1979, 67-84.
- Newbold, Paul: Statistics for business and economics Englewood Cliffs, New
Jersey: Prentice-Hall International Inc., 1984.
- Roukens, Win.: Wort- und Sachgeographie Südost-Niederlands und der
umliegenden Gebiete — mit besonderer Berücksichtigung des Volkskundlichen,
Nijmegen: N.V. Uitgevers-Mij. De Gelderlander, 1937.
- Roukens, Win.: De taal der Limburgers als spiegel van volk, geschiedenis en
cultuur, Nijmegen: Uitgeverij De Koepel, 1947.
- Verdoodt, Albert: Zweisprachige Nachbarn — Die deutschen Hochsprach-
und Mundartgruppen in Ost-Belgien, dem Elsaß, Ost-Lothringen und
Luxemburg, Wien/Stuttgart: Wilhelm Braumüller — Universitäts-
Verlagsbuchhandlung Ges. m.b.H., 1968.
- Weijnen, A. und Fr. Van Coetsem: De rijksgrens tussen Belgi& en Nederland
als taalgrens, Amsterdam: N.V. Noord-Hollandsche Uitgevers Maatschappij,
1957.
- Welter, Wilhelm: Die niederfränkischen Mundarten im Nordosten der Provinz
Lüttich, Den Haag: Martinus Nijhoff, 1933.
- Welter, Wilhelm: Die Mundarten des Aachener Landes als Mittler zwischen
Rhein und Maas, Bonn: Ludwig Röhrscheid Verlag, 1938.
- Wintgens, Leo: Grundlagen der Sprachgeschichte im Bereich des Herzogtums
Limburg — Beitrag zum Studium der Sprachlandschaft zwischen Maas und
Rhein, Eupen: Grenz-Echo Verlag, 1982,
- Wintgens, Leo: E? hat van os plat — Abriss einer Grammatik der germanischen
Regionalsprache im Bereich des ehemaligen Herzogtums Limburg, Montzen:
OBELIT, 3. Auflage 2001 (1. Auflage 1998).
- Yans, Maurice: Histoire &conomique du Duche de Limbourg sous la Maison
de Bourgogne — les fore@ts et les mines, Bruxelles : Palais des Academies,
Tome XXXVIII (Lettres), 1938.
- Zandt, Gertrud: Die Sprache von Karl und Galie — Eine Vorstudie, Assen :
Van Gorcum&Comp. B.V., 1973 [ursprünglich Dissertation Universität von
Amsterdam].
100
S. A. des Mines et Fonderies de Zinc de la Vieille Montagne
- Aktien und Obligationen
vom Altenberg in Kelmis -
von Henri Beckers
Die im Titel genannte Gesellschaft mit Sitz in Angleur bei Lüttich, die
am Altenberge in Kelmis den Abbau betrieb, ist eng mit der Geschichte
der Ortschaft Kelmis verbunden. «Kelme» ist das plattdeutsche Wort für
Galmei als Zinksilikat (Zn,SiO,) und als Zinkspat (ZnCO,), das im
heutigen Kelmis seit 1344 nachweislich ohne Unterbrechung abgebaut,
wurde, zunächst im Tagebau, später im Tiefbau. Das nach entsprechender
Aufbereitung gewonnene Zinkerz fand Verwendung in der Messing-
produktion und Kupferschmiedekunst. Die abbauwürdige Schicht war
400-500 m lang und 100 - 150 m breit. Das Gebiet war ehemals im Besitz
der Stadt Aachen; die Pacht für das Bergwerk wurde jährlich neu
vergeben. Das Gebiet wurde 1439 durch Philipp den Guten, Herzog von
Burgund, beschlagnahmt, dann als Pacht der Domäne der Burgunder,
Spanier und Österreicher verliehen. Nach der österreichischen Zeit (1714-
1794) fiel die Region durch Annexion der habsburgischen Niederlande
durch Frankreich 1795 an die Franzosen. Zum ersten Mal taucht nun im
Zusammenhang mit dem Erzabbau der Name Moresnet auf; ebenso wurde
die Grube Altenberg in Vieille Montagne umbenannt. Wegen eines
Aufteilungsstreits beim Wiener Kongreß wurde das Grubengelände mit
dem Umfeld - ca. 344 ha - 1816 zum neutralen Gebiet erklärt und in
Neutral-Moresnet umbenannt. Durch den Versailler Vertrag gehört dieses
Gebiet seit 1920 zu Belgien.
