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Landschaft im Grenzraum Nordostbelgiens
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ZEITSCHRIFT DER VEREINIGUNG FÜR
KULTUR, HEIMATKUNDE UND GESCHICHTE
IM GÖHLTAL
Nr. 75 — August 2004
Im Göhltal
ZEITSCHRIFT DER VEREINIGUNG
FÜR
KULTUR, HEIMATKUNDE UND GESCHICHTE
IM GÖHLTAL
Nr. 75
August 2004
Veröffentlicht mit der Unterstützung des Kulturamtes der
deutschsprachigen Gemeinschaft
Vorsitzender: Herbert Lennertz, Stadionstraße 3, 4721 Neu-Moresnet.
Sekretariat: Maxstraße 9, 4721 Neu-Moresnet, Tel. 087/65.75.04.
Lektor: Alfred Bertha, Bahnhofstraße 33, 4728 Hergenrath.
Kassierer: Alfred Bertha, Bahnhofstraße 33, 4728 Hergenrath.
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Fortis Bank: 248-0068875-35
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Die Beiträge verpflichten nur die Verfasser.
Alle Rechte vorbehalten
Entwurf des Titelblattes: (+) Alfred Jansen, Moresnet-Kapelle.
Druck.: Aldenhoff, Gemmenich - 087-78 61 13.
3
Inhaltsverzeichnis
Alfred Jansen (+) Zum Umschlagbild: 5
Moresnet-Kapelle Das Schloss Liberme in Kettenis
Walter Meven Zwei streitbare Pfarrer aus Eynatten 10
Aachen
Erwin Bruch Die Familie Gatzweiler in Eynatten 14
Neu-Moresnet Hauset und Raeren
Jacob Langohr Der aue Jruespap 22
Bildchen
Alfred Bertha Eine umstrittene Persönlichkeit: 23
Hergenrath Der Walhorner Notar und Rechtsanwalt
Johann Stephan Priem
Joseph Langohr Le „Viaduc de Moresnet“ 33
Gemmenich sur la ligne 24
Alfred Bertha Die Eröffnung der Eisenbahnstrecke 31
Hergenrath Köln-Antwerpen
aus der Sicht eines... Taschendiebes
M.-Th. Weinert September 60
Aachen-Forst
Leonard Kirschvink Die Roetze, 61
Bollendorf Raerens verschwundene Höhenburg
Caroline Leterme Jugendarchäologie in Hergenrath 64
Kelmis
Alfred Bertha Hans Kaldenbach - 71
Hergenrath Ein Kelmiser setzte Akzente als Garten-
und Landschaftsarchitekt
Iwan Jungbluth Kirmes in Kelmis: 78
Kelmis Entstehung und Entwicklung
Erwin Bruch Die Einführung des metrischen Systems 95
Neu-Moresnet durch die Franzosen
Alfred Bertha Ein Museum, ein Auftrag 101
Hergenrath
5
Zum Umschlagbild:
Das Schloss Liberme in Kettenis“
von (t) Alfred Jansen
Sieht man davon ab, dass beim Errichten einer befestigten Anlage
derselben eine solide Bausubstanz zu Grunde liegen muss, so steht das
Fachwerk, das die obere Etage von Liberme aufweist, eher im Widerspruch
zu diesem Grundsatz. Dass die ursprüngliche Burg sich im Aussehen den
beiden noch vorhandenen Türmen anglich, bedarf keiner besonderen
Erwähnung. Mit dem schon erwähnten Fachwerk und dem Mansardendach
wirkt das von einem breiten Wassergraben umgebene Bauwerk wie ein
idyllisches Schlösschen, das zugleich seiner jetzigen Funktion (Wohnhaus
und Kulturstätte) einen entsprechenden Rahmen verleiht.
Was die beiden Türme betrifft, so weist alles darauf hin, dass dieselben
sich in früherer Zeit ebenfalls in einem Wassergraben gespiegelt haben;
sie bekamen dann einen festeren Halt durch Erdanhäufung, da durch
den Einsatz der Artillerie Wassergräben sowieso nur noch bedingt Schutz
bieten konnten...
Liberme war ein von Kettenis getrenntes Lehen und unterstand dem
Kapitel der Aachener Marienkirche. Als solches wird es erstmals 1334
genannt.
1346 war die Burg im Besitz des Arnold von Liberme. Der Name
dieses Geschlechtes ist dem Haus bis zum Aussterben der männlichen
Linie anderthalb Jahrhunderte lang erhalten geblieben. 1366 erwähnt
man Rosa, die Witwe des Gilles von Liberme€, sowie den Sohn Thomas
und Ziche von Liberme.
1407 besitzt Schin von Hagen vorübergehend ein Drittel von Liberme
und 1439 ist das Anwesen Eigentum des Wilhelm von Liberme,
Kanoniker von St. Lambert und Dompropst des Kapitels von St. Johannes
in Lüttich.
Um die Mitte des 15. Jahrhunderts ist ein Carsilis von Eupen
Eigentümer der Herrschaft Liberme, vermacht diese aber den Gebrüdern
Johann und Bauduin v. Birgel sowie Werner Pallant zu Breidenbend.
1453 wird Liberme an Dietrich von Pallant verkauft, der es aber drei
Jahre später an den Aachener Schöffen Johann Bertolf (von Hergenrath)
veräußert.
* Aus G. Poswick, Les Delices du Duche de Limbourg, Verviers 1951, S. 331-336
6
1518 gehört das Wasserschloss dem Gerard von Kaldenbach, Gatten
der Maria Krümmel von Nechtersheim. Dieser verkauft den Besitz 1531
an den kaiserlichen Kapitän Hermann von Battenburg, Ehemann der
Elisabeth von Straet. Dieser ließ 1534 einen völligen Neubau errichten,
größer als die bisherige Anlage. Auch diese war ein Haus mit Brücke
und Wassergraben, wie sie 1422 genannt wird. (Reiners und Neu,
Kunstdenkmäler Eupen-Malmedy, S. 143). Der Torbau sowie die
nördliche Außenmauer der Hauptburg mit dem südlichen kleinen Anbau
sind von der Anlage des Herrn von Battenburg erhalten geblieben.
(Kunstdenkmäler, ebda).
Der Sohn dieser Eheleute erbt die Burg und vermacht sie seinerseits
seiner Tochter Maria von Battenburg, die in erster Ehe Jakob de Presseux
de Hauregard und in zweiter Ehe den Kapitän Leonard von Aywaille
ehelichte.
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«Der Torbau sowie die nördliche Außenmauer der Hauptburg sind von der
Anlage des Herrn von Battenburg erhalten...»
(Foto: A. Bertha)
Obwohl Letzterer 1604 Liberm&€ sein Eigen nannte, kam der Besitz
an die Tochter aus der ersten Ehe, Katharina von Presseux. Diese heiratete
Johann von Halley, einen Kapitän in spanischen Diensten, der Liberme
1634 relevierte. In der Besitzerfolge findet sich sodann der Sohn Albert-
8
Ernst, gefolgt vom Enkel Claude-Karl, Kanoniker der Heilig-Kreuz
Stiftskirche in Lüttich. Dieser verpfändete den Ketteniser Adelssitz i. J.
1697 dem Baron Maximilian von Estembeque, der schon 1710, lange
vor seinem Tode (1738), seine mit Thomas de Royer verheiratete Tochter
zur Erbin eingesetzt hatte.
1750 wurde Liberme durch Brand zerstört und in den folgenden Jahren
von den Söhnen Jakob Alexander und Maximilian Thomas de Royer
wieder errichtet. Dabei wurde die Zugbrücke durch eine Steinbrücke
ersetzt. Im Schlussstein eines der Brückenbögen liest man die Jahreszahl
1756.
Von den beiden genannten Söhnen der Eheleute de Royer-
d’Estembeque, Jakob Alexander und Maximilian Thomas, blieb Letzterer
auf Schloss Liberme€ wohnen und fügte seinem Namen ein von Liberme
an, während Jakob Alexander das Haus Merols (Philippenhaus) als
Domizil erwählte und sich de Royer de Merols nannte.
Nach dem Tode seines Bruders (1783) bleibt Maximilian Thomas von
Royer alleiniger Erbe von Liberm6. In erster Ehe hatte er Elisabeth von
Schindel, in zweiter Ehe Anne-Maria Engler geheiratet.
+ Die Tochter aus erster Ehe, Maria Lamberta Anna Josepha, verheiratet
mit Johann, Karl, Thomas von Fraipont, erbt Liberme 1793 nach dem
Tode ihres Vaters (1790). Durch Verkauf geht das Schloss sodann 1811
an Pierre Andre Guillaume Joseph Poswick, Friedensrichter in Walhorn
und später, -von 1800 bis 1827-, Bürgermeister von Kettenis.
Poswick verkauft Liberme 1823 an Wilhelm Heinrich The Losen. Das
alte Schloss bleibt in der Familie The Losen mit dem Sohn Renier
Bertrand, dem Enkel August (1835) und der Urenkelin Elise Marie, die
1880 den Richter Franz-Audomar von Broich heiratete. Diese Eheleute
verkaufen Liberme im letzten Kriegsjahr 1918 an Emil Suermondt,
verheiratet mit Anna Englerth. 1919 ließen die neuen Besitzer das Schloss
von Grund auf renovieren. So wurden z. B. die (fensterlose) Südmauer
vollständig neu aufgeführt und die Nord- und Westseite größtenteils
erneuert. Damals erhielt auch das Dach des nach Osten vorspringenden
Anbaus seine charakteristische geschieferte Kegelhaube.
Nach dem Tode der Eltern, 1929 bzw. 1934, fiel Liberme an die beiden
in Düsseldorf wohnenden Kinder Mechtilde und Egbert Suermondt. Da
aber beide deutscher Nationalität waren, kam Liberme nach dem Zweiten
Weltkrieg unter die Verwaltung des belgischen Finanzministeriums
(Sequester), die sich wenig um den Erhalt des alten Anwesens sorgte.
Dieses hatte, wie die meisten Herrensitze unserer Gegend, während des
9
Krieges unter der Einquartierung von Evakuierten und Militär sehr
gelitten und befand sich in einem desolaten Zustand. Mauerwerk und
Dachstuhl wiesen so große Schäden auf, dass Liberme einer Ruine
ähnlich sah. Zum Schloss gehörten neben den Hofanlagen noch 115
Morgen Ländereien.
Wie auch anderswo, kam es in Kettenis zum Verkauf des sequestrierten
Besitzes deutscher Staatsangehörigen. Liberme wurde 1954 von Herrn
Leonard Teller erworben, der das heruntergekommene Schloss abreißen
wollte.
Dies wurde nur durch eine königliche Verordnung vom 24. Dezember
1958 verhindert, durch die das Dach und die Forderfront des Hauses
Liberme unter Denkmalschutz gestellt wurden und so vor dem Abriss
bewahrt blieben.
Herr Teller suchte nun einen Käufer für das Anwesen. Nach einem
vergeblichen Versuch, den Herrensitz dem belgischen Staat zu überlassen,
fand er 1964 einen Liebhaber in der Person des Herrn Konrad Schmitz
aus Walheim-Friesenrath, der die Absicht mitbrachte, das alte Gebäude
zu restaurieren und es einer lukrativen Bestimmung zuzuführen.
Es bedurfte eines bedeutenden Kostenaufwandes, dem Schloss wieder
zu einem ansehnlichen Äußeren zu verhelfen, zumal ja auch das Innere
nicht nachstehen sollte... Herr Schmitz jr. richtete das alte Haus zu einem
modernen Hotel-Restaurant ein.
Damit ist uns ein kostbares Stück unseres Erbgutes erhalten geblieben,
wofür wir Dank schulden.
Von 1970 bis Ende Februar 1994 bot der neue Schlossherr in den mit
erlesenem Geschmack eingerichteten Restaurationsräumen seinen Gästen
feine Kochkunst für gehobene Ansprüche.
Seit Mai 1995 ist Liberme im Besitz von H. Walter Haas. Das Haus
beherbergt Wohn- und Büroräume und ist durch die Organisation
hochstehender Konzertveranstaltungen zu einem Treffpunkt der Freunde
anspruchsvoller Kammermusik geworden. Ein Verein Liberme
Schlosskonzerte VoG fördert junge Künstler und sichert anspruchsvolle
Konzertprogramme.
10
Zwei streitbare Pfarrer aus Eynatten
von Walter Meven
Aus den bewegten Zeiten des 17. Jahrhunderts haben wir bereits in
einem ersten Beitrag in dieser Zeitschrift (Nr. 73, S. 45 ff.) die beiden in
Eynatten tätig gewesenen Priester Jan Mol und Johannes Petri erwähnt.
Gerichtsakten der Hochbank Walhorn berichten weitere Einzelheiten
über diese beiden Pfarrer, die man nicht anders als „streitbar“ bezeichnen
kann. Da wäre zunächst Johannes Mol.
Vor dem Schöffengericht der Hochbank Walhorn erschien im Juni des
Jahres 1641 als Klägerin Lentgen Wildt mit 15 geladenen Zeugen zu
Auseinandersetzungen, die sie mit dem Eynattener Seelsorger Jan Mol
hatte. Der geistliche Herr hatte sie wiederholt beschimpft und tätlich
angegriffen. Leider besitzen wir nur die schriftlichen Aufzeichnungen
der jeweiligen Aussagen. Wie das Gericht letztendlich entschieden hat,
ist uns nicht überliefert.
Der Kaplan, so scheint es, hatte eine alte Rechnung mit der Familie
Wildt zu begleichen. Mit schlimmen Schimpfworten bedachte er die
Klägerin und rief ihr beleidigende Wort nach, die den Ruf und das
Ansehen der verstorbenen Eltern Wildt schädigen sollten. Die Klägerin
selbst beschimpfte er mit „du Clappers“ (Schwätzerin) und von ihren
Eltern sagte er: „Obschon dein Vater und deine Mutter auf dem Kirchhof
begraben sind, haben sie wohl verdient, hier „an den Kacx“ (= Pranger;
vgl. Katschhof in Aachen) gestellt zu werden.“
Als die Klägerin einmal einem Fußpfad folgend um ihr Anwesen ging,
stieß sie auf den Beklagten, der ihr „in substantie‘“ (wörtlich) zurief: „Du
Luder („carrogne = charrogne = Aas, Luder), wenn du (noch mal) diesen
Weg nimmst, so werde ich dir den Hals umdrehen wie einem
Hühnerküken und dich schwarz oder blau schlagen!“
Am Freitag, „dem letzten Tag im Monat Mai des laufenden Jahres
1641“, trafen Lendgen Wildt und Kaplan Mol wieder auf einander. Der
Geistliche trug ein Waffe in der Hand und er rief der Klägerin lauthals
zu: „Ich werde sie totschießen, oder ich will mit Leib und Seele des
Teufels sein!“ (Mit anderen Worten: Der Teufel soll mich holen, wenn
ich sie nicht tot schieße). Und er fügte hinzu: „Ich hatte das Gewehr in
der Hand in der Absicht, eine ihrer Kühe in der Weide tot zu schießen,
aber der Herr Drossart hat mir durch Jan Becker sagen lassen, das zu
unterlassen.“
11
Bei einer anderen Gelegenheit begab sich die Klägerin nach Walhorn,
„um einige Geschäfte zu verrichten“. Auf dem Weg, den sie notwendi-
gerweise nehmen musste, lauerte ihr der Beklagte Mol auf (die Klägerin
gebraucht den Ausdruck, er habe sie „gewegelagert“‘!), fiel über sie her,
schlug sie mit Fäusten ins Gesicht und auf den Kopf und riss ihr die
Haare aus. Um aus den Händen des Beklagten frei zu kommen, musste
sie „Hilfe und Mord“ schreien und sich retten so gut sie konnte.
Sie meldete diesen Vorfall den Schöffen, die ihre Verletzungen in
Augenschein nahmen.
Die Klägerin begab sich nach Walhorn, um vor Gericht die
„noodtzaekelyche‘“ Klage gegen Jan Mol einzureichen. Dieser drohte, er
werde „ein Bündel Stroh nehmen, Feuer in beide Häuser der Familie
Wildt werfen und sie niederbrennen lassen.“
Für sein abenteuerliches Verhalten gab Mol eine ebensolche Erklärung.
Er wolle damit, so die Klägerin, ihre Eltern Hermann Wildt und
LenekenVisschers „expurgieren“ („purger = reinigen, purgatorium =
Fegefeuer) und zeigen, in welchem Zustand (der Sünde) die beiden Zeit
ihres Lebens gewesen seien, so als ob diese nicht christlich gelebt und
gestorben und christlich auf dem Kirchhof in Eynatten begraben worden
seien.
Nachdem Leneken Wildt ihre Klage vorgebracht hatte, wurden die
von ihr benannten Zeugen aufgerufen. Sie mussten Namen und Alter
angeben und sich dann zu den einzelnen Punkten der Anklage äußern.
Ausnahmslos alle bestätigten sie die Vorfälle und bezeichneten sie als
„der Wahrheit entsprechend‘, manchmal mit dem Zusatz „soweit ihr (ihm)
bekannt ist“ — voor soo veel haer kennelyck is.
Die Zeugen waren Lisbet Pelser, etwa 50 Jahre, Claes Strank, etwa 28
Jahre, Tryn Hellebrant, etwa 24 Jahre, die Dienstmagd eines Schöffen,
etwa 18 Jahre, Anna Hausmans, etwa 20 Jahre, Mareyken Ponts, etwa
80 Jahre, Tryn, die Witwe von „Lennart dem Welschen“‘, etwa 48 Jahre,
Lambert Scheffer, etwa 50 Jahre, M. op Hoff, etwa 40 J. Die weiteren
Namen sind nicht mehr erhalten. Wie das Gericht im „Fall Mol“
schließlich geurteilt hat, ist, wie schon gesagt, aus den uns vorliegenden
Dokumenten nicht ersichtlich. Auch wissen wir nicht, was wohl der
Bischof von Lüttich dazu gesagt haben mag.
Kommen wir nun zu Johannes Petri. Über ihn beschwert sich die
Gemeinde Eynatten und Hauset bei dem Herrn der Herrschaft Walhorn
Dieden de Malatesta. Ruf und Verhalten ihres Pfarrers geben Anlass zu
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Zeugenaussage des Lambert Scheffer
Klagen. Johannes Petri war von 1662 bis „unlängst“ Pfarrer in Eynatten
und Hauset,‘“wie ein wirklicher Pfarrer, der wie ein guter Hirte sich sorgen
müsste um die Schäfchen seiner Pfarre. Nun aber wollte „die ganze
Gemeinde von Eynatten und Hauset die Dienste des genannten Herrn
Petri nicht mehr hören, “weil zum ersten der Herr Johann Petri nicht
taugte, ihnen den Unterricht/die Belehrung zu geben, um als „Schafe
Christi sich aufzuführen“; zum zweiten, weil er mit dem größten Teil der
Pfarreinwohner ständig im Streit lebte; zum dritten, weil er durch seine
Lebensführung mit seinen Dienstmägden („met sijne dienstvrouliedens‘‘)
den genannten Untertanen böse Verdachtsmomente und skandalöse
Gedanken eingab („gevende quaede suspicie ende schandaleuse
gedancken‘‘). Darüber hinaus vertrug er sich nicht mit seiner alten Mutter.
In vielen Punkten von Gottes Geboten war er, der doch der Erste und
Angesehenste in der Pfarre war, der Übertreter dieser Gebote.
Dies alles haben die Beschwerdeführer dem Seelsorger vorgetragen
und dieser hat „freiwillig und in Gegenwart von Zeugen auf das Pfarramt
verzichtet“.
Als Kollator (d. h. das Besetzungsrecht ausübender Herr) besaß Dieden
Malatesta kraft des Rechtes des adligen Stammhauses Eynatten und als
Herr der Bank Walhorn die gerichtliche Autorität der Neubesetzung der
Pfarrstelle. Er akzeptierte den Amtsverzicht des Johann Petri, musste
aber auch feststellen, dass dieser keine Anstalten machte, das Pfarrhaus
zu räumen. Somit konnte kein neuer Geistlicher für Eynatten und Hauset
ernannt. werden.
13
Dieden Malatesta berief sich auf altes Herkommen, Tradition und
Verordnungen, nach denen die weltliche Obrigkeit über den Ruf und den
Lebenswandel eines rechten Pfarrers und dessen Untergebenen wachsam
zu achten habe. Kraft des von ihm am 11. Oktober 1665 geleisteten Eides
sei er dazu „schuldig und verpflichtet, umso mehr wegen der
bevorstehenden Kartage‘“. So habe er zur Wahrung des Besetzungsrechtes
der genannten Pfarrstelle „gut gefunden zu verordnen“, dass die Bewohner
von Eynatten und Hauset die Pfarrwohnung räumen und instandsetzen
dürfen, um demnächst den Seelsorger dort zu empfangen, den er ihnen
kraft seines Rechts schicken werde. Die Untertanen von Eynatten und
Hauset sollen diesen Entscheid dem genannten Herrn Johann Petri
mitteilen, der binnen drei Tagen das Pfarrhaus zu verlassen habe,
widrigenfalls würden die Dorfbewohner („Nabueren“‘) die Räumung im
Beisein des dazu ermächtigten Schultheißen Werner Hannot vornehmen
Die Anordnung wurde vom Herrn der Herrschaft Eynatten und Hauset,
von Dieden Malatesta, unterschrieben.
Johannes Petri räumte das Feld und wurde ersetzt durch Cornelius
Matthaei, der die Pfarre von 1676 bis 1729 betreute und als ein sehr
eifriger Seelsorger in die Pfarrgeschichte eingegangen ist.
Quelle: Staatsarchiv Lüttich, Herzogtum Limburg, Gerichtsakten
Walhorn, B 4 (Frühere Signatur; inzwischen zum Staatsarchiv Eupen
transferiert).
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Sohn seines gleichnamigen Vaters und dessen zweiter Ehefrau Maria
Elisabeth Krott. Letztere wurde für die damalige Zeit sehr alt, da sie
wenige Monate vor ihrem 95. Geburtstag am 12.2.1848 in Brand verstarb.
Der Vater von Johann Peter Gatzweiler war Bäcker und hatte aus seinen
beiden Ehen neun Kinder. Einige dieser Kinder werden wohl jung
gestorben sein. Laut einer nicht belegten Familienüberlieferung sollen
zwei seiner Brüder am Feldzug Napoleons nach Russland teilgenommen
haben, und von dort wie die meisten nicht zurückgekommen sein. Von
seinen Geschwistern fehlt jede weitere Nachricht.
Genannter Johann Peter Gatzweiler (Sohn) heiratete am 9.5.1816 in
Kornelimünster die anderthalb Jahre jüngere Maria Josepha Lamberts,
die am 16.11.1788 in Eynatten getauft wurde als Tochter von Lambert
Lamberts* und Anna Elisabeth Hahn. Diese hatten am 20.12.1784 das
Gut Steinkaul von Johann Tychon gekauft*. Dieses Gut erbte später deren
Tochter Maria Josepha Lamberts.
