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Landschaft im Grenzraum Nordostbelgiens
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ZEITSCHRIFT DER VEREINIGUNG FÜR
KULTUR, HEIMATKUNDE UND GESCHICHTE
IM GÖHLTAL
Nr. 69 — August 2001
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Im Göhltal
ZEITSCHRIFT DER VEREINIGUNG
FÜR
KULTUR, HEIMATKUNDE UND GESCHICHTE
IM GÖHLTAL
Nr. 69
August 2001
Veröffentlicht mit der Unterstützung des Kulturamtes der
deutschsprachigen Gemeinschaft
Vorsitzender: Herbert Lennertz, Stadionstraße 3, 4721 Neu-Moresnet.
Sekretariat: Maxstraße 9, 4721 Neu-Moresnet, Tel. 087/65.75.04.
Lektor: Alfred Bertha, Bahnhofstraße 33, 4728 Hergenrath.
Kassierer: Alfred Bertha, Bahnhofstraße 33, 4728 Hergenrath.
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Konto BRD: Aachener Bank: 821 363 012 (BLZ 390 601 80)
Die Beiträge verpflichten nur die Verfasser.
Alle Rechte vorbehalten
Entwurf des Titelblattes: (+) Alfred Jansen, Moresnet-Kapelle.
Druck.: Aldenhoff, Gemmenich,
3
Inhaltsverzeichnis
Alfred Jansen (t) Zum Umschlagbild: 5
Moresnet-Kapelle Schloss Thor in Astenet
Erich Barth Die Freiwillige Feuerwehr 9
Eynatten Eynatten
M.-Th. Weinert Die Fliege 36
Aachen-Forst
Caroline Leterme, Die Eiskeller von Kelmis 37
Kelmis und Umgebung
Jakob Langohr Der valsche Aroop 46
Aachen-Bildchen
Firmin Pauquet Historischer Rundgang durch Kelmis 48
Kelmis
P. Jos. Timmermann Eine Ohrfeige, die zum 73
Herzogenrath Priestertum führte
Alfred Bertha Soziale Unruhen in Kelmis 76
Hergenrath
H. v. Schwartzenberg In Meerssen an der Göhl wurde 870 87
Aachen die erste deutsch-französische
Grenze festgelegt
Alfred Bertha Das Testament des Hergenrather 92
Hergenrath Notars P. J. Hennen
Albert Creutz Über einen verschwundenen Grenzstein 98
Eupen Walhorn — Eynatten
Joseph Hennes Das Heidkopfkreuz von Kelmis 101
Kelmis
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Zum Umschlagbild
Schloss Thor in Astenet *
von (t) Alfred Jansen
Der dem alten Bankzentrum Walhorn westlich vorgelagerte Weiler
Astenet liegt am Groetbach, der, von der Wasserscheide auf der Höhe
von Merols kommend, über Walhorn und Lontzen nach Kelmis fließt
und dort in der Nähe der Rochuskapelle von der Göhl aufgenommen
wird.
Wo der Groetbach und der Mühlgraben der früheren Asteneter Mühle
zusammen kommen, auf halber Strecke zwischen Walhorn und
Hergenrath, liegt das Schloss Thor, das wir in diesem Beitrag etwas näher
beleuchten wollen.
Dieses Schloss, es ist eher ein großes Landhaus, entstand aus dem
Brauhaus der alten Burg Astenet. Von dieser Burg kamen bei
Entschlämmungsarbeiten des südwestlich von Thor gelegenen großen
Weihers, der die Gartenanlagen des jetzigen Schlosses Thor verschönt,
Fundamente zu Tage, die auf einen massiven von vier Türmen flankierten
Bau, ähnlich dem ursprünglichen Vlattenhaus in Eynatten, schließen
lassen.
Schon gegen Ende des 16. Jahrhunderts war der Bergfried in sich
zusammen gestürzt.
Schloss Thor war, wie bereits gesagt, ursprünglich die Brauerei des
Stocklehens Astenet, das im 14. Jahrhundert dem Geschlecht derer von
Astenet gehörte.
Bekannte Namensträger dieser Familie sind Winand von Astenet, der
1369 mit anderen limburgischen Rittern das Landfriedensbündnis
zwischen dem Herzog von Brabant, dem Herzog von Jülich und den
Städten Aachen und Köln siegelt. Sodann Dietbald (Thibaut) von Astenet,
der 1371 auf Seiten des Herzogs Wenzeslaus an der Schlacht von
Baesweiler teilnimmt. Winand von Astenet wird 1403 als Besitzer des
Hofes Medael (Baelen) genannt. Mit Hermann von Astenet erlischt das
Geschlecht 1416 in der männlichen Linie.
Über Johann-Scheiffart van der Heyden, den Schwager des Hermann
von Astenet, kommt das Stocklehen an diese Familie und wird nach dem
Tode des Johann-Scheiffart dreigeteilt: Neben dem eigentlichen
* Aus G. Poswick, Les Delices du Duche de Limbourg, Verviers 1951, S. 283 ff.
6
Stocklehen (Thor) entstehen so die Lehen Panhuys (heute Asteneter Hof)
und Mützhof.
Klara van der Heyden, eine Urenkelin des Johann-Scheiffart, heiratete
den Walhorner Schöffen Jan Molener genannt Hens von Astenet. Dieser
gab dem Lehen den Namen „Hens Lehen“, der bis ins 18. Jahrhundert
erhalten blieb.
Der Sohn der letztgenannten Eheleute, Winand von Astenet, hinterließ
das Stocklehen seiner Witwe Gudula Welter, die in erster Ehe Nikolaus
Peltzer aus Henri-Chapelle geheiratet hatte. Die Tochter aus dieser ersten
Ehe, Barbara Peltzer, heiratete den Walhorner Schöffen Reinard Reul,
der das Lehen 1615 empfing und 1646 starb.
1626 ließ Reinard Reul den befestigten, von Wassergräben umgebenen
und durch eine Zugbrücke mit dem westlich vorgelagerten Bauernhof
verbundenen Wohnturm Astenet, der wohl nicht mehr den gestiegenen
Ansprüchen an Wohnkomfort entsprach, umbauen. Das Haus wurde nun
„Reulenhaus“ genannt. An den Umbau erinnert noch im Hof des Gutes
Hoen ein Wappenstein (Zackenkreuz) mit den Initialen RR. Der
Überlieferung nach stürzte die Burg Astenet um 1775 in sich zusammen.
Die Steine dienten dann zum Neubau des 1776 erbauten Hauses Reul,
heute Hoen.
Hubert Reul, ein Sohn des Reinard Reul, wird 1652 alleiniger Besitzer
des Lehens, nachdem Gudula von Astenet, eine Tochter des Winand von
Astenet und Halbschwester der Barbara Peltzer, ihm ihren Anteil an den
Asteneter Gütern abgetreten hatte.
1655 heiratete Hubert Reul Isabelle Catherine Lallemand. 1660 wurde
er durch den spanischen König Philipp IV. geadelt. Die Adelsurkunde
hebt hervor, däss die Vorfahren des Hubert Reul auf eigene Kosten ihren
Herrschern -Waffendienste geleistet haben und dass,die der Ehefrau
Isabeau Lallemand die Ämter des Schatzmeisters und Sekretärs Karls V.
und Margarethas von Österreich bekleidet haben; er selber, Hubert Reul,
leiste als treuer Vasall dem Staat und dem Herzogtum Limburg, wo er in
seinem Haus und Schloss Astenet als Edelmann lebe, treue Dienste.
Hubert (von) Reul vergrößerte den Asteneter Besitz beträchtlich und
starb in Aachen am 19.4.1666. Sein Sohn Johann-Wilhelm von Reul,
geboren am. 10. November 1661, starb 1693 und das Asteneter Lehen
fiel an die Schwester Johanna-Maria, die Don Ambrosio von Quintana
Riva geheiratet hatte. Dieser war Armeekommissar in spanischen
Diensten.
7
Die Eheleute Quintana Riva-Reul verkauften die alte Brauerei und 12
Morgen Land an Johann Heyendal, Besitzer von Mützhof und
Gerichtsschreiber von Walhorn. Dieses Amt hatte schon sein Vater
Heinrich Heyendal ausgeübt.
Der neue Besitzer riss das alte Gebäude ab und errichtete das „Castel“,
das wir heute noch kennen. Die an der Fassade angebrachten Maueranker
geben das Erbauungsjahr 1700 an.
Johann Heyendals Söhne, Johann-Stephan und Heinrich, von denen
der Erstgenannte Drossard und der Letztgenannte Gerichtsschreiber in
Walhorn war, erbten das Haus nach dem Tode ihres Vaters, im Jahre
1717, ließen (wahrscheinlich vom Aachener Architekten Johann Joseph
Couven) den Toreingang errichten, der dem ganzen Anwesen nun den
Namen „Haus Thor“ bzw. „chäteau Thor“ verlieh, und erbauten 1738
den Gartenflügel. Zur Straßenseite hin zeigt der Schluss-Stein des Bogens
das Wappen der Heyendal und die Jahreszahl 1733, während die Hofseite
die Inschrift trägt: “1739 Sit nomen Domini beneditum‘“ = Der Name
des Herrn sei gepriesen. 1732 hatten die Brüder Heyendal die
Genehmigung erhalten, die Messe in der Schlosskapelle zu feiern.