Durch kaiserliches Dekret vom 24. März 1806 wurde die Konzession
über das 8.500 ha große Grubengelände der Vieille Montagne des cala-
mines du duche de Limbourg auf 50 Jahre gegen eine jährliche Abgabe
von 40.500 F an den Lütticher Chemiker Jean Jacques Daniel Dony
vergeben, der im März 1809 nach längeren Vorarbeiten in St. LE&onard
bei Lüttich eine Zinkhütte nebst Walzwerk gründete und ein neues
Walzzinkverfahren entwickelte. Schon im Juli 1809 konnte Dony in einem
von ihm selbst entwickelten Ofentyp reines Zink ausgezeichneter Qualität
herstellen.
Donys Verfahren erhält noch im selben Jahre Patentschutz.
Am 21.4.1810 wurde die Konzession auf Lebenszeit verlängert. Als
die Lütticher Bergwerksgesellschaft Dony & Cie durch die hohen
101
SC £ es | SOCIETE ANONYME. SB | Cl
ber 208 PAD SO A
5. LA VIEILLE-MONTAGNE.
|‘ aa a0 a 5
| 7 Dixieme d’une Action primitive de Mille franes. A
AAN ANNN 0
[ces A (8 FO DET SEC a AN Fe Pe
WE A
EEE NA LACH
1/10-Aktie aus dem Jahre 1853
Entwicklungskosten und schlechten Absatz ihrer Produkte 1813 in
finanzielle Schwierigkeiten geriet, übernahm der Hauptgläubiger Hec-
tor Chaulet, ein Pariser Bankier, einen Großteil der Ansprüche und wurde
Miteigentümer des Unternehmens Dony; am 25. August des gleichen
Jahres erwarb der Kaufmann Dominique Mosselman einen Großteil der
Eigentumsrechte an Dony’s Anlagen in Kelmis und in St L&onard..
Mosselman wurde schließlich 1824 Alleininhaber der Zinkhütte. Es
war Mosselmans Schwiegersohn Graf Charles Le Hon, der 1837
zusammen mit der «Banque de Belgique» und einigen weiteren
Honoratioren die belgisch - französische S.A. des Mines et Fonderies de
Zinc de la Vieille Montagne mit Sitz in Angleur gründete. Diese wurde
bis zum Ersten Weltkrieg der Welt größter Zinkproduzent.
Weitere Gruben wurden erschlossen; in Welkenraedt: St. Paul (1848-
1884), Dickenbosch (1867-1880) und Pandour (1887-1901); auf
preußischer Seite Poppelsberg (Lontzen, 1851-1867), Schmalgraf (Neu-
Moresnet, 1867-1932), Fossey (Walhorn, 1878-1923); sodann noch
Eschbroich (1882-1931), Mützhagen (1899-1935), Lontzen (1900-1935)
und Roer (1926-1938), alle drei auf Lontzener Gebiet.
1850 wurden 50.000 t Galmei gefördert, das teils an Ort und Stelle,
teils in den Anlagen der Gesellschaft in Angleur bei Lüttich, in Essen-
Borbeck und später in Oberhausen verhüttet wurde, was die 1871 eröffnete
Bahnlinie Kelmis -Welkenraedt sehr förderte. In Neutral-Moresnet gab
104
es um 1860 14 Schmelzöfen, sechs Dampfmaschinen und seit 1850 die
erste Erzwäsche. 1816 wurde mit 90 Personen gearbeitet, 1860 mit 1200;
1880 mit 1400, 1913 mit 528 und noch 1930 mit 548 Personen, wovon
die Hälfte auf neutralem Boden wohnte. Bereits 1886 war die Hauptgrube
wegen Erschöpfung der Vorkommen geschlossen worden. Die
Erzaufbereitung arbeitete weiter mit Zulieferungen aus Belgien und
Preußen, die zur Verhüttung nach Angleur verfrachtet wurden. 1913 lag
die Produktion bei 1.039 t Bleierz, 61.212 t Zinkblende und 971 t Galmei.
1920 kam das Gebiet zu Belgien. Die Gesamtausbeute betrug
schätzungsweise über 2 Mio t Zinkerz, davon wurden durch die Vieille
Montagne (von 1837 bis 1884) 1.414.328 t gewonnen.
1926 wurde die 90jährige Konzession um weitere 40 Jahre verlängert!
