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Landschaft im Grenzraum Nordostbelgiens
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ZEITSCHRIFT DER VEREINIGUNG FÜR
KULTUR, HEIMATKUNDE UND GESCHICHTE
IM GÖHLTAL
Nr. 74 — Februar 2004
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ZEITSCHRIFT DER VEREINIGUNG
FÜR
KULTUR, HEIMATKUNDE UND GESCHICHTE
IM GÖHLTAL
Nr. 74
Februar 2004
Veröffentlicht mit der Unterstützung des Kulturamtes der
deutschsprachigen Gemeinschaft
Vorsitzender: Herbert Lennertz, Stadionstraße 3, 4721 Neu-Moresnet.
Sekretariat: Maxstraße 9, 4721 Neu-Moresnet, Tel. 087/65.75.04.
Lektor: Alfred Bertha, Bahnhofstraße 33, 4728 Hergenrath.
Kassierer: Alfred Bertha, Bahnhofstraße 33, 4728 Hergenrath.
Postscheckkonto Nr. 000-0191053-60.
Fortis Bank: 248-0068875-35
Konto NL: AMRO-BANK: 46.37.00.090 Vaals/L
Konto BRD: Aachener Bank: 821 363 012 (BLZ 390 601 80)
Die Beiträge verpflichten nur die Verfasser.
Alle Rechte vorbehalten
Entwurf des Titelblattes: (+) Alfred Jansen, Moresnet-Kapelle.
Druck.: Aldenhoff, Gemmenich - 087-78 61 13.
3
Inhaltsverzeichnis
Alfred Jansen (+) Zum Umschlagbild: 5
Moresnet-Kapelle Vom Reuschenberger zum Amstenraedter
oder Herrenhaus in Eynatten
Leonhard Kirschvink Raeren, eine Siedlung im Reichswald H
Bollendorf
Jacob Langohr Der Breef no oove 44
Bildchen
Walter Meven Aus dem Geschichtsbuch der Pfarre 45
Aachen Eynatten
Alfred Bertha Das Herzogtum Limburg nach der Karte 56
Hergenrath und Beschreibung des Aegidius Martini
Hans Dieter Iven Das „Wunder von Aachen“ 65
Laurensberg Eine wunderbare Begebenheit aus dem
Aachener Dom im Jahre 1867
Alfred Bertha Bettelkinder und Jagd auf 70
Hergenrath „kleine Kaninchen“
M.-Th. Weinert Hubertus 84
Aachen-Forst
— Gabi Regulla Rückblick auf die Ausflugsziele in der 85
Hergenrath Provinz Hennegau
Eckhard Krauß Aus den Erzählungen meiner Großmutter 93
Köln über den berühmten Künstler aus Preußisch-
Moresnet: Rudolph Krauß-Segommer
Alfred Bertha Eine frühe Erwähnung der 98
Hergenrath „Hergenrather Besenbinder“
Wörterbuch des Gemmenicher Platts 101
Herbert Lennertz Jahresrückblick 2003 102
Neu-Moresnet
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Zum Umschlagbild*
Vom Reuschenberger zum
Amstenraedter oder Herrenhaus in
Eynatten
von (+) Alfred Jansen
Obschon das „Amstenraedter Haus“ in Eynatten nur knapp hundert
Meter von der verkehrsreichen Aachen-Eupener Landstraße entfernt liegt,
ahnt der schnell vorbeifahrende Autofahrer nichts von der romantischen
Idylle, die sich dem Auge bietet, wenn man, von Aachen kommend, am
Ortseingang, rechter Hand, kurz vor der Kirche, eine kleine, versteckt
liegende Zufahrt zu einem landwirtschaftlichen Anwesen einschlägt.
Dieses schirmt mit seinem Wirtschaftshof und den Gebäuden ein kleines
Schlösschen ab, das nach einem seiner früheren Besitzer meist Amsten-
raedter Haus genannt wird.
Das Wasserschlösschen geht zurück auf die Adelsfamilie derer von
Eynatten. Im Jahre 1722, zur Zeit des Eynattener Pfarrers Cornelius
Matthaei, waren in der Wiese „Pesch“ noch Überreste („vestigia‘“) der
ersten Eynattener Burg zu sehen. Der Pfarrer berichtet, aus alter
Überlieferung wisse man, dass die „sehr edle und sehr alte Familie von
Eynatten“ auf ihrem Grund, vor dem Eingang zum Hof („curia‘ oder
„villa‘) eine Kapelle zu Ehren der hl. Anna errichtet habe. Diese Kapelle
sei ungefähr seit Weihnachten 1200 an Sonn- und Feiertagen durch einen
Geistlichen aus Walhorn oder Brandenburg bedient worden. Schon 1364
wird diese Burg als „antiquum castrum“ (alte Burg) bezeichnet.
Weshalb die alte Burg, die urkundlich 1248 erwähnt wird, zur Ruine
geworden ist, bleibt unklar. Die Vermutung, dies hänge mit der
Verheiratung ihres Besitzers mit einer Erbin des Schlosses Neuburg und
der Herrschaft Gülpen zusammen, lässt sich nicht belegen.
Die Familie der Freiherren von Eynatten hat in der vorfranzösischen
Zeit eine gewisse Rolle im Herzogtum Limburg gespielt; wir finden sie
auch eng verbunden mit der Geschichte von Bolland und Remersdael
(Obsinnich).
* Aus G. Poswick, Les Delices du Duche de Limbourg, S. 307-312, Verviers 1951
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Ein gepflasterter Vorhof führt zum Eingang des Amstenraedter Hauses.
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Eine steinerne Brücke bietet Zugang von Osten zu einem kleinen Vorbau und
ersetzt eine frühere Zugbrücke.
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Agnes mit Jakob von Reuschenberg kam das kleine Wasserschloss zum
Namen „Reuschenberger Haus“.
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Das Wappen der Familie von Eynatten (Kirchenfenster in der Pfarrkirche) weist
gestümmelte Vögel und den Wahlspruch „Enatent et evolent“ (Sie mögen
hinausschwimmen und davonfliegen) auf.
Katharina von Reuschenberg, die Tochter vorgenannter Eheleute,
heiratete Gothard von Harff; ein Sohn dieser Eheleute, gleichfalls Gothard
genannt, überließ 1611 seiner Schwester Anna das väterliche Erbe. Diese
heiratete Frambach von Gülpen, blieb aber kinderlos, so dass das Kleine
Haus an die noch minderjährigen Kinder ihres Bruders Gothard fiel. 1644
kaufte der Onkel mütterlicherseits, Arnold Huyn von Amstenraedt, das
Kleine Haus, das im Kaufakt „maison forte“ (befestigtes Haus) genannt
wird.
9
Nachdem Arnold Huyn von Amstenraedt am 18. August 1650 dem
Herrn von Walhorn, Arnold Schuyl, die Herrschaftstrechte über Eynatten
und Hauset abgekauft hatte, nahm das alte Reuschenberger Haus auch
den Namen „Herrenhaus“ an.
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An die früheren Besitzer von Amstenraedt erinnert noch das Wappen des Arnold
Huyn von Amstenraedt in dem kleinen Vorhof hinter dem Eingang.
Nach dem Tod des Arnold Huyn von Amstenraedt kam das Erbe an
die Tochter Clara-Anna Huyn von Amstenraedt, die den im Dienste des
spanischen Königs Philipp IV. stehenden Kavalleriekapitän Gerard von
Dieden-Malatesta heiratete.
Dieser war hochverschuldet und nach seinem Tode, kurz vor 1700,
ließ einer der Gläubiger, der Graf von Hoensbroeck, den Besitz des
Verstorbenen beschlagnahmen. Es gelang der Witwe und den Kindern
jedoch, in der Person des Aachener Bürgers Nikolaus Moeren einen neuen
Geldgeber zu finden und ihre Schulden beim Herrn von Hoensbroeck
abzutragen. Dennoch konnten sie den Eynattener Besitz nicht halten, so
dass das Kleine Haus schon 1704 zum Verkauf kam. Der neue Besitzer,
10
Nikolaus Moeren, hatte eine Tochter, Johanna, die 1687 Johann Gaspard
Deltour geheiratet hatte. 1709 erbte sie den Eynattener Besitz.
Das Eynattener Herrenhaus ist eine dreiflüglige, allseits von Wasser-
gräben umgebene Bruchsteinanlage, die ihr heutiges Aussehen im
Wesentlichen in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts erhielt, als das
Haus im Besitz der Familie Deltour war.
Durch Heirat kommt das Anwesen Mitte des 18. Jahrhunderts an den
gewesenen Kapitän in österreichischen Heeresdiensten, Nik. Leonard
Charlier und 1780 durch Kauf an Arnold Römer Lambertz, den Besitzer
des angrenzenden Vlattenhauses.
Durch die Heirat von dessen Tochter Sybille Lambertz mit Andre Jos.
Franssen aus Maastricht kommt das Kleine Haus an diese Familie.
In der Folge ist ein Enkel des Herrn Franssen, Ferdinand Johann Hubert
Franssen, Richter am Amtsgericht in Heinsberg, alleiniger Besitzer des
Hauses. Einer seiner Söhne, Andre Hubert Joseph Robert Franssen,
kommt durch notarielle Urkunde vom 9. Februar 1903 in den Besitz des
Amstenraedter bzw. Reuschenberger Hauses. 1920 erwarb er auch das
Waldenburgshaus auf Merols. Er starb 1946. Dieser Vertreter der Familie
Franssen wurde 1938 in den Adelsstand erhoben und durfte fortan zum
Adelstitel „Baron“ den Zusatz „von Cortenbach“ tragen.
Da die beiden Söhne kinderlos verstarben und die Familie somit im
männlichen Stamme ausstarb, fiel das Kleine Haus an die Tochter
Mathilde Franssen von Cortenbach, verheiratet mit dem Legationsrat
L6on Sutor, deren Nachfolger das schöne Anwesen noch heute besitzen.
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RAEREN
Eine Siedlung im Reichswald
von Leonhard Kirschvink
Alle Heimatforscher haben Raeren von alters her der Bank Walhorn
und dem Herzogtum Limburg zugeordnet.
Raeren und Neudorf waren bis 1795 zwei getrennte Dörfer. Während
Neudorf eindeutig immer zum Herzogtum Limburg und zur Bank
Walhorn gehörte, gibt es Anzeichen dafür, dass Raeren ursprünglich zum
Aachener Reich gehört hat und erst um die Mitte des 15. Jh. dem
Herzogtum Limburg und der Bank Walhorn einverleibt wurde. Diese
Hypothese möchten wir hier zur Diskussion stellen.
Raeren und Neudorf, eingebettet ins Tal der Iter, waren im 10. und 11.
Jh. noch ringsum von Wald umgeben. Da ist es schon sonderbar, dass
beide Siedlungen durch eine Grenze geteilt waren. Diese Grenze konnte
nur durch die Teilung von Herrschaftsgütern entstanden sein. Im 10. und
11. Jh. begannen die Fürsten, eigene Territorien zu bilden und diese
abzugrenzen. Grafschaften und Herzogtümer entstanden.
Abteien wurden durch kaiserliche Stiftungen zu unabhängigen
Herrschaftsgebieten.
- Kaiser Ludwig der Fromme hatte 817 die Abtei INDA
(Kornelimünster) mit Land (eine Fußstunde ringsum) gestiftet. Damit
lag die Westgrenze der Abtei fest, die Linie Petergensfeld, Schmithof,
Brandenburg, Lichtenbusch und Hebscheid.
- Um 851 tritt unsere nähere Heimat zum erstenmal in die Geschichte
ein: Kaiser Lothar II. schenkt dem Aachener Marienstift den Zehnten
des Königshofes Walhorn.
- In einer Urkunde König Heinrichs III. (1042) wird "Harne" (Walhorn)
als im Lüttichgau liegend bezeichnet.
- König Heinrich IV. schenkt 1072 dem Marienstift Aachen das
Königsgut Walhorn. In der Urkunde heißt es: "Der Name dieses Gutes
ist Harne, es liegt im Ardennengau in der Grafschaft Ditpolds".
("Nomen ejusdem praedii est Harne, situm autem in pago Harduenne
in comitatu Ditpoldi").
12
RAERENS GRENZEN VON DER ROMERZEIT BIS
ZUM VERSAILLER VERTRAG 1919
Um 50 v. Chr. wurden die linken Rheinlande von den Römern erobert.
Das Gebiet Aachen - Raeren lag in der GERMANIA INFERIOR.
Die Römer hatten ihr Reich in Verwaltungsbezirke - Civitates -
eingeteilt. In unserer Heimat grenzte die Civitas Ubiorum (Ubier) im
Osten an die Civitas Tungrorum (Tongern) im Westen. Die Scheidgrenze
im Raum Aachen-Raeren ist in etwa mit der heutigen Staatsgrenze Belgien
- Deutschland identisch (siehe Karte 1 aus H. Aubin, Handatlas).
Zur Zeit der Völkerwanderung (um 350 - 450 n. Chr.) wurden die
linken Rheinlande, Belgien und Nordfrankreich bis Orl&ans von den
Franken in Besitz genommen. Diese übernahmen die Grenzeinteilungen
der Römer, die Civitates. Westlich von Raeren siedelten die Salfranken,
östlich die Ripuarier. Raeren und Neudorf gehörten zum Stamm der
Ripuarier. Die Raerener und Neudorfer Mundart ist ripuarisch. Das Land
um Eupen (Walhorn, Maastricht, Roermond usw.) gehörte zum Stamm
der Salfranken. Die Grenze zwischen den beiden Stämmen bildet noch
heute die Mundartgrenze, die sogenannte Benrather Linie: make, Water,
lope - maache, Waisser, lofe.
Die Franken teilten ihre Gebiete nach den römischen "Civitates" in
Gaue ein. Im Bereich von Aachen - Raeren grenzte der Lüttichgau an
den Jülichgau. (s. Karte 2 aus H. Aubin, Handatlas).
Bei der Christianisierung unseres Landes (600-800) wurden die
Bistumsgrenzen nach den Gaugrenzen der Franken festgelegt. So gehörten
die Gebiete östlich der Linie Aachen - Raeren zum Bistum Köln, die
Gebiete westlich dieser Linie jedoch zum Bistum Lüttich. Aachen und
Raeren gehörten zu Letzterem. Diese Bistumsgrenzen blieben bis 1801
bestehen.
Mit der Gründung der Abtei Kornelimünster im Jahre 817 war die
Ostgrenze von Raeren endgültig festgelegt. Sie blieb es bis 1919, als sie
im Versailler Vertrag zur Staatsgrenze zwischen Belgien und Deutschland
erklärt wurde. Diese Grenze ist über 2000 Jahre alt. 1921 wurde sie
zwischen Schmithof und Hebscheid nach Westen verschoben. Raeren-
Sief und Lichtenbusch wurden wieder deutsch.
Unbekannt ist bisher die Ostgrenze des Königshofes Walhorn, den
König Heinrich II. 1042 dem Marienstift Aachen schenkte.
Dieser Königshof lag im Lüttichgau, in der Grafschaft Ditpolds/
Tietbalds. (In späteren Urkunden wird Walhorn als im Ardennengau
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Die Germanen am Rhein
nach der Völkerwanderung
NINE Gaugrensen
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auch die Grenze zwischen der Grafschaft Ditpolds und dem Reichswald
war. Diese Grenze verlief in etwa über Berlotte, Vergefnes, Titfeld, Botz
und Periolbach in Richtung Vennkreuz. Einige Grenzprotokolle aus dem
14. und 15. Jh. bestätigen diesen Grenzverlauf.
Titfeld lag hart an der Westgrenze des Reichswaldes auf dem Gebiet
der Bank Walhorn. Es wäre denkbar, dass der Name Titfeld von dem
Namen der Grafschaft Tietbalds (= Ditpold) herkommt.
Von Raerener Seite aus gesehen war es Tietbalds Reich, woraus
Tietbalds Feld und letzten Endes Titfeld entstehen konnte.
So nennen die Roetgener Petergensfeld noch heute "Spanisch" weil
es früher zum Königreich Spanien gehört hat.
Wo der Namen Petergensfeld herkommt: um 1391 Peter Kindefelt.
DER KONIGSHOF WALHORN
Die Schenkung Heinrichs III. von 1042 an das Marienstift Aachen
sagt nichts aus über die Größe des Königshofes. Als Westgrenze des
Hofes kann man die Banken Baelen und Montzen sowie die Herrschaft
Lontzen nehmen, die ja auch aus königlichen Schenkungen hervorgingen.
Als Nordgrenze steht wohl die Göhl fest. Als Ostgrenze kann man den
Reichswald betrachten, im Süden den "Vorst".
Die so umschriebene Fläche betrug 48 km? oder 19.200 Morgen. Das
war die Größe bis 1439, als der Herzog von Burgund den Reichswald für
sich in Besitz nahm.
Wäre Raeren bis zur Abtei Kornelimünster in diesem Bereich enthalten
gewesen, dann wäre der Reichswald in zwei geteilt worden. Das konnte
nicht im Interesse des Kaisers liegen. Als Ostgrenze des Hofes wird man
wohl den alten Öslingerweg genommen haben, der später als Pilgerweg
über die Roderstraße nach Aachen führte.
Auf dem Gebiet des Königshofes Walhorn gibt es nur einen Ort, der
auf eine Rodung hinweist: Rabotrath. (Hergenrath, nördlich der Göhl
gelegen, sowie Raeren (Roderen) im Reichswald, rechne ich nicht zum
Königshofe gehörig). Rabotrath liegt am Rande des Hofes und wird wohl
aus der Rodungsperiode zwischen 800 und 1200 stammen.
Im Osten der Bank Baelen, eng an der Grenze zu Walhorn, liegen
nahe beieinander vier Orte, die auf eine Rodung hinweisen: Nöreth,
Gemehret, Nereth und Overoth. Es ist durchaus möglich, dass dieser
Bereich mit Rabotrath um 1042 ein zusammenhängendes Waldgebiet
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war und dass man den östlichen Waldsaum als westliche Grenze des
Königshofes Walhorn nahm.
Man kann annehmen, dass das Kernland des Königshofes bei der
Schenkung Lothars II. im Jahre 851 schon längst gerodet war und
bewirtschaftet wurde. Vielleicht liegt der Ursprung des Hofes in der
Römerzeit (siehe Karte 3)?
18
Die Grenzen des Aachener Wildbannes finden sich in einem Weistum
über den Aachener Reichswald aus dem 13. Jahrhundert. Danach sind
die Hauptpunkte der ungefähr einen Kreis um Aachen bildenden
Wildbannlinie folgende: Stolberg, Brandenberg, Honien, Reinartshof,
Titfeld, Belven, Walhorn, Emmaburg, Gemmenicher Loch, Vaals,
Mamelis, Bochholzerheide, Vlegendaal, Laurensberg, Berensberg,
Wilhelmstein, Bardenberg, Euchen, Kinzweiler, Dürwiß und Weisweiler;
von der Weisweiler Brücke bis nach Stolberg bildet dann die Inde die
Grenze.
(Nach Lacomblet Arch. III, S. 2525 ff - Grimm, Weistümer IV S. 799).
Der Reichswald, von dem hier die Rede ist, ist ein Teil aus dem
Wildbann des Aachener Pfalzgutes. Er berührte weite Teile des
Herzogtums Limburg, des Landes Monschau, der Reichsabtei
Kornelimünster, des Herzogtums Jülich und der Reichsabtei Burtscheid.
Zwischen Aachen und der Bank Walhorn gab es immer wieder
Zwistigkeiten um die Grenzen des Reichswaldes.
(Ausführliche Literatur über den Reichswald in:
- Zur Geschichte von Neutral - Moresnet von Dr. Fritz Spandau
- Die alten Reichswälder um Aachen, von Jac. Hammers in Aachener
Heimatgeschichte, 1924).
DAS GRENZPROTOKOLL DES FORSTMEISTERS
SIETZ VON LIBERME UM 1391
Leider können wir uns über die ursprüngliche Ausdehnung des
Aachener Reiches erst aus urkundlichen Quellen des ausgehenden 14.
und des beginnenden 15. Jahrhunderts ein Bild machen. Zudem handelt
es sich bei diesen Grenzurkunden nur um eine Beschreibung der Grenzen
gegen das Herzogtum Limburg.
Als früheste Quelle dient ein bisher unbekannt gebliebener Brief des
Aachener Forstmeisters Sietz von Liberme. Das Schreiben ist zwar
undatiert, aber da Sietz von Liberme€ nachweislich 1385 und 1395
städtischer Forstmeister war, dürfen wir es für diese Zeit ansetzen. Sietz
von Liberm€ macht in diesem Schreiben dem Rat Mitteilung über die
seiner Aufsicht anvertrauten Waldungen und erwähnt mehrere Punkte,
die als Grenzbezeichnungen anzusehen und größtenteils als solche auch
bezeugt sind, nämlich das Gemmenicher Loch, die Preuß, die Straße
nach Hergenrath, den Burtscheider Busch, Frennet, den Weinweg
Limburg-Kornelimünster, den Monschauer Wald und die "Scerp Eyke",
19
einen durch einen Eichenbaum gekennzeichneten, mehrfach genannten
Grenzpunkt südlich Raeren, der heute unbekannt ist.
Weit genauer sind die Angaben in einer Grenzbestimmungsurkunde,
die König Sigmund am 19. Oktober 1423 in Gebietsstreitigkeiten der
Stadt Aachen mit dem Herzogtum Limburg ausgestellt hat.
(Aus Dr. H. Schiffers, S. 26 und 27)
NB. Scherpe Eich: Auch Corney Stein genannt. Grenzpunkt der
Gemeinden Eupen, Kettenis, Raeren, östlich von Hasenell.
PROTOKOLL ZUR FESTLEGUNG DER GRENZEN
ZWISCHEN DER BANK WALHORN UND DEM
AACHENER REICHSWALD (18. April 1391)
Dingtag des Walhorner Gerichts zur Festlegung der Scheidinghe
ende Limite der Gemeende van Aachen genoempt Preusse ende
Rijcxwaldt onder de Bancke van Walhorn ende Montzen ende van
Hertogenwald sowie zur Klärung der Rechte und Pflichten der
Forstmeister im Aachener Gemeindewald durch die Schöffen von
Walhorn in Anwesenheit einer Delegation der Stadt Aachen.
Dis ist die Scheijdung und Reinungen der Geminden van Achen eines
deils und des Herzogenwaldts van Brabant ander theils, gleicher weijs
die von alters gebraucht, gehalten und befunden ist.
Zum irsten zu Neudorp an de Itter und vortgaende bis an die Cantrijen';
und voen dane gaende ahn Pijllardts vijene?; und gehet vort von Pillardts
vijenen op eijdt Reijnungen, die heere Matalien von Eijnatten?, die da in
der teijdt, daet hij burggraff zu Limbrich was*, welcke Reijnstein noch
heud destagen dae soendt; und geniet bij* an de Scharp Eich, ein Ersahmer
Raadt von Aach und Heer Johan von Grunsfelt® zur recht ein Burggrafen
von Limburgh zusamen waeren, dieselbige zeichende und die Reijnstei-
ne, als da dargesetzt worden, welcke noch beij der Scharper Eich leigen”;
und gehet vort von dan ahn Rubartsboven®; und gehet vorth von dan ahn
Claperbach, da sie inn die Weissell filt; und von Claperbach op bes oever
Plateijmont langs die Rüdehage op bis op den paet, der von Monsoije zü
Eupen gaed; und von denselven paet zu Monsoije voort bis op die Sijpe,
welcke de Esbach genant ist, und ist allein Scheijdung tuschen Monsoije
Landt und gemende van Aach; und vorth in die Eschbach nider und alle
die Steinbach nider, bis dat sie in die Weser falt; und alle die Wesell auff
20
bis zu in der Kindtfeld®; van Peter Kindefelt voort bis aen Clumen
Heijersharth'®; von dan ahn den Almachtegen Stock op Munster Vijnne,
welche eine Scheidung ist des Munster Landts und der Geminde von
Aach; von dort bis auff die Inde und alle die Inde nieder bis an die Stras
gaende under denn berig, welcher Valckenberig heischt; und alle die Stras
aus bis an der Abentheuren bis ahn denen gefaltenen Stein; und vorts
gende aen die Loebeich, da auch ein gefaltenen Stein'! leigt'?; von dane
vort auff den Schorrenstein vom hoff zu hepscheijdt und vortgaende
Heerren Schellarts Hoff; von danen vort auf die Dreischeidt von
Borscheider Busch; item von Borscheider Busch durch die Reinharts
Keel int Loch von Gemenicherbach; und alle die bach nieder bis zur
Roderburgh; und von die Roderburgh bis in die Go&1Il; und dan alle die
Goö6ll aff bis zu Moresneit; und voort alle die Goell auff bis durch Kelmis;
und von Kelmis vort under de brugge von Herkenraeden und voort die
Goöll auffwertz bis aen die Raderstraße und von den an Goellenboven'®,
dahin die Go6€ll springt; und von den Goellenboven bis widder auff Rae-
der Strassen; und fort alle die Straes langs durch den Kalckoffent; und
durch die Bukelstein vort durch bis zu den Raderen in die Busch zu
Newdorp...."