Anna-Katharina Heyendal, die Tochter des Heinrich Heyendal, war
die letzte Trägerin dieses Namens. Sie heiratete 1762 Walter Jean Francois
Birven aus Montzen, der 1800 starb. Der aus dieser Ehe stammende Sohn
Johann Wilhelm Heinrich Birven heiratete Sybille Thyssen und kam
dadurch in den Besitz des Eynattener Vlattenhauses. Josephine Birven,
Tochter der Eheleute Birven-Thyssen, erbte den Besitz ihrer Eltern und
brachte ihn 1840 in die Ehe mit Dr. Friedrich Lamberz aus Aachen. Dieser
ließ den Turm im Winkel von Haupthaus und Gartenflügel erhöhen und
mit einem Zinnenkranz abschließen.
1899 erbte ein Neffe, der Ingenieur Emil Lamberz, Schloss Thor, das
anschließend auf dessen Sohn Friedrich überging, der es seinerseits
seinem Sohn Emil Lamberz hinterließ. Friedrich Lamberz gab dem Hause
1947 eine neue Bestimmung: „Chäteau Thor“ wurde zu einem
renommierten Restaurant, das bis 1997 als solches weitergeführt wurde.
Seitdem ist Schloss Thor Hotel-Restaurant und Schönheitsfarm.
Das Schloss besteht aus mehreren Baukörpern sehr unterschiedlicher
Größe. Das 1700 errichtete Hauptwohnhaus aus Bruchsteinen zeigt zur
Hofseite sechs Achsen. Die symmetrisch angeordneten Fenster haben
Stürze mit Keilstein im Stil Louis XV. Eine dreistufige Treppe führt zu
der Eingangstür, die von einem mächtigen Blaustein mit ovalem Oberlicht
bekrönt wird.
8
Der Gartenflügel aus dem Jahre 1738 ist geprägt durch die
Zahnschnittfolge der Eckquadern und den im Winkel zum Haupthaus
stehenden Turm, dessen beide Untergeschosse ebenfalls 1738 errichtet
wurden, während der zinnenbekrönte Oberbau eine Zutat des
historisierenden 19. Jahrhunderts ist.
Der Torbau mit Schieferwalmdach trägt eine Wetterfahne mit den
Initialen DL (= Doktor Lamberz).
Die dem Wohnhaus gegenüber liegenden langgestreckten
Wirtschaftsgebäude bestehen aus Ziegelsteinfüllungen über hohem
Bruchsteinsockel. Eine heute vermauerte Wageneinfahrt trägt die
Jahreszahl 1706.
Das Innere von Schloss Thor weist als Besonderheiten eine schöne
Stuckdecke (in der ehemaligen Kapelle) und Ledertapeten mit biblischen
Motiven (im Salon) auf. Thor und die im Westen angrenzenden Höfe
sowie der Park des Katharinenstifts stehen seit 1987 unter Denkmalschutz.
Quellen:
Poswick, G., a. a. O.
Grondal, G., Walhorn, Notices historiques, Verviers 1958, S. 66-70
Denkmälerverzeichnis „Lontzen“‘“, herausg. durch die Verwaltung der
Deutschsprachigen Gemeinschaft, Eupen 1990, S. 264-270.
9
Die Freiwillige Feuerwehr Eynatten
von Erich Barth
Am 4. August 1900 erhielt der damalige Bürgermeister von Eynatten
vom Landrat Edwin Gülcher in Eupen die Aufforderung, sich binnen 14
Tagen zu der Bezirkspolizeiverordnung des Regierungspräsidenten von
Hartmann vom 26. März 1900 bzgl. der Errichtung einer Pflichtfeuerwehr
in den Landgemeinden zu äußern. Damit sollten eine wesentliche
Verbesserung und größere Erfolge bei der Brandbekämpfung erreicht
werden. In dieser „Polizei- Verordnung über das Feuerlöschwesen in den
Landgemeinden und in den Städten unter 10.000 Einwohnern“ schrieb
der Regierungspräsident u. a., in den mehr als 500 Einwohner zählenden
Ortschaften, in denen „eine den behördlichen Vorschriften entsprechende
freiwillige Feuerwehr“ nicht vorhanden sei, müsse eine Brandwehr
gebildet werden.
Der Landrat, der in etwa die Funktion eines belgischen Arrondisse-
ments-Kommissars ausübte und das Bindeglied zwischen der Regierung
in Aachen und den Gemeindebehörden darstellte, schickte gleichlautende
Abschriften an die Landgemeinden seines Kreises, d. h. Eynatten, Hauset,
Hergenrath, Kettenis und Walhorn. Raeren und Lontzen besaßen schon
eine Feuerwehr, waren also nicht von den Anordnungen des Regierungs-
präsidenten betroffen.
An der Spitze des Eynattener Gemeinderates stand zu jener Zeit der in
Kettenis wohnhafte und auch dort als Bürgermeister fungierende Richard
Esser.
In Anlehnung an den Beitrag „Eynatten — Episoden aus der
Vergangenheit“ (s. „Im Göhltal‘“ Nr. 67, Aug. 2000, S. 50-66), in dem
auch eine „Feuerlöschgruppe“ eine für die damalige Zeit nicht geringe
Rolle spielte, möchten wir im Folgenden auf die im Anschluss an die
Verordnung des Regierungspräsidenten gegründete Eynattener Feuerwehr
eingehen.
Die genannte „Feuerlöschgruppe“ hatte vorkommende Brände nach
besten Möglichkeiten bekämpft, häufig jedoch nur das Übergreifen auf
Nachbargebäude verhindern können. Auf eine Anfrage des Landrates
bzgl. der bestehenden Feuerlösch-Einrichtungen in Eynatten vom
13.10.1900, meldete der Bürgermeister für den damals 1187 Einwohner,
209 Wohn- und 150 andere Gebäude zählenden Ort 3 Feuerspritzen mit
Zubehör sowie Feuerhaken und Feuerleitern.
10
Die Organisation der Löschgruppe ließ jedoch nach unseren
Vorstellungen zu wünschen übrig, und auch die Regierung drängte auf
schnelle Errichtung einer Freiwilligen Feuerwehr, da sie sonst eine
Berufsfeuerwehr zu errichten sich gezwungen sehe.
So fanden sich im Mai des Jahres 1902 erstaunlich viele Männer bereit,
in einer zu gründenden Freiwilligen Feuerwehr Eynatten mitzumachen.
Bürgermeister Richard Esser hatte die interessierten Männer auf
Sonntag, den 11. Mai 1902, zu einer öffentlichen Versammlung
eingeladen. Wo dieselbe stattgefunden hat, entzieht sich unserer Kenntnis.
Es meldeten sich bei dieser Versammlung nicht weniger als 32 Männer,
die der neuen Wehr als aktive Mitglieder beitreten wollten. Am 25. Mai
1902 wurde eine weitere Versammlung abgehalten. Bei dieser Gelegenheit
wurden weitere Mitglieder aufgenommen, die Satzungen verabschiedet
und der fünfköpfige Vorstand gewählt.
Gemäß den Satzungen hatte der Bürgermeister das Privileg, den
Hauptmann und dessen Stellvertreter zu ernennen. Seine Wahl fiel auf
den Eynattener Industriellen Andreas Franssen und auf den Sattlermeister
Andreas Prinz.
Am darauffolgenden 1. Juni 1902 bestimmten die Vorstandsmitglieder
die Zuständigkeitsbereiche wie folgt:
Stellvertretender Kommandant wurde Andreas Prinz,
Führer der Spritzenabteilung: Andreas Prinz,
Führer der Wasserabteilung: Karl Radermacher,
Führer der Steigerabteilung: Leonhard Zimmermann,
Führer der Ordnungsabteilung: Joseph Havenith,
Schriftführer und Kassierer: Joseph Havenith,
Zeugwarte: Andreas Prinz und Leonhard Zimmermann.
Die Mitglieder wurden den einzelnen Abteilungen zugewiesen, so dass
sich folgendes Bild ergab:
1. Spritzenabteilung (11 Mann)
Prinz Andre, Abteilungsführer, Sattler, Eupener Straße
Becker Nicolaus
Cormann Joseph, Landwirt, Eupener Str.
Emonts Peter
Goebels Leonhard, Schmied, Eupener Str.
Kerres Theodor
Kohl Arnold
Pier Franz, Handelsmann
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2. Wasserabteilung (13 Mann)
Radermacher Karl, Abteilungsführer
Ramjoie Franz, Waldwärter und Landwirt, Totleger/Lichtenbusch
Ramjoie Joseph
Ramjoie Johann
Thielen Johann
Goebels Andreas, Maurer, Berlotte
Egyptien Nicolaus "
Croe€ Winand
Reinartz Heinrich
Laschet Peter
Goebels Johann, Tagelöhner, Rovert
Renardy Friedrich, Wegearbeiter
Laschet Jacob, Rovert
3. Steigerabteilung (9 Mann)
Zimmermann Leonhard, Abteilungsführer
Radermacher Wilhelm
Klinkenberg Anton
Laschet Jacob (Eynatten)
Kessel Friedrich
Lambertz Caspar
Wertz Hubert
Becker Leonhard
Jennes Ignaz, Gastwirt und Bäcker, Eupener Str.