I. Johann Peter GATZWEILER, geb. in Rolleff, get. 20.5.1786 in
Kornelimünster (P = Paten): Joannes Kuck, Adelheid Giesen), Sohn von
Johann Peter Gatzweiler und Maria Elisabeth Krott, gest. 25.6.1866 in
Rolleff; er heiratete am 9.5.1816 in Kornelimünster Maria Josepha
LAMBERTS, get. 16.11.1788 in Eynatten, gest. 11.9.1871 in Brand,
Tochter von Lambert Lamberts und Anna Elisabeth Hahn. Von diesen
Eheleuten ging das Gut Steinkaul auf die Tochter Maria Josepha über,
die in der Geschwisterfolge der zahlreichen Familie hiernach an dritter
Stelle aufgeführt wird.
II. Johann Peter Gatzweiler und Maria Josepha Lamberts hatten eine
Reihe Kinder, und darunter:
1) Lambert, er folgt unter IIa.
2) Andreas: Er wurde geboren am 13.13.1819 in Brand, studierte
Philosophie und Theologie in Rolduc und trat nach seinem Studium in
Brügge in das Karmeliterkloster ein, wo er am 20.12.1845 zum Priester
geweiht wurde. Von dort aus wurde er als Pfarrseelsorger nach Leyden
in Holland geschickt. Danach war er in mehreren Klöstern seines Ordens
in Belgien tätig, und zuletzt als Leiter des Karmeliterinnen-Klosters in
? Er stammt nicht aus der Familie Lamberts des Beitrages „Die Familie des Peter
Lamberts, des Erbauers des Alcazar in Eynatten, Erwin Bruch, Im Göhltal Nr. 73,
August 2003.
? Die Lehensregister der Propsteilichen Mannkammer des Aachener Marienstifts, Luise
Freiin von Coels von der Brügghen, Publikationen der Gesellschaft für Rheinische
Geschichtskunde LII, 1952, S. 200f.
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Ser Hodzeit gefetess, Himdigie ibm der Herr Zurd nee eieng: ;ödren. Wont öfnet Re nr MiwBelt, and dat
Abzatmz feiner Gräfe fein nabes Lebensende an. Na dem je der Diülze In auf Ihrer Anne Sie hat Nat auf ben
f Beiiriele Sei Chrißti, dem er fo oft in feinem Leben auf dem Wandel ibres Haufes und {bt ihr Bred ni@t mühig. Ybre
5. Aytugmege lin Oleiür madgewantelt, ertrng er num ang frine « Kinder Bonumen empor und preifen fe überfelig: und {or Mann,
Tepzen Leiden mit frammer Arıpider Ergebung und im Seife er (obet fie. Sir Bünet ihre ‚Dand dem Armen und frei ihre
Beiliger Bühung, Dinbe nid tem Düritigen aut". Er, 31.2. 5
Stine ließe Seele wird. dem b. Opfer. ter Drieker und EEE A er
dem frommen Ckrbete ber Gläubigen angelegentlih® empfehlen, ber Brieiter und den frommen Gebeie der Gläubigen angeles
Damit fe beta eber zube f genslihit empjehlen, bamit fie beta eber
im ewigen Frieden, rue im ewigen Frieden,
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Lüttich. Von dort aus wurde er nach Posen als geistlicher Leiter der
dortigen Karmeliterinnen berufen, musste jedoch in Folge der preußischen
Gesetze wieder nach Belgien zurückkehren. Bald darauf wurde er nach
Galizien* in das Kloster Ezerna gesendet, wo er als Lehrer der Theologie
tätig war. Er starb im Kloster Ezerna am 29.11.1883.
3) Maria Josepha, geb. 23.2.1821 in Eynatten, gest. 21.5.1887 in
Eynatten. Sie erbte Gut Steinkaul und heiratete am 1.5.1843 in Eynatten
Johann Joseph Hubert VON AGRIS, geb. 26.3.1817 in Eynatten, gest.
am 23.2.1891 in Eynatten, Sohn von Josef Anton Damian von Agris und
Anna Catharina Beyer. Die Eheleute von Agris-Lamberts hatten 7 Kinder;
vor Gut Steinkaul in Eynatten steht ein Steinkreuz, das die Kinder im
Jahre 1895 „in dankbarer Erinnerung“ an ihre Eltern aufstellen ließen.
4) Bartholomäus: Er wurde geboren am 19.9.1825 in Kornelimünster.
Als die Revolution von 1848 ausbrach, war er beim Militär. Seine Einheit
kämpfte im Großherzogtum Baden gegen dortige Aufständige. Er war
nicht verheiratet und lebte bei seinem Bruder Johann Peter in Hauset.
* Galizien war damals eine Provinz des Kaiserreichs Österreich.
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‚Jesus! Maria! Joseph! pn
Hl, Rochus u. Genovefa!
„Nun ist Christus von den Toten auferstanden, se. BB
der Erstling der Entschlafenen! — Der Erst- Pe 4
ling ist Christus, darnach die, welche Christo &'
angehören und an scine Ankunft geglaubt ü A
haben!“ (I. Cor, 15, 20 u, 23.) - P
Zum frommen Andenken A S
an den wohlachtbaren Herrn AZ
Maria Bartholomäus Gatzweiler, AO
Veteran vom Jahre 1848, aM
welcher, geboren am 19, September 1825 zu A £
Cornelimünster, am Karsamstag, den 10. April $ A
1909, Nachmittags gegen 4 Uhr zu Hauset 3
infolge von Altersschwäche eines sanften Todes Ds
yerschied, öfter gestärkt durch andächtigen me SM
Empfang der hl. Sakramente, Fre VD „=.
In’ stiller Zurückgezogenheit verbrachte der HE LA
Verewigte die Tage seines Alters, unermüdlich Se
tätig und einer seltenen Rüstigkeit bis wenige as AA
Monate vor seinem Hinscheiden sich erfreuend. Sa
Aus dem Glauben lebend, gab er durch unge- f Lan A
heuchelte Frömmigkeit und christlichen Wan- ES
del der Gemeinde, alt und jung, ein schönes, PIE Aal
auferbauliches Beispiel. R. i. p. WAS DEN
Die Seele des lieben Verstorbenen empfichlt A A N
sein Bruder nebst den übrigen Verwandten As Ba
dem hl. Opfer und der frommen Fürbitte der ER Sa
Mitehristen, — Begräbnis und feierlicher VA VS.
Leichendienst am Mittwoch, den 14. April, (. A =
morgens 10 Uhr in der Pfarrkirche zu Hauset, } - ZN
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Totenzettel und Grabkreuz des Bartholomäus Gatzweiler.
Das Kreuz befindet sich heute an der Ecke Kirchstraße-Botzefeld.
wurde auf dem dortigen Friedhof begraben. Sein Grabkreuz steht jetzt in
Hauset in der Nähe der Kirche, an der Ecke Kirchstraße und Botzefeld.
5) Johann Peter, er folgt unter IIb
6) Ludwig, geb. 17.11.1829 in Kornelimünster, gest. 1874, heiratete
am 16.2.1859 in Eynatten Therese BIMMERMANN, geb. 3.11.1839 in
Aachen, Tochter von Winand Josef Bimmermann und Elisabeth Jacobs,
auf Gut Steinkaul in Eynatten befindet sich über einer Tür die Inschrift
„L. Gatzweiler / Th. Baumermann / 1861‘
IIa Lambert GATZWEILER, geb. 6.5.1817 in Kornelimünster, Bauer
und Gutsbesitzer in Raeren, Beigeordneter Bürgermeister von Raeren,
heiratete am 26.10.1843 in Raeren Anna Barbara RADERMACHER,
geb. 28.3.1820 in Raeren, Tochter von Johann Simon Radermacher und
7 Le patrimoine monumental de la Belgique, Volume 123, Province de Liege, Arron-
dissement de Verviers, Tome 3 (M-S), Seite 1176.
19
Anna Regina Zimmermann, sie hatten 13 Kinder, die in Raeren geboren
wurden:
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Steinkreuz vor Gut Steinkaul «in dankbarer Erinnerung»
errichtet von ihren Kindern für Johann Joseph Hubert Von Agris
und dessen Ehefrau Maria Josepha Gatzweiler
1) Nicolas, geb. 13.5.1844 in Raeren, gest. 13.5.1844 in Raeren
2) Johann Peter Simon, geb. 23.6.1845 in Raeren, gest. 10.11.1854 in
Raeren
3) Maria Josepha, geb. 26.10.1846 in Raeren, gest. 25.7.1847 in Raeren
4) Carl Joseph, geb. 9.2.1848 in Raeren, gest. 19.12.1920 auf Gut
Schönthal in Aachen-Forst, er heiratete am 25.10.1882 Josefine
CREUTZ, sie hatten 10 Kinder.
5) Maria Josepha, geb. 20.2.1850 in Raeren, gest. 18.3.1928 in Eupen,
sie heiratete am 15.4.1875 Johann Martin WELING, gest. 15.7.1916,
sie hatten 11 Kinder.
6) Simon Peter Hubert, geb. 31.1.1852 in Raeren, er war verheiratet
und hatte 2 Kinder.
20
7) Anna Maria Louise, geb. 9.9.1853 in Raeren, gest. 4.10.1861 in
Raeren
8) Anna Elisabeth, geb. 5.2.1856 in Raeren, sie heiratete am 28.4.1879
Johann Lambert KNOPS, geb. 25.1.1853 in Eynatten, gest. 18.7.1926
in Eynatten, Mitglied des Kirchenvorstandes der Pfarre Eynatten,
Sohn von Lambert Knops und Catharina Lorreng, sie hatten 9 Kinder.
9) Johanna Maria Elisabeth, geb. 18.12.1857 in Raeren, sie heiratete
am 7.2.1888 Simon STICKELMANN.
10) Anna Maria Sophia, geb. 20.10.1859 in Raeren, sie heiratete N.
CREUTZ. Sie hatten eine Tochter, Therese, die verheiratet war mit
N. THIRION, der im 1. Weltkrieg als Pilot gefallen ist. Deren Sohn
Josef war Priester und Direktor des „College Patronn&“ in Eupen
11) Lambert: Er wurde geboren am 6.8.1861 in Raeren. Er hatte eine
zahlreiche Familie. Einer der Söhne, Lambert Gatzweiler jr., war
verheiratet mit Josephine Hennen. Deren Sohn Karl Gatzweiler wurde
am 7.7.1957 zum Priester geweiht und war seit dem 31.3.1986
Generalvikar des Bistums Lüttich®.
12) Johann Hubert Joseph, geb. 14.7.1863 in Raeren, gest. ca 1934, er
wurde zum Priester geweiht und war zuletzt Dechant in Essen-
Frintrop.
13) Johann Simon Ludwig, geb. 15.1.1866 in Raeren, gest. 10.4.1867 in
Raeren
IIb Johann Peter Hubert GATZWEILER, geb. 6.8.1832 in
Cornelimünster, gest. 23.11.1909 in Hauset, Landwirt, Gastwirt zum
Treppchen® in Hauset. Er heiratete am 11.6.1858 in Eynatten Maria Angela
Rosa Hubertine VECQUERAY'®, geb. 11.3.1831 in Eynatten, gest.
11.4.1910 in Hauset, Tochter von Andreas Joseph Vecqueray und Maria
Theresia Lambertine Lamberts, sie hatten 7 Kinder:
1) Maria Theresia Johanna Hubertine, geb. 13.5.1859 in Hauset, gest.
daselbst am 10.9.1859
2) Therese, geb. 25.6.1860 in Hauset, gest. 7.1.1936 in Aachen. Sie
heiratete am 22.8.1888 in Eynatten Michael KIRFEL, geb. 8.10.1860 in
Hecken, gest. 12.11.1926 in Aachen, Sohn von Johann Mathias Wilhelm
Kirfel und Anna Maria Jansen, Volksschulrektor, der nach seiner
Lehrerausbildung im Seminar zu Cornelimünster in den Jahren 1881-
* Jahrbuch der Diözese Lüttich 1997. N
? Sie wohnten im Haus 119 der Kirchstraße in Hauset.
"9 Zur Familie Vecqueray, siehe: Die Familie Vecqueray in Eynatten, Erwin Bruch, «Im
Göhltal» Nr. 55, S. 100 - 112, 1994
21
84, an den Volksschulen zu Lichtenbusch und später in Aachen St.
Michael, St. Maria, St. Foillan und zuletzt St. Jakob tätig war. Eines der
9 Kinder, nämlich Angela Kirfel, heiratete den Hauseter Bäcker und
Gastwirt Karl Gatz.
3) Josephine, geb. 22.3.1862 in Eynatten, gest. 11.11.1936 in
Herbesthal, heiratete am 19.10.1883 Adam ROSEWICK, geb.
19.11.1858, gest. 30.5.1926 in Eupen. Ihre Tochter Emma!!! war
Ordensschwester im Kloster der Ursulinerinnen zu Wellen und verstarb
dort im 8. Jahre ihres Klostergelübdes.
4) Lambert, geb. 27.5.1864 in Eynatten, gest. 15.8.1944, heiratete am
3.7.1894 Dina SAUER, geb. 25.4.1869, gest. 1939, sie hatten 3 Kinder.
5) Maria, geb. 10.12.1866 in Eynatten, gest. 18.12.1952 in Hauset,
heiratete am 8.6.1911 in Hauset Leonard ZIMMERMANN, geb.
21.6.1881 in Hauset (Aachenerbusch), gest. 17.5.1915 in Syntowky an
den Folgen eines Herzschusses als Unteroffizier im Reserve-Regiment
Nr. 259, 9. Kompagnie, Sohn'? von Nikolaus Zimmermann und Therese
Vecqueray‘*, er war Gastwirt in Hauset zum Treppchen, sie hatten einen
Sohn namens Leo, der am 27.3.1945 gefallen ist.
6) Ludwig, geb. 4.6.1869 auf Gut Steinkaul in Eynatten, gest. 7.9.1920
auf Gut Barbarastein bei Neuss an den Folgen einer Lungenentzündung,
war während 25 Jahren Verwalter auf dem Gut des Freiherrn von
Fürstenberg-Hugenpolt, heiratete am 11.10.1898 im Kloster Knechtsteden
bei Dormagen Katharina MÜDDER, geb. 7.6.1874 auf Gut Blechhof
bei Dormagen, gest. 27.9.1940 in Bonn, sie hatten 7 Kinder.
7) Barbara, geb. 20.6.1872 in Eynatten, gest. 11.7.1884 in Eynatten
Im Rahmen eines solchen Beitrages ist es nicht möglich, alle Zweige
der Familie weiter zu verfolgen. Unter den Nachkommen von Johann
Peter Gatzweiler und Maria Josepha Lamberts konnten in diesem Beitrag
nicht weniger als fünf erwähnt werden, die sich in den Dienst der Kirche
gestellt haben.
!! geb. 4.5.1884, gest. 5.6.1911
'?_ Das Grab seiner Eltern befindet sich auf dem Friedhof in Hauset.
'? Sie war eine Kusine ihrer Schwiegertochter.
22
Der aue Jruespap
Ech senn der aue Jruespap noch do sette jedder Daag,
der Kop janz deep jeböckt e singe Hemmenskraag.
Sie äede Pipke hoole e-jen Vuß,
so soot e ob sing Bank, stell henger en Hus.
E vertoot sech ömmer stellekens selver jät,
wie et vröjer wor än wie et wät.
Sie Soomerhüske wor singe janze Stoot,
janz voll Röskere än va bännes en Bank va Ekehoot.
Jewöhnlech sette janz alleng
än magd sie äede Pipke reng.
E denkt a lang verjange Tüit,
wie et wor, wat now onendlich wiit.
Sitte da sie Lääve esö lans sech jue,
da wöll e vööl noch ens jenau esö due.
Vröjd än Leed dat haue jenoch,
twei va sing Kenger, die lääve noch.
Wie e se jruet met Mööte, daat € a sing Row,
du koem e-ne Schlag än et storv sing Vrow.
Va du a woet et steller Daag öm Daag
An der Kop kroep deeper e-ne Hemmenskraag.
Do hau der Herjott hömm jeschlare,
dat Leed, dat koss e janz alleng neet drare.
Sö soot e, jrübelde, jong neet mihe ut sech erut,
e wadde, mä de Jruesmamm, se wor vut.
Now sett e janz alleng, lustert en sech erään,
övver et Lääve, singe Zweck en Sään.
Esue all drömender magde häe sech prett
Vöör de letzte Rees, de Vaat en de Evvechkeet.
Wat e sie Lääve hat jedue vöör Vrow en Kenger,
dovöör wät e oove och e Plätschke venge.
Ech senn em oove janz tevrä at sette,
All stoppender sie äede Pipke, op en Wook, en wette!
Jakob Langohr
23
Eine umstrittene Persönlichkeit:
Der Walhorner Notar und Rechtsanwalt
Johann Stephan Priem
von Alfred Bertha
Die frühesten erhaltenen Steuerlisten des Walhorner Landes (1441)
enthalten nur wenige heute noch anzutreffende Namen. Auch lassen sich
aus Angaben wie „Lenart der Brauer“, „Gillis, des Jakobs Sohn“‘, „Sanders
Weib“ oder ähnlichen keine Schlüsse auf spätere Familiennamen ziehen.
Mitte des 15. Jahrhunderts sind wir noch in einer Übergangszeit, wo
sich die Namen der nichtadligen Bewohner des flachen Landes noch
nicht definitiv gefestigt haben.
Folglich verliert sich mangels kirchlicher oder notarieller Unterlagen
der Ursprung vieler bodenständigen Familien im Dunkeln. So auch bei
der Familie Priem, der wir vom 17. bis 19. Jh. unter verschiedenen
Schreibweisen (Priem, Prim, Prijm, Prym, Preim...) begegnen.
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Kreuz des Schöffen Arnold Priem in Lontzen
24
Die erste uns bekannte Nennung findet sich in Lontzen, wo am
14.12.1602 Jakob und Johann Priem in einem Rechtsstreit bzgl.
Kriegslasten auftreten (1). Erstgenannter ist Schöffe von Lontzen. In
diesem Ort stirbt 1701, wie das noch erhaltene Grabkreuz ausweist, der
Schöffe Arnold Priem. In den Häuserverzeichnissen der Lontzener Pfarrer
von 1704, 1740 und 1786 kommt der Name Priem allerdings nicht vor.
1640-48 ist ein Johannes Priem als Pfarrer von Hergenrath belegt;
über seine Herkunft ist nichts bekannt.
1642 nennen die Lehnsregister des Aachener Marienstiftes in Astenet
Johann (Jan) Priem sowie die Erben des verstorbenen Anton Preim.
Eine Besitzstandserklärung der Walhorner Bevölkerung aus dem Jahre
1698 wurde vor den Walhorner Schöffen Anton Priem und Claes Bruwer
abgegeben.
Anton Priem ist als Schöffe auch noch 1714-1724 belegt.
1740, zu Beginn seiner Amtszeit als Pfarrer von Walhorn, legte
Johannes Vanden Daele ein Häuser- und Einwohnerverzeichnis an, in
dem er „unter Nummer 5 und 6“ das Ehepaar Edmund Priem und Johanna
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Das Geburtshaus des Johann Stephan Priem in Walhorn
Lamberts sowie deren 5 Kinder auflistet. Edmund Priem, getauft am 24.
Mai 1693, war seit dem 14. Mai 1740 Schöffe des Walhorner Gerichts.
25
j Geheiratet hatte er am 20.6.1720 Johanna Lamberts, die Tochter des
Stephan Jakob Lamberts (geb. 28.4.1661) und der Katharina Keutgen.
Stephan Jakob Lamberts war der Sohn der Eheleute Anton Lamberts
und Johanna Willemet aus Hauset.
Der Vater des Edmund Priem, Anton Priem, hatte am 16.2.1689
Catharina Meessen aus Walhorn geheiratet. Die Ehefrau starb am
4.10.1704; Anton Priem, der viele Jahrzehnte als Schöffe fungierte,
überlebte seine Frau bis 6.4.1740. Seine Sterbeeintragung trägt den
Vermerk „scabinus senior in Walhorn“‘, „Alt-Schöffe‘‘, gewesener Schöffe
in Walhorn. Auch der gleichnamige Vater dieses Anton Priem scheint
schon ein Schöffenamt in Walhorn bekleidet zu haben.
Der schon genannte Edmund Priem starb am 19.5.1746, im Alter von
nur 53 Jahren; seine Ehefrau Johanna Lambertz war ihm schon am
10.3.1745 in den Tod vorauf gegangen.
In der Hausliste des Pfarrers sind die Häuser „unter Nummer 5 und 6“
als der heutige Königshof (Haus Louvens bzw. Vaessen, Dorfstraße) zu
identifizieren. In späteren Verzeichnissen nennt der Pfarrer den Bereich
nur kurz „op gen hoff““/auf dem Hof.
Dem Ehepaar Priem-Lamberts wurden, wie schon gesagt, fünf Kinder
geboren:
Maria Catharina
Johanna
Anna Francisca
Maria Elisabeth und
Johann Stephan.
Zu den Hausbewohnern gehörten auch die Witwe Stephan Lamberts,
Catharina geb. Keutgen, vermutlich eine Schwägerin, sowie der Knecht
Nikolaus Noel und die Magd Helena Mercken.
Von den Töchtern heiratete die am 25.11.1721 getaufte Maria Catharina
den aus Lontzen stammenden Johannes Huit (auch „Heut“ geschrieben)
und blieb im elterlichen Haus wohnen.
Die zweite Tochter, Jenne, getauft am 29.6.1726, heiratete Jakob
Coemaet. Sie starb in Hodimont am 2. November 1780.
Anna Francisca (get. am 27.9.1728) starb 1746 im Alter von 18 Jahren;
die jüngere Schwester Maria Elisabeth, get. am 10.3.1732, starb im selben
Jahre. Sie wurde nur 14 Jahre alt. Da auch der Vater 1746 im Alter von
nur 53 Jahren starb, hat vermutlich eine ansteckende Krankheit die Familie
dezimiert.
Der einzige männliche Nachkomme der Familie Priem-Lamberts, der
am 7.2.1735 getaufte Johann Stephan, wurde also mit 11 Jahren Vollwaise.
26
Man darf annehmen, dass sich die älteren Schwestern und die verwitwete
Tante (?) Katharina Lamberts geb. Keutgen um den kleinen Johann
Stephan gekümmert haben.
Nach dem Besuch der Walhorner Dorfschule stellte sich für diesen
die Frage des weiteren Bildungsweges. Im Walhorner Land war es üblich,
die Söhne zum weiterführenden Studium zu den Aachener Jesuiten zu
geben. So erging es vermutlich auch dem kleinen Priem. Und wir gehen
wohl nicht fehl in der Annahme, dass Johann Stephan Priem, der von
1767 bis 1795 in Walhorn als Notar und Rechtsanwalt fungierte, sein
Jura-Studium in Löwen absolviert hat. Hermann Wirtz („Eupener Land“‘)
weiß aber auch von einem Studium des jungen Priem in Paris.
Wann Priem in seine Heimat zurück gekommen ist, ist nicht belegt.
Am 26.10.1758 heiratete er, erst 23-jährig, die Tochter eines Tuchfabri-
kanten aus Dolhain-Limbourg, Maria Catharina Carondelet.
Das erste Kind der jungen Eheleute wurde am 30.12.1759 auf die
Namen Johann Edmund eingetragen. Es trug also den Namen des
Großvaters Edmund (Priem).
Am 30.12.1761 folgte eine Tochter, Johanna Helena Joseph, und am
4.2.1764 ein weiterer Sohn, der auf die Namen Wilhelm Anton Joseph
getauft wurde.
