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Landschaft im Grenzraum Nordostbelgiens
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ZEITSCHRIFT DER VEREINIGUNG FÜR
KULTUR, HEIMATKUNDE UND GESCHICHTE
IM GÖHLTAL
Nr. 70 — Februar 2002
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Im Göhltal
ZEITSCHRIFT DER VEREINIGUNG
FÜR
KULTUR, HEIMATKUNDE UND GESCHICHTE
IM GÖHLTAL
Nr. 70
Februar 2002
Veröffentlicht mit der Unterstützung des Kulturamtes der
deutschsprachigen Gemeinschaft
Vorsitzender: Herbert Lennertz, Stadionstraße 3, 4721 Neu-Moresnet.
Sekretariat: Maxstraße 9, 4721 Neu-Moresnet, Tel. 087/65.75.04.
Lektor: Alfred Bertha, Bahnhofstraße 33, 4728 Hergenrath.
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Die Beiträge verpflichten nur die Verfasser.
Alle Rechte vorbehalten
Entwurf des Titelblattes: (+) Alfred Jansen, Moresnet-Kapelle.
Druck.: Aldenhoff, Gemmenich,
3
Inhaltsverzeichnis
Alfred Jansen (+) Zum Umschlagbild: 5
Moresnet-Kapelle Schloss „de Hoef“ in Teuven
Alfred Bertha Winand Lamberti aus Walhorn, 9
Hergenrath 31. Abt von Rolduc
Jakob Langohr At achtzeg Joor langk! EA
Aachen-Bildchen
Leonhard Kirschvink Die Titfelder Mühle, der Frauenbend 38
Bollendorf und andere Raerener Mühlen
Firmin Pauquet Historischer Rundgang durch Kelmis 58
Kelmis (6. Teil)
M.-Th. Weinert Die Spinne 85
Aachen-Forst
Willy Timmermann 57 Jahre nach dem Drama 86
Eupen an der Hammerbrücke
H. v. Schwartzenberg Maria-Theresia-Marmor 90
Aachen
Caroline Leterme, Rettungsgrabungen in der Pfarrkirche 99
Kelmis St. Hubertus in Lontzen
Herbert Lennertz Jahresrückblick 2001 102
Neu-Moresnet
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Lektor: Alfred Bertha, Bahnhofstraße 33.4728 Hergensath, E
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Zum Umschlagbild
Schloss „de Hoef‘‘ in Teuven“
von (t) Alfred Jansen
„Teuven war eine von den Herzögen von Limburg abhängige
Herrschaft. Es besteht dort noch ein altes, wenig herrschaftlich
aussehendes Schloss. Man nennt es „het alt Hous‘“. Das war die Residenz
der Herren von Teuven. Wir haben dort alte Kamine gesehen, die die
Kennzeichen des 13. Jahrhunderts trugen.
Ein anderes Schloss (manoir), ein Bau aus dem 16. Jahrhundert, hat
das „alt Hous“ ersetzt. Man nennt es das neue Schloss; es hat der Familie
de Draeck gehört, von der sich ein Grabstein in der alten Kirche von
Teuven befand...“
So schrieb Alexandre Schaepkens um die Mitte des 19. Jahrhunderts.
Leider bleibt von dem alten Schloss, das er damals noch besichtigt hat,
nicht die geringste Spur und nicht mal die genaue Lage desselben ist
bekannt. Nach Herrn Lionel de Secillon, dem früheren Bürgermeister
von Teuven, lag das alte Schloss vielleicht an der Stelle, wo sich heute
ein etwa 1870 errichteter Bauernhof befindet, der unter dem Namen „Het
oud Huys“ bekannt ist und um 1950 im Besitz der Mutter des
Bürgermeisters, der Gräfin de Secillon-Coenegracht, war.
Das „neue Schloss“, heute „De Hoef*‘ oder (seltener) „Schloss Draeck‘*
genannt, liegt etwas außerhalb des Dorfes, nördlich, zwischen der Straße
nach Slenaeken und der Gulpe. Es ist ein dreiflügeliger Bau, der (laut
Poswick) vornehmlich aus der Mitte des 17. Jahrhunderts stammt,
dagegen in anderen Publikationen ' dem 16. Jahrhundert zugeordnet wird.
Älteste Bauteile sind der Hauptwohntrakt und der östliche Seitenflügel,
der Westflügel erscheint moderner und jünger und ist vielleicht dem
ausgehenden 18. oder beginnenden 19. Jahrhundert zuzuschreiben.
Wie dem auch sei, in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts erfuhr
Schloss Draeck einige Umänderungen, die ihm sein heutiges Aussehen
verliehen. Damals erhielt der Hauptflügel die großen Fensteröffnungen
* Aus G. Poswick, Les Delices du Duche de Limbourg, Verviers 1951, S. 271-276
' „Bouwen door de eeuwen heen, Inventaris van het cultuurbezit in Belgie, Architectuur.
Deel 14 n 2, Prov. Limburg, Arrondissement Tongeren, Kanton Voeren, Teuven, Hrsg.
Ministerium der Flämischen Gemeinschaft, 1992, S. 166
6
und eine neoklassizistische Veranda, die nach dem 2. Weltkrieg noch
bestand. Auch das Dach des die Nordwestecke flankierenden Turmes
trug früher einen höheren und spitzeren Helm. In den Kriegsjahren hatten
die Deutschen jedoch diesen Turmhelm durch ein Flachdach ersetzt und
auf dem Turm einen Flakposten eingerichtet.
Der von Schaepkens erwähnte Grabstein ist in den Turmsockel
eingemauert worden. Vermutlich geschah dies nach dem Kirchenbrand
von 1870, der zu einem Neubau der Teuvener Pfarrkirche (1871-1877)
führte. Die Grabplatte trägt im Mittelteil der oberen Hälfte das Wappen
de Draeck, darunter in einem quadratischen Feld die stark beschädigte
Inschrift. Beiderseits von Wappen und Inschrift sind vertikal acht weitere
Familienwappen angeordnet. Der Stein trägt die Jahreszahl 1663. .
Besonders an der Nordseite sind die ehemaligen Wassergräben noch
gut auszumachen.
Zugang zum Schloss bietet sich von Westen über die neue Glasveranda
oder von der rückwärtigen Seite über den Hof der Wirtschaftsgebäude,
der durch einen tiefen Graben vom Schlosshof getrennt ist. Über diesen
Graben führt eine bruchsteinerne Brücke, die eine frühere Zugbrücke
ersetzt hat, zum Schlosshof.
Im Laufe der Jahrhunderte hat Schloss Draeck viele Besitzer und
Herren gekannt. Der erste uns bekannte Herr der Herrschaft Teuven war
ein gewisser Mathilion, dessen Namen uns um 1370 begegnet. Es dürfte
sich, auch wenn dies nicht mit absoluter Sicherheit feststeht, um Mathilion
von Eynatten handeln. Nächste Besitzer von Teuven sind die von
Gronsveld, denen ebenfalls die Herrschaft Beucken in Henri-Chapelle
gehörte.
Anfang des 15. Jahrhunderts heiratete Johanna von Gronsveld Johann
von Brempt. Deren Sohn Goswin heiratete 1461 Catharina, Tochter des
Walram von Merode. Auf dem Erbwege kam Teuven an die Tochter
Sophie von Brempt, die in erster Ehe Johann Krümmel von Eynatten
heiratete und deren Tochter Johanna Krümmel von Eynatten das Erbe
ihrer Eltern übernahm.
Durch die Ehe von Johanna Krümmel von Eynatten mit Gerard von
Palant kam Teuven an letztere Familie. Von den vier Töchtern der Eheleute
Krümmel-Palant schloss die Dritte, Adrienne, den Ehebund mit Adrian
von Uytenhove und wurde bei der Erbteilung Besitzerin der Herrschaft
Teuven. (Die Herrschaft Beucken fiel an ihre Schwester Maria von
Palant).
7
Johann Karl von Uytenhove, aller Wahrscheinlichkeit nach der Sohn
der vorgenannten Eheleute, wurde am 21. Januar 1597 mit Teuven belehnt.
1612 verkauft er das Schloss an Walram Draeck, Witwer von Anna de
Viron, und dessen Kinder. Die Herrschaft Teuven sollte nun 180 Jahre,
d. h. bis zur Franzosenzeit, im Besitz dieser Familie bleiben.
Gerard de Draeck, ein Sohn Walrams, ist in die Ortsgeschichte wegen
seiner vielen gerichtlichen Streitereien mit dem Augustinerinnenstift von
Sinnich und dem Herrn von Beusdael eingegangen. Es gelang ihm, dem
Herrn von Beusdael, Johann-Adolf von Colyn, die Gerichtsbarkeit über
Teuven zu entreißen und auch die Strafgerichtsbarkeit über Sinnich zu
erlangen.
Er starb 1656. Sein Sohn Joseph de Draeck war der nächste Herr von
Teuven. Er ließ den vorhin erwähnten schönen Grabstein anfertigen.
Nach seinem Tode, im Jahre 1700, fiel die Herrschaft Teuven an den
Sohn Joseph-Anselme de Draeck, Ehegatte der Catharina Ernestine
Bertolf von Belven. Dieser wurde in den Freiherrenstand erhoben. Er
starb 1719. Der noch minderjährige Sohn Jean-Joseph-Gerard de Draeck
wurde nun Herr von Teuven. Er starb ohne Nachkommen, so dass die
Herrschaft an seine Schwester Maria-Adrienne-Frangcoise fiel, die
verheiratet war mit dem Freiherrn Jean-Fr&deric-Guillaume de Negri.
Über drei Generationen blieb das Schloss nun im Besitz der Familie
de Negri. Auf Joseph Anselme Antoine de Negri, der die Witwe seines
Bruders, Jeanne Marie Josephine von Eys von Beusdael heiratete, folgte
dessen Tochter, die Baronin Marie Francoise Josephe de Negri, in erster
Ehe verheiratet mit Charles-Alexandre de Blanckart. Nach dem Tode
der Eltern verkauften die Kinder der Eheleute Blanckart-Negri Schloss
de Draeck an Viktor Haan aus Aachen.
1851 verkaufte dieser den Besitz an den Lütticher Rechtsanwalt
Walther Moulan; nach dessen Tod kam das Teuvener Schloss auf dem
Erbwege an die Geschwister Cyrille und Julienne Magis. Im folgenden
Jahre trennten sich diese wieder von de Draeck, das sie an Leopold Gerard
Quoidbach und an dessen zweite Ehefrau Gabrielle Therese Christiane
Elisabeth de Ras verkauften. Letztere war schon zweimal verwitwet und
hatte aus der Ehe mit Marie Emmanuel Victor Alexandre de Coenegracht
mehrere Kinder. Nach ihrem Tode, am 14.2.1882, kam es über den Besitz
von Hoef zu langdauerndem Streit zwischen dem Vater bzw. Stiefvater
und den Kindern Quoidbach und Coenegracht, was schließlich am
2.4.1901 zum öffentlichen Verkauf des Schlosses führte, dessen neuer
Besitzer Emile Sano aus Brüssel wurde. Emma Sano, die Tochter,
8
verheiratet mit Louis Janssens aus Ostende, erbte Draeck. Nach ihrem
Tode, am 7.8.1946, ließen die Kinder bzw. Enkel Draeck wiederum
öffentlich verkaufen, wobei das Schloss und die anhängenden Ländereien,
insgesamt rd. 32 ha, von dem Vervierser Industriellen Hubert Duesberg-
Grenade erstanden wurden.
Die neuen Besitzer bemühten sich, die während der Kriegsjahre
unterlassenen Unterhaltsarbeiten durchzuführen und das alte Schloss in
neuem Glanz erstehen zu lassen. Damals erhielt der Eckturm seinen
stumpfen Helm.
1985 erstand die Flämische Gemeinschaft den alten Herrensitz, der
im folgenden Jahr als Hotel-Restaurant eine neue Bestimmung gefunden
und als Gastronomiebetrieb der gehobenen Klasse sich einen Namen
gemacht hat..
9
Winand Lamberti aus Walhorn,
31. Abt von Rolduc
von Alfred Bertha
Eine der herausragendsten Persönlichkeiten des Walhorner Landes war
gewiss der auf Mützhof in Astenet am 9. Juli 1617 geborene Winand
Lamberts, Sohn des Bankschöffen Anton Lamberts (71662) und der
Catharina von Astenet.
Die Familie Lamberts, deren Ursprünge mit den Großeltern des
Winand, Peter Lamberts und Maria Mollener, bis ins 16. Jahrhundert
zurück verfolgt werden können, war verwandtschaftlich mit fast allen
bedeutenden Familien des Walhorner Landes verbunden.
Anton Lamberts, genannt Thonnis, gestorben am 10.2.1662, und seine
Ehefrau Catharina von Astenet hatten 5 Kinder, von denen die älteste
Tochter Oberin bei den Pönitenten-Recollektinnen in Aachen war.
Die zweite Tochter, Maria, 1613-1705, heiratete Peter Mees, 1621-
1679, der als Meier von Eynatten und Hauset sowie Schöffe von Walhorn
wichtige Ämter in der Bank Walhorn bekleidet hat.
Als drittes Kind folgte ein Sohn, dem man den Namen Winand gab
(1617-1664).
Die 1624 geborene Tochter Gudula heiratete den Drossard Gerard
Quodbach aus Moresnet. Das Ehepaar übernahm sich finanziell beim
Umbau von Mützhof.
Die jüngste Tochter, Clara, blieb ledig.
Im Folgenden wollen wir etwas näher auf das Leben und Wirken des
Winand Lamberts eingehen, der in den Jahren des Dreißigjährigen Krieges
erst als Koadjutor des Abtes, dann als Abt an vorderster Front die
Geschicke der Abtei Rolduc mitbestimmt hat (1),
Winand Lamberts, in die Geschichte eingegangen unter der latinisierten
Form "Lamberti", wurde in der Augustiner-Chorherrenabtei Rolduc
unmittelbar Zeuge der Wirren des Dreißigjährigen Krieges (1618-1648),
der vor allem ab 1632 Limburg und die sog. Länder von Overmaas
heimsuchte. Wir folgen dem Geschehen so, wie es sich in der zwischen
1685 und 1700 durch den Regularkanoniker und späteren Abt Nikolaus
Heyendal in Latein verfassten Klosterchronik von Rolduc, den "Anna-
les Monasterii Rodensis", darstellt (2).
10
Der Chronist schreibt:
"In jener Zeit besetzten die Holländer (die Feste) Limburg und erhoben
infolge dessen Anspruch auf die gesamte Provinz Limburg (3).
Sodann, 1633, verlangten sie von allen höher gestellten Persönlich-
keiten des Landes einen Treueid, den auch unser Abt Balduin (4) mit den
anderen zu leisten gezwungen wurde. Vergeblich erhob der König von
Spanien dagegen Einspruch und ließ durch seine Beamten Informationen
gegen sie einholen.
Man fragte sich zweifelnd, ob es erlaubt sei, diesen Eid abzulegen.
Man befragte die Theologen und man kam zu dem Schluß, es sei erlaubt,
denn dieser Eid werde den Staaten (5) nicht in ihrer Eigenschaft als
Ketzern, sondern in der Eigenschaft als Herzog von Limburg, was sie ”
durch das Kriegsrecht geworden waren, abgelegt.
Von nun an begannen jene unglücklichen Zeiten, die die beiden
Nachfolger, Duckweiler und Lamberti, auf beklagenswerte Weise
heimgesucht haben."
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Das Kloster Rolduc ist die größte erhaltene Klosteranlage der Niederlande.
Am 18. Dezember 1635 starb Abt Balduin nach 20-jähriger Amtszeit.
Das folgende Jahr sah die Abtei sich leeren. Die Klosterherren und auch
die Pfarrer und Priester der gesamten Provinz Limburg hatten sich, um
der Verhaftung durch die Holländer zu entgehen, in sichere Orte
11
zurückgezogen oder sie lebten unerkannt und versteckt. Einige hollän-
dische Priester oder Prediger waren nämlich von den Spaniern gefangen
genommen und nach Breda ins Gefängnis gebracht worden. So hatten
die Holländer ihrem Militär den Befehl gegeben, alle katholischen
Priester, deren sie in Limburg habhaft werden könnten, zu verhaften,
namentlich die Äbte von Rolduc und Gottestal/Val Dieu.
Erst 1637 bekam Rolduc in der Person von Caspar Duckweiler einen
neuen Abt, der als erstes versuchte, die leeren Pfarrstellen neu zu besetzen.
Die Pest der Jahre 1635 und 36 hatte vier aus der Abtei Rolduc kommende
Pfarrer hinweggerafft, darunter Johannes Vinck (1635) in Eupen und
Theodor Vischer (1636) in Henri-Chapelle. Da aber die Zahl der
Ordensmitglieder so klein war, dass sie nicht eine einzige der vakanten
Pfarrstellen besetzen konnten, blieb die Seelsorge daselbst sehr
vernachlässigt. Der Pfarrer von Baelen tat sein Möglichstes, Eupen, Henri-
Chapelle und Baelen zu bedienen, doch gelang dies nur unvollkommen,
so dass die Ketzer "ungestraft ihr Gift unter das von seinem Seelsorger
verwaiste Volk" streuen konnten.
Sobald es ihm möglich war, ernannte Abt Caspar Duckweiler neue
Seelsorger, alles Weltpriester; für Henri-Chapelle D. N. Sittaert, einen
Mann mit einem vorbildlichen Lebenswandel, für Eupen einen
Geistlichen namens Theodor Van der Spycker, dessen Verhältnis zu einer
Frau, die er als seine Schwester ausgegeben hatte, jedoch Ärgernis erregte,
so dass der Abt ihn aus Eupen entfernen musste. Dessen Nachfolger in
Eupen wurde Friedrich Soetens, dessen Lebenswandel ebenfalls nicht
erbaulich war und der deshalb 1651 durch den Abt Winand Lamberti
"aus dem Amt entfernt wurde". Er wurde vom katholischen Glauben
abtrünnig, zog sich nach Holland zurück, heiratete dort und, nachdem er
viele Jahre ein elendes Leben geführt hatte, starb er unbußfertig.
"Es ist kaum zu glauben", schreibt der Chronist, "wie unglücklich die
Amtszeit dieses Abtes nicht nur für das Kloster, sondern für das ganze
Land verlief. Denn einerseits lagen die Holländer im Krieg mit dem
katholischen König (6); sie verwüsteten das Land und saugten es aus
durch schwerste Abgaben, Racheakte, Repressalien und Ausschreitungen
ohne Ende, andererseits verlangte unser König immense Summen Geldes
zur Deckung der Kriegskosten. Dazu kamen die regelmäßigen
Winterquartiere, sowohl der eigenen wie der Hilfstruppen, die Lagerungen
und die Fourragelieferungen der Truppen und unzählige andere Übel.
Die Truppen des Herzogs Karl von Lothringen, dem der französische
König sein Herzogtum genommen hatte, und die des Prinzen von Conde,
12
der demselben allerchristlichen König untreu geworden war, waren für
das Land nicht weniger verheerend als die der Feinde (7). Eine Befreiung
von diesen Truppen war nur durch die schnelle Zahlung von 500.000
Brabanter Gulden zu erreichen. Diese große Summe hatte nämlich der
Herzog von Lothringen dem spanischen König zur Bestreitung der
Kriegskosten geliehen. Ab 1646 hielt er Limburg als Hypothek und
bewachte die Festung mit seinen eigenen Soldaten, die nach ihrer Art
das Land verheerten.
Um also das Land von den Lothringern zu befreien, kam man mit
Erzherzog Leopold von Österreich, dem damaligen Gouverneur des
"katholischen Belgien" überein, dass das Land die 500.000 Gulden, die
dem Herzog von Lothringen geschuldet waren, aufbringe und der König ”
(von Spanien) im Gegenzuge für die kommenden fünf Jahre auf alle
Abgaben (Beden), Landsteuer, etc. verzichte, das Land aber von Überwin-
terungen, Futterlieferungen und ähnlichen Lasten verschont bleibe.
Das Kloster Rolduc hatte natürlich seinen Teil in der Zahlung der
500.000 Gulden aufzubringen, konnte sich aber nicht der genannten
fünfjährigen Befreiung von Abgaben erfreuen, da es mehr als jemals
zuvor von den Holländern geplündert wurde.
Es waren aber nicht nur die durch die Fürsten geführten Kriege, die
dem Abt Sorge bereiteten; er hatte auch Prozesse zu führen, z. B. gegen
den Baron von Rimborg wegen der Jagd, die dieser Herr den Jägern der
Abtei in den Wäldern bei Übach streitig machte; gegen aufmüpfige
Dorfgemeinschaften, wie die von Lommersum, die den Abtei-Zehnten
besteuern wollten; gegen die von Broeck, die dem Gut der Abtei eine
Gewerbesteuer auferlegen wollten, sowie gegen den Zolleinnehmer in
Ottweiler und den Grundherrn von Bornheim. In den meisten dieser wie
in allen anderen das Kloster betreffenden Angelegenheiten nutzte der
Abt das Geschick und die Hilfe des Winand Lamberti, den er 1647 dem
Kapitel von Rode zur Wahl als Koadjutor vorschlug mit der Hoffnung,
dass dieser ihm im Amt des Klostervorstehers folgen werde. Folglich
überließ der Abt seinem Koadjutor vor allem den Teil der Abtgeschäfte,
die er wegen schmerzender Fußgicht und anderer häufiger
Unpässlichkeiten selber zu führen weniger imstande war. Am 27. August
1647 wurde Winand Lamberti mit der Zustimmung aller Kapitelherren
zum Koadjutor des Abtes gewählt.
1642 bot der spanische König die Herrschaften ("satrapias"), die er
1630 gegen eine bestimmte Summe Geldes zum Lehen gegeben hatte,
meistbietend zum Verkauf an.
13
Als er das vernommen hatte, bot der Freiherr von Rimborg dem König
3000 Brabanter Gulden mehr als die von Abt Balduin gezahlte Summe,
um die Herrschaft Merkstein zu bekommen. Die Einwohner von
Merkstein beschlossen aber, dies in jeder Weise zu verhindern.
Da er keine oder doch nur geringe Einkünfte daraus zog, war Abt
Caspar jedoch nicht bereit, mehr als die von Abt Balduin für jene
Herrschaft gezahlten 5.600 Gulden zu bieten, Er zog es vor, das Geld
zurückzubekommen und es anderswo gewinnbringender anzulegen.
Daraufhin beschlossen die Einwohner von Merkstein, sich selbst von
jeder Herrschaft freizukaufen; sie boten dem König die Summe von 3.200
Gulden an unter der Bedingung, dass sie während der 15 folgenden Jahre
unter der weltlichen Herrschaft des Abtes von Rolduc verblieben. In der
Zeit würden sie ihm sein Kapital von 5.600 Gulden zurückzahlen.
Nach diesen 15 Jahren wären sie für weitere 15 Jahre "sui juris"
(unabhängig, sich selbst regierend) und sie besäßen die hohe, mittlere
und niedere Gerichtsbarkeit, so dass während dieser gesamten Zeit die
Herrschaft keinem anderen verkauft oder verpfändet werden könnte.
Der König stimmte diesem allen zu. Merkstein sollte in jährlichen
Raten den genannten Betrag abzahlen, was jedoch nicht geschah und zu
langen Prozessen Anlass gab.
Der Krieg zwischen dem "katholischen König" (Spanien) und den
Holländern dauerte bis 1648. Als die Friedensverhandlungen soweit
fortgeschritten waren, dass man selbst jener Klausel des Vertrages
zugestimmt hatte, die besagte, dass jede Partei die zur Zeit der
Bekanntgabe der Texte besetzten Gebiete behalten solle, und als man
nur noch auf die Veröffentlichung der ausgehandelten Verträge wartete,
fielen die Holländer unversehens in die Städtchen und Burgen Dalhem,
Valkenburg und Herzogenrath ein, die gänzlich unbefestigt, offen und
ohne militärischen Schutz waren. Sie legten dort eine Garnison, setzten
an jedem Ort einen Statthalter ein, vertrieben alle königlichen Beamten,
ernannten eigene Drossarde, Vögte und Schöffen und beanspruchten diese
Herrschaftsgebiete für sich (8).
Obwohl diese Vorgänge den Verhandlungsführern in Westfalen
gemeldet wurden, hielten diese es dennoch nicht für richtig, die
Bekanntgabe des Friedensschlusses weiter hinauszuschieben. Man
beschloss aber, diese Angelegenheit einer "camera bipartita” zur Regelung
zu überlassen. Diesen Namen gab man einer Versammlung aus Richtern
beider Seiten, die die oberste Macht haben sollten, die hinsichtlich der
14
Ausführung des Friedensvertrages entstandenen Streitfragen zu
entscheiden und deren Urteil man sich unbedingt zu unterwerfen hätte.
Der 1648 zu Münster und Osnabrück ausgehandelte "Westfälische
Friede", der den Dreißigjährigen Krieg beenden und in den Niederlanden
einen Schluss-Strich unter den seit 80 Jahren herrschenden Konflikt
zwischen dem katholischen Spanien und den reformierten niederlän-
dischen Nordprovinzen, den sog. Generalstaaten, ziehen sollte, schrieb
also im wesentlichen die damals bestehenden Grenzen fest, brachte aber
keineswegs eine allseits befriedigende und befriedende Lösung, auch
wenn man angetreten war in der Absicht, einen "angenehmen, guten und .
aufrechten ewigen Frieden" auszuhandeln.
"Hinc sonat pax toto orbe" - Von hier erschallt der Frieden im ganzen
Erdkreis. So die Umschrift einer silbernen Schaumünze, die zum
Friedensschluss geprägt wurde.
Doch der Frieden von Münster war vor allem für die reformierten
Länder, allen voran Schweden, ein Gewinn. Spätere deutsche Historiker
sind bei der Bewertung der Ergebnisse von Münster und Osnabrück zu
dem Schluss gekommen, dass es für das Reich ein Schandfrieden war.
Die Nazis hatten folglich auch die Absicht, den "Endsieg" in Münster zu
feiern und so die Schande des Westfälischen Friedens zu löschen. Die
schon dazu vorbereitete Ausstellung fand jedoch nie statt...
Erich Kästner schrieb dazu:" Wenn wir den Krieg gewonnen hätten -
Zum Glück gewannen wir ihn nicht!"
Auch die zum Herzogtum Limburg gehörenden Länder "jenseits der
Maas", (so genannt, weil sie, von Brüssel aus gesehen, rechts der Maas
lagen), d. h. Rolduc, Valkenburg und Dalhem, wurden von den
Friedensregelungen betroffen. Durch Artikel 3 des am 15. Mai 1648
ratifizierten Friedensvertrages erkannten der König von Spanien
einerseits und die Generalstaaten andererseits den bei Friedensschluss
nach jahrelangem Kleinkrieg erreichten Besitzstand gegenseitig an und
überließen die Aufteilung der "Länder jenseits der Maas" der genannten
"chambre mi-partie". Diese je zur Hälfte aus Vertretern des spanischen
Königs und der Nordprovinzen bestehende Kommission sollte auch für
die Grenzmarkierungen sorgen.
Da jedoch infolge listenreicher Finten der Holländer ein Ende der
Streitfrage ständig hinausgezögert wurde, blieb das arme Land während
15
vieler Jahre den Ausschreitungen, Gewalttätigkeiten, Vergeltungsmaß-
nahmen und allem möglichen anderen Unheil ausgesetzt, das gewöhnlich
ein Volk trifft, das zwei Herren erduldet, die Gegensätzliches anordnen
und verbieten. Dreizehn Jahre sollte es nämlich dauern, bis die beiden
Parteien sich im sog. Partage-Vertrag von 1661 endlich auf eine territo-
riale Aufgliederung einigten. Der Vertrag wurde von namhaften Kennern
als "der unsinnigste Vertrag, den die niederländische Geschichte kennt",
bezeichnet, hinterließ er doch einen großen Flickenteppich mit spanischen
Enklaven im Generalstaaten-Land und Enklaven der Reformierten im
spanischen Herrschaftsbereich. Erst 1785 sollte es durch Austausch
zwischen den Österreichern und den Generalstaaten zu einer
"Flurbereinigung”" kommen.