4. Ordnungsabteilung (11 Mann
Havenith Joseph, Abteilungsführer, Fleischbeschauer
Kever Hubert, Schuster und Kleinhändler, Lichtenbuscher Str.
Schumacher Johann, Schreiner, Hagbenden, inaktiv). Alle folgenden
Mitglieder sind ebenfalls als inaktive bezeichnet.
Schumacher Johann, Maurer, Lichtenbusch
Havenith Nicolaus
Triemer Peter, Tagelöhner, Lichtenbusch
Triemer Karl
13
Broichhausen Heinrich, Maurer
Meessen Ludwig
Goetzen Johann
Schmitz Peter
Als Inaktive wurden gleich im Gründungsjahr aufgenommen:
Johann von Agris, Simon Zimmermann, Mathias Knops, Joseph
Goebels, Leonhard Tychon, Simon Schumacher, Mathias Thisquen,
Lambert Schumacher, Johann Radermacher, Mathias Hellebrandt, Aloys
Thielen, Pfarrer Wilhelm Wessling, Egidius Lausberg. Johann Kessel,
Bartho von Agris, Joseph‘Lausberg jun., Hubert Schiffer, Kommerzienrat
Kirdorff, Wwe Robert Englert, Heinrich Wählen (Brand).
Die Satzungen
Die 19 Paragraphen umfassenden Satzungen wurden am 11. Mai 1902
durch Bürgermeister Richard Esser aufgestellt, zwei Tage später durch
den Gemeinderat und am 12. Juni 1902 durch den Regierungspräsidenten
in Aachen genehmigt. Man darf vermuten, dass dem Bürgermeister
Satzungsvorlagen anderer Wehren als Muster gedient haben.
Wir greifen die wichtigsten Artikel heraus.
$ 1: Zweck
Die freiwillige Feuerwehr hat den Zweck, „durch geordnetes
Zusammenwirken bei Feuergefahr und sonstigen Fällen gemeiner Not
und Gefahr in zweckmäßiger Weise Hülfe zu leisten, um Leben und
Eigentum der Mitbürger nach Möglichkeit zu schützen und zu retten.
Sie ist eine Gemeinde-Schutzwehr und steht, wie das gesamte
Feuerlöschwesen, unter der Oberleitung des Bürgermeisters oder seines
gesetzlichen Stellvertreters.
Die Dienstleistungen in der Feuerwehr sind unentgeltlich,
ausgenommen Bewachung einer Brandstätte nach dem Brande, die
Reinigung der Löschgeräte und die Gestellung von Sicherheitswachen.
Für Brandwachen und Reinigung wird nach Antrag des Vorstandes aus
der Gemeindekasse angemessene Vergütung gewährt.“
15
$2: Mitgliedschaft
Die Wehr besteht „aus aktiven und inaktiven Mitgliedern. Die aktiven
Mitglieder sind diejenigen, welche durch persönliche Tätigkeit bei den
Übungen und Bränden die Zwecke der Feuerwehr zu fördern sich
verpflichten. Diese haben Beiträge nicht zu entrichten.
Die inaktiven Mitglieder zahlen einen jährlichen Geldbeitrag von
mindestens drei Mark....
Jeder unbescholtene Mann, welcher zur Zeit der Anmeldung 17 Jahre
alt ist, kann Mitglied der Wehr werden.
Die Aufnahme eines Mitgliedes geschieht durch den Vorstand, gegen
dessen Beschluss ein Rechtsmittel der Berufung nicht zulässig ist...“
$3: Vorstand
Die Feuerwehr wird von einem Vorstand geleitet, welcher aus 5
Offizieren besteht. Der Vorstand wird von der Generalversammlung durch
Stimmzettel oder durch Zuruf mit einfacher Stimmenmehrheit auf die
Dauer von drei Jahren gewählt. Bei Stimmengleichheit entscheidet das
Los. Aus der Zahl der gewählten Offiziere nimmt der Bürgermeister den
Hauptmann und dessen Stellvertreter.
Der Hauptmann leitet die Vereinsgeschäfte in Verbindung mit dem
Bürgermeister und vertritt die Wehr nach Innen und nach Außen, und
namentlich auch bei der Gemeinde. Er leitet ferner die Übungen und
führt das Hauptkommando bei Bränden.
Die 4 übrigen Offiziere sind Abteilungsführer, von denen einer zum
Schriftführer und Kassierer und zwei als Zeugwarte durch den Vorstand
gewählt werden....Die Zeugwarte üben die Kontrolle über die
Löschgeräte, veranlassen die notwendigen Ausbesserungen und in
Ausführung etwa ergangener Beschlüsse des Vorstandes die
Neubeschaffung von Geräten, Ausrichtungsstücken und Uniformen.
Paragraph 4 regelt die Versammlungen. Generalversammlungen, vom
Vorstand oder auf Veranlassung des Bürgermeisters einberufen, sind
beschlussfähig, wenn mindestens 1/4 der Mitglieder anwesend sind. Die
Einladungen ergehen mittels Postkarte.
Sind zu diesen Versammlungen nicht genügend Mitglieder erschienen,
so kann auf Beschluss des Vorstandes binnen 8 Tagen eine neue
Generalversammlung zusammenberufen werden...
16
$ 5: Einteilung der Wehr
Die Wehr wird in 4 Abteilungen eingeteilt, und zwar in
1.) Spritzenabteilung
2.) Wasserabteilung
3.) Steigerabteilung
4.) Ordnungsabteilung
Die Verteilung in die Abteilungen geschieht durch den Hauptmann
oder den Vorstand unter tunlichster Berücksichtigung der Wünsche und
Fähigkeiten der einzelnen Mitglieder.
Jeder Abteilungsleiter ernennt aus seiner Abteilung einen Stellvertreter *
für die Dauer seines Amtes.
Die Spritzenabteilung hat die Spritzen zu bedienen. Die Mannschaften
dieser Abteilung begeben sich nach stattgehabtem Alarm oder
Wahrnehmung eines Schadensfeuers sofort zu den Spritzenhäusern und
stellen die Spritzen nebst Zubehör zur Ausfahrt bereit. Auf Befehl des
Hauptmannes, dessen Stellvertreters oder Abteilungsführers schaffen sie
die Spritzen zur Brandstätte. Die weiteren Anordnungen in Bezug auf
Aufstellung, Angriff und Inbetriebsetzung der Spritzen gehen von den
zuständigen Vorgesetzten aus. Die Spritzenmannschaften dürfen nicht
eher die Brandstelle verlassen, bis das Feuer gelöscht und der
ausdrückliche Befehl dazu durch den Befehlshaber erteilt ist.
Die Wasserabteilung hat Folgendes zu besorgen: Wasserzutragen an
den Brandherd mit Eimern, Tragkübeln, Handwagen oder auch mit
Pferdefuhrwerken. Freiwillige Helfer sind immer willkommen...
Die Steigerabteilung trägt Sorge, die Leitern und sonstigen
Gerätschaften zur Brandstelle zu schaffen. Ihr fällt ebenfalls die Aufgabe
zu, Menschen, Tiere, Mobiliar u. a. zu retten. Auch das Übergreifen des
Feuers auf Nebengebäude sollen die Steiger zu verhindern suchen.
Die vierte und letzte Abteilung ist die Ordnungsabteilung.
Die Wehrmänner dieser Abteilung haben an der Brandstelle für Ruhe
und Ordnung zu sorgen, die Brandstelle abzusperren und diese nachts zu
beleuchten. Hierbei sollen sie von der Polizei unterstützt werden.
ko
Bei den Übungen und der Ausbildung der Wehrleute geht es meistens
sehr militärisch zu. Zugrunde liegt hier die vom Regierungspräsidenten
17
von Aachen am 16. November 1900 erlassene Übungsverordnung, die
auch in den Satzungen ihren Niederschlag gefunden hat. „Nach Dämpfung
des Feuers“, so heißt es beispielsweise in Paragraph 7, „wird den
Abteilungen der Befehl zum Rückzuge bzw. Sammeln erteilt.“
Der Alarm erfolgt durch Läuten der Kirchenglocken oder durch die
Hornisten. Somit war die erste Feuermeldestelle beim Küster. Jedermann
eilt sofort zur Brandstelle. Ist das Feuer gelöscht, erteilt der Hauptmann
den Befehl zum Abrücken. Ist eine Brandwache vorzusehen, so fällt diese
Aufgabe der Spritzenabteilung zu. Muss die Wehr zu einer
Nachbargemeinde als Unterstützung ausrücken, gelten wieder die
amtlichen Vorschriften.