Die Tochter heiratete später (18.1.1786) Franz Wilhelm Vanden Daele
(*17.8.1759), den Neffen des Walhorner Pfarrers. Aus dieser Ehe ging
1788 Johann Wilhelm Joseph Vanden Daele hervor, der in der Preußenzeit
von 1828 bis 1839 Bürgermeister von Walhorn war. Eine Tochter dieser
Eheleute, Helene, getauft am 17. Januar 1792, heiratete am 26.12.1813
Cornel Heinrich Louvens, dessen Name mit dem Königshof verbunden
blieb.
Kommen wir zurück zu Johann Stephan Priem. Als Notar ist er in
Walhorn von 1767 bis 1795 belegt. Das Theresianische Kataster von
1771 weist den „Königlichen Notar“ Johann Stephan Priem als
vermögenden Haus- und Grundbesitzer aus. Er darf zwei Häuser und
andere Gebäulichkeiten sein Eigen nennen. Dazu besitzt er 40 Morgen
Ackerland, 14 Morgen Mähwiesen, 35 Morgen Weiden und 1 ha
eingezäuntes Hofland.
Die nun folgende Episode aus dem Leben des Johann Stephan Priem
könnte man als Dorfposse bezeichnen, hätte sie nicht für einen der
Beteiligten einen tödlichen Ausgang genommen. Doch greifen wir nicht
vor und versuchen wir, uns die Gerichtsbarkeit und die Rechtspflege in
der Bank. Walhorn bis zur Franzosenzeit (1794) vorzustellen.
27
Eine Urkunde König Arnulfs vom 13. Juni 888 bestätigt dem Aachener
Marienstift die Nona, den Neunten, von 43 Königsgütern, unter denen
sich auch Walhorn („Harna‘“) befindet. Am 27.4.1072 ging dieser
Königshof („„Harne‘“) durch Schenkung Kaiser Heinrichs IV. ganz in den
Besitz des Aachener Münsters über, das von nun an auch die Vogteirechte,
d. h. die Gerichtsbarkeit über Walhorn besaß.
Mit dem westlichen Nachbarn, dem Herzog von Limburg, musste es
früher oder später zum Konflikt kommen, versuchten doch die Herzöge,
ihr Herrschaftsgebiet auf Kosten der Aachener nach Osten auszudehnen.
Wann genau Limburg die Gerichtsbarkeit in Walhorn übernommen hat,
lässt sich nicht sagen. Wir können nur feststellen, dass schon die frühesten
erhaltenen Gerichtsquellen Limburg als die bestimmende Instanz
ausweisen. Dem Marienstift blieb mancherorts das Zehntrecht und das
Recht der Kollatur, d. h. der Ernennung des Seelsorgers, doch auch dieses
letzte Recht wurde ihm häufig streitig gemacht.
Das Walhorner Gericht, das aus 7 vom Herrn der Bank Walhorn
ernannten Schöffen, einem Vogt (später Drossard), einem Schultheiß
(Gerichtsdiener, Gerichtsvollzieher) und einem Gerichtsschreiber
(Greffier) bestand, hatte sehr weit reichende Zuständigkeiten sowohl im
zivilen wie im strafrechtlichen Bereich. Auch die Beurkundung von
Grundstücksverkäufen, Testamenten und ähnlichem fiel bis Ende des
17. Jahrhunderts in die Zuständigkeit des Schöffengerichts und wurde in
den sog. Gudungsbüchern festgehalten.
Die Hochgerichtsbarkeit, das Recht, über Leben und Tod zu urteilen,
das der Herr der Bank Walhorn, Arnold Schuyl, 1626 erwarb, fand ihren
Ausdruck im weithin sichtbaren Galgen auf der Höhe des Johbergs. Hier
stand er bis zum Jahre 1798, als die Franzosen ausdrücklich den Befehl
gaben, ihn abzubrechen.
Das hohe Gericht tagte unter dem Vorsitz des Drossards (er vertrat die
weltliche Obrigkeit) in der so genannten Halle, einem Gebäude, das auf
einem alten Gemälde zu erkennen ist und von dem der Historiker Quix
1837 schreibt, es sei „alt und baufällig‘. Die „Halle“ lag mitten im Ort,
„an dem Kirchhof, der die Pfarrkirche umgibt“ (Quix). 1838 wurde der
alte Bau abgerissen.
Die „Halle“ war Versammlungsort des Gerichtes, aber auch des so
genannten Kirspeltages (Kirchspieltag/ung), an dem Vertreter der
gesamten Mutterpfarre Walhorn teilnahmen. Zudem befand sich hier das
Gefängnis, in dem die Gefangenen in Ketten auf ihre Aburteilung
warteten.
28
Und damit wären wir beim eigentlichen Gegenstand unseres Beitrages.
Wir sind im Jahre 1774. Johann Stephan Priem ist als Notar in Walhorn
ansässig und hat eine Zulassung als „Procureur‘‘, öffentlicher Ankläger.
In dieser Funktion tritt er im Prozess des wegen Diebstahls und anderer
Straftaten im Walhorner Gefängnis einsitzenden Peter Merx auf.
Der Gefangene wurde bewacht von Männern der Bürgerwehr
(vermutlich Schützen), als er am 2. Oktober 1774 gegen 18 Uhr den
Besuch des „Procureurs“ Priem erhielt. In Gegenwart der Wache fragte
Priem den Häftling, ob man ihn gefoltert habe, um ihn dazu zu bringen,
den Totschlag zu gestehen. Diese Frage bejahte der genannte Merx,
worauf Priem sagte: „Man hatte nicht das Recht, dies zu tun und man hat
dir Unrecht getan.“ p
Diese Worte aus dem Munde eines zugelassenen und vereidigten
(„patente et serment&€‘“) Anklägers der Bank Walhorn mussten die
Dabeistehenden zumindest überraschen. Am nächsten Tag, dem 3.
Oktober 1774, gelang Peter Merx die Flucht aus der Halle. Im Pfarrhaus
fand er bei Pfarrer Johannes Vanden Daele Unterschlupf. Priem erfuhr
von dem Vorfall, begab sich zum Pfarrhaus, das er von der Wache umstellt
vorfand, ging hinein und kam kurze Zeit später wieder heraus. Hans
Willem Loop, einen der Wachleute, bat er, ins Haus zu kommen, um den
geflohenen Häftling zu rasieren, wozu der Kapitän der Wachttruppe seine
Einwilligung nicht geben wollte, während Loop selber sagte, er dürfe
seinen Posten nicht verlassen. Priem ließ jedoch nicht locker und hieß
Loop, ihm zu folgen mit den Worten, er nehme alles auf sich und werde
sich um alle kümmern („je me soucie d’eux tous‘).
Was noch weiter an jenem 3. Oktober 1774 vorgefallen und wie der
Tag für den geflohenen Peter Merx, den Pfarrer und den „Procureur“
Priem abgelaufen ist, darüber sagen die Akten nichts.
Am folgenden Tag, dem 4. Oktober, kam der auf Schloss Weims in
Kettenis wohnende Drossard Johann Lambert Rasquin persönlich an den
Ort des Geschehens. Seit 1751 war er schon in der Funktion des Drossards
Vertreter des Landesherrn und befand sich nun vor einer bis dahin noch
nicht da gewesenen Situation. Als Vertreter des Herrschers hatte er für
den Vollzug der verhängten Strafen zu sorgen. Rasquin begab sich zum
Pfarrhaus, um den entflohenen Merx mit Hilfe der von ihm zu diesem
Zweck aufgebotenen Bürgerwehr wieder zu verhaften.
Auch Johann Stephan Priem erschien am Ort des Geschehens, wo der
Drossard ihm ein Dekret zeigte, das den Pfarrer zum Öffnen der Tür
aufforderte. Darauf sagte Priem in Gegenwart des Drossards zum Pfarrer:
„Schließen Sie Ihre Tür, und dann hart auf hart!“
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Daraufhin warf der Pfarrer das genannte Dekret zu Boden und schloss
die Tür vor den Schützen. Drossard Rasquin konnte jedoch ins Haus.
Wenig später sah man den flüchtigen Merx durch ein Fenster des
Pfarrhauses auf den Friedhof springen, wo er sofort durch den
Kommandanten der Wehr und einige Männer der Truppe verhaftet wurde.
Auch Priem verließ das Haus in Begleitung des Pfarrers. Zusammen
ergriffen sie den Gefangenen und zerrten ihn mit Gewalt zur Kirchtüre
hin. Vergebens protestierten und widersetzten sich der Bürger-
wehrkommandant sowie einige inzwischen erschienene Schöffen des
Walhorner Gerichts. Die Soutane nötigte ihnen doch wohl zuviel Respekt
ab, als dass sie mit Gewalt gegen den Pfarrer vorzugehen gewagt hätten.
Die Kirchtüre war jedoch abgeschlossen und Priem rief dem Pfarrer
zu, er solle den Schlüssel holen, was dieser auch prompt tat. Nun zogen
sie den Häftling in die Kirche hinein, mit Gewalt, sagten die Zeugen,
und trotz Protest und Widerstand der Gerichtsvertreter.
Während dieser von Handgreiflichkeiten begleiteten Aktion schrie
Priem den anwesenden Schöffen (sinngemäß) in der in Walhorn
gebräuchlichen Sprache („en langue y usitee‘“) zu: „Wie, habt Ihr noch
nicht genug Unrecht getan?“
Er wagte es dann sogar, die gesamte Verantwortung für die Flucht des
Gefangenen allein zu übernehmen.
Man warf ihm später auch vor, das vom Walhorner Schöffengericht
nach Anhörung eines Rechtsgelehrten ergangene Dekret zur Folterung
des Gefangenen zensiert und sogar behauptet zu haben, dieses sei
ungerechtfertigterweise ergangen (induement). Auch habe er sich abfällig
(„mauvais propos‘) über die Richter, den Gehorsam und die öffentliche
Ordnung geäußert.
Leider geben die Walhorner Akten keine weiteren Einzelheiten zum
Fortgang des Geschehens. Erst durch Gerichtsurteil vom 16. September
1780 (Drossard Rasquin war am 11. Februar 1780 gestorben) wurde
Johann Stephan Priem die Rechnung für sein ungebührliches Verhalten
präsentiert. Das Limburger Gericht sprach ihm das Recht ab, als
„Procureur“ zu fungieren, erklärte ihn für untauglich („inhabile‘“‘), in
Zukunft irgend ein Amt in der Bank Walhorn zu bekleiden und bürdete
ihm die Kosten des Gerichtsverfahrens auf.
Am 18. September 1780 wurde das Urteil dem genannten Priem in
Anwesenheit des neuen Drossards Matth. Jos. Thimus verkündet. Priem
erklärte, er wolle dagegen Berufung einlegen.
Für den Häftling Peter Merx hat es kein Kirchenasyl gegeben. Die
Angelegenheit endete nicht gut für ihn.
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Die Gerichtsakte von 1780 sagt lapidar, er sei „detenu pour vols et
crimes dans la prison du dit Ban et y ex&cute ensuite», d. h., dass der
wegen Diebstahls und anderer Verbrechen im Bankgefängnis Einsitzende
inzwischen hingerichtet worden war.
ok
Johann Stephan Priem hat sein nicht sehr geschickter, aber
spektakulärer Einsatz für den Häftling Peter Merx beruflich also einige
Nachteile gebracht. Wir treffen ihn aber 1793 unter den Schöffen des
Walhorner Gerichts und in der Franzosenzeit kam Priem, der als sehr
franzosenfreundlich galt, zu weiteren Ämtern.
Als die französischen Besatzer am 1.10.1794 ein Komitee für
„Requisitionen“ (Beschlagnahmungen) für Walhorn und Lontzen
einsetzten, befand sich unter den Mitgliedern desselben auch der Notar
Priem.
Bei den ersten Gemeinderatswahlen der Franzosenzeit, am 10. Floreal
V (29.4.1797) fiel die Wahl in Walhorn auf Jean Etienne (Etienne =
Stephan) Priem, der auch von den Franzosen zum Friedensrichter des
1795 geschaffenen Kantons Walhorn ernannt wurde. Dieser Kanton
Walhorn wurde allerdings 1805 aufgelöst und mit Eupen verschmolzen.
Den Tod seiner Ehefrau Marie Cath&rine Carondelet, Tochter des
Tuchfabrikanten Jean Joseph Carondelet aus Dolhain, meldete der
Ehemann persönlich am 09.02.1809. Seit Januar 1759 sei die Verstorbene
in Walhorn ansässig gewesen und sie sei im Hause ihres Ehemannes
gestorben, sagt die Sterbeurkunde. Das Alter des Ehemannes wird mit
74 Jahren angegeben.
Die Spur des Notars und „Procureurs“ Priem verliert sich in Walhorn.
1815 wird er in der Mutterrolle (matrice) für die Grund-, Personal- und
Mobilarsteuer des Jahres 1815 als „Rentner“, wohnhaft in Aachen,
aufgeführt. Damals war er 80 Jahre alt. Eine Sterbeurkunde des Johann
Stephan Priem findet sich nicht in Walhorn, so dass er vermutlich in
Aachen gestorben ist.
Der Jurist und Notar Priem ist uns durch einen am 9.5.1811
ausgestellten Ausweis/Passierschein („Passe-Port pour 1’Inte&rieur) auch
von der körperlichen Statur her bekannt. Die Personenbeschreibung
(„Signalement“‘) des Passierscheines nennt ihn „homme de loi“ (Jurist)
und gewesenen Friedensrichter. Der Passierschein berechtigte ihn zu
Reisen von Walhorn nach Aachen, Maastricht, Lüttich, Brüssel und Paris.
Seine Körpergröße wird mit 1,78 m angegeben. Er hat graues Haar, eine
niedere Stirn, schwarz-graue Augenbrauen, blaue Augen, einen grauen
Bart, einen mittelgroßen Mund, eine große Nase, ein rundes Kinn, ein
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Die Unterschrift des Johann Stephan Priem auf seinem Ausweis
ebensolches Gesicht und einen hellen Teint. Als besonderes Kennzeichen
vermerkt der Passierschein, er habe verkrüppelte Hände.
Schon am 11. Oktober 1807 heißt es in einem früheren Passierschein
des Johann Stephan Priem, er habe verkrüppelte Finger infolge einer
Sehnenverkürzung („retirement des nerfs“).
Quelle:
Staatsarchiv Lüttich, Gerichtswesen Walhorn, Nr. 216 a. (Heute Staatsarchiv
Eupen).
Staatsarchiv Eupen, Gemeindearchiv Walhorn, C. 4. 6. Nr.107 und C. 4. 6. Nr.
96.
38
Le «Viaduc de Moresnet» sur la ligne 24
par Joseph Langohr
I. Premiers jalons d’un ouvrage d’art impressionnant en Belgique
Des la fin du XIXe si@cle, les milieux portuaires anversois projettent
la cr&ation d’une jonction entre le port d’Anvers et le Rhin en passant
par Hombourg-Montzen-Moresnet.
En 1901, l’ingenieur De Ridder, directeur des chemins de fer de 1’Etat,
se rend a Berlin pour y n&gocier 1’implantation de cette ligne.
Le 15 aoüt 1903, un accord fut signe ä Berlin entre le roi des Belges et
V’empereur allemand. Comme le signale le texte de cet accord, la Prusse,
represent&e par son roi, l’empereur Guillaume II, y agit au nom et a la
demande du «Reich» tout entier. Les liaisons ferroviaires entre 1’Alle-
magne et la Belgique Etaient assurges par le «Preußisch-Hessischer
Eisenbahnverein».
Au parlement belge, la discussion du projet de construction d’une li-
gne de chemin de fer rapide entre Louvain et Aachen suscita de vives
r&actions de la part des d&pute&s et senateurs de Liege et Verviers, qui y
voyaient une menace pour l’industrie de ces villes contournees par la
nouvelle ligne projet&e. Le s£nateur Armand Flechet, un notaire liegeois,
assimilait m&me cette ligne ä une «d&capitation» de Liege.
Le trait& belgo-prussien n’entra en vigueur qu’en octobre 1907 et le
texte en fut publie dans le Moniteur du 19 janvier 1908.
Entretemps, les tensions internationales s’accentuent et la Belgique
commence ä craindre pour sa neutralit& en cas de conflit arme entre la
France et 1’Allemagne, si bien que les projets de construction de la nou-
velle ligne restent provisoirement dans les tiroirs...
La premiere guerre mondiale va tout changer. Le conflit arme entre
1’Allemagne et la Belgique precipita le commencement des travaux. Ceux-
ci debut&rent fin janvier 1915. Ils furent r£alis&s par les troupes speciali-
sees de l’arm&e. Les troupes allemandes, devant la r&sistance des soldats
belges, pataugeaient dans les marais de 1’Yser, il Etait des lors urgent de
ravitailler 1l’armee au front. Cette situation entraina la construction du
grand viaduc enjambant la vall&e de 1a Gueule (riviere qui prend sa source
A Eynatten, passe par Moresnet et se jette dans la Meuse ä Itteren aux
Pays-Bas). Le maitre d’ceuvre de ce travail gigantesque fut le g&neral
Wilhelm Groener (1868-1939) originaire de Württenberg (Allemagne).
Le 31 d&cembre 1914 le general Groener Ecrivait a sa femme:
34
«... Was die Eisenbahn anbelangt, fange ich jetzt damit an und lasse
neue Bahnen und zweite Gleise zur besseren Verbindung mit der
belgischen Bahn bauen...“ (... en ce qui concerne le chemin de fer, je
commence ä le realiser et je laisse placer deux voies pour une meilleure
liaison avec le reseau belge...).
La lettre continue par cette phrase qui donne le frisson:
«... Das Schöne im Kriege ist, dass man so was ohne viel Schreiberei
und Gerede befehlen kann, während man im Frieden sieben Jahre
braucht, um durch viel Tinte und Geschwätz zu einer neuen Rheinbrücke
zu kommen ...» (...Le beau cöte de la guerre, c’ est que l' on peut ordonner
ceci sans beaucoup d’ecrits et de palabres ...)
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Le general Wilhelm Groener
II. La Premiere Guerre Mondiale et la realisation du troncon de la
ligne 24, Montzen-Botzelaer
Pour des besoins strate&giques et de ravitaillement, les troupes alle-
mandes pendant 1l’occupation 1914-1918, employ&rent la ligne directe
Montzen-Aix-la-Chapelle. Le 18 octobre 1914, les plus hautes autorit&s
prussiennes donnaient ä 1’Etat Major allemand 1’ordre de faire construire
35
une ligne ferr&e a double voie pour trafic international rapide. Elle de-
vait representer l’itineraire le plus court possible entre Tongres et le tun-
nel de Botzelaer, d&jä en service sur la ligne Welkenraedt-Aachen (West).
Les services de la «Militär-Eisenbahn- Direction Brüssel», &€manation
ferroviaire des autorit&s d’occupation allemandes, concurent un trace
ferroviaire Bassenge-Vis&-Berneau-Montzen, oü une gare de triage se-
rait Erigee, compte tenu de la topographie locale et des imperatifs politi-
ques du moment.
La ligne Tongres-tunnel de Botzelaer fut praticable sur une seule voie,
les 15 et 16 f&vrier 1917, pour le trafic militaire. Le premier train pour
voyageurs fut organis€ le 9 octobre 1917 entre Tongres, Montzen et
Herbesthal en utilisant une partie de la ligne Gemmenich-Welkenraedt
raccordee ä Birken ä la nouvelle ligne. Par contre, aucun trafic voya-
geurs semble avoir &t€ organise a 1’Est de Montzen vers 1’Allemagne,
par la nouvelle ligne. Le 6 janvier 1918, 1a double voie &tait enfin opera-
tionnelle sur tout le parcours entre Tongres et le tunnel de Botzelaer.
La ligne de Montzen-Botzelaer comprenait divers ouvrages d’art re-
marquables; le gigantesque viaduc &rig& pour franchir la vallge de la
Gueule baptise par les Allemands «General Groener Brücke» ou «Via-
duc de Moresnet» est le pont le plus long de la SNCB.
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36
A quelques centaines de mötres apr6s la sortie du viaduc de Moresnet,
un autre pont en beton et en acier est remarquable par sa complexite.
Situe ä Buschhausen, il est en fait integre ä la bifurcation de la ligne vers
Aix-la-Chapelle (ouest) ou sud et comprend deux niveaux superposes de
voies ferr&es; le niveau superieur comporte les voies de la ligne directe
Montzen-Aix-la-Chapelle (ouest), le niveau intermediaire comporte deux
tabliers, l’un de ceux-ci a 6t& d&pose apr@s la fermeture ä tout trafic de la
ligne 24A Göhltal-Aachen/Süd afin de livrer passage aux voies de la
courte ligne de raccord Ronheide et d’Aix-la-Chapelle/Sud. Le tout sur-
plombe la route. Outre ces particularit&s, ce pont est concu pour permet-
tre l’acc@s des voyageurs ä la halte de Buschhausen,
Un dernier complexe d’ouvrages d’art avait €t& construit par 1’0ccu- ”
pant allemand ä l’embouchure «ouest» du tunnel de Botzelaer, afin de
permettre de greffer la ligne Tongres-Aix sur la ligne existante
Welkenraedt-Plombieres-Aix-la-Chapelle (ouest).
Salut de Moresnet Grant Mader, Iaogarer 1200 m. hasteur 63 m
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Le viaduc entre les deux guerres
HL. Description technique du viaduc de Moresnet
Le projet de l’ouvrage est dat€ du 15 octobre 1915 de MAN
Gustavsburg.
Le plan est dat& du 10 aoüt 1915. Longueur: 1107 mötres.
Hauteur ä la verticale de la riviere «La Gueule»: 58 mötres.
37
Le pont compte 21 piliers en be&ton dame et 22 tabliers metalliques de
48 mötres de longueur chacun.
Un pilier sur 4 est renforc€ et surmonte les tabliers.
Chaque tablier a une hauteur de charpente de 7,5 mötres et 4,5 m de
largeur.
Le viaduc contient 50 000 mötres cube de beton.
Les tabliers sont fabriques avec 6000 tonnes de fer.
Les tabliers sont fabriques sur place, ils ont n&cessite 250 000 rivets.
Les piles du cöt€ allemand ont &t€ construites par la firme Grün et
Bilfinger, les tabliers correspondants par la firme Gutehoffnungshütte
au cours de la periode mai-octobre 1916; les piles du cöte belge ont Et€
realisees par la firme Dyckerhoff et Widmann, les tabliers par MAN
Gustavsburg entre avril et octobre 1916.
Sur l’ouvrage proprement dit, des rails lourds de 18 mötres ont &te
install&s, ce qui fut exceptionnel, car ä cette €poque les rails mesuraient
de 12 ä 15 mötres.
Les rails reposaient sur des traverses prussiennes de 55 centimötres.
Le viaduc sera achev€ en octobre 1916.
Le 16 f&vrier 1917 la ligne Tongres-Aix est praticable sur une voie, le
parcours de reconnaissance est r&alise le 28 f&vrier 1917. Le trafic ä
double voie d£bute le 6 janvier 1918.