(Aus L. Wintgens, Weistümer und Rechtstexte im Bereich des
Herzogtums Limburg, Ostbelgische Studien III, !988, S. 291-295).
Dieses Protokoll beschreibt die Grenzen des Reichswaldes zur Bank
Walhorn, der Bank Baelen, dem Reichswald Konzen, dem Herzogtum
Jülich und der Reichsabtei Konelimünster.
Raeren ist eindeutig innerhalb der umschriebenen Grenzen des
Reichswaldes zum Aachener Reich gehörig.
Anmerkungen
1) Verschreibung für Anwye (BW/Bernard Willems) oder eher Auwye (WK/Walter
Kaemmerer).
2) BW schreibt irrtümlich Pyllardtsrynne, WK richtig Pillartzvenne.
3) Matalien oder Mattelinn (BW) von Eynatten wird in der Liste der Burggrafen von
Limburg in Jos. THISQUEN, Histoire de 1a ville de Limbourg, II, S. 146 f. nicht
erwähnt.
4) Bei BW ähnlich. In der folgenden Urkunde von 1423 heißt es verallgemeinernd: die
vor manighen jaren alda geschiet ist von eynem burggraven von Lymburg.
5) Lies geent (WK) oder gaent (BW) bis....
6) Johann von Gronsfeld, Burggraf ab 1377, wird am 2. August 1386 in Aachen
ermordet.
7) Die historischen Einzelheiten ab ”’ein Ehrsamer Raadt” entfallen wiederum naturge-
mäß in der Urkunde (WK).
8) Fehlschreibung für Rubartsborn; vgl. BW Rhebartsborn, WK Rebartzborn.
21
9) WK hat (auch gegen BW) die Steynbach aff biß gen Peterkindefelt.
10) BW Clumenn (?) Reyersshardt, WK Clomennreyrs hart.
11) BW hat beide male gespalten Stein; WK transkribiert irrtümlich zweimal genalden
statt der Form gevalden steyn, die in der Urkunde steht.
12) Nur in der Urkunde von 1423 folgt hier «von danne furbaß an den Daesberg an den
Obernsteyne». Der Daesberch wird auch in der Schilderung des Grenzverlaufs der
Bank Walhorn zu Beginn des schon zitierten Walhorner Weistums aus der Mitte des
15. Jahrhunderts als Anhaltspunkt angegeben. Zum weiteren Vergleich siehe u. a. J.,
THISQUEN, La Coutume ancienne du Duche de Limbourg, S. 148
13) Wiederum Fehlschreibung für -born. BW verbessert zweimal Moelenborn zu Goe-
lenborn.
N. B.: Bernard Willems veröffentlicht in "Ostbelgische Chronik" Bd. 1, 1948, S. 216-
217, eine Version dieser Grenzbeschreibung, wie sie 1862 von H. Pauly in den
"Beiträgen zur Geschichte der Stadt Montjoie" veröffentlicht wurde.
Diesen Text bringt auch G. Gronsfeld in "Die Herren von Gronsfeld, ein
limburgisches Rittergeschlecht", Geschichtliches Eupen, Bd. IX, S. 57-58.
GRENZBESTIMMUNGSURKUNDE
König Sigmund bestimmt die Grenzen des Aachener Reichs nach
Limburg hin . - 1423, Okt. 19, zu Ofen (Buda-Pest)
"Wir Sigmund von Gotes Gnaden Romischer Kunig, zu allen czeiten
Merer des Reichs und zu Vngern, zu Behem, Dalmacien, Croacien etc.
Kunig, Bekennen und tun kunt offenbar mit disem brieff allen den, die
in sehen oder horen lesen. Wann wir fleissige sorge tragen, wie wir unser
und des heiligen reichs stat zu Ache und iren inwoner unsere und des
heiligen reichs lieben getruen bey iren rechten und zugehorungen furbaß
behalden und das sie doran ungehindert beliben, und wir nu genuglich
underweiset seyn, das die ytztgenante stat und burger zu Ache ire
zugehorunge, das Riche daselbst, ire dorffer, gemeynde, pele und grentz
von aldersher besessen, ingehabt und der gebrucht haben, als die hernach
geschriben sind, nemlich zum ersten den Kailmynberg in dem Reiche zu
Ache in den pelen gelegen, iten (!) die gemeynde in velde, busche, heiden,
wassern und weiden, so wie die gelegen sind und sunderlich an dem
lande zu Lymburg, als die mit iren pelen von worte zu worte hernach
genennet sind: Zu Nuwedorp an die Iter an furbaß geende biß an die
Auwye und von danne geende an Pillartzvenne, von Pillartzvenne uff
die reynnunge, die vor manighen iaren alda geschiet ist von eynem
burggraven von Lymburg, dieselbe reynsteyne noch hewt diß tags da
steent und geent biß an die Scherpeeych und von danne furbaß an
Rebartzborn und von danne furbaß geende an Clappenbach, da sie in die
Wesel velt, und furbaß Clappenbach uff biß uber Plattemont rorende die
2@
Rundehage uff biß uff den patt, der von Monyoe zu Eupen geet, und den
pat oder steichweg zu Monyoewert biß uff die syff geheissen die
Eyschbach, und da ist die scheidunge czwischen Monyoer lant und die
gemeynde von Ache, ftirbaß die Eyschbach nyder biß in die Steynbach,
und alle die Steynbach nyder, biß die Steynbach in die Wesel velt, und
alle die Steynbach uff biß gen Peterkindefelt, von Peterkindefelt furbaß
biß an Clomenreyrs hart, von danne biß an den Almechtigenstock uff
Munstervenne, das eyn scheidunge ist czwischen Munsterlant und die
gemeynde von Ache, von danne furbaß uff die inde und die inde nyder
biß an die straße, die geet under den berech, der heist Valkenberg, und
alle die straße uff biß an der Euenturen an den genalden steyn, und furbaß
geende biß an den Loebuych, da ouch eyn genalden steyn ligt, von danne‘
furbaß biß an den Daesberg an den Obernsteyne, von danne furbaß uff
den schorensteyn in dem hove zu Hepscheit und furbaß geende uff hern
Schelartzhoff, von danne furbaß uff die Driescheit von Bortschiersbusch
und von Bortschiersbusch durch die Reynaltskele gegen das Loch von
Gymenich und von danne in Gymmenigerbach und dieseb (!) bach nyder
biß zu Roderborch und von Roederborch biß in die Goele und alle die
Goele uff biß zu Mormesneyt und furbaß alle die Goele uff durch Kelmis
und von Kelmyss furbaß under die brugge von hergenroide und furbaß
die Goele uff biß an die Roiderstraße und von derselben Roiderstraßen
biß an den Goeleborn, da die Goele springet, und furbaß von den
Goeleborn biß wider uff die Roiderstraße und furbaß alle die straße hin
biß durch den kalckoyven und durch den Bickelsteyn biß zen Roidern in
die bach, und die bach uff biß zu Nuwedorp. Und wann uns die ersamen
burgermeistere, scheppfen, rate und burgere der stat zu Ache diemieticlich
gebeten haben, in und derselben stat Ache die vorgenante ire rechte,
gemeynde, dorffer, hove, velde, busche, heiden, wassere, weiden, holtzere,
berge, teler, ebene und den Kailmynberg mit allen und iglichen iren
zugehorungen, als dann die in iren obgenanten reynen pfelen und
grenitzen gelegen und begriffen sind, zu bestetigen und gnediclich zu
confirmieren, des haben wir angesehen der vorgenanten van Ache
diemietige bete und ouch betracht soliche unverruckte trewe und willige
unverdrossene dienste, die sie unsern vorfarn romischen keisern und
kunigen und ouch uns und dem riche getan und erczeigt habent, teglichen
tun und furbaß tun sollen und mogen in kunfftigen czeiten, und haben
dorumb mit wolbedachtem mute, gutem rate und rechter wissen in und
iren nachkomen, burgern und stat zu Ache, alle und igliche obgenante
ire rechte, gemeynde, dorffer, hove, velde, busche, heiden, wassere,
23
weiden, holtzere, berge, teler und ebene und den Kailmynberg mitsampt
iren Zugehorungen als dann die in den vorgenanten iren reynen, pfelen
und grenitzen begriffen, und gelegen sind, und als sie die von aldens
gehabt hant und in gerulicher gewer und besitzen sind, gnediclich bestetigt
und confirmieret, bestetigen und confirmieren in die von romischer
kuniglicher macht vollkomenheit in craft diß brieffs und meynen, setzen
und wollen, das sy die haben, halden und dabey unverruckt beliben und
der gebruchen und genießen sollen und mogen von allermeniclich
ungehindert. Und wir gebieten ouch dorumb allen und iglichen fursten,
geistlichen und werltlichen, graven, fryen, edeln, rittern, knechten,
amptluten, vogten, burggraven, truchsessen, richtern, burgermeistern,
scheppfen, reten und gemeynden der stete, merkte und dorffere und sußt
allen andern unsern und des heiligen richs undertanen und getruen
ernstlich und vesticlich von romischer kuniglicher macht mit disem brieff,
das sie die vorgenante von Ache an den obgeschriben iren rechten,
gemeynden, dorffern, hoven, velden, buschen, heiden, wassern, weiden,
bergen, telern, ebenen und dem Kailmynberg und iren zugehorungen
furbaß mer nicht hindern oder irren in keynweis, sundern sy dabey
hanthaben, schutzen und beschirmen und sy der gerulich und ungehindert
gebruchen und genyessen und dabei beliben lassen, als lieb in sy unser
und des richs sware ungnade zu vermyden und eyne pene hundert mark
lotigs goldes, die eyn iglicher, der dawider tete, als offt und dicke das
geschee, sol seyn verfallen halb in unsere kunigliche camer und das ander
halbe teil den vorgenanten von Ache unleßlich zu beczalen. Mit urkund
diß briefs versigelt mit unser kuniglich maiestat insigel. Geben zu Ofen
nach Crists geburt vierczehenhundert iare und dornach in dem
dryundczwenczigisten iare, am nechsten dinstag nach sand Lucas tag,
unser riche des. Vngrischen etc. in dem sibenunddrissigsten,. des
romischen in dem vierczehenden iaren."
(Or. Perg. im Stadtarchiv zu Aachen. Das Siegel an gelb-schwarz-
seidener Schnur ist unbeschädigt. Abgedruckt in: Fritz Spandau, Zur
Geschichte von Neutral-Moresnet).
Obige Grenzurkunde weist Raeren eindeutig als zum Aachener Reich
gehörig aus.
Anmerkung: Roderstraße heißt Raerener Straße, erstmals 1391 erwähnt. Es war die
alte Straße, die von Raeren über Berlotte-Wesselbend-Hirtzpley nach Aachen führte.
Dieser Name hatte sich bis 1976, - der Zusammenlegung der Gemeinden Raeren -
Eynatten - Hauset -, offiziell erhalten. 1976 wurde die Roderstraße in Stestertstraße
umbenannt. Nachdem auch Aachen die Roderstraße in Raerener Straße umbenannt hatte,
war der Name Roder offiziell verschwunden. Schade!
24
GRENZBESTATIGUNG DURCH HERZOG PHILIPP
DEN GUTEN VON BURGUND
Die Aachener ließen sich von Herzog Philipp dem Guten, dem Limburg
zugefallen war, am 12.08.1431 den Verlauf der Grenze bestätigen.
Die Grenze zwischen der Bank Walhorn und dem Reichswald muss
im Jahre 1042 entstanden sein, als Kaiser Heinrich III. das Königsgut
Walhorn aus der Grafschaft Ditpolds/Tietbalds herausnahm und dem
Marienstift zu Aachen schenkte.
Um 1300 war Raeren eine Waldlichtung, die einzige Siedlung innerhalb
des Reichswaldes, im Osten von der Reichsabtei Kornelimünster, im,
Westen von der Bank Walhorn begrenzt. Neudorf lag eindeutig westlich
des Reichswaldes, zur Bank Walhorn gehörig, wie die Grenzurkunden
beweisen. Raeren lag wie eine Insel im Reichswald. Auffallend ist, dass
sich vor 500 Jahren östlich der Roderstraße kein Gehöft befand. Westlich
dagegen gab es die Gehöfte Steinkaul-Kalkofen, Neuenhof, Raaf,
Rattenhaus und Bickelstein.
Die Walhorner Seite war schon längst gerodet und Kulturland
geworden. Herzog Walram der Zweite von Limburg hatte schon um 1120
große Gebiete seines Landes den Untertanen zur Rodung zur Verfügung
gestellt.
Wenn der Reichswald seit jeher den Herzögen gehörte, warum wurde
hier nicht gerodet? Siehe Karte 4.
DER VORST SEINER MAJESTAT
Bei der Behandlung des Themas Reichswald darf der Vorst nicht außer
Acht gelassen werden.
Der Vorst war Privatdomäne der Herzöge von Limburg und blieb es
bis 1795. Heute wird dieser Waldbezirk Domänenwald genannt. Die
Entstehung des Vorst ist ungewiss. Die Gebiete der Banken Baelen,
Montzen, Lontzen und Walhorn waren im 11 Jh. ein Teil der Grafschaft
Tietbalds im Ardennengau. Als Kaiser Heinrich der Dritte 1042 den
Königshof Walhorn dem Marienstift Aachen schenkte, wurde dieser
Bezirk aus der Grafschaft Tietbalds herausgenommen. Ich nehme an,
dass der Vorst als Privatdomäne dem Grafen verblieb und später durch
Erbschaft auf die Herzöge von Limburg überging.
Die gleiche Situation kann man für den Königshof Baelen feststellen.
Der Waldbezirk Grünholz (Grunhout ) zwischen Bilstain und Welkenraedt
27
AMERKUNG ZU DEN GRENZPROTOKOLLEN
Die Grenzstreitigkeiten um den Reichswald zwischen dem Herzogtum
Limburg und der Stadt Aachen begannen schon um 1300.
So berichtet Dr. Schiffers (Seite 23), dass bereits 1318 zwischen
Limburg und Aachen Grenzunklarheiten herrschten, da Herzog Johann
seinen limburgischen Beamten eine Untersuchung über das Gemeingut
und Eigentum der Stadt Aachen vorzunehmen befiehlt; 1321 kam es
zwischen Aachen und Walhorn, das dem Aachener Marienstift gehörte,
zu Streitigkeiten über den Wald, das Gemeineigentum der Stadt Aachen.
Aachens Obervogt, Herzog Johann von Brabant - Limburg, den die Stadt
als Schiedsrichter angerufen hatte, urteilte nach eingehender Unter-
suchung, dass Aachen die Waldungen seit Menschengedenken besitze.
Daraus geht hervor, dass Aachen schon lange vor 1321 den Walhorn
vorgelagerten Wald besaß.
In den Protokollen von 1391 und 1423 steht: "zu Neudorp an de Itter,
und vortgaende bis an die Cantryen (Auwye, Anwye) von dane gaende
ahn Pijllardts vijene."
Unklar sind die obigen Ortsbezeichnungen. Meines Erachtens ist unter
"Pijllardts vijene" Periols Venn zu verstehen, heute Vennbusch genannt.
Der Vennbusch liegt im Quellgebiet des Periolbaches. (Nach Dr.
Kohnemann: Periol, prayeel, prejool, perjool, pirjool pijool, pijuel.
L.R., S. 639/383: "Am Öslinger Weg genannt 'die Puylle').
Der Periolbach stößt an den nordöstlichen Eckpunkt des Vorst. Von
diesem Eckpunkt aus in Richtung Vennkreuz stehen noch heute alte
Grenzsteine (Siehe Willi Gillessen).
Zu Neudorp an de Itter - Hier Iter auf Driesch zu Neudorf?
Somit verlief die Grenze des Reichswaldes ab Kalkofen, Roderstraße,
Bickelstein, Iter an der Burg Raeren, die Iter aufwärts bis auf Driesch
(zu Neudorf gehörig) von dort die Bergscheidergasse hoch (Hauptstraße)
bis zum Periolbach auf Botz, den Periolbach aufwärts bis zum
nordöstlichen Eckpunkt des Vorst, von dort zum Blutacker (Alcanwerk),
Richtung Itertal, Kortebusch, Mähheide, Baumhauerhäuschen, Scherpe-
Eich über Rhebartsborn (oberhalb Mospert), Richtung Vennkreuz usw.
Diese Grenze ist ebenfalls mit Grenzsteinen markiert. Wahrscheinlich
wurden diese Grenzsteine zwischen 1333 bis 1385 von Matelon von
Eynatten, bzw. von Johann von Gronsfeld gesetzt.
Auffallend ist, dass der Vorst, dem Herzog von Limburg gehörig, längs
der Grenze der Bank Baelen zweigeteilt und dem Reichswald zuge-
schlagen wurde.
28
Auffallend ist ebenfalls, dass ab Berlotte die Grenze des Reichswaldes
nicht der alten Grenze zwischen Raeren und Neudorf folgt. Die war, ab
Kinkebahn, Richtung Vergefnes, Neuenbau, Titfeld, Bergscheidergasse,
Botz, Schossent. Botz gehörte teils zu Raeren, teils zu Neudorf.
Dass die Grenze ab Neudorf an der Iter, Richtung Pfau, Kortebusch
verlaufen wäre, damit kann ich mich nicht anfreunden. Wäre es so
gewesen, dann wäre der Ortsteil Neudorf geteilt worden. Das Lehengut
Bergscheid lag um 1400 eindeutig in der Bank Walhorn. Ein genauer
Verlauf der Grenze des Reichswaldes ab Iter an der Burg bis zum Vorst
wird sich heute wahrscheinlich nicht mehr feststellen lassen, es sei denn,
der Ort (die Flur) Auwye wird geklärt. 6
ck
Die Grenzurkunden lassen die Hauptfrage offen: Wem gehörte der
Reichswald?
- Die Urkunde des Forstmeisters Sietz beschreibt die Grenzen des Waldes
als der Stadt Aachen gehörig 1391;
- Dann bestätigen König Sigmund und Herzog Philipp 1423 dasselbe
Gebiet als zu Aachen gehörig ;
- Letzten Endes kassiert derselbe Herzog Philipp 1439 den Reichswald
und verleibt ihn dem Herzogtum Limburg ein.
Wem gehörte nun der Reichswald? Vielleicht kann hier ein Historiker
Klarheit schaffen. Mir ist die Sache rätselhaft.
Zum Wälderstreit zwischen Aachen und Limburg siehe Dr. B. Willems,
Ostbelgische Chronik, Ausgabe 2, Seite 102-111.
DIE REICHSGÜTER IM AACHENER RAUM
Ursprünglich gehörten die Reichsgüter den fränkischen Kaisern, die
ihren Besitz im Laufe mehrerer Jahrhunderte durch großzügige
Schenkungen schmälerten.
So entstanden:
- 817 die Abtei Kornelimünster durch Ludwig den Frommen
- 997 und 1018 die Abtei Burtscheid durch Otto III. bzw. Heinrich II.
(Zehntbezirk)
- 1042 schenkte Heinrich II. dem Marienstift Aachen das Königsgut
Walhorn.
Nachher waren die Kaiser und Könige nicht mehr in der Lage, den
Besitz der restlichen Reichsgüter zu wahren. Das meiste jedoch haben
29
die lothringischen Pfalzgrafen, die als Verwalter der Reichs eingesetzt
waren, entfremdet und dann ihrerseits an die emporstrebenden Landes-
herren verloren.
Erben der Reichsgüter wurden im 13., 14. und 15. Jh. - bis auf geringe
Reste - die Landesherren.
Ein Beispiel dieser Art ist der Aachener Reichswald. Ursprünglich bis
an Weser und Stoul/Stuhl reichend, war der Besitz um 1439 bis an den
Landgraben vor Aachen geschrumpft.
DIE AUFTEILUNG DES REICHSWALDES IN DER
FOLGEZEIT
Im Jahre 1439 stritten sich im Limburgischen die Räte des Herzogs
und die Bürgermeister der Stadt Aachen heftig um den Galmeiberg in
Kelmis, ohne sich zu einigen.
In demselben Jahre weilte der mächtige Herzog Philipp der Gute von
Burgund zu einem Besuch der Heiligtümer persönlich in Aachen, aber
die geführten Verhandlungen scheiterten. Herzog Philipp entschied die
Sache für sich. Er nahm den Wald und das Bergwerk Kelmis in seinen
Besitz. Große Teile des Reichswaldes gingen 1439 in den Besitz des
Herzogtums Limburg über.
Allem Anschein nach kam Raeren, mitten im Reichswald gelegen, im
Jahre 1439 zur Bank Walhorn und zum Herzogtum Limburg.
Eine endgültige Regelung der Besitzverhältnisse wird 1611 vertraglich
festgelegt.
Der herzogliche Teil des Reichswaldes wird 1615 zwischen dem Her-
zog von Limburg und der Bank Walhorn aufgeteilt, zur Aufforstung und
Rodung.
Anmerkung: Um diese Zeit beginnen die umfangreichen Rodungen
um Raeren, in der Landwehring, in Lichtenbusch, Mariental, Honien,
auf Berg und Platz.
Der Umfang der Bank Walhorn nach der Aufteilung ist aus dem
Grenzprotokoll der Schöffen aus dem Jahre 1710 zu ersehen (s. V. Gielen,
"Walhorn", S. 147 und Karte 5)
1705 werden die Wälder der Bank Walhorn unter die Dörfer aufgeteilt.
Raeren erhält 2955 Morgen Wald und 1108 Morgen Heide. Neudorf erhält
976 Morgen Wald und 1400 Morgen Heide (H. Wirtz, S. 55; siehe auch
L. Wintgens, S. 338, Art. 67).
30
In der Franzosenzeit wurden 1795 die Gemeinden Raeren und Neudorf
zusammengelegt, ein Epoche ging zu Ende, Es war der Beginn der
Nationalstaaten.
6) REICHSSTADT. 5
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KARTE 5
31
GEHÖRTE RAEREN IM REICHSWALD ZU
AACHEN ODER ZUR BANK WALHORN IM
HERZOGTUM LIMBURG?
Um den Reichswald wurde, wie schon gesagt, jahrhundertelang
gestritten. Ich möchte diesen Streit nicht weiterführen, denn nicht die
Grenzen interessieren mich, sondern ob Raeren bis 1439 zum Aachener
Reich gehörte.
Es gibt einige Anzeichen dafür, dass es so war.
Ich berufe mich hier auf folgende Urkunden und Vorkommnisse:
A. Schenkung des Herzogs von Limburg, Walrams IV., von 1278
B. Der Einfall des Raubritters von Reifferscheidt in Raeren, 1437
C. Die Zehntpflicht an das Marienstift Aachen, Raeren - Neudorf
D. Abgabenliste für Hafer und Kapaune der Bank Walhorn an den
Herzog von Limburg aus dem Jahre 1442
Steuerpflichtige Feuerstellen in der Bank Walhorn von 1445
E. Die Stocklehen in der Bank Walhorn und Raeren
F. Die Besiedlung des Walhorner Landes
G. Grenzprotokoll König Sigmunds von 1423
Lassen wir im Folgenden diese Argumente Revue passieren.
A. SCHENKUNG HERZOG WALRAMS IV. VON LIMBURG
AN SEINE ZWEITE GATTIN CUNIGUNDIS, MARKGRÄFIN
VON BRANDENBURG (10.01.1278)
Erzbischof Sifridus von Cöln, Reichserzkanzler für Italien,
bekundet, dass WALRAM, Herzog von Limburg, seiner Gattin
CUNIGUNDIS die Burg und Stadt Wassenberg samt zugehörigem Land
und Dörfern, die Burg Sprimont samt zugehörigem Land und Dörfern,
die Dörfer «Espede» und Lövenich mit ihrem Zubehör, 60 Mark auf der
Münze zu Köln, 100 Mark auf der Münze zu Aachen, sämtlichen Besitz
im Dorfe Honnef, die Dörfer Walhorn (Walhar), Raeren (Roderen) und
"Tinhalt" nebst sämtlichem Zubehör, die Stadt Duisburg nebst allem Recht
daran, Gülpen (Golopia) und das Dorf Uebach (Dobach) als Heiratsgabe
übertragen hat usw .