1929 wurde mit dem Flottationsverfahren in Kelmis nochmals Zinkoxyd
aus dem Abfallschlamm gewonnen. Dies führte jedoch nur zu einem
kurzen Beschäftigungsaufschwung bis 1937.
Der Betrieb am Altenberg wurde schließlich 1951 eingestellt.
Kapital:
Die Gesellschaft wurde, wie gesagt, 1837 gegründet mit einem Kapital
von 7.000 000 bfr, das in 7.000 Aktien zu 1.000 bfr bestand.
1852 wurde eine Aufstockung um 200.000 bfr in 2.500 Aktien zu 80
bfr vorgenommen. 1861 eine weitere um 224.000 bfr (??)
1927 betrug das Gesellschaftskapital 24.000 000 bfr. in 20.000 Aktien
Lit A zu 800 bfr. u. 10.000 Aktien Lit B zu 800 bfr.
1947: 24.000 000 bfr.
Anleihen:
1920 60.000 000 bfr zu 6% in 60.000 Anteilen zu 1.000 bfr.
1928 100.000 000 bfr.zu 6% in 100.000 Anteilen . zu 1.000 bfr.
Quelle: Jürgen Baral, Oberforstbach
105
D’r letste «ZEJES'» va Jömmelech
Minge Gruesvader än Paat, B&ckesche Hary (Henri Beckers), jeboore
d’r 15.2.1889 i Jömmelech, wor d’r letste «ZEJES» va St.Hubertus i
Jömmelech. De metste auw Lüj könne s&ch noch a-di folklor&stesche
Jestalt i-jen Kerk er&nnere. No d’r twäde Wältkre&ch bes avangs de
sästejer Joore, alsue mie wi 20 Joor, dong minge Gruespap vor Anstand
än Ordnong tiit de M&6&sse sörje.
D’r «Schweizer», of wi mie als hondert Joor i Jömmelech jesaat, d’r
«ZEJES», hauw als Vörbeld de Fijuur van de Schweizer-Gardiste. De
Schweizer Jaarde woet i 1505 va Paps Julius der II. jejröndt vor höm i
Rom te beschötze. Noch hüj es de Schweizer Jaarde de «Armee» van d’r
Paps .
De Kle&jer va d’r Zejes hant i mie wi voofhondert Joor jeändert. Avangs
wor de «Montur» mie en Militäruniform, i- de letste Joorhonderte ieder
en Form va j&stleche Kle6&jer.
\ | N
) \ | 2
u 1
( 4
a ; Ba
„= __ Ad
TS‘
6 97 = \
JE Al
"av
X |
Beckesche Hary (Henri Beckers), d’r letste «Zejes» va Jömmelech
' Zeje: sehr altes Wort für zeigen, anzeigen, anweisen ®
106
Minge Upa droor e Baret, ne schwatte Anzooch, en Schliep met de
Klööre van et Bestom (jäl-rue), schwatte Lackschooh än en
Scheffermötsch. I-jen Hand hool häe ene Staaf met en verjöldete Spetz
än en rue Plüm (Quespel).
Dä Staaf wor da och sie betste Stöck: Met dä Staaf z&chde häe a, wat
passiede, dova d’r Naam ZEJES. Dä Naam es än blitt e-ne jans speziälle
Naam ut et Jömmelecher- Platt. Ut «zeje» woet i honderte Joore d’r Naam
«Zejes» a Plaatsch va «Schweizer».
D’r Zejes sörjde dovör, dat i-jen Kerk bezondesch de KE&nger Respekt
an Opmerksamk&6&t i-je Huuchamt hauwe. Vröjer wore de Kenger neet
e-zue vörwitzech wi hüj.
Manche Puute hauwe Flöp, wän d’r Zejes met sing gruete Jestalt, jraat
wi-ene Pohl, d’r Meddeljank erop än eraf marschiiede. E zoor alles, mä
e huet och alles. Mä e wor en bläv e-ne braave Maan.
De Tiite ändere, &ngs de Vooft&cher Joore. Wi de Luurk&&ste opkaume
än de Minsche wännejer no-jen Kerk jonge, waute övveral i-je Land de
«Schweizer» met an met wännejer. Minge Gruesvader, dä e-ne jelööveje
Minsch wor, hat met vööl Hatt an Levde di Roll utjevoolt. Minge Paat,Upa
Hary, wor d’r letste ZEJES va Jömmelech.