IV. Exploitation belge de l’entre deux guerres
Apres la Premiere Guerre Mondiale, et en application du Trait& de
Versailles, 1’Allemagne doit c&der ä la Belgique les «Cantons de 1’Est»
et rendre les villages annex6s par le Reich. La ligne 24 sera d&sormais
aux mains des Belges, elle fut logiquement utilisge comme maillon prin-
cipal entre le port d’Anvers et la region de la Ruhr. La ligne Vise&-Montzen-
Aix-la-Chapelle (ouest) fut consacr&e au trafic de marchandises des 1919
(reprise administrative), un service voyageurs omnibus fut organise des
le 15 mai 1919 entre Tongres et Fouron Saint Martin; le 15 juillet, la
ligne est prolongee jusque Montzen, il fallut attendre le 15 aoüt 1920
pour voir apparaitre un service international de voyageurs entre Montzen
et Aachen (West). Quatre trains circulaient ainsi de Tongres ou de Vise
jusqu’ä Aix-la-Chapelle (ouest), ceci du moins jusqu’au 26 octobre 1926.
Il fallait encore ajouter le trafic de Welkenraedt-Plombieres-Aix (A partir
de la bifurcation de Botzelaer) trois trains journaliers de voyageurs utili-
saient ce que nous convenons d’appeler le troncon commun.
38
V. Les avatars de la ligne 24 pendant la Deuxieme Guerre Mondiale
Le viaduc de Moresnet devint d’importance strat&gique capitale ä
mesure que la Seconde Guerre Mondiale se profilait. D&jä en 1937, lors-
que la menace d’une nouvelle guerre devint serieuse, 1’armee belge avait
dispos€ des explosifs dans certaines piles du viaduc, qui, lors de 1’inva-
sion des troupes allemandes, le 10 mai 1940, fut donc dynamite.
Immediatement, 1l’ouvrage fut restaure par les Allemands; il &tait d&jä
«parcourable» le 16 d&cembre 1940.
Souvenirs relates par Monsieur Albert Tychon de Montzen:
«... Entr& a ’armee en 1938, maintenu suite au declenchement de la
mobilisation le 25 aoüt 1939, deEbut septembre 1939, 10 militaires cy-
clistes garde-frontieres vinrent en cantonnement ä la ferme de mes pa-
rents ä Streversdorp ä& Montzen. Un officier, le lieutenant Justin Bloom
(il fut remplace par le sergent Maurice Jobe€ debut mars 1940), 2 capo-
raux et sept soldats, ceux-ci avaient pour mission la garde et la destruc-
tion du viaduc. Suite au tres dur et long hiver debut novembre 1939
Jjusque fin mars 1940, les fermiers et fils de fermiers revinrent 10 jours
en conge dit agricole afın de mettre leurs champs et prairies en ordre. Le
10 mai au matin, j’ &tais en train de traire, j’entendis un grande detona-
tion, je me precipite ä la porte et je voyais un gros nuage au-dessus de
Moresnet. Il etait environ 5 heures. Quelques instants apres, plusieurs
militaires vinrent chercher quelques effets, ils Etaient noirs comme du
charbon, en me voyant, ils me dirent que c’ etait la guerre et qu' ils avaient
fait sauter le viaduc; le temps de me changer et de mettre mon uniforme,
au moment de partir, un adjudant vint voir si tous les soldats Etaient
partis; en me voyant il me demanda ou j’ &tais cantonne, il m’ indiqua le
meilleur chemin pour rejoindre Hermee. Apres la campagne des 18 jours
je rentrais & Montzen, c’ etait fin juin 1940, a ma surprise Montzen etait
annexe ainsi que 9 autres communes en me rendant ä Moresnet, je pus
constater l’ampleur de la destruction mais les Allemands avaient dejä
commence ä reconstruire le viaduc. Apres la guerre le sergent Jobe est
revenu ä Streversdorp, il remercia mes parents pour l’ accueil qu' il avait
recu, Iui et ses soldats...
Plus tard, je me suis mis en rapport avec le sergent en Iui demandant
de m’expliquer l'’ Episode de la destruction du viaduc, il me remit un
rapport complet...»
39
Rapport sur la destruction du viaduc de Moresnet, par le Sgt Jobe
Au mois de mars 1940, je fus transf&r& comme sergent ä la compagnie
de Henri-Chapelle sous les ordres du Capitaine-Commandant Thise et
je passais directement au peloton du sous-lieutenant Bloom cantonne ä
Montzen.
Comme la plupart des cyclistes-frontieres, notre röle consistait prin-
cipalement a fournir les gardes aux postes d’alerte et de destruction.
Je montais donc regulierement au viaduc de Moresnet, ce qui me don-
nait l’avantage de bien connaitre les consignes. Par contre, je connais-
sais moins bien les hommes etant nouveau dans ce secteur.
Depuis peu, le genie avait mine la route aboutissant dans Moresnet, et
cette destruction avait Et€ ajout&e ä la mission du chef de poste de Pb/fI
Un certain chevauchement existait entre les compagnies de Hombourg
(Cdt Bonjean) et celle de Henri-Chapelle. Nous dependions administra-
tivement de celle-ci, alors que les ordres de destruction devaient venir
de l’officier de garde de Hombourg.
Le Viaduc de Moresnet
Le pont ferroviaire traverse la vallge et comprend 21 piles dont les
plus hautes atteignent 58 metres. Seules les piles 14 et 19 sont minees.
A la pile 14 (PbIfI), le chef de poste est un sergent, ä la pile 19 (Pb/
2), le chef de poste est un caporal et au-dessus du pont se trouve un
poste deraillement (Pb/f3) commande &galement par un caporal.
Vers Gemmenich se trouve un poste d’alerte sous les ordres d’un ca-
poral. Il existe ä Pb/fl une petite centrale t&lephonique qui permet ä
tous ces postes de donner, a chaque heure, un bref rapport ä la caserne.
Il est prevu que le sergent chef de poste, doit faire sauter Electrique-
ment les deux piles min&es en se retirant pour cela derriere la pile 10. En
cas d’Echec, la destruction devrait se faire pyrotechniquement. Cepen-
dant, depuis quelques semaines, un nouveau corps de garde dä parois
renforc&es Etait en cours de construction pour nous permettre de faire
sauter l’ouvrage sans sortir. Malheureusement, l’ attaque allemande a
devance l’achevement de ces travaux et le poste de securite sera donc,
comme prevu initialement, en plein air.
Le 10 mai 1940
Le jeudi 9 mai 1940 ä 14 heures, je prends la garde du viaduc ä Pb/fl. (ä
part T’un ou l’autre, je ne me rappelle plus les noms de mes compagnons).
Jusqu’ä 23 heures, les rapports telephoniques se succedent, identiques
- «Ici PhIfI ‚le sergent Jobe, rien ä signaler» les caporaux disent de meme.
40
Vers minuit, l’officier de garde & Hombourg telephone: «Tenez les
hommes en armes, redoublez de vigilance, personne au repos dans le
corps de garde. Dehors les sentinelles sont doubles».
Vers 1 heure du matin (nous sommes le 10 mai), je recois par tele-
phone l’ ordre d’amorcer; ce que je fais avec l' aide du soldat Joret. J’ en-
voie un homme dä la gare pour signaler la chose. A ce moment, notre seul
souci Etait de conclure ä la suppression des permissions et nous pen-
sions d une alerte semblable ä celle de janvier.
Cela nous amene lentement ä l’aube et vers 5 heures, je decroche
pour signaler le passage d’avions ennemis au-dessus de nos tetes.
L’officier repond: «Qui, tenez-moi au courant.».
Bientöt, nous entendons canonner vers les Trois Bornes. Je d&croche‘
dä nouveau pour signaler la chose et la reponse de Hombourg vient comme
une douche: «Qui, je sais, faites
sauter votre destruction». BO DA A RR
Je regarde mes compagnons pre- VO S 8
sents au corps de garde et ne trouve SE N We
rien d’autre ä dire que: «Ca y est». H NA £
Tout se passe tres vite. Retrait des SZ A
sentinelles, regroupement des velos &- NZ EB
paquetes, deroulement des fils jus- fe
qu’ä la pile 10. Les hommes vont jus- Ä Zu KO “7 BE
qu’au passage & niveau, sauf Joret Bf AA Wa 3 ;
et un autre; j’attache mes fils & un [* ß N af AR
exploseur lourd et je me rappelle ne |“. 78$ 4 8 7 FACE fi
pas avoir detruit l’ installation t&16- [whufAEESNE MA
phonique du corps de garde. Un des a Pr
deux hommes y retourne pour arra- AS X
cher les fils et revient en courant. A
plat ventre, a cöte de l’ exploseur, un
petit tour de clef et tout «pete». Je fais alors sauter la route et nous rejoi-
gnons le peloton qui nous attend aux chicanes. Accueil enthousiaste du
Lt Bloom et la retraite commence avec des hommes qui n’avaient meme
pas une Egratignure.
Nous saurons plus tard que ceux de Hergenrath n’avaient pas eu la
meme chance et que la plupart etaient restes en dessous des debris de
leur pont en remplissant leur devoir.
Sergent Maurice Jobe
Cie de Henri-Chapelle
43
1947 (faute d’approvisionnement en acier). Les autres suivirent ä un
rythme normal, jusqu’ä 1l’ach&vement du travail le 14 d&cembre 1948.
Des centaines d’ouvriers de la r&gion furent occup6&s ä la r&alisation de
ces travaux.
La ligne fut remise en service le 2 octobre 1949 soit 5 ans aprös la fin
des hostilit&s.
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Reconstruction du viaduc en 1947
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Fig. 493. Diverses phases de montage du
viaduc :
1, Yunr-d’enzembla-duspontsder service;
2. Lancage du pont de service;
3. Montage d’un tablier.
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WVue du viaduc de Moresnet avec, ä l’avant-plan, la ligne 39 et,
venant de la droite, la ligne 39A (Kelmis-Moresnet)
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Vue sur le viaduc et le moulin Schyns
VII Une grande gare de triage en amont du viaduc: «la gare de
Montzen
Le trafic marchandises a Montzen est florissant durant les ann&es 1960-
1970, (1951: 342 000 changes avec 1’Allemagne; en 1968, 829 000
Echanges). Le triage sera modernis€ en gare de Montzen en 1971.
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WVue d’ensemble de la gare de Montzen
En 1974, est cr&€ le gigantesque entrepöt SOCOMANEX.
En 1974 &galement, la gare est dirigee ä partir d’un poste de com-
mande sur&lev6€, il est situe au sommet d’une tour de 28,5 m.
En 1984, la moiti€ de la gare est Electrifige.
En 1985, suite a la suppression des «gares frontieres», Montzen perd
son statut de gare de triage. Cette decision politico-&conomique aura un
impact social important; en effet, le nombre d’agents qui Etait de 500 en
1974, sera r&duit a 130 en 1990.
En 1972, la suppression des douanes jouera un röle majeur dans le
declin de la gare.
Il est important de signaler que la voie entre le port d’Anvers et Montzen
est totalement &lectrifige (3000 v en courant continu); du cöt€ allemand,
les deux voies principales le sont aussi (15 000 v en courant alternatif).
Des relais de traction qui assurent la continuite de la circulation sur 7
km non &lectrifi&s (dont le viaduc) entre le tunnel de Botzelaer
(Gemmenich) et Montzen, entrainent une activit& suppl&mentaire en gare
de Montzen.
VIII L’ouvrage d’art de Moresnet remis ä neuf le 10 janvier 2005
Les imperatifs d’exploitation du XXIe s ont d’abord &te definis par la
SNCB: le viaduc de Moresnet devra livrer passage aux trains ä la vitesse
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Acheminement du portique de manutention vers Moresnet
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Descente d’un ancien tablier
village de Montzen. Dans le hall, on assemble le treillis metallique ne-
cessaire A la construction des tabliers; quand la structure est prete, elle
passe dans la deuxieme partie oü 1’on betonne la dalle de pont. Enfin,
dans un troisieme endroit, on pose une couche d’£tancheite, le ballast,
les traverses, les rails et les passerelles.
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Quelques vues de l’avancement des travaux prises le 22 aoüt 2003
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L’acheminement des nouveaux tabliers (700 tonnes) sur le site du via-
duc ne manque pas d’originalite. A sa sortie du hall de montage, chacun
d’eux est accroche ä un portique g&ant de manutention, haut de 28 m@-
tres et pesant 500 tonnes. L’ensemble est alors pose sur deux fois 20
lorries (des petits bogies a deux essieux) qui empruntent la double voie
de la ligne 24 entre la gare de Montzen et le viaduc de Moresnet, soit une
distance de 750 möetres environ. Pour accomplir ce d&placement hors du
commun, le portique, auquel est fixe le tablier, est pousse par deux 10co-
motives, une sur chaque voie. La charge totale de cet extraordinaire con-
voi — une premi@re en Belgique - pese donc 1200 tonnes et met un mini-
mum de 3 heures pour parcourir les 750 metres, soit moins que la vitesse
d’un homme au pas.
Lors du placement des tabliers, les portiques de 500 tonnes descen-
dront lentement les anciens tabliers jusqu’au sol, ceux-ci sont prealable-
ment d&coup$s en trois parties. Ensuite sera place le nouveau tablier.
Pas moins de quatre-vingts personnes travaillent d’arrache-pied sur
ce chantier; dont vingt oeuvrent A la construction des tabliers en gare de
Montzen et soixante sur le site du viaduc, ol 1’on r&nove et consolide les
piles.
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Destination Irak: materiel militaire americain vehicule par la ligne 24
(voir €galement photo suivante)
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Du materiel militaire venant d’Allemagne en route vers le port d’Anvers
Lorsque les travaux seront achev6s, la largeur du chemin de fer sera
de 11 mötres contre 9 möetres pre&c&demment.
Jusqu’au 10 janvier 2005, date d’ach&vement des travaux, afın d’&vi-
ter le viaduc pendant les WE de pose des tabliers, les trains seront de-
tourn6es via la ligne 39 Montzen-Welkenraedt, dont la structure a &t& com-
pletement revue, les trains emprunteront alors la ligne 37 Welkenraedt-
Aachen.
XIX Une electrification en vue...?
Comme nous l’expliquons par ailleurs, entre la gare de Montzen et le
tunnel frontalier de Botzelaer (Gemmenich) un hiatus de 7 km separe les
catEnaires des deux r&seaux. Comme, dans 1’avenir, le trafic des mar-
Chandises se doit d’&tre accel&re, la decision de proc&der a 1’&lectrifica-
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separant les deux tensions d’alimentation sera pre&vue en pleine voie, ce
qui n&cessitera obligatoirement l’utilisation de locomotives polytension,
mais ceci est une autre histoire...
Documents consult&s:
«Les nceuds ferroviaires des trois frontieres», Albert Stassen
Revue „Im Göthal“: «Der Viadukt von Moresnet“, A. Aldenhoff Bd. 21, S 75
Journal du Chemin de Fer n° 132 et 133
TE&moignage A, Tychon
Photos: Joseph Langohr, Marcel Voncken, Alfred Tychon, M. Delie
Documentation personnelle
51
Die Eröffnung der Eisenbahnstrecke
Köln-Antwerpen
aus der Sicht eines ... Taschendiebes
von Alfred Bertha
Im Korrespondenzblatt vom 23.8.1848 fanden wir eine köstliche
Schmunzelgeschichte, die sich auf Geschehnisse am Rande der
Feierlichkeiten zur Eröffnung der Eisenbahnstrecke Köln-Antwerpen vom
13.-17. Oktober 1843 bezieht. Die Zeitung betitelte die Geschichte mit
„Die Diebe in Köln‘. Hier der Bericht:
Im Jahre 1844 fand man in einem der Kasten, die in Brüssel an
verschiedenen Orten zur Anzeigen-Sammlung für die Zeitungen
angebracht sind, folgenden Aufsatz:
Alle öffentlichen Blätter haben die Festlichkeiten, die bei der Eröffnung
der rheinisch-belgischen Eisenbahn stattgefunden, sehr weitläufig
beschrieben, ohne der ausgezeichneten Diebstähle zu erwähnen, die bei
dieser Gelegenheit mit so großer Geschicklichkeit ausgeführt worden
sind. Wir besitzen auch unsere Eigenliebe, wie alle anderen Menschen,
und fühlen uns geschmeichelt, wenn man uns Gerechtigkeit widerfahren
lässt. Diese Gerechtigkeit, die schönste Belohnung für unsere
Bemühungen, werden uns alle diejenigen gewiss nicht vorenthalten, die
damals bestohlen worden sind. In dem Augenblicke ihres Verdrusses
werden sie uns geflucht haben; doch das verzeihen wir ihnen von Herzen.
Aber bei kaltem Blute müssen sie jedenfalls eingestehen, dass es ein
wahres Vergnügen ist, so bestohlen zu werden. Gewöhnlich lässt man
den Dieben nicht eher Gerechtigkeit angedeihen, als bis man selbst
beraubt worden, Man spricht groß, knöpft seinen Rock recht fest zu,
verbirgt seine Uhr, seinen Geldbeutel, das seidene Sacktuch und ruft mit
einem selbstzufriedenen Lächeln: Die Diebe sind doch nicht so schlau,
wie man sagt, sie führen nur Dummköpfe an; seht mich, mir hat man nie
etwas genommen. Diese klugen Herren kommen jedoch auch an die
Reihe, und dann hören wir zu unserer Genugtuung die Worte: Die Diebe
sind doch schlau, denn wer mich anführen will, der muss früh aufstehen!
Man hat die Zahl der Diebe, die Köln ausgebeutet haben, sehr
übertrieben, während man hinsichtlich der Anzahl der Diebstähle weit
hinter der Wahrheit zurück geblieben ist. Das zeugt, beiläufig gesagt, für
unsere Gewandheit, worauf wir mit Recht stolz sein können.
52
In einem an die Polizei von Köln erstatteten Bericht hat man zur Zeit
der oben erwähnten Festlichkeiten die Menge der Raubgesellen auf 100
angegeben. Hundert Diebe, großer Gott! Die hätten sich ja unter einander
bestehlen müssen, wenn sie auch nichts als Wasser trinken wollten. Es
waren doch vielleicht noch mehr vorhanden, indessen sind es solche, die
diesem Namen keine Ehre machen. Die Tagediebe Kölns sollen sehr
geneigt sein, kleine, leichte Entwendungen zu begehen, und man muss
gestehen, dass diese schöne Stadt auch in dieser Beziehung einige
Berühmtheit erlangt hat. Doch von diesen kleinen Veruntreuungen bis
zu einem berechneten, kunstgerechten Diebstahl ist ein weiter Weg.
Die berüchtigte Ausgabee, die Köln an jenen Festtagen ausgebeutet hat,
bestand, jetzt, da alles vorüber ist, darf ich es dreist sagen, aus sechs
Mitgliedern, nämlich vier Männern und zwei Frauen. Von den vier
Männern waren zwei Italiener und zwei Franzosen; diese beiden Nationen
passen herrlich zusammen: der Franzose ist in der Strategie, der Italiener
in der Taktik erfahren; mit anderen Worten: Der Franzose berechnet und
bereitet vor, der Italiener handelt. Ich bin einer von den Italienern. Wir
haben ein Sprichwort in Italien, das folgendermaßen lautet: Chi e
menchione, resti ä casa (Wer linkisch ist, bleibe zu Hause). Als ich
vierzehn Jahre alt war, zwangen mich meine politischen Ansichten, mein
Vaterland zu verlassen. Seitdem bewohnte ich Frankreich, das Land der
Künste und der Industrie, bis meine geschwächte Gesundheit mich
nötigte, jeden Sommer die Bäder zu besuchen. Mein Genosse, der andere
Italiener, ist derselbe, der sich auf einem Balle in Köln hat festnehmen
lassen. Dieser Mensch hatte einen großen Fehler begangen: Er stahl ohne
Handschuhe, was durchaus gegen den Anstand ist. Indessen machte er
seinen Fehler durch die Geschicklichkeit wieder gut, mit der er seine
Unterhandlungen mit der Polizei führte. Er ist jetzt wiederum mit seinen
Freunden vereinigt, die sich beeilen, ihn für das zu entschädigen, was
ihm die Arretierung gekostet hat. Die beiden Franzosen hatten bis dahin
in Aachen ihr Wesen getrieben. Die Frauen kamen aus Wiesbaden, wo
sie einen Engländer und einen Russen zurückgelassen, denen sie die Ehe
versprochen hatten.
So waren wir also sechs, nicht mehr als sechs, und ich kann wohl
sagen, dass ein jeder von uns mit Hilfe des Rheinweins und der
Begeisterung für 25 gearbeitet hat.
Da wir gerade am Rhein sind, so sei es mir erlaubt, den Herren
Verwaltern der Kölnischen Dampfschiffahrts-Gesellschaft meine
Dankbarkeit für die Vergnügungen zu bezeugen, die sie mir verschafft
53
haben. Die Gastlichkeit konnte nicht mit mehr Pracht und edlerer
Aufmerksamkeit geübt werden. Man trieb es sogar so weit, dass man
nach dem Frühstück nicht einmal die silbernen Bestecke zählte. Es wurde
an Bord eine Collecte für die Schiffsmannschaft gesammelt, ich fühlte
mich so glücklich, dass ich zehn Franken gab. Ich bedauerte, dass ich
nicht mehr tun konnte, aber das war das ganze Geld, das ich in der Börse
eines höheren Eisenbahn-Beamten gefunden hatte, der sich mit seinem
in Silber gestickten Anzuge brüstete. Die Spazierfahrt wird ihm mehr
gekostet haben als mir.
Zur Zeit der Eröffnung der belgisch-rheinischen Eisenbahn war in
Baden die Saison beendigt und man durfte annehmen, dass die Bewohner
und Spieler Aachens sich in großer Menge nach Köln begeben würden.
Dort war also das meiste zu machen. Köln wird unter den Städten, wo
ich gedient habe, immer einen ausgezeichneten Rang einnehmen: wir
machten daselbst einen herrlichen Feldzug von drei Tagen, der allein so
viel einbrachte, wie eine ganze Badesaison. Bei der Bescheidenheit, die
mir eigen ist, kann ich nicht umhin zu erklären, dass uns die Sache sehr
leicht gemacht worden ist. Für die Diebe ist die Polizei in Köln ganz
vortrefflich. Sie würde eher den Beraubten als den Dieb unter dem
Vorwande festnehmen, dass er durch seine Klagen die Ordnung störe.
Wir wussten an Ort und Stelle drei Tage vorher, was für Personen den
Feierlichkeiten beiwohnen würden. Wir hatten so gute Erkundigungen
eingezogen, dass wir unsere Einnahme im Voraus berechnen konnten.
Einer von uns, der als Plänker vorausgeschickt worden war, hatte Mittel
gefunden, sich unter die Beamten der Kaufleute aufnehmen zu lassen,
welche abgesandt wurden, die belgischen Beamten und Kaufleute in
Antwerpen zu begrüßen. Unser Abgeordneter sollte, wenn sich ihm nicht
eine zu glänzende Gelegenheit darböte, keinen Diebstahl wagen, damit
die Aufmerksamkeit nicht zu früh geweckt würde.