(Aus W. Mummenhoff, Regesten der Reichsstadt Aachen, Erster Ausgabe
1251-1300, Publ. der Ges, für Rheinische Geschichtskunde, Bonn 1961,
S-4178.
Archives Generales Bruxelles, Chambres des Comptes, Waleran IV,
Reg. 1, Folio 33,
3%
Ernst:, S. P., Histoire du Duche de Limbourg. IV 1839, Seite 333; IV,
1847, Seite 446, Nr. 82).
In der vorstehenden Urkunde haben wir die bisher älteste bekannte
Erwähnung von Raeren (Roderen).
Die Bank Walhorn bestand aus mehreren Ortschaften und Weilern,
die 1278 keine eigene Kirche und keine Eigenständigkeit besaßen.
Walhorn war der alte Königshof. Der Sammelbegriff war "Bank
Walhorn".
In der Schenkung Walrams heißt es unter anderem: die Dörfer Walhar
(Walhorn) Roderen, (Raeren). Wenn Raeren zur Bank Walhorn gehörte,
warum wird es hier besonders erwähnt, wie die Dörfer Honnef, Lövenich
usSW...? % N
Welche Besitztümer hatte der Herzog in Raeren, die er seiner Gattin
schenkte? Ich schließe daraus, dass Raeren damals nicht zur Bank
Walhorn gehörte.
B. DER ÜBERFALL DES RAUBRITTERS VON
REIFFERSCHEIDT 1437
Das Jahr 1437 wurde für die Bewohner Raerens und des Kreises Eupen
besonders verhängnisvoll. Am 17. September drang Johann VII., Herr
zu Reifferscheidt, der mit 1600 Reitern in das Limburgische eingefallen
war, in den Ort ein und steckte ihn und noch einige Dörfer der Bank
Walhorn in Brand, und zwar weil "die Limburger nächst bey Raeren
einen Galgen zur Hinrichtung eines Missetäters hatten bauen lassen,
welchen Platz der Herr von Reifferscheidt unter seiner Botmäßigkeit
rechnete. Seine Reiter warfen den Galgen um, begruben den Todenkörper
auf ebenselbiger Stelle, bliesen alsdann auf ihren Trompeten, fingen an
auf dem Richtplatz herum zu tanzen. Sobald die Limburger solches in
Erfahr gebracht hatten, verlegten sie diesen in Eile alle Pässe und Wege,
warfen eine Brücke ab, fielen alsdann mit einem zahlreichen Haufen
über dieselben her und tödteten deren viele, die aber, so sich mit der
Flucht durchbrachten, verfolgten sie bis vor den Aachenschen Thoren
mit solcher Wuthe, daß diese sich spornstreichs zur Stadt hinein zuretten
gezwungen waren..."
Dieser Galgen stand wahrscheinlich bei dem Gute Meurisse, das ja
hart an der Grenze des Limburger Landes liegt und in dessen Nähe noch
heute eine kleine Wiese "Galgenbend" genannt wird.
(Aus Hermann Wirtz, Eupener Land, S. 21, der aus K. F. Meyers
"Aachensche Geschichten" S. 382 zitiert).
33
Es sollen 1600 Reiter(!) gewesen sein. Das war schon eine Armee.
Woher soll er die geholt haben? Die Eifel war noch dünner besiedelt als
die Bank Walhorn. Wozu 1600 Reiter, um auf Moeris einen Galgen
umzukippen? Mit welchen Leuten sollte man 1600 Reiter in die Flucht
schlagen? Die ganze Bank Walhorn hatte 1445 nur 454 Feuerstellen, das
entsprach etwa 2700 Einwohnern. Davon waren etwa 600 wehrfähig,
das waren keine Reiter,
Hier wurde, wie so oft in der Geschichte, etwas übertrieben!
Aus welchen Gründen fiel der Reifferscheidter in das Raerener Gebiet
ein? Er hatte doch hier keine Besitzungen.
Darüber gibt B. Willems in Ostbelg. Chronik Bd. 2,, S. 110 Auskunft:
"Seit dem Jahre 1430 war das herzogliche Haus von Brabant in direkter
Linie ausgestorben. Auf das Erbe erhoben Anspruch Philipp von Burgund
und Kaiser Sigismund. Der mächtige Herzog von Burgund setzte sich
alsbald in den Besitz von Brabant, Limburg und weiteren Gebieten.
Andererseits schenkte Sigismund im Jahre 1437 dem Landgrafen Ludwig
von Hessen die Herzogtümer Brabant und Limburg, und dieser weilte in
Aachen, um von hier aus das Erbe in Besitz nehmen zu können. Den
Landgrafen Ludwig unterstützte Johann von Reifferscheidt mit einem
Reiterheer von 1600 Mann. Dieser Herr von Reifferscheidt überfiel am
17. September 1437 sengend und brennend Raeren und andere Orte des
Limburgischen Landes."
Das Ergebnis dieser Auseinandersetzung: Seit dem Jahre 1439 hat
Philipp von Burgund den Reichswald und das Bergwerk (Kelmis) für
immer behalten, und das Gebiet war fortan limburgischer Besitz.
Schlussfolgerung: Das strittige Gebiet gehörte bis 1439 zur Reichsstadt
Aachen. Ich schließe daraus, dass Raeren ebenfalls zu Aachen gehörte
und erst 1439 zu Limburg und zur Bank Walhorn kam.
In diesem Zusammenhang sind weitere Fragen zu klären:
- mit welchem Recht wurde auf Honien ein Galgen errichtet?
- welchem Gericht unterstand das Gebiet?
Für Kriminalstrafsachen war entweder der Oberhof in Aachen oder,
falls zur Bank Walhorn gehörig, der Oberhof in Limburg zuständig. Der
Galgen der Bank stand in Limburg, später in Walhorn. Mir ist nicht
bekannt, dass in anderen Dörfern der Bank ein Galgen stand. Da der
Herr von Reifferscheidt den Galgen umstürzte, wollte er kundtun, dass
dieses Gebiet, das der Landgraf Ludwig auf Grund der genannten
Schenkung der Herzogtümer Brabant und Limburg beanspruchte, zu
34
Limburg gehörte. Wenn das Gebiet strittig war, dann muss es zu Aachen
gehört haben, sonst hätte man nicht den Galgen umgekippt.
Der Name Honien stammt von Hunschaft (Hundertschaft). Eine
Gebietseinteilung der Franken. Ob unter den Linden, am Brunnen auf
Honien, die Dingstätte war und Gericht gehalten wurde?
Das Gut Moeris war ein Allodialgut, d. h. ein von Lehenspflichten
und allen Abgaben befreiter Hof. Moeris ist wahrscheinlich eine späte
Rodung aus dem Reichswald.
Wir wissen, dass gewisse Höfe - wie die Lathöfe in Eupen - ein eigenes
Gericht hatten, das allerdings nur untergeordnete Fälle aburteilte, wie
Pacht- und Zinssachen, Erbschaften, Gesindeverträge usw...
Vielleicht reicht der Ursprung der Gerichtsbarkeit auf Honien in die
dunkle Zeit des Mittelalters zurück. Jedenfalls muss sie sehr alt gewesen
sein, denn heute, nach 600 Jahren, heißt der Ort, wo der Galgen stand,
noch immer Galgenbend.
N. B.: Dr. H. Schiffers schreibt Seite 20, dass der Aachener Richter in
solchen Gebieten, die nicht als festes Pfalzgut anzusehen sind, keine
Rechte besaß, so im Reichswald, der sich um das Gebiet der Villa Walhorn
lagerte.
C. DIE ZEHNTPFLICHT AN DAS MARIENSTIFT AACHEN
Der Zehnte wurde von allen Erträgen des bewirtschafteten Gutes dem
Lehnsherrn geleistet. In der Bank Walhorn war das Marienstift Lehnsherr.
Dagegen hatte der Lehnsherr die Pflicht, einen Teil des Zehnten zum
Unterhalt der Kirchen und zur Besoldung der Pfarrer aufzubringen.
1320 Betrug der Zehnte von Neudorf 16 Schilling.
Der Zehnte der Bank Walhorn an das Marienstift betrug 1705 für:
Astenet 18 Müdden Weizen + 18 Kapaune
Eynatten 18 A N #418
Hauset 7 % 8 RZ,
Kettenis 25 X (S #4225
Merols SAN 38 + 5
Neudorf 19 ” ö #519
Rabotrath 8 N iD +78
Walhorn _ 17” Z 4019
117 Müdden, 117 Kapaune
Rechnet man 1 Müdde zu 197,68 Liter (Nolden S. 46), so ergibt dies
etwa 23.000 Liter.
35
Im Jahre 1766 wurde der Zehnte der Bank Walhorn in Pacht gegeben
für:
Walhorn 337 Brabanter Gulden
Rabotrath 225 a
Kettenis 520 u Mi
Neudorf 301 of Re
Astenet 225 7 er
Eynatten 341 2
Hauset 126 B #
Merols 126 MM N
Total 2201 Brabanter Gulden
In beiden Auflistungen fehlt Raeren (Nach Quix, Seite 47). Sonderbar
für die größte Ortschaft!
R. Nolden schreibt (S. 237): "Soweit die Quellen zurückreichen,
standen die Zehnten fast im gesamten Einflußbereich des Königshofes
Walhorn dem Kapitel des Marienstiftes zu. Im einzelnen handelt es sich
neben Walhorn selbst um die Orte und Weiler, Astenet, Belven, Eynatten,
Hauset, Hergenrath, Kettenis, Merols, Neudorf und Rabotrath.
Nur die Zehnten von Raeren gehörten nicht dem Marienstift."
Derselbe Historiker schreibt auf S. 247:
"Warum das Marienstift nicht wie bei den übrigen Ortschaften in der
Bank Walhorn im Besitz des Zehnten von Raeren war, läßt sich nicht
ausmachen. Obwohl das Stift keine Zehnten aus Raeren bezog, mußte es
wegen des Zehnten aus Neudorf Beiträge zum Unterhalt des Pfarrers
leisten."
Die Kirche von Titfeld stand auf dem Gebiet der Gemeinde Neudorf
und gehörte bis 1670 zur Mutterpfarre Walhorn. Im Jahre 1793 betrug
der Anteil des Marienstiftes am Unterhalt der Kirche - wegen Neudorf -
194 Reichstaler (Nolden S. 317).
Die Zehntpflicht stammt aus dem Jahr 851, als Kaiser Lothar II. dem
Marienstift den Zehnten des Königshofes Walhorn schenkte.
Anscheinend gehörte Raeren um 851 nicht zum Königshof Walhorn.
Es war nicht mit dem Zehnten belastet worden und blieb auch in Zukunft
davon verschont.
Im 17. Jh. trennten sich die Dörfer von der Mutterpfarre Walhorn. Die
Zehntpflicht wurde auf die Filialkirchen übertragen, hier auf Neudorf
und nicht auf Raeren.
36
D. ABGABENLISTE FÜR HAFER UND KAPAUNE AN DEN
HERZOG VON LIMBURG AUS DEM JAHR 1442
STEUERPFLICHTIGE FEUERSTELLEN NACH DER
ZÄHLUNG AUS DEM JAHRE 1445
Das Herzogtum Limburg war von 1420 bis 1429 an den Grafen von
Virneburg verpfändet. Die Verwaltung muss in dieser Zeit sehr
vernachlässigt worden sein, denn Johann Ripelman, Rentmeister des
Herzogtums in den Jahren von 1438 bis 1443, versucht die Buchführung
der Renten und Domänen des Herzogs wieder in Ordnung zu bringen (L.
Wintgens S. 23, Fußnote 8).
Im Jahre 1442 stellt er die Abgabenliste für Hafer und Kapaune wieder
her. Folgende Dörfer und Weiler haben Hafer abzuliefern: Astenet,
Kettenis, Merols, Neudorf und Hergenrath. Raeren fehlt.
Es haben Kapaune abzuliefern: Walhorn, Astenet, Hauset, Eynatten,
Kettenis und Neudorf. Raeren fehlt.
1445 wird eine Liste der steuerpflichtigen Feuerstellen des Herzogtums
aufgestellt (F. Pauquet in: Geschichtl. Eupen Bd. II, S. 23).
Bank Walhorn: Walhorn 75 Neudorf 30
Astenet 38 Eynatten 58
Rabotrath 18 Hauset 35
Kettenis 81 Hergenrath 19
Merols 14 Kelmis mit Eynenberg 13
Raeren 73
Insgesamt: 454
Bemerkenswert ist, dass Raeren in dem Zinsregister von 1442 nicht
vermerkt wird, weil erst seit 1439 zum Herzogtum gehörig, es somit
auch nicht belastet wurde. Dagegen wird Raeren in der Zählung der
Herdstellen von 1445 schon mit erfasst.
Hier ist deutlich zu erkennen, dass 1439 eine Grenzverschiebung statt-
gefunden hat, und Raeren erst ab 1439 zum Herzogtum Limburg kam.
E. DIE STOCKLEHEN IN DER BANK WALHORN
Die Stockgüter waren Lehen des Aachener Marienstifts. Um diese
Stockgüter entstanden die Siedlungen und Dörfer. Auffallend für unsere
Heimat ist, dass im 14. und 15. Jahrhundert die Ländereien die
vorhandenen Wasserburgen umgaben. In dieser Zeit gab es deren fünfzehn
37
im Walhorner Land. Den Wohntürmen, umgeben von Wassergräben, war
der Bauernhof vorgelagert, selbst auch oft durch Wassergräben und
Zugbrücke geschützt. Zu Beginn waren die Wasserburgen die Wohnsitze
des herrschenden Landadels, der wahrscheinlich aus dem Hause Walhorn
stammte. Man vermutet, dass der Ursprung dieses Adels im Stamm der
Herzöge von Limburg liegt. Dass die Häuser Walhorn, Kettenis, Eynatten,
Neudorf, Raeren, Titfeld und Astenet aus demselben Geschlecht
stammen, beweisen die gleichen Wappen, teils farblich verschieden,
jedoch alle mit Querbalken und drei Merletten.
Um 1450, nach Erfindung des Pulvers und der Kanonen, verloren die
Wasserburgen ihren Wehrcharakter; sie wurden mehr und mehr zu
Herrschaftssitzen. Oft gelangten sie an ortsfremde Eigentümer, so um
1600 an reiche Aachener oder Lütticher Patrizierfamilien. Einige
Wasserburgen wurden im Renaissancestil umgebaut, wie Crapoel,
Astenet, Merols. Die Wasserburgen von Walhorn, Astenet, Belven,
Merols, Ravenhaus, Titfeld und Crapoel sind im Laufe der Zeit
verschwunden.
Die Burg Raeren, Brandenburg und Bergscheid sind bei Umbauten
inkorporiert worden.
Dr. R. Nolden macht in "Besitzungen und Einkünfte des Aachener
Marienstifts" Angaben über die Größe der Stocklehen um 1500 (S. 325)
Walhorn keine Angaben, geschätzt 600 Morgen.
Astenet 340
Belven mit Knoppenburg, Bexengut und
Hundertmorgen 1084
Eynatten, VIattenhaus, +Kleines Haus 619
Raaf 39%
Hergenrath 78
Liberme 350
Weims 166
Merols 481
Ravenhaus 214
Matheushof Neudorf 76
Titfeld 174
Hauset + 200
Bergscheid 245
Rabotrath mit Crapoel +714
Eyneburg (Hergenrath) + 150
Gesamt + 5.852 Morgen zu 2.500 m°.
38
Raeren:
Burg 400 Morgen
Haus Raeren 232)
Brandenburg 448
Gesamt 1080 Morgen zu 2.500 m”.
Die große Unbekannte ist die Größe des Morgen. Man rechnete mit
"großen" Morgen zu 150 Quadratruten = 3690 m? und "kleinen" Morgen
zu 100 Quadratruten = 2460 m?.
Nolden rechnet den Morgen zu 2500 m* (s. Karte 7).
N. B. Luise Freiin von Coels von der Brügghen führt in ihrem Werk
„Die Lehensregister der Propsteilichen Mannkammer" den Hof Titfeld
irrtümlich unter Raeren auf. Titfeld gehörte eindeutig zu Neudorf. {
F. DIE BESIEDLUNG DES WALHORNER LANDES UM 1500-
1600
Als Quelle gibt es nur die Lehensregister der Propsteilichen
Mannkammer des Marienstiftes Aachen. Geht man davon aus, dass die
Urbarmachung und Besiedlung von den Stockgütern, bzw. den
Wasserburgen ausgingen, kann man anhand der in den Lehensregistern
angegebenen Größen erkennen, welche Gebiete um 1500 bewirtschaftet
wurden.
Darüber hinaus gab es große Gebiete, die mit dem Neubruchzehnten
belastet waren, über die keine Angaben vorhanden sind. Diese Gebiete
waren dem Aachener Marienstift nicht lehnspflichtig. Über die um 1500
vorhandenen Waldungen, Heiden und Vennflächen gibt die Ferraris-Karte
von 1771 nur Anhaltspunkte.
Über die Bevölkerungsdichte gibt die Liste der steuerpflichtigen
Herdstellen von 1445 Auskunft.
Vergleicht man die Lage der Burgen mit einer geologischen Karte, so
stellt man fest, dass alle Burgen in den Gebieten mit Kalksteinböden
angesiedelt waren. Der Kalkboden, nicht mit dichtem Wald bedeckt, war
günstig für die Rodung und Besiedlung. Die Sandböden des Johbergs
und der südliche Ausläufer des Aachener Waldes, sowie der Schieferboden
des Nordhanges des Hohen Venns wurden in der Frühzeit nicht besiedelt.
Es gab hierfür zwei Gründe: Die Sandböden und das Schiefergebirge
waren stark bewaldet und der Boden war nicht so ertragreich, wie der
Kalkboden.
41
Dass der Walhorner Raum zur Römerzeit spärlich mit Wald bedeckt
war, lässt der Verlauf der Römerstraße - Kinkebahn genannt - erkennen.
Die Römer legten aus strategischen Gründen ihre Straßen auf Höhenzügen
und im freien überschaubaren Gelände an. Die Kinkebahn verläuft von
Gressenich im Osten, quer durch das Kalkbodengebiet des Walhorner
Landes in Richtung Limburg, und von da über das Kalkbodengebiet des
Condroz nach Dinant an der Maas.
Vielleicht stammt die Kinkebahn schon aus der Keltenzeit und diente
dem Bronzehandel zwischen Gressenich, Dinant und dem Maastal. In
Gressenich wurde schon vor der Römerzeit Erz abgebaut. Bei der
Aufteilung der Wälder und Heiden der Bank Walhorn im Jahre 1705
werden für den Bezirk des Königshofes (von 1042) folgende Wald- und
Heidebestände angegeben (Siehe L. Wintgens, Seite 341 bis 351):
Wald ca. 2500 Morgen
Heide ca. 1512 Morgen
4012 große Morgen zu 150 Ruten, die Rute zu 16 Fuß = 3696 m?
entsprechend 5922 Morgen zu 2500 m?.
Der Königshof Walhorn hatte um 1042 eine Fläche von ca. 19200
Morgen.
Davon waren um 1705:
3690 Morgen Wald = 19% der Fläche des Königshofes
2232 Morgen Heide = 12% # A
13 278 Morgen Wiesen und Acker = 69 % dieser Fläche (Siehe Karten
6 und 7).
Nach Dr. Nolden (Seite 247) wird der Propsteiliche Grundbesitz in
Raeren in den Protokollen der Propst. Mannkammer erst ab Beginn des
15. Jh. erwähnt. Warum das Marienstift nicht wie bei den übrigen
Ortschaften der Bank Walhorn im Besitz des Zehnten von Raeren war,
lässt sich nicht ausmachen.
Anmerkung des Verfassers: Sehr wahrscheinlich, weil Raeren bei der
Übertragung des Zehnten des Königshofes Walhorn 851 nicht zum
Königshof gehörte.
Die Pröpste erzielten Erträge lediglich durch die bei der Übertragung
von Gütern fälligen Relivia (Gebühren). Ein weiterer Hinweis, dass
Raeren vor 1439 nicht zur Bank Walhorn gehörte, ist die Tatsache, dass
die Güter des Stocklehens Titfeld außerhalb der Grenze des Reichswaldes
lagen, die der Burg Raeren und des Hauses Raeren dagegen alle innerhalb
dieser Grenze. Soweit heute noch feststellbar, überschritten die Güter
nicht die Grenze Neudorf-Raeren.
42
SCHLUSSBETRACHTUNG
Gehörte Raeren bis 1439 zum Aachener Reich? Da gibt es noch einige
Fragen zu klären:
1. Gibtes Steuerlisten der Herdstellen des Herzogtums Limburg von
vor 1439, in denen Raeren erwähnt wird?
2. Gibt es in Aachen Urkunden, die beweisen, dass Raeren bis 1439
zum Aachener Reich gehört hat?
3. Zu welcher Pfarre gehörte Raeren vor 1439? Im Lehensregister
Seite 638 wird 1415 ein Bend zwischen Raeren und Titfeld, durch den
der Pfad zur Kirche von Titfeld führt, erwähnt:
Es ist der heutige Fußpfad von Raeren-Born zur Kirche. Titfeld lag
auf Neudorfer Gebiet, gehörte also zur Bank Walhon.
Es ist anzunehmen, dass die Raerener zur Kapelle von Titfeld gingen.
Neudorf gehörte bis 1670 zur Mutterpfarre Walhorn.
4. Die Gudungsbücher von Walhorn beginnen erst 1446 und können
somit keine Auskunft geben, ob Raerener Güter vor 1439 eingetragen
wurden.
5. Über den Neubruchzehnten, der ab 1266 erwähnt wird, gibt es
nach meiner Kenntnis zur Zeit keine Aufzeichnungen.
6. Urkunden über die Zeit vor 1400 für den Bereich Raeren sind mir
nicht bekannt und auch sonst sehr selten.
Alle Anzeichen deuten darauf hin, dass Raeren bis 1439 zum Aachener
Reich gehört hat.
Quellenverzeichnis
Kaspers H., Comitatus nemoris - Die Waldgrafschaft zwischen Maas und Rhein,
Beiträge zur Geschichte des Dürener Landes 7 und ZAGV Beiheft 2, Düren/Aachen
1957
Willems, B., Ostbelgische Chronik, Bd. 1, 1948 , Bd. 2, 1949 (Eigenverlag)
H. Wirtz: Eupener Land, Beiträge zur Geschichte des Kreises Eupen, Berlin 1936,
Nachdruck d. Göhltalvereinigung, Eupen 1981
Nolden, R., Besitzungen und Einkünfte des Aachener Marienstiftes, Sonderdruck
aus ZAGV, Bd. 86/87, Aachen 1981, Vlg. des Aachener Geschichtsvereins
Wintgens, L., Weistümer und Rechtstexte des Herzogtums Limburg, Quellen zur
Regionalgeschichte 14.-18. Jahrhundert, Ostbelgische Studien Bd. III, Grenz-Echo Verlag,
Eupen, 1988
Coels von der Brügghen, Luise Freiin, Die Lehensregister der Propsteilichen
Mannkammer des Aachener Marienstiftes 1394-1794, Publikationen der Rheinischen
Gesellschaft für Geschichtskunde, 52, Bonn 1952
43
Aubin, H., Geschichtlicher Handatlas der Rheinprovinz, Köln-Bonn 1926, 2. Aufl.
unter dem Titel "Geschichtlicher Handatlas der deutschen Länder am Rhein, Mittel- und
Niederrhein, Bonn 1950"
Overbeck, H., Aachener Beiträge zur Heimatkunde. Das Werden der Aachener
Kulturlandschaft. Aachen 1928
Quix, Ch., Beiträge zu einer historisch-topographischen Beschreibung des Kreises
Eupen, Vlg. J. A. Mayer, Aachen 1837; Neudruck Aachen 1978.
Spandau, Fr., Zur Geschichte von Neutral-Moresnet, Aachen 1904 (de) Walque, J.,
Le Vorst Ducal
Yans, M., Histoire Economique du Duche de Limbourg sous les Ducs de Bourgogne,
Bruxelles, Academie, 1938
Gillessen, W., Die Grenzen des Vorst, in Geschichtliches Eupen, Bd. VIII, 1974
Schiffers, H., Aachengau, Pfalzgut und Aachener Reich, Aachen 1922
44
Der Bref no oove
von Jakob Langohr
Ech merkde letztens engs dies Daachs,
sö langsam jeet me der Berg eraaf.