Paragraph 8 regelt unter „Inventar“ das Eigentumsrecht an
Löschgerätschaften und Uniformen. Beides wird der Wehr von der
Gemeinde Eynatten „zur Verfügung gestellt‘. Die Zeugwarte führen
darüber ein genaues Verzeichnis.
Paragraph 9 („Kassenwesen“‘) legt die Pflichten des Kassierers fest.
Dieser hat die Vereinskasse in seiner Wohnung unter persönlicher
Verantwortung zu verwahren.
Die Einnahmen der Wehr setzen sich zusammen aus Beiträgen der
inaktiven Mitglieder, Zuwendungen der Versicherungsgesellschaften und
Personen, „die durch die Wehr vor Schaden behütet wurden“.
Eine minimale Aufbesserung der Kasse erfolgte auch durch die
Erhebung von sog. Bußgeldern, die in Paragraph 11 der Satzungen
ausführlich beschrieben sind. Es heißt dort:
„Aktive Mitglieder verfallen bei Pflichtvergessenheit in folgende
Ordnungsstrafen:
1.) beim nicht entschuldigten Versäumen einer Übung: 50 Pfennig;
2.) beim nicht entschuldigten Versäumen des Begräbnisses eines aktiven
Mitgliedes: 1 Mark;
3.) beim unentschuldigten Nichterscheinen auf einer Brandstätte: 1 Mark.
Nur Krankheit, naher Trauerfall in der Familie und bei Feuersbrünsten
zeitige Abwesenheit vom Orte gelten als Entschuldigung.
In anderen Fällen muss die Verhinderung dem Hauptmann binnen 24
Stunden glaubwürdig nachgewiesen werden, widrigenfalls die angedrohte
Strafe verwirkt ist.
Wer bei einer anberaumten Übung oder Versammlung länger als eine
Viertelstunde nach angesetzter Zeit erscheint, hat 25 Pf Strafe zu zahlen.
18
Verletzt ein Mitglied seine Pflichten nachgewiesener Maßen
absichtlich, so steht dem Vorstand das Recht zu, in den vorbezeichneten
drei Versäumnisfällen die Strafe zu verdoppeln und im
Wiederholungsfalle sowie bei anderen groben Pflichtvergessenheiten
namentlich gegen die Vorgesetzten auf einfachen Verweis, Verweis vor
versammelter Wehr oder Ausstoßung aus der Wehr zu erkennen.
Die Geldstrafen sind binnen vier Wochen nach ihrer Verwirkung beim
Kassierer einzuzahlen.‘
Unter welchen Bedingungen die Wehr aufgelöst werden kann, ist in
Paragraph 13 festgelegt, und zwar „wenn in zwei binnen 4 Wochen
aufeinanderfolgenden Generalversammlungen, in welchen wenigstens *
zwei Drittel der aktiven Mitglieder anwesend sein müssen, sich drei
Viertel der Anwesenden für die Auflösung aussprechen‘“‘.
Sollte diese Situation eintreten, so fällt das gesamte Eigentum der Wehr
der Gemeinde Eynatten zu.
Wehrmänner verpflichten sich für die Dauer von drei Jahren. Der
Austritt ist jedoch nur nach dreimonatiger schriftlicher Kündigung
zulässig. Wegzug von Eynatten oder körperliche Unfähigkeit entheben
den Wehrmann ohne Kündigung von der Mitgliedschaft.
Sollte ein Wehrmann bei einem Einsatz sich schwere Verletzungen
zuziehen oder schlimmstenfalls gar an den Folgen derselben sterben, so
schaltet sich für ihn und seine Hinterbliebenen die Feuerwehrunfallkasse
der Rheinprovinz ein.
Bei der Beerdigung eines aktiven Mitgliedes gibt ihm die Gesamtwehr
das letzte Geleit. Es wird „als Ehrenpflicht angesehen, dass alle aktiven
Mitglieder sich daran beteiligen“.
In den Versammlungen der Wehr hatten politische oder religiöse
Erörterungen zu unterbleiben.
ok
Laut Unterlagen wurde die erste außerordentliche Versammlung am
3. August 1902 im Lokal Leonard Tychon abgehalten. Es wurde der
Beschluss gefasst, am Kirmessonntag um 16 Uhr, am Gemeindehause
zu Eynatten, eine öffentliche Parade zu Ehren des obersten Chefs, Herrn
Bürgermeister Richard Esser, abzuhalten. Anschließend sollte ein kleiner
Festzug durchs Dorf gehen sowie ein Wiesenfest mit Vogelschuss und
kleinen Volksbelustigungen abgehalten werden. Der Reinertrag des
Vogelschusses war zur Deckung der Wehrschulden vorgesehen.
19
Anschließend an die Versammlung wurden verschiedene Kleidungs-
stücke (Uniformen) und „Utensilien“ besichtigt.
Im Hinblick auf den geplanten Parademarsch zur Kirmes fand
regelmäßiges „Exerzieren zu Fuß“ statt. „Der Eifer und die Disziplin
während der einzelnen Übungsstunden“‘, so der Chronist, „waren als gute
zu verzeichnen. Vereinzelt nicht pünktliches Erscheinen wurde seitens
des Herrn Hauptmanns aufs Strengste gerügt.‘
Bei den Übungen ging es, wie aus dem Berichtebuch zu ersehen ist,
recht militärisch zu: Marschübungen der einzelnen Abteilungen, dann
im Rahmen der ganzen Wehr. Der für Kirmessonntag festgesetzte
Parademarsch wurde „eingehend vorgenommen“ und nachher „insgesamt
mit der Musik als Probe ausgeführt“.
Im Sommer wurden simulierte Brände gelöscht, mit Feuerleitern und
Brandeimern gearbeitet, und auch die jeweilige Spritze immer wieder in
Betrieb gesetzt. Hauptmann A. J. Franssen hatte eine Schwäche für das
Feuerlöschwesen und streckte daher oftmals Geldsummen zur
Verbesserung der Wehrausrüstung vor, die bei der nächsten Gelegenheit
zurückgezahlt wurden.
Über die Ausstattung der Wehr gibt ein „Verzeichnis der
Feuerlöschgerätschaften der Gemeinde“, die der freiwilligen Feuerwehr
zur Verfügung gestellt wurden, Auskunft. Demnach verfügte die Wehr
im ersten Jahr ihres Bestehens über
1 Saug- und Druckspritze
2 Druckspritzen
22 m Hanfschlauch
36 m Lederschlauch
48 Wassereimer
6 Laternen
4 Feuerhaken
2 Leitern, je 4 1/2 m lang
1 Wasserfass, fahrbar, 600 I
1 Alarmhorn
Das Protokollbuch vermerkt unter dem 19. Oktober 1902, „wegen der
inzwischen eingetretenen Jahreszeit‘ hätten die Spritzen- und die
Wasserabteilung ihre Übungen eingestellt. Dagegen habe aber die
Steigerabteilung „einzeln und gesamt“ Übungen mit Hakenleitern im
Saale des Restaurateurs L. Tychon vorgenommen. „Leider konnten
dieselben wegen Raummangels nur sehr ungenügend stattfinden“,
schreibt der Chronist.
20
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Erst im April 1903, als „die Witterung es gestattete“, konnte die
Steigerabteilung „die Handübungen der Hakenleitern vornehmen“. Der
Hauptmann zeigte sich in der Aufbauphase der Feuerwehr äußerst
engagiert und leitete selber die Übungen der Spritzenabteilung, wie er
auch die Steigerabteilung während der Saalübungen geleitet hatte. „Die
Wasserabteilung machte währenddem ihre Übungen im Fußexerzieren
und im Bilden von Wasserketten...‘“
Die Eynattener Wehr hatte sich sehr schnell zu einer gut
durchorganisierten Einsatztruppe herangebildet. Geübt wurde „an jedem
sich folgenden dritten Sonntag, und zwar morgens 8 1/4 Uhr, jeweils 1 .
1/2 Stunde.
Wie schon im Jahre 1902, so nahmen die Wehrleute auch 1903 die
Kirmesfestlichkeiten zum Anlass, einen Vogelschuss abzuhalten und auch
wieder einen Parademarsch zu Ehren des Bürgermeisters vorzuführen.
Außerdem wollte man dem Publikum die verschiedenen Abteilungen
bei Löschübungen vorstellen und abschließend auch wieder
Volksbelustigungen bieten.
Der Schriftführer geht in seinem Bericht zu den Kirmesfestlichkeiten
vom 30. August 1903 sehr eingehend auf das ganze Geschehen ein. Er
schreibt:
„Bei prachtvollem Wetter und großartiger Zuschauermenge von Nah
und Fern entfalteten sich die Kirmesfestlichkeiten der freiwilligen
Feuerwehr Eynatten zu ganz besonderer Schönheit und Zufriedenheit
aller Teilnehmenden.
Pünktlich, wie dieses sich bei einer gut organisierten Wehr gehört,
marschierte dieselbe um 4 Uhr in Paradeuniform und mit sämtlichen
Geräten zum Gemeindehause, woselbst eine Besichtigung seitens des
Herrn Bürgermeisters Esser stattfand. Hierauf folgten die Einzelübungen,
und zwar zuerst seitens der Wasserabteilung durch Übung an dem
Wasserzubringer. Die Abteilung erntete seitens des Herrn Chefs für exakte
Manöverausführung besonderes Lob.