Henri Beckers, Kälmes
Der letzte «Schweizer» der Pfarre
Gemmenich
von Henri Beckers
Die älteren Einwohner von Gemmenich haben meinen Paten und
Großvater Henri Beckers, geb. am 15.2.1889, noch als letzten
«Schweizer» der Pfarrei St Hubertus zu Gemmenich gekannt. In der Zeit
nach dem Zweiten Weltkrieg bis Anfang der 60er Jahre hatte mein
Großvater für Ruhe und Ordnung, Anstand und Sicherheit in St. Hubertus
zu sorgen. Sein Gewand war purpurfarben, die Schleife über seinem
Anzug in den Farben des Bistums.
Nun zu der Kleidung des «Zejes». In Wirklichkeit handelt es sich bei
dem Gewand um den sogenannten «Schweizer», der seinen Ursprung in
der «Schweizer Garde» hat und bereits im Jahr 1505 von Papst Julius II.
zur eigenen Sicherheit und Ordnung im Palast in Rom geschaffen wurde.
Die Kleidung war ursprünglich militärischer Art, wurde aber im Lauf
107
der Jahrhunderte mehr und mehr der geistlichen Kleidung angepasst.
Dazu gehörten auch der talarartige lange Rock sowie Barett und der dem
Pilgerstab ähnliche Stock. Zu früheren Zeiten trugen die «Schweizer»
einen roten Frack, Kniehosen, weiße Strümpfe, Schnallenschuhe und als
Kopfbedeckung (siehe Foto) einen sogenannten Schifferhut. Die Kleidung
sollte beim Publikum einen entsprechenden Eindruck hinterlassen. Auch
die Farben der Kleidung mussten denjenigen des Bistums entsprechen,
also Rot und Gelb gehalten sein.
In den fünfziger Jahren trug mein Großvater nur noch einen schwarzen
Anzug mit einer rot-gelben Schleife, einem purpurfarbenen Barett,
Stehkragen und hochglanzpoliertem spitzen Stab mit roter Quaste,
schwarze Schuhe und als Unterbekleidung eine schwarze Hose.
Schließlich hatte diese Tracht in weiteren Kirchen im ganzen Land
Nachahmung gefunden. Der Schweizer half dem Pfarrer und die Aufgabe
bestand darin, während der Gottesdienste und in den Prozessionen (siehe
Foto) für Ruhe und Ordnung zu sorgen. Der Hauptdienst des
_ = 3 a a. #
rd
f a E fi k ü K
FM CN .
- x U a ‘ A &
E DE. (8
BE A Di
Ordnungsdienst des «Zejes» bei der Prozession
«Schweizers» fand an Sonn-und Feiertagen statt. Der Dienst bestand im
sogenannten «Wegbereiten» für den Pfarrer oder (bei ganz besonderen
Anlässen) für den Bischof. Am Sonntag vor der Hochmesse wurde
zunächst im Kapellengang Aufstellung genommen, dann erfolgte der
Einzug durch den Mittelgang zum Hochaltar: Der Schweizer verneigte
sich kurz zuvor und beendete damit seinen Wegbereiterdienst, um seinen
108
Ordnungs- und Aufsichtsaufgaben innerhalb der Kirche nachzukommen.
Wurde die Predigt vom Pfarrer von der Kanzel aus gehalten, so führte
der Schweizer den Prediger bis zur Kanzel und holte ihn nach Predigtende
von dort wieder ab. Ansonsten wurde das Wort Gottes vom Ambo aus
verkündet und gepredigt. Zu den sogenannten Nebendiensten des
Schweizers, die meist in bürgerlicher Kleidung vorgenommen wurden,
gehörten auch Führungsaufgaben innerhalb der Kirche.
Der Schweizer achtete auch auf die Kleiderordnung. Männer oder
Buben, die ihren Hut oder Mütze nicht rechtzeitig vor dem Betreten der
Kirche abnahmen, wurden in höflicher Form auf die Sitte des Hutab-
nehmens im Gotteshaus aufmerksam gemacht. Auch das Verzehren von
Lebensmitteln während des Besuches der Kirche, wurde strengstens
untersagt.