Han no oove e-ne Bref jeschräve
ech wöll jevälles noch jät lääve.
Ech han vööl Tämbere drob jepläckt
An met de Loffpos aafjescheckt.
Ech schrääf, ech wöll noch jär jät blive,
möss noch e Kelmeser Platt vööl schrive. e
Brugde noch jät Tiit, höj noch Idee,
vleks döng ääl enge sech dra vröjje.
Höj noch männech Jedichske e je-ne Kop,
die schrääf ech waal noch janz jär op.
Och wenn ech övver achtzech wüer mä zacker,
ming Sprösskere hööle mech waal noch wacker.
Bään an der Herrjott mörjens stell,
lott mech mä noch jät bliive.
Ech han noch Spass, et magd Pläseer,
än mot noch janz vö6öl schrive.
Än jeet dat neet, jäff mech e Vlecske
henger en Wook e janz klee Eckske
Och wenn do oove blösst der Wenk,
Jätt mech de Vär prett än der Enk.
Wat onde mech derdörech jejange,
well ech met der Bleck va oove vange.
Och wenn ech ob-ene Wook mot sette,
en kleng, en jriß, ech bruk jeng wette,
Hott mech jevälles vrej der Bleck
Dat ech no onde han der Kick.
Sow ech ävvel e-je Fägevüer koome,
vöör die paar Söng, die ech verbroone,
brennt neet ming Vengere, kritt de Puete,
ech han noch Plän, noch janze jruete.
Lott dat met die Vengere Bliive,
die bruk ech jo noch vöör te schriive.
Ens kicke, wat der Herrjott sätt,
of dä mech vlecks en Antwoet schrifft!
45
Aus dem Geschichtsbuch der Pfarre
Eynatten
von Walter Meven
Bei der Durchsicht des Archives der Pfarre St. Peter Aachen, welches
als Depositum im Stadtarchiv Aachen beruht, fand sich eine Chronik der
Pfarre St. Johannes in Eynatten, die auf Wunsch des Aachener
Kardinalpriesters Wilhelm Wildt, der aus Eynatten gebürtig war, von
dem Eynattener Pfarrer Cornelius Matthai (1676-1729) niedergeschrieben
wurde. Wir wollen sie hier im Originaltext übernehmen. Einige Details
haben bereits in früheren Veröffentlichungen ihren Niederschlag
gefunden.
Die Tatsache, dass im Laufe der Jahrhunderte keine offiziellen
Pfarrerhebungen erfolgt.sind, ist zunächst mit der Zugehörigkeit zur
Mutterpfarre Walhorn begründet. Bereits 1558 werden die
Kapellengemeinden als zu Walhorn gehörend erwähnt. Noch bis ins 18.
Jahrhundert war der Pfarrer von Walhorn mitentscheidend bei der
Besetzung der Kapellengemeinden. Desungeachtet hatte er gewisse
Anteile an den Zehntrechten. Erst mit der französischen Besetzung 1792
bzw. 1794 wurden auch diese Vorrechte allgemein abgeschafft. Es sind
lediglich im 17. Jahrhundert Tauf- und Beerdigungsrechte vergeben
worden. Ab dem Jahre 1617 übten die Priester an ihren zuständigen
Kapellen Pfarrfunktionen aus. In den Kapitelsprotokollen des
Marienstiftes findet sich eine diesbezügliche Eintragung. Es heißt dort:
"20.8.1618. Item weil die von Walhorn etliche Baptisteria aufgerichtet,
soll darauf demnächst ein Capitel gemacht werden." Dies geschah unter
dem in Walhorn nicht residierenden Pfarrer Darmond. Es gibt Hinweise
darauf, dass Tauf-und Beerdigungsbücher eingeführt wurden, die meist
in den Kriegswirren verloren gingen. Lediglich die Mutterpfarre Walhorn
besitzt heute noch die Kirchenbücher aus dieser Zeit. Das 17. Jahrhundert
gilt allgemein als Unglücksjahrhundert. Marodierende Truppen aller Art
zogen "brennend und sengend" durch das Land. Willkürlich erzwungene
Kontributionen gab es immer wieder. Man war nicht immer in der Lage,
auferlegte Abgaben in Geld und Naturalien zu entrichten und man sah
sich häufig gezwungen, geldliche Anleihen in Aachen zu machen bei
vermögenden Bürgern. Die Rückzahlung wurde auf die einzelnen Bür-
ger umgelegt. Das kirchliche Leben wurde selbstredend stark
46
eingeschränkt. Auch kirchliches Eigentum wurde nicht verschont. Bei
akuter Bedrohung flohen die grenznahen Dorfbewohner oft in die durch
Mauern geschützte Stadt Aachen, wohin sie zunächst ihr Vieh gebracht
hatten. Wie aus den Kirchenbüchern der Pfarre St. Peter ersichtlich,
wurden Taufen und Eheschließungen dieser Flüchtlinge dort eingetragen.
Die ebenfalls dorthin geflohenen Heimatpfarrrer lasen dort für ihre
Pfarrkinder die hl. Messe. Dies ist ein Zeichen für die Anwesenheit einer
großen Zahl von Limburger Emigranten.
Ein früher Geistlicher findet sich für das Jahr 1641 in einem Prozessakt
erwähnt. Sein Name war Jan Mol. Einer seiner Nachfolger war Matthias
Fabritius. Er wird in den Lehnsregistern des Jahres 1653 als suspendiert
erwähnt. Anno 1662 ernennt der Herr der Herrlichkeit Eynatten, Arnold’
Huyn von Amstenrath, den Pfarrer Johann Petri aus Jabeck. In diesem
Jahre hatte seine Ehefrau Anna Maria Meersen eine Kaplansstelle
gestiftet. Herr Huyn von Amstenradt beanspruchte das Besetzungsrecht
für sich alleine, was den Widerspruch der Familie von Vlatten erregte. In
einem Gerichtsakt wurde die wechselweise Besetzung durch das "kleine"
(Amstenrather) und das "große" Haus (Vlattenhaus) festgesetzt. Einer
der Nachfolger von Johannes Petri, der 1676 in einem gerichtlichen
Verfahren abgesetzt wurde und sein Amt abgeben musste, war Cornelius
Matthaei. Er wurde eingesetzt durch den damaligen Besitzer des kleinen
Hauses (Amstenrather oder Reuschenberger Haus), Johann Arnold von
Dieden-Malatesta.
Die Titel der frühen Priester waren nicht eindeutig angegeben. Man
bezeichnete sie wechselweise als Vikar, Kaplan oder Pfarrer. Gegen die
frühe Nennung eines Caspar Bauer als Seelsorger in Eynatten im Jahre
1566 spricht ein Schreiben des Vizepropstes des Marienstiftes von
Wüstenrath aus dem Jahre 1607. Dieser erklärt, es seien ihm keine
früheren Pfarrer erinnerlich, da die früheren Akten verloren seien.
Bei der Errichtung einer Kapellengemeinde mussten sich meist die
Einwohner zum Unterhalt von Geistlichen und Kapelle verpflichten. So
standen Zinsen vom Beelenbend dem Pfarrer von Eynatten zu. Priester
aus dem Kloster Brandenburg und der Mutterkirche von Walhorn haben
zunächst die Kapelle von Eynatten bedient. Es folgen nun die Nieder-
schriften des Cornelius Matthaei (Mattheij): der Originaltext ist in Latein
verfasst.
47
Eynatten
Chronik der Pfarrkirche Eynatten durch mich, Cornelius Matheij, im
46. Jahre Pfarrer in Eynatten, im Jahre 1722, am 17. Februar, nach dem
‚Kirchenregister zusammengestellt auf Bitten des sehr ehrw. Hrn. Wildt,
Kanonikers der Kirche ULF in Aachen, damit derselbe sie ins
Bruderschaftsbuch einträgt zum ewigen Gedächtnis.
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Dieser Ausschnitt aus einer i. J. 1858 angefertigten Kopie der Eynattener
Katasterkarte zeigt die Lage der Flur «Pesch» (s. Pfeil).
Aus alter Überlieferung wissen wir, dass das sehr edle und alte Haus
von Eynatten, dessen Spuren hier in der Wiese genannt "Pesch" noch zu
sehen sind, im Hof vor dem Eingang zur "Curia" oder "Villa" eine Kapelle
zur Ehre der hl. Mutter Anna errichtet und dieselbe mit einer Stiftung
von 14 Müdden Hafer versehen hat; und dies als Lohn eines Kaplans aus
Walhorn oder Brandenburg, der an Sonn- und Festtagen nach Eynatten
kam, um dort die Messe zu feiern, um 1200 nach der Geburt unseres
Herrn.
48
Nach Ablauf mehrerer Jahre wurde die vorgenannte Kapelle durch
die Adligen und die gemeinen Einwohner im Jahre des Heils 1444
vergrößert. Der edle Herr Crümmel von Raaf baute das Chor und die
Gemeinde fügte den Turm bzw. Glockenturm hinzu. In jenem Jahre
wurden auch die Glocken gegossen, wie aus den Inschriften zu sehen ist.
Dass das Chor durch den Herrn von Crümmel errichtet wurde, wird
dadurch belegt, dass beim Abbruch des alten Chores (des Turmes des
alten Chores) sein Wappen durch mich in Anwesenheit von anderen
gefunden wurde; die größere Glocke wurde geweiht und getauft auf den
Namen Maria, die kleinere auf den Namen Johannes des Täufers.
Nachdem die Kapelle so vergrößert worden war, bat die Gemeinde im
15. Jh. den erlauchten und ehrwürdigen Fürstbischof von Lüttich;
Johannes von Hintzberg (1) durch den Weihbischof sowohl den neuen
Altar wie die Kirche konsekrieren zu lassen, was ihnen auch angesichts
der prägnanten Gründe gewährt wurde, denn im Jahre 1444 sandte er
seinen Weihbischof Dionysius, Bischof von Roperts, der in jenem Jahre
am 16. Oktober den im neuen Chor errichteten Altar zu Ehren der hl.
Jungfrau Maria konsekrierte und das Gotteshaus zu Ehren des hl. Johannes
des Täufers weihte, wie in einer Pergamenturkunde mit anhängendem
grünem Wachssiegel sowie auf der "cavea” bzw. dem "sepulchrum" des
alten Altares, das uns erhalten geblieben ist, zu lesen steht.
In jener Zeit einigte sich die gesamte Gemeinde von Eynatten darauf,
ein fixes Einkommen für den Unterhalt ihres Geistlichen festzulegen,
wobei sich jeder verpflichtete, jährlich zum festgelegten Unterhalt des
Pfarrers beizutragen. Der eine versprach so viele Müdden, der andere so
viele "vasa" (Fass)Hafer zu geben etc., was alles aufgezeichnet und ins
Register der Kirche eingetragen wurde.
Nach wiederum einigen Jahren - 1617 - errichtete die Gemeinde ihrem
Seelsorger ein Haus und gleichzeitig eine Schule; es war dies zur Zeit
des Hermann Wildt, des Großvaters des edlen Herrn Kanonikers Wilhelm
Wildt, Bürgermeister und Einnehmer des Ortes Eynatten.
Später, 1652, wurden die kirchlichen Zehnten in Eynatten und Hauset
durch Entscheid des Rates von Brabant der Kirche bzw. dem Pastorat
von Eynatten und Hauset zugesprochen und einige Jahre durch den
ehrwürdigen Herrn Mattias Fabricius "fructificatae” (genossen), wie in
unserem Register bemerkt wird, bis dass der ehrw. Herr Wilhelm Voets,
Pastor von Walhorn, kam, um den damaligen zeitlichen Herrn und die
D Johann VIII. von Heinsberg war Bischof von Lüttich von 1419 bis 1456.
49
"principaliores" (einflussreicheren Bürger) zu bitten, sie möchten ihm
die Zehnten in Hauset bis zu seinem Lebensende überlassen, was sie
ihm zusagten, wie aus der folgenden Übereinkunft und Bescheinigung
hervorgeht.
Ick onder get.(ekende) verclaere ende attesteere mits desen waeragtig
te sijn dat eynige jaeren geleden hebbe mij met den wel Edlen geborene
Heere Gerard van Heiden (= Dieden) de Malatesta, Heere deser
Hoeftbanque van Walhon so wijt verenigt ten regarde van seker vonnisse
in souverinen Raede van Brabant ende dat aengaende de tynden onder
Eynatten voors. so is evenwell dat den voorgenoemden Welledlen heer
mij heeft gelaeten in de possessie van de teynde van voors. Hoset, nochtans
onder expresse conditie, dat mijne naervolgende Pastoers van Walhorn
niet en sullen op voors. tijnden van Hoset noch hebben einig recht ofte
actie, maer dat de selve naer meine afflevigkeit sal devolveren tot de
voors. pastoreije van Eynatten ende Hoset als een aengehoerig Emolu-
ment ende dependent van de voors. pastoreije, het welck ick erkenne
alsoo te sijn ter waere oorkont hebbe dit met eygene handt onderschreven
desen 22 aprilis 1669; was onterteyckent Wilhelm Voets Pastor in
Walhorn, Gerard Dieden Malatesta, Joannes Knops testis Secretarius et
scabinus in Walhorn.
Im Jahre 1617 baute die Gemeinde das Pfarrhaus unter Hermann Wildt,
Einnehmer von Eynatten und Bürgermeister.
Wenn es nötig wäre, könnte an dieser Stelle auch das vorgenannte
Urteil des Brabanter Rats zugunsten des Pastors von Eynatten und Hauset
eingetragen werden. Dazu müsste hier ein Freiraum gelassen werden,
denn ich besitze dieses Urteil.
1619 wurden dem Pastor von Eynatten alle Pfarrfunktionen wie in
Walhorn überlassen.
1650 stiftete die Wohledle Frau Anna Maria von Mersen, Herrin von
Eynatten und Hauset, die Kaplanei und bestimmte zu diesem Zweck 1200
Pattacons, die sie der Gemeinde in Eynatten gegeben hatte, mit der
Bedingung, dass die jährlichen Zinsen, d. h. 6 1/4 %, dem Kaplan
zukommen, was die Gemeinde bis jetzt, bis zum Jahre 1722, treu gezahlt
hat.
Darüber hinaus gab die vorgenannte Dame goldenen, ganzseidenen
Stoff für Kaseln und der Herr, ihr Gemahl Arnold Huyn von Ambstenraet,
gab seine ganzseidene rote "Toga" dem Pastorat für ein kostbares "plu-
viale"; die Dame fügte noch 100 Pattacons dazu für ein Jahrgedächtnis
der Quattembertage. Als Lohn erhält der Pastor 6 1/4 (Pattacons?) jährlich.
S1
Bau habe ich, Cornelius Matthei, was der Gemeinde bekannt ist, ohne
mich rühmen zu wollen, 70 und mehr Pattacons beigesteuert.
Darüber hinaus habe ich mehr als 600 Pattacons für Prozesse
ausgegeben, um die Einkünfte der Pfarrkirche zu erhalten und zu wahren,
dies zum Vorbild für meine illustren Nachfolger, damit sie gleichermaßen
Kirche und Pfarre vermehren und bewahren zum heilsamen Ende, damit
immer Würdigere dieses Pfarramt anstreben und zur Erbauung des Leibes
und zum Heil der Seele hierher kommen.
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Für die Priestergrabstätte ließ Pfarrer Cornelius Matthaei einen Grabstein im
Chor der Kirche legen. Die Symbole des Priestertums, Kelch und Hostie, meißelte
der Geistliche mit eigenen Händen in den Stein, Dieser liegt heute vor dem Chor,
auf dem alten Friedhof an der Kirche.
52
Ao 1707 wurde ein neues Chor gebaut, drei Jahre nach dem Bau des
Schiffes/Gotteshauses. In jenem Jahre hat der edle und ehrenwerte Herr
Christoph Meessen, kaiserlicher (?) Kommissar der Bank, Schöffe von
Walhorn und Einnehmer von Hauset, wo er wohnte, für das Eindecken
sowohl des Schiffes wie des Chors alle Schiefer geschenkt; er hatte sie
in Salm zum Preise von 90 Pattacons gekauft. Wir haben davon noch
einen Rest zum Decken des neuen Turmes.
(Zweite Fassung):
Im Jahre 1710, d. h. drei Jahre nach dem Bau des Schiffes, wurde ein
neues Chor errichtet und für die Bedachung sowohl der Kirche wie des
Chors hat der edle und sehr ehrenwerte Herr Christoph Meessen,'
Kommissar der Bank, Schöffe von Walhorn und Einnehmer in Hauset,
wo er wohnt, alle Schiefer geschenkt, für die er 90 Pattacons bezahlt
hat. Wir haben davon noch einen Rest zur Bedeckung des Turms und des
Glockenturms.
Im Jahre 1710 gab Lambert Lamberts, Einnehmer des Ortes, den neuen
Predigtstuhl, der sich in der Kirche befindet. Er kostete 40 Pattacons.
Im Jahre 1711 wurden drei Altäre errichtet: Den rechten Seitenaltar
schenkte zur Ehre der seligen Jungfrau Maria der Ehrwürdige und
Erlauchte Herr Wilhelm Wildt, Kanoniker der Königskirche zu Aachen,
in diesem Ort geboren und getauft; darüber hinaus schenkte er unserer
Kirche eine Reihe von verschiedenen Ornamenten, Kaseln, Leinwand,
weißen Chorhemden ("superpellicea") und einen "semi-calix"
(Halbkelch, Kelch ohne Deckel). Zudem errichtete er eine Bruderschaft
vom Leiden unseres Herrn Jesus Christus; in Berlott ("Blott") errichtete
er eine Kapelle mit Kreuzwegstationen; auch gab der vorgenannte Herr
Kanoniker eine Lampe, die vor dem Allerheiligsten hängt.
Den linken Seitenaltar stiftete der großmütige und sehr edle Herr
Freiherr von Blittersdorf aus Hepscheid zu Ehren des hl. Johannes des
Täufers und des hl. Hubertus.
Den Hauptaltar stiftete der edle und ehrenwerte Herr Winand Meessen,
gewesener Schöffe von Walhorn, Kommissar dieser Bank und später
Statthalter von Burtscheid.
Den Fußbodenbelag des Chores habe ich aus meiner Tasche für 23
Reichstaler vom Kloster St. Cornelius gekauft in Anwesenheit des
Lontzener Schöffen Schmets; den Fußbodenbelag im Schiff hat die
Gemeinde bezahlt.
58
Im Jahre 1713 habe ich, Pastor Cornelius Matthei, eine Uhr angeschafft,
denn vorher gab es keine, die ich teils aus der Kirchenkasse ("fabrica"),
teils aus eigenen Mitteln und Mitteln der Gemeinde 50 kaiserliche
Pattacons (Reichstaler?) bezahlt habe; der Gottesdienst soll dadurch
pünktlicher stattfinden.
Im Jahre 1714 gab der Herr Nikolaus Aan, Schöffe von Burtscheid,
den in der Mitte der Kirche hängenden Kron- bzw. Kerzenleuchter.
Im Jahre 1720 habe ich aus der Kirchenkasse, die ich eingerichtet
habe und die es vorher nicht gab, die zwei kleinen Altäre angeschafft,
die zu beiden Seiten an der Wand hängen.
Im Januar 1722 gab die Dame Hannot von Schloss Vlatten ein neues
Ciborium (Speisekelch) aus reinem Silber und der erlauchte Herr
Kanonikus Wildt, hier in Eynatten geboren und in unserer Kirche getauft,
gab seinerseits mehr als die Hälfte zu einem neuen Kelch aus Silber,
zum Gebrauch in der Pfarrkirche und in der von ihm errichteten Kapelle
in Berlott.
Anhang: Notarielle Erklärung
Ich Unterzeichneter, durch päpstliche Vollmacht öffentlicher Notar
des Erzdiakonats Condroz und des Lütticher Hofs, bezeuge und erkläre
für wahr, dass mir aus der Lektüre und der Prüfung des Registers des
Erzdiakonates Condroz bekannt ist, dass die Kirche von Walhorn eine
"ecclesia integra" ist und unter sich unter anderen die Kapelle von
Eynatten hatte mit dem besonderen Zusatz, dass die Einwohner deren
Seelsorger oder Kaplan auf eigene Kosten unterhielten, indem sie ihm
neben den Stolgebühren ein bestimmtes Einkommen gaben.
Ich bezeuge außerdem, dass die besagte Kirche von Walhorn lange
bestand, ehe die genannte Kapelle von Eynatten zur Pfarrkirche erhoben
wurde. Denn in einem Register aus dem Jahre 1593, es ist das ältere der
in unserem Besitz befindlichen Register betr. die Einsetzungen
(Ernennungen) im Erzdiakonat Condroz, befindet sie sich in der
Beschreibung des Konzils des hl. Remadus im Erzdiakonat Condroz im
folgenden Auszug:
"Register des Erzdiakonates Condroz, Kirche von Lüttich, begonnen
1593 nach den Registern, nämlich am vergangenen Feste des hl. Johannes
des Täufers.
Remaclus
Die anderen Kirchen können vernachlässigt werden, da sie nicht zum
Thema beitragen.
55
SS
BETEN
a ET |
Eine neue Grabplatte erinnert an die Seelsorger vergangener Zeiten,
Daher scheint es wahrscheinlich, dass der Herr Johannes Petri, der
auf sein Amt verzichtete, wie oben gesagt, der erste durch bischöfliche
Autorität ernannte Rektor dieser Kapelle gewesen ist.
Dies zur Wahrheit habe ich vorliegendes Schreiben mit dem Siegel
des Erzdiakonats versehen und unterschrieben an diesem sechsten Juni
1759:
Unterschrift: Barth. Hubertus Matheji, Notar.»
Quelle
Stadtarchiv Aachen, St. Peter
56
Das Herzogtum Limburg nach der
Karte und Beschreibung des Aegidius
Martini
von Alfred Bertha
Ve} Simon Pierre Ernst, der
P | bekannte Historiograph
Ye) Limburgs, erwähnt in seiner
Pa 1837 veröffentlichten Ge-
(> CR schichte des alten Herzogtums’
> 7 die Karte des Gilles Martini
CE De als die älteste ihm bekannte
pP | LI AB IR SEN SIS| fi N Spezialkarte des von ihm
S | DUCATUS | | = beschriebenen Gebietes.
| NOVA DESCRIPTIO Ma Mit seinem im Jahre 1603
33 Audore WW erschienenen Kartenwerk hat
s A AO der Antwerpener Mathema-
_ REM tiker und Kartograph Aegidius
SS Ar A 5 Martini einen Meilenstein in
LA der Kartographie des 17. Jhs.
gesetzt. Er betrachtete seine
S dem Gouverneur Limburgs
Gaston Spinola gewidmete
Karte als «nach den neuesten Messungen zur genauesten Perfektion
gebracht». Spätere Kartographen haben immer wieder auf Martinis Karte
zurückgegriffen. Diese wird begleitet von einem erläuternden Text in
lateinischer Sprache, der kurze Hinweise zur Geographie, Geschichte
und Wirtschaft des betreffenden Gebietes liefert. Er ist betitelt:
«Das Herzogtum Limburg und die davon abhängenden Gebiete»
Martini schreibt:
Das Herzogtum Limburg, das diese Karte zeigt und das seinen Namen
der Hauptstadt Limburg verdankt, grenzt im Westen an Lüttich und Maas-
tricht, im Osten an Aachen und Kornelimünster, im Süden an die
Grafschaft Franchimont und an die Wasser von Spa.
So angenehm dieses ganze Gebiet im Sommer wegen der
abwechslungsreichen Landschaft und der Ausblicke auch ist, so
57
unangenehm ist es im Winter. Denn in dieser ganzen Jahreszeit ist es
starr vor Frost und wegen der hohen Lage bleibt der Schnee in gewissen
Teilen bis weit in den Sommer hinein liegen.
Der Boden ist sehr fruchtbar an allem, was die Menschen benötigen;
eine Ausnahme bildet -wegen des rauhen Klimas- der Wein. Er trägt
sehr guten Weizen und Dinkel, woraus man ein ganz weißes Brot herstellt.
Die Weiden sind zur Haltung des Viehs hervorragend geeignet; daher
kommt es, daß die Menschen im Überfluss einen Käse von köstlichem
Geschmack haben (1).
Sie sammeln Kräuter sowohl zum Heilen von Krankheiten wie zum
Würzen von Nahrungsmitteln.