Als 2. Übung wurde die Spritzenabteilung besichtigt, welche ihre
Spritzenmanöver ebenfalls zur besonderen Zufriedenheit unseres Herrn
Chefs vollführte.
Die 3. Übung machte die Steigerkolonne und zwar in 2 Abteilungen.
Die erste Abteilung bestand in Leiterübung a 4 Mann zur 1. Etage und
die 2. Abteilung im Aufsteigen zur 2. Etage. Beide Übungen ernteten das
besondere Lob des Herrn Chefs und aller Teilnehmer.
22
Hierauf folgte ein Angriff auf ein markiertes Brandobjekt, welcher
seitens der Wehr tadellos ausgeführt wurde, indem vom Abrücken der
Wehr bis zum Eintreffen an der Brandstelle sowie deren voller
Inangriffnahme zur Bekämpfung des Feuers nur 7 Minuten vergingen.
Diese Übung wurde tadellos ausgeführt und allgemein bewundert und
gelobt.
Hierauf folgte Parademarschabnahme seitens des Herrn Chefs am
Gemeindehause, welcher ganz zufriedenstellend ausgeführt wurde. Nach
einem Festzug durch das Dorf wurde der Flobertvogelschuss in der Wiese
Tychon abgehalten. Zu diesem Vogelschuss waren 607 Lose mit M(ark)
303,50 ausgegeben worden. Es wurden hiervon M 160 verschossen, so
dass noch ein Überschuss von M 143,5 für die Wehrkasse verbleibt,’
welche zur Tilgung alter Schulden benutzt wurden.“
Wie man aus diesem Protokollbucheintrag sieht, spielte die Eynattener
Feuerwehr im Dorfleben bei der Kirmes die Rolle, die andernorts von
den Kriegervereinen gespielt wurde.
Nach den so vielversprechenden Erfolgen der Aufbauphase kam eine
erste Krise. Im Berichtebuch klafft eine Lücke für die Jahre 1904-1907.
Viele Jahre später, 1913, ließ Hauptmann Franssen einen Nachtrag für
diese Jahre anfertigen. Darin lesen wir:
„Diese Zeit war für unsere Wehr eine teilweise Krisenzeit.
Zwar war die Wehr in sehr guter Stärke und fanden Übungen
regelmäßig statt, so dass bei Gelegenheit der Kirmes eine Übung stattfand,
welche weit über den Ort hinaus Aufsehen und auch seitens der zahlreich
erschienenen Zuschauer Anerkennung fand.
Einen herben Verlust erlitt die Wehr durch das Hinscheiden des
Abteilungsführers Franz Ramjoie.
Ein tüchtiger Tambour und Wehrmann, lagen ihm die Wehrinteressen
sehr am Hefzen.
In dieser Zeit beginnt die Krisenzeit.
Einige unserer eifrigsten Leute gingen zum Kleinbahndienst, einige
konnten wegen Familienverhältnissen den Übungen nicht mehr folgen;
zwei erkrankten, das Interesse der Neuheit schwindet, eine gewisse
Wehrmüdigkeit seitens vieler Mitglieder stellt sich ein.
Schuld hieran trugen auch viele Ortseingesessene, welche der Wehr
möglichst zu schaden suchten, dann starb uns noch unser Kamerad Anton
Klinkenberg, auch ein äußerst tüchtiges und liebes Wehrmitglied. „Treu
bis in den Tod“ hat er bis zu seinem ach so jungen Tode nicht eine Übung
versäumt.
25
Ich schreibe dieses als altes Wehrmitglied und hoffe, meine Worte
mögen den jetzigen Kameraden ein Ansporn sein, fleißig und regelmäßig
die Übungen zu besuchen, und nicht vielleicht wegen einer Kleinigkeit
zurückzubleiben.
Ende 1904 und 1905 wurden Versuche gemacht, auch auf Lichtenbusch
eine Wehrabteilung einzurichten. Diese Versuche scheiterten, weil
Lichtenbusch eine von der Eynattener Wehr völlig unabhängige Stellung
beanspruchte. (Wie die Gemeindechronik berichtet, hatte Lichtenbusch
schon 1859 eine kleine Brandspritze und 10 lederne Brandeimer erhalten).
Dies musste natürlich gegen die Interessen unserer Wehr sein, die
Verhandlungen sind im Sande verlaufen.
Es folgte dann, wie in allen Korporationen, der Niederschlag. Die
Übungen wurden kaum noch besucht, es wurden keine Bücher geführt
und nur ein kleiner Stamm hielt die Sache hoch und hatte die Freude,
dass auch die alten verdienten Brandmeister, die Herren Franssen und
Prinz, der Wehr treu blieben.
Leider brachte unser Herr Chef der Wehr nicht das frühere Interesse
entgegen. Es ist ja verständlich, dass die Wehrzustände unseren Herrn
Chef nicht erfreuen konnten, aber gerade in der Zeit der Stagnation ist
der Rückhalt unbedingt notwendig.
Anfang 1907 wurde ein neuer Anlauf genommen, die Wehr wieder
auf Höhe zu bringen. Auf einigen Versammlungen wurden neue
Mitglieder geworben und der Vorstand neu bzw. wiedergewählt. Als
Schriftführer und Kassierer wurde der Abteilungsführer Wilhelm Reinartz
gewählt.
Die Mitgliederzahl betrug wieder ohne Musik etwa 20 Mann.
Trotz der misslichen inneren Verhältnisse hat die Wehr in der Zeit
sich doch bei einigen Bränden sehr gut bewährt, so beim Brand am „alten
Bau“, wo die Eynattener Wehr von Raeren aus gebeten wurde und sich
volle Anerkennung verschaffte, sodass ihr seitens des Eigentümers Herrn
Kirdorff eine namhafte Summe überwiesen wurde. Ebenso musste die
Arbeit der Wehrleute bei den Bränden in der Färberei Franssen, der
Restauration Wilms, der Gastwirtschaft Vonhoff (an der Lichtenbuscher
Straße, ehemalige Apotheke) des Brandes bei Lichtenbusch,
Johannisberg, welche alle Großfeuer waren, anerkannt werden. (Anm.:
In der Presse finden diese letztgenannten Brände keine Erwähnung.)
Die Wehrsache erhielt durch diese Unglücke neues Interesse seitens
der Ortseingesessenen und manches Vorurteil gegen die Wehr
verschwand. Es rang sich die Einsicht durch, dass ein organisiertes
24
Löschen unter einer energischen Leitung und gehorsamen Mannschaft
ungeheure Vorteile bringt.
Mögen diese offenen Schilderungen den Wehrleuten in Zukunft eine
Mahnung sein, auch in kritischen Zeiten der Wehrsache treue
Kameradschaft zu halten mit dem Vorsatze: Frühere Mitglieder haben
unsere Sache trotz allem hochgehalten; auch wir wollen sie so halten,
damit die Wehr stark bleibt zum Wohle des Nächsten und zum Besten
der Gemeinde.
Der Schriftführer: Jos. Ramjoie
Übungen und Versammlungen wurden wieder regelmäßiger
abgehalten. Die Wehrmitglieder trafen sich bei Tychon, Vonhoff, Wilms
und Peter Kaaf. Bei der Generalversammlung am 8. August 1908 war
außer Hauptmann A. Franssen auch Bürgermeister Esser zugegen.
Hauptthema war die Erhöhung der Mitgliederzahlen. Um dieses Ziel zu
erreichen, sollte jeder Wehrmann in seinem Bekanntenkreis Werbung
machen.
Zu nebenstehendem Bild:
Die Freiwillige Feuerwehr Eynatten vor dem Restaurant Wilms (heute Casino)
im Jahre 1904.
In der Mitte, vor der Eingangstür, erkennt man den Bürgermeister Richard Esser, zu
seiner Rechten den Brandmeister Andreas J. Franssen, zu seiner Linken dessen
Stellvertreter, den 2. Brandmeister A. Prinz. Die übrigen Wehrmänner sind nicht mehr
bekannt.
Das Bild ist auch insofern von Interesse, als die Eynattener Wehr in voller Montur mit
ihrem gesamten Löschmaterial angetreten ist. So erkennen wir 4 Hakenleitern, die Spritze
mit Schläuchen (davon einer mit Korb, der als Sieb diente), und lederne Brandeimer. Ein
Feuerwehrmann hat das Alarmhorn umgeschnallt. Die Mitglieder der wehreigenen
Musikkapelle sind durch die Achselstücke gekennzeichnet; die meisten tragen auch statt
des Helmes eine Mütze.
Anton Wilms war Küster und hatte eine „Kleinhandlung und Schenkwirtschaft“.