Angst vor dem «Zejes»
Mit seiner ehrwürdigen Haltung, seinem strengen Gesicht und seinem
stets aufrechten Gang brachte mein Großvater alles mit, was man von
einem Mann in dieser Position verlangen konnte. Eine Persönlichkeit,
die in der St. Hubertus Kirche zu Gemmenich als volkstümliche Erschei-
nung galt. Sein höfliches und entschiedenes Auftreten brachte ihm höchste
Anerkennung. Allerdings verschaffte er sich durch seine bekannt strenge
Aufsichtspflicht während der Schülergottesdienste in der Kirche eine
Menge Respekt. Ja, es breitete sich sogar eine Art Angst unter den
Schülern aus, denn der Mann mit dem Schifferhut sah und hörte alles.
Zum Schluss noch ein eigenes Erlebnis mit meinem Großvater. Im
Alter von 6 Jahren erhielt ich seitens meiner Mutter den Auftrag,
zusammen mit meiner Oma das sonntägliche Hochamt in Gemmenich
zu besuchen. Vorlaut wie ich war, zupfte ich beim Vorbeigehen meinen
Großvater an seiner Uniform. Zu Hause angekommen, war es meiner
Mutter sofort klar, dass ich, der ich meinen Großvater bewunderte, etwas
zu weit gegangen war, worauf der Kirchgang mit einem tüchtigen Klaps
auf den Hintern abgeschlossen wurde.
Neben dem Dienst in der Kirche sorgten die Schweizer auch in den
lokalen Prozessionen für Anstand und Ordnung und versahen nebenbei
noch den Dienst des Brudermeisters.
Zwei Jahrzehnte lang und bis ins hohe Alter versah mein Großvater
Henri Beckers aus Gemmenich den Dienst des letzten «Schweizers» von
St. Hubertus und dies alles nur «Gott zur Ehre».
109
Der Verkehrsverein der 3 Grenzen
wurde 50
von Albert Stassen
Im Land ohne Grenzen über die Grenzen hinweg die Hand ausstrecken:
Dieses Ziel verfolgt seit nunmehr einem halben Jahrhundert der
Verkehrsverein der Drei Grenzen.
Für den derzeitigen Präsidenten der Vereinigung war das 50jährige
Bestehen derselben der Anlass, Rückschau zu halten und die vergangenen
fünf Jahrzehnte Revüe passieren zu lassen. Rechtzeitig zum 50. Jahrestag
der Gründung, am 12.12.2005, legte der Präsident eine gut dokumentierte
und illustrierte, 136 Seiten starke Festschrift vor, die den Werdegang
und die Tätigkeiten des Verkehrsvereins nachzeichnet. Eine integrale
Übersetzung des französisch verfassten Textes würde den Rahmen dieser
Zeitschrift sprengen. Im Folgenden beschränken wir uns auf die Eckdaten.
Bei dem Verkehrsverein der Drei Grenzen handelt es sich nicht um
einen örtlichen Verein, sondern um eine regionale Vereinigung, die,
ähnlich der Göhltalvereinigung, ihr Arbeitsfeld im Nordosten der Provinz
Lüttich und speziell im Drei-Ländereck sieht.
Als der Verein am 12. Dezember 1955 aus der Taufe gehoben wurde,
bestand noch in keiner der angeschlossenen neun Gründergemeinden
eine Vereinigung mit ähnlicher Zielsetzung. Solche den Tourismus
fördernde Einrichtungen gab es allenfalls in den größeren Städten und
den touristisch erschlossenen Ardennen. Dennoch bestanden, vor allem
im Horeca-Sektor, gute Voraussetzungen für die Gründung eines
Verkehrsvereins mit Schwerpunkt im Göhltal. In der Nähe der Bahnhöfe
(Herbesthal, Bleyberg, Homburg, Raeren, Hergenrath...) sowie der
Grenzübergänge (Gemmenich, Tülje, Eynatten, Hauset, De Planck,
Moelingen...) waren Hotels und Gaststätten angesiedelt, die zum Teil
auf eine lange Tradition zurückblicken konnten. Auch Moresnet-Kapelle
verdient hier Erwähnung.
Die Kunden dieser Häuser waren jedoch in den seltensten Fällen der
Kategorie «Touristen» zuzuordnen. Es handelte sich meist um Geschäfts-
und Handelsreisende.
Der Fremdenverkehrsverband der Provinz Lüttich drängte auf die
Gründung regionaler Verkehrsverbände, um das brachliegende Potential
anzuregen und wirtschaftlich auszuschöpfen. Sieben Bürgermeister
110
(Montzen, Kelmis, Moresnet, Gemmenich, Homburg, Sippenaeken, Neu-
Moresnet), zwei durch ihre jeweiligen Bürgermeister bevollmächtigte
Vertreter (Remersdael, Teuven), ein Vertreter des Gaststättengewerbes
(P. Vandegaar) und ein Berater (Ed. Laurent) bildeten am 12.12.1955
vor Notar Jean Xhaflaire in Montzen die zur Förderung des Tourismus
notwendige Gesellschaft.