Auch ist der Boden reich an Schwefel und es ist wahrscheinlich, dass
die von Alters her bestaunten warmen Quellen von Aachen durch die
unterirdischen Lager des Schwefels hindurch fließen. Dass man kürzlich
daselbst eine Zinn- und Bleigrube entdeckt hat, ist ein gewichtiges Ar-
gument dafür, dass man vielleicht eines Tages dort Gold- oder Silberminen
finden wird.
Zwischen Walhorn und Montzen (2) findet sich tatsächlich eine Grube
jenes Steines, aus dem Kupfer hergestellt wird. Er findet Anwendung in
der Medizin. «Cadmia» heißt er bei Plinius und «Lapis aerosus» und ist
nicht so sehr verschieden vom Eisenstein. Die Zeilen des Plinius, Buch
30, Kapitel 4, 1, lauten: «Man gewinnt auch Kupfer aus einem porösen
Stein, den man Cadmium nennt.» Und in Kapitel 10 desselben Buches:
«Denn der Stein, aus dem man das Kupfer gewinnt, heißt Cadmia. Die
Germanen nennen ihn Covaltum, die Apotheken Climia und Cathimia
und Lapis Calaminaris (Galmeistein). Ein ähnlicher Stein scheint auf
der Insel Zypern gefunden zu werden; doch diesseits der Alpen findet
man kaum einen anderen als den Limburger.»
Genau genommen, trug das Gebiet einst den Titel einer Grafschaft
und wurde durch Kaiser Friedrich mit dem Beinamen Barbarossa im
Jahre 1172 zur Würde eines Herzogtums erhoben: die Herzöge von
Lothringen waren nämlich ehedem auch die Herrscher dieses Gebiets.
Schließlich, nachdem Heinrich, der letzte Herzog von Limburg (3), ohne
männlichen Nachkommen gestorben war, wurde Jan I., Herzog von Bra-
bant, im Jahre 1293 (4) sein Nachfolger. Obwohl er dieses Herzogtum
vorher rechtmäßig gekauft hatte, nahm er es doch durch die Waffen in
Besitz, nach dem Sieg über Raymund, den Grafen von Geldern, der es
besetzt hatte. In dieser Schlacht wurden der Graf von Geldern und der
Bischof von Köln gefangen genommen. Von den Herzögen fielen
58
Heinrich, Fürst von Luxemburg, und seine drei Brüder sowie alle
Verbündeten des Grafen von Geldern (5).
Nachdem er diesen Sieg errungen hatte, zerstörte Herzog Jan die
Festung, die im Volksmund «Woronc» (6) genannt wird und machte sie
dem Erdboden gleich. Und so gehörte seitdem das Herzogtum Limburg
den Herzögen von Brabant. Aus diesem Herzogtum und seinen
Herrschern, die ihren Ursprung aus dem lothringischen Stamm herleiten,
stammt der erste König von Portugal, nämlich Heinrich, Herzog von
Lothringen, Graf von Limburg, ein Mann von großem Mut und großer
Tapferkeit. So berichten es die Annalen Hispaniens ausführlich und klar
und wir haben es oben in der Beschreibung Portugals gesagt.
Die Hauptstadt des ganzen Herzogtums ist Limburg, auf einem hohen
Felsen gelegen und allseits durch einen steilen und tiefen Abhang
geschützt. Es ist eher die Beschaffenheit des Geländes als menschliches
Können, das sie von allen Seiten unzugänglich gemacht hat, mit
Ausnahme der nach Süden gerichteten Seite, wo das ansteigende Terrain
sich langsam von der Stadt bis in eine ausgedehnte Ebene absenkt.
Die Stadt hat eine Burg an der abfallenden Nordseite; sie ist gebaut
aus sehr reinem Marmor nach Art des gemeinen Jaspis (7), an dem der
Boden in der Nähe des Dorfes H&vremont und anderswo überreich ist.
Obwohl im allgemeinen die Burg den höchsten Punkt der Erhebung
einnimmt, darf der tiefer gelegene Standplatz nicht verwundern; sie blickt
vor allem auf die Unterstadt, so wie diese einst war, beinahe doppelt so
groß wie die Stadt selber.
So stand also die Burg in der Mitte, um nach beiden Seiten hin, über
Stadt und Unterstadt, zu dominieren. War es richtig, dies so einzurichten,
dass die Stadt über Gebühr hinausragt und die Unterstadt zerstört wurde?
Ich würde es nicht zu behaupten wagen.
Doch Gaston Spinola, Graf von Bruay, augenblicklich Gouverneur
dieses Herzogtums und des gesamten Landes jenseits der Maas (8), ließ
durch bemerkenswerte Arbeiten die beiden Stadttore erneuern, um von
dort keine Gewalt gegen die Burg fürchten zu müssen. Sie sind zur
Abwehr feindlicher Gewalt ebenso vorzüglich geeignet wie zur
Vereitelung von hinterlistigen Anschlägen.
Die Stadt wird umspült von dem Weserfluss, der reich ist an einer
bemerkenswerten Art von Fischen: sie nennen sie «Trutas» (frz. truites =
Forellen); sie sind im Geschmack und manchmal in der Größe den
Lachsen. vergleichbar. Auch gibt es eine große Menge von Krebsen, die
dieser Fluss, oder besser: dieser Bach, zwischen den Steinen und Ritzen
59
oder Spalten der Felsen reichlich nährt, denn im Sommer trocknet das
Flussbett manchmal vollkommen aus.
Dieser Stadt verdankt seine Herkunft der Antwerpener Bürger Johannes
Fleming(us), ein gelehrter Mann und berühmter Dichter; dieselbe Stadt
ist stolz auf den Bürger Remaclus Fusch(ius), einen hochgebildeten Mann,
der viele Bücher und die verschiedensten Werke veröffentlicht hat (9).
Die meisten Bewohner der Stadt sind Wollweber (oder -spinner) und
sie stellen alljährlich eine große Menge von Tuchen her, die sie in die
verschiedenen Teile Nieder-Germaniens (10) verkaufen.
In der Nähe der Stadt wird viel Eisen hergestellt und es gibt speziell
dazu einen Ofen und eine Schmiede, zu deren Betrieb sechstausend
Karolus jährlich kaum genügen (11).
Die Stadt selber jedoch hat kein Bauwerk, das des Lobes würdig wäre.
Sie ist klein, nur‚durch zwei Tore zugänglich und der Aufstieg dahin ist
für die Bewohner beschwerlich. Sie hat eine einzige, dem hl. Georg
geweihte Kirche, der ein eigener Propst vorsteht (12).
Juan d’Austria hatte seine Truppen dorthin geführt und die Stadt nach
deren Kapitulation besetzt; die Burg «Hende» war ihm vorher durch Verrat
eines Heerführers in die Hände gefallen (13). Als das Gerücht sich
verbreitete, Juan d’Austria nahe mit seiner Armee, um die Stadt zu
besetzen, hatte der Festungskommandant Nahrungsmittel, Kugeln und
Kanonenpulver angefordert und den Ständen versprochen, wenn er das
Verlangte bekomme, werde er jeden feindlichen Angriff abwehren. Al-
les, was er verlangte, wurde ihm geschickt, doch, was er so großspurig
versprochen hatte, hielt er nicht. Gleich beim ersten Ansturm der Feinde
ging er zu Verhandlungen über und übergab die Stadt, ohne sich zur
Verteidigung zu rüsten (14).
Nicht weit von Limburg, doch außerhalb seines Hohheitsbereiches,
gegen Süden, sprudeln die wegen ihrer Berühmtheit jedermann bekannten
Quellen von Spa.
Zwischen Walhorn und Montzen (15) findet man Hügel, die im
Volksmund «Kelmberghen» genannt werden; sie sind aus jenem Metall
oder Stein, das wir oben erwähnt haben und das daraus in großen Mengen
gewonnen wird und dem sie ihren Namen verdanken. Um dieselben zu
schützen und ihren Ertrag zu sichern, ließ der schon genannte Graf dort
ein Fort errichten. Aber die Holländer brannten es infolge der
Unvorsichtigkeit eines Soldaten vor einigen Jahren nieder (16).
An die Stadt Limburg grenzt dieser riesige Wald, den man gemeinhin
61
Fangne (17) nennt. Unter niedrigem Gebüsch bietet er höchste
Jagdfreuden.
Soviel zur Stadt und zum Herzogtum Limburg.
Mit dem Herzogtum Limburg denkt man meist gleichzeitig an drei
andere Städte, von denen jede durch die Vorrechte einer Grafschaft glänzt:
es sind Valkenburg, Dalhem und Rolduc, die wir nun der Reihe nach
behandeln wollen.
Valkenburg, für die Franzosen Fauquemont, eine elegante Stadt, hat
Gerichtsbarkeit über ein ausgedehntes Territorium und eine gewisse
Anzahl von Orten, liegt drei große Meilen von Aachen und zwei kleine
Meilen von Maastricht entfernt. Sein Territorium ist äußerst fruchtbar,
ob man die Getreideäcker oder die Viehweiden betrachtet. Nicht weit
davon sieht man das Kloster des hl. Gerlachus, das sowohl durch den
Bau wie durch sein Alter auffällt (18).
Die Grafschaft Valkenburg wurde übrigens durch den Herzog Jan III.
von Brabant besetzt, der sie mit Waffengewalt dem Herrn Rainold von
Valkenburg entriss. Da dieser ein «unangenehmer» Mensch war und den
Bewohnern Maastrichts Gewalt und Schaden zufügte, wurde er durch
den genannten Herzog besiegt und gefangen genommen.
Dalhem ist eine kleine Stadt und besitzt eine Burg von geringer
Bedeutung (19). Von Aachen liegt sie drei große Meilen entfernt, von
Lüttich zwei. Sie wurde zur Grafschaft erhoben und besitzt die
Gerichtsbarkeit über einige Orte und Territorien jenseits der Maas. Her-
zog Heinrich II. von Brabant hat sie eingenommen und den Ländern
seines Herrschaftsbereiches angegliedert. Zu Dalhem gehört die berühmte
Abtei Gottestal -Vallis Dei- (20), deren Abt unter den Hohen jenes
Gebietes den ersten Rang einnimmt. Dazu kommt noch als weitere Abtei
die vom Hl. Kreuze.
Rolduc ist eine alte Stadt mit einer alten Burg. Sie ist etwa eine Meile
von Valkenburg entfernt. Sie ist das vierte Land mit Gerichtsbarkeit
jenseits der Maas und sie besitzt ein Hochgericht, doch untersteht dieses
der Aufsicht und der Berufungsinstanz des Rates (Consilii senatorii) von
Brabant.
Hier darf man nicht den zwischen Jülich und Köln gelegenen und in
der Volkssprache «Kerpen» genannten Ort übergehen (21), etwa zwei
große Meilen vom Rhein entfernt. Der Größe nach ist der Ort einer
Kleinstadt ähnlich, besitzt, wie man sie nennt, eine Stiftskirche und das
Handels- und Marktrecht, wodurch viele Waren dorthin gebracht werden
und eine große Volksmenge zusammenkommt. Er besitzt auch in der
62
Nachbarschaft eine befestigte Burg. Wilhelm von Nassau, Prinz von
Oranien (22) hat diese nach Überquerung des Rheins im Jahre 1568
eingenommen und durch eine Garnison geschützt. Dies alles
zusammengenommen macht eine nicht zu verachtende Herrschaft, die
es gewohnt war, vom eigenen Herrn regiert zu werden. Aber die Herzöge
von Limburg nahmen sie ein und unterwarfen sie sich, wenn sie auch
einen besonderen «praefectum» erhielt, der zusammen mit der ziemlich
starken Garnison dort bleibt.
Dieser ganze Herrschaftsbezirk hat außer der Maas noch drei andere
Wasserläufe, die in Flüsse münden: Die Berwinne berührt Dalhem, die
Göhl Valkenburg und die Wurm fließt an Rolduc vorbei.
Schließlich besteht sowohl das Herzogtum Limburg als die anderen‘
vorhin genannten Länder und Herrschaften aus drei Ständen (Gliedern),
nämlich dem Klerus, der den ersten Stand bildet, den Adligen, die den
zweiten Stand darstellen und dem dritten Stand, der die höheren Gerichte
und die Gerichtssitze umfasst.
Das Herzogtum Limburg umfasst fünf Bezirke oder Teile, die Banken
genannt werden, nämlich Herve, Sprimont, Baelen, Walhorn und
Montzen. An der Spitze der beiden Erstgenannten steht ein Meier, die
drei letzten werden von einem Drossard als Vertreter der Obrigkeit
präsidiert.
Das zum Herzogtum Limburg und den davon abhängenden Ländern
Gesagte möge genügen! Ich gehe zu anderem über.
Anmerkungen
1) Der heute fast ausschließlich in der Herver Molkerei hergestellte Weichkäse (Herver
Käse) wurde früher «Limburger» genannt und genoss einen weit über die
Landesgrenzen reichenden Ruhm.
2) Diese sehr ungenaue Ortsangabe findet sich weiter unten wieder: S. Anm. 15).
3) Der letzte Herzog von Limburg war Walram IV. Er starb vermutlich 1280. Nach dem
Tode seiner Tochter Ermingard/Irmgard (1283), verheiratet mit Rainald von Geldern,
kam es zum sog. Limburgischen Erbfolgekrieg zwischen Brabant und Geldern/Köln,
der in der Schlacht bei Worringen (5. Juni 1288) mit dem Sieg Brabants endete. Von
einem «rechtmäßigen Kauf» des Herzogtums durch Jan I. von Brabant ist nichts
bekannt.
4) Hier irrt der Schreiber ganz offensichtlich. S. 3).
5) Auf dem Schlachtfeld fielen u. a. Graf Heinrich V. von Luxemburg sowie seine beiden
Brüder Walram von Ligny und La Roche und Heinrich von Houffalize. Graf Rainald
von Geldern und der Kölner Erzbischof Sigfried von Westerburg gerieten in
Gefangenschaft,
63
6) Nach anderen Quellen waren es die Bürger Kölns, die die Burg Worringen dem
Erdboden gleich machten.
7) In seinem Kommentar zur Karte des Herzogtums Limburg in der «Germania Inferior»
des Peter Kaerius beschreibt auch Pierre Montanus die «schöne Burg aus reinstem
Marmor nach Art des gemeinen Jaspis». Dazu Ernst: «Diejenigen jedoch, die die
Überreste jener Burg untersucht haben, haben diese Art von Marmor nicht feststellen
können.»
8) «Jenseits der Maas»: Diese Bezeichnung gilt für die genannten Gebiete von Brüssel
aus gesehen.
9) Remaclus Fuchs (Fuschius), geb. in Limburg, gest. 1587, war Kanoniker an St. Paul
in Lüttich und machte sich sowohl als Mediziner wie als Botaniker einen Namen.
Wir verdanken ihm auch eine Stadtansicht Limburgs, die er 1574 G. Braun und F.
Hogenberg als Beitrag zu deren «Theatrum urbium et civitatum orbis terrarum»,
Köln 1574, lieferte.
10) «Germania Inferior» (Nieder-Germanien): Diese Bezeichnung für «Belgien» geht
auf die Römerzeit zurück und findet sich recht häufig im 16.-17. Jh.
11) An die Eisenverarbeitung erinnert der Weiler «Forges» an der Ortsgrenze von Baelen-
Dolhain .
12) Im Jahre 1460 wurde Limburg durch den Bischof von Lüttich aus der ehemaligen
Mutterpfarre Goe (Gülke) ausgepfarrt und zur selbständigen Pfarre erhoben, deren
Seelsorge den Regularkanonikern von Rolduc anvertraut wurde, Diese hatten das
Besetzungsrecht in der Pfarre Go6€; sie errichteten eine Propstei, die bis zur Zerstörung
durch die Franzosen im Jahre 1675 bestehen blieb. Den Titel eines «Propstes» trug
der Pfarrer von Limburg auch weiterhin.
13) Zu «Hende» schreibt S. P. Ernst: »Die Weser flussaufwärts sah man früher rechter
Hand, eine gute halbe Meile südöstlich von Limburg, auf einem Felsen gelegen, eine
Burg genannt «Hende», die, nach Davity, dem Autor der Nachträge zu der
Beschreibung der Niederlande von Guiccardini und anderen, «so stark war, dass
sechs mit Kriegswaffen und Nahrungsmitteln («munitions de guerre et de bouche»)
ausgerüstete Soldaten sie gegen eine Armee verteidigen konnten». Ernst findet es
«eigenartig», dass von dieser Burg nichts mehr zu sehen ist, außer einem beinahe
angefüllten Brunnen auf halber Höhe des südlichen Abhanges des heute «Nantistay»
-flämisch Ninsenberg- genannten Felsens. In Go€, so weiß er zu berichten, meint
man, die Chorpartie der Pfarrkirche sei teilweise mit den Resten der Burg Hende
wiedererrichtet worden.
14) Juan d’Austria (Johann von Österreich), natürlicher Sohn Kaiser Karls V., geb. in
Regensburg 1547, wurde von König Philipp II. -seinem Halbbruder- 1576 zum Statt-
halter der spanischen Niederlande ernannt. Sein Versuch einer Befriedung scheiterte,
denn Wilhelm von Oranien verweigerte seine Unterwerfung und der Krieg gegen die
aufständischen Nordprovinzen zog sich ohne Entscheidung hin. Die Einnahme
Limburgs am 16. Juni 1578 wird allgemein den Truppen des Herzogs von Parma,
Alexander Farnese, zugeschrieben, nicht Juan d’Austria. Dieser starb plötzlich am
1. Oktober 1578 im Lager in Namür, wahrscheinlich an Gift.
15) Eine handschriftliche Randnotiz zum Text sagt «tusschen Montzen en Ennenburg,
op de haart». Es handelt sich ohne Zweifel um Kelmis und seinen «alten Berg».
16) Auch spätere Karten (Visscher, Coronelli) zeigen noch das «Fort de Calamine»., Der
lateinische Text trägt unter «aliquot annos» (einige Jahre) den Zusatz Hiii (=5).
64
17) Fangne = Fagne = Venn
18) Um 1225 ließen sich Norbertinerinnen in Houthem b. Valkenburg nieder. Die heutige
Pfarrkirche ist die ehemalige Stiftskirche, ein Neubau aus den Jahren 1720-1725.
19) Dalhem wurde 1242 nach einem Konflikt zwischen Dirk von Hochstaden und Her-
zog Hendrik II. von Brabant durch Letzteren eingenommen. Die Burg über der
Berwinne wurde 1648 durch die Holländer zerstört und nicht wieder aufgebaut.
20) Die Zisterzienserabtei Gottestal (Vallis Dei) ist eine Gründung des Herzogs von
Limburg, Heinrich III., und des Grafen von Dalhem, Lothar, aus dem Jahre 1216.
21) Kerpen war eine Exklave im Herzogtum Jülich, ehemals eine reichsunmittelbare
Grafschaft.
22) Wilhelm VIIL.‚1533-1584, Graf von Nassau, genannt der Schweiger, Fürst von Oranien
unter dem Namen Wilhelm I.
65
DAS «WUNDER VON AACHEN»
Eine wunderbare Begebenheit
aus dem Aachener Dom im Jahre 1867
von Hans Dieter Iven
An vielen Orten und bei zahlreichen Gelegenheiten, in Kunstbänden
und Einzeldarstellungen wird der 1200 Jahre alte Aachener Dom
gewürdigt als kunstgeschichtlich höchst bedeutendes Bauwerk. 1978
wurde er als erstes deutsches Bauwerk in die Liste des Weltkulturerbes
aufgenommen. Die Aachener, und nicht nur sie, sind gewaltig stolz auf
ihr «Münster». Die Fachleute kennen jeden Stein und jede Fuge, sie
kennen die atemberaubende Geschichte, aber kennen sie auch seine
Geschichtchen ? Die Chronik der alltäglichen Ereignisse, wie sie in den
Kapitelsprotokollen niedergeschrieben ist von Augenzeugen, ist
spannender als mancher Bestseller. Noch ist sie nicht geschrieben, die
1200jährige Geschichte des Aachener Münsters. Der Dom hat vieles zu
erzählen, was nicht in den Geschichtsbüchern steht. Da haben Helden
und Heilige, bedeutende Wissenschaftler, Künstler, Architekten, Könige
und Ganoven ihre Spuren hinterlassen. Es ist aber auch von den vielen
frommen «kleinen Leuten» zu berichten, denen das Aachener Münster
so wichtig war und die niemand mit Namen kennt. Sie erlebten dort
Gottes Nähe, sozusagen den Himmel auf Erden.
Eine Begebenheit sei nun berichtet: Es war wieder einmal Heilig-
tumsfahrt in Aachen. Unzählige Menschen kamen, um die vier großen
Heiligtümer zu sehen. Wir schreiben das Jahr 1867. Wer weiß, wieviel
Erwartung, Hoffnung auf Trost und Heilung die Menschen im Gepäck
mitgebracht haben! Ob in Aachen auch Wunder geschehen? Manch einer
wird sich das fragen, aber nur nicht laut, man könnte sich blamieren mit
seiner Hoffnung. Seltsamerweise ist die Kirche auch kleinlaut und
zurückhaltend. Fast peinlich verschweigt auch das Stiftskapitel
wunderbares Geschehen. Ein «miraculum stricte dictum» (Wunder im
strengen Sinn des Wortes) scheint der Kirche fast peinlich. Nur wenige
Wunder sind von ihr anerkannt worden. Man lässt Wunder besonders
gerne von nichtgläubigen Experten untersuchen. Erst wenn diese mit
ihrem Latein am Ende sind, wenn keine plausible Erklärung für das
Geschehen gefunden wurde, wird ein Wunder von der Kirche anerkannt.
Ein Wunder ist ein Geschehen, das den Menschen staunen und ihn mit
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seinem Schöpfer in Verbindung treten lässt. Zauberei verblüfft, ein
Wunder aber führt den Menschen üher sich selbst hinaus. So gibt es
einen Augenzeugenbericht über ein Wundergeschehen im Aachener Dom.
Ein kritischer Zeitgenosse, Franz Lauschet aus Friesenrath, hat es
untersucht und einen Bericht gegeben. Es ist nicht bekannt, für wen dieser
Bericht gedacht war. Möglicherweise hat Lauschet ihn für das Stiftskapitel
in Aachen geschrieben. Hier ist nun im folgenden der Bericht, der im
Original erhalten ist:
Zum Andenken an das große Wunder, welches bei der
siebenjährigen Vorzeigung der Aachener Heiligthümer geschehn ist.
Als nach uralter Sitte im Jahre eintausend achthundert sieben und
sechzig die Heiligthümer zur öffentlicher Verehrung vorgezeigt wurden,
erging am ersten Tage der Vorzeigung als am zehnten Juli das Gerücht,
im Dome sei ein Wunder geschehn nämlich ein Mädchen von Burtscheit
sei von einer langen Krankheit genesen worden. An dem darauf folgendem
Tage schien die Sache wahr. Damit aber nicht zufrieden wollte ich die
Sache selbst untersuchen. Ich ging daher zu dem Hause wo dasselbe sich
aufhielt und fragte dessen Mutter über dieses ereichniß und sie erwiderte,
das sei wirklich wahr. Es sei aber augenblicklich nicht hier. Es ist beim
Vicar wird aber gleich kommen. Nach einer kleinen Weile trat dasselbe
bei uns ein. Ich grüßte ihr und wir überreichten uns die Hand und es
sprach freundlich: Ich bin gesund geworden, danket Gott dafür. Und
alsbald fing die Mutter zu erzählen an in Gegenwart des gesund
gewordenen Kindes und mehrere herrschaftliche Damen wie folgt:
Im dritten Jahre nach seiner Geburt erhielt das Mädchen dieselbe
Krankheit, von welcher es jetzt genesen ist. Aber sie dauerte nicht lange
und sie war nicht mehr und blieb aus bis in seinem einundzwanzigten
Jahr und zwar vor neun Monate da wurde es wieder damit befallen. Es
war dieses nach Aussage des Arztes eine Nervenhrankheit und so
schrecklich, daß keine Maschine im Stande ist so geschwinde sich zu
bewegen als dasselbe mit seinem Kopfe schlug fort und zurück und dabei
Zu nebenstehender Abbildung: Zur Heiligtumsfahrt des Jahres 1867 erschien
aus der Feder von Canonikus Dr. Fr. Bock eine „Kurzgefasste Angabe und Abbildung
sämmtlicher ‚großen und kleinen Reliquien’ des ehemaligen Krönungs-Münsters».