Das Land von Herzogenrath bestand aus mehreren nicht zusammen-
hängenden Blöcken, und zwar Gulpen-Margraten (beiderseits der Gulp),
Vaals-Holset (an der Göhl) und Simpelveld-Kerkrade-Übach (an der
Wurm). Bei Friedensschluss im Jahre 1648 waren Margraten, Gulpen
und Vaals in der Hand der "Holländer" und die Besitzverhältnisse waren
nicht überall klar ... Die Klosterchronik der Abtei Rolduc, beschreibt die
damalige Lage mit folgenden Worten:
"Die Abtei von Rode litt in jener Zeit doch unvergleichlich mehr als
alle anderen, da die bis zur Raserei hungrigen Ketzer gierig danach
trachteten, deren Güter allesamt zu verschlingen und nicht leicht zuließen,
dass man ihnen den leckeren Bissen, den sie gerade in sicherer Zuversicht
verschlungen hatten, wieder aus dem Schlund entreiße."
1649 wurde in den drei Ländern "jenseits der Maas" ein Edikt der
holländischen Generalstaaten erlassen, das die Beschlagnahmung aller
Güter der Klöster, Pfarreien und Kirchen, der Zehnten, der Einkünfte
und Domänen anordnete. Darüber hinaus wurde den Geistlichen und
Klosterinsassen befohlen, die Rechtsansprüche ("Titel") und
Originalurkunden ihrer Güter den Bevollmächtigten der (General-)
Staaten auszuliefern; bei Nichtbefolgung dürften sie sich keinerlei
Hoffnung auf die von der Republik versprochene lebenslange
Unterstützung machen. Infolge dieses Ediktes besetzten sie also kurz
darauf die beiden dem Kloster gehörenden Herrschaften von Kerkrade
und Merkstein, verlangten für sich alle Einkünfte davon, auch alle unsere
Pfarreien im Lande von Rode mit ihren Einkünften, dazu die Höfe, die
Zehnten und Pachten, schließlich alle der Abtei gehörenden Güter im
Distrikt Herzogenrath, so dass es nicht einmal erlaubt war, in unseren
Wäldern das für den Hausbau notwendige Holz zu fällen.
16
Endlich, nach vielem Drängen des königlichen Gesandten und anderer
Freunde, erreichte man, dass das Kloster noch ein Jahr die Zehnten und
die Pachten der Höfe sowie die anderen Einkünfte beziehen sollte,
allerdings gegen Zahlung einer großen Summe Geldes an die Holländer.
Doch in der Zwischenzeit starb Abt Caspar. Er war 1650 im Herbst
ins Kölner Land gereist, um bei der Weinlese dabei zu sein. Von Gicht
und Fieber befallen, starb er fromm am 12. Dezember in unserem Kloster
Mariental (an der Ahr) im 14. Jahre seines Amtes. Von dort wurde er zur
Abtei zurückgebracht und hier nach den gewohnten Riten beigesetzt.
In dasselbe Jahr, wie der Tod des Abtes, fällt der Untergang des Klosters
Hoydonck im Herzogtum s'-Hertogenbosch. Kraft des in Westfalen
geschlossenen Friedens hatten die Holländer es zu ewigem Besitz
erhalten. Sie verlangten folglich für sich allen Besitz der Geistlichen,
darunter auch das Kloster von Hoydonck (9), versprachen aber jeder der
noch übrigbleibenden Klosterfrauen eine Lebensrente.
.... Der Herr Winand Lamberti, der zu jener Zeit dort anwesend war,
sorgte dafür, dass von den Dokumenten des genannten Klosters
authentische Abschriften angefertigt wurden, bevor man den Holländern
die Originale auslieferte.
Das gleiche Schicksal wie das Kloster Hoydonck hätte auch diese Abtei
erlitten, wenn nicht Gott sich tiefer erbarmt und sie vor dem drohenden
Untergang gerettet hätte.
Als er nämlich seine gütigen Blicke auf diesen Ort richtete, im
Vorausblick der Werke, die seine Gnade hier in Zukunft zum Heile vieler
vollbringen würde, entschloß er sich, ihm (dem Kloster) einen Abt zu
schenken, den er mit großem religiösen Eifer, Charakterfestigkeit,
freundlichem Wesen, gefälligem Umgang, Geschick im Führen der
Geschäfte, kurz: mit all den Gaben der Natur und der Gnade ausgestattet
hatte, die zur Rettung dieses Klosters vor dem unabwendbar scheinenden
Untergang notwendig waren.
Gleich nach dem Tode des Abtes kamen also die Chorherren, nur wenig
zahlreich, wie sie waren, zusammen und gleich nach ihrer Ankunft
einigten sie sich auf die Person des Herrn Winand Lamberti, der damals
in 's-Gravenhage (10) den Abt vertrat. Um dem Verbot der Wahl eines
neuen Abtes, das sie von den Holländern erwarteten, zuvorzukommen,
sandten sie unverzüglich den Klostersekretär mit den Wahlzetteln und
was sonst noch erforderlich war, nach Den Haag, um ihn (Lamberti)
über ihre Absicht zu informieren. Nachdem er (Lamberti) diese Nachricht
erhalten hatte, war er zunächst bestürzt. Dann aber, sich dem göttlichen
1
Willen unterwerfend, fasste er Mut, verließ unverzüglich Den Haag mit
einem Empfehlungsschreiben des Botschafters des katholischen Königs,
De Brune (11), eilte über das dünne Eis mit dem Schlitten nach Brüssel,
wo er 14 Tage nach Ableben seines Vorgängers ohne Schwierigkeiten
von Erzherzog Leopold die Abtwürde/die Abtei erhielt. Mit der
Ernennungsurkunde (denn auf eine feierlichere Übersendung in aller
Form zu warten, wäre gefährlich gewesen) begab er sich eilends zum
Kloster und nahm davon Besitz.
Dann kehrte er zur Fortführung seiner Tätigkeit nach Den Haag zurück,
wo er endlich die von Brüssel in aller Form übersandte Urkunde erhielt.
Nachdem die Holländer vom Tod des Abtes gehört hatten, verboten
sie den Chorherren seitens der Generalstaaten, zur Wahl eines neuen Abtes
zu schreiten, da sie ganz und gar die Absicht hatten, das Kloster zu
vernichten. Aber die Chorherren antworteten ihnen, die Angelegenheit
sei nicht mehr offen und der katholische König habe ihnen vor kurzem
schon einen neuen Oberen gegeben.
(Anm.: Die Neuwahl eines Abtes verlief üblicherweise so, dass jeder
der beim Generalkapitel anwesenden Chorherren mit einer ersten, einer
zweiten und einer dritten Stimme drei Kandidaten in Vorschlag bringen
konnte, wobei eine erste Stimme für drei, eine zweite für zwei und eine
dritte für einen Punkt zählte.
Diese Vorwahl wurde von zwei durch die Regierung in Brüssel be-
zeichneten Kommissaren (einem geistlichen und einem weltlichen) über-
wacht und das Resultat dem bevollmächtigten Minister übermittelt, der
die Ernennungsurkunde ausstellte. In den südlichen Niederlanden waren
die Ernennungen auf Bischofs- und Abtsitze ein Privileg des Landesherrn.
Die Ernennungsurkunde las der so zum Abt Ernannte seinen Ordens-
brüdern vor, die ihn daraufhin definitiv wählten.
Der nächste Schritt führte den designierten Abt nach Lüttich zum
dortigen Kathedralkapitel, dessen Mitglieder "nach dem lobenswerten
Brauch dieser Diözese / Iuxta laudabilem huius Diocesis consuetudinem"
dem Bischof die Bestätigung der stattgehabten Wahl empfohlen. Diese
Bestätigung war meist nur eine Formsache, aber sie war notwendig, um
aus des Bischofs Händen die Abtweihe zu erhalten. Bei der Abtwahl von
Winand Lamberti, der damals erst 32 Jahre alt war, ist wegen der
besonderen Lage und der Bedrohung durch die Holländer die übliche
Prozedur nicht eingehalten worden).
Doch lassen wir dem Chronisten weiter das Wort:
18
"Dann aber dachten die Beamten der Bataver, jetzt dürften sie nicht
länger mehr warten. Sie nahmen dem Kloster ganz und gar die Verwaltung
seiner Güter, verboten unseren Pächtern aufs strengste, die Pacht an däs
Kloster zu zahlen und befahlen ihnen, dieselbe nur an Marcel Thiens,
den von den Staaten eingesetzten Einnehmer, zu entrichten.
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Die romanische Abteikirche von Rolduc ist von großem baugeschichtlichem Wert.
19
So musste Abt Winand sich ein ganzes Jahr mühen, um sich würdig
zu zeigen, die Vollmacht über seine Güter bzw. die Verwaltung derselben
zu erhalten. Und er hätte dies nie erreicht, wenn nicht die im Lande
verübten ungerechten Veruntreuungen und Plünderungen der
holländischen Beamten, die nicht die Interessen der Staaten, sondern
nur ihre eigenen im Auge hatten, die Abgeordneten der Staaten von
Holland und Westfriesland dem Abt gegenüber günstig gestimmt hätten.
Die sechs übrigen Staaten der Föderierten hatten die Aufhebung des
Klosters und die Beschlagnahme aller seiner Güter beschlossen, doch
als die Deputierten der Provinzen Holland und Westfriesland aus
verschiedenen Briefen des Abtes, die er an einen "Agenten" der Provinz
Limburg mit Namen Ceulenborch gerichtet hatte, vernahmen, welche
Ungerechtigkeiten Marcel Thiens und andere Beamten der Staaten
begingen, welche Gaben und Geschenke sie von den Einwohnern des
Landes erpressten etc., befahlen sie, den "Agenten" Ceulenborch quasi
als mitschuldig gefangen zu nehmen, und, um umso heimlicher und
sicherer die Wahrheit herauszufinden, luden sie Abt Winand sozusagen
als "delicti complicem" (Mitwisser des Vergehens), nach Den Haag und
sie versprachen ihm in der Zwischenzeit schriftlich jede Sicherheit.
Der Abt also, in dem Wissen, dass es nicht das erste Mal gewesen
wäre, dass die Holländer ein gegebenes Versprechen nicht halten würden,
wandte sich zuerst an den erlauchtesten Kurfürsten von Köln, Maximilian,
um dessen "Ehrenberater" zu werden. Nachdem er sich eine Ernennungs-
urkunde und sicheres Geleit hatte geben lassen, benutzte er diesen Titel
dieses Mal und in der Folge immer, wenn er sich nach Holland begeben
musste.
In Den Haag angekommen, wurde er vom Bürgermeister von Amster-
dam und den anderen Deputierten wohlwollend empfangen, und obwohl
er schon aus einem Gespräch mit Ceulenborch den Grund seiner
Vorladung kannte, fragte er doch danach. Sie verlangten, er solle ihnen
versprechen, auf alle Fragen wahrheitsgemäß zu antworten. Er versprach,
es zu tun, So weit es mit seinem Gewissen zu vereinbaren sei, unter der
Bedingung jedoch, dass sie ihrerseits ihm versprächen, dahingehend zu
handeln, dass er die ungehinderte Verwaltung seiner Güter erlange.
Diese Bedingung wurde von ihnen angenommen und zugesagt. Als
sie dann aber selbst Fragen zur Verwaltung und dem Vorgehen der
holländischen Beamten vorbrachten, antwortete er auf alle einzelnen
Punkte in solcher Freiheit, Ehrlichkeit und zu solcher Zufriedenheit al-
ler Anwesenden, dass sie ihm beim Weggang das gemachte Versprechen,
20
ihm die Verwaltung seiner Güter zurückzugeben, bestätigten. Nach ein
paar Tagen erhielt er sie schließlich über den Bürgermeister von Amster-
dam, Bickel, jedoch nicht ohne schwere Belastung: Von nun an war er
verpflichtet, aus dem Klosterbesitz jährlich 800 Reichstaler für den
Unterhalt der ketzerischen Prediger zu zahlen.
Dieses geschah gegen Ende Dezember 1651. Ins Kloster
zurückgekehrt, ließ er am 1. Tag des Jahres 1652, am Tage der
Beschneidung des Herrn, dem Drossard der Holländer, Ittersum, und
dem Einnehmer Marcel Thiens, die ganz besonders auf die Güter der
Abtei gierig waren und in Holland auf deren Beschlagnahmung drängten,
als Neujahrsgeschenk den Entscheid der Staaten zugehen, der sie zwang,
dem Abt gegen die genannte Zahlung von 800 Reichstalern die freie
Verwaltung seiner Güter und Herrschaften zu überlassen.
Wegen dieser Sache, wie auch vor allem, weil er vor den konföderierten
Staaten ihre Schlechtigkeit aufgedeckt hatte, hatte der Abt den vorgenann-
ten Marcel Thiens und andere Beamten von nun an ständig als Erzfeinde;
nicht nur, dass sie sehr häufig, wo sie es nur konnten, die holländischen
Staaten gegen ihn aufwiegelten, sondern sie begingen sogar einen An-
schlag auf sein Leben. Als er nämlich eines Tages in Begleitung einiger
Leibwächter durch den Aachener Wald unterwegs war, schoss ein gewisser
Johannes Bouschet, der sich im Gebüsch versteckt hatte, auf den Abt. Der
Schuss verfehlte jedoch sein Ziel. Die Begleiter des Abtes nahmen ihn
fest, und zuerst leugnete er das Verbrechen und behauptete, er habe auf
einen kleinen Vogel geschossen. Nachdem man ihn aber ins Aachener
Gefängnis gebracht und ihm im Falle eines Geständnisses Straffreiheit
zugesichert hatte, gab er zu, von gewissen Häretikern, deren Namen zu
nennen nicht nötig ist, durch eine (versprochene) Belohnung zur
Durchführung des Verbrechens gedungen worden zu sein: Sie hätten ihm
einen neuen Rock und darüber hinaus ein Summe Geldes versprochen.
Aus dem Grunde wäre er zum Tode verurteilt worden, wenn nicht der Abt
für den Mörder um Gnade gebeten und ihm das Leben erhalten hätte. Durch
richterliches Urteil wurde der Mann jedoch des Landes verwiesen.
Im Haag vertrat inzwischen Herr de Brune, Botschafter Sr.
Katholischen Majestät, für den König von Spanien die Sache der Länder
jenseits der Maas. Abt Winand aber gab ihm so geschickt alle
Anweisungen und alles, was er brauchte, um den Prozess vor der "Camera
bipartita” der Richter bestmöglich zu führen, dass der Botschafter seinen
Ratschlägen und seinen Überlegungen meist folgte und in dieser
Angelegenheit kaum etwas unternahm, ohne den Abt um Rat zu fragen.
22
kläglichste zerrissen durch die Begierde (studia) zweier Herren, die sich
um sie stritten und gleicherweise von ihnen die Hoheitsrechte verlangten
(Anm.: d. h. beide erhoben Steuern).
1653 erhörte der katholische König gütigst die Bitten des Abtes Winand
und als Ausgleich so vieler Mühen, Unkosten und Verluste, die er im
Dienst Sr. Majestät und um deren Hoheitsrechte zu wahren, auf sich
genommen hatte, schenkte er ihm 3.000 Reichstaler, die von dem
Limburgischen Schöffen Wilhelm Bonaerts zu zahlen waren. Dieses
Geschenk war jedoch nicht nur von keinem Nutzen, es war sogar sehr
schädlich. Wie es sich damit verhielt, wird das Folgende zeigen.
1648 hatte der Abt Caspar Duckweiler von demselben Wilhelm
Bonaerts 3000 Reichstaler gegen jährlich zu zahlende Zinsen ausgeliehen.
Darüber wurden zwei handschriftliche Schuldscheine angefertigt, von
denen der eine besagte, der Abt habe schon 1641 6000 Reichstaler
geliehen (wohl aus dem Grunde, um sich die Freiheit zu bewahren, unter
der Herrschaft der Holländer, wenn es nötig sein sollte, Geld zu leihen
ohne Gefahr für sich oder die Geldgeber). In dem anderen erklärte der
Abt, wie es sich wirklich verhielt, er habe nur 3000 Taler erhalten und
Wilhelm Bonaerts erklärte per Reversbrief, er habe nur 3000 Reichstaler
geliehen.
Der Vater dieses Wilhelm Bonaerts war bis zum Jahre 1636 in Jülich,
das damals dem spanischen König gehörte, als Steuereinnehmer tätig
gewesen und war bei seinem Tode dem König mehr als 30.000 Reichstaler
schuldig geblieben. Aus diesem Grunde hatte der katholische König im
Jahre 1652 die genannten 3.000 Taler, die der Sohn dem Abt geliehen
hatte, bei diesem beschlagnahmt, bis dass Wilhelm Bonaerts, als Erbe
der Güter und der Schulden seines Vaters, Letztere bezahlt hätte.
Trotz dieser Beschlagnahme drängte Wilhelm Bonaerts den Abt,
entweder die Zinsen zu zahlen oder das Kapital zurückzugeben. Aber
der Abt erhielt vom König, wie oben gesagt, ein Geschenk von 3000 3
Reichstalern zu Lasten des Wilhelm Bonaerts und von dessen Vaters
Schulden dem König gegenüber abziehbar.
Aber Wilhelm Bonaerts sagte, er habe das Erbe seines Vaters nicht
angetreten und er sei nicht verpflichtet, dessen Schulden zu übernehmen.
So kam es zu einem bis 1656 dauernden Prozess, aus dem der Abt zwar
als Sieger hervorging, der aber dem Kloster einen viel größeren Schaden
zufügte, als wenn die Angelegenheit fallen gelassen worden wäre ...
Als dieser Abt (Lamberti) Ordensoberer wurde, blieben kaum drei
oder vier Chorherren im Kloster übrig. So wünschte er, einige neue
2)
aufzunehmen; aber die Holländer verboten dies sehr streng, und es war
unmöglich, durch Vermittlung irgendeiner einflussreichen Persönlichkeit
die Genehmigung zur Einkleidung zu erlangen.
Trotzdem kleidete der Abt um 1652 und 1653 und danach einige
(Anwärter) im Geheimen ein und ließ sie zur Ablegung der Gelübde zu.
Das Jahr 1656 war für das Kloster allseits verhängnisvoll: Zuerst
brannte das Refugium von Klosterrath in Aachen, beim großen Stadtbrand
am 2. Mai, nieder und damit verbrannten auch zwei rechteckige, mit
konvexem Deckel versehene Kisten, in denen sich die meisten der alten
Klosterdokumente befanden, wie es Leonard Merckelbach in einer
darüber angefertigten Aussage bezeugt. Er war zu jener Zeit Sekretär
des Klosters und nicht lange vorher hatte er acht Tage zusammen mit
dem Abt bei der Durchsicht und der Klassierung dieser Urkunden
verbracht. Nur mit Mühe wurde eine Kiste, die gewisse Originalurkunden
enthielt, dem Feuer entrissen.
Im selben Jahre, im Monat Juni, fand der Prozess gegen Wilhelm
Bonaerts statt, der durch Richterspruch dazu verurteilt wurde, die
Schulden seines Vaters zu bezahlen und folglich auf die 3000 Reichstaler,
die er dem Kloster geliehen hatte, zu verzichten. Aber diese Sache brachte
die Abtei in äußerste Gefahr. Denn Bonaerts zog sich drohend nach
Maastricht unter den Schutz der Holländer zurück; dann überließ er den
Schuldschein, den er vom Abt hatte, zum Schein einem gewissen Johann
Jorissen, in dessen Namen er in den Haag vor dem Rat von Holländisch-
Brabant einen Prozess gegen das Kloster anstrengte. Die Richter, ganz
darauf aus, das Kloster bis auf den Grund auszulöschen, hörten dieses
nicht an, und Bonaerts erhielt ohne Schwierigkeiten die Erlaubnis zur
Zwangsvollstreckung. So zwang er den Abt durch holländische
Gerichtsvollzieher zur Zahlung von Zinsen und Kapital, was zuzüglich
von 200 Reichstalern, die der Abt nie von ihm bekommen hatte, eine
Summe von 4.400 Reichstalern ergab. Diese ganze Summe musste auf
den Namen von Freunden geliehen werden, denn die Holländer erlaubten
der Abtei nicht, in eigenem Namen irgendwelches Geld zu leihen.
So kam es, dass der Herr von Obsinnich 4.000 Reichstaler gegen
Ausstellung von Schuldbriefen auf die Namen der Herren Pelser,
Quoitbach und Bongaert, Freunde des Abtes, zahlte. Der Rest wurde
von anderswoher geliehen. Die Hälfte der vorgenannten 4000 Reichstaler
zahlte Abt Amezaga zurück, die andere Hälfte Abt Petrus von der Steghe.
Dies sind (jedoch) nur kleine Unglücksfälle im Vergleich zu den
folgenden, die aus dieser Schenkung des Königs von 3000 Reichstalern
24
erwuchsen. Der vorgenannte Bonaerts hatte den Bittbrief des Abtes, den
dieser geschrieben hatte, um das königliche Geschenk zu erhalten, in die
Hände bekommen. Darin zählte der Abt all die Mühen auf, die er auf
sich genommen hatte, um die Hoheitsrechte des Königs zu wahren, auch
die Summen Geldes, die er gegen Zinsen für des Königs Dienste hatte
aufnehmen müssen, und er behauptete ohne zu prahlen, ihm vor allem
sei es zu verdanken, wenn er (der König) noch nicht vollkommen aus
den Ländern jenseits der Maas vertrieben sei.
Diesen Brief zeigte Wilhelm Bonaerts den holländischen Staaten, die
darin genügend Grund zu finden glaubten, gegen den Abt ein Strafver-
fahren wie gegen einen Landesverräter und Kriegsfeind anzustrengen.
Es war dies ein leerer, (fadenscheiniger) gesuchter Vorwand, um auf ”
jede mögliche Weise zur Auflösung des Klosters zu kommen. Im Jahr
zuvor hatten sie nämlich erneut ein Edikt erlassen, das alle Geistlichen,
Ordensleute und alle anderen verpflichtete, die Titel und Dokumente al-
ler kirchlichen Güter herauszugeben und sie den Beamten der
holländischen Staaten zu überreichen. Dies war der Hauptgrund gewesen,
die Archive nach Aachen zu transferieren, wo in einem unersetzlichen
Schaden viele wunderschöne Dokumente, wie oben gesagt, im Stadtbrand
vernichtet wurden.
So befahl man also dem Drossard Ittersum, den Abt durch eine
bewaffnete Truppe ergreifen und in die Burg Rode überführen zu lassen.
Der Drossard, dem gefälligen Abt gegenüber auch selber gefällig, ließ
ihn am St. Nikolaustag des Jahres 1656 bitten, doch zum Mittagessen
sein Gast sein zu wollen. Obschon der Abt, wie in einer Vorahnung,
irgendein Unheil auf sich zukommen sah, ging er doch um die
Mittagsstunde hin. Der Drossard empfing ihn freundlich und drängte
ihn, bis zum Abendessen zu bleiben. Nach dem Abendessen jedoch
merkte der Abt, dass er nicht der Gast, sondern der Gefangene des
Drossards war. Er wurde nämlich dort eingesperrt und ganze zehn Monate
und genau so viele Tage unter strengster Bewachung gefangen gehalten.
In der Zwischenzeit begann der Prozess gegen ihn; er wurde angeklagt,
ein Feind und Verräter der Republik zu sein, man erklärte ihn aller Rechte
auf sein Amt verlustig, alle Güter des Klosters wurden dem Staatsschatz
zugesprochen und der Abt selber zum Exil verurteilt.
Folglich wurden heimlich holländische Soldaten geschickt, die in der
Dämmerung in das Kloster eindrangen und es ganze sechs Monate
angeblich als Schutztruppe besetzten.
25
In der Zwischenzeit versuchten sie durch Drohungen, Schmeicheleien
und Versprechungen mal vom Abt, mal von den Klosterherren die
Rechtstitel des Klosters und die Zustimmung zu dessen Auflösung zu
bekommen; sie versprachen dem Abt eine großzügige Rente in der Höhe
des Einkommens eines Kathedral-Kanonikers, den einzelnen
Ordensleuten aber jährlich 100 Dukaten, wenn sie auf ihr Recht verzichten
wollten.
Der Abt blieb fester als ein Felsen und schwor, er werde eher jede Art
von Tod sterben, als auch nur das Geringste tun, was zum Nachteil des
Königs und des Klosters ausgehen könnte.
Unter den Ordensleuten gab es welche, die schwankten und nahe dran
waren, die Rente anzunehmen.
Als der Abt davon hörte, seufzte er tief, und da man ihm jede
Möglichkleit genommen hatte, sich schriftlich an sie zu richten, schrieb
er, um sie in ihrem Widerstand zu bestärken, auf der Innenseite des
Deckels des Kruges, in dem man ihm vom Kloster zu trinken brachte:
"Verfluchte Rente".
Durch diese Worte wurden die Gemüter der Schwankenden bestärkt
und den Holländern gelang es nicht, etwas von ihnen zu bekommen.
So verhielt es sich also und die Beamten der Holländer machten sich
schon feste Hoffnungen, sich des Klosters bemächtigen zu können. Sie
teilten schon die Beute unter sich auf, gingen hin und her über die
Klostergüter, hatten in wunderbarer Weise Gefallen am Charme des Ortes
und malten sich aus, welche Gebäude sie zu ihrer Lust errichten, welche
Gärten und Obstgärten sie anlegen, wie sie das Kloster durch eine Brücke
mit der Burg verbinden und daraus ein Paradies der Lust machen würden.
Inzwischen führte der Abt den Rechtsstreit so gut er konnte schriftlich
sowohl in Den Haag wie in Brüssel.
Als die Holländer das merkten, verboten sie auf das strengste, irgend
jemand Zutritt zum Abt zu gewähren; niemand durfte Briefe des Abtes
zu anderen oder Briefe von anderen zum Abt bringen. So wollten sie
ihm jede Möglichkeit der Verteidigung nehmen.
Um jedoch zu verhindern, dass Papier und Tinte geschickt würden,
durchsuchten sie genauestens alle Kleidungsstücke, die dem Abt zum
Kleiderwechseln gebracht wurden.
Trotz dieser Wachsamkeit öffnete sich der Abt durch Gold einen Weg,
um Briefe zu erhalten, solche zu schreiben und hin und her zu schicken:
Natalis Bombaye, damals Kammerdiener des Drossards Ittersum, war
nämlich dem Abt treuer ergeben als seinem Herrn. Wenn dieser nun
26
schlief, übergab Nat. Bombaye dem Abt nicht nur Papier und Tinte,
sondern er verriet ihm auch den Inhalt der aus Holland an Ittersum gegen
den Abt gerichteten Briefe oder er nahm sogar heimlich die Briefe aus
der Tasche des Schlafenden und gab sie dem Abt zum Lesen.
So kam es, dass die Replikschreiben und Auskünfte des Abtes schneller
in,Den Haag waren, als die Antwortschreiben des Drossards, und die
Holländer wunderten sich, dass trotz all ihrer Wachsamkeit die Briefe
des Abtes in alle Richtungen gingen.
Man kann nicht leugnen, dass der genannte Natalis Bombaye in jener
Zeit und solange dieser Streit um die drei Länder andauerte, dem Abt
sehr nützliche und treue Dienste geleistet und sehr zum Erhalt des Klosters
beigetragen hat. Der Herr möge ihn dafür belohnen, auch wenn er nach’
dem Tode des Abtes Winand eine Kehrtwende vollzogen und dem Kloster
sehr viele Unannehmlichkeiten bereitet hat.