2%
Eine „Wehr-Versammlung‘“ vom 15. August 1908 gibt folgende
Namen:
a) Offiziere: Chef der Wehr: Bürgermeister R. Esser
Diensttuender Hauptmann: A. Franssen
Stellvertretender Hauptmann: A, Prinz
Leiter der Steigerabteilung: Jak. Laschet
der Spritzenabteilung: Fritz Kessel
der Wasserabteilung: Martin Ramjoie, Fabrikarbeiter,
Lichtenbuscher Str. 82
b) Mitglieder: Franz Jakobs; 2. Theodor Kerres, Fuhrknecht, Hauseter
Str.; 3 Heinrich Bourmann; 4. Peter Kolvenbach, Schreiner, Eupener Str;
5. Lambert Knops; 6. Jakob Dobbelstein; 7. Andreas Baum, Landwirt,
„Vogelsang“, Eynattener Str. 99; 8. Joseph Hompesch; 9. Wilhelm
Ramjoie; 10. Joseph Ramjoie; 11. Ignatz Ramjoie, Weber, Lichtenbuscher
Str.; 12. Nikolaus Jennes; 13. Peter Laschet; 14. Johann Jansen, 0. G.,
„Gut Bau“ Ecke Eynattener/Eupener Str.; 15. Winand Cro6e; 16. Hubert
Ahn.
Die Wehr erreichte also mit 5 Offizieren und 16 Mann noch nicht die
von Hauptmann Franssen als notwendig erachtete Stärke von 24 Mann,
die nach Ansicht des ersten Brandmeisters „zu einer geregelten Übung
dringend erforderlich wären“.
Am 18. Oktober 1908 erfolgte die Jahresschlussübung an der Fabrik
Franssen. Zum Abschluss lud der 1. Brandmeister (und Fabrikbesitzer)
Andreas Franssen die Wehrleute beim Ehrenmitglied A. Vecqueray
(Gaststätte „Leuff‘“) zu einem gemütlichen Umtrunk ein.
Am 20. Dezember 1909 brannte das Gut „Eichstätterhof“ an der
Raerener Straße, das der Witwe M. J. Rosewick gehörte. Das
Korrespondenzblatt hebt vor allem das schnelle Eingreifen der Eynattener
Wehr hervor, die den 1 1/4 stündigen Weg zur Brandstätte mit ihren
Gerätschaften in kaum einer Stunde zurückgelegt habe. Dennoch mussten
sich die Wehrleute auf „Rettungs- und Aufräumungsarbeiten
beschränken...‘
Am 1. März 1910 musste die Wehr nach Berlotte ausrücken, wo ein
Brand im Anwesen der Wwe Kessel ausgebrochen war und wo die
Wehrleute „trotz ungünstiger Verhältnisse‘ gute Arbeit leisteten. Die
Zeitung berichtete, das Haus sei bis auf die Grundmauern nieder gebrannt,
doch habe man das Vieh und den größten Teil des Mobiliars retten können.
An neue Uniformen war vorerst aus finanziellen Gründen nicht zu
denken. Die derzeitigen sollten ausgebessert und vervollständigt werden.
28
Eynatten, 22. Dez. In der Nadt von Montag zum
Dienstag entjtand aus bisher unaufgeklärter Uriase auf
dem Gute „Cichjtädter Hof“ Großfeuer. Das Gut gehört
der Wwe. M. I. Rofewid und liegt, troHdem e8 zu
Synatten gehört, an der Raerenerftraße in der Nöde
Burtfcheids. Die Synattener Feuermehr, weldhe zehn
Minuten nad) dem Alarm Lereit3 marfchfertig ftand und
den 1',ftündigen Weg zur Brandjtätte in kaum einer
Stunde mit ihren Geräten zurüdlegte, mußte fi auf die
ner und nun een be[dränken. Durch
ihr tatfräftiges Eingreifen Konnte fämtliches Vieh gerettet
und das Wohngebäude vor Feuer gefhligt werden. Die
Dekonomie - Gebäude und die Heuvorräte wurden ein
Raub der Flammen. Der Schaden ift durch Berfiderung
gededt.
(Korrespondenz-Blatt vom 25.12.1909)
Eynatten, 2. März. Geftern abend brannte da3 Un-
wejen der Wme. Kefjel zu BYBerlotte trog des tatkräftigen
Singreijens der Eynattener Feuerwehr bi8 auf die Um-
EEE nieder. Das VieH und der größte Teil
de3 Mobilar3 konnten gerettet werden.
(Das Korrespondenz-Blatt zum Brand vom 1. März 1910)
"Eupen, 2. März. Um -Abend des erften Fajtnacht3-
tage8 murde daS von den Gejhwiftern HavenithH in
Eynatten - Berlotte bewohnte Gut dur Feuer zerftört.
Der Brasıd bracdy aus, mährend mehrere der Hausbe-
wohner in Eynatten einem Fejte beimohnten,
(Korrespondenz-Blatt vom 2.3.1911)
In Zukunft wollte man beim Tode eines Mitgliedes ein Seelenamt
abhalten, so der damalige Schriftführer Ramjoie, der wiedergewählt
wurde.
Am Fastnachtssonntag, dem 26. Februar 1911, gab es am Abend
Großalarm. Das Gehöft der Familie Havenith auf Berlotte stand in
Flammen. „Der Brand brach aus, während mehrere der Hausbewohner
in Eynatten einem Feste beiwohnten“‘, schreibt das Korrespondenzblatt.
Das Feuer wurde durch einen heftigen Wind angefacht und ein Löschen
war aussichtslos. Der Hof brannte vollständig nieder.
Im August 1911 erfolgte eine Inspizierung der Wehr durch den
Kreisbrandmeister Fremerey aus Eupen. Bei dieser Gelegenheit wurden
die gesamte Mannschaft sowie die „Wehrutensilien‘“, Löschgeräte, Leitern
und dergleichen, unter die Lupe genommen. Vermutlich war der
Kreisbrandmeister zufrieden, denn anschließend fand eine gemütliche
Zusammenkunft im Restaurant Kaaf statt.
29
Edmund Fremerey, der der erste Kommandant der 1903 aus dem
Zusammenschluss zweier schon bestehender Wehren entstandenen
“Städtischen Freiwilligen Feuerwehr“ war, starb am 15. Januar 1912 in
Eupen. Um seine Vaterstadt und den ganzen Kreis hatte er sich große
Verdienste erworben. Zu seiner Beerdigung sandte auch die Eynattener
Wehr eine Abordnung unter Führung des 2. Brandmeisters Andreas Prinz.
Am 23. Februar 1912 starb in Eynatten der Dorfschmied Leonard
Goebels. Seit den Gründertagen war er Mitglied der Freiwilligen
Feuerwehr Eynatten gewesen. Die Wehr nahm vollzählig an seiner
Beerdigung teil.
Am 17. März verlor die Wehr ein weiteres Mitglied durch den Tod:
Theodor Kerres.
Die Archivunterlagen der Wehr erinnern an Versammlungen, Übungen,
Beschlüsse etc., sagen aber leider etwas wenig zu Einsätzen und Bränden,
und absolut nichts zur Ausrüstung der Wehr.
Greifen wir jedoch noch ein paar Notizen aus dem Bericht für das
Jahr 1912 heraus. Die Wehr feierte ihr zehnjähriges Bestehen.
Wenn auch im Berichtejahr 1912 kein einziger Brandfall zu vermerken
war, so wollten die Wehrmänner doch auch in Zukunft „zu jeder Stunde
in allen Unglücksfällen ihr bestes Können zeigen und freudig zum
Schwierigsten bereit sein“.
Das Jubiläumsjahr feierte man im Sommer mit einem Ausflug nach
Monschau, woran die Wehr vollzählig mit Musik nach Beiwohnung der
hl. Messe für die lebenden und verstorbenen Mitglieder teilnahm.
Im Herbst feierte die Wehr aus dem gleichen Anlass „ihren
hochverdienten Herrn Brandmeister Franssen‘“ im Rahmen eines
„genussfrohen Unterhaltungsabends“‘.
Ferner richtete die Wehr eine Gesangsabteilung ein „zwecks Einübung
von Volks- und Marschliedern für den Gebrauch in der Wehr“. Der
Chronist gibt dem Wunsche Ausdruck, dass auch diese Einrichtung „ein
Ausgabe sein möge, welches die Wehr enger bindet und dem unbedingt
notwendigen kameradschaftlichen Geiste in der Wehr dienlich ist“.
Zu Beginn des Berichtsjahres 1913 zählte die Wehr 24 aktive
Mitglieder, deren Zahl sich im Laufe des Jahres auf 35 erhöhte. Ein
großartiger Erfolg! Der Chronist beklagt jedoch, „dass die Übungen auch
betreff des Besuches noch sehr viel zu wünschen übrig lassen“. Bei der
Generalversammlung vom 21. März 1914 im Lokal des „Kameraden
Croe auf Rovert“ wurde dieses Problem ganz offen dargelegt und der
Chronist betont die Notwendigkeit der regelmäßigen und pünktlichen
30
Übungen, da „nur auf diese Weise es der Wehr gelingen wird, eine
zufriedenstellende und exakte Ausbildung zu erreichen. Der strikte
Besuch aller Übungen im Jahre 1914 ist, wegen des im September zu
Eynatten stattfindenden Kreisfeuerwehrfestes, unbedingt erforderlich, da
nur durch vieles und unermüdliches Üben die Wehr es erreichen wird,
den Anforderungen, welche das Kreisfeuerwehrfest an dieselbe stellt,
gerecht zu werden. Es wird deshalb den Kameraden ans Herz gelegt, bei
keiner Übung zu fehlen und unermüdlich mitzuwirken, dass unserer Wehr
beim Kreisfeuerwehrfest kein Tadel, sondern nur Lob gespendet wird.“
(Anm.: Das geplante Kreisfeuerwehrfest blieb durch den Ausbruch
des 1. Weltkrieges in den Planungen stecken.)