Wie man sieht, gehörten diesem Gremium Vertreter der drei
Spachgemeinschaften an. Teuven und Remersdael gehörten damals noch
zur Provinz Lüttich. Gemeinsam hatten diese Gemeinden die frühere
Zugehörigkeit zur Bank Montzen (bis 1794), aber vor allem den
altlimburgischen Dialekt („Plattdütsch»), der im Alltag und in den
zahlreichen Vereinen von Kelmis bis Teuven gebraucht wurde und ein
Gefühl der Zusammengehörigkeit und der Besonderheit aufkommen ließ.
Die Archive sagen nichts über die speziellen Umstände, die 1955 zur
Gründung des Verkehrsvereins geführt haben. Aus dem Umstand, dass
die Gründungsurkunde vor Notar Xhaflaire verfasst und besagter Notar
zum ersten Vorsitzenden gewählt wurde, kann man vielleicht schließen,
dass die Initiative zum entscheidenden Schritt von Xhaflaire ausgegangen
ist.
Schon die ersten Statuten legen als Ziel den «Schutz und die Förderung
der touristischen Tätigkeiten auf örtlicher Basis sowie die bestmögliche
Betreuung der Touristen» fest. Die inzwischen aktualisierten Satzungen
nennen in einem acht-Punkte-Programm die dazu zu unternehmenden
Schritte, und zwar:
1. den Schutz und die Aufwertung von Denkmälern, Landschaften,
Kunstwerken und sonstigen Sehenswürdigkeiten;
2. den Schutz und die Aufwertung der handwerklichen Produkte, soweit
sie zur Förderung des Tourismus beitragen;
3. die Erteilung von Auskünften touristischer Art, u. a. bezgl. der Beher-
bergungsmöglichkeiten;
4. das Organisieren von Veranstaltungen, Festlichkeiten und
Attraktionen aller Art, die zur Förderung der Ortschaften und der Region
beitragen können;
5. die Aufstellung zweckdienlicher touristischer Beschilderungen;
6. die Werbetätigkeit mit Hilfe von Broschüren, Prospekten usw;
7. die Entwicklung aller sportlichen, kulturellen und folkloristischen
Initiativen...,
8. den Erwerb von beweglichen und unbeweglichen Gütern, die zu
ihrem Gesellschaftszweck nötig sind.
111
Die ersten Schritte der neuen Vereinigung waren wenig spektakulär.
Abgesehen von einer Presserundfahrt am 12. April 1960 wurde vom
Chronisten nichts Wesentliches für die Nachwelt festgehalten.
Die Sprachengesetzgebung von 1963 führte zu einer administrativen
Dreiteilung des Tätigkeitsgebietes des Verkehrsvereins der Drei Grenzen.
Die Voer-Gemeinden wurden der Provinz Limburg zugeteilt, Kelmis und
Neu-Moresnet dem deutschsprachigen Raum und im Gebiet von
Welkenraedt-Montzen wurde die Dominanz des Französischen verankert.
Diese Dreiteilung war nicht im Sinne des Verkehrsvereins, der beschloss,
unbeschadet der neuen Sprachgesetzgebung «grenzüberschreitend» aktiv
zu bleiben.
In den nächsten Jahren, vor allem 1965-66, sah der Verkehrsverein
die Zahl der angeschlossenen Gemeinden schnell zunehmen. Henri-Cha-
pelle war der Vereinigung schon 1963 beigetreten. Es folgten Kelmis,
Neu-Moresnet, Hauset, Hergenrath, Raeren und Walhorn. Eynatten,
Kettenis, Lontzen und Welkenraedt blieben vorerst in Wartestellung...
Bis 1972 waren dem Verkehrsverein der 3 Grenzen jedoch 18
Gemeinden beigetreten.