Zur gleichen Zeit, als Abt Winand auf der Burg gefangen gehalten
wurde, erfasste eine unzüchtige Liebe zur Tochter des Kochs ein junges
Ordensmitglied, schon Diakon, einen Wallonen aus dem Lande von Vise,
mit Namen Laurent de Borre. Da beide dieselbe Sprache sprachen, hatte
er sich sehr häufig in der Küche mit dem Koch unterhalten und mit ihm
getrunken. Die Liebe hatte seine Sinne moralisch so verkommen lassen,
dass der Unglückliche nach Maastricht floh und dort ketzerische
Geistliche um die Eheschließung bat.
Zufällig war damals Natalis Bombaye in Begleitung seines Herrn,
Ittersum, in Maastricht, er traf unseren Mann in Begleitung seiner
(unverschämten) Hure und er fand, dass die sündhafte Liebe zu ihr ihm
so sehr den Verstand geraubt hatte, dass er sich von seinem frevelhaften
Vorhaben nicht abbringen ließ.
Der genannte Bombaye hatte jedoch eine kluge Überlegung: Er ließ
sogleich die Eltern und nahen Verwandten des verführten jungen Man-
nes herbeirufen, damit diese bei den Predigern wegen der
Minderjährigkeit der zu Trauenden protestierten (in diesem Falle dürfen
sie gegen den Willen und ohne die Zustimmung der Eltern keine Trauung
vornehmen). So schnell wie möglich kamen sie nach Maastricht und
taten wie verlangt. Die Trauung wurde nicht vollzogen und Laurentius,
wieder zu sich gekommen und die Augen öffnend, erkannte, in welch
tiefe Grube er kopfüber gestürzt war. Darauf weinte er und bereute seine
Tat, verließ die Dirne und kehrte mit seinen Eltern nach Vise zurück.
Dort blieb er einige Zeit, bat durch zahlreiche Briefe und auch durch
Freunde den Abt flehentlich um Verzeihung und um die Erlaubnis, ins
27
Kloster zurückzukehren. Der Abt befahl, ihn nach Aachen zu den
Alexianern zu führen. Dort blieb er etwa 2 Jahre eingeschlossen und tat
Buße. Dann endlich ließ man ihn frei, aber er wurde nie mehr zum
Klosterleben zugelassen oder den Mitbrüdern zugesellt.
Der Abt erlaubte ihm, bei seinen Angehörigen zu bleiben; schließlich
erhielt er sogar die Erlaubnis zur Priesterweihe und ein Benefiz bei
Tongern. Dort führte er bis 1673 ein einfaches Leben und starb, wie man
sagt, eines christlichen Todes.
Der Abt wurde also auf Burg Rode gefangen gehalten und konnte
nicht freikommen. Mal gab man vor, die Richter, die ihn verurteilt hatten,
seien nicht zuständig, mal hieß es, es sei wegen des schwebenden
Verfahrens vor der "Camera bipartita"; solange dieses dauere, sei es nicht
erlaubt, etwas zu unternehmen.
Also dachten Freunde, es sei nützlich, dass die Spanier zu Repressalien
oder Vergeltungsmaßnahmen greifen oder dass sie sogar selber einige
Prediger oder holländische Beamten festnehmen, um so die Holländer
zu zwingen, dem Abt die Freiheit zurückzugeben.
Folglich drang eine ziemlich starke Truppe von Spaniern in die Burg
Rode ein. Aber die Soldaten hatten es mehr auf Beute als auf die
Festnahme von Beamten oder Predigern abgesehen, und sie taten nichts,
was zur ehrenvollen Befreiung des Abtes beigetragen hätte. Dieser wollte
selber auch nicht auf diesem Wege befreit werden oder überhaupt heimlich
fliehen; er wollte ehrenvoll wieder in seine Rechte eingesetzt werden,
was auch dank der Intervention Stephans de Gamarra, des spanischen
Botschafters in Holland, und auch mit Geld schließlich nach 10 Monaten
und ebenso vielen Tagen am 16. Oktober 1657 gelang. Holländische
Offiziere ("officiarii") gaben dem Abt das Ehrengeleit bis zum Kloster.
In der Zwischenzeit blieb die Hauptstreitfrage der drei Länder jenseits
der Maas ungewiss und unentschieden und von einem Ausgang in die
eine oder die andere Richtung hing das Überleben oder das Verschwinden
der Abtei ab. Obschon alles eher einen schlimmen als einen guten Ausgang
der Dinge voraussagte, hoffte der Abt doch gegen alle Hoffnung und
inmitten so vieler Gefahren behielt er die gewohnte Zuversicht. Mehr
noch: Im Jahre nach seiner Gefangenschaft, d. h. 1656, ließ er alle
Scheunen des Klosters von Grund auf neuerrichten, so wie sie noch heute
zu sehen sind; er vollendete diese Arbeit mit unerhörter Schnelligkeit
und zeigte so, dass er seine Feinde nicht fürchtete.
Dabei beließ er es nicht; 1660 und 1661 baute er auch unser 1656 in
Aachen abgebranntes Refugium (in der Eilfschornsteinstraße, Anm. d.
28
R.) in überaus solider Bauweise wieder auf, nachdem er zuvor, am 20.
und 31. Juli 1660, ein an den Klosterbesitz grenzendes Grundstück
erworben und vom Magistrat der Stadt Aachen die Amortisation und die
Immunität erhalten hatte. Er erhielt auch zum Geschenk vom Rat den
Winkel, der sich vor dem Haus von Rode vom Ende der Mauer an, die
das "Löwenstein" genannte Haus umschließt, aufwärts ausdehnt. Von
dieser Schenkung bestehen Urkunden vom 19. November 1663.
Lange hatte man vergebens vor den Richtern der "camera bipartita"
um die Herrschaft über die Länder jenseits der Maas gestritten; wegen
der unzähligen Winkelzüge der Holländer, die kein Interesse daran hatten,
dass der Prozess ein Ende nahm, und wegen der zusätzlichen Streitpunkte,
die von hier und dort aufkamen, bestand kaum Hoffnung, dass er einmal
beendet würde. Schließlich beschlossen die beiden Parteien, wenn
möglich durch eine freundschaftliche Einigung den Streit zu beenden.
Und letztendlich kam man auch 1658 auf beiden Seiten zu dem Entschluss,
dass der König von Spanien und die holländischen Staaten die drei Län-
der jenseits der Maas zu gleichen Teilen unter sich aufteilen sollten.
Nachdem man dieses so beschlossen hatte, wurden alle die Länder
abgeschätzt und so gut wie möglich in gleiche Teile aufgeteilt; nach vielen
Verhandlungen beschloss man jedoch, das Los darüber bestimmen zu
lassen, wer welchen Teil bekommen würde.
1661 also, am 9. März, fiel den Holländern durch Losentscheid die
Stadt Rode mit den zur Immunität und Jurisdiktion der Stadt gehörenden
Ländereien zu, ebenso der gesamte Distrikt Kirchrath.
So schien die Lage des Klosters gänzlich hoffnungslos. Plötzlich spürte
die Abtei, welchen Herren sie zur Beute geworden war, denn im selben
Sommer kamen holländische Soldaten, aus Maastricht geschickt, die die
Pferde, Kühe, Schafe und alles Kleinvieh des Klosters raubten und für
1.400 Gulden verkauften. Zudem fuhren sie alles Getreide von den
Feldern des Klosters nach Kirchrath, wo sie es ausdroschen, und der
Abtei ließen sie ganz und gar nichts übrig.
Bei alledem blieb der Mut des Abtes jedoch ungebrochen. In allem
fand er die Unterstützung des Statthalters der Burg Gent und Gesandten
des Königs in Holland, Stephan de Gamarra, eines großen Freundes des
Abtes; da auch der Statthalter in Belgien ihm günstig gesinnt war, wurde
die Sache erneut einem Vergleich zu Gunsten des Klosters von Rode
unterworfen. Vergebens erhoben die Bewohner der geteilten Gebiete
Einwände, leisteten Widerstand, setzten Freunde und Geld ein und boten
große Summen an, damit sie unter der Herrschaft des Königs bleiben
29
könnten: Dem Eifer, der Weisheit, dem Rat, den unendlichen Mühen,
Gefahren, Reisen und Anstrengungen des Abtes Winand ist es
zuzuschreiben, dass Rode mit den Herrschaften, unter denen sich Güter
des Klosters befinden, sowie andere angrenzende Orte dem katholischen
König zufielen, während die Holländer ein etwas größeres Territorium
erhielten.
So kam es, dass Abt Winand bei den Einwohnern der an Holland
gefallenen Gebiete Feindschaft und böse Nachrede auf sich zog, bei den
Untertanen des Königs jedoch ewiges Andenken und Lob erntete; man
muss ihn wirklich einen "pater patriae", (= Vater des Vaterlandes), einen
Befreier der katholischen Religion in diesen Gebieten und den Retter
des Klosters Rode nennen.
Diese Einigung zwischen den Kommissaren der beiden Parteien kam
1661 zustande, am 26. Dezember, die Ratifikation seitens des Königs
und der Staaten sollte innerhalb vier Monaten folgen. Aber die königliche
Genehmigung wurde bis November 1662 hinausgeschoben; diese
Verzögerung ließ den Abt nicht ruhig sein, da die Holländer bei fehlender
Ratifizierung die erste Teilung beibehalten wollten und zwischenzeitlich
die üblichen Steuern weiter forderten. Endlich jedoch, am 18. Oktober
(1662), bestätigte der König per Urkunde die Teilung, die im Juni 1663
im ganzen Lande bekannt gemacht wurde.
Daraufhin gingen ihm unzählige Glückwünsche zu, beifällige Zurufe;
in Prosa, in Versen und in Briefen kamen von allerorts Lobpreisungen,
doch nicht so viele, wie er verdient hatte. Sogar der hl. Vater, dessen
enger Freund er gewesen war, als dieser in Aachen apostolischer
Gesandter war, belohnte seine Verdienste mit der Erlaubnis, die Mitra zu
tragen, die bis dahin keiner der Äbte getragen hatte (12).
Die Schäden, die dem Kloster von 1648 bis 1662 durch die Holländer
zugefügt worden waren, wurden auf eine Summe von etwa 25 oder 30.000
Reichstalern geschätzt. Davon bleibt jedoch gegen Ende dieses
Jahrhunderts, wo dieses niedergeschrieben wird, dank Gottes Gunst nichts
mehr zu zahlen.
Das Kloster erfreute sich also eines vollkommenen Friedens, alle Güter
waren ihm zurückgegeben worden, mit den Holländern hatte man sich
geeinigt, sogar mit den Franzosen, die ebenfalls Unruhe in das Land
gebracht hatten, und die einst dem Abt aufgelauert hatten, um ihn als
Gefangenen wegzuführen, sogar mit den Franzosen, sagte ich, hatte man
1660 in den Pyrenäen Frieden geschlossen.
30
Zur vollständigen Wiederherstellung des Klosters fehlte nur noch, dass
die Ordensmitglieder im Kloster mehr nach der Ordensregel und
gottesfürchtiger lebten. Als der Abt nicht lange nach dem errungenen
Sieg seinen Konfratres dies eines Tages bei Tisch vorschlug und
hinzufügte, da Gott das Kloster vom unmittelbaren Untergang zu retten
und ihm die Ruhe wiederzugeben geruht habe, sei es gerecht, dass auch
sie sich einer solchen Wohltat nicht undankbar zeigten und in Zukunft
sorgfältiger so lebten, wie es sich für gute Ordensleute geziemt, entgegnete
einer, er wolle so bleiben, wie bisher, d. h. nach den alten Gewohnheiten
weiterleben. Diese Antwort erboste den Abt, er warf Tischserviette und
Messer hin und stand erzürnt vom Tisch auf ...(13)
Diesen Abt hatte Gott gewiss zum Erhalt und zur Wiederherstellung ”
des Tierischen oder Zeitlichen gegeben; nicht lange danach sollte er ihm
einen Nachfolger geben, um auch das geistige Leben wieder zu erneuern.
Abt Winand fuhr also bis zu seinem Lebensende fort, die klösterlichen
Angelegenheiten mit großer Hingabe zu verwalten. Und da das Geschenk
von 3000 Reichstalern, von dem wir oben gesprochen haben, der Abtei
nicht nur von keinem Nutzen, sondern sogar äußerst schädlich gewesen
war, hörte er, solange er lebte, nicht auf, den katholischen König zu bitten,
er möge als Ausgleich für so viele in seinem Dienste erlittene Schäden
der Abtei etwas anderes Gleichwertiges oder Wertvolleres zu schenken
geruhen. Es bestand nämlich keine Hoffnung, von Johann Wilhelm
Bonaerts etwas zurückzubekommen ...
Deshalb drängte der Abt den König, den Herzogsweiher hinter Rode,
die dem König jährlich gezahlte Pacht der Klostermühle und die
Herrschaft Kirchrath der Abtei zum erblichen Eigentum zu überlassen.
Doch bis hierhin mit keinem anderen Resultat, als dass diese Art von
Bitten dazu beitrug, den Herrn Spies, der gemeinsam mit dem Herrn
Trips und dem Abt die Herrschaft Kirchrath besaß, gegen diesen
aufzubringen. Gegen Ende des Lebens des Abtes Lamberti, d. h. etwa
1663, löste er zusammen mit dem Schultheißen von Kirchrath, Heinr.
Poyck dem Älteren, stürmische Unruhen fanatischer Kirchrather aus,
über die wir unter Abt Amezaga berichten werden.
Im Jahre 1664, als die Kräfte des Abtes schon nachließen, begannen
fanatische Einwohner von Kirchrath zu überlegen und darauf
hinzuwirken, der Abtei und dem Herrn Trips die Herrschaft über die
Stadt zu entreißen und sie für sich zu fordern; diese Sorge soll nicht
wenig zum Tod des Abtes beigetragen haben.
31
Im selben Jahre gab der Abt dem Drossard Trips die Genehmigung,
im Namen des Königs die Herrschaft Merkstein aufzulösen und sie mit
der Herrschaft und Immunität der Burg Rode zu vereinigen; die 15 Jahre
waren nämlich schon vergangen, nach denen, wie oben unter Abt
Duckweiler gesagt, die Einwohner von Merkstein unabhängig werden
sollten; dennoch hatten sie der Abtei die Herrschaft durch Rückzahlung
der 5.600 Florins noch nicht bezahlt. Diese Sache gefiel den Einwohnern
ganz und gar nicht; sie argumentierten, es seien noch keine 15 Jahre
vergangen, da es der Abtei unter den Holländern nicht möglich gewesen
sei, in Frieden den Nießbrauch über die Herrschaft (Merkstein) zu
besitzen.
In der Zwischenzeit verbot der Drossard dem Schultheißen und den
Schöffen von Merkstein, weiterhin Recht zu sprechen; er wollte, dass,
nach Auflösung dieses Gerichtes, alle Angelegenheiten in Rode verhandelt
würden. Das war der Grund, dass die Einwohner von Merkstein 1666
für sich selber gegen eine Summe von 38.000 Brabanter Gulden das
Recht erkaufen mussten, durch einen eigenen Schultheißen und eigene
Schöffen Recht zu sprechen.
Im Jahre 1664 wurde Abt Winand Lamberti von der Schwindsucht
dahin gerafft. Schon lange hatte er unter einer schwachen Gesundheit
gelitten, die durch die ständigen Sorgen, die Mühen, die schlaflosen
Nächte und den Kummer angegriffen war. Von Natur war er zum Scherzen
aufgelegt; als er im letzten Stadium seiner Krankheit seinen Schleim
oder richtiger: seine Lungen aushustete, pflegte er nach dem Anfall zu
sagen: "Da ist wieder ein Unruhestifter", wodurch er anzeigte, dass die
Tumulte in Kirchrath zur Verschlimmerung seiner Krankheit beigetragen
hatten.
Er starb endlich fromm, am 6. Mai, in Aachen, im Kloster Mariental,
versehen mit allen Sakramenten (14). Er war ein Mann, der in seinem
Leben geistig nicht weniger als körperlich hervorragte, außergewöhnlich
gebildet in Theologie und Rechtswissenschaft, voll guter Absichten,
angenehm im Umgang, ernst in seiner Lebensart, überlegt in seinen
Ratschlägen, geschickt in der Ausübung der Geschäfte, leidenschaftlich
und heftig; bei Untergebenen und Gleichgestellten hatte er Autorität, bei
Fürsten und Vorgesetzten genoss er ein ungewöhnliches und seltenes
Ansehen. Seine Untergebenen liebten, seine Gegner fürchteten ihn; außer
der Landessprache beherrschte er nahezu perfekt Latein, Französisch und
Spanisch; mit einem Wort, er war geboren, um wichtige Angelegenheiten
zu verhandeln und Gott hatte ihn dazu außergewöhnlich begnadet. Alle,
die in Zukunft in diesem Kloster seelische und körperliche San
erhalten, müssen aus Dankbarkeit seiner Seele Gutes wünschen.
Er wurde beerdigt in dieser Kirche, in der St. Nikolaus-Kapelle, vor
dem Altar; 35 Jahre später ließ Abt Johannes ein Grabmal mit folgender
Inschrift anfertigen:
HIC JACET
REVERENDISSIMUS AC AMPLISSIMUS DOMINUS
WINANDUS LAMBERTI
XXXIET PRIMUS MITRATUS HUJUS MONASTERII
ABBAS
QUI
TURBULENTISSIMIS BELLORUM TEMPORIBUS
INNUMERIS
ITINERUM PERICULIS
INCARCERATIONIBUS
BONORUM JACTURA
SANITATIS ET VITAE DISPENDIO
RELIGIONI ET REGI
HOC MONASTERIUM CONSERVAVIT
ET,
BIS QVARTO IDVS MAIAS LETO CESSIT.
REQUIESCAT IN PACE
34
ZU DEUTSCH:
HIER RUHT
DER HOCHWÜRDIGSTE UND HOCHANGESEHENE HERR
WINAND LAMBERTI
31. ABT DIESES KLOSTERS
DER ERSTE, DER DIE MITRA TRUG.
IN DEN TURBULENTEN KRIEGSZEITEN
HAT ER DURCH UNZÄHLIGE
GEFAHREN DER REISE,
GEFANGENSCHAFT,
VERLUST SEINER GÜTER,
UNTER EINSATZ SEINER GESUNDHEIT UND SEINES LEBENS '
DER RELIGION
UND DEM KÖNIG
DIESES KLOSTER UND DAS VATERLAND ERHALTEN
UND IST GESTORBEN AM 6. MAI 1664
ER RUHE IN FRIEDEN
Anmerkungen
1) Die Augustiner-Chorherrenabtei Rolduc, auch Kloosterrade bzw. Klosterrath genannt,
wurde 1104 gegründet, die Krypta 1108 eingeweiht. Die Geistlichen der Abtei von
Rolduc waren Regulargeistliche, d. h., dass sie nach einer bestimmten Regel in
ordensähnlicher Gemeinschaft lebten.
Regularkanoniker nahmen eine Zwischenstellung zwischen Weltklerus und
benediktinischem Mönchtum ein, da sie das Leben in klösterlicher Gemeinschaft
mit dem Seelsorgedienst in den Pfarren zu verbinden suchten.
Die Abtei Rolduc hat über viele Jahrhunderte das religiöse Leben in vielen Pfarreien
des Herzogtums Limburg und der Länder "jenseits der Maas" durch das
Vorschlagsrecht bei der Pfarrstellenbesetzung geprägt. Go€, Baelen, Limburg-Stadt
und Eupen seien hier genannt.
Drei adlige Damenstifte hingen von Rolduc ab: Sinnich bei Teuven, Ho(y)donk
(nördlich Eindhoven) und Marienthal im Rheinland.
2) Die "Annales Rodenses" wurden erst 1852 veröffentlicht, nach dem Manuskript
von Simon-Pierre Ernst, selber Regular-Chorherr in Rolduc und langjähriger Pfarrer
von Afden, geb. in Nieder-Aubel auf dem Hof Bruynenmorgen am 2.8.1744, gest.
in Afden am 11.12.1817. Ernst ist der Autor einer breit angelegten "Histoire du
Limbourg", deren sieben Bände — der siebte enthält die "Annales Rodenses” des
12. Jahrhunderts und die von Nikolaus Heyendal verfasste Fortsetzung derselben
— zwischen 1837 und 1852 in Lüttich (Vlg. Redout€) durch den an der dortigen
Universität tätigen Professor Edouard Lavalleye herausgegeben wurden.
35
3) Die Einnahme der Feste Limburg fällt in den sog. Maasfeldzug von Frederik Hendrik
(1584-1647, Prinz von Oranien), dessen ursprüngliches Ziel Antwerpen gewesen
war. Auf ihrem Zug eroberten die "Holländer" im Juni 1632 Venlo, Stralen,
Roermond, Maaseik, Weert und Sittard. Maastricht kapitulierte am 22. August,
Limburg wurde von dem Reitergeneral Stakenbroek am 8. September 1632
eingenommen. Dann fielen auch Dalhem, Valkenburg und Herzogenrath in die Hände
der Reformierten.
1635 eroberten die Spanier Limburg und die "Länder von Overmaas" wieder zurück.
4) Balduin von Horpusch, 29. Abt von Rolduc. Sein Grabmal ist noch erhalten.
5) Gemeint sind die sieben vereinigten niederländischen Nordprovinzen (Holland,
Seeland, Geldern, Friesland, Utrecht, Oberyssel und Groningen), die vom Chronisten
häufig nur "die Holländer” genannt werden. Sie hatten sich dem Calvinismus
zugewandt und 1579 in der "Utrechter Union" zusammengeschlossen, um die
Vormacht des protestantischen Glaubens zu sichern und die Selbstverwaltung zu
erlangen. Damit legten sie den Grundstein zur Loslösung der Niederlande von
Spanien.
6) König Philipp IV. von Spanien (1605-1665), der die südlichen Provinzen gegen die
Angriffe aus dem Norden zu verteidigen suchte.
7) Herzog Karl IV. von Lothringen (1604-1675) und Heinrich II. v. Bourbon, Prinz
von Conde (1588-1646), hatten sich auf die Seite der Spanier geschlagen.
8) Die Friedensverhandlungen waren faktisch am 2. November 1646 abgeschlossen;
am 8. Januar 1647 legten Spanien und die Vereinigten Provinzen die
Friedensbedingungen definitiv fest; die offizielle Unterzeichnung des Vertrages
erfolgte am 30. Januar 1648, die Ratifizierung desselben am 15. Mai und die
Bekanntgabe am darauffolgenden Tage.
Erst mit der Unterzeichnung des Vertrages (30. Januar 1648) sollte laut Artikel 2
desselben jede feindselige Handlung eingestellt werden.
Die Zeitspanne vom 8, Januar 1648 bis zum Monatsende nutzten die Holländer, um
Dalhem, Valkenburg und Herzogenrath einzunehmen.
9) Ho(y)donk an der Dommel, nördlich Eindhoven, war 1145 von einem Regular-
Kanoniker aus Rolduc gegründet worden. Die Kanonissen (Chorfrauen) legten das
Sumpfland trocken und ließen Kleinbauern sich dort ansiedeln. Daraus entstand das
Dorf Nederwetten.
Der "Westfälische Frieden", der die "Mairie"” von 's-Hertogenbosch den
Generalstaaten zusprach, besiegelte damit das Schicksal des Klosters Hodonk, das
1650 aufgelöst wurde.
10) 's- Gravenhage (Hagae Comitis), heute Den Haag
11) Antonius de Brun (* Döle, 1600, + Den Haag, 1654), generalbevollmächtigter
Vertreter Spaniens ("summa cum potestate legatus") in Münster 1648. Botschafter
Spaniens in Den Haag.
12) Papst Alexander VII. (Fabio Chigi) war von 1644 bis 1651 Nuntius in Deutschland
gewesen und hatte als päpstlicher Sonderbeauftragter bei den westfälischen
Friedensverhandlungen versucht, die Interessen der katholischen Seite zu verteidigen,
was ihm jedoch, da er nicht mit "Ketzern” verhandeln durfte, nur sehr unvollkommen
gelungen war. Den päpstlichen Diplomaten schmerzte es, dass "dem Glauben neuer
Schaden durch den unseligen Frieden, den ich nicht unterzeichnen konnte", bereitet
worden war.
36
Der Papst erklärte denn auch die Ergebnisse von Münster und Osnabrück für "null
und nichtig, für verdammt und ohne allen Einfluss und Erfolg für die Vergangenheit,
Gegenwart und Zukunft".
Am 13. Dezember 1649 verließ Chigi Münster in Richtung Aachen, wo er am 20.
Dezember eintraf. Er nahm Quartier im Regulierherrenkloster der Windesheimer
Augustiner-Chorherren und fungierte auf Bitten Ludwigs XIV. als Friedensvermittler
zwischen den katholischen Mächten Spanien und Frankreich, die durch ihre
Gesandten bzw. Minister Penaranda bzw. Mazarin vertreten waren. Chigi blieb in
Aachen bis Oktober 1651 und hat in dieser Aachener Zeit auch die Kontakte zu Abt
Lamberti etabliert. 1655 wurde er Nachfolger von Papst Innozenz X. auf dem Thron
des hl. Petrus, Er starb 1667.
Pierre Melchior van der Steghe, Abt von 1667 bis 1682, erhielt für die Äbte von
Rolduc das Recht auf ständiges Tragen der Mitra.
13) Um die klösterliche Disziplin zu straffen, legte Abt Winand Lamberti am 25. Januar ,
1663 einen 15 Punkte umfassenden Verhaltenskodex vor, der darauf abzielte, gewisse
Miss-Stände abzustellen. Die Ordensleute sollten seltener das Kloster verlassen,
Frauen wurde der Zugang zum Stockwerk der Einzelzellen verboten, im Refektorium
(Ess-Saal) wird die Lektüre wieder eingeführt, im Kreuzgang ist eine gewisse Ruhe
zu wahren. Eine bestimmte Uhrzeit für das Zu-Bett-Gehen ist nicht vorgeschrieben.
Bei schwweren Verstößen gegen die Ordensdisziplin sieht der Katalog Zellenhaft
vor.
Diese wohl notwendigen Regeln konnte Lamberti jedoch nicht durchsetzen.
14) Abt Winand Lamberti wurde nur 46 Jahre alt.
Quellen
de Clercq, Charles, Rolduc, Son abbaye, ses religieux, son s£minaire (1661-1860). Cen-
tre International de Rolduc, Kerkrade 1975
Deutz, Helmut, Studien zur Geschichte der Abtei Klosterrath — Das
Augustinerchorherrenstift Klosterrath als religiöses und geistiges Zentrum des Landes
von Rode im hohen Mittelalter — gefolgt von Simon Peter Ernst, Regularkanoniker in
Klosterrath und Pfarrer in Afden im Jahrhundert der Aufhebung der Abtei (Mit
weiterführendem Literaturverzeichnis. Hrsg. von Burg Rode Herzogenrath e. V., Bd. 2,
Herzogenrath 1984)
Ernst, S.-P., Histoire du Limbourg. Siehe Anmerkung 2)
Grondal, Guillaume, Walhorn, Notices historiques, Sonderdruck des Bulletin de la So-
ciete Vervietoise d'Arch6ologie et d’Histoire, Bd. 45, 1958, S. 107-108
Linssen, C. A. A., De herdenking van de Vrede van Munster 1648-1998 in het perspektief
van de Nederlandse provincie Limburg, in De Maasgouw 117, 1998/4, Sp. 233-274.
37
At achtzeg Joor langk!
Janze achtzeg Joore langk
jonn ech hej at minge Jangk
än ech hau et neet jedaat,
dat er achtzeg stonge vör mech parat!
Achtzeg es en janz lang Tiit,
wenn se och schinge evvech wiit;
än wenn de se da eemool bes,
da es et als off et jar neks es.
Än et Lääve verjeet esö flott,
Do mings de achtzeg wüere te kött.