Am 23. Juli 1913 machte die Eynattener Wehr einen Ausflug nach’
Altenberg (= Kelmis) „zum kameradschaftlichen Besuch der dortigen
Wehr“. Eine große Abordnung der Altenberger Wehr empfing die
Eynattener an der Hergenrather Ortsgrenze, „wonach man unter
klingendem Spiel durch den Ort Altenberg zog, um beim Kameraden
Soiron sich an einem kräftigen Imbiss zu laben...“
„Herr Bürgermeister Schmetz (Neutral- und Preußisch-Moresnet) hatte
es sich nicht nehmen lassen, persönlich zu erscheinen und zollte derselbe
der treuen Kameradschaft und dem guten Einvernehmen, welches
zwischen den beiden Wehren bestehe, schöne Worte der Anerkennung...“
Schon 1904-05 war in Lichtenbusch der Versuch gemacht worden,
eine eigene Feuerwehr zu gründen. Der Chronist hat diesen Versuch im
Nachtrag für die Jahre 1904-1907 verurteilt.
Im letzten Friedensjahr wird berichtet, dass unter dem Vorsitz des
Bürgermeisters sich in Lichtenbusch am 8. März 1913 ein zweiter, der
Eynattener Wehr angegliederter Löschzug, gebildet habe. Diesem traten
27 Mitglieder bei. „Hierdurch ist für Lichtenbusch endlich erreicht, bei
Feuer oder sonstiger Gefahr eine schnelle Hülfe bereit zu haben. Die
Chargen (Ämter) verteilen sich nunmehr wie folgt:
Franssen, Oberbrandmeister
Prinz, 1. Brandmeister
J. Cohl, 2. Brandmeister
L. Knops, 1. stellvertretender Brandmeister
L. Schumacher, 2. stellvertretender Brandmeister
Im Laufe des Jahres 1913 schlossen sich die ländlichen Wehren des
Kreises Eupen zu einem Kreisverband zusammen und traten dem
Provinzialverband der Rheinprovinz bei. Als Vorsitzender wurde der
31
Eynattener Oberbrandmeister Franssen gewählt. Der Kreisausschuss
ernannte Franssen zum Kreisbrandmeister.
ook
Abschließend noch die letzte Eintragung aus dem Protokollbuch. Sie
betrifft einen Waldbrand in Raeren am 21. Mai 1922. Der dortige
Oberförster Ballon bat um Hilfe der Eynattener Wehr zum Löschen eines
Waldbrandes „oberhalb“ Raeren. Ein Auto würde zur Verfügung gestellt,
um die Mannschaft aus Eynatten zur Brandstelle zu befördern.
18 Wehrleute meldeten sich daraufhin und waren von 15 Uhr bis
Mitternacht am Brandherd tätig. Ein Wehrmann blieb als Nachtwache
bis zum nächsten Tag um 14 Uhr.
Folgende Rechnung wurde anschließend dem Bürgermeistereiamt in
Raeren zugeschickt:
„Hülfeleistung beim Waldbrand in Raeren
18 Mann zu 25 Fr pro Person 450,- Fr
Eine Nachtwache 20,- Fr
36 Flaschen Bier zu 0,50 Fr 18,- Fr
Ersatz von Schuhen für W. Kriescher 40,- Fr
Ersatz für drei an der Brandstelle
verlorene Beile zu 5 Fr 15,- Fr
1 Spaten SAP
Insgesamt 548,- Fr
Die Rechnung ist unterschrieben von A. Prinz (Brandmeister) und
Bürgermeister Christian Esser.
ck
Über den weiteren Werdegang der Eynattener Feuerwehr liegen uns
leider keine Unterlagen vor. Inzwischen waren ja bekanntlich unsere
Gebiete dem Königreich Belgien angegliedert worden.
Als am 12. Mai 1936 im Hause des Notars Leon Trouet (Haus Schmetz,
später Hertzog) ein Brand ausbrach, erschien bereits die Eupener Wehr
zur Brandbekämpfung. Ob noch Mitglieder der Eynattener Wehr im
Einsatz waren, ist nicht bekannt, scheint aber aus der Wortwahl des
Zeitungsberichterstatters („an den Rettungsarbeiten beteiligen“)
hervorzugehen.
52
Grofifeuer in Eynatten
Ennatten, 13. Mai. Geftern nadmittag entjtand im
Haufe des Herrn Notars Irouet, einem alten Wohnhaus, ein
Feuer, das in kurzer Zeit einen Riefenumfang annahm. Der
Beliber des Haufes lag Frank gu Bett, niemand im Haus
merite etwas von dem Feuer, das fidhh mit einer Riefenge-
Tdwindigfeit ausbreitete. Audy die Hiefige Wehr war’ alar-
miert worben, dody anfdheinend zu Jpät. Bei ihrem Gintreffen
Itand der ganze Dacfituhl bereits in Flammen, Man verfuchte
zu retten, was eben nody möglidy war. So wurden die {ehr
wertvollen Möbel und andere Einridtungsgegenitände aus
dem brennenden Haus Herausgeholt. Dody audı Te haben
großen Schaden gelitten. Das Haus felbft ift vollitändig
verniditet worden; was die Flammen verfhonten, Kam durdy
das in groben Malfen gebraucte Waffer zu Schaden.
Ein Webergreifen des Feuers auf die Nadbarhäufer‘ Tonnte n
verhindert werben. Die Gupener Wehr mukte Kid bis 9 Uhr
‚abends an den Rettungsarbeiten beteiligen und ftellte dann
bis heute morgen nody eine Brandwade, Ueber die Entfter
Humgsunjade des Feuers Üt man nody im Unflaren. Man
nimmt an, daß durdy einen Kaminbrand das Unheil gefommen
ijit. Das Feuer Fonnte Jich fo FAmnell ausbreiten, weil alles
SHohwert des HSaufes aus ‚altem trodenem Sichenholz befteht,
das überdies durch die Zentralheizung befonders ausgefrodnet
war. Der Schaden it fehr groß und läkt id nody nicht ab-
Idhäben, dor audy die geretteten Sinridtungsgegenitände zum
größten Teil Schaden gelitten Haben.
Bei diejer Gelegenheit. wollen wir auf einen Jdjweren Mik-
Hand aufmertjam maden, der Fidh geftern wieder mal unan-
‚genehm bemerkbar madjte. Die Supener Wehr tut ihr Beites,
um möglidit fOhnell an einer Brandftelle einzutreffen. Die
Vergangenheit hat es uns oft bewiefen, daß unfere Wehr fn
der Schnelligfeit unübertroffen it. Geftern am es mn wieder
‚auf die größte Schnelligfeit an, die aud von der Wehr head
tet wurde. Wber das Publitum auf dem Stvaken tut alles,
um die Schnelligfeit zu verringern. Ein Vorfahrisredht der
Feuerwehr fennt es anjdheinend nicht, Alle Fuhrwerke, ja
Telbit Fubgänger Haben Ficdy geftern in der Stabt verhalten,
- als wem fie die Feuerwehr Hätten zurüdhalten wollen. Bon
der Leitung der Wehr werden wir gebeten, Dielen Mikltand
darzulegen. Tin lebtes Mal ridtet die Wehr an das Bubli-
fum die Aufforderung, die Feuerwehr bei AWlarmen nicht zu
behindern und einem Wagen der Feuerwehr fofort das Bor-
fahrtredit einzuräumen. Gejdhieht dies nit freiwillig, fo
wird man geswungen fein, andere Maknahmen zu ergreifen.
Eine Eupener Zeitung, die über den Brand berichtete, schreibt u. a.:
„Auch die hiesige Wehr (Eupen) war alarmiert worden, doch anscheinend
zu spät. Bei ihrem Eintreffen stand der ganze Dachstuhl bereits in
Flammen.“ Einige Zeilen weiter heißt es: „Die Eupener Wehr musste
sich bis 9 Uhr abends an den Rettungsarbeiten beteiligen und stellte dann
bis zum Morgen noch eine Brandwache...‘““
Im weiteren Verlauf des Berichtes beklagt sich die Eupener Wehr, dass
ein Vorfahrtsrecht der Feuerwehr nicht beachtet werde. Alle Fuhrwerke,
33
ja selbst Fußgänger hätten den Eindruck erweckt, ein schnelles
Vorwärtskommen der Wehr verhindern zu wollen. Die Leitung der Wehr
kritisiert aufs Schärfste dieses Verhalten und droht mit „anderen
Maßnahmen“.