Bei dem Gastmahl in der Antwerpener Börse wäre ihm jedoch beinahe
eine solche Gelegenheit geworden. Unter den Gästen hatte er einen jungen
Kaufmann von gutem Äußeren bemerkt, dessen Brust eine Tuchnadel
mit einem Diamanten von ungewöhnlicher Größe und wunderbarem
Glanze schmückte. Der Träger dieses kostbaren Kleinods zeigte es überall
mit großer Selbstgefälligkeit und fügte, um die Bewunderung der
Neugierigen zu steigern, stets hinzu, dass der Brillant
fünfundzwanzigtausend Franken wert sei. Diese Schätzung war allerdings
etwas zu hoch; aber unser Abgesandter, der ein geübter Kenner war, schlug
ihn sogleich zu fünfzehntausend Franken an. Eine Tuchnadel ist ein
54
schwieriger Diebstahl, da man unter den Augen des Eigentümers agieren
muss und die Nadel in der Regel mit einem Haken befestigt ist. Diese
Hindernisse würden jedoch meinen ehrenwerten Amtsgenossen nicht
abgeschreckt haben, obgleich er allein, und folglich des Beistandes
beraubt war, den wir ihm unter gewöhnlichen Umständen hätten leisten
können. Er versuchte, sich dem Kaufmann zu nähern, was ihm zwar mit
vieler Mühe gelang, aber zu spät um zu handeln. Der Kaufmann entfernte
sich in dem Augenblick, wo unser Abgesandter im Begriff war, ihn zu
erreichen. Er hatte sich aber wohl seine Züge gemerkt und hoffte, ihn
uns in Köln zu überliefern, wo die Tuchnadel gewiss in unsere Hände
gekommen wäre; doch er konnte ihn weder in Lüttich, noch bei der
Zeremonie im Geultale, wo unsere Arbeiten mit dem glänzendsten Erfolge
begannen, noch in Köln wiederfinden.
Nichts ist den Dieben so günstig, wie eine schöne Aussicht oder ein
merkwürdiges Denkmal. Das reizende Geultal und sein ungeheurer
Viadukt mit zwei Bogenetagen ' ist uns so behülflich gewesen, dass, wenn
die Brücke je einstürzen sollte und man sie durch allgemeine Beiträge
wieder aufbauen wollte, ich mich ehrenhalber verpflichtet halte, für 500
Franken zu unterzeichnen. Auch kam uns bei dieser Gelegenheit die
französische Beredsamkeit des belgischen Ministers sehr zu Statten, den
die Deutschen mit wahrer Verwunderung hörten; so wie auch die deutsche
Beredsamkeit des Präsidenten der preußischen Eisenbahnen, dem die
Franzosen und Belgier gewaltsam applaudierten! Beifall klatschende
Hände hüten die Taschen schlecht.
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Ansicht der Hammerbrücke bei Hergenrath (Lithographie v. Fr. Wittfeld)
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Zur Erinnerung an die „Eröffnung der Eisenbahnstrecke Verviers-Aachen‘““
(nicht Antwerpen-Köln!) wurde eine schöne Gedenkmünze geprägt, die auf der
Vorderseite im oberen Feld die personifizierten Länder Frankreich (links) und
Preußen (rechts) zeigt, wie sie durch die „Belgia‘** zusammengeführt werden.
Links und rechts dieser Gruppe die Kathedrale von Antwerpen bzw. die
Hammerbrücke und der noch unvollendete Kölner Dom.
Darunter die Flussgötter Rhein (rechts) und Schelde (links) sowie der Heroldstab,
das Zeichen des römischen Handelsgottes Merkur.
Das Ereignis wurde vom Künstler unter den Gedanken der Völkerverständigung
und der Handelsverbindungen Schelde-Rhein gestellt.
Der Anfang war glänzend gewesen, aber wir hätten beinahe einen
schrecklichen Unfall erlitten. Einer von unseren französischen Genossen
hatte der schönsten von unseren beiden Damen den Arm gegeben, um
mit ihr in das Tal hinabzugehen. Die Schöne zog durch ihr sanftstrahlendes
Augenpaar alle Blicke auf sich. Unser Freund nutzte die Bewunderung,
die seine Begleiterin erregte, und fing an, die Taschen eines Belgiers,
der mit tiefer Rührung die deutsche Beredsamkeit anhörte, mit der ihm
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eigenen Gewandheit zu durchsuchen. Unglücklicherweise hatte er nicht
bedacht, dass der Belgier zu gerührt war. Er hatte nicht bedacht, dass
eine so tiefe Rührung eine Überschwemmung herbeiführen musste.
Während mein ehrenwerter Kollege arbeitete, rann dem Belgier eine
Träne über die Wangen herab. Er wollte sein Taschentuch hervorholen,
aber statt dessen ergriff er eine Hand, die er, ohne einen Laut hören zu
lassen, ja selbst ohne sich umzusehen, mit unwiderstehlicher Gewalt
festhielt. Unser Freund hielt sich für verloren und dachte schon daran,
im Guten zu unterhandeln, als der deutsche Ruf „Es lebe der König!“
erscholl. Da fühlte er plötzlich, dass die Hand, die ihn wie eine Zange
umklammert hatte, etwas locker ließ. Der Belgier widerstand nur mühsam
der Versuchung mit einzustimmen. Unser Genosse benutzte diesen ”
Augenblick, befreite sich durch eine gewaltsame Bewegung und verlor
sich unter die Menge. Als der Belgier sich umdrehte, sah er der schönen
Dame in die großen klaren Augen. Da regte sich ein anderes Gefühl in
seiner Brust, das sich seiner so stark bemächtigte, dass er das von der
preußischen Musik angestimmte deutsche Nationallied darüber vergaß,
der hübschen Frau, die ihren Cavalier verloren zu haben schien, den Arm
bot und sie ganz artig dem Diebe wieder zuführste, den er natürlich nicht
wiedererkannte.
Wir hatten viel auf das zu Aachen für 1000 Verhungerte bereitete
Frühstück gerechnet: Dort musste etwas zu machen sein. Aber das
Schicksal wollte uns nicht wohl und vereitelte unsere Hoffnungen.
Was wir indessen in Aachen verloren hatten, gewannen wir doppelt
zu Köln auf dem Stations-Hofe der Eisenbahn, denn dort wurde unserer
Tätigkeit ein weites Feld eröffnet.
Die Zeitungen haben viel von einer Uhr gesprochen, die einem hohen
Beamten entwendet worden ist, und deren Wert auf 800 Franken
angegeben wurde. Ich kann über diesen Diebstahl nähere Auskunft geben,
denn ich bin der Dieb, doch habe ich für diese Uhr von 800 Franken nie
mehr als 500 lösen können. Die Sache verhält sich folgendermaßen:
Ich wusste mir in Köln zu dem großen Gastmahl, das die Stadt zur
Feier des Tages veranstaltet hatte, Zutritt zu verschaffen. Ein herrliches
Mittagessen, die Speisen wurden sogar, was bei solchen Gelegenheiten
selten ist, warm aufgetragen, und was für vortreffliche Weine! Ich saß
neben einem dicken, kahlköpfigen Herrn, von gutem Äußeren, den ich
sehr unterhaltend fand. Sechs Plätze von mir entfernt bemerkte ich einen
Mann, für den ich sogleich eine unerklärliche Zuneigung empfand.
Obgleich er nicht mehr ganz jung war, so machten ihn seine schönen
5%
schwarzen Haare und seine geistreichen Augen tausend Mal
verführerischer, als es ein Jüngling sein kann. Wenn ich eine Frau wäre,
so würde ich ihn in meine Arme geschlossen und um seine Liebe gebeten
haben. Er trug einen blauen, mit Gold gestickten Leibrock, dessen
Knopflöcher mehrere Ordensbänder zierten. Wie es schien, wurde ihm
die Zeit lang, denn er zog jeden Augenblick seine Uhr heraus, aber welch
eine Uhr!...Das Wasser lief mir sogleich im Munde zusammen. Er spielte
zierlich mit dem reizenden Kleinod, zeigte es seinem Nachbar, und sagte:
„Sehen Sie, es ist schon spät, lassen Sie uns ins Conzert gehen.“ Ich
hatte diesen Mann gern, ich wurde mit unwiderstehlicher Gewalt zu ihm
hingezogen.
Nein, dachte ich bei mir, den werde ich nicht verlassen, ohne ein
Andenken von ihm mitzunehmen. Von dem Augenblicke an war die Uhr
mein, doch bekam ich sie erst den zweiten Tag nachher. Ich traf den
hohen Beamten wieder auf der Fahrt nach dem Siebengebirge, wo ich
eine Minerva eine Kanonenkugel abfeuern sah. Dieser Minerva habe ich
nichts entwendet, obgleich ich auch von ihr gerne ein Andenken
mitgenommen hätte.
Dem hohen Beamten musste ein wenig frostig sein, denn er hatte über
seinen goldgestickten Leibrock einen Überrock angezogen, der bis
obenhin zugeknöpft war. Ich sah die Uhr durch die doppelte Kleidung,
hörte ihre Schläge, die mit denen meines Herzens übereinstimmten; aber
es war unmöglich, dazu zu gelangen, oder ich hätte mit einem
Federmesser den Überrock, Leibrock und die Weste durchschneiden
müssen, doch hielt ich es nicht für nötig, zu diesem äußersten Mittel zu
schreiten, denn ich war überzeugt, dass sich mir eine günstigere
Gelegenheit darbieten würde.
Ich schlief die Ganze Nacht nicht; es blieb mir nur noch ein Tag übrig,
und die Uhr war zu meinem Glück unentbehrlich. Um 11 Uhr ging ich in
den Dom, wo ich Beschäftigung zu finden hoffte. Der Dom von Köln ist
prachtvoll, aber um ihn gehörig beurteilen und die herrliche Bauart des
Schiffes auffassen zu können, muss man lange in die Höhe sehen, und
dann füllt Bewunderung die Sinne des Beschauers. Ich benutzte das
Staunen der anderen in reichlichem Maße.
Doch das Gold, die Kleinodien, die aus meinen Händen in die meiner
aufmerksamen Kameraden übergingen, hatten keinen Wert für mich, ich
verachtete sie. Was kümmerten mich die eitlen Reichtümer, ich dachte
nur an die Uhr. Ich war im Begriff, das Schiff zu verlassen, um mich in
das Chor zu begeben, als ich plötzlich den hohen Beamten bemerkte, der
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mit einer Dame die Stufen herabstieg, die ich hinangehen wollte. Meine
Freude war unbeschreiblich. Der hohe Beamte trug diesmal einen
einfachen schwarzen Leibrock und eine weiße Piketweste, worauf sich
eine feine goldene Kette schaukelte. Ich schloss die Augen, um nicht
verwirrt zu werden, und eine Sekunde später glitt die Uhr mit einem
Stück von der Kette in meinen Ärmel. Ich übergab sie aber nicht meinen
Kameraden, sondern legte sie auf mein Herz, wo sie auch geblieben ist,
bis ich 500 Fr dafür erhalten habe. Mit meiner Eroberung zufrieden,
verließ ich die Kirche, und nahm mir vor, bis Sonnenuntergang nichts
mehr zu stehlen. Übrigens würde es auch schwer gewesen sein, noch
etwas zu unternehmen, da die Feierlichkeiten bis zum Abend unterbrochen
waren. '
Von den drei Tausend Fremden, die mit der Eisenbahn nach Köln
gekommen, waren 500 bestohlen worden. Man sprach nur von Diebstahl,
und jeder war auf seiner Hut; wir konnten also nur noch von dem Balle
etwas hoffen.
Erst um 10 Uhr trat ich in den Tanzsaal; meine drei Kameraden waren
mir dahin voraus geeilt, und ich konnte ihrem Diensteifer meinen Beifall
nicht versagen. Sie hatten wie kleine Engel gearbeitet, und es soweit
gebracht, dass im Saale ein allgemeiner Schrecken herrschte. Ich riet
ihnen daher aufzuhören und sich unbemerkt zu entfernen. Aber der Appetit
kommt erst beim Essen, und wären sie schon übersatt gewesen, so würden
sie doch noch mehr verlangt haben. Um mir die Zeit zu vertreiben, tanzte
ich einen Galopp. Das Armband meiner Dame war schlecht befestigt
und als sie zu ihrer Mutter zurückkehrte, bemerkte sie, dass es
verschwunden war. Ich erbot mich, es zu suchen, und fand es am anderen
Morgen... in meiner Tasche.
Das Fräulein hat sich übrigens über diesen Vorfall nicht zu beklagen
gehabt, denn alle Zeitungen berichten über den Verlust ihres Armbandes
mit der Formel: „Eine hübsche Brüsselerin‘. Wenn sie wirklich hübsch
ist, so muss sie sich gefreut haben, dass man es bemerkt, und die Presse
es mit ihren tausend Stimmen der ganzen Welt mitgeteilt hat. Ist sie es
nicht, so ist ihr dadurch ein süßer Traum zu Teil geworden.
Plötzlich tönte der Ruf: „Diebe! Diebe!“ durch den Saal. In solchen
Fällen war unser Benehmen unwiderruflich festgesetzt. Man verlässt
denjenigen, der entdeckt worden ist, um später für seine Befreiung oder
Verteidigung zu wirken. Es waren kaum fünf Minuten verstrichen, als
wir uns an einem für Unglücksfälle bestimmten Versammlungsort
einfanden. Es war einer von den Unsrigen ertappt worden; er hatte sich
SO
aber auf diesen Fall vorgesehen. Ehe er seine Wohnung verließ, borgte
er sich drei Taler von seinem Wirt und diese Summe fand man noch in
seiner Tasche; alle geraubten Kostbarkeiten waren schon in den Händen
seiner Genossen. Er behauptete, dass er unschuldig sei. Man glaubte ihm
nicht und wenn er es wirklich gewesen wäre, so würde man ihm doch
keinen Glauben geschenkt haben. Doch da man ihn nur durch eine
langwierige Untersuchung überführen konnte und sich niemand fand,
der die Kosten des Prozesses tragen wollte, so zog man es vor, unseren
Kameraden in Freiheit zu setzen, so sehr der Schein auch gegen ihn
sprechen mochte.
Die Luft von Köln war nun nicht mehr gesund für uns. Den anderen
Morgen waren wir die ersten auf dem Eisenbahnhofe, um nach Aachen
abzufahren. Vor mir im Wagen saß ein junger Mann, der sehr übler Laune
zu sein schien. Ehe wir noch die erste Station erreichten, hatte er mir
erzählt, dass man ihm auf dem gestrigen Balle seine Börse mit 150 Fr.
gestohlen habe und er nur noch einige preußische Taler habe, die er in
Belgien nicht mehr werde gebrauchen können. Ich bot ihm dafür ein
Zehn-Guldenstück an, das vielleicht aus seiner Börse herstammte, und
er überschüttete mich mit Artigkeiten.
Wenn nun jemand fragt, warum ich dies niedergeschrieben habe, so
diene zur Antwort, dass ich durch mehrere glückliche Feldzüge, besonders
durch den in Köln, in den Stand gesetzt bin, aus der Klasse der Diebe in
die der Befehlbaren zu treten, bis ich zu der der Bestohlenen gehören
werde, und ein Andenken an meine letzte glänzende Expedition zu
behalten wünschte.
Pietro Machetti.
Anmerkungen
'_ In Antwerpen hatten die Feierlichkeiten am 13. Oktober 1843 in der Börse mit einem
Festbankett für nahezu 500 Gäste begonnen. In Lüttich hatte man die neue Verbindung
am 14. Oktober in Anwesenheit des deutschen Botschafters in Brüssel gefeiert. Am
15. Oktober, vormittags, am Tag der Geburtstagsfeier des Königs von Preußen, hatten
die belgischen Züge die Grenze in Herbestahl überschritten und waren an der
Hammerbrücke in Hergenrath von den deutschen Behördenvertretern feierlich
empfangen worden. Über Aachen ging dann die Fahrt nach Köln, wo bis zum 17.
Oktober alles im Zeichen der neuen Schelde-Rhein-Verbindung stand. Das große Diner,
von dem der Bericht unseres Taschendiebes spricht, fand im Kasino statt. Abends gab
die Harmonie Gesellschaft aus Brüssel ein Konzert im Gürzenich.
?_ Der Aufenthalt in Aachen dauerte nur etwa eine Stunde; den Reisenden wurden zwar
Erfrischungen angeboten, aber es bot sich wohl keine „Arbeitsmöglichkeit“ für unseren
Taschendieb!
60
September
von Maria Theresia Weinert
Das Licht ist sanfter,
wie Gold hinter Bäumen,
Silber im Bach —
Die Drosseln schweigen.
Spinnfäden schimmern,
zaghaft nur duftet .
das Rosenbeet,
die Schatten wachsen.
Rot blühen Disteln,
aber das Birkengrün
ist grau geworden,
die Nesseln wuchern.
Die Tage sind windlos,
ein Vogelzug schreibt
Fragmente ins Blaue,
der Sommer geht.-
62
2. Kannten die Erbauer der „Roetze‘“ die Höhlen und das daraus fließende
Wasser?
3. Wenn ja, dann war die Wasserversorgung der Burg strategisch
ideal. Ab Quelle bis Burgbrunnen unterirdisch.... Vom Feind konnte das
Wasser nicht abgegraben werden.
Der gemauerte Kanal verläuft im Tal, so dass keine großen Erdarbeiten
zu verrichten waren, mit Ausnahme beim Anstieg zur Burg. Ein’
Rutengänger könnte den Verlauf des Kanals feststellen.
Den älteren Raerenern, so schreibt der Präsident des Verkehrsvereins
Raeren, Herr Kurt Scheiff, in einer Veröffentlichung des Vereins, ist die
Höhle unter dem Namen Zwerghöhle bekannt, Sie befindet sich in der *
Nähe des Marienheimes... Besieht man sich den noch erkennbaren
Eingang, so ist unschwer festzustellen, dass er sich in einem stillgelegten
Steinbruch befindet. ... Der Eingang befindet sich auf einer Höhe von
295 m über dem Meeresspiegel. Der Verlauf der Höhle ist horizontal,
jedoch mit kleineren Abstiegen. Von Ost nach West gemessen, beträgt
die Länge ungefähr 67 Meter... Wie auf der Skizze ersichtlich ist, eröffnen
sich uns einige größere Räume und Nebengänge. Im weiteren Verlauf
folgt ein langer schmaler Gang in westlicher Richtung, der wiederum in
einem größeren Saal endet. Wie weiter berichtet wird, gibt es dort
wunderschöne Stalaktiten. Allerdings, so die Höhlenforscher, ist
festzuhalten, dass ein großer Teil dieser Stalaktiten abgebrochen wurden
und sich heute an der Grotte der hl. Jungfrau Maria und am Kreuzweg
des Marienheimes befinden...‘
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17500 np Höfteneingang
Skizze der „Zwerghöhle“ in Raeren
64
Jugendarchäologie in Hergenrath
Freilegung der Fundamente der alten Schule durch die
Jugendlichen des Hergenrather Jugendheims
Ein Bericht von Caroline Leterme, Archäologin, und den
Jugendlichen aus Hergenrath (Leiterin: Mireille Schöffers) in
Zusammenarbeit mit Karl-Joseph Pankert
Bereits Ende des Jahres 2002 entstand bei den Jugendlichen des
Hergenrather Jugendheims die Idee, sich mit Archäologie oder besser
gesagt: mit Ausgrabungen zu beschäftigen. Diese Idee entstand nach der -
Restaurierung der kleinen „Kapelle im Feld“ in Hergenrath in
Zusammenarbeit mit Karl-Joseph Pankert. Dieses Projekt hatte das
Interesse der Jugendlichen an der Geschichte Hergenraths und der
Archäologie geweckt.
Infolge dieses ersten konkreten Projekts fand am 11. Oktober 2002
für die Jugendlichen aus Hergenrath eine Veranstaltung im Saal „Im
Winkel“ zum Thema Archäologie statt. Nach einem Vortrag von Caroline
Leterme, Archäologin im Ministerium der Deutschsprachigen
Gemeinschaft, über die Archäologie und ihre Methoden berichteten Alfred
Bertha und Karl-Joseph Pankert über die archäologischen Funde, die in
der Vergangenheit in Hergenrath gemacht wurden, sowie über die
(vermutlichen) archäologischen Stätten des Ortes.
Im Anschluss an diese Vorträge konnten Caroline Leterme und Karl-
Joseph Pankert den Jugendlichen ein konkretes archäologisches Projekt
vorschlagen: die Freilegung der Fundamente der alten Schule in
Hergenrath. Es handelt sich hierbei um ein gemeinsames Projekt des
Hergenrather Jugendheims und des Archäologischen Dienstes der
Abteilung Kulturelle Angelegenheiten des Ministeriums der
Deutschsprachigen Gemeinschaft. Die Regierung der Deutschsprachigen
Gemeinschaft, namentlich Minister Hans Niessen, und die Gemeinde
Kelmis unterstützen finanziell dieses Jugendprojekt.
Die alte Schule in der Mühlenstraße
Die Überreste dieser Schule befinden sich in der heutigen Mühlenstraße
(Katasterparzelle Gemeinde Kelmis — Gem. 3 Hergenrath — Flur D — Nr.
402B, 341 und 342). Diese Schule, eigentlich das zweite Schulgebäude
65
in der Schulgeschichte Hergenraths, lag auf halbem Weg zwischen der
damaligen Kirche (am heutigen Friedhof) und dem Königshof.
A. Bertha berichtet, dass ein Protokoll einer Einwohnerversammlung
vom 12. Dezember 1756 den frühesten bisher bekannten Hinweis auf
eine Schule in Hergenrath liefert. Der Pfarrer hatte die Gemeinde gebeten,
dem Schulmeister etwas Brand für die Schule zu stellen.'
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Katasterauszug von 1827 mit genauer Lokalisierung der alten Schule
66
Zu Beginn der preußischen Verwaltung (1815-1920) waren die
Schulverhältnisse in Hergenrath sehr zerrüttet; in einem Schreiben von
November 1817 beklagte sich der Hergenrather Bürgermeister
Schrijnmecker bei dem Landrat in Eupen über den sehr schlechten
Zustand des Schulgebäudes?. Die Gemeinde bat den Landrat, „er möge
bei der Regierung in Aachen für sie intervenieren und eine Beihilfe von
600 Talern zur Erbauung einer neuen Schule erwirken‘“?. In einem
Verwaltungsbericht vom Dezember 1817 schrieb der Bürgermeister: „Das
Schulhaus ist in einem finsteren, sumpfigen Orte gelegen“; es könne kaum
als solches gebraucht werden. Der Lehrer bewohne dieses Haus in Pacht.
Die Mittel zur Erbauung eines neuen Schulgebäudes seien aber „weder
vorhanden noch wegen dürftiger Umstände aufzubringen“.
Wir wissen aber nicht, wo sich dieses erste Schulgebäude damals
befunden hat. Die Überlieferung weiß heute nur noch von der Schule im
sogenannten Punzen- oder Ponzenwinkel zu berichten.” A. Bertha
schreibt, dass die Gemeinde das „Ponssen-,, bzw. „Punzenhäuschen“ erst
1825 von den Erben Berners erworben hatte. Zu dieser Zeit war dieses
Schulgebäude auch in einem sehr schlechten Zustand. Zu der Ortslage
dieser Schule berichtet A. Bertha : „Von der Kirche, am heutigen Friedhof
gelegen, führte ein Wiesenpfad, der in den Königshof mündete, zur Schule.
Diese muss etwa auf halbem Weg zwischen Altenberger Straße („Gut an
der alten Kirche“) und dem Königshof gelegen haben‘“®.