Wie de an der Afangk stongs,
neet woss wat de met et Lävve dongs.
Achtzeg Joor voll Vröjd än Ploore,
Wat sönt se mä esö flott vervloore,
Hej en do och met e-ne Blötsch,
sönt se dörch ding Heng jerötscht.
Ver haue vööl Angs, vööl Sörg, vööl Led,
mä och vööl Fings, wie dat esue jeet.
An et es och metstens jot jejange,
wat ver en et Lääve ajevange.
Wie et en et Lääve decks der Vaal,
Me vool och at ens ut der Saal.
Met Ifer än e Päkske Mot
Woet van alleng werr alles jot.
Hant ander och e witschke mie,
lott se mä jue än jlöcklech sihe.
Ech ben tevrä wie et es esue,
ech kann noch denke, stue en jue.
Än dovöör well ech och neet klaare
An der Herrjott danke saare,
dat e mech bes hüj loot lääve,
esö vööl Vröjd än Jlöck jejääve. Jakob Langohr (1)
(1) Unseren Lesern ist Jakob Langohr seit Jahren bestens bekannt. Am 8.11.2001
vollendete er auf Bildchen sein 80. Lebensjahr. Er kann noch „denke, stue en jue“
und wir wünschen ihm, dass dies noch viele Jahre so bleibe und er unsere Leser auch
noch lange mit seinen plattdeutschen Versen erfreuen möge!
38
Die Titfelder Mühle, der Frauenbend
und andere Raerener Mühlen
von Leonhard Kirschvink
Es klappert die Mühle am rauschenden Bach ...
Mühlen spielten seit jeher eine besondere Rolle in der Volkskultur.
Meistens weit abgelegen in einem Tal, wurden sie zu einem Ort
romantischer Erlebnisse...wie die vielen Romane und Filme über die ,
schöne Müllerin beweisen.
Die Wirklichkeit sah anders aus.
Die Mühlen unserer Heimat waren meist Bannmühlen der Stocklehen,
d. h. die hörigen Bauern waren verpflichtet, ihr Getreide ausschließlich
in diesen Bannmühlen mahlen zu lassen. Das Monopol des Mahlens,
das diese Mühlen besaßen, verführte auch häufig zu Unehrlichkeiten.
Außer den Getreidemühlen gab es die Hütten- und Hammermühlen
zum Herstellen von Eisen, Kupfer usw., so z. B. die Eisenhütte in Raeren-
Sief an der Iter und die Hütte in Mariental. Sägemühlen werden im
Raerener Bereich nicht erwähnt.
Zwischen Raeren-Neudorf und Kornelimünster reihten sich auf 7 km,
wie Perlen an einer Kette, 12 Mühlen an Iter und Periolbach. Pfaumühle,
Titfelder Mühle, Botzer Mühle, die Mühle Blar, die Raerener Mühle, die
Neumühle, die Mühlen in Mariental und Brandenburg sowie die
Eisenhütte und die Königsmühle, wobei zu bemerken ist, dass an der
Eisenhütte mehrere Wasserräder hinter einander geschaltet waren. In
Brandenburg bestanden gleich zwei Mühlen, nämlich eine Getreide- und
eine Ölmühle.
In unserer Gegend waren die Mühlen vorwiegend Wassermühlen. In
Eynatten hat die Flurbezeichnung „Windmühle“ (auf der Höhe der
Autobahnüberquerung der Hauseter Straße) die Erinnerung an eine solche
Mühle wach gehalten. Einiges deutet darauf hin, dass auch auf der Flur
Mülleschfeld (= Müllers Feld) in Neudorf einst eine Windmühle
gestanden hat.
Sicher sind auch einige Mühlen im Laufe der Zeit für immer
verschwunden.
Wie schon gesagt, hatten fast alle Stocklehen ihre eigene Mühle. Von
Titfeld, dem ältesten Stocklehen, wird nie von einer Mühle berichtet,
39
und doch muss man es als selbstverständlich ansehen, dass auch der
Titfelderhof am Iterbach eine eigene Wassermühle besessen hat.
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Die Titfelder Mühle
Gehen wir also davon aus, dass der Titfelderhof als ältestes Stocklehen
von Neudorf und Raeren eine Mühle hatte. Nur, wo lag dieselbe? Zum
Betreiben einer Mühle braucht man einen Bachlauf oder einen Weiher,
in dem das Wasser aufgestaut wird. Beides hatte der Titfelderhof, wo als
Antrieb für eine Mühle nur der Iterbach in Betracht kommt.
Auf dem Katasterplan von 1826 wird eine Wiese mit „Im Alten Weiher“
bezeichnet. Dieser Weiher lag zwischen dem heutigen Jugendheim und
der Bachstraße, direkt am Iterbach. Dass der Weiher als Stauweiher einer
Mühle angelegt war, bezeugen folgende Angaben in den Lehensregistern:
(L. R.) Seite 648:
01.08.1560. Vaiss Kluytgen kauft 5 Viertel, 6 Ruten in dem Langen
Bend zwischen Titfeld und Neudorf von Johann Loeman und dessen
Frau Anna Krummels van Nechtershem. Diesen verbleibt ein durch das
Grundstück gehender Wassergraben, der oben 3, unten 2 Fuß (= 90 bzw.
60 cm) breit ist.
(Anm.: Dieser Graben ab Iterbach diente der Einspeisung des
Stauweihers, später „Alter Weiher“ genannt.
Die Eheleute Lo(e)man-Krümmels waren Eigentümer des Stocklehens
Titfeld und des Weihers. Letzterer war Bestandteil des Hofes Titfeld.
Der „Lange Bend“ lag westlich des Weihers am Iterbach.
40
Es ist hier festzuhalten, dass der Stauweiher im Jahre 1560 noch benutzt
wurde. Wozu? Als Antrieb einer Mühle?).
(L. R.) Seite 654:
18.12.1628. 1 Morgen, 13 Ruten Land an dem Langen Bend an dem
Alten Weiher zu Titfeld, das aus dem Stocklehen Titfeld stammt.
Frage: War der Stauweiher 1628 schon aufgegeben worden?
(L. R.) Seite 647:
01.03.1704. In einer Zusammenstellung aller zum Stockgut Titfeld
gehörigen Grundstücke wird ein Grasplatz „der alte Weiher“ genannt,
gelegen neben dem Bach zu Titfeld. Die Größe wird mit 371 Ruten, d.h.
3 heutige Morgen, angegeben.
Der Alte Weiher war zu einer Wiese geworden.
Wie kam es zur Aufgabe des Stauweihers, den man später den „Alten
Weiher“ nannte?
Darüber kann man nur Vermutungen anstellen. Meiner Ansicht nach
ist der Grund in der Aufsplittung des Stocklehens Titfeld zu suchen. Nach
dem Tode des Johan Loman, Eigentümer des Hofes Titfeld, teilt nämlich
seine Witwe, Anna Krümmels, den Hof unter ihre acht Söhne auf. Damit,
und durch Weiterverkäufe, setzt die Aufsplittung des Hofes ein. Käufer
waren die zu Wohlstand gekommenen Töpfermeister Mennicken, Kalf,
Kannebecker usw.
Wir wissen nun, wo der Stauweiher der Titfelder Mühle lag. Doch wo
lag die Mühle?
Betrachten wir den Bachlauf der Iter. Von Neudorf bis zum Alten
Weiher schlängelt sich der Bach in einem naturbelassenen Bett. Ab Altem
Weiher ist das Bachbett, wie heute noch sichtbar, beiderseits durch
Bruchsteinmauern eingefasst, was ein eindeutiger Beweis dafür ist, dass
ab dem Alten Weiher die Iter als Mühlengraben diente. Die Breite des
eingefassten Bachbettes ist im Mittel 2 Meter. Die Ufermauern haben im
Mittel eine Höhe von 1,20-1,40 m. Diese Ufermauern sind heute noch
bis zur Hauptstraße (Ecke Bäckerei Münstermann) erhalten. Im oberen
Bachbett sind die Mauern teilweise eingefallen. An der Hauptstraße macht
die Iter einen scharfen Knick nach Norden und ist auch hier bis zum
nächsten Knick nach Osten mit Bruchsteinmauern eingefasst. Diese
zweimalige scharfe Abknickung ist auf einer so kurzen Bachstrecke recht
ungewöhnlich!
Auf der Ferraris-Karte von 1775 fließt die Iter geradeaus durch die
Hauptstraße am Frauenbend vorbei.
41
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Das mit Bruchsteinen eingefasste Bachbett der Iter
Das Gehöft „Frauenbend“ befand sich dort, wo sich heute die KBC-
Bank befindet. Es muss eine direkte Beziehung zur Iter bestanden haben,
die in nur 10 m Entfernung vorbei floss. Der Frauenbend wird schon
1518 erwähnt und wir gehen von der Annahme aus, dass sich die Titfelder
Mühle in diesem Gehöft befunden hat. Sie konnte nur von einem
unterschlächtigen Wasserrad angetrieben werden.
Der Nordwestflügel des Frauenbend, wo sich die Mühle befunden
haben muss, ist um 1900 teilweise in einen Kuhstall umgebaut worden,
wie die Ziegelsteineinfassungen an Fenstern und Türen bewiesen. Auf
der Tranchot-Karte von 1808 zeigt der Bachlauf der Iter schon den
heutigen Zustand mit der schon erwähnten doppelten Abknickung. Das
heißt, dass das Bachbett der Iter zwischen 1775 und 1808 verlegt worden
ist.
An der Metzgerei Huby fließt die Iter unter die Brücke durch, direkt
am Giebel des Hauses Messerich, Hauptstraße 65, vorbei. Hier kann man
feststellen, dass das Bachbett so weit abgesenkt ist, dass der Bach ein
Mühlrad antreiben konnte. Ab dem Hause Messerich fließt die Iter in
einem künstlich angelegten Bachbett in gerader Linie dem alten Bachbett
ZU.
Es stellen sich folgende Fragen:
1. Warum wurde die Iter umgeleitet?
2. Warum wurde der Giebel des Hauses Messerich direkt am Bachbett
gebaut?
Die Antwort kann nur sein: Um eine Mühle anzutreiben.
Da der „Alte Weiher‘ aufgegeben war, blieb nur das Wasser im
aufgestauten Bachbett als Antrieb für die Mühle. Vom Alten Weiher bis
43
Z ühle “
PO ur uhle
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Inh. Albert Radermacher - Oremer
RAEREN An der Kirche Tel. 51267
empfiehlt
seine Restaurations- und Gesellschaftsräume
Am 3. Januar 1401 erhält Heinrich von Hochkirchen 51 Müdden Hafer
als Pacht zu Lasten des Hofes zu „Petitvelt‘ = Titfeld. 1 Müdde entspricht
238 Liter. 51 Müdden ergeben somit 12.140 Liter oder 109 Zentner. Dies
entsprach einer Anbaufläche von 4 Hektar, soweit das heute noch
überprüfbar ist.
Bei der Erbteilung des Titfelder Hofes, am 16. April 1564, erhält Anna
Krummels, Witwe des Johan Lomans, für das laufende Jahr 14 Morgen
Korn aus dem Land des Gutes zugesprochen.
Der Frauenbend
Der Hof Frauenbend lag, wie schon gesagt, auf Driesch, am Iterbach,
dort, wo sich jetzt die KBC-Niederlassung befindet, und war Bestandteil
des Stocklehens Titfeld. In den Lehnsregistern der Propsteilichen
Mannkammer des Aachener Marienstiftes wird er mehrfach erwähnt:
L.R.S. 644: Um 1506 waren Johan von Krümmel von Nechtersheim
und seine Ehefrau Johenne von Belven zu Vaalsbroich im Besitz von
Titfeld und Frauenbend.
L.R. S. 588: Im Jahre 1511 hat Johann Crummel van Nechtersom den
Frauenbend seinem Diener Welter von Titfeld verkauft.
45
Seltsam ist, dass bei den Erwähnungen von Haus und Stocklehen zu
Titfeld, bzw. beim Titfelderhof und Frauenbend keine Mühle erwähnt
wird.
Ursprünglich bestand der Frauenbend nur aus dem Nord-West-Flügel,
7,50 x 18,00 m groß.
Dieser Bau bestand sicher, wie es damals in Raeren üblich war, aus
einem mit Bruchsteinen gemauerten Erd- und einem in Fachwerk
ausgeführten Obergeschoss. Die Ostseite des Obergeschosses war noch
bis zum Abbruch im Jahre 1975 in Fachwerk gehalten. Das Dach war
mit Stroh gedeckt, wie die Dachneigung über 45° beweist.
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Der Frauenbend bis zum Abbruch 1975
Anm.: Freiin von Coels - L.R. S. 645, Fußnote - bezeichnet den Frauen-
bend als Spliss aus der Burg von Raeren. In diesem Zusammenhang muss
bemerkt werden, dass Frau v. Coels in den Lehensregistern einige Kapitel
falsch zugeordnet hat:
- Die Kapitel 348 t (Der Frauenbend, Hof zu Titfeld, gehört nicht zu
Raeren-Burg, sondern zu Neudorf-Titfeld).
- Kapitel 349 (Zwei Mahlmühlen) gehört nicht unter Burg Raeren,
sondern unter Haus Raeren (v. Schwartzenberg).
- Kapitel 349 A, 349 B und 350 gehören ebenfalls unter Haus Raeren.
47
Der alte Weiher auf Vergefnes, der Brachenweiher und die Mühle im
Mariental
Der Alte Weiher auf Vergefnes ist nicht zu verwechseln mit dem „Alten
Weiher“ zu Titfeld an der Iter, wie dies auch aus den Lehensregistern
ersichtlich ist.
L.R. S. 609: 5. Sept. 1483: Gillis der Weert zu Walhorn, Schöffe allda,
kauft ein Stück Bend „boeven den alden Wyeren gelichs widder die Wyere
langhs eynen bendt des Aachener Stiftkapitels. 21/2 Morgen Bend an
Wylyefflys“.
(N. B.: Der Bend des Aachener Stiftskapitels ist der Pfaffenbend, gelegen
zwischen Burgstraße und Vergefnes. Wylyefflys = Wilgenfoss =
Vergefnes.
Der Alte Weiher lag auf Vergefnes und wurde vom Reybach gespeist).
L.R.S. 610: 1510 Claess Wild von Neudorf kauft einen 4 Morgen großen
Weiher mit darum gelegenem Bend am Eynattener Pfad, genannt der
Alte Weiher.
(N. B.: Der Eynattener Pfad ist die Gasse von Vergefnes.
Zu der Größe des Weihers: 4 Morgen zu 15 Ruten entsprechen fast 6
heutigen Morgen. Für einen Weiher ist dies eine außergewöhnlich große
Fläche).
Der Brachenweiher: In den Lehensregistern (S. 563) werden im Jahre
1540 zwei „Wrachenweiher“ erwähnt, über die Johan van Nechtersom
genannt Crummel seinen Söhnen freie Verfügung gewährt. Einen dieser
beiden Weiher kaufte Heyn Hüsch von Kettenis. Die „Wrachenweiher‘“/
Brachenweiher lagen unterhalb des Alten Weihers, zwischen Bickelstein
und Mariental, und wurden ebenfalls vom Reybach gespeist. Auf der
Militärkarte Raeren 43/2, M = 1:10.000, sind die nördlichen abgeböschten
Ufer eingetragen. Die ehemalige Weiherfäche ist als Sumpfland blau
markiert.
Die Marientaler Mühle
Die hiervor genannten Weiher können nur zum Antrieb der Marientaler
Mühle gedient haben. Es wäre also anzunehmen, dass diese Mühle uralt
ist, denn schon 1483 wird der „Alte Weiher“ genannt (s. oben „boeven
48
den alden Wyeren“). Als zusätzlichen Antrieb besaß die Marientaler
Mühle die Iter. Wahrscheinlich handelte es sich um eine Hammermühle,
ähnlich den Mühlen östlich der Brandenburg, die Eisenhütten genannt
wurden. Auch die Marientaler Mühle wurde „Hütte‘“ genannt. Auf der
Ferraris-Karte von 1775 ist „Fourneau“ eingetragen, was mit Schmelzofen
übersetzt werden kann.
Es ist nicht ausgeschlossen, dass die Marientaler Mühle in Verbindung
mit der auf der Schnellenburg entdeckten Römervilla (Gutshof) zu sehen
ist. Diese Villa lag nur 150 m von der Mühle entfernt. Schon die Römer
wussten die Wasserkraft als Antrieb für Mühlen zu nutzen. Vitruv (1. Jh.
v. Chr.) gibt in seinen Büchern über die Baukunst („De Architectura“‘)
eine genaue Beschreibung zum Bau einer Wassermühle. 0
Die Eisenerze wurden in direkter Nähe, auf Berlott, Langfeld,
Landwehring oder Sief im Tagebau gewonnen. Spuren im Gelände
beweisen es. Wegen der schlechten Wegeverhältnisse waren weite
Transporte ausgeschlossen, so dass die Erze vor Ort verarbeitet wurden.
Die Lage im Mariental war ideal. Wasser war reichlich vorhanden,
desgleichen Eisenerze, Brennholz und Kalksteine zum Kalkbrennen. Vor
allen Dingen stand für den Abtransport der Fertigware die ausgebaute
Römerstraße — die heutige Kinkebahn — in 1000 m Entfernung zur
Verfügung.
(N.B.: Im Jahre 1964 wurden im Freyent in der Nähe der Kinkebahn
die Fundamente einer römischen Villa entdeckt.
Gefäßreste, eine römische Münze aus den Jahren 200 — 211, Dachziegel
und auffallend viel Eisenschlacke waren die Funde. Siehe V. Gielen,
Eupener Land, S. 10).
Burg Raeren
Es ist bemerkenswert, dass von den Stocklehen Titfeld und Burg
Raeren, meiner Kenntnis nach, nie direkt von einer Mühle berichtet wird.
Im Jahre 1757 war die Burg Raeren im Besitz der Familie de Flamige.
L.R. S. 567: Am 22. Dezember 1757 bekennt Matthias Werner de
Flamige als Bevollmächtigter seines Vaters, von den Recollectinnen in
Limburg 100 Taler bzw. 400 Gulden erhalten zu haben. Als Sicherheit
stellen Vater und Sohn die Burg mit dazu gehörigen Ländereien und die
Mühle zu Raeren.
Um welche Mühle handelt es sich?
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Der uralte Hof Schumacher an der Burg
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Der Giebel steht direkt am Bachbett der Iter.
50
Die Raerener Mühle kommt nicht in Frage. Sie war 1757 im Besitz
des Kanonikers Smetz.
War es die Blarmühle?
Gab es noch eine Mühle?
Die Burg Raeren liegt am Zusammenfluss von Iter und Periolbach; es
ist eine ideale Lage zu einem Mühlenbetrieb.
Steht man auf der dortigen Brücke und schaut Richtung Bachlauf, so
fällt auf, dass der links liegende Bauernhof Schumacher mit der
Giebelseite im Bachbett steht. Weshalb, wo doch genügend Platz
vorhanden war? Hat es hier eine Mühle gegeben?
Die Brandenburger Mühle Ö
Die kinderlos gebliebenen Eheleute Ritter Gilles von Brandenburg
und seine Ehefrau Margarete von Sombreffe schenkten am 10. April 1477
vor der Lehnskammer des Aachener Marienstiftes ihren gesamten Besitz
in Raeren-Sief dem Orden der Kreuzbrüder mit dem Zwecke, dort ein
Kloster für 12 Ordensleute zu errichten und eine Kirche zu bauen.
Der Besitz besteht aus einer Burg, einem Bauerngut, Weihern, einer
Kupfergrube, Äckern, Wiesen, Wäldern, Sümpfen, Viehherden, Geräten
und Mobilar. Eine Mühle wird in der Aufzählung nicht genannt.
Maximilian von Österreich und Philipp der Schöne, als Herzöge von
Limburg, erlaubten den Kreuzbrüdern des Klosters Brandenburg die
Nutznießung der Gewässer der Iter sowie den Bau einer Getreide- und
einer Ölmühle. Als Gegenleistung waren jährlich 2 Müdden Hafer zu
liefern (s. Arsene Buchet, Le Prieur& des Croisiers de Brandenbourg ä
Raeren 1777-1784, in Bulletin de la Societe Vervietoise d’Archeologie
et d’Histoire, Bd. 35).
Ob es schon früher dort eine Mühle gegeben hat? Brandenburg wird
bereits 1331 erwähnt (s. Dr. Schiffers, Aachengau-Aachener Reich, 1922,
S. 5).
Die Blarmühle
Die Blarmühle ist im 19. Jahrhundert abgebrannt. Ich möchte hier auf
eine Besonderheit dieser Mühle hinweisen. Es war die Pflicht des Müllers,
das Mühlenwasser nach Gebrauch wieder dem Bach zuzuführen, dem es
entnommen worden war. Die Blarmühle erhielt ihr Wasser durch den
Mühlengraben, der oberhalb durch den Periolbach gespeist wurde. Sie
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Die Wasserzufuhr der Blarmühle
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Die Blarmühle auf dem Urkatasterplan von 1826
besaß ein unterschlächtiges Rad. Nach Verlassen der Mühle wird das
Wasser jedoch nicht wieder dem Periolbach zugeführt, sondern dicht am
Giebel des heutigen Bauernhofes Blar vorbei geleitet. Weshalb? Gab es
an diesem Giebel ein oberschlächtiges Rad? Von der Höhe her wäre dies
möglich gewesen. Somit hätte man das Wasser, das hier in einen vier
Meter tiefen Schlund stürzte, zweimal benutzen können! Besagter
Schlund wurde durch einen unterirdischen Kanal entwässert. Im Keller
des Bauernhofes Blar führt er heute noch Wasser und ab Haus Blar ist er
52
noch auf einer Länge von ca. 120 m erhalten. Er ist in Bruchsteinen mit
Gewölbe gemauert und hat eine Größe von ca. 50/60 cm. Wohin er sein
Wasser ableitete, ist bis heute ein Rätsel.
(Siehe dazu meinen Beitrag „Die Roetze — Raerens verschwundene
Höhenburg“ in Nr. 68 dieser Zeitschrift, Febr. 2001, S. 46 — 63, sowie
das Urkataster von 1826).).
Die Mühlen von Raeren und Neudorf
Christian Quix, Hermann Wirtz und Herr H. von Schwartzenberg geben
eine Aufstellung der Mühlen. Hier eine Gegenüberstellung dieser
Angaben: E
Ch. Quix H. Wirtz H. von Schwartzenberg
1. Botzer Mühle 1. Botzer Mühle 1. Botzer Mühle
2. Neumühle 2. Neumühle 2. Neumühle
3. Itermühle 3. Itermühle 3. Itermühle
4. Blarmühle 4. Blarmühle 4. Blar -oder
Lohmühle Lohmühle
5. Raerener Mühle 5. Raerener Mühle 5. Raerener Mühle
6. Brandenburger 6. Brandenburger 6. Brandenburger
Mühle Mühle Mühle
7. Walkmühle 7. fehlt 7. Walkmühle (wo?)
Mariental
8. fehlt 8. Neudorfer Mühle 8. Neudorfer Mühle
9. fehlt 9. fehlt 9. Alte Mühle/
Karsillis
10. fehlt 10. fehlt 10. Kupfermühle
Es gibt, wie man sieht, einige Unklarheiten in den Auflistungen. Ch.
Quix und H. von Schwartzenberg setzen die Blarmühle gleich Lohmühle.
Es gab jedoch eine Blarmühle und eine Lohmühle (jetziges Marienheim).
Die Blarmühle ist ca. 1850 abgebrannt. Sowohl auf der Ferraris-Karte
von 1775, wie auf dem Urkatasterplan von 1826 sind beide Mühlen
getrennt eingetragen.
Die Lage der Itermühle scheint unklar zu sein.
Anm.: In „Der Regierungs-Bezirk Aachen topographisch beschrieben
mit einer Sammlung der interessantesten statistischen Nachrichten“,
53
Aachen, J. A. Mayer, 1827, S. 44-45, werden für Raeren die Botzermühle
(Fruchtmühle), die Neumühle (Fruchtmühle), die Itermühle
(Fruchtmühle), die Blarmühle (Lohmühle), die Brandenburgermühle
(Frucht-, Öl- und Lohmühle), die Raerenermühle (Fruchtmühle) und die
Walkmühle (Walk- und Spinnmaschine) aufgeführt.
Die Kreisakten zu Industrie und Gewerbe im Kreis Eupen nennen im
Jahr 1822 8 Wassermühlen in Raeren (s. „Im Göhltal, Nr. 34, S. 102-
105).
Im Göhltal-Heft Nr. 63 (S. 69-89) bringt Herr von Schwartzenberg
einen interessanten Beitrag über die Raerener Mühlen. Dazu möchte ich
noch einige Anmerkungen machen.
Die Alte Mühle
Im Jahre 1418 wird ein eingezäunter Bend bei Karsillis- Mühle erwähnt
(L/R--S. 639).
Am 13. Oktober 1473 empfängt Johan Krummel von Eynatten für
sich und seine Miterben die Güter aus dem Nachlass des Emmerich van
Bastenach, u. a. Haus und Burg zu Raeren (= die Roetze), das Ravengut
zu Neudorf, einen Bend genannt die alte Mühle... (L. R. S. 307).
Herr von Schwartzenberg schließt daraus, dass die „Alte Mühle‘ zum
Titfelderhof gehörte, am Iterbach lag und im Besitz des Karsillis von
Holset, genannt von den Raderen, war (Holset bei Vaals, nicht Hauset).
Dieser Karsillis von Holset wurde erst 1426, nach dem Tod seines
Vaters, Johan von Holset von den Raderen, Besitzer der Burg Raeren;
dagegen erbte sein Bruder Johan den Hof zu Titfeld (L. R. S. 642). Der
Vater hatte sowohl den Hof Titfeld wie die Burg Raeren besessen.
Die „Alte Mühle“ wird jedoch 1473 unter den Gütern der Rotze (Haus
Raeren) aufgeführt (L. R. S. 607).
Der 1418 erwähnte Karsillis war wahrscheinlich Karsillis von der
Rotschen (Kerselis van der Roetschen) zu den Raderen. Er starb 1420.
Mit „Alte Mühle“ ist die Blarmühle gemeint, die in 250 m Entfernung
von der Rotze lag. (Siehe dazu meinen Beitrag in Nr. 68 dieser Zeitschrift:
“Die Roetze, Raerens verschwundene Höhenburg‘‘). Dieser Höhenburg
ordne ich die Blarmühle zu.
56
sich Fundamente ab. Leider habe ich es damals versäumt, den Ring zu
vermessen und Grabungen vorzunehmen.
In den Lehensregistern, Seite 655, unter Nr. 388 k, werden im Jahre
1746 die Güter des Hubert Schoemecker aufgelistet, und zwar Bauten
zu Neudorf am Bach, ein Platz genannt Pillefeld und Fetgenshöfchen,
ein Platz genannt Willem Schaeris Müllersfeld groß 2 Morgen 51 Ruten,
die Langeweide und die Peerdsweide, der Lentzenbend, 50 Ruten 10
Fuß in Jan Schoemeckers Mühlenbend, die Hälfte von Jan Schoemeckers
Höfchen.
Müllersfeld ist die Wiese, wo sich der Kreisring abzeichnete.
Der Mühlenbend liegt wahrscheinlich am Iterbach, in der Nähe der
Pfaumühle. Der Peerdsbend liegt an der Iter, an der Bachstraße, direkt
unterhalb von Müllersfeld. Die Lage der anderen Grundstücke konnte
ich nicht ausmachen.
Der Name Müllersfeld kann zu zwei Deutungen führen:
1. Müller als Familienname. In den Lehnsregistern wird schon 1513-
1537 ein Wynken Mollener/Mülleners erwähnt.