Hatte man bis dahin gerne auf die Hilfe des VHP (Vesdre-Hoegne-
Plateau) und des Fremdenverkehrsverbandes der Provinz Lüttich zurück
gegriffen, so strebte der 1966 personell verjüngte Verwaltungsrat nun
eine größere Autonomie an. Bald folgten erste konkrete Verwirk-
lichungen: eine dreisprachige Wanderkarte des Dreigrenzenraumes (1967)
wurde zu einem großen Erfolg. Gleichzeitig lief die Neugestaltung des
Dreiländerpunktes und die Beschilderung der Spazierwege im Preuswald,
wo die Pfadfindereinheit des Gemmenicher Kollegs unter der Führung
von Herrn Joseph Langohr eingesetzt wurde. Am 9.5.1967 fand in
Anwesenheit der drei Gouverneure der Provinzen Lüttich sowie Belgisch-
und Niederländisch-Limburg die feierliche Einweihung des umgestalteten
Areals am Dreiländereck statt.
Auf niederländischer Seite wurde 1966 die «Mergellandroute» eröffnet;
zwischen Epen und dem Dreiländereck wurden 600 ha Wald für die
Spaziergänger erschlossen.
1970 wurden (mit staatlichen Beihilfen) weitere Wanderwege
erschlossen, Parkplätze angelegt sowie Ruhebänke und Mülleimer
angebracht. Es folgte die Herausgabe eines ausführlichen touristischen
Prospekts in einer Stückzahl von 35.000 Exemplaren.
Die frühen siebziger Jahre sind durch eine Vielzahl von touristischen
Infrastrukturarbeiten geprägt, die seitens der zuständigen Behörden der
112
Provinz und des Zentralstaates intensiv gefördert wurden. Rastplätze,
Grillhüten, Informationstafeln etc. konnten damals verwirklicht werden.
1977 gab sich der Verkehrsverein der 3 Grenzen einen neuen
Präsidenten, der bis heute im Amt ist. Dieser sah den Schutz von
Denkmälern und Landschaften als vordringlich an. Vor allem der Bau
von großen Ferienanlagen (3-Grenzen-Park, Kon-Tiki, Vieux Moulin)
sei problematisch, wenn sich diese Anlagen als Ghettos ohne Bezug zur
örtlichen Geschäftswelt entwickelten...
Ausführlich geht die Chronik auf die mit der «Vergemeinschaftung»
verbundenen Probleme ein. 1984 entstand das Verkehrsamt der
Ostkantone (VAO). Die damit verbundenen Fragestellungen und
Probleme werden in der Chronik anhand der Korrespondenz und der
Vesammlungsprotokolle eingehend dargelegt, wobei auch interne
Grabenkämpfe zwischen dem Fremdenverkehrsverband der Provinz
Lüttich und den angeschlossenen Verbänden nicht verschwiegen werden.
Trotz mancher Unstimmigkeiten blieb der Verkehrsverein der 3
Grenzen jedoch in den Jahren 1984-1990 handlungsfähig und war bemüht,
die touristische Infrastruktur weiter auszubauen. Neue Faltblätter der
einzelnen Orte wurden angefertigt, die «Burgen-Route» ausgeschildert
(1987), Informationsbüros eingerichtet.
«In ruhigerem Fahrwasser» war der Verein in den 90er Jahren. Ein
großformatiges Faltblatt mit ansprechenden Fotos und dreisprachigem
Text (1991) wurde in 20.000 Exemplaren verwirklicht, erste «Ferien auf
dem Bauernhof» angeboten, kleine Bodendenkmäler (z. B. die
Grenzsteine des neutralen Gebietes von Moresnet) restauriert...
In Gemmenich entstand ein Hotel mit Golfplatz (Mergelhof), am
Dreiländereck ein neuer 50 m hoher Aussichtsturm...
Alljährlich wurden die Informationen für den Besucher aktualisiert,
so dass alles Wissenswerte über Sehenswürdigkeiten, Restaurants, Hotels
und Pensionen, Jugendunterkünfte, Campingplätze etc im Überblick
vorlag.
Insgesamt eine stolze Bilanz! Am 14.9.2004 wurde die bisherige Arbeit
des Verkehrsvereins der Drei Grenzen durch die Genehmigung, sich ab
dem 50. Jahrestag der Gründung (12.12.2005) «königlich» zu nennen,
honoriert und gekrönt.
3 S
4
R Pe DES
l €
1
7
j ;
1 U
1
x {
ARE
3 AL R
E : ws W
< SEM
e Va A
{ EM EL Aa
a ME SAN ES
4 BE N BES
] BO Da AA
B CE “a A N
. B ns SS
L = = %
% A Ba I
S En al Ks
7 Be f Den