Das Titelblatt dieser Schrift zeigt Karl den Großen, der der Madonna mit Kind
das Aachener Münster darreicht. In der oberen Bildebene zeigen die Engel die
„vier großen Heiligtümer», und zwar die Windeln Jesu, das Schürz- und
Lendentuch des Erlösers, das Tuch der Enthauptung des hl. Johannes des Täufers
sowie (in der Mitte, teils verdeckt) das Kleid Mariens.
68
das Stoßen mit den Füßen und mit den Händen daß sogar die Haut an
den Fersen der Füße aufs blutigste und an die Knöchel an den Händen.
Dabei war noch verbunden das fürchtbare Schreien und Lärmen. Und
wenn es mich erfassen konnte zerriß es mich fast die Kleider vom Leibe.
Diese Anstrengung war öfters so groß, daß die Bettlade krachte, in dieser
traurigen Lage verlebte es neun Monate. In den letzten fünf bis acht
Wochen wurde die Krankheit schlimmer und zwar durch die heftige
Anstrengung waren die Kniegelenke zusammengezogen infolgedessen
konnte es nicht mehr gerade gehen noch stehen sondern mußte um einige
Schritte langsam vorwärts zu kommen gebückt mit der Brust zur Erde
gehen. Nun befahl sein Arzt, mit seinem Beichtvater sein Vertrauen auf
Gott setzen und ließe sich mit die Aachener Heilthümer berühren was
dann auch geschah. Mein Mann bestellte ein Wagen und wir beide setzten
uns in demselben und wir fuhren langsam dem Dome zu. Dort
angekommen brachte ein Priester einen Sessel und darauf wurde es in
der Kreuzkapelle getragen und wurde am Kopfe mit dem Lendentuche
unseres Herren und Heilandes Jesu Christi berührt, unter dieser Berührung
sprach es bei sich selbst: Sohn Davitz erbarme dich meiner. Die Priester
befahlen nun, dasselbe auf den Katschhof zu tragen. Wir gingen einige
Schritte weiter und die Krankheit überfiel ihr wieder. Ich sprach: Betet
und betet und die barmherzigen Schwestern samt den Priestern beteten
dringender. Ich sprach mein Kind Muth ein und zwar also. Bis zufrieden
sagte ich, Gott möge nun noch kommen. Er kann dich noch helfen und
so weiter. Die Priester sagten, man solle die Thür nicht zu schnell öffnen,
denn es könne die frische durchdrängende Luft nicht ertragen. Der Arzt
befahl auch das Mädchen könne nicht mehr nach Hause gefahren sondern
müsse getragen werden in Folge seiner Schwachheit. Jetzt wurde das
Kind ruhig. Ich dachte, es würde jetzt sterben und, o Wunder, und in
einem Augenblicke springt es auf und war gesund. Ich aber meinte es sei
wahnsinnich, aber es sprach ich bin gesund. Siest du es nicht daß ich
gesund bin, ich kann ja gehen und alsbald lief es der Kreuzkapelle zu.
Wir fragten ihr, wohin gehst du. Und es sprach ich muß danken, ich muß
danken, und es warf sich auf die Knie und betete laut vor fünf Vaterunser
zu Ehren der heiligen fünf Wunden Jesu Christi. O was war das für ein
Gebet von den barmherzigen Schwestern, von den anwesenden Priestern,
es war herzzerreißend. Nachdem das zu Ende war betete es noch drei
Vaterunser zu Ehren der allerheiligsten Dreifaltigkeit und nun ging es
bis am Hochaltare und betete es wieder ein Gesetzt aus dem Rosenkranze
zu Ehren des Heiligen Geistes und damit wurde das Gebeth geschlossen.
69
Nun wurden Zeugen aufgefordert, die das Wunder gesehen. Da war ein
Priester noch besser als der andere der sagte, ich habe es gesehen. Und
wurde dasselbe im Mirakelbuch aufgezeichnet. Vom Arzt ist auch sein
Attest gefordert worden. Und er hat geschrieben mit seiner vielen Mühe
die er angewendet erklärte er dasselbe für unheilbar. Nach Aussage der
Mutter ist das Mädchen ald 21 Jahre, ungefähr groß 5 Fuß und scheint
im Gesichte nicht krank gewesen zu sein. Dieses ist in Kürze die
Beschreibung von diesem großen Wunder.
Friesenrath den 14. Juli 1867
Franz Lauschet
Vorstehende Beschreibung und Namensunterschrift ist richtig und
bescheinigt noch den 14. April 1891
Franz Lauschet
Ob es ein «miraculum stricte dictum»( Wunder in strengen Sinne)
war, sei dahingestellt. Wunderbar war es allemal.
70
Bettelkinder und Jagd auf "kleine
Kaninchen"
von Alfred Bertha
Mit dem 8. Mai 1945 ging der Zweite Weltkrieg zwar zu Ende, doch
es bedurfte einer längeren Übergangszeit, ehe man in Deutschland wieder
von geordneten Verhältnissen sprechen konnte. Wirtschaft und Handel
lagen darnieder, in den ausgebombten Städten suchten die Menschen,
sich notdürftig wieder einzurichten. Der Schwarz- und Tauschhandel
blühte und gegen den Schmuggel an der deutsch-belgischen Grenze von,
Gemmenich bis Raeren führten die Zöllner einen aussichtslosen Kampf.
Opfer der Mangellage waren alle und auch die Kinder wurden im
Kampf ums Überleben an die Schmuggelfront geschickt. Manchmal
bettelten sie auch nur. Die älteren Bewohner des Grenzstreifens wissen
sich noch gut der Jahre 1946-47 zu erinnern, wo ganze Horden von
Bettelkindern aus dem Aachener Raum die Straßen von Kelmis bis Eupen
und Raeren durchzogen. Wurden sie von der Polizei aufgegriffen, so
drohte Abnahme der erbettelten Waren und sofortige Abschiebung über
die nahe Grenze.
Am 18. November 1946 wurden in Raeren 17 deutsche Kinder gefasst,
am folgenden Tag waren es in Eupen 19. In Aachen herrschte
Brotknappheit.
Am 28.11.1946 meldete die Zeitung, man habe am Vortag wieder 15
Kinder und zwei Frauen in Raeren aufgegriffen und über die Grenze
zurückgeschoben. In Eupen hatte man am selben Tage wieder über 20
Kinder gefasst, in Eynatten 8 und in Herbesthal 2.
In Lontzen bewirtete eine Gastwirtin mehrere etwa 15 Jahre alte
deutsche Bettelkinder. Während die Wirtin einen Augenblick abwesend
war, suchten die Halbstarken das Weite mit einer Geldsumme von 6.000
F. Verschiedene der Geldscheine wurden bei einem Manne
wiedergefunden, der im Verdacht stand, den Kindern Kaffee verkauft zu
haben.... Der Geschädigten blieb nichts anderes übrig, als bei der Gen-
darmerie Anzeige zu erstatten und sich über die Folgen der Nächstenliebe
recht bittere Gedanken zu machen.
Besonders viele Bettelkinder sah man in Kelmis in der Woche nach
Weihnachten 1946. Schon am frühen Morgen streiften die Kinder durch
den Ort. An einem einzigen Tage wurden rund 30 aufgelesen und zur
Grenze zurückgebracht. Auch in Raeren wurden an einem einzigen Tag,
71
dem 28. Dezember 1946, 43 Bettelkinder gestellt.
Es herrschte bittere Kälte in der zweiten Dezemberhälfte des Jahres
1946. Nachts fiel das Thermometer auf 10-15 Grad unter Null. Diese
Kälte forderte ihre Opfer. Zollbeamte fanden - laut Grenz-Echo vom
30.12.1946 - "in einem auf Hergenrather Gebiet liegenden Wäldchen
zwei erfrorene Kinder vor. Der Junge und das Mädchen dürften aus
irgendeinem Grunde versucht haben, in dem Wäldchen entweder zu
übernachten oder auch nur auszuruhen. Sie wurden dann eine Beute des
starken Frostes.”
Es sei zu befürchten, so die Zeitung, dass sich solche Fälle im Laufe
des Winters, speziell bei solchen Kältewellen, wie der eben zu Ende
gehenden, mehrten. Unter den Kindern, die nach Ansicht des Reporters
durchweg Schwarzhändler waren, werde es wohl auch ab und zu wirkliche
Arme geben, die einer außergewöhnlich starken Kälte nicht gewachsen
seien.
Der Pfarrer von Kelmis, Josef Olbertz, ging am 31. März 1947 in
einem Leserbrief sehr ausführlich auf das Problem ein. U. a. schrieb der
Pfarrer: ”... Oberster Grundsatz bleibt: Jeder Christ ist durch das Gebot
der Nächstenliebe verpflichtet, irgendwie zu helfen, wo ihm eine wirkliche
Not entgegentritt.
Solche Not haben wir schon reichlich gesehen in den Kindern, die
über die Grenze kommen, und noch mehr gehört im benachbarten
Deutschland.
Gott Dank, hat unsere Bevölkerung auch gerne und gut geholfen im
Rahmen des Möglichen; genau so, wie sie es während des Krieges bei
den Kindern tat, die aus Belgien kamen, von ihrer Not getrieben. ...
...Nun hat die ganze Sache eine große Schattenseite: Es sind
durchschnittlich immer dieselben Kinder, darunter auch schon
halbwüchsige Burschen und Mädchen, die betteln kommen; natürlich
sind es nicht immer gerade die ärmsten. Und es kann kaum ausbleiben,
dass das ständige Vagabundieren die Kinder zu kleinen Abenteurern
macht, teilweise sogar zu kleinen Räubern. Wir haben dafür ja einige
traurige Fälle erlebt, besonders hier in Kelmis, wahrscheinlich auch
anderswo. Gegen solche Auswüchse muß die Behörde selbstverständlich
energisch einschreiten, damit sie nicht noch häufiger und schlimmer
werden. In Deutschland selbst beklagt man sich über diese
bedauernswerten Exzesse.
72
Aber bevor wir uns darüber beklagen, müssen wir uns zunächst fragen,
ob wir nicht selber mit Schuld tragen an diesen Zuständen. Ich meine
jetzt nicht das Problem der Möglichkeit, die größte Not in Mittel- und
Osteuropa von Seiten der reichen Länder im großen Stil wenden zu
können. ... Ich meine eine gewisse Schuld im Kleinen, hier im Grenzland.
D.h., alle diejenigen, die sich auf Tauschhandel, oder besser gesagt: auf
Schwarzhandel mit den deutschen Kindern einlassen, tragen zu dieser
Schuld bei. Denn sie ermutigen die Kinder in ihren Geschäften; aus ihrem
Betteln wird wirklicher Handel im Dunkeln, und ihre Habsucht wird
notwendigerweise aufgestachelt.
Man sollte den Kindern grundsätzlich kein Geld geben oder nur dann,
wenn man bestimmt weiß, daß sie es für notwendige Dinge verwenden; '
und besonders sollte man keinen Handel treiben mit der Absicht, selbst
dabei ein gutes Geschäft zu machen. Das fördert ja gewaltig die beklagten
Mißstände.
Was wäre nun zu tun? Die ganze Bettelei radikal unterbinden? Damit
wäre der gordische Knoten gewaltsam durchhauen, aber nicht gelöst. Je
mehr man das tun wollte, umso dringlicher würde die christliche Pflicht,
auf andere, bessere Weise an der Linderung der furchtbaren Not
mitzuhelfen. Wir wären, Gott sei Dank, hier in der Lage dazu; wir könnten
verhältnismäßig leicht manch armes Kind vom langsamen Siechtum
retten, wenn wir es für einige Zeit aufnehmen dürften.
Wer kann ruhig schlafen bei dem Gedanken, daß wenige Kilometer
von uns entfernt so viele Menschenkinder durch bittere Not verderben
und sterben, während wir hier im Vergleich dazu "an den Fleischtöpfen
Ägyptens sitzen"?
Ich komme zurück auf die Vorschläge eines Korrespondenten aus der
Gegend von Malmedy, die vorige Woche an dieser Stelle veröffentlicht
wurden.... Er schlägt vor:
1. Den Belgiern, die drüben Verwandte haben, zu erlauben, deren
Kinder aufzunehmen.
2. Den belgischen Familien zu gestatten, deutsche Kinder zu
beherbergen, die nach Notlage und Verdienst ausgesucht würden.
3. Das Versenden von Lebensmittelpaketen zu erlauben.
Wären diese Vorschläge bei gutem Willen nicht zu verwirklichen?
Natürlich unter Aufsicht der Behörden; d. h., die Kinder würden ärztlich
untersucht, sodaß für Krankheitsübertragungen keine Gefahr bestünde.
...Andere Länder haben schon größere Hilfsaktionen eingeleitet; sollte
das hierzulande nicht möglich sein?
73
Kinder aus dem fernen Osten hat man in Belgien aufgenommen, und
das ist lobenswert. Dann dürfte man wohl auf die Dauer den Kindern,
die uns Grenzbewohnern oft durch verwandtschaftliche Beziehungen viel
näher stehen, nicht den Eintritt und Aufenthalt hier verweigern, auch
wenn es Deutsche sind. Durch die Tat der Liebe kann man nur Menschen
gewinnen.
Ein weiteres wirksames Hilfsmittel wäre die Erlaubnis zum Versand
von Paketen, wenigstens ab und zu, wie es einmal Weihnachten der Fall
war; natürlich auch unter Aufsicht der Behörde.
Auf diese Weise hätten wir eine organisierte Hilfe und man könnte
dadurch das wilde Umherschweifen der Kinder umso eher abbremsen.
Darf man hoffen, daß die neue Regierung für dieses Problem mehr
Verständnis aufbringen wird, als es bisher der Fall war? Wir würden
einen Schritt in der Befriedung Europas weiterkommen."
Das Problem der Bettelkinder beschäftigte die Grenzbevölkerung bis
in das Jahr 1948 hinein. In der Neujahrsnacht dieses Jahres sah man in
Eupen eine große Anzahl Stolberger Kinder durch die Straßen der Stadt
ziehen, wo sie die späten Nachhausgänger anbettelten. Am nächsten
Morgen fand man dann in mehreren Toreingängen ganze Pakete mit
Butterbroten, welche von den Bettelkindern weggeworfen worden waren.
Ein weiterer Beweis dafür, so die Zeitung, dass dieselben keinen großen
Hunger zu haben scheinen, sondern es hauptsächlich nur auf Geld
abgesehen haben.
Übrigens, der Vorschlag des Korrespondenten aus Weismes, den armen
Familien jenseits der Grenze mit Paketen zu helfen, war nicht so neu.
Schon 1946 hatte der Ministerrat durch Beschluss vom 20.12.1946 den
Versand von Liebesgabenpaketn an Familienmitglieder bis zum 3.
Verwandtschaftsgrade genehmigt, wenn die Adressaten in den Bezirken
Aachen, Köln oder Düsseldorf wohnten. Der Innenminister griff die Idee
im Dezember 1947 erneut auf; diesmal waren es jedoch speziell die
Kinder, die davon profitieren sollten. Die praktische Durchführung der
Aktion unternahm das Eupener Rote Kreuz. Wie im Jahre zuvor, so gab
es auch bei dieser Paketaktion gewisse Beschränkungen:
In den drei Kantonen Eupen, Malmedy und St. Vith sowie in den 10
während des Krieges von den Deutschen annektiert gewesenen
Gemeinden ansässige Belgier durften Pakete schicken an Kinder unter
14 Jahre in den Regierungsbezirken Aachen, Köln und Düsseldorf, sofern
eine Verwandtschaft mit diesen Kindern bis zum 3. Grade vorlag.
74
Die Pakete durften höchstens drei Kg pro Kind wiegen; jedes Kind
durfte auch nur ein Paket erhalten. Rauchwaren, Kaffee oder rationierte
Lebensmittel durften nicht in den Paketen enthalten sein.
Sammelstellen waren die Gemeindeämter, die die Pakete an das Rote
Kreuz weitergaben.
Die Aktion fand ein starkes Echo in der Bevölkerung, gingen doch
allein im Kanton Eupen 2.100 Pakete ein.
Der Versand von Lebensmittelpaketen für Kinder jenseits der Grenze
ist keine einmalige Aktion geblieben; wir wissen aber nicht, wie oft sie
in der Folgezeit noch durchgeführt worden ist.
Der Vorschlag, deutschen Kindern für eine gewisse Zeit bei ihren
belgischen Verwandten Aufnahme zu gewähren, fand keine Befürworter. *
Wohl kamen auf Veranlassung des unter der Schirmherrschaft des
Bischofs von Lüttich stehenden Werkes "L'’Enfance au Grand Air" im
Dezember 1947 500 ungarische und im Januar 1948 500 österreichische
Kinder für 6 Monate zur Erholung in belgische Familien.
Auch im Inland kannte man das hiesige Grenzproblem. Der "Patriote
INllustre" vom 5. Oktober 1947 widmete dem Schmuggel im Dreiländereck
einen dreiseitigen reichbebilderten Bericht. Unter dem Titel "Curieuse
chasse aux 'P'tits Lapins' ä la frontie&re Belgo-Allemande" (Seltsame Jagd
auf 'kleine Kaninchen' an der belgisch-deutschen Grenze) schrieb der
Berichterstatter des illustrierten Blattes, er habe es für ein Wunder
gehalten, wenn er tatsächlich nach einem Tag auf dem Ansitz in den
Wäldern und Wiesen von Gemmenich ein Jagdbild zeichnen könne mit
diesen deutschen "gosses" ( Kindern), "die sich auf das Schmuggeln
verlegt haben und von denen man seit der Befreiung soviel gesprochen
hat, dass sie sich eigentlich nicht mehr auf einem Pfad oder einer
Eisenbahnstrecke an der Grenze zeigen dürften".
"Wir stellten uns nicht vor", so der Journalist, "dass wir, unter der
Führung von zwei Gendarmen und zwei Zöllnern, in weniger als drei
Stunden soviele dieser Kinder aufgreifen würden, dass es reichte, ein
ganzes Album mit Fotos zu füllen.”
"Das Problem ist einfach", sagte einer der Gendarmen und setzte sich
gemütlich ins Gras, um auf das Wild zu warten. "Da diese Kinder unter
16 Jahre sind, können wir sie nicht ins Gefängnis abführen, sondern
müssen uns damit begnügen, sie auf dem Weg, auf dem sie gekommen
sind, wieder zurückzuschicken. Beim zweiten Male nehmen wir ihre
Namen und die Adressen ihrer Eltern. Dann benachrichtigen wir die
englischen Besatzungsbehörden, die den Vater verwarnen und ihm mit
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Der Gendarm setzte sich gemütlich ins Gras, um auf das «Wild» zu warten...
Gefängnis drohen, wenn seine Kinder nochmals über die Grenze gehen...
Aber es ist wohl kaum nötig zu sagen, dass in den meisten Fällen die
angegebenen Namen und Adressen falsch sind! Na, und?"
Hier fiel der Zöllner, der uns an diesem Morgen in Begleitung eines
Kollegen auf die Jagd mitgenommen hatte, ein: "Man tut also nur das
Notwendigste, nicht wahr, Gendarm?
Pro Forma geht man die Pfade ab und legt sich schließlich hinter einer
Hecke auf die Lauer, wo zwei- oder dreimal täglich die ’kleinen
Kaninchen’ vorbeikommen. Es wird übrigens der Hund sein, der ihnen
dann nachlaufen wird, es sei denn, man könnte sie durch einen Schuss in
die Luft mitten auf der Wiese zum Stehenbleiben bringen! Viel Glück!..."
Der Journalist weiß auch von einer gewissen Rivalität zwischen
Zöllnern und Gendarmen zu berichten. Letztere hatten sich nicht immer
damit begnügt, die aufgegriffenen Kinder zurückzuschicken oder sie zum
Zollposten zu bringen: Sie hatten ihnen auch die Waren abgenommen,
wozu sie nicht berechtigt waren. Es soll in dem Zusammenhang scharf
formulierte Dienstnoten gegeben haben, bis den Zöllnern wieder allein
das Recht zugestanden war, Ware zu beschlagnahmen.
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Nur eine leere weiße Leinentasche. «Was wolltest du mit dieser Tasche?»
"Das ist ihm auch nicht egal", sagte der Zöllner, "aber dieser junge
Deutsche ist Fatalist. Sie sind es übrigens alle... Und wenn er zweimal
gefasst wird, aber beim dritten Mal durchkommt, so ist er für seine Mühe
belohnt. Ein Pfund Kaffee kostet in Deutschland im Durchschnitt 400
Mark; der durchschnittliche Monatslohn eines Arbeiters liegt bei 200
Mark. Machen Sie die Rechnung..."
80
Da erschienen drei weitere Kinder, zwei Mädchen und ein Junge. Der
gerade zurückgewiesene Junge hatte diese Kinder kreuzen müssen. Hatte
er sie nicht gewarnt vor der Falle, die wir ihnen gestellt hatten?
"Aber nein", sagt der Zöllner, "es sind rivalisiernde Ausgabeen, die sich
nie solche Hinweise geben und es gerne sehen, wenn die Konkurrenz
ausgeschaltet wird!”
Ich war schockiert. So jung, und schon dieses Verhalten.
Ich schaute mir die drei neu Angekommenen an. Auch sie zeigten
Engelsgesichter. Einen Augenblick zeigte sich bei dem älteren Mädchen
ein ironisches Grinsen, fast unmerklich. Dann wurde das Gesicht wieder
ernst, als man ihr Fragen stellte. Sie, wie auch die beiden anderen, hatte
nichts dabei, außer einer leeren weißen Leinentasche. Aber das sagte '
schon genug über die Schmuggelabsichten aus. Diese Kinder, so sagte
man mir, kamen die Ware abholen, die ihre Freunde am Vortag im Dorf
gegen Tausch der verschiedensten Sachen reserviert hatten.
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Gemmenich liegt vor den beiden Mädchen.
81
Der Tunnel
Eine vierte Person erschien, die uns einen Augenblick ablenkte. Es
war ein junger Mann, genau so korrekt gekleidet, wie die anderen, die
wir gesehen hatten und die wir noch sehen würden. Er war im Besitz
eines größeren Betrags in Mark. Was hatte er damit vor in Belgien? Seine
Papiere waren übrigens in Ordnung. Einer der beiden Zöllner führte ihn
zum Zollposten.
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Bettelkinder in Gemmenich
82
"Kommen Sie, sagte der andere, der zurückgebliebene Zöllner, "wir
gehen den kleinen Kaninchen entgegen."
Nach einer Viertelstunde kamen wir an eine Eisenbahnstrecke. In der
Ferne ein Tunnel.
"Mit einem bisschen Glück", fuhr der Zöllner fort, "werden wir kaum
länger als eben warten müssen; dann kommen die kleinen Deutschen
aus dem Tunnel... Denn am anderen Tunnelende ist Deutschland. Jeden
Morgen, sehr früh, kommt eine Gruppe von 20-30 "kleinen Kaninchen".
Manchmal sind es noch mehr. Wir brauchen sie nur abzufangen..."
Eine Frage drängte sich auf: "Wie können sie denn unter diesen
Bedingungen jeden Tag wiederkommen?"
Darauf der Zöllner:"Das kommt daher, dass wir selbst nicht jeden Tag’
hierher kommen; das zu überwachende Gebiet ist so groß, dass wir kaum
an zwei aufeinaderfolgenden Tagen hierher kommen können. Und
bestimmt nicht zweimal am selben Tag.
Achtung. Schauen Sie."
Der Zöllner war stehen geblieben. Eine Gruppe Kinder war aus dem
Tunnel herausgekommen und kam über die Eisenbahnstrecke auf uns
zu. Von weitem hatten die Kinder die Uniformen wohl nicht erkannt.
Auf den Anruf des Zöllners hin blieben sie stehen. Er machte ihnen
ein Zeichen und sie kamen näher. Bald waren sie vor uns, alle sauber
gekleidet und mit freundlichen Gesichtern, so wie die anderen.
Bei sich trugen sie nur eine armselige Gipsfigurengruppe.
"Was wird man Euch in Gemmenich dafür geben?" fragte sie der Zöll-
ner auf Deutsch.
Ohne zu zögern kam die Antwort von demjenigen, der der Chef der
Ausgabee zu sein schien: "Zwei Brote und zwei Paketchen Puddingpulver."
So wie die anderen, mussten auch diese "kleinen Kaninchen" eine
Kehrtwende machen und mit ihrem Kunstobjekt zum Tunnel
zurückgehen.
Aber kaum waren sie im Tunnel verschwunden, da kamen zwei andere
Kinder aus demselben heraus. Wie im Wald, so hatte es auch hier keine
Warnung vor der drohenden Gefahr gegeben. Komisches
"Nationalgefühl" bei diesen Deutschen! Sollte sich da etwas bei den
jungen Deutschen verändert haben?