2. Müllersfeld, d. h. das Feld, wo des Müllers Mühle stand.
Der Müllersbend liegt auf einer steil ansteigenden Anhöhe 10 Meter
oberhalb des Itertales, nach allen Seiten für die Winde offen, auf 300 m
über N. N. Besonders der Westwind ist hier sehr stark. Eine Windmühle
muss natürlich durch einen Weg zugänglich sein. Diesen Weg gibt es! Es
ist die Gasse, die zwischen den Häusern Severin/Neudorfer Berg und
Bourlet/Schulstraße als Gerechtsame über vier Gartengrundstücke direkt
zu dem Kreisring führt. Unter der Grasnarbe konnte ich einen befestigten
Weg feststellen: Alles Anzeichen für eine Turmwindmühle.
Unterhalb des Kreisringes befand sich ein Steinbruch. Könnte der
Kreisring von einem alten Kalkofen stammen? Kalköfen haben in der
Regel einen mit Steinen befestigten Boden. In diesem Falle hätte sich
kein Kreisring, sondern eine Kreisfläche abzeichnen müssen. Nach meiner
Kenntnis ist der dort vorkommende Stein zum Kalkbrennen nicht
geeignet. Wozu hätte man auch das Blausteinmaterial bergauf schleppen
sollen, wenn im Tal genügend Platz für einen Kalkofen war und auch
eine Abtransportmöglichkeit bestand?
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Die Skizze veranschaulicht die Lage von «Müllersfeld»,
Die Kupfermühle am Weserberg
Auf Raerener Gebiet, am Zusammenfluss von Weser und Eschbach,
gab es bis ins 19. Jahrhundert hinein ein durch Wassermühlen betriebenes
Hammerwerk. Hier, mitten im Wald, im Tal des Weserberges gelegen,
kann man heute noch die Ruinen des Pochwerkes sowie die verlandenden
Kanäle und Teiche sehen.
Eine ausführliche Beschreibung liefert Peter Emonts-Pohl in
„Geschichtliches Eupen“, Ausgabe III.
Quellen:
L. Freiin von Coels von der Brügghen, Die Lehensregister der Propsteilichen
Mannkammer des Aachener Marienstifts 1394 — 1794. Peter Hanstein Vlg., Bonn, 1952.
58
Historischer Rundgang durch
Kelmis-La Calamine,
ein Geschäftszentrum im Göhltal
(6. TeiD*
von Firmin Pauquet
Bevor wir unseren Rundgang fortsetzen, möchte ich einige Korrekturen
bzw. Anmerkungen zum vorigen Abschnitt (5. Teil) anbringen.
Das Bild auf S. 48 (Grenzstein MT-K) zeigt nicht einen
Gemeindegrenzstein, sondern, wie richtig im Text erwähnt, einen’
Grenzstein der Gemeindewaldungen. Diese Gemeindewaldungen von
Kelmis, (d. h. Neutral- und Preußisch-Moresnet zusammen) einerseits,
und von Montzen andererseits lagen beide auf dem Gemeindegebiet von
Preußisch-Moresnet.
Die auf S. 55 erwähnte Sandgrube ist nicht mehr sichtbar. Wenn man
ihre Wiederbepflanzung auch bedauern kann, so muss ich doch zugeben,
dass mein Urteil über den Campingplatz „Stern‘“ wohl etwas zu scharf
formuliert war. Der von der Familie Lenaerts um 1975 angelegte
Campingplatz ist inzwischen durch die Anpflanzungen in die Landschaft
integriert und wird regelmäßig unterhalten. Die Deutschsprachige
Gemeinschaft erteilte am 5. Oktober 1995 die Genehmigung zum weiteren
Betrieb des Platzes. Laut frdl. Mitteilung des jetzigen Betreibers, Herrn
Hubert Nicolas Lenaerts, bestehen dort ca. 50 sogenannte Saisonplätze,
die mehrheitlich von Aachenern belegt sind. Es bleiben ca. 6 weitere
Plätze für Durchgangstouristen.
Unseren fünften historischen Rundgang durch Kelmis hatten wir an
der Einmündung der Comoutstraße in die Moresneter Straße beendet.
Hier biegen wir rechts ein und folgen letztgenannter Straße abwärts in
Richtung Moresnet.
An der unteren Moresneter Straße liegen rechts und quer zur Straße
einige ältere Häuser auf der Flur "In der Wolfskaul" ("e jen woofkul")
der Urkatasterkarte von 1860. Auf der Karte der "Teckebosch"-Parzellen
von 1787 steht hier das Haus des Dominicus Ernst am Rande der
* Teil 1 in "Im Göhltal" 61/ 1997, S. 31-55; Teil 2 ebenda 62/1998, S. 7-43; Teil 3
ebenda 67/2000, S. 69-91; Teil 4 ebenda 68/2001, S. 66-95, Teil 5 ebenda 69/2001, S.
48-72.
59
Parzellierung. Im Jahre 1787 hat dieser 1060 Ruten (ca. 2,31 ha) aus
dem Teckenbosch in Pacht erworben. Im Theresianischen Kataster von
1770-1774 (Art. 111) findet sich ein Niclaes Ernst, wohnend "op den
brandenheuvel", also unter Moresnet, als Besitzer eines "Waesplaetse
genoempt den Teckenbosch", also einer Weide, jedoch ohne Haus. Im
Jahre 1782 lässt Dominicus Ernst 2 Pferde auf Gemeindegrund weiden
und muss dafür 2 Gulden Gemeindesteuer bezahlen. Möglicherweise ist
dieser Ernst Fuhrmann. Sein Haus wird dann im französischen Kataster
von 1799 (Art. 40) erwähnt. In den Einwohnerlisten von 1796-1813 wird
dieses Haus Nr. 22 vom Landwirten Dominique Ernst unter "Tekenbosch"
bzw. "am Schnepfenflug" genannt. Der Flurname "aen schneppenvloegh"
wird schon am 2. Juli 1716 erwähnt. Dort liegen 150 Ruten (ca. 33 a)
Grund, die Adam Cool aus der Gemeinde entlang des "Teckenbosch"
erworben hat. In der Liste vom Jahre V (1796-1797) kommt zusätzlich
das Haus Nr. 23 "in der Wolfskuhl" vor, wo das Landwirte-Ehepaar Pierre
Joseph Cuyper und Marie Emerance Steinvelt, wohnt. Im Jahre 1813
wohnt hier die Familie Hubert Pauly-Cuyper mit 9 Personen und 1817
die Spinnerin Witwe Hubert Pauly-Cuyper. 1829 werden 2 Familien mit
insgesamt 8 Bewohnern gemeldet. Auf der Urkatasterkarte von 1860 sind
ein Einzelhaus und 3 Doppelhäuser eingezeichnet.
Die Karte der "Vieille Montagne" von 1862 reicht im Westen nicht bis
zur Gabelung Comouth-Moresneter Straße und kann leider keine
Informationen über das weiter westlich gelegene Gelände mit den
Hausnummern 259-300 liefern. Der Einwohnerliste von 1856 kann wohl
entnommen werden, dass bei Wollfskul die Hausnummern 295-299 zu
suchen sind. Dort wohnten damals Tagelöhner und Rentner. Im Einzelhaus
Nr. 300, etwas höher in der Moresneter Straße, wohnt der Metzger
Christian Schyns mit weiteren 9 Personen; er bezahlt aber keine
Patentsteuer.
Im Adressbuch von 1902 werden hier neun Häuser angegeben. Die
Einwohnerliste von ca. 1958 gibt 4 Häuser, darunter ein neueres, im
"Chemin du Loup", Wolfsweg, südlich der Moresneter Straße, an.
Gegenüber, auf der nördlichen Seite, zählt die Wolfskaul, "Impasse du
Loup", 2 Hausnummern.
Folgen wir nun der erst 1882 ausgebauten Moresneter Straße abwärts
bis zur nächsten Kreuzung, wo, von rechts kommend, der "Soufflet" die
Straße erreicht. Rechts befindet sich ein ehemaliges Industriegebäude,
in welchem nach dem Kriege der Autobusbetrieb der Gebrüder Schreul
unterbracht war. Hier wird im Jahre 1896 eine Branntweinbrennerei von
60
einem Francois Herry aus Lüttich auf der Flur "Kemperling" eingerichtet.
Dieser war schon bis dahin der bedeutendste Schnapslieferant in Neutral-
Moresnet. Am 23. März hat er beim Bürgermeister um die Genehmigung
ersucht, das Wasser des Rurbaches zu nutzen und eine fahrbare
Dampfmaschine zu installieren. Herry erhält von den königlichen
Kommissaren am 27. Juni die Erlaubnis, einen Dampfkessel anzulegen.
Als Gemeindeeinkommensteuer schlägt Herry selber eine jährliche
Pauschale von 500 F vor, die am 30. September von den königlichen
Kommissaren angenommen und 1906 auf 750 F erhöht wird. Im Jahre
1904 wird die jährliche Schnapsproduktion von der deutschen
Oberzollinspektion auf 400 hl geschätzt. Der Liter guter Branntwein wird
damals in den Neutral-Moresneter Schenkwirtschaften zu 32 Pfennig *
bzw. 0,4 F verkauft. Der größte Teil der Produktion wird nach Belgien
geschmuggelt, was eine stärkere Bewachung der belgischen Grenze durch
den Zoll nach sich zieht: 16 belgische Zöllner sind hauptsächlich damit
beschäftigt, den Branntweinschmuggel zu unterbinden. So konnte kurz
danach ein Transport von 610 Liter hochprozentigem Branntwein, in
Fässern, die von den Schmugglern auf dem Rücken getragen wurden,
beschlagnahmt werden. Der Oberzollinspektor hat noch keinen
Schmuggel nach Preußen feststellen können. Die Brennerei wird am 4.
Februar 1908 von Simon Zinzen gekauft und 1922 nach Eupen verlegt.
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Der alte Hof Teckenbusch
61
Über den "Soufflet" können wir den alten Bauernhof "Teckenbusch"
erreichen, der die typische Bauweise des 19. Jh. aufweist und auf der
Urkatasterkarte von 1860 erscheint. Im Adressbuch von 1902 trägt der
Hof die Hausnummern 431-432. Dort wohnt jedoch kein Landwirt. Der
Bauernhof wird dann in der Einwohnerliste von 1958 (Teckenbosch Nr.
1) mit dem Ehepaar Bartholomäus Weber-Balduin erwähnt, das den Hof
noch 1974 betreibt. Inzwischen ist das aus Bruchsteinen errichtete
Gebäude stark umgebaut worden. Das Gelände wurde parzelliert und
bebaut. Im unteren Teil des Soufflet, kurz vor der Einmündung in die
Moresneter Straße, ist östlich eine weitere Parzellierung angelegt worden,
die den Namen Königin-Fabiola-Straße erhalten hat.
Die Einwohnerliste von 1958 gibt auch unter Teckenbusch Nr. 3 den
Bauernhof Leonard Steffens-Nyssen an, der aber wie vorhin festgestellt,
von der Steinkaulstraße aus zu erreichen ist.
Die Moresneter Straße führt nun bergauf zu den Fluren "Branden-
hövel", "op ene brandenhövel", und weiter rechts "Vosselder", "op ene
voosselder", der Urkatasterkarte von 1860. Die Deutung beider Flurnamen
ist unschwer: Auf der Anhöhe, am Waldesrand, entstand eine Rodung
durch Brand; und im nahen Wald befanden sich noch Fuchsbaue. Beide
Ortsteile liegen auf dem nördlichen Abhang des Rurbachtales und
gehörten demnach vor 1794 nicht zur Herrschaft und Gemeinde Kelmis,
sondern zu Moresnet.
Im Theresianischen Kataster 1770-1774 von Moresnet (Art. 76 u. 77)
erscheinen zwei Häuser "op den Brandenheuvel". Eigentümer sind Petrus
Cool mit 1033 Ruten (ca. 2,25 ha) und der oben erwähnte Nicolaus Ernst
mit 293 Ruten (ca. 0,6 ha) Grund. Dieser Claes Ernst hat sein Gut "op
den Brandenheuvel" seinem Schwager Peter van Werst am 1. Mai 1759
vor dem Montzener Notar C. M. Schever verpfändet. Das dortige Gut
des Joes (Johannes) Ernst von Moresnet, wohl der Vater des Claes, wird
schon am 19. September 1725 erwähnt. Dasjenige des Adam Cool von
Moresnet, wohl der Vater des Petrus, am 2. Juli 1716. Ein Thijs Koil ist
laut Grundbuch von 1686 (F° 25) am Moresneter Weiler "Busch" 1653-
1686 mit Haus und Hof begütert.
Laut Einwohnerverzeichnis des Jahres V der Republik (1796-1797)
wohnt in Nr. 9 das Landwirte-Ehepaar Andre Hilligsmann - Anne Marie
Schyns und in Nr. 10 die beiden Landwirtsfamilien Chretien Schyns -
Marie Catherine Corman und Alexandre Hautregard - Marie Catherine
Schyns. Um 1809-1817 wohnt Nr. 9. Mathieu Desamorie und in Nr. 10
62
der "charpentier", Zimmermann, Alexandre Hautregard. Da sie keine
Grundsteuer bezahlen, müssen sie wohl dort gemietet sein.
Die Urkatasterkarte von 1860 gibt 2 Bauernhöfe etwas abseits westlich
der Straße an. Nach der Einwohnerliste von 1856 werden diese Höfe
von den Ackerern Wilhelm Haagen-Doum (Nr. 293) und Nikolaus
Hermens-Schillings (Nr. 294) bewirtschaftet. Die Gebäude sind gut auf
der Karte von 1950 zu erkennen. Damals zierten die Buchstaben "N H"
(Nikolaus Hermens) noch das Oberlicht der Haustür des zweiten Hauses,
das heute die Nr. 99 trägt. Diese Verzierung wurde bei einer Renovierung
leider entfernt, doch ist das aus Bruchsandsteinen gebaute Haus mit
Fensterfassungen aus Feldbacksteinen in gutem Zustand.
Auf der Urkatasterkarte von 1860 ist auch ein Häuschen an der Ecke
Bauweg / Moresneter Straße zu erkennen. Ein viertes liegt weiter an der
linken Seite des Weges nach Boschhausen. Dieses brannte Ende der 50er
Jahre ab. Anlässlich des Ausbaues der Moresneter Straße wird 1878 das
Haus Reul erwähnt, in dessen Nähe die neue Straße nach links bog. Ein
Heinrich Reul-Wehrmeister, Schmelzer bei der Zinkhütte, wohnte im
Jahre 1856 in Nr. 289 (insgesamt 12 Bewohner).
Im Jahre 1902 zählt man 5 Hausnummern am "Brandenhövel", darunter
einen Bauernhof und ein leerstehendes Haus. Nach der Katasterkarte
von 1950 bestehen 3 Reihenhäuser an der Ecke Moresneter Straße/
Bauweg und ein zusätzliches Haus wurde tiefer an der rechten
Straßenseite erbaut. In der Einwohnerliste von ca. 1958 können 6
Hausnummern am westlichen Ende der Moresneter Straße identifiziert
werden. Das aus Bruchsteinen errichtete Gebäude des Bauernhofes
Emonts-Gutman (1978) bzw. Nr. 293 von 1856 ist inzwischen abgerissen
worden.
Die jetzige Trasse der Moresneter Straße ist erst um 1960 angelegt
worden. An der Ecke der neuen abgekürzten Moresneter Straße und der
alten Trasse über "Vossölder" erinnert ein schlichtes Kreuz seit 1987 an
die Opfer eines im Kriege am 3. Januar 1944 abgestürzten kanadischen
Flugzeuges. Die neue Straße folgt einem alten Wiesenpfad, der von
Brandenhövel zur Eisenbahnbrücke im Moresneter Weiler Boschhausen
führte. Am Rande dieses Pfades bestand bis ca. 1955 ein altes
Fachwerkhaus mit Sockel und Giebel aus Bruchsandsteinen. Die
Eisenanker des Giebels ergaben das Baujahr 1630. Laut Urkataster von
1860 hießen Flur und Haus "Auf der Weide". Im Theresianischen
Kataster von Moresnet 1770-1774 (Art. 82) wird die Witwe Lambertus
Franck "op de weydt” erwähnt. Sie besitzt dort 2 Häuser und 4689 Ruten
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Gedenkkreuz auf Brandenhövel. Ein von einem Bombenflug aus Deutschland
zurückkehrendes kanadisches Flugzeug stürzte am 3. Januar 1944 hier ab.
(ca.10,22 ha) Grund. Diese Häuser, Nr. 11 und 12 von Moresnet, sind
1805-1813 auch vermietet. Links hinter der Häuserreihe der neuen
Straßentrasse befindet sich auf einem Privatgrundstück, einige Meter
von der eigentlichen Grenzlinie entfernt der Grenzstein XI des neutralen
Gebietes von Moresnet.
Der Verkehr musste früher am Fuße des hochgelegenen Vossölder
rechts nach Buschhausen einbiegen. An dieser alten Strecke kurz vor
Boschhausen steht rechts in der Hecke der Grenzstein XII. Der Weiler
Vossölder war, bei 250-255 m Höhe, der höchstbesiedelte Ort von Neutral-
Moresnet. So führt eine neu dort angelegte Straße zurecht den Namen
Hochstraße. Die Flur "Vossölder" wird im Theresianischen Kataster nicht
erwähnt. Es mag wohl sein, dass ein Teil der Häuser "aen den bosch"
64
bzw. "in den bosch huyser" dazu zu rechnen sind. Der Untergrund besteht
auch hier aus Schichten des Aachener Sandes, in welchem sich viele
Sandstein- bzw. Quarzitbänke befinden. Brocken dieser Bänke sind beim
Bau der unten erwähnten Siedlung freigelegt worden. Zur
Wasserversorgung mussten früher mehrere Brunnen bis zur wasserdichten
Schicht des Hergenrather Tons im alten Weiler geteuft werden. Auf der
Urkatasterkarte von 1860 befinden sich dort außer 4 Einzelhäusern noch
eine Reihe von 3 Häuschen, die man noch gut auf der Karte von ca. 1950
identifizieren kann. Im Jahre 1902 werden 15 Hausnummern, darunter 4
leere Häuser, am "Vossölder" angegeben. Es bestehen heute noch einige
alte, einfache Arbeiterhäuser aus Bruchsandsteinen. Die Einwohnerliste
von ca. 1958 gibt 5 Häuser am Ort Vossölder an. |
Im Jahre 1991 plante die Baugenossenschaft "Nos Cites" eine neue
große Siedlung "Vossölder" mit 25 Appartements und 15 Einzelhäusern
am Abhang zum Rurbach. Erst im August 1995 konnten die Arbeiten
aufgenommen werden. Mitte 1997 waren schon 41 Mietwohnungen
fertiggestellt und 25 Einzelhäuser verkauft. Zusätzlich wurden danach
noch 10 Wohnungen und 9 Einzelhäuser gebaut.
An der Kreuzung "Brandenhövel" gehen wir nun den Bauweg hinunter.
Unten rechts befindet sich ein schlichtes Arbeiterhaus aus Fachwerk auf
Bruchsandsteinsockel in der Flur, die laut Urkatasterkarte von 1860 "An
der rothen Bach" genannt wird. In einer Urkunde des Notars Denis
Langohr vom 7. Februar 1787 wird das Gut als Besitz des Jean Corneil
Laschet erwähnt. Im Jahre 1902 ist dieses Haus noch das einzige am Ort
"Rothe Bach". Es steht seit dem 22. Dezember 1988 als einziges noch
bestehendes Arbeiterhaus von Neutral-Moresnet unter Denkmalschutz.
Ich habe es persönlich am 28. Mai 1998 von den Erben Koch erworben,
um es vor einem beantragten Deklassierungsverfahren zu retten. Der Vater
Koch hatte es bei einer Erbschaftsteilung am 20. September 1946
erworben.
In der Einwohnerliste von ca. 1958 wird das Haus Bauweg Nr. 75
angegeben. Gegenüber bestanden damals die 4 Häuser Nr. 76-82, wovon
drei auf der Siedlungskarte von ca. 1950 erscheinen.
Wir erreichen wieder den Rurbach und somit die alte Grenze Kelmis-
Moresnet (1650-1794). In der Wiese rechts, unweit des Wiesenpfades,
bemerken wir den Grenzstein X von Neutral-Moresnet. Links führt ein
Weg nach Wolfskaul zur Moresneter Straße, während man über einen
Wiesenpfad bergauf durch die Flur "Kepperling" zum Ortsteil Dörnchen
gelangt. Vor einigen Jahren konnte man noch die typische Galmeiflora
66
entlang des Pfades, der "Kälemewäkske" hieß, beobachten. Die von der
"Vieille Montagne" nach Moresnet oder Gemmenich zurückkehrenden
Bergleute hatten genügend Galmei an ihren Schuhen, um im Laufe der
Jahrzehnte die Ausbreitung einer winzigen Galmeitrift zu begünstigen.
Mit dem kräftigen Düngen der letzten Jahre ist davon jedoch jede Spur
verloren gegangen. Ein "Keppeliers wyer" wird schon in einer Urkunde
vom 31. Januar 1469 erwähnt. Dieser Weiher wird von limburgischen
Adligen der Sippe von Walhorn als Grenzpunkt eines Gebietes genannt,
in welchem sie Bergrecht beanspruchen.
Wir gehen den Bauweg bergan. In den Wiesen rechts stehen die
neutralen Grenzsteine VIII und VII. Bald erreichen wir die Kreuzung
zur Bachstraße. Rechts steht das Anwesen "Bau", "a jene bow". Es’
bestanden hier zwei Bauernhöfe nebeneinander. Der erste rechts wird
noch bewirtschaftet. Die Fassade des Wohntraktes hat einen
Zementbewurf erhalten. Der Türsturz aus Blaustein weist aber noch in
einem Rechteck mit nach innen abgerundeten Ecken die Inschrift "IH S
/LH MK / 1778“ auf. Die Erbauer, die Eheleute Leonard Hermens und
Marguerite Keutgens, haben am 23. September 1769 in Moresnet
geheiratet. Der Ehemann ist laut Moresneter Kirchenbüchern im Jahre
VI der Republik (1797-1798) gestorben. Im französischen Kataster (Art.
42) ist die Witwe Leonard Hermens Eigentümerin. Im Jahre 1818 bezahlt
sie nur Grundsteuer, sie wohnt also nicht mehr am „Bau“ und verpachtet
das Gut. Der "marechal", Hufschmied, Lambert Nyssen-Laschet wohnt
1809-1813 im Haus Nr. 37 (insgesamt 9 Bewohner) und bezahlt auch
1817-1818 dort alle Steuern. Von 1824 bis 1827 wird die Witwe Leonard
Hermens als Eigentümerin bezeugt, die mit 53 F Einkommen für die
Grundsteuer des gesamten Gutes veranlagt wird. In den Jahren 1828-
1829 sind es die Erben. Das durchschnittliche Einkommen aus
Grundeigentum beträgt damals im neutralen Gebiet von Moresnet ca.
25,2 F. Später erscheinen, laut Steuerrollen von Neutral-Moresnet,
nacheinander als Eigentümer der in Hergenrath wohnende Landwirt
Lambert Cüpper (1830-1832), dann der Eupener Maas (1833-1841), und
1843-1849 der Landwirt Jean Joseph Beckers, der das Gut auch
bewirtschaftet. Auf der Karte der ” Vieille Montagne" von 1862 ist der
Bauernhof im Besitz von J. H. Maes. Inwiefern dieser mit dem vorhin
erwähnten und mit dem J. J. Beckers, von dem er es erworben hat,
verwandt ist, sei dahin gestellt.
Im ältesten Bevölkerungsregister von Neutral-Moresnet (1856) ist
das Haus Nr. 178 von zwei Tagelöhnerfamilien mit insgesamt 8
67
Familienmitgliedern bewohnt. Der ehemalige Stall, Nr. 179, wird von
einer Bergmannsfamilie mit 4 Angehörigen bewohnt. In der Adressliste
von 1902 erscheint am Bau Nr. 308 die Landwirtin Witwe Johann Thissen.
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Das nicht mehr bewohnte Anwesen Bachstraße Nr. 46
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Die Initialen der Erbauer Claes Hermens und Catherine Smets
68
Die Einwohnerliste von ca. 1958 und die Katasteraufstellung von 1974
geben den Landwirt Pierre Geron im Haus Bauweg (nun Nr. 31) an, der
noch heute dort wohnt und das Gut von Eltern und Großeltern geerbt
hat.
Das zweite Anwesen, Bachstraße Nr. 46, dient heute nur noch als
Lagerraum. Der Bau ist aber interessanter, da die alte Substanz besser zu
erkennen ist. Er entspricht der typischen Bauweise des 18. Jahrhunderts.
Der Türsturz trägt in gleicher Form wie beim vorhergehenden die Inschrift
"IHS/ 17 (Herz) 43/CH CS", womit wir die Erbauer, nämlich Claes
Hermens und Catherine Smets, identifizieren können. Die beiden hatten
am 18. September 1718 in Moresnet geheiratet. Im Theresianischen
Kataster 1770-1774 (Art. 24) erscheint die Witwe Claes Hermens
geborene Catherine Smetz als Eigentümerin mit 2998 Ruten = 6,5340 ha
Grund und rangiert somit an 15. Stelle der 121 Grundeigentümer. Der
Ehemann stirbt laut Moresneter Kirchenbüchern am 26. März 1757 und
die Witwe am 6. Februar 1775. Claes Hermens ist aber schon im
Grundbuch von 1756 (F° 33) als Eigentümer mit 2719 Ruten (ca. 5,93
ha) Grund angegeben, die zu 1 Gulden, 0,9 Stüber veranschlagt sind.
Damit kommt er an 8. Stelle unter den 81 Grundeigentümern. Am 16.
Juli 1723 schon hat das Ehepaar eine Hypothek auf das Gut "den bouw
in den kelmiserheydt" von seinem Schwager Niclaes Franck übertragen
bekommen, der dem früheren Besitzer eine Summe von 1700 Gulden
geliehen hatte. Dieser war der 1719 gestorbene Moresneter Meyer Niclaes
Brandt. Die Witwe Brandt überträgt das Gut dem Ehepaar Hermens erst
am 16. August 1731. Die damals von Hermens schon getätigten
Ausbesserungen am Hof waren 1719 mit 700 Gulden geschätzt worden
und übertrafen den Wert des Gutes. Im französischen Kataster von 1799
(Art. 41) ist Peter Hermens, wohl ein Sohn, angegeben. In den
Steuerheberollen von 1813-1817 (Hausnummer 36) erscheinen die Erben
Nicolas Hermens. In den Einwohnerlisten von 1809-1813 ist Martin
Scheiff-Hermens in Nr. 36 mit 4 Bewohnern registriert. Von 1824 bis
1841 bezahlt Nicolas Hermens 22 F Grundsteuer. Ihm folgt von 1843 bis
1851 Maximilian Radermecker, der auch auf der Karte der "Vieille
Montagne" von 1862 als Eigentümer angegeben wird. Die Adressliste
von 1902 gibt den Oberhauer und Landwirten Hubert Heuschen als
Bewohner des Hauses Bau Nr. 307 an. Nach der Einwohnerliste von ca.
1958 dient das Gebäude noch als Wohnung (Joseph Nyssen-Thelen),
aber laut Katasteraufstellung wird es 1974 als Stall des Pierre Geron
angegeben. An der gegenüber liegenden Straßenecke ist ein dem hl. Judas
69
Thaddäus gewidmetes Kreuz mit verschiedenen Ex-voto-Tafeln errichtet
worden.
Rechts führt die Bachstraße hinunter zum Rurbach. Noch auf der
Höhe, ca. 125 m von der Kreuzung, am Verbindungspunkt der Moresneter
"rue du Ruisseau" (Nr. 25) und der Kelmiser Bachstraße, steht rechts der
Grenzstein VII des ehemaligen neutralen Gebietes. Links, auf Kelmiser
Gebiet, liegt ein älteres Haus mit der typischen Bauweise der ersten Hälfte
des 19. Jh. Es ist auf der Karte der "Vieille Montagne" von 1862
eingezeichnet und gehörte damals einem Johann Peter Niessen, der noch
in der Adressliste von 1902 als gewerbloser Bewohner des Hauses Nr.