Am 8. November 1838 beschloss der Gemeinderat den Bau eines neuen
Schulhauses in Angriff zu nehmen. Diese neue Schule’ wurde 1840-41
am „Pley“‘, wo „die meisten Häuser zusammenliegen“ fertiggestellt. Die
Schulklasse war im Erdgeschoss und die Lehrerwohnung im
Obergeschoss untergebracht.
Eine erste Sondierung an der vermuteten Stelle der alten Schule
Zeitzeugen, die die Fundamente des Schulhauses „Ponssen-‘““ oder
„Punzenhäuschen“‘ noch gesehen haben, vermuteten die Reste der Schule
irgendwo auf halbem Weg zwischen der Altenberger Straße und dem
Königshof entlang eines ehemaligen Fußwegs. Der Landmesser Ghislain
Schöffers konnte für uns anhand dieser Zeitzeugen und vor allem eines
Katastersauszugs aus dem Jahr 1827 die mögliche Fundstelle etwas
genauer lokalisieren.
Am 29. November 2003 war es soweit: unter der Leitung der
Archäologin C. Leterme nahmen etwa zehn begeisterte Jugendliche des
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Erste Spatenstiche an der vermuteten Lage der alten Schule
am 29. November 2003 (Foto: C. Leterme, MDG)
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Die zahlreichen fleißigen Jugendlichen an der Arbeit (Foto: C. Leterme, MDG)
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Hergenrather Jugendheims an einer ersten Sondierungsgrabung an der
vermuteten Stelle der alten Schule in Hergenrath teil. Ziel dieser
Sondierung war zu überprüfen, ob die Überreste des Gebäudes sich
tatsächlich an der vermuteten Stelle befanden und erste Auskünfte über
diese Fundamente zu sammeln.
Um 10.00 Uhr begannen die Jugendlichen mit Spitzen und Hacken,
mit Schaufeln und Schubkarren die Grabungsarbeiten. Im Frühnachmittag
wurden ihre Anstrengungen von Erfolg gekrönt: wir stießen auf die
Fundamentmauer. Diese haben wir auf einer Breite von zwei Metern
freigelegt und gegen 16.00 Uhr konnten wir mit Stolz das Resultat unserer
Arbeit betrachten. Anschließend wurde noch die Grabungsstelle mit
Gittern gesichert, bevor die Jugendlichen zufrieden (und sicherlich müde) ”
nach Hause gehen konnten.
Weitere Grabungen und Projekte
Ab April bzw. Mai 2004 werden wir unsere Grabungen fortsetzen.
Wir hoffen, bis November 2004 die alten Fundamente der Schule
vollständig freigelegt zu haben. Im Rahmen dieses Jugendprojekts werden
wir höchstwahrscheinlich an dem europäischen Wettbewerb „European
Kids’ Trophy 2005“, einem Wettbewerb der besten Projekte im Sinne
einer kinder- und jugendfreundlichen Dorferneuerung, teilnehmen.
Intention dieses Wettbewerbes ist es, das Interesse und das Engagement
für die Belange und Bedürfnisse der Kinder und Jugendlichen in den
ländlichen Räumen Europas und deren aktive Beteiligung an örtlichen
Entwicklungsentscheidungen und -prozessen zu fördern und zu
unterstützen.
Darüber hinaus ist auch eine Zusammenarbeit mit der Gemeindeschule
in Form von Ortsbesichtigungen für die Schüler vorgesehen. Unsere
aktuellen Grabungstätigkeiten der alten Schule in Hergenrath bieten in
der Tat eine einmalige Gelegenheit, um geschichtliche Aktionen
(Erläuterungen zur Archäologie, Geschichte des Unterrichtswesens in
Hergenrath, Entwicklung des Dorfes während der letzten Jahrhunderte,
usw.) mit den Kindern des Dorfes vorzunehmen.
Zusammenfassend möchten wir mit diesem Projekt nicht nur die
Jugendlichen für die Archäologie und die Geschichte ihres Dorfes
sensibilisieren, sondern wirklich das ganze Dorf in diesen Prozess
einbinden.
VAN
Hans Kaldenbach
Ein Kelmiser setzte Akzente als Garten-
und Landschaftsarchitekt
von Alfred Bertha
Seit mehr als 500 Jahren ist der Name Kaldenbach/Caldenbach in
unserem Raum vertreten. Gerhart van Kaldenbach begegnet uns von 1496
bis 1533 sehr häufig in den Lehnsregistern der propsteilichen
Mannkammer des Aachener Marienstiftes. Er besaß Ländereien in Raeren,
Astenet und Kettenis und war viele Jahre Drossard von Walhorn und
Forstmeister zu Limburg.
Es ist natürlich nicht möglich, eine direkte Linie von diesen ersten
uns bekannten Trägern dieses Namens bis auf die heute lebenden
Kaldenbach zu ziehen. Dazu fehlen die notwendigen Unterlagen, wie
Kirchenbücher oder notarielle Urkunden. In diesem Beitrag geht es auch
nicht um die Genealogie der Familie Kaldenbach, die wir hier nur kurz
streifen wollen.
Das neutrale Gebiet von Moresnet, das heutige Kelmis, erlebte im 19.
Jahrhundert infolge der aufblühenden Zinkindustrie und der damit
verbundenen Arbeitsmöglichkeiten einen sehr schnellen
Bevölkerungsanstieg. Auf Krickelstein war gegen Ende des 19.
Jahrhunderts die Familie Kaspar Kaldenbach und Elisabeth Strang
ansässig. Er war geboren am 10.3.1839 in Hergenrath, sie am 1. April
1842 in Kornelimünster. Geheiratet hatten die beiden am 20.8.1874 in
Neutral-Moresnet. Die Eltern dieses Kaspar Kaldenbach waren Franz
Wilhelm Kaldenbach und Anna Katharina Kever (Hauset).
Am 17. April 1880 wurde den Eheleuten Kaldenbach-Strang auf
Krickelstein ein Sohn geboren, den man ebenfalls auf den Namen Kaspar
taufte und der am 28.11.1901 in Aachen die aus Sommerrein b. Wien
stammende Therese Kaufmann heiratete. Aus dieser Ehe gingen 8 Kinder
hervor, wovon das älteste, ein Sohn, am 11.3.1903 das Licht der Welt
erblickte und auf den Namen Johann (Hans) getauft wurde.
Nach dem Besuch der durch Ordensschwestern geleiteten Volksschule
lässt der von Hans Kaldenbach selbst mit den Eckdaten versehene
Lebenslauf eine kleine Lücke. Erst 1919 beginnt der nun 16-Jährige eine
Lehre bei dem bekannten Aachener Gartenarchitekten Theodor Ott.
72
Anschließend besucht er in Abend- und Sonntagsstunden die
Kunstgewerbeschule Aachen (Professor Karow), beginnt aber auch eine
weitere Lehre bei Theodor Ott im technischen und kaufmännischen
Bereich sowie in der Landschaftsgärtnerei. Nach der Lehre wurde er bei
Ott weiterbeschäftigt und war schließlich 1929 Leiter des Entwurfsbüros
und Vertreter des „Chefs“.
Am 1. Mai 1929 nahm Hans Kaldenbach eine selbständige Tätigkeit
auf: Unter der Firma „H. Kaldenbach und M. Steffens, Gartenarchitekten
BDGA“ betrieb er ein Entwurfsbüro und übernahm die Ausführung von
gärtnerischen Anlagen.
Von Mai 1941 bis März 1946 unterbrach der Krieg seine Tätigkeit.
1946-1948 arbeitete Hans Kaldenbach als Techniker bei der "
Straßenbaufirma Wilhelm Peters (Aachen), von 1948-1958 als technischer
Leiter in derselben Firma.
1958 nahm Hans Kaldenbach seinen Beruf als freier Garten- und
Landschaftsarchitekt wieder auf.
15 größere Friedhöfe,
3 Soldatenfriedhöfe,
4 Sportanlagen,
80 Privatanlagen und
10 Großanlagen der Stadtbegrünung listet er als Verwirklichungen auf.
Schon 1955 hatte Hans Kaldenbach sich am Wettbewerb zur
Neugestaltung des Elisengartens beteiligt und dabei den 1. Preis
gewonnen. Die Stadt vertraute ihm dann die Oberleitung und Ausführung
der Arbeiten an.
Den öffentlichen Aufträgen waren manche Arbeiten auf privaten
Anwesen vorauf gegangen. Nennen wir nur das Anwesen Dr. H. Krantz
in Richterich-Ursfeld (1956) oder das Anwesen Anton Schmaus in
Eilendorf (1958). Solche Arbeiten hatten die Aufmerksamkeit auch der
verantwortlichen Stellen in den Stadtbauämtern geweckt.
Den ersten großen Plan für die Stadt Aachen legte Hans Kaldenbach,
wie schon gesagt, 1955 vor. Es galt, dem Elisengarten, dessen
Erstgestaltung auf Peter Joseph Lenne (Mitte 19. Jh.) zurückging, ein
neues „Gesicht“ zu geben. Vor allem sollte die neue Gaststätte mit der
Terrasse eine „großzügige Freifläche“ bekommen, der Garten selber
„Licht und Luft“ haben. Die Stadt zeigte sich begeistert von den
Vorschlägen und Ideen Kaldenbachs und ließ das Projekt mit nur wenigen
Änderungen durchführen.
74
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Stadt“, „ein grünes Schmuckstück im Stadtzentrum Aachens“, „eine der
schönsten und repräsentativsten Anlagen“: So oder ähnlich lauteten die
Kommentare.
Eine viel beachtete Aufwertung erfuhr auch das Burtscheider
Kurviertel, dessen Grünanlagen 1962-1969 nach Plänen von Hans
Kaldenbach und unter seiner Oberleitung neu gestaltet wurden. Dazu
die Presse: „Dem Aachener Garten- und Landschaftsarchitekten Hans
Kaldenbach war die Planung für die Neugestaltung des Burtscheider
Kurparks übertragen worden. So wurde eine harmonische
Übereinstimmung mit den Kuranlagen entlang der Dammstraße
gewährleistet, die ebenfalls von Kaldenbach entworfen
wurden....‘“Kurgarten wurde ein Kleinod“, titelte die Presse gelegentlich
der Einweihung des Kurparks am 9.6.1969.
Beeindruckend ist die Zahl der durch Hans Kaldenbach neu gestalteten
Friedhöfe und Ehrenmale.
In einem Beitrag für die AVZ vom 2.4.1960 legte Kaldenbach seine
Gedanken zur Umgestaltung des Monschauer Friedhofes dar. „Heute ist
ein Friedhof nicht mehr die geometrisch aufgeteilte Beerdigungsfläche.
Die Grabfelder entwickeln sich aus dem Gelände und sind in mehrere
kleine Grabflächen aufgeteilt, die durch entsprechende Bepflanzung zu
intimen Räumen ausgebildet werden...“ Diese Gedanken fanden auch
bei seinen übrigen Planungen ihren Ausdruck.
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76
Hans Kaldenbach hinterließ seine Handschrift u. a. in Lammersdorf
(1961), Höfen (1961), Oberforstbach-Schleckheim-Nütheim (1958), in
Mützenich (1960), Simmerath und Schleiden, am Ehrenfriedhof in
Kornelimünster (1953), am Ehrenmal in Eilendorf (1957, in Erkelenz
und in Monschau (1961).
Zum Lammersdorfer Friedhof schrieb die Presse, was dort im Herzen
des Dorfes sozusagen als beherrschender Grünkern der Ortslage unter
der Planung von Hans Kaldenbach geschaffen wurde, sei mustergültig.
„Weder im Kreis Monschau, noch im Nachbarkreis Schleiden dürfte ein
solcher Friedhof noch einmal zu finden sein.“
Besonders stolz sind auch die Eilendorfer auf ihren von Hans
Kaldenbach umgestalteten Friedhof an der Nirmerstraße (1961).
Auch Sportplatzanlagen wurden von dem Landschaftsarchitekten
Kaldenbach gestaltet. Nennen wir nur die Anlagen in Eilendorf an der
Brander und der Rathausstraße sowie in Vaalserquartier. Hier, an der
Grenze zu den Niederlanden, galt es, ein 18.000 m? großes Gelände mit
Sport- und Grünanlagen so zu gestalten, dass „der in die Landschaft
eingebaute Platz“ durch Anpflanzung von 50 großkronigen Laubbäumen
und 2000 einheimischen Gehölzen und Blütensträuchern „in die
Umgebung hineinwachsen“ konnte.
Als Eilendorf die Anlage eines ersten Kinderspielplatzes beschlossen
hatte, war es wiederum Hans Kaldenbach, den man mit der Ausarbeitung
dieses Projektes auf dem Gelände an der Ecke Bahnhof- und
Hermannstraße beauftragte. „Man kann gewiss nur staunen“, so die
Presse, „wenn man den neugeschaffenen prächtigen Kinderspielplatz
betritt: Ja, hier möchten die Erwachsenen gerne noch einmal Kinder
SEM.
In Erkelenz, wo schon die Friedhofshalle nach den Plänen des
bekannten Architekten gebaut worden war, erhielt dieser den ehrenvollen
Auftrag, auch das Burggelände am Erka-Burgturm neu zu gestalten
(1960). Hier sollte eine Oase der Ruhe und des Wohlbehagens entstehen.
In Monschau bat man ihn 1960, den Grünanlagen am St. Michael-
Gymnasium ein neues Aussehen zu geben. Auch hier entledigte er sich
des Auftrags mit allseits gelobtem Erfolg.
Auch im belgischen Raum war der Aachener Architekt kein
Unbekannter. So entstand z. B. die Tennisanlage im Bäderort
Chaudfontaines nach seinen Plänen.
Diese Beispiele mögen genügen, um die Vielseitigkeit des Garten-
und Landschaftsarchitekten Hans Kaldenbach zu illustrieren.
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Bahn frei für ein Kinderparadies
erster Spielplatz eröffnet - Er soll ein guter Anfang sein
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Man wusste also nicht nur in Aachen, die hervorragenden Leistungen
Kaldenbachs zu schätzen. Dennoch blieb der Landschaftsarchitekt
Kaldenbach bescheiden. Glücklich war er, wenn er in seinen Mußestunden
die Geige hervornehmen konnte (das Geigenspiel hatte er in Kelmis bei
Schumacher gelernt) oder — ein weiteres Steckenpferd — ein schönes
Bildmotiv in Ol auf Leinwand festgehalten hatte.
Hans Kaldenbach, der seinen Lebensabend in der Eupener Straße in
Aachen verbrachte, starb überraschend am 11.4.1987 auf Tülje im Hause
seiner dort lebenden jüngsten Schwester Maria Cambresier-Kaldenbach.
Die Ehe mit der ebenfalls aus Neutral-Moresnet stammenden Sibylla
Gouder de Beauregard war kinderlos geblieben.
79
Dass die Kirmes ausgiebig gefeiert wurde, belegt eine Einladung aus den
Unterlagen der Vieille Montagne aus dem Jahre 1857, woraus hervor geht,
dass die Feierlichkeiten sich über zwei Tage hinzogen und mit Artilleriesalven,
einem Festival der Harmonien, Gesang, Konzerten, einem Schützenfest für
Bogen- und Kugelgewehrschießen, Volksspielen, Klettermast, Sackhüpfen und
Karussells alle Volksschichten ansprach. Ihren Abschluss fand die Kirmes
mit einem großen Ball im Kasino und einem Feuerwerk.
Zum gemeinschaftlichen Geschicklichkeitsspiel, dem Schinken- oder
Fleischwerfen, wurden in den Anzeigen die Kirmesbesucher angelockt. Zudem
erwartete den Gewinner zur Belohnung ein saftiger Schinken oder ein gutes
Stück Fleisch.
Der genaue Auslöser zur Kelmiser Kirmes ist nicht bekannt. Zu vermuten
ist, daß sich diese unter der Mitwirkung der Vieille Montagne aus verschiedenen
Schützenfesten herausgebildet hat und als Höhepunkt aller Feste galt.
Die Kirmes findet seit jeher am 2. Wochenende im September statt. Der
Volksmund weiß die Wahl des zweiten Wochenendes damit zu begründen,
dass die Bergewerksgesellschaft der „Vieille Montagne“ jeweils am 2.
Wochenende im Monat die Bergarbeiter entlohnte. Dieser Umstand soll dazu
beigetragen haben, die Kirmes auf dieses Wochenende zu legen. Geschichtlich
belegt ist, dass die Bergwerksgesellschaft — größter Arbeitgeber - anlässlich
der Kirmes am Schützenlokal zum Wettschießen einlud.
Zudem erhielt jeder Grubenarbeiter bei der Auszahlung der Löhne zur
Kirmes einen Gutschein für 2 Freibier.
Das Wort „Kirmes“ wird im Nachschlagewerk immer in Zusammenhang
mit “Kirche und Messe (= Markt, Handelsmesse)‘“ bzw. dem Kirchweihfest,
genannt. Verbindungen zum Kirchweihfest, im Verbund mit dem Fest der
Schutzpatronin der Pfarrei Mariä-Himmelfahrt, das Mitte August gefeiert wird,
sind in Kelmis jedoch nicht bekannt. Auch lässt sich keine Verbindung zwischen
der 1845 erbauten Kapelle (in der Kapellstraße) und den Kirmesfeiern
herstellen.
Im weiteren Verlauf ist aus der Ausgabe der Aubeler Zeitung „Die Fliegende
Taube“ vom 14.09.1907 zu entnehmen, dass die Kirmes groß gefeiert wurde.
Allerhand stand auf dem Programm, wie aus großflächigen Kirmesanzeigen
zu entnehmen ist. Für diverse Tanzvergnügen, Konzerte und Variet&-
Veranstaltungen, sowie für einen humoristischen Redewettstreit und vieles
mehr wurde geworben. Nicht zu vergessen der Schießsport, wie aus den
Anzeigen zum Preisschießen der Altenberger St. Barbara Sebastianus Schützen
Gesellschaft, dem Preisschuss der Altenberger St. Paulus Schützen und dem
Schießwettstreit der St. Hubertus Schützengesellschaft zu ersehen ist, die
” anlässlich der Kirmes zum Preis- oder Vogelschuss einluden.
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bis 1 Uhr, nadınittags von 4 Uhr bis halb 8 Uhr, im neuerbauten
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„und zur Kirmes 1903.
84
Ferner geht aus einer weiteren Anzeige hervor, dass die 1879 gegründete
Karnevalsgesellschaft „Ulk‘“ zur närrischen Friedens-Konferenz einlud,
verbunden mit einem Umzug durch die Ortschaft. Gefeiert wurde in einem
großen Festzelt auf der Festwiese an der Hasardstraße. Zu diesem Fest zeigte
außerdem die Altenberger Turngemeinde ihre turnerischen Leistungen.
Dies alles in einer Zeit, in der das heutige Kelmis noch als „Neutrales
Gebiet von Moresnet‘“ oder, vor allem bei Auswärtigen, auch unter dem
Namen der Erzgrube, nämlich „Altenberg‘“ bekannt war.
Beim Stichwort „Kirmes“ werden zahlreiche Erinnerungen bei den heute
im vorgerückten Alter stehenden Mitbürgern wach. Diese Eindrücke möchten
wir unsern Lesern gerne weitergeben.
Die Kelmiser Kirmes war noch in der Zwischenkriegszeit das Ereignis |
des Jahres, zu dem sich die ganze Familie zusammen fand. Freunde und
auswärtige Arbeitskollegen vom „Berg‘ wurden eingeladen. Beim Pflaumen-
und Apfelfladen, den man beim Bäcker backen ließ, wurden am
Sonntagnachmittag die Kontakte gepflegt. In allen Wirtschaften und Sälen
(es existierten ungefähr 10 Säle und 50 Wirtschaften, z. B. Reinartz, Astoria
und Bergerhoff (Select)/Lütticher Straße, Schützenlokal/Schützenstraße,
Everts/Bachstraße, Hack/Kirchstraße, Patronage und Eden/Patronagestraße,
Schöffers/Bergstraße und noch eine Anzahl kleinere. Es herrschte
Hochbetrieb. Mit dem Schifferklavier wurde musiziert und sich amüsiert,
wodurch die Last des Alltages für einige Stunden abgestreift wurde.
An drei Stellen wurde zur damaligen Zeit zeitgleich die Kirmes gefeiert.
Ein großer zentraler Kirmesplatz wie heute bestand noch nicht. Der erste
Teil war am „Dörnchen“‘, der heutigen Kreuzung Bachstraße-Parkstraße,
wo bei der Gaststätte Everts der Kelmiser Schausteller Thomas Lemoine
sein vom Pferd angetriebenes Kettenkarussell aufgebaut hatte. Später wurde
dieses durch die Muskelkraft der kirmesbegeisterten Jugendlichen
angetrieben. Mit Sackhüpfen und vor allem einem Froschrennen wurde in
diesem Ortsteil die Kirmes gefeiert. 1931 gastierte dortselbst zur Kirmes der
Zirkus „Anglo Belge*“‘.
Der zweite Teil der Kirmes spielte sich auf dem Vorplatz der Kelmiser
Kirche sowie vor dem heutigen Gemeindehaus ab. Dort betrieben einige
Schausteller ihre Buden und Karussells, darunter das legendäre Etagen -
Pferdekarussell von Elise und Emil Hülster. Diese Familie hat in Kelmis
den Grundstein zu einer Schausteller-Dynastie gelegt.
Besagtes Etagen-Pferdekarussell wurde durch eine alte Dampfwalze
angetrieben. Dieses beeindruckende Ungetüm von Dampfwalze hatte die
Schaustellerfamilie in Wuppertal gekauft und für ihre Zwecke umrüsten
85
lassen. Diese Walze diente ebenfalls als Zugmaschine für das Fahrgeschäft.
Wenn der Konvoi sich der bevorstehenden Kelmiser Kirmes näherte, wurde
die schnaufende und pfeifende Dampfwalze bereits durch die Kinder weit
vor der Ortsgrenze erwartet und zum Kirmesplatz begleitet. Unter den
erwartungsvollen Blicken konnte das beliebte Karussell aufgebaut werden.
Diese außergewöhnliche Zugmaschine zog damals bereits 3 Anhänger. Auf
dem Letzten wurden die Briketts transportiert. Selbst auf der Kirmes
beherrschte die alte Dampfwalze das Geschehen. Jede bevorstehende Fahrt
wurde mit einem lauten Pfeifton eingeläutet, denn der Dampfkessel der alten
Walze trieb auch das Karussell an. Mit einer großen Pauke, viel Rabatz und
Orgelmusik wurden die Kirmesbesucher angelockt.
Der dritte Teil der Kirmes stand dann auf der Lütticher-Straße vom
Schwarzen Weg aus bis hin zur Hasardstraße. Dort wusste uns unsere reifere
Generation von einer großen Schiffsschaukel mit 12 Gondeln zu berichten,
die, der damaligen Zeit entsprechend, ebenfalls mit einer alten Orgel
ausgestattet war. Auch das Fahrrad-Karussell zum Mittreten erfreute sich
großer Beliebtheit, sowie auch das „Teufelsrad‘“, das vielen bis heute
unvergesslich geblieben ist. Das in Kegelform gebaute Karussell, worauf
die Benutzer ihre Geschicklichkeit unter Beweis stellen konnten, war stets
umlagert von Schaulustigen. Zum Sieger proklamiert wurde derjenige, der
sich zur Gaudi der Zuschauer bei immer schnelleren Bewegungen noch in
der Mitte halten konnte, während die Mitkonkurrenten herunterpurzelten.