Diese Frage und noch viele andere stellten wir uns bei der Rückkehr
von der "Kaninchenjagd". Eine Antwort erwarten wir nicht; vielleicht
bekommen wir sie, wenn diese Kinder erwachsen sind!...
83
In der Zwischenzeit verlieren die kleinen Geschäftsleute von
Gemmenich, Moresnet und Umgebung auch nicht gerade ihre Zeit. Dank
Kaffee, Tabak und Zigaretten füllen sie ihre Regale langsam wieder mit
deutschen lebensnotwendigen Produkten auf,
Wer könnte es ihnen verübeln? Hat das Ganze nicht unter dem Vorwand
der humanitären Hilfe begonnen, als die Kinder in Lumpen und
ausgehungert betteln kamen?
Dass sie heute besser gekleidet sind - ohne Zweifel dank dem
Schmuggel - ist kein Grund, werden manche sagen, ihnen jede Hilfe zu
versagen...
84
Hubertus
Der Frosch Hubertus Dotterblum
hüpft unentwegt im Teich herum
langbeinig, schlacksig, jung und munter
springt er sehr hoch und taucht dann unter.
indes Cousine Susi Frosch,
die schöne Augen hat,
die halbe Zeit den Tag verträumt
auf einem stillen Blatt. n
Wenn Dotterblum die Maid erblickt,
saust er fast himmelwärts,
so freudig durch und durch erschrickt
sein junges Froschmannherz.
Doch Susi Frosch bemerkt das nicht,
sie lebt der Liebe fern.
Sie murkst an einem Froschgedicht,
denn Lyrik mag sie gern.
Hubertus, der vor Liebe quillt,
-obgleich unmusikalisch-
er singt sein schönstes Quäkerlied,
es klingt fast infernalisch.
Jetzt hat’s die Susi Frosch gehört!
Obschon sie’s nicht versteht,
fühlt sie auf einmal sich betört,
wie das zuweilen geht.
Drum quake jeder wie er kann,
ob einfach, ob vertont,
denn das, was man aus Liebe singt,
wird irgendwann belohnt!
M. Th. Weinert
85
Rückblick auf die Ausflugsziele
in der Provinz Hennegau
von Gabi Regulla
Am 21. September 2003 fand ein Ausflug der Göhltalvereinigung in
die Provinz Hennegau statt. Auf vielfachen Wunsch sind nachfolgend
die ersten beiden Stationen unserer Reise noch einmal zusammengefasst.
Über weitere Themen des Ausflugs berichten wir im nächsten Heft.
Die Stadt Binche bei la Louviere
Erstes Ziel unserer Fahrt war die mittelalterliche Stadt Binche.
Die Geschichte der Stadt lässt sich bis in die Römerzeit zurück-
verfolgen. Eine römische Heerstraße, die Via Aduatica, die Bavay mit
Köln verband, führte in unmittelbarer Nähe von Binche vorbei. Ein
römisches Heerlager wird hier vermutet. Als Haltestation für viele
Reisende und Soldaten, die sich bei den Händlern mit Proviant für die
Weiterreise eindeckten, erzeugte Binche schon zur gallo-römischen Zeit
großes Interesse.
Der Ort wuchs schnell zu einer recht bedeutenden Handelsstadt heran,
die sich bald mit einer Stadtmauer und einer Burg schützen musste. Noch
heute sind Reste der römischen Stadtmauer vorhanden. Im 14. Jahrhundert
wurde die Stadt mit einer Schutzmauer mit 6 Toren und 30 Türmen
umbaut. Sie fasste ein Gebiet von 22 ha ein und war ca. 2 km lang. Zum
Schutz vor Angreifern wurden die ersten Bürgerwehren gegründet, wie
z. B. die Armbrustschützen, die die Stadt im Falle eines Angriffs von der
Mauer aus zu verteidigen hatten. Die erste Wehrgemeinschaft dieser Art
wurde 1372 gegründet. Mit der Erfindung des Schießpulvers kamen später
noch die Schießgesellschaften hinzu, die Vorläufer unserer heutigen
Schützenvereine.
Bis 1380 war die Burg im Besitz der Grafen von Hennegau, bevor sie
an die Prämonstratenser-Abtei der guten Hoffnung/„„abbaye de bonne-
esperance“ überging, die einen Teil des Besitzes als Refugium nutzte.
Im 16. Jahrhundert wurden die sog. spanischen Niederlande von der
Statthalterin Maria von Ungarn, einer Schwester Kaiser Karls des V.
regiert (1530-55). Diese ließ in Binche an der Stelle der ehemaligen Burg
- ganz dem Zeitgeist entsprechend - einen wunderschönen Renaissance-
palast erbauen. Zu der damaligen Zeit war es modern, das Wissen der
Antike widerzuspiegeln, nicht nur in der Architektur, sondern in allen
86
anderen Lebensbereichen auch. Ein Architekt des 16. Jahrhunderts hatte
neben seinem eigentlichen Beruf noch einen zweiten, nämlich den des
Humanisten. Um seine Auftraggeber zufrieden stellen zu können, musste
er über das Leben und die Bauweise im Altertum genauestens Bescheid
wissen.
Leider erinnert heute nicht mehr sehr viel an diese kopierte Pracht der
Antike. Einzig das wunderschöne Panorama, das man vom Stadtpark
aus genießen kann, ist seit über 500 Jahren unverändert geblieben. Nicht
zuletzt die günstige Lage am Wasser trug dazu bei, dass die Woll- und
Tuchindustrie sowie der Kohleabbau, der schon im 12. Jahrhundert
einsetzte, florierten. Neben der Anbindung an wichtige Wasserstraßen |
wurden auch die hervorragend ausgebauten Straßennetze zum
Transportieren der Güter genutzt; ein weiterer wichtiger Transportweg
wurde mit dem Bau der ersten Eisenbahnlinie geschaffen.
Ihre Blütezeit erlebte die Stadt im 18./19. Jh., als sowohl die
Stahlindustrie als auch die Steinkohleförderung auf ihrem Höhepunkt
angelangt waren. Um so bemerkenswerter ist es, dass sich in dieser
modernen Zeit eine sehr alte Handwerkskunst nicht den Rang ablaufen
ließ — das Handwerk des Klöppelns. Der Name Binche steht nämlich
auch für eine sehr feine Klöppelspitze, die zum Vorläufer der berühmten
venezianischen Spitze wurde. Die Bincher Spitze ist eine der
schwierigsten Klöppelspitzen überhaupt. Charakteristisch für sie ist die
flache Musterung ohne Konturfäden, äußerst zarte Spitzen und oft
schwerfällige Motive. Zwar erlitt auch dieser Wirtschaftszweig im 19.
Jh. Einbußen (weil die Mode nüchterner wurde, und nicht mehr viel Wert
auf Rüschen und Spitzen gelegt wurde), aber im Gegensatz zu der Kohle-
und Stahlindustrie, die im 20. Jh. durch die Schließung von Kohlegruben
und die Verlegung der Stahlindustrie ins Ausland erheblich zurück ging,
konnte sich die Klöppelkunst bis heute in der Region halten. Im Rathaus
von Binche wird das uralte Handwerk heute wieder gelehrt, und vor allem
junge Menschen zeigen wieder mehr Interesse für diese alte Kunst.
Wer sich aufmacht, die Stadt Binche zu besuchen, wird überrascht
sein, wie viel noch aus der „guten alten Zeit“ zu sehen ist.
Der wunderschöne Marktplatz und das gotische Rathaus aus dem 14.
Jh. lassen noch heute erahnen, welch prächtige Stadt Binche einst gewesen
sein muss.
Heute zählt die Stadt 33000 Einwohner, wovon leider fast 30%
arbeitslos sind. Hoffnung auf einen erneuten wirtschaftlichen Aufschwung
verspricht sich die Region unter anderem durch die Modernisierung der
88
Das Maskenmuseum und die lange Tradition der Gilles
Unser nächstes Ziel war das 1975 eröffnete Maskenmuseum. Zunächst
wurden hier nur heimische Masken gesammelt. Sehr bald aber kamen
Masken aus aller Welt hinzu, und das Museum entwickelte sich zu dem
größten seiner Art in Europa.
Die Geschichte der Masken sowie deren Ursprünge und Entstehungen
sind vielseitig. Hier auf alle Aspekte einzugehen, würde bei weitem den
Rahmen sprengen. Daher beschränken wir uns auf einige wesentliche
Erläuterungen.
Der Maskenkult reicht zurück bis lange vor unsere Zeitrechnung. In
erster Linie diente der Maskentanz dazu, das Böse zu vertreiben, den
Winter zu verabschieden und das Frühjahr willkommen zu heißen. Im
Laufe vieler Jahrhunderte haben sich auf der ganzen Welt unterschiedliche
Bräuche daraus entwickelt. Fruchtbarkeitstänze und Tiermaskierungen
zählen zu den ältesten Bräuchen, worauf prähistorische Höhlenmalereien
in Frankreich und Spanien (30 000 bzw. 13 000 v. Chr.) hinweisen.
Heute verbinden die meisten Menschen den Maskenkult mit Karneval.
Bei den Naturvölkern aber war die Funktion der Masken noch
vielseitiger. Die Tiermaskierung, der Schamanismus und der Götterkult
fanden große Verbreitung. Naturvölker waren zumeist Nomaden und
abhängig von der Natur und dem Tier. Masken sollten abschrecken,
bestrafen, reinigen, beschützen, Glück bringen, heilen oder den Boden
fruchtbar machen. Mit Hilfe der Masken konnten die Menschen einen
Bezug zu den Göttern, Tieren, Kranken oder zur Natur herstellen. Der
Träger der Maske verwandelte sich in eine Gottheit, in ein Tier oder in
eine Pflanze.
Einen unsichtbaren Gott konnten sich die Menschen damals nicht
vorstellen, weshalb ein Bezug zu der Gottheit hergestellt werden musste.
Diese Rolle übernahm ein Maskentänzer, indem er eine Gottheit mit Hilfe
der Maske und eines Kostüms verkörperte. Dieser Gottheit wurden Opfer
dargebracht. Opferblut diente zur Ernährung der Gottheiten, im Gegenzug
erhoffte man sich Güte und bat um ein fruchtbares Jahr, mit viel Regen
und Sonnenschein, um eine gute Ernte zu erzielen.
Tiermasken hingegen dienten dazu, sich in die Welt der Tiere zu
begeben. Der Träger der Maske verwandelte sich in ein gejagtes Tier, er
schlüpfte in den Körper des Tieres und bewegte sich wie das reale
Jagdopfer. Der Maskentänzer und die Zuschauer konnten so die
Bewegungen des Tieres studieren und das Verhalten während der Jagd
besser nachvollziehen. Unter manchen Naturvölkern wird dieser Brauch
noch heute ausgeübt.
90
Bei den sesshaften Völkern entwickelte sich der Maskenkult etwas
anders. Diese griffen aktiv in die Gegebenheiten ihrer Umwelt ein. Sie
trotzten der Natur und gewannen ihr selbst etwas ab, indem sie Ackerbau
und Viehzucht betrieben. Es war wichtig, das Wissen über die
Bewirtschaftung des Bodens an die Nachfahren weiterzugeben. Mangels
Schrift war dies oft nur durch belehrende Tänze und Bräuche möglich.
Demzufolge verbreitete sich bei den sesshaften Völkern mehr der Ahnen-
und Totenkult. Die Ahnen wurden während eines „Ahnentanzes“ nach
ihren Erfahrungen in der Bewirtschaftung des Landes befragt. In Gestalt
des Maskentänzers war der Ahn zur Befragung gegenwärtig für das Volk.
Durch bestimmte Bewegungen gab der Tänzer und Maskenträger die
Antworten des Ahns an seinen Stamm weiter. Der Ahn diente des weiteren
als Schutz oder Hausgeist, er konnte aber auch zu einem Dämon werden.
Ähnlich wie beim Götterkult wurde auch der Ahn durch Opfergaben gütig
gestimmt, um zu vermeiden, dass er als Dämon wiederkehrte.
Durch die Maske suchten die Menschen auch Schutz vor den kürzlich
erst Verstorbenen. Dies wurde oft versinnbildlicht durch z.B. eine Maske,
die am Hausgiebel angebracht wurde. Im Mittelalter wurden viele solcher
Schutzmasken an Gebäuden angebracht; an alten Häusern oder Kirchen
sind sie heute noch zu sehen. Bösartige, dämonen- oder fratzenhafte
Masken wurden außen angebracht, da sie das Böse fernhalten sollten.
Gutartige Masken mit lieblichem Gesichtsausdruck oder engelhafte
Figuren hingegen finden sich oft im Inneren eines Gebäudes, um das
Gute im Haus zu halten.
Auch Sigmund Freud hat sich mit dem Thema befasst. Er stellte
sich die Frage, wieso ein geliebter Verstorbener zu einem Dämon werden
kann. Er nannte diesen Vorgang „projizierte Gefühle“ und erläuterte ihn
wie folgt: neben Ehrfurcht und Liebe gegenüber der verstorbenen Person
gab es manchmal auch Wut und Zorn, feindliche Regungen und
Abneigungen. Dieses peinliche Gefühl nach dem Tod des Ahns musste
irgendwie verarbeitet werden. Die schlechten Gefühle wurden auf das
Objekt der Feindschaft projiziert - den Dämon, nach dem Motto: „Nicht
ich bin schlecht und habe üble Gedanken, sondern Du. Du wurdest zum
Dämon und bedrohst uns jetzt.“
Eine große Rolle bei der Entwicklung des Maskenkults spielte auch
das Klima. In Afrika z. B ist das Wetter meist berechenbar. Es ist sehr
heiß, aber auch feucht und es gibt eine verlässliche Regenzeit. Hier wurde
mehr Ahnenkult betrieben, damit die Ahnen, wie oben beschrieben, ihre
Erfahrung in Ackerbau und Viehzucht weitergeben konnten.
91
In Mittelamerika hingegen ist das Wetter wechselhafter und
unberechenbar mit Wirbelstürmen und Dürren u.s.w.. Dazu kamen andere
Launen der Natur, wie nicht vorhersehbare Vulkanausbrüche. Hier
scheiterte oftmals das Wissen der Vorfahren, wodurch mehr Götterkult
betrieben wurde.
Neben dem Ahnen- und Götterkult war auch der Schamanismus weit
verbreitet. Ein Schamane ist ein Medizinmann, der ähnlich wie die Tänzer
bei Fruchtbarkeits- oder Ahnentänzen eine Beziehung zu einem Medium
aufbaut, im Fall des Schamanismus meistens zu einer kranken Seele. Er
taucht mit Hilfe eines Dieners, der ihm oftmals in Gestalt eines Affen
zur Seite steht, in die Welt des Kranken ein, um dessen Seele zu suchen
und zu heilen. Eine weitere Aufgabe eines Schamanen ist es, Verstorbenen
den Weg ins Reich der Totenwelt zu zeigen. Dieser Glaube sagt, dass
sich die Verstorbenen in einer Art „Zwischenebene“ zwischen der jetzigen
Welt und der Totenwelt befinden und nur mit Hilfe des Schamanen ins
Totenreich gelangen können, um dort die ewige Ruhe zu finden. Noch
heute werden bei manchen Naturvölkern Schamanentänze praktiziert.
Das Material der Masken war meist abhängig von den geologischen
Gegebenheiten. Stein und Metall wurden eher selten, Holz, Rinde,
Bambus, Bast, Ton und Terrakotta eher mehr benutzt. Bei den Eskimos
hat man Walknochen verarbeitet, in Afrika Elfenbein. Zur Dekoration
der Masken dienten Federn, Menschenhaar, Felle, Zähne, Perlen, und
bei den Eskimos Muscheln. Die Farbe für die Bemalung wurde aus Erden
oder Pflanzenteilen hergestellt. In Ländern, die über reiche Bodenschätze
verfügten, wurde u. a. viel mit Edelsteinen oder Silber dekoriert.
Frauen durften bei der Herstellung von Masken — bis auf wenige
Ausnahmen - nicht anwesend sein. Sie, so glaubte man, würden mit ihrer
Anwesenheit Unglück bringen.
In der Antike ging der Maskenkult zurück auf den griechischen
Fruchtbarkeitsgott Dionysos, bei den Römern später auch Bacchus
genannt und vielleicht besser bekannt als Gott des Weines. Dionysos gilt
auch als Urheber jeder Kultur, nicht zuletzt dadurch, dass er die Nomaden
Acker- und Weinbau lehrte.
In Europa bestand ein ähnliches Maskenwesen wie früher bei den
Naturvölkern. Dieses verlor sich aber mit dem Christentum. Der Ursprung
wurde vom Christentum verdrängt, die Inhalte falsch verstanden; aus
Fruchtbarkeitsgöttern wurden Teufel, aus Göttinnen Hexen. Geblieben
ist das Bestreben, durch buntes Treiben die bösen Geister zu vertreiben,
die Kräfte des Bösen zu besiegen und den Winter fortzujagen.
92
Ab 1470 gab es in Europa ein einheitliches Bild der Narren. Deren
Kostüm glich nun dem eines Herrschers. Unter der Maske konnten die
Herrschenden ebenso wie jegliche Art von Zwang oder Regularien
verspottet werden ohne eine Strafe befürchten zu müssen, da man
unerkannt blieb durch die Maskierung. Obwohl die Kirche mehrmals
versuchte, den Maskenkult zu verbieten, fanden aber auch zeitgleich
religiöse Tänze Verbreitung. Man bat um Vergebung für begangene
Sünden oder um Schutz für die Familie im neuen Jahr. Ähnlich wie bei
den sesshaften Völkern fanden auch Fruchtbarkeitstänze statt. Das Böse
wurde mit lauten Tänzen und abschreckenden Masken vertrieben, der
Winter verbannt, und der Sommer begrüßt. k
Ein absolutes Gegenstück zum Herrscher wurde im Mittelalter mit
dem Hofnarren geschaffen. Der Hofnarr war in der Regel ein sehr
intelligenter „Narr“ der über eine Menge „Narrenfreiheiten‘“ verfügte.
Mit viel Diplomatie und Fingerspitzengefühl (damit er nicht seinen Kopf
lassen musste) informierte er am Hof über Gegebenheiten im Volk. Auf
dem Kopf trug er eine Eselsohrenkappe, das Gegenstück zur Herrscher-
krone. Dazu trug er ein grün-gelb-rotes Kostüm als Kontrast zum
prunkvollen Königsgewand. Schellen erinnerten an die kleinen Glöckchen
am Saum des Herrschergewandes; sie sollten aber auch durch den Lärm,
den sie verursachten, böse Geister vertreiben.
Der Narr trug weder Schnurrbart noch Bart und zeigte damit pure
Kahlheit gegenüber dem wallenden Haar und dem prächtigen
Bartschmuck des Herrschers. Und schließlich kam dann noch ein
Narrenorden statt einer Ordenskette dazu.
Unklar ist, ob man beabsichtigte, die Herrscher damit auf den Arm zu
nehmen, oder ob man damit sagen wollte: „Es gibt nur einen Herrscher!
Sieh mich an, ich bin nichts gegen Dich, nur eine lächerliche Figur!“
Der Karneval von Binche reiht sich in die Tradition des europäischen
Faschingstreibens ein. Durch buntes Treiben will man noch heute die
bösen Geister vertreiben und den Winter verabschieden. In Binche haben
sich vier Gruppen gebildet, die sich dieser Aufgabe beim jährlichen
Karnevalstreiben stellen: die Paysans (Bauern), die Pierrots (Narren),
die Arlequins (Harlekins) und natürlich die Gilles, denen im
Maskenmuseum besondere Aufmerksamkeit zuteil wird. Im nächsten Heft
wird über die Entstehung der Gilles und deren Bräuche, die sich seit
über 500 Jahren fast unverändert erhalten haben, berichtet.
93
Wie das Leben so spielt
Aus den Erzählungen meiner
Großmutter über den berühmten
Künstler aus Preußisch-Moresnet:
Rudolph Krauß-Segommer
von Eckhard Krauß '
Als mein Vater im Januar 1945 verstarb, war ich 7, meine Schwester
10 und mein Bruder 1 1/2 Jahre alt. In der Folgezeit wurde uns viel über
den Vater berichtet und noch mehr erfuhren wir über die Verwandtschaft
meiner Mutter.
Dabei blieb es, bis wir in den 50er Jahren begannen, über die Mutter
unseres Vaters uns weitere Informationen zu den übrigen Vorfahren
väterlicherseits zu beschaffen. Was wir hörten, interessierte uns sehr, aber
wir schrieben nichts auf, in der Gewissheit, es nie zu vergessen und Omi
später immer noch einmal fragen zu können.
Dass wir dabei manche Nachrichten erhielten, die vielleicht genauerer
Überprüfung bedurft hätten, fiel uns nicht auf, zumal unsere Großmutter
für uns eine Autorität war, die ewig leben würde.
Von Moresnet war die Rede. Von Neutral Moresnet und Preußisch-
Moresnet.
Eine Zinkmine wurde erwähnt, in welcher Urgroßvater Philip Krauß
eine leitende Funktion hatte und in der Großvater Albert, Arnold, Rudolph
(Rufname: Rudolph) Krauß als Schüler mit seinen schauspielerischen
Fähigkeiten, seiner Veranlagung zur Satire, Persiflage und Komik bei
Betriebsfesten zum Vergnügen der Belegschaft und ihrer Familien längere
humoristische Nachmittage gestaltet haben soll.
Urgroßvater Philip war bis 1878 erster Beigeordneter? der Gemeinde
Preußisch-Moresnet und stolz auf seinen Sohn, eines von 11 Kindern: 9
Mädchen und zwei Söhnen. Nicht mehr so stolz und nicht mehr
einverstanden war er, als ihm sein Sohn Rudolph nach dem
' Anschrift des Verfassers: Nassestraße 24, D-50939 Köln. Tel.:0049(0)221 9 4396 43.
e-mail: krassekrauss@gmx.de. Vielleicht kann jemand, der diesen Artikel liest, mir
helfen, noch mehr über meinen Großvater Rudolph Krauß-Segommer zu erfahren.
? Das Amt des ersten Beigeordneten entsprach in etwa dem eines ersten Schöffen in
belgischen Gemeinden.
94
Schulabschluss eröffnete, Schauspieler werden zu wollen und diesen
Wunsch auch in die Tat umsetzte. Er ging von Moresnet, das ja damals
noch preußisch war, nach Berlin, um Schauspielunterricht zu nehmen.
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Geburtshaus von Rudolf Krauß-Segommer auf der Lütticher Straße
in Neu-Moresnet
Von seinem Vater wurde er daraufhin aus der Familie ausgestoßen
und enterbt. Schauspieler waren in den Augen des Urgroßvaters, Philip
Krauß, wohl unwürdiges Gesindel, dem man sich nicht anschloss.
Rudolph Krauß wurde in seiner Zeit ein berühmter, hoch anerkannter
und sehr wohlhabender Künstler, sprach 14 Sprachen und in den
Sprachen viele Dialekte, tourte mit eigenem Personal und drei eigenen
Pullmann-Wagen (=sehr komfortable Schnellzugwagen) der Eisenbahn
durch die Lande, gab Gastspiele in beinahe allen großen Städten Europas,
flog mit einem Zeppelin über die Städte, um sein Kommen anzukündigen
(aus dem Zeppelin wurden Postkarten mit weiteren Informationen
abgeworfen), gab im berühmten und bei seinen Veranstaltungen
ausverkauften Berliner Wintergarten sowie in anderen weltbekannten
Veranstaltungsorten Sondervorstellungen, war ein hervorragender
Alleinunterhalter, Bauchredner, Zauberkünstler und Illusionist im Stile
eines David Copperfield.
95
Ich versuche nun, die Erzählungen meiner Großmutter, die 1958
verstarb, mit den wenigen Eckdaten, die sich aufgrund von Belegen und
Hinweisen eindeutig zuordnen lassen, chronologisch darzustellen.
Rudolph Krauß, geboren als fünftes von 10 registrierten Kindern (aus
der Ehe Philip Krauß mit Elisabeth geborene Maaßen, die als Witwe ein
Kind in die Ehe brachte) am 11. Juni 1857, in der „Villa Sidona“ auf
„Hazard“ (das ist die heutige Lütticher Straße) in Preußisch-Moresnet,
verließ das Elternhaus im Alter von ca. 18 Jahren, um nach Berlin zu
gehen.
Nach der Ausbildung spielte er an diversen Bühnen jeweils in Rollen
des jugendlichen Liebhabers; wohl mit Erfolg und dennoch mit
zunehmender Unlust.