306 (Bau) zitiert wird. Im ältesten Bevölkerungsregister von Neutral
Moresnet von 1856 wird der Johann Peter Niessen im Haus Nr. 176 als
Schenkwirt gemeldet. Im Einwohnerverzeichnis von ca. 1958 trägt das
Haus die Nr. 53, vorhin 5.
Laut der erwähnten Karte von 1862 heißt die Flur "Op de Ruyn". Die
Bachstraße ist auf der Moresneter Katasterkarte von ca. 1830 als "Voetpad
de Moresnet" bezeichnet. Vor dem Bau des Eisenbahndammes stellte sie
die schnellste Verbindung von Kelmis nach Moresnet dar. Der Ausbau
dieses Weges als Verbindungsstraße von Neutral- nach Belgisch Moresnet
wurde im vorigen Jahrhundert ernsthaft erwogen, bevor man sich für die
Trasse über Boschhausen entschied. Letztere hatte den Vorteil, eine
Verbindung sowohl nach Moresnet, als auch nach Gemmenich zu
schaffen.
Die Fortsetzung des Bauweges führt links nach Süden zur Kreuzung
Parkstraße / Heide. Am Eingang links befindet sich ein mehrfach
umgebautes Haus, das 1862 als Doppelhaus (Nr. 180, 181) des P. J.
Bouchard erscheint. Laut Bevölkerungsliste von 1856 wohnten hier die
Tagelöhner Peter Joseph Buchard Nr. 181 (insgesamt 6 Bewohner) und
Nikolaus Niessen Nr. 180 (ebenfalls mit 6 Personen). Weiter, etwa auf
halber Länge der Straße, steht rechts ein älteres Bruchsteinhaus mit
Fensterfassungen aus Feldbacksteinen, das aber 1862 noch nicht bestand.
Es war bis kurz vor 1958, in welchem Jahr 5 neue Häuser angegeben
werden (Nr. 1-5 + 9-11), das einzige Gebäude dieses Straßenzuges (Nr.
13, Hubert Franck).
An der Kreuzung Bauweg-Bachstraße biegen wir in die auch von hier
ausgehende "Rottstraße" ein. Dieser alte Weg, an dessen linker Seite
eine kleine Siedlung um ca. 1970 angelegt wurde, verlässt die Kreuzung
schräg. Sein Name erinnert an frühere Rodungen. An der rechten
Straßenseite steht der neutrale Grenzstein VI. Am Ende erreichen wir
70
wieder eine Kreuzung. Rechts führt die Moresneter "Rue du Viaduc"
zum Rurbachtal hinunter.
An der Ecke steht rechts ein älteres, ziemlich hohes Haus aus
Feldbacksteinen, das sich schon in der Gemeinde Plombi@res, früher
Moresnet, befindet und nach der Bauweise dem 19. Jh. zuzuordnen ist.
Vor 1794 gehörte das Gelände bis zum Bach aber zu Kelmis. Im
Moresneter Kataster wird das Grundstück mit dem Haus unter A 141c
angegeben. Um 1864 gehörte es dem Kelmiser Landwirt Theodor
Thimister (Art. 156 der Katasterrolle), der das Haus 1853 erbauen ließ.
Davor gehörte das noch nicht unterteilte Grundstück 141 als "Bauwei"
dem Landwirt Laurent Thimister, wohl dem Vater (Katasterrolle Art. 99).
Die Familie Laurent Thimister-Walraff wohnte 1809-1813 Kelmis Nr.
46. Das Haus wurde 1880 an den Neutral-Moresneter Schmelzer der
"Vieille Montagne" Henri Evertz-Walraff verkauft. Von 1899 bis 1909
war es im Besitz des Neutral-Moresneter Schreiners Chretien Evertz-
Ridder.
Links führt der Weg zum Ortsteil "Driesch", "op e drischke". Auf der
Urkatasterkarte von 1860 heißt es "Auf dem Ginsterdriesch". Früher
dehnte sich also hier eine Ginsterheide auf unfruchtbarem Boden aus,
der durch Verwitterung des schiefrigen Famenne-Sandsteins entstanden
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Das Gehöft „Kelmis“, heute auf dem Gebiet von Moresnet
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ist. Ein Driesch ist ein brachliegender Acker, der eventuell als Weide
dienen kann, bzw. auch eine Weide geringer Güte. In kurzer Entfernung
zur Kreuzung befindet sich südlich des Weges, Nr. 55, der ehemalige
Bauernhof der Geschwister Coemaet. Die Fassade mit Zementputz trägt
die Jahreszahl 1912.
Auf der Urkatasterkarte von 1860 heißt die Flur südlich des Weges
"Im Käfer". Im Kelmiser Grundbuch von 1756 (F° 38) wird schon eine
"weyde aen den keffer" erwähnt, die der Witwe Mees Born-Franssen
gehörte. Im französischen Kataster von 1799 wird diese Wiese (Art. 44/
257) als Besitz des Theodore Walraff genannt. Die Bevölkerungslisten
der Jahre 1796-1817 erwähnen hier ein Haus (Nr. 38), das vermietet ist.
Laut Karte der Vieille-Montagne gehörte es 1862 den Geschwistern Nols.
Wir lassen Driesch links und gehen einen alten Weg hinunter, der
ungefähr die Grenze gegen Belgisch Moresnet, heute Plombieres, bildet.
An der nächsten Wegegabelung steht in der Hecke der Grenzstein V
von Neutral-Moresnet.
Zunächst wollen wir dem Weg noch weiter bis zum Gehöft "Kelmis"
auf dem Gebiet der ehemaligen Gemeinde Belgisch Moresnet folgen.
Vor 1816 und von 1650 bis 1794 lag dieses Gehöft im Gebiet der
Herrschaft und Gemeinde Kelmis. Die Grenze gegen Moresnet bildete
auch hier der unten fließende Rurbach bis zur Einmündung in die Göhl
unterhalb des Gehöfts. Dieses gehört zum alten Kern der früheren
Herrschaft und Gemeinde Kelmis, dem wir schon etwas südlicher um
die Rochuskapelle, ”e jen dörp", begegnet sind. Von den beiden hier
stehenden ehemaligen Bauernhöfen ist einer besonders interessant. Um
einen Hof stehen verschiedene Gebäude aus Famenne-Bruchsandstein.
Dieser konnte unweit in kleinen Steinbrüchen gewonnen werden. Das
Wohnhaus besitzt traditionelle rechteckige Öffnungen mit
Blausteinfassungen. Oberhalb der Eingangstür trägt der Sturz in einem
eingeritzten Rechteck mit nach innen abgerundeten Ecken die Inschrift :
"1753/1.W.R./G.S./IH S". Das Ehepaar Jean Wal-Raff und Gertrude
Smets, das am 5. Februar 1742 in Moresnet geheiratet hat, baute das
Haus 1753. Die Ehefrau verstirbt laut Moresneter Kirchenbuch am 13.
Januar 1788.
Was die Identifizierung des Erbauers erschwert, ist die Tatsache, dass
in der alten Gemeinde Kelmis gleichzeitig zwei gleichnamige
Grundbesitzer erscheinen. Ein Johannes Walraeff (Wal-Raff) hat das Gut
von Mathys Vaesen mit 2163,5 Ruten (ca. 4,72 ha) Grund laut Grundbuch
von 1756 (F° 43 v°) übernommen. Dieses Gut wurde mit 17,75 Stüber
72
veranschlagt und stand somit an 10. Stelle. Ein anderer Joes (Johannes)
Walraeff wird im gleichen Grundbuch (F° 45) mit 2385,25 Ruten (ca.
5,20 ha) Grund und einem Haus angegeben, das er von einem Christiaen
Wertz erworben hat. Mit 18,6 Stüber veranlagt, rangiert er an 9. Stelle
unter den 81 Kelmiser Grundeigentümern.
Im Theresianischen Kataster von 1770-1774 (Art. 29) erscheint ein
Joes Walraeff mit 1742 Ruten (ca. 3,8 ha) Grund und kommt an 35. Stelle
der 121 Grundeigentümer. Der andere (Nr. 33), mit 4834 Ruten (ca. 10,32
ha) Grund, rangiert an 6. Stelle unter den Grundeigentümern. Welcher
von beiden nun Bauherr des Hauses im Jahre 1753 ist, habe ich auf Grund
der Quellen nicht bestimmen können.
Laut Steuerheberollen von 1818 wird das Grundeinkommen des
Mathieu Walraf im belgisch gebliebenen Teil von Kelmis mit 205 F
geschätzt. Er wird schon im französischen Kataster von 1799 (Art. 46)
mit 2 Häusern angegeben. Das Ehepaar Mathieu Walraff und Claire
Schillings wohnt 1796-1813 in Kelmis Nr. 45 (8 bzw. 9 Bewohner). Sie
hatten am 14. Januar 1787 in Moresnet geheiratet. Im Kataster der
Gemeinde Belgisch-Moresnet ist das Grundstück mit den Gebäuden unter
A 148 angegeben. Im Jahre 1846 erscheinen die Erben des inzwischen
verstorbenen Landwirts Mathieu Walraff (Katasterrolle Art. 105) als
Eigentümer (Katasterrolle Art. 184). Sie verkaufen das Gut 1849 an Anne-
Marie Jamar, Ehefrau des Moresneter Schreiners Henri Pelser (Art. 194
derselben Rolle.). Durch Erbschaft wird es 1865 der Moresneter Familie
Joseph Charlin-Gaspar übertragen. Der in Cornesse wohnende Landwirt
Nicolas Joseph Pelzer erwirbt das Gut im Jahre 1872. Es folgt 1915 die
Landwirtin Witwe Pelzer-Schils mit Kindern.
Etwas tiefer rechts steht ein weiteres umgebautes Gebäude, das laut
Moresneter Kataster im Jahre 1864 aus drei Häusern besteht. Das
westliche Grundstück mit Haus A 154 gehört der vorerwähnten Anne-
Marie Jamar. Die aufeinander folgenden Besitzer sind dieselben wie beim
vorhin erwähnten Grundstück A 148. Das mittlere Haus, Grundstück A
155, gehört dem Kelmiser Tagelöhner Jean Carabin (Katasterrolle Art.
16). Carabin verkauft dem oben erwähnten Landwirten Nicolas Joseph
Pelzer Haus und Hof im Jahre 1872 (Art 194 der Katasterrolle).
Das östliche Grundstück A 157a mit Haus und Hof gehörte zuerst um
1830 den in Lontzen wohnenden Kindern des Lambert Born (Art. 5) und
1864 dem Moresneter Arbeiter Chretien Vandesanden (Art. 183). Dieser
verkauft sein Gut 1874 ebenfalls dem schon genannten Nicolas Joseph
Pelzer (Art. 194). Die Steuerheberollen von 1818 geben den bedürftigen
BB
Tagelöhner Lambert Born in Belgisch Moresnet an, der 1813 als Weber
gemeldet wird. Nach den Einwohnerlisten von 1809-1817 wohnt die
Familie Lambert Born - Marie Josephe Hermens im Hause Nr. 44/3 (5
Bewohner). Daneben, Nr. 44/2, wohnt eine Verwandte, die Witwe Jean
Olislaeger geb. Anne Marie Born, und in Nr. 44 die Witwe Barbe Nyssen-
Hermens. Diese 3 Häuser entsprechen wohl den Gebäuden des Jahres
1864.
Einem Jean Olislaeger begegnen wir 1790 in der Aufstellung der
Kelmiser Bergarbeiter.
Im französischen Kataster von 1799 (Art. 45) erscheint die Witwe
Barthelemy Born mit Haus, Garten und Hausweide. Laut Theresianischem
Kataster 1770-1774, Art. 32, besitzt der Kelmiser Bartholomeus Born
ein Haus mit 994 Ruten (ca. 2,17 ha) Grund. Im Kelmiser Grundbuch
von 1756 (F° 42) wird Mees Born mit "huys ende hooff' und 569 Ruten
(ca. 1,24 ha) Grund an 47. Stelle der 81 Grundeigentümer angegeben. Er
erwirbt noch im gleichen Jahr 411 Ruten (ca. 0,90 ha) Grund aus der
Erbschaft seiner Frau Gertrude Franssen. Ein Daem Born kommt mit
"huys, hof” und 419,5 Ruten (ca. 0,91 ha) Grund im Grundbuch von
1686 (F° 36, Nr. 45) vor und ist am 7. April 1693 gestorben. Seine Witwe
geborene Anne Nicolai starb am 14. August 1706.
In der Nähe des Gehöfts steht noch 1864 auf dem Grundstück A 152b
das Häuschen des Moresneter Tagelöhners Guillaume Duyckaerts-
Vandenzanden (Art. 223). Es gehörte um 1830 dem Kelmiser Tagelöhner
Jean Carabin. Es wurde mehrmals, und zwar 1888 und 1889 vergrößert;
1910 erwarb es der Landwirt Nicolas Joseph Pelzer. So hatte dieser im
Laufe der Zeit das gesamte im Moresneter Teil liegende Gut Kelmis
erworben.
Wir kehren zurück zum Grenzstein V, um der heute Hagenfeuer (vom
Flurnamen "hagelvür") genannten Straße nach Südwesten zu folgen, die
ungefähr parallel zur Göhl am Ostabhang des Bachtales verläuft. Bald
erreichen wir ein altes Gehöft, das früher den Namen "Kelmes" trug. In
der Einwohnerliste von ca. 1958 werden hier 5 Hausnummern
(Hagenfeuer Nr. 87-95) angegeben, darunter der von Guillaume Taeter -
van Houtem bewirtschaftete Bauernhof. Einige Häuser sind im Laufe
der Zeit umgebaut worden, verraten aber noch die alte Substanz. Die
Vorderfassade am Wohntrakt des Bauernhofes ist leider schon vor
Jahrzehnten mit einem Zementputz versehen worden, so dass das
Fachwerk der Etage nur vermutet werden kann. In der Adressliste von
1902 werden diese Häuser mit „Heide 293-298“ nummeriert. Der
74
Tagelöhner und Ackerer Egidius Thaeter wohnt Nr. 293, der Ackerer
Johann Hackens Nr. 294.
Laut Karte von 1862 ist Guillaume Francois Eigentümer der beiden
ersten kleinen Häuser, während die Witwe J. Schyns den östlichen Teil
des Bauernhofes und Theodor Thimister zwei weitere Gebäude desselben
besitzt. Aus der ältesten Bevölkerungsliste von Neutral Moresnet (1856)
entnehmen wir, dass der Bergmann Wilhelm Francois mit seiner Ehefrau
Anna Maria Deby und zwei Kleinkindern im Haus Nr. 170 wohnt.
Daneben, in der Nr. 171, wohnt die Schuhmacherfamilie Christian
Vandegard - Franck (4 Personen). Im Häuschen Nr. 169, an der Straße,
heute ein Schuppen, wohnt der Tagelöhner Mathias Hamel (7 Personen)
und im höheren Fachwerkhaus Nr. 168 registrierte man den Bäcker Johann '
Schyns, Ehemann der Maria Catharina Walraff. Dieser wird schon 1827
als Bäcker in der Steuerheberolle erwähnt, bezahlt aber noch keine
Grundsteuer bis 1841. Er scheint seit 1824 im Haus der Erben Anna
Cathrin Walraff zu wohnen. Die Teilung der Erbschaft hat vermutlich
erst 1841 stattgefunden. Der Kapitalwert seines Grundeigentums wird
auf 18 F geschätzt. Die berufliche Patentsteuer zahlt er 1835 (älteste
erhaltene Heberolle) bis 1858, seine Witwe zahlt dieselbe 1859-1860.
Der Johann Schyns wird am 27. August 1833 vom Bürgermeister von
Lasaulx zu einer Versammlung der Neutral-Moresneter „Meistbeerbten“
(= vermögendsten Bürger) eingeladen. Diese Versammlung soll in
Ermangelung eines eigenen Gemeinderates Gutachten zur Veräußerung
von Gemeindegut erteilen. Am 26. August 1854 wird er dann von den
königlichen Verwaltungskommissaren in den neugegründeten eigenen
Gemeinderat von Neutral-Moresnet berufen. Er ist am 8. Januar 1858
gestorben.
Das Gut könnte vom Landwirt Theodor Walraff herrühren, der laut
Steuerheberolle von 1818 im Neutralen begütert ist, wo sein
Grundeinkommen mit 119 F veranlagt wird. Im französischen Kataster
von 1799 (Art. 44) ist der Witwer Theodore Wallraeff Eigentümer von 2
Häusern, Wiesen und Ackerland. Er hatte am 21. November 1772 in
Moresnet die Sibille Mostert geheiratet.
Wahrscheinlich ist Theodore Wallraeff ein Sohn eines der beiden 1770
erwähnten Grundeigentümer namens Johannes Walraf (Art. 29, bzw. 33),
auf die wir schon oben eingegangen sind. Nach den Einwohnerlisten
von 1809-1813 wohnt er Kelmis Nr. 41. Im Nachbarhaus Nr. 42 wohnt
1809-1813 die Tagelöhnerfamilie Henri Thimister - Anne Catherine
Pome. Die Witwe Henri Thimister erscheint in der Neutral-Moresneter
75
Steuerrolle von 1818, ohne jedoch Grundsteuer bezahlen zu müssen. In
den Jahren 1856-1862 sind die restlichen Gebäude des Hofes "Kelmes"
(Nr. 167) Wohnung und Stallung des Ackerers Theodor Thimister -
Horregard (5 Bewohner), der 1841 zu 38 F Grundeinkommen veranlagt
wird, aber erst 1843 die anderen Steuern eines Einwohners bezahlt. Sein
Vorgänger ist der 1824-1839 erwähnte Tagelöhner Laurenz, bzw. Laurent
Thimister (1829). Dieser Laurent Thimister-Walraff wohnt 1809-1813
in Kelmis Nr. 46, im später belgisch gebliebenen Teil (?). Im Jahre 1840
erscheinen dessen Erben. Der Bäcker Theodor Thimister wird am 26.
August 1854 in den Neutral-Moresneter Gemeinderat ernannt, dem er
bis zu seinem Tode am 20. März 1879 angehört. Als Bäcker bezahlt er
die berufliche Patentsteuer 1843-1844, scheint danach jedoch den Beruf
gewechselt zu haben.
In den Wiesen des früheren Bauernhofes ist vor einigen Jahren die
Parzellierung "Im Käfer" durchgeführt worden. Dieser Flurnamen betrifft
eigentlich die gegenüber liegenden Wiesen.
Von hier beobachten wir gut die Hinterfassaden der alten Häuserreihe
"im Kloster", die teilweise umgebaut worden sind. Die Bezeichnung
steht, so viel ich feststellen konnte, nicht in Beziehung zu einem
ehemaligen Klosterbesitz. Vielleicht kommt sie daher, dass viele Leute
dort wohnten, fast wie in einem Kloster? Der Name kommt nicht im
Urkataster vor, hier steht der Flurnamen "In der Heid". In der Adressliste
von 1902 werden drei Häuser Nr. 290-292 am Ort „Kloster“ erwähnt.
Die Einwohnerliste von ca. 1958 sowie die Katasteraufstellung von 1974
geben hier die 4 Häuser Hagenfeuer Nr. 69-75 an. Nach der Karte von
1862 gehören die dortigen Häuser Nr. 165-166 dem Schreiner Johann
Joseph Wehrmeister, der 1856 die Nr. 166 mit 8 Familienangehörigen
bewohnt. Im Nebenhaus, Nr. 165, wohnen zwei Tagelöhnerfamilien und
ein einzelner Tagelöhner, insgesamt ebenfalls 8 Personen. In den Steuer-
heberollen von Neutral-Moresnet wird Jean Joseph Wermeester 1852-
1854 mit 17 F Grundeinkommen als Tagelöhner, im Jahre 1857 als
Schreiner angegeben. Als solcher erscheint er 1854 unter den 20
Meistbeerbten, die den Königlichen Kommissaren als Gemeinde-
ratsmitglieder vorgeschlagen werden. Ernannt wird er am 3. Juli 1858.
Er dankt am 14. Januar 1865 ab. Vordem wird in den Steuerheberollen
von 1818-1847 der Landwirt Mathieu Wermeester mit jeweils 37 F
Grundeinkommen aufgeführt. Am "Kloster", damals Nr. 49, wohnte 1796-
1809 die Familie Jacques Wermeester-Lenoir. Nach dem Theresianischen
Kataster 1770-1778 (Art. 36) und dem französischen Kataster (Art. 51)
76
besitzt Jacobus Weermeester "in de Heydt" "huys, stal, backhuys" und
725 Ruten (ca. 1,58 ha) Grund. Das Grundbuch von 1756 (F° 50v°) gibt
Jacobus Weermester als Nachfolger der Maria Gertrudis Lenoir (die
Schwiegermutter ?) mit "huys, hooff" und 724,5 Ruten Grund an. Jacques
Wermester und Gertrude Lenoir haben am 27. Mai 1769 in Moresnet
geheiratet.
Wir erreichen nun einen Weg, der links bergauf zum Driesch führt.
Auf halber Höhe steht rechts, etwas abseits, ein umgebautes älteres Haus,
das 1862 als Doppelhaus eingezeichnet ist: Eine Hälfte (Nr. 164) gehörte
dem Aufseher Jakob Taeter, der das Haus 1856 mit 7 Mitbewohnern
belegte. Die andere Hälfte (Nr. 163) gehörte dem Aufseher Theodor van
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Kreuz an der Ecke Driesch-Heide (errichtet 1891)
4
Wersch mit 5 Familienangehörigen. Beide waren bei der "Vieille
Montagne" beschäftigt. In der Drieschstraße selbst entdecken wir rechts
auch zwei ältere Häuser aus dem Anfang des 19. Jh. Das erste an der
Ecke (1958: Driesch Nr. 39-41) gehörte 1862 als Doppelhaus (Nr. 173)
dem Tagelöhner Franz Joseph Frank, der dort 1856 mit 7
Familienangehörigen wohnte und die zweite Hälfte vermietet hatte. 1856
sind dort 5 Bewohner gemeldet. Etwas weiter nach Süden befindet sich
1862 das Haus Nr. 174 (1958: Nr. 33-35). Hier wohnte im Jahre 1856
der Schmied Ludwig Niessen mit 7 weiteren Personen. Schräg gegenüber,
auf einer Anhöhe, am Ort genannt Rott, steht ein weiteres Haus aus der
Mitte des 19. Jh. Es gehörte 1862 der Witwe M. J. Wermeister, geborene
Sibille Niessen. In diesem Haus Nr. 175 wohnten im Jahre 1856 3
Haushalte mit 11 Personen. Auf der Siedlungskarte von ca. 1950 sind
alle diese Häuser gut erkennbar. Zusätzlich befinden sich auf der
nördlichen Seitezin der Flur "Auf dem Ginsterdriesch", neun
Reihenhäuser, die Hausnummern 30-46 der Einwohnerliste von 1958.
An der Ecke Driesch / Heide steht ein interessantes gusseisernes Kreuz
auf Betonsockel.
Wir biegen rechts nach Westen und gehen die Heide hinunter. Auf der
Karte von 1862 wird die Flur links als "Slaek" bezeichnet. An der nächsten
Kreuzung Hagenfeuer / Heide erhebt sich ein hohes Haus aus Feldbrand-
steinen (heute Nr. 59-61, inzwischen verklinkert), das erst Ende des 19.
Jh. gebaut worden ist. Es erscheint nicht auf der Karte von 1862. Bevor
wir weiter der Heide folgen, wollen wir einen Abstecher nach Süden
machen. Die Flur links, wo neuerdings eine Parzellierung angelegt wurde,
heißt 1862 "Siegel" und die Flur rechts "Lauerhauf". Die Bezeichnung
"in den lewenhooff" bzw. "Leuven hooff‘ erscheint öfters im
Theresianischen Kataster 1770-1774 sowie im Grundbuch von 1756. Er
mag wohl mit einem Bauernhof "zum Löwen" in Beziehung zu bringen
sein. Auf dieser Flur befinden sich 1862 drei kleine Häuschen (Nr. 158,
157, 156). Die beiden ersten, der Witwe P. Rompen bzw. dem C. Vandegard
gehörend, sind anscheinend an Tagelöhner vermietet, die dort 1856 mit 4
bzw. 6 Personen wohnen. Das letzte gehört dem Schreiner Bartholomäus
Kohl. Nach der Karte von 1950 ist dem mittleren Haus ein weiteres
angebaut. worden: Es trägt in der Einwohnerliste von 1958 die
Hausnummern 41-47 bzw. Hagenfeuer Nr. 87, 89, 93, 95 nach der
Katasteraufstellung von 1974. Die Straße durchschneidet hier ein breites
Nebental der Göhl. Das teilweise kanalisierte Bächlein folgt einem Streifen
weicherer Gesteine: Es sind Schiefer und Sandsteine der Famenne-Stufe.
78
Wir erreichen bald eine Wegegabelung. Der Weg „Hagenfeuer“,
"hagelvür" steigt links hinauf. Rechts biegt der "Vogelsang" zum Göhltal
hinunter. Der Flurnamen Vogelsang kann als "ödes Gelände, das den
Vögeln überlassen blieb" interpretiert werden. An der südlichen Seite
des Weges im Abhang bestehen 1862 drei Einzelhäuschen: Die Nummern
113, 114 und 115 der Einwohnerliste von 1856. In Nr. 115 wohnen 1856
der Eigentümer, der Schuster Jakob Pomm6&-Klein, bzw. Pomai, und eine
gemietete vierköpfige Tagelöhnerfamilie. Das Haus Nr. 114 des Peter
Mingelbier ist einer Tagelöhnerfamilie vermietet (5 Bewohner). In Nr.
113 (Eigentümer F. Emonds) wohnt ein Verwandter, der Tagelöhner Brix
Emonts-Beckers (7 Personen).
Unten im Tal, rechts vor dem großen Bogen zur Lütticher Straße;
befindet sich jetzt ein Neubau. Vor einigen Jahren stand dort die Ruine
eines alten Gebäudes. Hier hat in der Zwischenkriegszeit der als "KXnauke
Jup" bekannte Althändler gehaust. Die Karte von 1950 gibt noch 3 kleine
Reihenhäuser an, die schon 1862 bestehen; davon werden zwei in der
Katasteraufstellung von 1974 (Schlack Nr. 3-5) als Ruine bezeichnet.
Diese letzten Hausnummern sind schon nicht mehr in der Einwohnerliste
von 1958 angegeben. Nach der Einwohnerliste von 1856 wohnt Nr. 116
der Eigentümer und Tagelöhner Heinrich Lemmens-Hendrichs (3
Bewohner). Das Haus Nr. 117 des N. Pomme ist an eine Tagelöhnerfamilie
(8 Personen) vermietet. Der Eigentümer und Tagelöhner Johann Peter
Ahn-Schyns wohnt Nr. 118 (5 Bewohner). Diese Häuschen erscheinen
schon in den Einwohnerlisten von 1809-1817 (Nr. 60-62). Es wohnen
dort Pierre Schyns - Odile Plaire, Francis Pomm6&-Reip und Jean Seeger
- Jeanne Barbe Stevens. Laut Neutral-Moresneter Steuerheberolle von
1818 wird der Tagelöhner Pierre Schyns mit einem Grundeinkommen
von 1 F, der Schuster Francois Pomme mit 3 F veranlagt, während Jean
Sieger nur Steuer auf Türen und Fenster bezahlt. In den folgenden Jahren
bemerken wir, dass 1824-1841 der Johann Franz Pomme zu 3 F
Grundeinkommen geschätzt wird, dann 1843-1851 sein Erbe Jacques
Pomme. Von 1824 bis 1841 wird das Grundeinkommen des Jean Seeger
mit 1 F geschätzt. Es folgt ihm 1843-1851 Pierre Joseph Bounie, der das
Gut erworben hat.