Eine bekannte Persönlichkeit auf der Kirmes war seid 1923 der Eismann
„Antoine“ (Caira), ein Kelmiser Original. Mit seinem bunten, vom Pferd
gezogenen Eiswagen, sorgte er für leckere Erfrischungen. Im Jahre 1963
wurde Antoine, (unter diesem Vornamen kannten ihn alle), beim Empfang
der Schausteller durch die Gemeindeväter für seine 40jährige Treue zur
Kirmes ausgezeichnet. Gleichzeitig wurden die Schausteller Van Dooren
und Foulon für ihre 30jährige Teilnahme geehrt.
Viel Vergnügen hatten die Kinder und sparten dabei auch noch gleichzeitig
Geld beim Kinderkarussell vor dem Cafe Kerris/Lütticher Straße, wo dieses
Karussell mit der Muskelkraft von bis zu 6 Kindern angetrieben wurde. Diese
kletterten in den Dachbereich des Karussells, von wo aus sie dieses in
Drehungen versetzen. Zur Belohnung gab es für 10 Runden Arbeit 2
Freikarten.
Des weiteren ist die farbenprächtige „Raupenbahn“ als Treffpunkt der
Jugend vielen bestimmt noch in Erinnerung geblieben. Auch das
„Hippodrom“ mit seinen lebenden Pferden gehörte einfach zur Kirmes,
ebenso der „Hau den Lukas“.
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Das Tischkegelspielen, die Schieß - und Verlosungsbuden, die Wahrsager
und Gaukler bestimmten damals bereits das Kirmesgeschehen. Für 25
Centimen gab es die begehrten Glückstütchen.
Mit 2 Franken Kirmesgeld für die Jugend war ihr Etat knapp bemessen,
Gelegenheitsarbeiten waren gefragt, um diesen bescheidenen Kirmesetat
aufzubessern.
Mit der Elektrifizierung brach auch für die Kirmes eine neue Ära an. Die
auswärtigen Kirmesgäste reisten mit der „Elektrischen‘ (Straßenbahn) an.
Sie wurde am 27.03.1907 eingeweiht. Von Aachen kommend, hatte sie ihre
Endstation direkt am Kirmesplatz, vor der Gaststätte „Terminus“. Auch das
Automobil brachte weitere Gäste aus entfernteren Orten nach Neutral-
Moresnet. .
Anfangs wurden der Festplatz und die Festsäle mit Petroleumsleuchten
oder Kerzenlicht in ein dämmeriges Licht getaucht. Zur Ausschmückung
wurden zu jener Zeit die Festsäle mit phantasievollen und bunten Lampions
(z. B. der Aachener Fahnenfabrik Hugo Kahr) dekoriert.
Blitzblank präsentierte sich die Ortschaft zum Fest des Jahres. Zum
Flanieren auf der Kirmesmeile zeigten sich die Besucher bei diesem
gesellschaftlichen Ereignis in „gepflegtem Äußeren‘.
Manchen wird wohl eine Tatsache unbekannt sein: das Kirmeswochenende
nahmen viele Paare zum Anlass, um sich trauen zu lassen, so verbanden sie
die beiden Festlichkeiten miteinander.
Anlässlich der Kirmes weiß die „Fliegende Taube‘ im Jahre 1929 zu
berichten von einem Kirmesball in der Gaststätte und Saal „Zur grünen
Wiese*‘, Inhaber Schöffers.
Erster Autoscooter
Aus dem weiteren geschichtlichen Verlauf zur Kirmes wurde uns vom
Bau des ersten „Autoscooter‘ im Jahre 1930 berichtet, nach Plänen und
Ideen der Kelmiser Schaustellerfamilie Hülster und unter Mithilfe von
Kelmiser Handwerkern, die das neue Fahrgeschäft anfertigten. Es sollte eine
Premiere in der Provinz Lüttich werden, da solche Fahrgeschäfte in Belgien
bislang nur in sehr geringer Stückzahl existierten. Acht Monate sollte die
Konstruktion des „Auto Scooter“ dauern. Schreinermeister Joseph Soiron
zimmerte das Holzwerk. Die Eisenarbeiten wurden bei der Autowerkstatt
Theodor Ohn in Angriff genommen. Für die Schnitzarbeiten konnte Hans
Evertz gewonnen werden. Der bekannte Kelmiser Maler Paul Schanwell
übernahm die farbliche Ausschmückung. Gewerkelt wurde in der
Bruchstraße (im Winterdepot des Schaustellers) sowie im alten Tanzsaal bei
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Hack in der Kirchstraße (hinter der heutigen Dexia-Bank). Sechs Wochen
sollten noch bis zur Vollendung vergehen, ehe alle Teile ineinander gebaut
waren, und der 22 x 11 Meter große Scooter nach und nach auf dem Kirchplatz
aufgebaut werden konnte. Die Scooter-Wägelchen waren im fernen Amerika
beim deutschen Auswanderer Lutz gebaut worden. Die Familie Hülster hatte
sie als Gelegenheitskauf erstanden. In der Werkstatt Theodor Ohn wurden
sie auf den letzten Stand gebracht. Für die Stromerzeugung wurde ein
englischer Dieselmotor angeschafft. Dieser trieb den Generator an, der eine
Stromleistung von 110 Volt Gleichstrom erbrachte, was eine ausreichende
Stromversorgung des gesamten Scooters gewährleistete. Seine Feuertaufe
bestand das neue Fahrgeschäft zur Kelmiser Kirmes 1930, wobei diese
einmalige Attraktion von Schaulustigen aus nah und fern bewundert wurde,
während sie erstmalig ihre Runden drehten. Drei Franken kostete bereits
eine Fahrt, eine stolze Summe für die damalige Zeit. (Bestehen
Vergleichsmöglichkeiten zum Verdienst eines Arbeiters?) Die Eigentümer,
Vater Emil und Sohn Willy Hülster, bereisten dann die ganze Provinz Lüttich,
bis hin nach Luxemburg, und das neue Fahrgeschäft feierte große Erfolge.
Im Autoscooter darf bekanntlich jeder das, was im normalen Straßenverkehr
verboten ist: Nach Herzenslust andere Autos rammen, links fahren, etc., was
nicht unerheblich zum Reiz dieser Kirmesattraktion beiträgt.
Alles wurde durch Lkw‘s der Marke „Dixis‘“ mit Kettenantrieb und
Vollgummirädern transportiert. Drei volle Tage benötigten damals 6 Arbeiter
für den Aufbau des Scooters.
Im Laufe der Jahre wurden für die heranreifenden Kinder der Familie
Hülster noch 6 weitere „Autoscooter‘ bei Kelmiser Handwerkern in Auftrag
gegeben. Auf dem ersten Scooter sorgte noch die alte Orgel der Firma Ruth
und Sohn, auf einem speziellen Wagen montiert, für die Musik. Diese hatte
ursprünglich zum Pferdekarussell gehört, welches nun in einer Zeit der
Modernisierung ausgedient hatte.
Während der Kriegsjahre ruhte das Kirmestreiben. Jedoch nach Kriegsende
baute die Familie Hülster ihren Scooter für einen längeren Zeitraum neben
ihrem Wohnsitz an Jansmühle auf. Es war am Wochenende ein Treffpunkt
für die Jugend, bevor die Kirmesplätze wieder angefahren wurden.
Eigene Kirmes in Neu-Moresnet
Der Ortsteil Neu-Moresnet hatte seine eigene Kirmes. Vor dem 2. Weltkrieg
zeichnete der Neu-Moresneter Reiterverein für die Kirmes im Mai verant-
wortlich. Zum Kirmestreiben an der Wiese bei Bosch gehörten Karussells,
es fanden Geschicklichkeits- und Reiterspiele statt.
88
Nach dem 2. Weltkrieg kam es Ende der 40er Jahre zu einer kurzen
Wiederbelebung der Kirmes durch die „Kgl. St. Nikolausschützen‘“ aus Neu-
Moresnet, die diese mit ihrem Vogelschuss am Caf& Pohlen - an Tülje - im
Festzelt feierten. Anfang der fünfziger Jahre soll die Gemeinde Neu-Moresnet
versucht haben, diese Tradition wieder zu beleben, auf dem Platz an der
Hasardstraße, dem heutigen Gemeindelager, allerdings mit wenig Erfolg.
Seit wann die Neu-Moresneter und die Kelmiser ihre Kirmes gemeinsam
feiern, ist nicht mehr genau festzustellen.
Lose für den Denkmalbau
1946 wird im Voraus-Bericht des „Grenz Echos“ zur Kelmiser Kirmes
mitgeteilt, dass zum Besten des Ehrenmals auf dem Kirchplatz eine „Bude‘“ ,
(Losbude) errichtet werde, „in der bekannte Karnevalisten den Verkauf
übernehmen. Sie ist mit wertvollen Sachpreisen gefüllt, die von
Geschäftsleuten gespendet wurden. Durch das Glücksrad werden die
Gewinner ermittelt.“
Zum Denkmal auf dem Kirchplatz ist bekannt, dass der erste Stein am
11.11.48 gelegt wurde. Die feierliche Einweihung fand am 29.05.49 statt.
Hierzu hatte sich ein Komitee der örtlichen patriotischen Vereinigungen
gebildet, um Mittel für den Bau des Denkmals aufzutreiben.
Nachkriegsentwicklung
Erst nach dem Hochamt wurde am Sonntagmorgen die Kirmes formlos
eröffnet und dauerte drei Tage.
Aus dem Jahre 1948 weiß uns das Grenz Echo zu berichten, dass der
„Cercle Musical“ gelegentlich der Kirmes zum ersten Kirchgang einlud.
Aus einem Grenz Echo Artikel von Freitag, dem 17. September 1948,
erfahren wir, dass Kirmesdienstag am Schützenlokal zum Bau des
Ehrendenkmals ein gut organisierter Vogelschuss mit reger Teilnahme
stattfand. Ebenso können wir lesen, dass am Mittwoch zum „fachmännischen‘“‘
Abschluss der Kirmes noch einige Unverbesserliche, stampfend und rollend
wie ein Dreimaster bei hohem Seegang, den Schinkenknochen zu Grabe
trugen. Über den Kirmesabschluss hinaus zogen mittwochs nochmals
Nimmermüde, von männlichem Geschlecht, von Wirtschaft zu Wirtschaft
(ohne einen besonderen Ablauf), um die Kirmes nun endgültig ausklingen zu
lassen. Bereits vor dem 2. Weltkrieg soll diese Sitte bestanden haben.
Kirmes auf dem Kirchplatz N
Nachdem die tiefer liegende Wiese am Kirchplatz, hinter dem Denkmal,
mit Schutt aufgefüllt und nun dort ein richtig großer Platz entstanden war,
89
diente dieser ab Anfang der 50er Jahre als Kirmes- und Marktplatz sowie als
Standort für zahlreiche große internationale Zirkusse (u. a. Bouglione), welche
die Zeit zur Erledigungen der Grenzformalitäten am Zollamt „Tülje“‘ zu einem
eintägigen Gastspiel nutzten.
1950 ist die erste Erwähnung, dass der „Cercle Musical‘ zur Kirmes-
eröffnung bei seiner musikalischen Begleitung unter anderem am Krieger-
denkmal die Nationalhymne spielte.
Eine besondere Attraktion zur Kelmiser Kirmes war das in Roulers
(Flandern) gebaute „Autodrom“‘“ des Kelmiser Schaustellers Fritz Bosch.
Von 1955 bis 1962 (bis zur Aufgabe des Gewerbes) hatte dieses 32 X 18
Meter große Fahrgeschäft seinen festen Platz auf der Kirmes. Mit Gleichstrom
betrieben, verkehrten 12 Wägelchen auf einem Rundkurs, in der Art der
„Kartingbahnen“‘. Fünf Lkw‘s der Marke „Grosley“ mit je 2 Anhängern und
jeweils 20 Tonnen Gewicht waren vonnöten, um das Fahrgeschäft zu den
hiesigen Kirmesplätzen und bis nach Lüttich zu befördern.
Anfangs der 60er Jahre wurde die Siedlung P. Kofferschläger gebaut und
die erste Straße führte über den Kirchplatz. Dann siedelten sich zu Beginn
der 70er Jahre 2 Kaufhäuser und weitere Bauten auf dem Kirchplatz an,
auch wurde die Poststraße angelegt und das Abhalten der Kirmes gestaltete
sich immer schwieriger.
Welche Hektik herrschte an den Donnerstagen vor Kirmes, wenn der
damals noch umfangreiche Wochenmarkt abgebaut werden musste und die
Kirmesleute ungeduldig auf die Zuweisung ihrer Plätze warteten! Erst im
Spätnachmittag konnte mit dem Aufbau der Kirmes begonnen werden. Nach
Schulschluss eilten aus der nahe gelegenen Gemeindeschule die Kinder herbei
und verfolgten mit aufmerksamen Blicken den Kirmesaufbau.
Die Kirmes 1960 war überschattet vom frühzeitigen Tod des beliebten
Kelmiser Bürgermeisters und Abgeordneten Peter Kofferschläger. Schwer
erkrankt lag Peter Kofferschläger im Eupener Krankenhaus und die Kelmiser
Bevölkerung sorgte sich um sein Wohlbefinden. Am Kirmesdienstag rief
sein Ableben große Bestürzung hervor und das Kirmestreiben wurde auf ein
Minimum beschränkt.
Im Gemeindepark wurde im Jahre 1964 zur Kelmiser Kirmes ein großes
Festzelt mit einem umfassenden Rahmenprogramm aufgebaut. Der Samstag
stand unter dem Motto „Belgique Joyeuse‘““ , wo u. a. der bekannte Tenor
Bernard Freylich ein Gastspiel gab. Mit einem internationalen Gitarren-
festival, an dem 14 Orchester teilnahmen, startete der Sonntag. Montags
und dienstags gastierte aus dem Weißen Rössel aus Blankenberge die
Oberbayernkapelle im Festzelt.
91
Erwähnung verdient auch die Initiative des Kelmiser „Velo Klub“. Zu
Kirmesmontag belebte unter großem Anklang von 1972 bis 1985 ein
internationales Kirmesrennen für Amateure die Kirmes. Start des 3 km-
Parcours war die Albert-Straße. Von dort ging es über die Patronagestraße,
Comouthstraße, Moresneter Str., Parkstraße, Driesch, Neustraße und
Schützenstraße wieder zur Albert-Straße zurück. Die Debütanten, die 14-
16jährigen, fuhren 20 Runden, die Junioren, die 16-18jährigen, mussten 30
Runden zurücklegen.
Seit 1972 wird die Kirmes offiziell am Samstagabend eröffnet.
Es ist eine alte Tradition, die sich bis in die 50er Jahre zurück verfolgen
lässt, dass die Schausteller und auch die patriotischen Vereinigungen durch
die Gemeindeväter freitags gegen 18 Uhr zu einem Umtrunk in das
Gemeindehaus eingeladen werden.
Nach dem Empfang und der Kranzniederlegung am Ehrendenkmal durch
die Schausteller, im Beisein’ der patriotischen Vereinigungen, zieht der Festzug
(Bürgermeister, Schöffenkollegium und Schausteller) - seit vielen Jahren
durch den Cercle Musical angeführt (Kirmes ist zudem Stiftungsfest des
Cercle Musical) - zum Festplatz, wo die Kirmes bei der Ankunft des Festzuges
durch den Bürgermeister eröffnet wird. Von Freitagabend bis Dienstagabend
wird fünf Tage lang gefeiert.
Viele werden sich sicherlich noch an die Konfettischlacht zum
Kirmesausklang am Dienstagabend erinnern. Direkt vom Lastwagen
verkaufte Mathieu Fagot die Konfettitütchen. Während noch der Kirmestrubel
andauerte, hatten die Schausteller bereits einen Großteil der
Dachkonstruktionen über den Köpfen der Besucher abgebaut, um schneller
zum nächsten Kirmesort eilen zu können.
Ein neuer Kirmesplatz
Seit 1983 ist die Kirmes auf der alten Schuttdeponie, der „Koul“ (Kull),
wie sie im Volksmund heißt, angesiedelt, wo Bürgermeister Willy Schyns
mit der symbolischen Durchtrennung des Ausgabees am Freitag, dem 09.
September 1983, den neuen Kirmes- und Festplatz eröffnete.
Dieser Ort bringt weniger Verkehrsprobleme mit sich. In der grünen
Parkanlage des Galmeiplatzes fanden die Schausteller eine neue Bleibe, wo
sie ungestört, ohne große Belästigungen für die Anwohner, ihre Fahrgeschäfte
aufbauen können. In ihren fahrbaren Residenzen finden sie dabei noch Zeit
für etwas Erholung.
92
Besondere Treue zur Kelmiser Kirmes
Manche Schausteller und ähnliche Gewerbe kommen seit vielen, vielen
Jahren zur Kelmiser Kirmes.
Davon möchten wir besonders erwähnen
-die Friterie Renomm6&e aus Montzen. Bereits über 50 Jahre ist die Familie
Rocks-Schyns stets auf der Kelmiser Kirmes vertreten und zählt ungezweifelt
zu den ältesten „Schaustellern‘‘;
-die Familie Van Dooren -Jamar, die seit 1933 mit ihren Fahrgeschäften
(Raupen - das Fahrradkarussell, Autoscooter, Twister anwesend ist und vor
allem
-Raymond Bairolle, der am längsten als Schausteller auf der Kelmiser
Kirmes vertreten ist. 2002 waren es 62 Jahre. Er war viele Jahre mit seinem
beliebten Kinderkarussell anwesend, das sein Sohn übernahm. In eigener
Regie baute dieser i. J. 2000 ein neues Kinderkarussell. Sein Vater geht es
nun geruhsamer an, er ist noch immer zur Freude der jüngsten
Kirmesbesucher mit einem Stand für „Entenangeln“‘ dabei.
Immer attraktiver
Bis zum Jahr 1997 lag die Organisation der Kelmiser Kirmes in den
Händen der Gemeindepolizei. Diese Aufgabe hat 1998 Pascal Kreusen vom
Bauamt der Gemeinde übernommen. In jedem Jahr ist man bemüht, die
Kirmes noch attraktiver zu gestalten und man konnte sehr schöne
Fahrgeschäfte oder Attraktionen nach Kelmis holen. Mitunter sind etwa 50
Schausteller vertreten, darunter 9 große Fahrgeschäfte.
Auf dem Kirchplatz zählte man viele Jahre als große Attraktionen: Auto
Scooter Van Dooren, die Kartingbahn, den Polyp, die Megöeve, die
Raupenbahn, Hülsters Kettenkarussell und ihr Auto Scooter, die
Hurricanflieger, den Rutschturm, „Le Polleur‘, Brookland‘s Race Autodrom,
den Twister, das Riesenrad, das Ufo 2000, die Bastringue, diverse
Kinderkarussells, Lunaparks, Schießbuden, das Pferdekarussell,
Geisterbahnen, Schaubuden, Entenangeln, Verlosungsbuden, Spiegelpaläste,
u. v. m. Fürs kulinarische Wohlbefinden gab es u. a. Frittenbuden, Lütticher
Waffeln, Desir de Lille, Zuckerwatte, Liebesäpfel, Crepes, Popcorn, Mandeln,
Nougat und Eis.
Die Kelmiser Kirmes gehört zu einer der größten in der Provinz Lüttich.
Tausende Besucher zeugen von der Beliebtheit dieses Dorffestes, das seinen
Charakter als Volksfest beibehalten hat. Man trifft sich und es werden
Kontakte gepflegt, obwohl die Kirmes ihren ursprünglichen Charakter eines
Schützenfestes verloren hat.
95
Die durch die Kelmiser Gemeinde in Zusammenarbeit mit den
Schaustellern erfolgte Gründung eines Festkomitees konnte die Attraktivität
der Kirmes noch steigern. Dies führte dazu, dass am Freitagabend (gegen
22.30 Uhr) durch Mitwirkung der Feuerwerkstechniker aus Huy, ein großes
Feuerwerk abgebrannt wird. Eine Gratisverlosung wurde eingeführt, wozu
bei der Benutzung der Fahrgeschäfte oder anderer Lustbarkeiten Lose verteilt
werden. Den Besuchern winken wertvolle Sachpreise. Am Dienstag, dem
Familientag mit ermäßigten Preisen, findet dann im Laufe des Abends zum
Kirmesabschluss um ca. 19.30, 20.30, und 21.30, die Ziehung der
Kirmesverlosung an verschiedenen Stellen auf dem Kirmesplatz statt.
Etwas Außergewöhnliches, bereits eine Tradition, das die Kelmiser mit
den Schaustellern verbindet, ist die Nachkirmes. Die Schausteller, die am
folgenden Wochenende keine Verpflichtung haben, bleiben nochmals für
ein Wochenende in Kelmis.
Seit dem Umbau 1999 und der Vergrößerung des Galmeiplatzes steht nun
eine Nutzfläche von insgesamt über 15.000 m ? zur Verfügung. Dies führte
im gleichen Jahr zu einer vollständigen Neu-, und Umgestaltung der
Aufbaufläche. In Zusammenarbeit von „Platzmeister‘ Pascal Kreusen und
Gemeindetechniker Johnny von Borstel wurde 1999 eine Computer-
Kartographie des Galmeiplatzes erstellt.
Diese erleichtert enorm die Planung und Flächennutzung des Platzes,
dessen Aussehen durch 2 neue Budenstraßen aufgelockert wurde.
Einige der vielen Besonderheiten auf dem neu entstandenen Galmeiplatz
sind der Top Spin, Space Roller, Tokio Express, Polyp, Hully Gully, Jet Bob,
Tagada, Dirty Dance, Grace Dance, Musical Express, Fliegender Teppich,
die Lunaparks, Geisterbahnen und Losbuden, die für Kirmesvergnügen
sorgen. Im kulinarischen Bereich gesellten sich zu den bestehenden Angebo-
ten unter anderem noch die Bratwurst, Reibekuchen, geröstete Champignons,
Gyros, Tortellinis, Pizzen und Haxenbraten dazu.
Der Sportbund war bereits auf dem Kirchplatz durch seinen runden
Ausschank mit Bänken, die um das Denkmal gruppiert waren, vertreten.
Auf dem neuen Platz ist er mit einem Bierzelt präsent.
Auch bei der Kirmes 2003 konnten wieder neue Attraktionen die
Kirmesbesucher beeindrucken. „Nervenkitzel total‘ versprach der „Bungee-
Jump“ des aus dem niederländischen Appeldoorn kommenden Schaustellers
Karl Ropers. Jeweils zwei Wagemutige konnten sich an einem mit zwei
Gummizügen zwischen zwei Stahlmasten befestigten Käfig 50 m hoch in
die Luft schleudern lassen! Die zweite Neuerung bestand 2003 in einer
„Jumping-Party“, vier Trampolins, auf denen sich die Jugend nach
Herzenslust austoben konnte.
94
Beibehalten wurden die bekannte Gratisverlosung mit wertvollen
Sachpreisen (die am Kirmesdienstag mit der abendlichen, im Stundentakt
verlaufenden Ziehung, zu Ende geht) sowie das Feuerwerk zur
Kirmeseröffnung am Freitagabend, ein Geschenk der Schausteller an die
Kirmesbesucher. Auch das im Jahre 2002 eingeführte Plüschtierwerfen (eine
Initiative der Schausteller) fand wiederum statt,
Nach 20 Jahren „Kirmes auf der Kull“ zog Daniel Jamar als Sprecher der
Kirmesleute folgendes Fazit: Der dörfliche Charakter der Kirmes sei durch
die Verlagerung zum Galmeiplatz verloren gegangen. Andererseits sei der
ungestörte Aufbau ein bedeutender Pluspunkt. Die gute Zusammmenarbeit
zwischen den Schaustellern und der Gemeinde hob er lobend hervor.