Er lernte die Tochter des damals berühmten Artisten und Künstlers
Sylvester Scheffer kennen, die er auch heiratete. Vermutlich brachte ihn
sein Schwiegervater auf die Idee, als selbständiger Künstler zu arbeiten.
Mein Großvater trat auf als Zauberkünstler und Illusionist, aber auch
als Bauchredner mit zahlreichen Personen in einer eigenen „Show“, wie
man heute sagt.
Die Personen, mit denen er auftrat, waren alle Lebensgroße, selbst
angefertigte Puppen, die von Mitarbeitern unter einer speziell
angefertigten Bühne an Stöcken geführt wurden.
Sämtliche Rollen sprach, in allen Stimmlagen, Landessprachen und,
falls erforderlich in Dialekten, mein Großvater als Bauchredner.
Gelegentlich trat er auch alleine in verschiedenen Rollen auf. Zum
Beispiel in einem Stück, das meine Großmutter als „Hochzeitsreise“
beschrieb.
Erst trat der Wirt eines Gasthauses auf, um seine Gäste zu empfangen,
die nicht erschienen, und ging ab.
Dann kam der Bräutigam und suchte den Wirt und seine Braut... und
ging ab.
Jetzt kam die Braut und suchte den Bräutigam... und ging ab.
Anschließend kamen die Wirtin, der Hausdiener, das Zimmermädchen
und so weiter. Ob in dieser oder anderer Reihenfolge ist mir aus den
Erzählungen der Großmutter nicht mehr genau erinnerlich.
„Er hatte die Rollen selber geschrieben“, erzählte sie, „hatte alle
Kostüme übereinander an, trat auf der einen Seite der Bühne auf und
ging an der anderen ab. Ich musste ihm im Laufen, während er hinter der
Bühne auf die andere Seite hetzte, die Kleider vom Leib reißen, die neue
Perücke aufsetzen und kurz die Schminke korrigieren.“
96
„Ein andermal“, so die Großmutter, „schoss er Karten auf Zuruf aus
dem Publikum auf die hintere Bühnenwand. Das Publikum rief zum
Beispiel ’Karo Ass’: Er nahm die Anweisung auf, drehte sich mit dem
Rücken zum Publikum, nahm den Revolver, rief laut ‚Karo Ass’, so dass
auch ich genau hinter dem Vorhang hörte, schoss, und schwups klebte
die Karte in Augenhöhe am hinteren Vorhang, hinter welchem ich stand
und einen Mechanismus betätigt hatte, um die Karte, die an einem
Gummifaden befestigt war, an den Vorhang fliegen zu lassen.“
„Einmal“, so berichtete sie, „haben wir geprobt. Ich stand hinter der
Bühne. Er rief und schoss. Er hörte sofort, dass es ein scharfer Schuss
gewesen war. Der „Boy“ hatte ihm die falsche Pistole hingelegt. .
Erschrocken stürzte er hinter die Bühne und war froh, dass ich aufgrund
meiner geringen Körpergröße, 152 cm, überlebt hatte.“
Das Besondere und für das Publikum Erfreuliche sowie Belustigende
war, dass er den Anwesenden im Nachhinein manche seiner Zauber-
kunststücke erklärte.
So berichtete mein Großvater mütterlicherseits, der ihn während des
Ersten Weltkrieges in Köln im Variete-Theater „Kaiserhof‘““ am Kaiser-
Wilhelm-Ring bei einem Auftritt erlebte, von einem Zauberkunststück.
Das Publikum durfte nacheinander verschiedene Farben rufen, die er
dann wiederholte, um anschließend mit einem Zauberstab über einen
nach oben verschlossenen Korb zu fahren, aus dem in der verlangten
Farbe ein langes Stoffband wie von Zauberhand nach oben stieg und an
dem Stab hängen blieb.
Dann trat er gegen den Korb, der umfiel; und heraus kullerte ein Knabe,
der die Stoffbänder von unten durch einen Schlitz aus dem Korb
geschoben hatte. Der Knabe war mein Vater, ebenfalls in Moresnet (aber
Neutral-Moresnet) geboren. Das Publikum lachte und mein Vater schämte
sich.
Dieser Knabe trat in der gleichen Veranstaltung als Leutnant auf, der
einen viel älteren und größeren Rekruten (seinen Vater) herum
kommandierte.
Rudolph Krauß, der sich später, als er ein berühmter Künstler wurde,
als Künstlernamen den Namen eines seiner Schwäger, nämlich
Segommer, zulegte und als Krauß-Segommer bekannt war, verlor
vermutlich in den Jahren zwischen 1887 und 1897 seine erste Frau, die
Tochter von Sylvester Scheffer, und zuvor alle seine drei noch im
Kindesalter befindlichen Söhne durch eine Diphtherie-Erkrankung.
97
Als Witwer ging er in Köln, auf dem Neumarkt, neben einer jungen,
kleinen Frau her, die ihm schon länger in einem Ballett, dessen
Vorstellungen er ihretwegen häufig besuchte, aufgefallen war. Er ging
neben ihr her und sprach mit ihr, während er angestrengt in eine völlig
andere Richtung schaute.
Sie hingegen war völlig verwirrt. Einerseits glaubte sie, sie sei von
ihm angesprochen worden, andererseits sah sie nur zu deutlich, dass er
gar nicht mit ihr sprechen konnte, denn er sah in eine andere Richtung
und... er bewegte, während sie deutlich eine männliche Stimme hörte,
nicht ein einziges Mal seine Lippen. Bauchredner, also auch er, waren
ihr bisher unbekannt gewesen.
Nun, die beiden heirateten laut „Certificate of Marriage‘“ am 26. März
1904 (sie, Veronika Bokshorn, geb. in Achslach/Bayern, war 22 Jahre
alt; er war 46, machte sich im „Certificate“ aber ein Jahr jünger) im
„District of Strand, in the County of London‘. Am 13. August 1909 wurde
„Bubi“ geboren, als Richard, Sylvester Krauß, das einzige, von seiner
Mutter geliebte Kind des Ehepaares, also mein Vater.
Bis Mitte des Ersten Weltkrieges (1916) war der berühmte Künstler
aus Moresnet noch tätig. Dann zog er sich zurück in das gepachtete
Jagdgebiet in der Eifel in Malsbenden bei Gemünd.
Dort hatte meine Großmutter Gefallen an dem Leben des Waidmannes
„Rudolph“ gefunden. Hierzu konnte sie uns viele abenteuerliche und
spannende Geschichten erzählen und von dort stammen all die Trophäen,
Geweihe etc., die ich nach dem Tod meiner Großmutter (1958) in unserem
großelterlichen Hause in Köln vorfand.
Sie hatte dort bis zu ihrem Tode gelebt von dem erheblichen Vermögen
ihres Mannes, der 36 Jahre zuvor, am 27. August 1922, in Malsbenden
an den Folgen einer Lungenentzündung -als Freidenker, wie meine
Großmutter immer zu sagen pflegte- gestorben war.
98
Eine frühe Erwähnung der
«Hergenrather Besenbinder»
von Alfred Bertha
Die technische Entwicklung unseres Jahrhunderts und vor allem der
Nachkriegszeit hat viele alte Handwerke verschwinden lassen oder sie
in kleine Existenznischen zurückgedrängt. Wo sind sie heute auf unseren
Dörfern, die Stellmacher, die Hufschmiede, die Sattler und Schuhmacher?
Auch Spinnen und Weben gehören schon lange nicht mehr zu den ,
Grundkenntnissen eines heiratswilligen Mädchens und zur Beschäftigung
an langen Winterabenden.
Der Reiz der heute vielerorts abgehaltenen Handwerkermärkte besteht
zum großen Teil darin, dass sie ein Stück noch gar nicht so ferner
Vergangenheit aufleben lassen und uns zeigen, dass unsere Großeltern
das Alltagsleben auch ohne Kunststoffe zu meistern wussten.
Auf solchen Märkten stehen dann neben Glasbläsern und
Kerzenziehern, Zinngießern und Töpfern auch weniger «ausgefallene»
Berufszweige wie Korbflechter und Besenbinder. Auch Letztere sind von
der Industrie verdrängt worden.
Dabei war das Besenbinden in früheren Zeiten eine Beschäftigung,
der Kleinbauern und Tagelöhner gerne nebenberuflich nachgingen.
Besonders in Hergenrath muss es viele von ihnen gegeben haben, denn
dem Ort haftet heute noch der Ruf an, das «Besenbinderdorf» zu sein,
woraus man schließen kann, dass die «Herjender Bessemebenger» weit
über die Ortsgrenzen hinaus bekannt waren.
Das Rohmaterial fanden die Besenbinder in den Wäldern, die das
notwendige Birkenreisig lieferten. Häufig wurde jedoch auch der Ginster
zur Besenherstellung benutzt, weshalb er auch «Besenginster» genannt
wird. Zum Binden brauchte man früher, als Draht noch nicht zur
Verfügung stand, Haare von Pferdemähne oder -schweif.
Absatz für ihre Besen dürften die Hergenrather Besenbinder
vorwiegend im nahen Aachen gefunden haben. Gewisse Berufszweige,
Bäcker z. B., hatten regelmäßig Bedarf an Besen zum Auskehren der mit
Holz beheizten Backöfen.
In den Hergenrather Quellen zur Ortsgeschichte haben wir bisher nur
einen einzigen Hinweis auf die Besenbinder gefunden; es handelt sich
99
um eine Eintragung im Protokollbuch der Einwohnerversammlungen aus
dem Jahre 1769.
Ende 1768 hatten sich Astenet und Hergenrath nach längerem
Gerichtsstreit auf eine Teilung der bis dahin noch gemeinsam
bewirtschafteten Wälder im Bereich Lindengraben, Eckerbusch, Tiffes
und Gippenhag geeinigt und am 3. Januar 1769 hatte die Hergenrather
Bürgerversammlung diese Teilung gutgeheißen und einige zum Schutz
der Wälder notwendige Maßnahmen beschlossen.
Dem Hergenrather Bürger Hubertus Thillen schienen die den
Besenbindern gemachten Zugeständnisse, von denen jedoch im Protokoll
der Bürgerversammlung keine Rede ist, entschieden zu weit zu gehen.
Er sah darin eine Bevorteilung einer gewissen Gruppe zum Nachteil al-
ler anderen. Der Wald werde durch die Besenbinder «verdorben» und er
wisse nicht, weshalb «solche Leute» mehr Rechte («permissen»,
Erlaubnis, Freiheit) haben sollten als andere. So wendet sich Thillen an
die Förster mit der Bitte, dafür zu sorgen, dass das nicht geschehe.
Wir bringen den Brief in der Originalschreibweise und - in
Schrägschrift - die deutsche Übersetzung:
Ich onder geschreven hebbe vernommen wie das die boschen
Ich Unterschriebener habe vernommen, wie die Wälder
gedelt siende teuschen die twee quartieren hergenraeth ende
geteilt worden sind zwischen den Orten Hergenrath und
aestenet soo hebbe ich vernommen das men soude
Astenet; so habe ich gehört, dass man geschrieben haben soll
geschreven hebben ein die hergenraether bouschen die
in den Hergenrather Wäldern (dürften) die Besenbinder das
bessemenbiender das reis opffer beircken te schnieden und
Reisig oder Birken schneiden und die Birken in dem Holz von
die biercken aus te schneuwen in das houls van funff jaer soo
fünf Jahren auszuschneiden
hefft men ihnnen die buschen als eigendum euber gebben
So hat man ihnen die Wälder als Eigentum übergeben,
mar ich en weit niet war durch soulche leutten sollen mir
aber ich weiß nicht, weshalb solche Leute mehr
opffer grotter dell ende permissen hebben als alle andere
oder größeren Anteil und Freiheiten haben sollen als alle anderen
nachbarren om die beuschen te verderven soo protestiere ich
100
Einwohner, um die Wälder zu verderben. So protestiere ich
alhier schrifftlich das man die leutten nicht mir dell- und
hier schriftlich dagegen, dass man diesen Leuten mehr Anteil
meisterschap en sal geeven die beuschen te verderven mit
und Macht gibt, die Wälder zu verderben mit
das reis opffte biercken te schneiden te seechgen ende aeff te
Reisig oder Birken schneiden, sägen und
kaeppen. .
abschlagen.
So byte ich aen die vorster des dorps sij wollen das wol in
So bitte ich die Förster des Dorfes, sie möchten das wohl im
acht nemen und den poste niet toostaen noch erloben S
Auge behalten, diesen Punkt nicht zugestehen und nicht erlauben.
Actum den 6ten february 1769
Geschehen den 6. Februar 1769 F
Hubbertus thillen
ook ak Ik ko ak ok ok Rokoko ook ok
Der Brief des Hubert Thillen, vor mehr als 230 Jahren geschrieben, ist
natürlich für unsere Ortsgeschichte und die «Besenbinder» ein wichtiges
Dokument. Aber auch den sprachlichen Aspekt dieses Briefes sollte man
nicht vernachlässigen. Bemerkenswert ist nicht nur, dass Thillen
schreibkundig ist in einer Zeit, wo die allermeisten Männer unseres Ortes
noch mit «Handzeichen (= Kreuzchen) unterschrieben, sondern auch,
dass seine Schreibsprache sich doch sehr von der damals üblichen
brabantischen Kanzleisprache unterscheidet. Thillen schreibt ein
seltsames Gemisch aus Hochdeutsch (vernommen, wie, das, ich, sollen,
als, schriftlich, schneiden, in acht nehmen ...), Plattdeutsch (schnieden,
beuschen ...) und Brabantisch, der damaligen Amtssprache (onder
geschreven, twee, quartieren, ende, soude, niet, aeff te kaeppen ...).
Quelle: Archiv der Göhltalvereinigung
101
Wörterbuch des Gemmenicher Platts
Seit mehreren Jahren ist eine Arbeitsgruppe mit der Zusammenstellung
eines Wörterbuches der im Dorf Gemmenich gesprochenen plattdeutschen
Dialektvariante beschäftigt. Das Werk ist nunmehr im Grenz-Echo Verlag
(www.gev.be) unter dem Titel „Diksjonäär van et Jömelejer Plat“
erschienen.
Das 392 Seiten starke Lexikon enthält 14.540 Wörter. Zu jedem Wort
werden Aussprache und Betonung in internationaler Lautschrift,
grammatische Eigenschaften, deutsche Übersetzung und zahlreiche
verdeutlichende Beispiele angeführt. Außerdem ermöglicht das ausführliche
deutsche Stichwortverzeichnis es, die plattdeutsche Übersetzung eines
deutschen Wortes zu finden.
Das Wörterbuch enthält ebenfalls ein Orts- und Vornamenverzeichnis.
Schließlich vermittelt die Einleitung umfassende Erklärungen zum
Dialekt selbst und zur verwendeten Schreibweise sowie eine Einführung
in Grammatik und Konjugation, ergänzt durch eine Konjugationstabelle
der unregelmäßigen Verben.
Die Verfasser hoffen, dass ihre Arbeit zur Förderung des Dialektes und
zur Bewahrung zahlreicher besonderer Wörter und Ausdrücke beitragen
wird, die die typischen Eigenschaften eines Dialektes ausmachen.
Die Veröffentlichung des Werkes wurde durch die finanzielle
Unterstützung der CEPAGEB (centre d’&tude des parlers germaniques de
V’est de la Belgique — Universität Lüttich), der Deutschsprachigen
Gemeinschaft Belgiens und der Gemeinde Bleyberg ermöglicht.
Ausführlichere Informationen sind auf der dem Dialekt und dem
Wörterbuch gewidmeten Website zu finden: http//users.chello.be/sf15116/
Platt (Deutsch, Französisch und Niederländisch).
Das Lexikon ist zum Preise von 22 EUR (gegebenenfalls + 3 EUR
Versandkosten) an folgenden Stellen erhältlich:
- Online auf Internet: http://users.chello.be/sf15116/Platt
- Pierre Straet, rue St-Hubert 34, 4851 Gemmenich. (Tel. +32(0)87/
78.51.74)
- Jean Gerrekens, Opvoedingstraat 5, 3010 Leuven (Tel. +32(0)16/
35.63.60, E-Mail jean.gerrekens@chello.be
- Buchhandlung Welter, rue Cesar Franck 1, 4851 Gemmenich
- Verkehrsverein, rue Cesar Franck 34, 4851 Gemmenich
- Verschiedene Geschäfte in der Gemeinde Bleyberg.
Das Wörterbuch-Team: Jules Aldenhoff (+), Jean Gerrekens, Pierre Straet
102
Jahresrückblick 2003
von Herbert Lennertz
Der Aktivitätenkalender des verflossenen Jahres begann - wie üblich
— mit der Jahreshauptversammlung im Saal des Kulturhauses „Select“,
wo der Vorsitzende am 19.01.2003 recht viele Mitglieder zu seinem
Rechenschaftsbericht begrüßen durfte.
Das dabei gezeichnete Bild war im großen und Ganzen recht positiv,
sowohl hinsichtlich des Echos der verschiedenen Veranstaltungen, wie
auch bezüglich der Mitgliederzahlen, die kaum Schwankungen
unterlagen. .
Erfreulich war zu vermelden, dass sich der engere Vorstand durch zwei
neue Mitglieder verstärkt hat: Frau Helene Bings (Kelmis) und Frau Gabi
Regulla (Hergenrath) sind beide ausgebildete Fremdenführerinnen und
entsprechend vielseitig einsetzbar...
Die Generalversammlung schloss mit einem Dia-Rückblick von Al-
fred Bertha auf die Italienreise des Jahres 2002, die über Genf, Venedig,
Padua, Ravenna und Verona führte.
Am 19. Februar zeigte Herr Müller (aus aktuellem Anlass) im „Select“
einen Videofilm über den Kelmiser Casinoweiher, der durch eine Freigabe
der Randzonen zur Bebauung direkt gefährdet wäre. Sowohl die
Vogelwelt, wie die Flora des Weihers und des Randbereiches verdienen
einen intensiven Schutz und garantierten Erhalt.
„Cesky raj‘“, das tschechische Paradies, nennt sich ein Gebiet in
Ostböhmen, etwa 50 km nördlich von Prag, wo Mensch und Natur noch
in voller Harmonie zusammenleben.
Eine Dia-Schau von Jarmila und Alfons Herten, im Select, am 26.
März, führte im ersten Teil auf eine Entdeckungsreise durch dieses
Paradies und zeigte städtische und ländliche Architektur sowie
Volksbräuche und im zweiten Teil die phantastische Wanderlandschaft
mit einer überreichen Flora und Kleinfauna sowie den bizarrsten
Sandsteinfelsformationen. Die in meisterhafter Überblendtechnik - 3
Projektoren, voll synchronisiert mit Musik und Kommentar — gebotene
Schau war ein besonderes Erlebnis für die zahlreich erschienenen
Zuschauer.
Am 13. April führte Vorstandsmitglied Hans Klein eine größere Gruppe
Wanderfreunde durch Walhorn, wo denselben durch Herrn Pierre Corda
vom Walhorner Verkehrsverein die landschaftlichen und baulichen
Schönheiten einer der 6 neu angelegten Wanderrouten nähergebracht
103
wurden. Diese führte vom Dorfkern zum Johberg über Langmüs und
schloss mit einer gemütlichen Kaffeerunde im Dorflokal. Die
„Dorfwanderungen“, die uns in den letzten Jahren schon nach Hauset
und Eynatten geführt hatten, sollen auf vielseitigen Wunsch fortgesetzt
werden.
Unter der Leitung von A. Bertha wurde die Reihe der Tagesfahrten zu
belgischen Kunststädten am 25. Mai mit einer Fahrt nach Tournai
fortgesetzt. Die „Wiege der französischen Monarchie“ hat man die alte
Römersiedlung an der Schelde genannt. Von hier gingen die Merowinger
hervor, die mit Klodwig und dessen Taufe i. J. 496 die Geschichte
Westeuropas maßgeblich geprägt haben. Sowohl Tournai mit seinen
beeindruckenden Architekturschätzen (die Kathedrale mit ihren fünf
Türmen ist von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt worden) wie
auch das auf der Rückfahrt angefahrene Maasstädtchen Huy sind Perlen
unseres an Schönheiten so reichen Landes.
Die Mehrtagesfahrt, vom 5.-10. Juni 2003, stand wie üblich unter
der Leitung des Vorsitzenden und führte über Besancon in den Südwesten
Frankreichs, nach Grasse.
Zwischenstationen auf der Hinfahrt waren im elsässischen Colmar,
wo eine ausführliche Stadtbesichtigung eingeplant war, und in Besancon.
Diese Stadt am Doubs beeindruckte durch die Festungsanlagen Vaubans.
Grasse, die Hauptstadt der Parfümhersteller, eignet sich auch besonders
gut als Ausgangsort für Tagesfahrten. Diese führten bei herrlichstem
Wetter zu ausführlichen Besichtigungen nach Nizza und St Paul de Vence
(Künstlerstadt) nach Cannes und in die wilde Landschaft der Verdon-
Schlucht. Auf der Rückreise über Grenoble folgte man über weite
Strecken der seit 1932 ausgeschilderten „Route Napoleon“. Das alte
Festungsstädtchen Sisteron stellte hier einen letzten Höhepunkt der Fahrt
dar.
Das zweite Halbjahr, mit einer Studienfahrt unter der Leitung von
Helene Bings und Gabi Regulla in die Region des „Centre“ (Binche mit
seinem Maskenmuseum, Schiffshebewerk von Strepy-Thieu)", einer
Wanderung um die Eupener Talsperre (Wanderführer Hans Klein), einer
Betriebsbesichtigung des Pharmaunternehmens Grünenthal in Eilendorf
(Ltg. Jos. Kessel) und zwei Dia-Abenden am 12. November bzw. 3.
Dezember bot ein sehr abwechslungsreiches Programm.
1) Siehe dazu auch den Bericht auf S. 86-93.
104
Über viele Generationen hat die Messingherstellung das Stolberger
Wirtschaftsleben geprägt. Die sogenannten Kupferhöfe halten die
Erinnerung an jene Zeiten fest.
Einer der schönsten Kupferhöfe im „Grünental“ ging 1888 durch Kauf
an Apollonia Wirtz, die Alleineigentümerin der 1845 gegründeten
Seifenfabrik Mäurer und Wirtz (Dalli-Werke) über. Die unmittelbare
Nachkriegszeit führte zu Laborversuchen und „Vorplanungen im
medizinisch-pharmazeutischen Bereich“. Anfang Januar 1946 löste sich
die Pharma-Sparte von den Dalli-Werken und es begann die Geschichte
der „Chemie-Grünenthal“. Es war eine wechselvolle Geschichte, deren
erstes Kapitel durch die Entwicklung von Antibiotika (Penicillin) |
geschrieben wurde. In den folgenden Jahrzehnten setzte „Chemie-
Grünenthal“ konsequent auf die eigene Arzneimittelforschung und
-entwicklung, deren Schwerpunkte auf Antibiotika und Schmerzmittel
liegen.
Die Besichtigung der neuen Werksanlagen am 15.10.2003 in Eilendorf
erlaubte es einer Gruppe von interessierten „Göhltalern“ Einblick in das
Innenleben von ‘‘“Chemie-Grünenthal‘“ besonders in die Bereiche
Forschung und Ausbildung zu erhalten.
Ein Menü vom Feinsten präsentierten am 12.11.2003 Norbert Wallrath
und Heinz Verlage mit einer mehrteiligen Diaschau auf Großleinwand,
In beeindruckender Überblendtechnik mit 3 Projektoren schufen sie eine
neue Art des Sehens in Architektur, Landschaft und Lebensraum, wobei
die Beispiele Futuroscope, Kölner Dom, Schloss Brühl und Guggenheim-
Museum in Bilbao stellvertretend genannt seien. Nicht minder
beeindruckend waren die Bilder, die uns „einen Tag im Leben eines
Baggers‘“ im Braunkohlengebiet Gartzweiler zeigten, oder auch die
Kykladeninsel Sifnos. Die Organisation lag in Händen von Vorstands-
mitglied Jos. Kessel.
Das Berichtsjahr 2003 ging zu Ende mit einer weiteren Diaschau im
Kulturzentrum Select, wo Herr J. Spekl (Stolberg) auf Einladung von
Vorstandsmitglied Josef Kessel die Zuschauer mit einer von 4 Projektoren
auf 5-Meter-Panoramaleinwand durchgeführten Bildschau begeistern
konnte. Seine Themen: „Impressionen aus Venedig“ und „Die Gärten
von Schloss Trauttmandorff“ bei Meran.
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