Im französischen Kataster von 1799 erscheint Pierre Schyns (Art. 57)
mit Haus, Garten und Hauswiese. Im Theresianischen Kataster von 1770
(Art. 43) wird er mit "huys ende mestplaetse" von insgesamt 4 Ruten
(ca. 87 m?) aufgeführt. Er wird 1777-1790 unter den Bergleuten des
Altenberges genannt. Neben diesem Haus besitzt 1799 Jean Slottmecker
es
Haus und Garten (Art. 56). Dieser hat am 25. April 1775 in Moresnet die
Marie-Catherine Majar geheiratet. Er wird 1796 als "savetier", Schuster,
bezeichnet. Haus und Beruf hat scheinbar kurz danach Francois Pomme
übernommen. Nach dem Theresianischen Kataster (Art. 44) besitzt der
"inwoonder ende schoenmaecker van fynen stiele" Joannes Schlotmecker
2 Häuser, wovon eins nach 1770 gebaut wurde, mit 521 Ruten (ca. 1,14
ha) Grund. Im Jahre 1782 hat er unter den zehn Kelmiser ”handwercks
Iuyden" 1/4 Gulden Berufssteuer zu zahlen. Sein Gut ist mit einer Erbrente
von 1/2 Müdde Korn zugunsten der Herrschaft Eynenberg belastet, d. h.,
dass diese Grundherrschaft sich ursprünglich bis hier erstreckte. Das dritte
Haus "Vogelsang" mit Garten gehört 1799 (Art. 32/180, 182) den Erben
Jean Stevens und wird dann von Jean Sieger-Stevens erworben. Die Erben
besitzen auch anderswo Grund. Im Theresianischen Kataster von 1770
(Art. 22) wird dieses Gut erwähnt, aber ohne Beziehung zum Vogelsang.
Ein Jean Segher wird 1777 in den Bergarbeiterlisten erwähnt.
Wir kehren nun um und gehen links die Heide hinunter. Dieser Weg
bildet einen Teil der alten ”naeberstraet", die bis zum Bau der Chaussee
Herve-Aachen um 1750 den Verbindungsweg Aachen-Lüttich darstellte.
An älteren Bauten entdecken wir auf der rechten Seite ein kleines
Häuschen quer am Straßenrand (1958: Nr. 30), und, etwas zurückstehend,
ein hohes Gebäude aus Fachwerk mit Sockel und hohen Giebeln aus
Bruchsteinen (1958: Nr. 34). In den 50er Jahren wurden einige
bedauerliche Umbauten vorgenommen: Ein Anbau versteckt den
nördlichen Giebel, in welchem sich eine rundbogige Tür befand. In
unserer Gegend gehört diese Bauart noch zum 17. Jahrhundert und es
bestehen nur noch wenige Beispiele. Es wurde auch der am Straßenrand
stehende Backofen abgerissen. Etwas tiefer und noch mehr zurückstehend
entdecken wir einen langgestreckten Bau mit großem Scheunentor. Dieser
wurde mehrmals umgebaut, u. a. nach einem Brand. Die alte Struktur ist
aber noch gut erhalten. Dieser Bau entspricht den Hausnummern 38 und
40 der Einwohnerliste von 1958.
Nach der Karte von 1862 gehörte das hohe Haus mit zwei
querstehenden Gebäuden links und rechts des Vorhofes dem Guillaume
Joseph Schillings. Es trägt die Nr. 162 der Einwohnerliste von 1856.
Hier wohnte der 56jährige Ackerer Willem Joseph Schillings mit 2
Kindern von 19 bzw. 16 Jahren, der 31jährigen Magd Helene Schröder,
die er später heiraten wird, und dem 80jährigen Schäfer Jakob Frank.
Diese Mitteilung ist ein interessanter Hinweis auf die ehemals in unserer
Gegend betriebene Schafzucht. Schillings wird am 26. August 1854 von
80
den königlichen Verwaltungskommissaren in den neugebildeten Neutral-
Moresneter Gemeinderat berufen, dem er bis zu seinem Tode am 25. Juli
1864 angehört. Vorher erscheint er ab 1852 mehrmals in Versammlungen
der sog. Meistbeerbten, die notfalls den fehlenden Gemeinderat ersetzen.
Laut Todesanzeige heißt die Witwe Marie-Madeleine Schröder und hatte
der Verstorbene in erster Ehe Anne-Marie Duyckaerts geheiratet. Vorhin
gehörte das Gut dem Landwirte-Ehepaar Nicolas Joseph Schillings und
Marie Elisabeth Caan, das in den Einwohnerlisten von 1796-1817 (Haus
Nr. 48) erscheint. Beide sind in Moresnet getauft worden, er am 3. April
1768 und sie am 27. März 1764. Sie heiraten im Jahre X der Republik
(1801-1802) laut den Moresneter Kirchenbüchern. Im Jahre 1818 wird
er zusammen mit seinem Bruder Lambert zu 68 F Grundeinkommen ’
veranlagt. Dieses wird von 1824 bis 1858 auf 89 F festgelegt, das
dritthöchste des Jahres 1824. Seit 1834 wird die Witwe als Eigentümerin
angegeben. Im Jahre 1859 wird der Betrag auf 49 F reduziert. Zusätzlich
wird das Ehepaar, bzw. die Witwe, noch von 1824-1849 zu 65 F
Grundeinkommen für das Gut Schnellenwind veranlagt, das die Frau
von ihren Eltern geerbt hat. Somit ist die Familie Schillings-Caan die
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Zn = BE A
7 m 338,
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Kelmis, Heide Nr. 46, ehemals Besitz des Schöffen Willem Joseph Schillings
81
reichste an Grundeigentum im neutralen Gebiet. Später wurde das Gut
Schnellenwind nach und nach veräußert u. a. an die "Vieille Montagne",
die dort die heutige Kirchstraße anlegte. Von 1851 bis 1854 wird die
Witwe Schillings noch für Grund am Schnellenwind besteuert, das
Grundeinkommen ist aber von 65 F auf 9 F reduziert worden. In der
Franzosenzeit scheint Nicolas Joseph Schillings mit den neuen
Machthabern sympathisiert zu haben. Am 20. Flor&al des Jahres IV (9.
Mai 1796) wird er als "agent municipal", (Gemeindevorsteher) der
"municipalit& de Moresnet et Kelmis" erwähnt, die am 14. Frimaire des
Jahres III (4. Dezember 1794) gebildet worden war. Der "maire",
Bürgermeister, Schillings dankt am 5. Thermidor des Jahres X (24. Juli
1802) ab und wird am 12. Thermidor vom Präfekten durch Arnold
Lassaulx ersetzt. Im französischen Kataster von 1799 (Art. 49) ist seine
Mutter, die Witwe Willem Joseph Schillings, noch Eigentümerin des
Gutes mit dem Hause Nr. 48 im Ortsteil "Kelmis". Laut Theresianischem
Kataster von 1770-1774 (Art. 35) besitzt der "schepen van Kelmis ende
van Moresnet" Willem Joseph Schillings "huys ende voordere bouwinge
met bedryff' und 5595 Ruten (ca. 12,19 ha) Grund. Er rangiert an 2.
Stelle unter den 120 Privatgrundeigentümern. Unter anderem besitzt er
den 774 Ruten (1,69 ha) großen "Zielen Bempt" im Göhltal, der schon
1469 erwähnt wird. Er ist auch Schöffe, d. h. Urteitsfinder, in den damals
getrennten Herrschaften Kelmis und Moresnet. Für angesehene und reiche
Grundeigentümer ist es vor 1794 nicht selten, ein Schöffenamt an
verschiedenen Gerichten zu bekleiden. In der Herrschaft Kelmis wird er
am 25. Januar 1737 vereidigt und noch am 25. Mai 1786 erwähnt. Von
1776 bis 1788 erscheint er als auch als "regleur" oder Bürgermeister der
alten Gemeinde Kelmis. Im Jahre 1783 hat Guillaume Joseph Schillings
29 Karren Holz aus dem Preuswald zum Bergwerk gefahren. Im gleichen
Jahr liefert er dort zu Karneval 5 Fass Bier. Nach altem Brauch wurde
den Bergleuten alljährlich Bier von der Bergwerksleitung spendiert. Er
wird 1789 als "charretier de la montagne", Fuhrmann des Bergwerks,
bezeichnet. Getauft wurde er in Moresnet am 18. Juli 1741 als Sohn des
Henri Schillings und der Catharina Kool. Am 27. November 1762 heiratet
er in Moresnet die Marie Catherine Dobbelstein. Gestorben ist er laut
Moresneter Kirchenbüchern am 19. März 1789. Der Montzener Notar
C. M. Schever beurkundet am 26. September 1766, das W. J. Schillings
seinem Schwager Nicola l'’Egyptien einen Betrag von 1500 Gulden
bezahlt hat. Die Schuld rührte aus der Teilung der Erbschaft Dobbelstein
am 21. Dezember 1764 her. Im Grundbuch von 1756 (F°49 r° u. v°)
82
kommt die Witwe Johannes Dobbelstein mit "hus ende hooff met den
weyer" und 4811,5 Ruten (ca. 10,49 ha) Grund vor, die zu 2 Gulden, 1,9
Stüber Grundeinkommen geschätzt werden. Sie rangiert an erster Stelle
unter den 81 Grundbesitzern. Das Grundbuch von 1686 gibt Jan
Dobbelstein (F° 37, Art. 49) mit 1880,75 Ruten (ca. 4,10 ha) an. Dazu
gehört der oben erwähnte "zillienbempt" und der "koilhoff",
Gemüsegarten, "over de heystraet". Er steht an 8. Stelle unter den 84
Grundbesitzern. Johannes Dobbelstein ist auch Schöffe beim Kelmiser
Gericht. Vereidigt wurde er am 13. April 1725. Sein Todestag liegt vor
dem 25. Januar 1737.
Im etwas tiefer gelegenen langgestreckten Gebäude befinden sich 1862
die Wohnungen der Landwirte Edmund Scharres und Arnold Hermens.’
Nach der Einwohnerliste von 1856 wohnt der Ackermann Edmund
Scharis mit 10 Familienangehörigen im Haus Nr. 161. Als Meistbeerbter
beteiligte er sich 1833-1854 an den einberufenen Versammlungen, die
den noch fehlenden Gemeinderat ersetzten. Er wurde dann auch am 26.
August 1854 in den Gemeinderat ernannt, dem er bis zu seinem Tode am
30. Mai 1864 angehörte. Laut Todesanzeige wurde Johann Edmund
Scharis am 30. November 1789 in Henri-Chapelle als Sohn von Edmund
Scharis und Anna Margaretha Küttingen geboren. Er heiratet am 2. Mai
1814 in Montzen die Maria Elisabeth Hermens. Diese war am 17. Februar
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Das Gut „In der Heide“, ehemals Hermens, später Scharis
83
1794 in Moresnet als Tochter des Heinrich Hermens und der Johanna
Maria Caen geboren. Nachdem sie 12 Kinder geboren hatte, verstarb sie
am 23. September 1843. Das Gut in der Heide hat das Ehepaar von den
Eltern Hermens übernommen. Im französischen Kataster von 1799 (Art.
47) ist die Witwe Henri Hermens Eigentümerin von Haus, Garten, Wiesen
und einem Acker. Ein Henri Hermens hat am 10. April 1793 in Moresnet
die Jeanne Marie Chan (wohl Caen!) geheiratet. Das Gut ist scheinbar
verpachtet, da in den Jahren 1809-1817 eine Familie Chretien Straet-
Corman im Haus Nr. 47 wohnt. Laut Theresianischem Kataster von 1770-
1774 (Art. 34) besitzt der "borgermeester” Peter Lambert Hermens "huys,
stalling, mestplaetse" und 5099 Ruten (ca. 11,11 ha) Grund. Er rangiert
an 5. Stelle unter den 120 Privatgrundbesitzern. Laut Urkunde des
Montzener Notars C. M. Schever vom 1. Oktober 1755 ist er mit Elisabeth
Dobbelstein verheiratet. Er ist also ein Schwager seines Nachbarn W. J.
Schillings.
Im Grundbuch von 1756 (F° 47) erscheint Peter Lambert Hermens an
2. Stelle der 81 Grundeigentümer. Er besitzt "huys ende hoof coemende
van Steffen Heyendael" mit 5100,5 Ruten (11,12 ha) Grund, die zu 2
Gulden, 0,75 Stüber Grundeinkommen veranlagt werden. Dank dieser
Angabe können wir das Grundbuch von 1686 konsultieren. Hier wird
(F° 36 v°, Art. 48) Steffen Heyendael mit 2012,25 Ruten (ca. 4,39 ha)
Grund angegeben. Er rangiert an 6. Stelle der 84 Grundeigentümer. Dieser
Heyendael ist 1668-1699 Schöffe der Herrschaft Kelmis. Er wird schon
am 12. September 1651 mit einem Haus "in de kelmiser heide" und in
einer Aufstellung von 1627 erwähnt. Ein Etienne (= Stefan) Heyendael
ist laut Moresneter Kirchenbuch am 26. Oktober 1706 verstorben.
Neben dem Bauernhof Scharis wird 1862 auf der Karte der "Vieille
Montagne" der Bauernhof Hermens angegeben. Scheinbar wurde das
Gut des Peter Lambert Hermens unter zwei Söhne, den oben zitierten
Henri Hermens, und Arnold Hermens geteilt. Im französischen Kataster
von 1799 (Art. 48) erscheint die Witwe Arnold Hermens mit Haus, Garten
und Grund. Ihr Ehemann ist laut Moresneter Kirchenbüchern am 3. März
1795 gestorben. Die Witwe Marie Elisabeth Hermens geb. Braun heiratet
am 6. Juni 1796 Mathias Thimister. Im Jahre 1856 ist das Haus Nr. 160
an die Tagelöhnerfamilie Iserentant (7 Personen) vermietet.
Wir erreichen bald die Neutral-Moresneter Westgrenze. Rechts im Zaun
des ehemaligen Bauernhofes Hermens befindet sich der Grenzstein III
und links in der Wiese (bis vor nicht langer Zeit auf einer kleinen Anhöhe)
der Grenzstein III des neutralen Gebietes. Der Weg "Heide" endet kurz
84
danach am Bahndamm der 1870 angelegten belgischen Eisenbahn, die
das Bergwerk mit dem Bahnhof Moresnet und dem belgischen
Eisenbahnnetz in Richtung Welkenraedt-Lüttich bzw. Bleyberg verband.
Nach Westen hin ist die alte Wegetrasse noch durch einen Wiesenpfad
markiert. Eine Brücke über die Göhl ermöglicht es, den Ortsteil Hof zu
erreichen. Von hier werden wir den Rundgang später ergänzen.
85
Die Spinne
von M. Th. Weinert
In des Daches Rinne
sah ich eine Spinne,
in die Kreuz und in die Quer
rannte sie dahin, daher,
zog und hing und schwang sich, schlüpfte,
drehte, spann und spannte, knüpfte
ihren langen Seidenfaden
zu dem Netz in irrem Kreise,
um auf diese wirre Weise
ihre Gäste einzuladen...
Danach in der dunklen Ecke
lauernd unter meinem Fenster,
saß die Spinne im Verstecke,
Augen starr wie Schreckgespenster.
Und ich sah: Es tanzten Mücken
auf und ab im Sonnenschein
über diesem Netz voll Tücken,
doch sie fielen nicht hinein!
Lediglich die dicke Fliege,
die mich tagelang verdrossen,
sauste surrend in die Falle,
so als wär sie abgeschossen...
Was ist richtig? Was ist wichtig?
Solche Fragen stellen alle.
Überall sind Spinnennetze,
doch es klappt nicht jede Falle!
86
57 Jahre nach dem Drama
an der Hammerbrücke:
Ein deutscher Soldat stammte
aus Kröv (Mosel)
von Willy Timmermann
„1843 — 1993, 150 Jahre Hammerbrücke“ lautete der Titel des
Sonderdrucks aus Heft Nr. 53, August 1993, dieser Zeitschrift. Der-
Verfasser dieses Beitrages hatte ein Gespräch mit dem einzigen
Überlebenden nach der Sprengung der Brücke am 10. Mai 1940 beim
Einmarsch der deutschen Truppen nach Belgien geführt und die Namen
der acht ums Leben gekommenen belgischen Soldaten wiedergegeben.
Auf S. 67 wurde dann geschildert, wie am 22. Mai 1944 acht deutsche
Soldaten einer Vierlingsflak nahe der Hammerbrücke nach einem Angriff
alliierter Jagdbomber ihr Leben ließen. Trotz aller Bemühungen und
Nachfragen in den verschiedenen deutschen Ämtern war es mir 1992/93
nicht möglich gewesen, die Identität der Toten zu erfahren, da sie als „in
der Heimat verstorben“ galten und in ihrem jeweiligen Heimatort
beigesetzt worden waren. Zwar waren einige Namen bekannt, nicht aber
die Herkunft der Soldaten. U. a. hieß es in dem Göhltal-Beitrag: „Ein
anderer Soldat hieß ‚Römer’ und war an der Mosel beheimatet...‘“
War es Zufall oder Beharrlichkeit, die zur Identifizierung eines dieser
Soldaten führte?
Die Geschichte lief wie folgt ab: Der Verkehrsverein Kröv mit Direktor
Hub. Kalff nahm vor einigen Jahren an der Touristikmesse in Kettenis
teil und verteilte dort entsprechende Werbeprospekte. Die Familie des
Verfassers stattete dem Ort einen Besuch ab und verbrachte mehrmals
ihren Urlaub in Kröv. Im Mai 2001 suchte der Verfasser eine kleine
Kapelle auf, die als Beginn des Weinlehrpfades gilt. Hier wird auf zwei
Tafeln an der Außenmauer der Kapelle, die den Namen des Erbauers,
des Grafen von Kesselstatt, trägt, auf die Geschichte Krövs und des
sogenannten Cröver Reichs hingewiesen. Das Kloster Echternach seit
752, die Abtei Stablo-Malmedy seit 862, die Grafen von Namür seit 1171
werden unter 20 bedeutenden Klöstern und namhaften Adelsgeschlechtern
als Besitzer größerer Weingüter in Kröv angeführt. Gedenkplaketten, der
87
Name „Stablostraße‘‘, Inschriften und beeindruckende Hofbauten erinnern
noch heute an eine stolze Vergangenheit.
Im Innern der Kapelle waren auf zwei großen Tafeln die Namen von
176 während des Zweiten Weltkrieges ums Leben gekommenen jungen
Männern zwischen 17 und 35 Jahren eingetragen, darunter mehrere
„Römer“, Ob hier wohl auch der im Göhltalheft genannte Soldat „Römer‘‘
genannt war?
Aus dem Urlaub zurückgekehrt, wurde das Göhltalheft zu Rate gezogen,
um den genauen Tag des Dramas an der Hammerbrücke festzustellen.
Dank der Hilfe der Pensionswirtin, Frau Helga Moser-Kaufmann, und
des Amtmannes der Gemeinde, Hans Weißkopf, wurde ermittelt, dass ein
gewisser „Friedrich Albert Römer‘, geboren am 27.11.1921, wohnhaft in
Kröv, im Reservelazarett, Teillazarett Blumenthal in Aachen verstorben
war.
Pa
MM & W y
N
(A f
Wir gedenken Deiner
der du kampfumstürmt
sterbend geschirmt
unserer Heimat teuren Grund.
Totenzettel des Gefr. Fritz Römer
88
Jesus! Maria! Joseph!
Zum christlichen Gedenken
an unseren lieben, herzensguten, BR
Sohn, Brüder, Schwager und Onkel!
Fritz Römer
Gefreiter in einer Flak-Batterie
der am 22. Mai 1944 bei der Abwehr
feindlicher Flieger, im jugendlichen Alter
von 22 Jahren schwer verwundet wurde, ’
und nach einigen Stunden im Heimat-
lazarett den Heldentod starb. Vorbe-
reitet durch den Empfang der hl. Sterbe-
sakramente, gab er seine Seele in die
Hand seines Schöpfers zurück.
W Um ein stilles Gebet für die Seelenruhe
des lieben Gefallenen bitten
Die trauernden Eltern,
Geschwister u. Anverwandten.
Kröv, im Felde, im Juni 1944,
Die Beerdigung und Scelenamt fanden am 4. und
5. Juni statt,
In Kröv lebt nur noch eine Nichte des „Fritz“ genannten Soldaten,
Frau Marlene Schneiders-Lenard, die letzte aus dem Hause Friedrich
Jakob Römer, die sich ihres Onkels Fritz und seiner sechs Geschwister
noch erinnern konnte. Sie besitzt noch einen Totenzettel von Fritz Römer,
Gefreiter einer Flak-Batterie, der am 22. Mai 1944 schwer verwundet
wurde und einige Stunden später im Lazarett in Blumental (Vaals)
verstarb.
Die Mutter des Soldaten, die unmittelbar nach seiner schweren
Verwundung benachrichtigt worden war, fuhr nach Aachen bzw.
Blumental (Bloemendael), doch bei ihrer Ankunft war ihr Sohn bereits
verstorben. Erst am 4. Juni 1944 wurde die Leiche nach Kröv gebracht
und hier beigesetzt. Während in der Kesselstattschen Grabkapelle
„Friedrich Albert Römer *1921, +22.5.1944“ vermerkt steht, trägt das
schlichte Soldatengrab auf dem Friedhof von Kröv nur den Namen „Fritz
Römer“.
89
Die Tragik in diesem Falle war, dass zwei Jahre zuvor Peter Römer,
ein älterer Bruder von Fritz Römer, in Russland gefallen war.
57 Jahre nach dem Drama an der Hammerbrücke in Hergenrath/Hauset
konnte durch Zufall die Identität eines der Opfer geklärt werden.
Nachtrag
Das Internet macht’s möglich. Bei der Suche nach einer Beschreibung
der „Hammerbrücke“ gab es eine Überraschung. Unter dem Titel „Die
Hammerbrücke bei Hauset/Hergenrath‘“ geht Stefan von der Ruhren,
RWTH Aachen, in Text und Bild ausführlich auf die Geschichte der
Eisenbahnen in Aachen und der Euregio ein, so auch auf die Hammer-
brücke in Hauset/Hergenrath (www.Stefan.vonderRuhren@post.rwth-
aachen.de).
Neben der Hammerbrücke in Hauset/Hergenrath gibt es eine weitere
„Hammerbrücke“ in dem Städtchen Zwiesel im Landkreis Regen, nahe
der deutsch-tschechischen Grenze. Im Naturpark Erzgebirge/Vogtland
besteht sogar eine Gemeinde namens Hammerbrücke. Sie zählt rd. 1600
Einwohner. In der Stadt Hammerbrücke befinden sich die einzigen
Wasserfälle des Vogtlandes, Schauwerkstätten bekannter Stickereien, eine
Radiumquelle und der einzige freistehende Topasfels Europas, der
Schneckenstein.
In dem Zusammenhang mag es auch noch interessant sein zu erwähnen,
dass die 1843 eröffnete doppelbogige Göhltalbrücke bei Hauset/
Hergenrath mit ihren rd. 36 m Höhe nur wenige Jahre die höchste
Eisenbahnbrücke Deutschlands war. Im Vogtland, in der Nähe von Plauen,
entstand nämlich zwischen 1845 und 1850 mit der Göltzschtalbrücke
ein Bauwerk, das alles bis dahin Bestehende in den Schatten stellte: 78
m hoch, vier Bogenreihen, 574 m lang, aus 26 Millionen Mauerziegeln
errichtet! Bei seiner Eröffnung im Jahre 1851 soll der Göltzschtal- Viadukt
die höchste Eisenbahnbrücke der Welt gewesen sein (Frdl. Hinweis v.
Herrn Hartmut Peters, Aachen).
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Maria-Theresia-Marmor
Eine kleine erdgeschichtliche Betrachtung zum hiesigen Kalkstein
von Heinrich von Schwartzenberg
Das Göhltal und die ländlichen Gebiete um Aachen wurden und werden
seit langer Zeit land- und forstwirtschaftlich genutzt. Daneben waren es
Bodenschätze, wie Erze und Kohlen, die einem Teil der Bevölkerung
Erwerbsmöglichkeiten gaben. Für die Bauwirtschaft sind die
Bodenschätze Ton und Lehm (für die Herstellung von Ziegelsteinen)
sowie die Sande und die karbonischen Natursteine von großem Nutzen. -
Wie bereits erwähnt, wurden bis vor einigen Jahren im Aachener Raum
auch Kohlen gefördert, die durch untergegangene und versteinerte Wälder
entstanden waren.
Bei den Natursteinen ist vor allem der Kohlenkalkstein zu nennen,
der wegen seiner blaugrauen Färbung im Volksmund häufig Blaustein
genannt wird. Einen anderen dunkelgrauen, polierbaren Kalkstein mit
hellen Kalzitflecken nannte man sogar Maria-Theresia-Marmor, weil er
überwiegend aus dem im 18. Jahrhundert zu Österreich gehörenden
Herzogtum Limburg kam, wo die Kaiserin Maria-Theresia s. Z. das Sagen
hatte.
Der Kohlenkalkstein gewann als Bruchstein für den Bau von Kirchen
und Burgen, aber auch für den Häuserbau zunehmend an Bedeutung, da
die alten Holzfachwerk-Häuser sehr brandgefährdet waren. Zusammen
mit dem Feldbrandziegel bot der Kohlenkalkstein auch die Voraussetzung
zum Übergang von der Holzbauweise zum Steinfachwerk der Maas-Re-
naissance. Im 18 Jh. gab es, vor allem in Aachen und Eupen, viele Bauten
des Aachener Architekten Couven in Ziegelmauerwerk mit Fenster- und
Türeinfassungen aus Blaustein (Couvenstil).
Die Abbildung 1 zeigt ein Beispiel, wo an einem Haus vier ver-
schiedene Baumaterialien verwendet worden sind, nämlich: Bruchstein,
Ziegelstein, Holzfachwerk und Holzverkleidung.
Die Eyneburg an der Göhl bei Hergenrath wurde aus Kohlenkalkstein
mit Blaustein-Einfassungen errichtet (s. Abb. 2).
Ein schönes Beispiel für die in der Maas-Renaissance übliche
«Speckbauweise”, bei der rote Ziegelsteinbänder mit hellen
Natursteinbändern abwechseln, ist an Schloss Bongard bei Bocholtz (NL)
zu sehen (s. Abb. 3).
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Abb. 1: Ein Haus in der Nähe der Göhl bei Cottessen (NL) mit vier Baumaterialien
Es stellt sich nun die Frage, wie diese Bodenschätze, vor allem die
hier interessierenden «Blausteine», entstanden sind.
Es folgt daher eine kleine, stark vereinfachte erdgeschichtliche
Betrachtung, die keine wissenschaftliche Arbeit sein will und auch keinen
Anspruch auf Vollständigkeit erhebt.
Naturgemäß begann ja alles mit der Entstehung der Welt. Einen kla-
ren Bericht über die Erschaffung der Erde und des Lebens gibt uns die
Schöpfungsgeschichte der Bibel, von der die wissenschaftlichen
Forschungsergebnisse gar nicht so weit entfernt sind (1). Nach
wissenschaftlichen Erkenntnissen begann alles vor etwa 20 Milliarden
Jahren mit dem «Urknall».
Danach hat sich der gesamte Kosmos aus einem Anfangszustand ent-
wickelt, der aus unendlich dichter Materie bestand, die bei extrem hoher
Temperatur explodierte und expandierte und durch physikalische und
chemische Vorgänge zum heutigen Kosmos wurde, der auch heute noch
immer weiter auseinanderstrebt.