Auch Gerd Kaiser, seit Jahren mit der „Feinschmeckerpfanne“ Gast der
Kelmiser Kirmes, fand lobende Worte für die Flexibilität des Platzmeisters
(Pascal Kreusen) und für dessen Team, das stets bemüht sei, durch
Innovationen und Umgestaltungen die Attraktivität des Kelmiser Volksfestes
zu erhöhen.
Anmerkung am Rande
Ich danke allen, die mich bei diesen Recherchen in gleich welcher Form
unterstützt haben. Ich hoffe, dass es mir bei diesem Rückblick auf die
Kelmiser Kirmes gelungen ist, ein Stück Kulturerbe unserer Heimatgemeinde
Kelmis lebendig werden zu lassen.
Wenn Sie, verehrte Leser, mit Erinnerungen, Erzählungen, Anekdoten,
Selbsterlebtem, Dokumenten, Fotos, Plakaten, oder Berichten (Zeitungen,
Festschriften, Vereinsunterlagen...) meine Arbeit ergänzen und erweitern
könnten, würde ich mich sehr darüber freuen (Tel. 087/657303).
Iwan Jungbluth
Quellen:
Göhltalmuseum, Grenz Echo, Fliegende Taube, Das Freie Wort, das Korrespondenzblatt
des Kreises Eupen, Archiv Leo Kever Eupen und unzählige Privatpersonen und Schausteller.
%
Die Einführung des metrischen Systems
durch die Franzosen
von Erwin Bruch
Vor der Einführung des metrischen Systems durch die Franzosen am
Ende des 18. Jahrhunders gab es eine Unzahl an Längenmaßen,
Gewichtsmaßen und Währungen, die von Ort zu Ort verschieden waren.
Dies war ein Hemmnis für den Handel und die Anführer der französischen
Revolution erkannten schnell, dass unter den zahlreichen überfälligen
Reformen auch hier Handlungsbedarf bestand. Am 8.5.1790 beschloss
die verfassunggebende Nationalversammlung auf Vorschlag von
Talleyrand! die Einführung eines einheitlichen und einfachen Systems?.
Der Erfolg solch eines neuen Systems erforderte internationale
Absprachen und folglich dauerte es mehrere Jahre bis zu dessen effektiver
Einführung. Das neue System wurde drei Jahre später mit einem Dekret
vom 1.8.1793 eingeführt. Eine erste offizielle Definition des Meters wurde
mit einem Gesetz vom 18. Germinal des Jahres 3° (7.4.1795). Eine zweite
mit dem Gesetz vom 19. Frimaire des Jahres 8 (10.12.1799) gegeben.
Die effektive Umsetzung war jedoch sehr schleppend, da die zu dieser
Zeit noch größtenteils weder lesen noch schreiben könnende ländliche
Bevölkerung zwar problemlos Maße durch 2, 4 oder 8 teilte, indem zum
Beispiel eine Kordel oder ein Tuch gefaltet wurde, jedoch nicht durch 10
zu teilen imstande war. Folglich gab es selbst in Frankreich eine Reihe
von Übergangsregelungen, bis...50 Jahre (!) nach dem ersten Beschluss
zwecks seiner Einführung die Anwendung des metrischen Systems ab
dem 1.1.1840 definitiv Pflicht wurde.
Auch in unserer Gegend war die Einführung des neuen Systems eher
schleppend. Im Archiv der Gemeinde Walhorn* befindet sich dazu ein
aufschlussreicher Brief vom 14 Prairial des Jahres 11 (3.6.1803) des
zuständigen Inspektors an den damaligen Bürgermeister” von Walhorn.
POIDS ET MESURES, N° 79
Liege Le 14 prairial an XI°
L’INSPECTEUR des Poids et Mesures pour les
departemens’ de 1’Ourte, de la Meuse-Inf&rieure,
de Sambre-et-Meuse et des Forö@ts®,
au
96
Citoyen Maire de Walhorn,
Citoyen Maire !
La loi du 1” VendeEmaire an 4° qui a cree le systeme metrique, l’ arrete
des consuls‘® du 29. prairial an 9 qui en regle l’execution, ont Ete pu-
blies et sont rendus executoires dans ce departement ; L’usage des an-
ciens poids et mesures y est interdit depuis le 20 messidor dernier‘?; deja
cette epoque est loin de nous, onze mois ä peu pres nous en separent et le
nouveau systeme n’a fait encore que‘ des progres bien sensibles qu'au
chef lieu du departement'*, du moins quant ä la pratique, car il ne suffts
pas d’etre pourvus de quelques poids ou mesures pour pouvoir les mon-
trer au besoin, c’est l’usage qu’on en fait journellement qui prouve
l’obeissance ä la loi ; il n’y a plus que l’ignorance la plus crasse qui‘
Puisse revoquer en doute la perfection et les avantages du Systeme deci-
mal comme il n’y a que les speculations honteuses et sordides de la cu-
pidite et de la mauvaise foi qui puissent former des voeux d’opposition ä
l’uniformite des poids et mesures par toute la r&publique; des depots
Etablis dans presque toutes les villes sont plus que suffisans pour fournir
dä tous les besoins du commerce; Les devoirs des maires et officiers de
police sont traites par l’art : XI de la loi precitee, ils sont encore rappelles
dans la circulaire du 1” messidore an 10'°. consignee dans le N° 54 du
memorial administratif, qu’ est-ce donc qui peut encore entraver les pro-
gres de nouveau systeme et l' execution de la loi? il faut le dire, Citoyen
Maire, C’est ä l’ insouciance et ä V’inertie‘® des autorites locales qu’il
faut attribuer l’ Etat trop long-tems stationnaire d’une des plus belles
conceptions de la revolution‘”, il est encore vrai de dire que les maires
ne sont pas toujours Egalement bien secondes, d’un autre cöte l’ inspec-
teur ne peut pas Etre ä la fois sur tous les points des 4 de&partemens de sa
division il ne peut s’arreter dans les communes qu’il parcourt que le
tems necessaire pour donner l' impulsion et s’assurer si la loi s’execute,
c’est donc des devoirs et de l' activit& des polices locales que dependent
principalement les succes‘®; j’aime ä croire, Citoyen Maire, que vous
avez donne tous les ordres necessaires ä cet Egard ; mais afın qu’il ne
Puisse rester aucune espece de pretexte ä qui que ce Soit, la presente
servira de requisitoire ä votre adjoint officier de police de faire
frequenment et notanment dans les 24 heures de la reception de cette
lettre, des visites dans les boutiques, magasins, moulins, brasseries, En-
fin chez les Citoyens que leur commerce oblige ä se servir de poids ou de
mesures conformement ä l’arrete des consuls du 29 prairial an 9. dont
l’art 16 fonde le present requitoire. je vous previens, Citoyen Maire,
97
qu’ä ma prochaine tournee je ne pourrai me dispenser de mettre dans
mon inspection autant de severit& que les maires auront toleres de
relachement dans leur commune; il me serait bien plus agreable d’arri-
ver au but par la persuasion, mais quand je ne suis pas seconde, quand
tous les delais sont expires, tous les menagemens €puises, s’il ne reste
plus que les moyens de rigueur, il faut bien les employer, mon devoir est
1ä et je le remplirai ; s’il en resulte des fraix et des de&sagremens pour
quelques uns de vos administres, ce sera sur vous seul qu’ils pourront
faire tomber leurs reproches, vous avez &te& suffisanment et sur
abondanment averti.
Je saisis cette occasion, Citoyen Maire pour vous rappeller les dispo-
sitions qui vous concernent dans les arreter du Prefet du 24 ventose
dernier‘®, voyer le memorial adtif”° N° 107, 108 et 122 vous avez ä votre
disposition une somme de 58 frs. 45 Cs? pour fournir votre mairie des
modeles eEtalons indispensables a la police pour lui servir d’objets de
comparaison et la guider dans la redaction des proces verbaux de con-
travention; vous pouvez avec cette somme vous procurer tout ce qu’il
vous faut 4 Eupen ol il se trouve un depot de poids et de mesures parfai-
tement fabriques, & moins que vous ne preferiez de les tirer de Liege ä
beaucoup plus grands fraix, dans tous les cas, Citoyen Maire, vous sen-
tirez qu' il faut absolument que la police en soit pourvue et que l' autorite
publique doit donner l’exemple : je me livre a l’ espoir qu’ä mon arrivee
dans votre commune je ne trouverai que des materiaux utiles pour un
rapport qui me procure l' occasion de rendre justice a votre surveillance
et ä votre zele, mais s’ il en Etait autrement je ne pourrai m enpecher d’en
donner connaissance aux autorites superieures, ce serait ä regret Ci-
toyen Maire, mais apres ce trimestre je dois mettre sous les yeux du
Prefet la situation du Departement sous le rapport des progres du Sys-
t&me metrique, et je ne trahirai pas la verite
J’ai l’honneur de vous Saluer.
Dechamps
Soweit das Schreiben, das der Inspektor an den Bürgermeister gerichtet
hatte. Er kündigte an, er werde im Zuge seiner Kontrollen in Kürze auch
die Gemeinde Walhorn besuchen. Der Inspektor erinnert den
Bürgermeister daran, dass der Gebrauch der alten Maße und Gewichte
seit dem 20. Messidor IX (= 9.7.1801) verboten sei, die Einführung des
metrischen Systems aber eigentlich nur in der Departement-Hauptstadt
(Lüttich) Fortschritte gemacht habe, zumindest in der Praxis. Es genüge
98
aber nicht, einige Maße und Gewichte vorzeigen zu können; der tägliche
Gebrauch derseben beweise die Treue zum Gesetz. Nur die krasseste
Unwissenheit könne den Nutzen der einheitlichen Maße und Gewichte
anzweifeln; die in fast allen Städten angelegten Depots seien mehr als
ausreichend für den Handel.
Die Aufgaben der Bürgermeister und der Polizei werden im Artikel
11 des genannten Gesetzes aufgeführt und im Rundschreiben vom 1.
Messidor des Jahres 10 (20.6.1802, veröffentlicht im Memorial
administratif Nr. 54) in Erinnerung gerufen.
Es kann also nur an der Unbekümmertheit und Trägheit der örtlichen
Behörden liegen, wenn die Einführung des neuen Systems auf ‚
Schwierigkeiten stößt. Unbekümmertheit und Tatenlosigkeit der örtlichen
Behörden sind Schuld daran, dass eine der schönsten Errungenschaften
der Revolution so lange auf der Stelle tritt. Man muss auch sagen, dass
die Bürgermeister nicht immer die nötige Unterstützung finden, dass der
Inspektor auch nicht gleichzeitig an allen Orten der vier Departements
sein kann. Der Erfolg hängt im Wesentlichen von der Tätigkeit der
Ortspolizei ab.
Der Inspektor fordert also die Polizisten auf, innerhalb von 24 Stunden
nach Erhalt dieses Schreibens eine Runde durch die Läden, Geschäfte,
Mühlen und Brauereien zu machen. Er selbst werde bei seinem nächsten
Besuch sich so streng zeigen, wie die Bürgermeister sich lasch gezeigt
haben. Der Inspektor droht mit äußerster Härte.
In Eupen befinde sich ein Depot für Maße und Gewichte. Der
Bürgermeister verfüge über eine Summe von 58 Franken und 45
Centimes, um sich dort mit den notwendigen Mustern zu versorgen.
(Diese Muster dienten der Polizei als Vergleich).
Ob, wann und mit welchem Ergebnis die angekündigte Kontrolle
stattgefunden hat, ist nicht bekannt.
Der damalige Bürgermeister von Walhorn war Johann Christian
Lamberts. Er wurde getauft am 30.7.1772 in Walhorn als Sohn des Notars
Heinrich Lamberts? und der Anna Margaretha Hendrix. Heinrich
Lamberts war zuerst Schöffe der Bank Walhorn gewesen, und durch die
Franzosen als erster Bürgermeister von Walhorn eingesetzt worden?.
Bei Johann Christian Lamberts versteckte sich Pfarrer Klausener vor
den Franzosen*. Er war zuerst agent municipal von Walhorn von 1796
bis 1800, dann Bürgermeister von 1800 bis 1818, als er wegen
Unregelmäßigkeiten abgesetzt wurde. Die etwaigen Konsequenzen der
Kontrolle des Inspecteur Dechamps werden also nicht schwerwiegend
100
21 58 francs 45 centimes
22 Zu dieser Familie gehört auch Winand Lamberts (1617-1664) der Abt von Rolduc
war, Siehe: Winand Lamberti aus Walhorn, 31. Abt von Rolduc, Alfred Bertha, Im
Göhltal Nr. 70, 2002.
23 Walhorn, notices historiques, Guillaume Grondal, 1958.
2 Alfred Bertha, Vor 200 Jahren: Wie die Walhorner ihren Pastor befreiten, Im Göhltal
Nr. 64, 1999.
2 Siehe: Erwin Bruch, Die Familie Lamberts in Walhorn, 1999.
101
Ein Museum, ein Auftrag
von Alfred Bertha
Unter den Zielen, die sich die 1966 gegründete „Göhltalvereinigung“
gesteckt hatte, befand sich auch die Schaffung eines Heimatmuseums.
Dieses Ziel war jedoch so lange unerreichbar, wie die dazu notwendigen
Räumlichkeiten fehlten.
Erst durch die Gemeindereform von 1977 bot sich mit der Auflösung
der selbständigen Gemeinde Neu-Moresnet und der Freiwerdung des
dortigen Gemeindehauses, der früheren Villa Bruch, die Gelegenheit,
die Verwirklichung des Vorhabens konkret ins Auge zu fassen, wobei
die verschiedensten Instanzen involviert waren. Professor Marchal, ein
anerkannter Museumsfachmann gab richtungweisende Impulse,
Gemeinschaft und Gemeinde machten das Projekt finanziell möglich,
die „Vieille Montagne“ und die Göhltalvereinigung waren partner-
schaftlich eingebunden.
1984 konnte das Göhltalmuseum nach umfangreichen Umbauarbeiten
seiner Zweckbestimmung übergeben werden. Gemäß den Vorgaben von
Professor Marchal wurden die beiden tragenden Säulen des Museums,
der Erzbergbau im Bereich der Konzession der Vieille-Montagne und
die besondere Geschichte des „neutralen‘“ Gebietes von Moresnet,
besonders herausgestellt.
Nach 20 Jahren war das Museum nun etwas „in die Jahre gekommen“.
Der Bau war renovierungs-, das Konzept überholungsbedürftig. Das
Göhltalmuseum soll nicht nur „der Vergangenheit eine Zukunft“ sichern,
sondern auch im lokalen, regionalen und euregionalen Rahmen eine
angemessene Rolle übernehmen.
Die notwendigen Umbaumaßnahmen betrafen sowohl den Innen-
wie den Außenbereich. Ein Anbau vergrößerte das Raumangebot im
Kellerbereich um 18 und im Ausstellungs- bzw. Vortragsraum um
36 m?.
Am 22. April 2004, bei der Übergabe zweier alter Walhorner bzw.
Rabotrather Ansichten (mehr dazu in einem späteren Beitrag) konnte ein
erster Eindruck von der Funktionalität der Räumlichkeiten gewonnen
werden. Am 28. Mai 2004 war dann die offizielle Neueröffnung.
Kulturschöffe Hermann Lausberg ging in seiner Begrüßungs-
ansprache auf die durchgeführten Baumaßnahmen ein, dankte allen daran
Beteiligten und gab seiner Überzeugung Ausdruck, „dass dieses renovierte
Museum sich zu einem Ort vielfältiger kultureller Aktivitäten, aber auch
102
zu einer Stätte geselligen Beisammenseins vieler Bürger“ entwickeln
werde. „Ich wünsche und hoffe“, so der Schöffe, dass das neue Rauman-
gebot dazu beitragen wird, noch mehr als bisher attraktive kulturelle
Ereignisse in unsere Gemeinde zu holen.“ Er sein sicher, dieses neu
gestaltete Museum werde in Zukunft einen wichtigen Beitrag dazu leisten,
dass sich unsere Bürgerinnen und Bürger noch stärker als bisher mit
ihrer Gemeinde identifizieren.
„Immer mehr Menschen, „so der Schöffe abschließend, „wollen heute
in ihrer Gemeinde mehr sehen als nur ihren Wohn- und Arbeitsort oder
ihre Schlafstätte. Also brauchen wir Identifikationspunkte im
gesellschaftlichen und kulturellen Bereich ...“
Bürgermeister Mathieu Grosch bezeichnete in seinem Grußwort das
Museum als etwas „ganz Wichtiges‘ für die Gemeinde Kelmis. Das Haus
sei „offen für die Kreativität heute und morgen“ (wie sich das schon bei
der gleichzeitig stattfindenden Ausstellung mit Werken einheimischer
Künstler dokumentierte). Es solle dazu beitragen, den Geist zu verstehen,
der sich im Laufe der Jahrhunderte hier entwickelte, sowie die besondere
Geschichte der Ortschaft.
Der Bürgermeister spann den Faden seiner Überlegungen aber noch
weiter und ließ anklingen, in welche Richtung die Bemühungen in
Zukunft gehen werden: Kelmis als Industriemuseum im Verbund und in
der Partnerschaft mit anderen Einrichtungen dieser Art -der Bürgermeister
nannte namentlich Stolberg- wird eine euregionale Bestimmung erhalten...
Als Minister für Kultur und Tourismus gab Bernd Gentges seiner
Freude darüber Ausdruck, dass er „zwei Fliegen mit einer Klappe
schlagen“ könne. Das Göhltalmuseum sei bereits ein kleines
Schmuckstück für die Gemeinde Kelmis, aber eines, das noch wachsen
könne, und er sei davon überzeugt, dass es wachsen werde. Und es werde
immer mehr Menschen zu einem Besuch anziehen, weil es Einmaliges
zu bieten habe.
„Museen haben längst nicht mehr den ‚Touch’ des Verstaubten. Sie
dienen längst nicht mehr nur dazu, die Vergangenheit am Leben zu halten.
Eine Vergangenheit, die in dieser Region von einer Industrie geprägt
war, die die Einmaligkeit der Region grundlegend mitbestimmt hat.
Und diese Vergangenheit bietet heute zahlreiche Chancen. Ich habe
eben auf die touristische Bedeutung des Museums hingewiesen. Jeder,
der sich mit dem Tourismus in Ostbelgien beschäftigt, weiß, dass immer
wieder Klagen laut werden, dass wir keine „Überdachte“ touristische
Infrastruktur besitzen.
103
Aber dieses Museum ist eine solche Infrastruktur. Zwar wird das
Göhltalmuseum nie mit den ganz großen Industriemuseen konkurrieren
können, aber die angestrebte Vernetzung der Industriemuseen in der
Euregio Maas & Rhein ist ein weiterer Schritt, seinen Platz in der
Kulturlandschaft zu festigen. Wenn die euregionale Kooperation uns
solche Chancen bietet, müssen wir natürlich zupacken. Und ich bin
zuversichtlich, dass nach dem Projekt „Sanfter Tourismus im Göhltal“
auch die Vernetzung der Industriemuseen einen Mehrwert schaffen wird.
Und wenn wir diese beiden Projekte parallel betrachten, sind wir
eigentlich in einer Nische, die sich in der DG immer deutlicher heraus
kristallisiert: beim Kulturtourismus. Dieser Begriff, so mein Eindruck,
verliert langsam seinen Schrecken, weil viele Menschen einerseits
begreifen, dass Kultur gar nicht schmerzt, und andererseits feststellen,
dass die Beschäftigung mit Kultur weder langweilig noch mühsam sein
muss, sondern sehr bereichernd ist.
Und ein Besuch im Göhltalmuseum wird ab heute mehr denn je eine
Bereicherung sein. Auch wenn heute die Verpackung vielleicht ein wenig
im Vordergrund steht, sollten wir den Inhalt nicht aus den Augen
verlieren...
Minister Gentgens wies sodann auf eine Nische hin, die vor unserer
Haustüre liege. Seine Anregung: Man fahre doch übers Venn und frage
dort die Leute, ob sie schon mal im Göhltalmuseum gewesen seien. Ob
sie die industrielle Vergangenheit dieses Gebietes kennen. Die Antwort
könne jeder sich wohl ausmalen. „Das heißt‘, so der Minister, „wir müssen
unser kulturtouristisches Angebot auch unseren Leuten verkaufen. Das
stärkt nicht zuletzt unsere Position im Reigen der zahlreichen
Kooperationen, die von ostbelgischer Seite aus bereits eingegangen
worden sind. Denn wenn wir es schaffen, unsere eigene Bevölkerung in
stärkerem Ausmaß für UNSER Angebot zu sensibilisieren, haben wir
unbezahlbare Multiplikatoren gefunden. Wenn wir das nicht tun, ist die
Negativwerbung kostenlos. Stellen Sie sich vor, in Eupen wird jemand
auf der Straße von Gästen angesprochen, die nach Kelmis wollen, um
dort das Göhltalmuseum zu besichtigen. Wenn sie als Antwort erhalten:
„Kenne ich nicht!“ dann müssen unsere Gäste daraus schließen, dass
sich ein Besuch des genannten Museums wohl nicht lohnen kann...
Aber er lohnt sich! Und es lohnt sich, dieses kleine Schmuckstück zu
hegen und zu pflegen, ihm eine Zukunft zu geben. Und die
Deutschsprachige Gemeinschaft glaubt an diese Zukunft und wird weiter
an dieser Zukunft bauen. Weil wir der festen Überzeugung sind, dass die
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75.000 ‚die von Gemeinschaftsseite jetzt in die Renovierung des
Göhltalmuseums geflossen sind, gut angelegtes Geld sind.
Caroline Leterme, Archäologin im Dienste der DG, stellte sodann
ein in Zusammenarbeit mit der Museologin Florence Bertrang
ausgearbeitetes Ausstellungskonzept vor, nach dem das Museum ein
geschichtliches Zeugnis der Identität der Gemeinde Kelmis sein sollte.
Diese Identität gründet auf dem Galmei (Zinkerz) und müsste unter den
verschiedensten Aspekten und Wechselwirkungen vorgestellt werden.
Um nur einige zu nennen: Das Galmeierz und
- die Mineralogie (was ist Galmei? Entstehung, Eigenschaften, }
Gewinnung, Verarbeitung etc.) :
- die Industrie (welche Rolle hat das Galmei im wirtschaftlichen und
sozialen Leben der Gemeinde gespielt?)
- die Politik (welche Zusammenhänge gab es zwischen dem
Galmeivorkommen und dem neutralen Gebiet?)
- der Export (wohin wurde exportiert? Zu welchen Zwecken? ...)
Abgerundet wurde die Wiedereröffnung des Göhltalmuseums durch
Gesangseinlagen von Madeleine Grosch und Hubert Vanaschen, die am
Klavier durch Daniel Thonnard begleitet wurden, während Pastor Erich
Altdorf und Pfarrer Schuler die Segnung des Hauses vornahmen.