Aus diesen Vorgängen entstand vor etwa 4,6 Milliarden Jahren als
Vorläufer unserer Erde ein Gebilde von kaltem Gas und Staub. Nach-
dem die Erde ihre heutige Kugelform erhalten hatte, begannen aus dem
Inneren Vulkanausbrüche die Erdoberfläche zu durchstoßen. Mit den
Lavamassen wurden Stickstoff, Kohlendioxyd, Wasserstoff usw. frei, die
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Vorgänge waren beeinflussend, z. B. wurde durch «Zerlegung mittels
Licht» Wasser (H2O) in freien Wasserstoff (H) und freien Sauerstoff (0)
geteilt. Auch wurde z. B durch Entbinden von Kohlensäure aus dem Meer
Kalziumkarbonat zur Ausfällung gebracht. Durch die ständigen
Veränderungen haben sich durch Überschwemmungen (unsere Gegend
wurde mehrmals vom Meer überflutet), durch Faltungen der Oberfläche
usw. Schichten gebildet, die sich aufeinandertürmten und an denen man
das ungefähre Alter der Erd- und Gesteinsmassen ablesen kann.
In der Vordevon-Zeit (etwa vor 590 bis 410 Millionen Jahren) bildete
sich der sogenannte Nordkontinent, dessen Küste von Südwesten nach
Nordosten nur wenige Kilometer an Aachen vorbeilief. Das Meer, das sich
vorher bis nördlich von Maastricht erstreckte, hatte sich zurückgezogen
und hinterließ einen festen Sockel konsolidierter Gesteine, der die
erdgeschichtliche Entwicklung des Aachener Raumes deutlich bestimmte.
(Es ist eine vereinfachte (nicht auf Verwerfungen und Überschiebungen
eingehende) Karte unseres Gebietes beigefügt, auf der die einzelnen
Schichten mit Signaturen eingetragen sind).
Machen wir jetzt einen Sprung zu den Schichten der Devon- und
Karbonzeiten unserer Gegend.
Devon- und Karbonzeit (vor etwa 410 bis 310 Millionen Jahren)
Vor etwa 380 bis 360 Millionen Jahren, in der Oberdevon-Zeit, wurde
unsere Gegend erneut überflutet, und es entstand ein tropisches
Flachmeer, das bis zum vorgenannten Nordkontinent reichte. Über 10
Millionen Jahre herrschten in diesem Meer Bedingungen, die die Bildung
von Kalziumkarbonat ermöglichten (anorganische Kalkbildung). Das
Meerwasser wirkte durch seinen Kohlensäuregehalt chemisch, so dass
es viele Gesteine, besonders Kalke, löste. Dadurch entstanden die
erforderlichen Aufbaustoffe für die Skelette und Schalen der kleinen
Meereslebewesen (Stromatoporen, Korallen, Kalkschwemmer,
Muscheln, Wasserschnecken usw).
Nach deren Absterben setzten sich die kalkigen Hartteile der
Meerestiere auf den Meeresboden ab, zementierten sich, und es kam zur
Riffbildung in Küstennähe (Muschelkalk usw. = organische Kalkbildung).
Das Kalkriff in unserer Gegend erstreckte sich von Verviers, Eupen,
Walheim bis nördlich von Düren.
Noch in der Oberdevon-Zeit wurde die Bildung von Karbonat durch
Umweltveränderungen abrupt beendet. Ton und Feinsand überdeckten
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in den folgenden 70 Millionen Jahren mit einer etwa 2 000 Meter
mächtigen Schicht bis zur Oberkarbon-Zeit (vor etwa 340 bis 310
Millionen Jahren) die Kalkablagerungen und unter dem Druck dieser
ständigen Last entstand der Kalkstein.
Die nördlich von dem oben genannten Riff gelegenen Kalksteine
bezeichnete man als Aachener Kohlenkalk, der dank seiner günstigen
Lage zu den Siedlungszentren dem eigentlich besseren Riffkalk
vorgezogen wurde.
Am Ende der Oberkarbon-Zeit (vor etwa 310 Millionen Jahren) erfolgte
die Auffaltung des Geländes und es entstanden die Berge und die Täler.
Die sich bis dahin gebildeten Schichten gerieten z.T. dadurch in
Schräglage, was man heute noch -besonders in Steinbrüchen- beobachten
kann. (Prof. Kasig erklärte einmal, dass dieser Vorgang mit dem
Zusammenschieben einer Tischdecke zu vergleichen sei). Mit der
vorgenannten Gebirgsbildung wurde auch der Aachener Raum aus dem
Meer herausgehoben, sowie die Verläufe vieler Bäche vorgezeichnet,
die fast alle von Südwesten nach Nordosten verlaufen, z.B. der Wildbach,
die Wurm, der Gillesbach, der Beverbach, die Iter, die Inde und die Vicht.
In Aachen-Burtscheid gibt es den kleinen Gillesbach, der bei Gut
Waldhausen entspringt und in Richtung Burg Frankenberg verläuft. Sein
Bett ist zum Teil tief ins Gelände eingeschnitten und im oberen Abschnitt
voller «Blausteine». In seiner Nähe (Karl-Marx-Allee/Ecke
Adenauerallee) lag früher ein Steinbruch der Abtei Burtscheid, der jedoch
nach einer Urkunde von 1455 an die Aachener Münsterkirche verpachtet
worden ist und aus dem später um die Mitte des 18. Jh. die Blausteine
für die Neubauten der St. Michaels-Kirche und der Abteikirche zu
Burtscheid entnommen worden sind.
In einer Urkunde von 1455 (veröffentlicht in Quix, Frankenburg,
Aachen 1829, S. 164, Urk. 26) steht u.a.:
«Die Äbtissin von Burtscheid verpachtet 1455 an Dechant und Kapitel
der Liebfrauenkirche zu Aachen und ihren Nachkommen die
»Steinkuyle», genannt die «Katzenkuyle», hinter Burtscheid an dem Wald
da man geht nach Kornelimünster, innerhalb der Pfähle (Grenzen) gelegen
für 50 Jahre lang das Hauen, Graben und Brechen kleiner und großer
Steine innerhalb der Grenzen der genannten «Kuyle» und den Bach
(Gillesbach) auf und nieder, sofern sie reichen über und unter der Erde...»
Ist deshalb der Gillesbach so tief eingeschnitten, oder waren es
Erosionen, die das Bett geformt haben?
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In der Nähe, am Branderhof in Aachen-Burtscheid, gab es auch Stein-
brüche und hinter dem Branderhof sogar einen Kalkofen.
Als man in den Jahren 1997/1998 am Branderhofer Weg, dort wo das
belgische Offizierskasino gestanden hatte, die Baugrube für ein neues
Senioren-Wohnheim ausheben wollte, stieß man auf die dort befindliche
Blausteinader, so dass gesprengt werden musste.
In Kalköfen wird Kalkstein (Kalziumkarbonat = CaCO3) bei 900 bis
1250 Grad gebrannt. Dabei wird Kohlendioxyd (C07) ausgetrieben und
es verbleibt Kalziumoxyd (CaO). Durch Zusetzen von Wasser entsteht
aus gebranntem Kalk Löschkalk. Bei der Aufnahme von Kohlendioxyd
aus der Luft geht der Löschkalk wieder in Kalziumkarbonat über. Hierauf
beruht die Verwendung des gelöschten Kalks im Bauwesen zur Bereitung
von Mörtel, wobei er mit Sand gemischt wird und wobei sich beim Er-
härten die einzelnen Sandkörner miteinander verkitten.
Kreide- und Tertiär-Zeit (vor etwa 140 bis 2 Millionen Jahren)
In der Kreide- und Tertiär-Zeit drang das Meer noch einmal kurz-
fristig in unsere Gegend vor und brachte Kiese, Sande, Tone und Lehme
mit.
Nach dem Rückzug des Meeres wurde unser Gebiet zu einem
Faltenrumpf eingeebnet, wobei die Spalten oft durch Rotlehme gefüllt
worden sind. In dieser Zeit sind auch die Sande in den südwestlich von
Aachen gelegenen Wald und auf den Lousberg gebracht worden. Eine
Feuersteinschicht hat wie ein Deckel dafür gesorgt, dass dieser Sand
nicht durch Erosion weggeweht worden ist.
Feuerstein oder Flint ist eine dichte Abart des Quarzes mit brauner,
grauschwarzer oder gelblicher Farbe.
Von Steinzeit-Menschen wurde er zu Werkzeugen und Waffen benutzt.
Auf dem Aachener Lousberg war eines der bedeutendsten Feuerstein-
Bergwerke der Jungsteinzeit (etwa 3600 bis 3200 v. Chr.).
Sand ist eine Anhäufung kleiner, loser Mineralkörnchen. Am
verbreitetsten ist der Quarzsand, der für die Glasherstellung benutzt wird
(Herzogenrath). Quarzsand entsteht durch den Zerfall quarzhaltiger
Gesteine.
Bei der Neugestaltung der Lütticher Straße (nahe Aachen-Bildchen)
in den 60er Jahren, wurde das Gelände tief eingeschnitten, so dass man
einen erdgeschichtlichen Einblick erhielt. Man sah dicke, mit Muscheln
und Austernschalen durchsetzte Sandschichten, wie sie heute noch am
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Die Kreidezeit brachte auch für die Gegend etwa zwischen Vetschau
und Valkenburg an der Göhl die sogenannten “Vetschauer Kalke» mit
gelben, z. T. harten Kalkbänken mit sich.
Als vor einigen Jahrhunderten mit den festen Steinbauten begonnen
wurde, bediente sich jeder des Materials, das er in der Nähe «vor Ort»
fand.
So bauten die Bewohner der Kohlenkalkstein-Gegend mit
karbonischen Steinen, die in der Kalkstein-Gegend mit «Vetschauer
Kalkstein» und dort, wo Lehm und Ton vorherrschten, wurde mit
Ziegelsteinen gebaut.
Quellen 2
Malangre, Heinz: Die Bibel und der Wasserstoff, Aachen, 0. J. (Manuskripte für Vorträge).
Kasig, Werner in «Eilendorf in seiner Geschichte», Hg. Lepper, Herbert, Aachen 1988,
S.9-37.
(Aus diesem Aufsatz wurden auch die Erkenntnisse für die beigefügte Karte benutzt).
Ochsmann, Hartmut: Auf den Spuren des Kalkgewerbes im Walheimer Raum, Hahn/
Friesenrath 1991, S. 7 - 14.
Schwikerath, M.: Aachen, das königliche Talrund Karls des Großen — ein Landschafts-
oktogon, Eupen 1971.
Fotos: Walter Schäfer, Aachen.
* x k * *
Berichtigung zum Aufsatz «In Meerssen an der Göhl
(NL) wurde 870 die erste deutsch-französische Grenze
festgelegt», in «Im Göhltal» Nr. 69, Aug. 2001, S. 89.
Unter der Karte III auf Seite 89 muss folgender Abschnitt nach «keine
Rücksicht» eingefügt werden:
«Nach dem Tode Ludwigs II. im Jahre 875 fiel das Königreich Italien
und auch die Kaiserwürde an Karl den Kahlen.
Ludwig der Deutsche sah sich hierdurch in seinem Erbrecht benach-
teiligt und rüstete zum Zweiten deutsch-französischen Krieg gegen Karl
den Kahlen, verstarb aber 876 während der Vorbereitungen.
Seine Söhne, Karlmann II., Ludwig III. und Karl III. setzten den Krieg
fort und es kam schließlich 880 nach vielen Querelen zum Vertrag von
Ribemont (bei St Quentin, s. Karte III) (5).»
Wir bitten den Lapsus zu entschuldigen!
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Rettungsgrabungen in der Pfarrkirche
St. Hubertus in Lontzen
von Caroline Leterme
Die St. Hubertus Pfarrkirche
Mit dem Schenkungsakt Kaiser Heinrichs IV. vom 21. April 1076 des
Gebietes von Walhorn, Lontzen und Mesch an das Aachener Marienstift
ergibt sich auch der Anfang einer organisierten Seelsorge im besagten
Raum, d. h., dass ein Gotteshaus mit dazugehörendem Geistlichen
vorausgesetzt werden kann.
Hubertus, ein Heiliger aus dem Frühmittelalter, könnte eine weitere
Bestätigung dieser Aussage sein. In vielen Fällen ist es nämlich so, dass
das Patrozinium Rückschlüsse auf das Alter einer Kirche zulässt.
Zur Zeit der kaiserlichen Schenkung dürfte in Lontzen schon eine
kleine Hubertus-Kapelle gestanden haben, die um die Wende des 14.
Jahrhunderts! durch eine gotische Kirche ersetzt wurde.
Die heutige Pfarrkirche St. Hubertus in Lontzen wurde auf Initiative
des Lontzener Pfarrers Karl Joseph Lemmens errichtet, der am 18. Juli
1768 die Genehmigung erhielt, die alte und baufällige Kirche durch eine
neue zu ersetzen. Architekt des Neubaus war der für das Aachener
Marienstift tätige Italiener Josef Moretti. Baubeginn war im November
1768, im Dezember 1770 war die Kirche vollendet. Der Pfarrer von
Eupen, Gerhard Heyendal, weihte das neue Gotteshaus, in dem der Kaplan
J. Schoonbrodt am 11. Januar 1771 die erste hl. Messe feierte.
Der damals errichtete Bau erfuhr im Laufe der Zeit verschiedene
Veränderungen. 1902 wurde die Sakristei vergrößert; der beim Neubau
im 18. Jahrhundert stehen gebliebene Westturm musste 1910 bis auf
Emporenhöhe abgetragen und durch den aktuellen Turm mit der
charakteristischen „Pickelhelm-Haube“‘ ersetzt werden.
'_ Der erste schriftliche Hinweis auf eine Hubertuskirche in Lontzen stammt aus dem
Jahr 1328.
101
Rettungsgrabungen in der Lontzener Pfarrkirche (01.06.2001 —
12.06.2001
Im Zuge von Bauarbeiten in der Kirche St. Hubertus in Lontzen
(Anlage eines Heizungsschachtes) stießen die Arbeiter Anfang Juni 2001
in der Nähe des Chores und im hinteren Bereich der Kirche, vor dem
Turm, auf die Reste einer alten Mauer. Aus den ersten Untersuchungen
kann man schließen, dass es sich um eine Fundamentmauer einer früheren
Kirche handelt und dass sie zu dem im 14. Jahrhundert errichteten
Gotteshaus gehört. Das ergibt sich sowohl aus der (vermutlichen) Länge
dieser Mauer, die einem Kirchen-, nicht aber einem Kapellenbau
entspricht, als auch aus dem Umstand, dass diese Fundamentmauer sich
bis zur aktuellen Fundamentmauer des Turmes hinzieht. Dieser Turm
ersetzt, wie schon gesagt, den der aus dem 14. Jahrhundert stammenden
Kirche. Wir können folglich annehmen, dass die alte Fundamentmauer
effektiv die Südmauer der Pfarrkirche des 14. Jh. ist und dass diese am
Kirchturm endete. Interessant wäre eine Lagebestimmung der gegenüber
liegenden Nordmauer, die es dann erlaubte, Aussagen über die genauen
Ausmaße des gotischen Gotteshauses zu machen.
Beim Neubau der Kirche in den Jahren 1768-1770 wurde ein Streifen
des südwärts an die alte Kirche grenzenden Friedhofes in den Neubau
einbezogen. Da es im Mittelalter und noch später Sitte war, die Toten
möglichst nahe bei den Kirchenmauern beizusetzen, ist es nicht
verwunderlich, dass in der Nähe der alten Fundamentmauer auch eine
Vielzahl von Knochen gefunden wurden, darunter ein fast vollständiges
Skelett. Die Bodenplatte des Holzsarges und mehrere Nägel desselben
waren noch erhalten.
Wenn das Fundmaterial (einige Scherben), das in direkter Mauernähe
lag, datiert werden kann, wird es möglich, die Entstehungszeit der Kirche
näher einzugrenzen.
Bibliographie
° Le patrimoine monumental de Belgique. Wallonie, Bd. 12 2, Liege. Verviers, arr. H-L,
Liege 1984
° REINERS, H., Die Kunstdenkmäler von Eupen-Malmedy, Schwann, Düsseldorf, 1935
° SCHYNS, A., LEMEUNIER, U., WELING, J., JUFFERN, H., 7076-1976, Freie
Herrlichkeit Lontzen, Stavelot-Malmedy, 1976
102
Jahresrückblick 2001
von Herbert Lennertz
Dem Kalender nach war es das letzte Jahr des 2. Jahrtausends, doch
wird es im europäischen Kulturkreis als das erste Jahr des dritten
Jahrtausends in die Geschichte eingehen. Ein Jahr, das für unsere
Vereinigung global gesehen als sehr positiv zu bezeichnen ist. Unsere
Mitglieder blieben uns treu und nahmen recht rege an den verschiedensten
Veranstaltungen teil. Diese umfassten Vorträge, Ausstellungen und
Exkursionen sowie eine Mehrtagesfahrt n
Das Jahr begann mit der jährlichen Generalversammlung, die am
21. Januar 2001 im Kulturzentrum Select in Kelmis stattfand und wozu
der Vorsitzende eine stattliche Anzahl von Mitgliedern begrüßen durfte.
Dem Aufruf zur aktiven Mitarbeit im Vorstand folgte Frl. Caroline
Leterme, die als Archäologin den einen oder anderen Impuls geben wird.
Die üblichen Tagesordnungspunkte, wie Jahres- und Kassenbericht,
wurden zustimmend aufgenommen. Die Jahresversammlung schloss mit
einer Dia-Rückschau von A. Bertha auf die im Sommer 2000
stattgefundene kulturelle Fahrt nach Berlin, Weimar, Erfurt und Schwerin.
Zu einer Fahrt in die kalifornischen Weinbaugebiete luden wir am
15. Februar ins Göhltalmuseum ein. Vorstandmitglied J. Kessel hatte in
der Person von Herrn Tschaepe einen Fachmann auf dem Gebiete des
Weinanbaus in Kalifornien kommen lassen, wo in einem für europäische
Verhältnisse unvorstellbaren Maßstab Wein erzeugt wird und wo allein
die Gebrüder Ernesto und Julio Gallo einen 3000 ha großen geschlossenen
„Weingarten“ mit eigenem Flugplatz besitzen und in ihrer Kellerei soviel
Wein lagern können, wie die Deutschen insgesamt ernten.
Eine ausgiebige Verköstigung gab den erschienenen Weinliebhabern
eine Vorstellung von den Produkten der unterschiedlichsten Klimazonen,
die sowohl durch das Nord-Süd-Gefälle wie durch den Gegensatz zwischen
Küstenzonen und Landesinnerem eine breite Skala an Rebsorten bieten.
Am 21. März führte Herr Kessel die interessierten „Göhltaler‘“ zu
einer Werksbesichtigung nach Alsdorf, wo bei der Fa „Verzinkerei
Alsdorf“ Einblick in die Arbeit einer modernen Verzinkerei genommen
werden konnte. Eisen- und Stahl werden bei einer Temperatur von mehr
als 530° C in ein Zinkbad getaucht und erhalten so einen korrosionsfesten
Zinkschutz. Im Hinblick auf die Kelmiser Geschichte war diese
Betriebsbesichtigung von besonderem Interesse.
103
Dr. Nikolaus Schmitz ist unseren Mitgliedern inzwischen bestens
bekannt, hat er doch im Laufe der letzten Jahre viele geologische
Exkursionen geleitet. Am 22. April folgte eine solche Wanderung „den
Spuren eines alten Gewerbes“, nämlich dem Kalkabbau im deutsch-
belgischen Grenzgebiet bei Walheim, wo ein alter Kalkofen restauriert
wurde. Die Kalksteine sind seit frühester Zeit abgebaut worden und
entweder als Branntkalk oder als Baumaterial genutzt worden. Diese
geologische Wanderung bot die Gelegenheit, Spuren des Kalkabbaus bzw.
der Verwertung zu suchen und die Entstehung dieser
Kalksteinvorkommen in den Rahmen der erdgeschichtlichen
Zusammenhänge zu stellen.
In den vergangenen Jahren boten wir jeweils im Mai eine Fahrt in
eine der zahlreichen flandrischen Kunststädte. Am 20. Mai waren das
westflämische Ypern und sein Umland Ziel einer Tagesfahrt. Ypern ist
als Märtyrerstadt in die Geschichte des Ersten Weltkrieges eingegangen.
Kaum ein Stein blieb auf dem anderen; doch kaum war der Frieden wieder
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Auferstanden aus Ruinen: Tuchhalle und Kathedrale von Ypern
eingekehrt, da begann man mit dem Wiederaufbau der geschundenen
Stadt, die ihr mittelalterliches Aussehen wiederfand und mit ihrer riesigen
Tuchhalle, der Kathedrale und den alten Bürgerhäusern ein touristischer
Anziehungspunkt geworden ist. Daneben erinnern eine Vielzahl von
104
kleinen und großen Heldenfriedhöfen an den Tod in den Schützengräben.
Besonders beeindruckend war Langemark. Die Leitung der Fahrt lag bei
A. Bertha.
Eine siebentägige Fahrt nach Barcelona (Ltg. Herbert Lennertz)
boten wir vom 17.- 23.6. an. Sowohl die Hin- wie die Rückfahrt wurde
für Abstecher und Zwischenbesuche genutzt. So lagen das 1997 durch
die UNESCO zum Weltkulturerbe erklärte mittelalterliche Carcassonne
mit seiner beeindruckenden Festungsanlage, (zwei Mauerringe, 52 Türme,
5 Bastionen, im Innern das Bollwerk des Grafenschlosses), Andorras
Hauptstadt und die Klosteranlage von Montserrat auf der Hinfahrt, Lyon
auf der Rückfahrt als Besichtigungs- bzw. Etappenziele an der Reiseroute.
Barcelona stand in diesem Jahre — dem 75. Todesjahr Gaudis — noch
mehr als sonst im Zeichen dieses genialen Architekten, dessen Jugendstil-
Architektur das Stadtbild der katalanischen Hauptstadt entscheidend
mitgeprägt hat.
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Eines der markantesten Objekte des Antonio Gaudi: Das Haus Batllo (1904-06)
105
Mit einer ausgezeichneten Stadtführerin erschlossen sich der Gruppe
aus dem Göhltal in diesen Tagen die Hauptsehenswürdigkeiten der
nordspanischen Millionenstadt, die Altstadt mit den Spuren der römischen
Besiedlung, die Kathedrale, das Picasso-Museum, der Hafen, die
olympischen Anlagen von 1992, die merkwürdigen Schöpfungen des
Antonio Gaudi (Guel-Park, Sagrada Familia, Casa Milä...) etc.
Das „Sahnehäubchen“‘ zur diesjährigen Mehrtagesfahrt bildete auf der
Rückfahrt die Besichtigung des historischen Kerns der Seidenstadt Lyon,
am Zusammenfluss von Rhöne und Saöne, wo die „traboules‘“ (Durch-
gänge zwischen zwei Parallelstraßen) besondere Beachtung fanden.
Am 29,9, führte Caroline Leterme eine starke Gruppe interessierter
„Göhltaler“ nach Verviers zu einem Besuch des dortigen Wollmuseums
mit anschließender Stadtführung.
Die alte Textilstadt Verviers, die in den fünfziger und sechziger Jahren
ihre Jahrhunderte alte auf der Wolle gegründete Existenzgrundlage verlor,
hat sich vor wenigen Jahren erst auf ihre reiche industrielle Vergangenheit
rückbesonnen und diese zum Schwerpunkt ihrer touristischen Aktivitäten
gemacht.
In Hodimont, früher zum Herzogtum Limburg gehörend, entstand in
den Gebäuden der Anfang des 19. Jahrhunderts errichteten Manufaktur
Dethier ein Museum, das der Geschichte des Wollfadens in all seinen
Ausprägungen gewidmet ist und wo der Zuschauer die Geschichte der
Wolle von der Schafschur bis zum Webstuhl verfolgt und gleichzeitig
die frühesten Zeugnisse der industriellen Revolution im Textilsektor
bewundern kann.
Unter der sachkundigen Führung von Fr. Regine Pauquet vom
Fremdenverkehrsamt konnten dann weitere Aspekte der Stadtentwicklung
verdeutlicht werden. Eine Ausfahrt, die gezeigt hat, dass Verviers
bedeutende Anstrengungen unternommen hat, den Faden seiner
Geschichte nicht abreißen zu lassen.
„Junge Stadt auf altem Lavastrom“: So nennt sich Mendig in der Eifel.
Dorthin führte eine von H. Josef Kessel organisierte Ausfahrt am 6.
Oktober. Sowohl auf der Fahrt durch die Eifellandschaft wie vor Ort
war Herr Dr. Nikolaus Schmitz ein fachkundiger Begleiter.
Das Besondere an Mendig sind die ehemaligen unterirdischen
Basaltgruben, von denen ein Teil durch die Vulkanologische Gesellschaft
als Besucherbergwerk eingerichtet wurde. Über Jahrhunderte ist der
erstarrte Lavastrom aus der vulkanischen Tätigkeit des nahen
Wingertsberges abgebaut und in Form von Mühlsteinen, Pflastersteinen,
Rinnsteinen etc. genutzt worden. Beim unterirdischen Abbau des Basalts
108
Auch heute noch ist Australien „very british“ in all seinen Lebensäußer-
ungen, doch zeigen die Bewohner des Landes eine größere Freundlichkeit
und Herzlichkeit dem Besucher gegenüber.
Die Dia-Schau nahm die Zuschauer mit auf eine faszinierende Reise
von Darwin (im Norden) nach Alice Springs und Ayers Rock (im
Landesinnern), von Cairns und dem Großen Barriereriff (im Nordosten)
bis Sydney (im Südosten) und zeigte so die verschiedensten Landschafts-
und Vegetationszonen, die vom subtropischen Norden bis zur Halbwüste
im Herzen des Kontinents alle erdenklichen Facetten aufweisen.
Auch die Pflanzen- und Tierwelt Australiens hat im Laufe der
Jahrmillionen eine besondere Ausprägung erhalten, wovon u. a. die vielen
Beuteltierarten zeugen. 4
Schließlich wies H. Frings auch immer wieder auf die fast
untergegangene Kultur der Ureinwohner (aborigines) und deren
Naturverbundenheit und Naturverständnis hin. Der Vortrag wurde mit
viel Beifall bedacht und durch ein Glas australischen Weines (Cabernet)
abgerundet...
Die Fotoausstellung im Museum, vom 17.11. - 2.12.2001 mit Bildern
des in Neu-Moresnet ansässigen Fotografen Oskar Hahnbück trug den
Titel „Fotos der besonderen Art von Kelmis und Umgebung“. Der
Fotograf sucht neben dem besonderen Objekt auch den besonderen
Blickwinkel und zieht alle Register der Kunst, um Überraschungseffekte
zu erzielen und dem Betrachter die gewöhnlichsten Dinge des Lebens
(Müll, Briefkästen, Denkmäler, Hinterhöfe...) auf eine bis dahin nicht
beachtete Weise zu zeigen.
Das Land der Pharaonen war das Thema eines Dia-Vortrages von
Herrn Josef Spekl im Kulturzentrum Select am 13. Dezember 2001. Hier
zeigte sich, wie technischer Aufwand (4 Projektoren und
Panoramaleinwand) einen Dia-Vortrag zu einem besonderen Ereignis
werden lässt.
Die Schau führte die Besucher zu den Glanzpunkten der altägyptischen
Kultur, von Kairo nach Gizeh, Memphis, Sakkara, Luxor, Karnak, ins
Tal der Könige, nach Edfu, Assuan und Abu Simbel, wobei immer wieder
Szenen des Alltagslebens in der Stadt und auf dem Lande eingeblendet
wurden.
Wenn dann auch noch, wie in diesem Falle, ein fundierter Kommentar
die Bilder erläutert und die musikalische Untermalung stimmt, ist die
Schau doppelt lohnend.