Zu den Löscheinsätzen der Eupener Wehr in Eynatten erklärte uns ein
langjähriger Eynattener Kommunalpolitiker, es sei nach dem Ersten
Weltkrieg, Anfang der 20er Jahre, ein Abkommen zwischen Eupen und
Eynatten unterzeichnet worden, demzufolge die Eupener Wehr bei
Bränden in der Ortschaft Eynatten alarmiert wurde.
Es ergibt sich daraus die Annahme, dass die Eynattener Wehr sich in
den frühen zwanziger Jahren aufgelöst hat. Die Spritze blieb bis gegen
Ende des Zweiten Weltkrieges im Spritzenhaus erhalten, ging dann aber
verloren. Auch von den übrigen Ausrüstungsgegenständen hat sich nichts
bis in unsere Tage erhalten, so dass nur noch die vergilbten Blätter des
Protokollbuches sowie einige Fotos und Zeitungsartikel die Erinnerung
an die Eynattener Wehr wach halten.
Anhang
In unserem ersten Beitrag über Eynatten („Im Göhltal“, Nr. 67, S. 50-
66) haben wir schon kurz auf die Bemühungen der Regierung um besseren
Brandschutz in den einzelnen Gemeinden hingewiesen. Zusätzlich
erwähnt die Gemeindechronik für das Jahr 1828 die Anschaffung von 56
Fuß (etwa 17 m) Schläuchen für die Brandspritze beim Aachener
Riemenmeister Peter Kautz sowie die Lieferung von 50 ledernen
Brandeimern durch den Sattler Heinrich Bergene.
Die Eynattener Gemeindechronik registriert in den Jahren von 1853
bis 1897 folgende Hausbrände:
1. 26.09.1853: Brand beim Tagelöhner Peter Joseph Tichon auf
Berlotte
2. 26.-27.09.1857: Brand bei Franz Bosten (Lichtenbuscher Str., später
Louis)
3. 03.12.1861: Brand in der Eynattener Mühle
4. 29.10.1862: Großbrand auf Lichtenbusch, wo die an einander
grenzenden Häuser von Wilhelm Josef Steffens, Hermann Hüppener
und Michael Arnold Cool vollständig niederbrannten
5. 11.12.1863: Bei einem Brand auf dem Eichstätter Hof in
Lichtenbusch wurden die Gebäulichkeiten größtenteils zerstört und
der Eigentümer W. Wiertz verlor fast sein gesamtes Hab und Gut.
34
6. 26.04.1865: Das Feuer zerstört eine Scheune des Gutes Vlattenhaus.
7. Ende Oktober 1867: „In den Wegen‘ brennt das Haus des Arnold
Breuer nieder.
8. 20.01.1868: Auf Berlotte zerstört „eine verheerende Feuersbrunst‘“
das Gut „Pley“. Der Besitzer von „Pley‘“ war Friedrich Christian
Ertzig, Pächter war Johann Josef Scheiff.
9. 11.08.1871: Brand im Anwesen des Leonard Goebels
10. 01.01.1872: Großbrand auf Lichtenbusch, wo die Häuser der
Familien Nikolaus Josef Faschbach, Johann Wilhelm Coir und der
Witwe Johann Coir ein Raub der Flammen wurden
11. 05.06.1873: Brand bei Leonard Hubert Goebels „am Berg“
12. 12.12.1876: In der Hebscheider Heide brennt das Haus des Lambert‘
Schumacher (aus Raeren) nieder, das früher dem Peter Braff gehört
hat.
13. 10.05.1877: Brand auf „Klein Langfeld‘ bei Wilhelm Heister, heute
Raerener Straße Nr. 201. Totalschaden.
14. 01.10.1877: In der Hebscheider Heide brennt es bei Johann Peter
Schopp. Totalschaden.
15. 21.12.1877. Der Pächter der Eynattener Mühle, Andreas
Klinkenberg, erlitt beträchtlichen Schaden beim Brand der Scheune
und des Pferdestalles.
16. 03./04.01.1878: Der Eichstätter Hof (Besitzer Josef Hessel, Aachen)
wird durch ein Feuer zerstört.
17. 06.01.1879 (oder 07.02?) Großfeuer bei Nikolaus Keutgen auf
Theeheide, wo der Pächter seine gesamte Habe verlor. Der Besitzer
war Ernst Zaghers.
18. Ende November 1882: Brand beim Lichtenbuscher Gastwirten
Wilhelm Michael Arnold Lennertz, wo das Wohnhaus in Flammen
aufging.
19. 16.10.1883: Großbrand auf Gut Driesch, das durch Andreas Joseph
Vecqueray und Peter Simon Radermacher bewirtschaftet wurde.
20. 22.05.1886: In Lichtenbusch zerstört ein Großbrand 4 Häuser:
Hermann Josef Andre, Friedrich Steffens und Johann Josef Steffens
(Letzterer verlor 2 Häuser bei diesem Brand.)
21. 13.04.1887: Brand auf Berlotte bei Johann Josef Thoma
22. 21,.04.1887: Bei Lambert Schumacher (Eigentümer Carl Vecqueray)
wütet ein Brand.
23. 25.06.1889: Brand bei Wilhelm Heister in Langfeld.
35
24. 10.12.1889: Auf dem Gut Driesch, das durch den Ackerer Peter
Simon Radermacher bewirtschaftet wird, wird das Wohnhaus durch
Brand teilweise zerstört.
25. 09.02.1890: Bei Wwe Ernst Jeghers auf Theeheide bricht Feuer aus.
26. 01.05.1891: Brand bei Peter Josef Pelzer; Pächter ist Stefan Mostert.
27. Juli 1891: Feuersbrunst im Gebäude des Dachziegelbäckers Leonard
Jennes
28. 01.05.1893: Erneut Brand auf Gut Driesch
29. 10.06.1897: Das Haus des Tagelöhners Wilhelm Egyptien im Rovert
wird durch Brand vollständig zerstört.
30. 08.-09.11.1897: Das kleine Haus der Witwe Hompesch im Rovert
brennt bis auf die Grundmauern nieder.
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Am Abend des 16. Juni d. J. zerstörte ein Großbrand in der Siedlung
Landwehring in Lichtenbusch zwei Siedlungshäuser. Der Fall zeigt, dass
die Feuerwehr auch heute noch trotz modernsten Brandbekämpfungs-
geräten den Totalschaden nicht immer verhindern kann. Verkehrsbe-
hinderungen hatten die Eupener Wehr zu Umwegen gezwungen und
mangelnder Wasserdruck den Löscheinsatz erheblich erschwert.
36
Die Fliege
Seit gestern ist sie schon bei mir
- die Liebe ist nicht gegenseitig -
ich öffne Fenster ihr und Tür,
sie sucht ihr Glück nicht anderweitig.
Sie schillert schwarz und blau und grün,
sie schwirrt und brummt erstaunlich laut, $
im Zickzack stößt sie vor - zurück,
als wär ein Motor eingebaut.
Sie schikaniert mich ungeniert,
sie läßt sich nieder, wo’s ihr paßt,
sie macht es spannend, inszeniert
hier einen Fliegenkrimi fast.
Ich kann die Fliege nicht erziehen,
will auch nicht aus der Wohnung fliehen,
ich hoffe, es wird mir gelingen,
sie hinterlistig umzubringen.
Was wär ein Krimi ohne Mord?
Die Fliege hat vielleicht geglaubt,
sie pflanzte sich noch bei mir fort -
doch Notwehr ist erlaubt.
Maria-Therese Weinert
37
Die Eiskeller von Kelmis und Umgebung
von Caroline LETERME
1. Teil: Der Eiskeller der Eyneburg in Hergenrath
In unserer Gegend, wie auch in den benachbarten Ländern, erscheinen
die Eiskeller ab Ende des 17. Jahrhunderts. Gebaut wurden sie, um das
natürliche Eis während der warmen Jahreszeiten zu konservieren und
Eis auch in den Ländern zur Verfügung zu haben, wo die
Wetterbedingungen kein natürliches Eis hervorbringen. Es gab
hauptsächlich zwei Verteilungswege des Eises: der Erste beruhte auf
einem Handel von großem Ausmaß, der das Eis von den skandinavischen
Ländern zu den Hauptzentren für Konservierung und Verteilung
beförderte. Der Zweite betrifft die Menge von ländlichen Eiskellern, die
im allgemeinen in der Nähe von Teichen bzw. Wasserläufen gebaut
wurden. Die meisten Burgen bzw. Schlösser verfügten über solch einen
Eiskeller. Diese „individuellen“ Eiskeller hatten durchschnittlich einen
Inhalt von ca. 50 m3 — mit Ausnahmen, die viel größere Maße erreichen
konnten. Eine gleiche Bauart und ungefähr die gleichen Maße hatten die
Eiskeller, die die Ortschaften bzw. kleinen Städte einrichteten. Die Anzahl
von etwa zwanzig Eiskellern in Spa bestätigt den Aufschwung des
Hotelbetriebs dieser Thermalstadt.
Die Eiskeller unserer Region
Der Gebrauch der Eiskeller erlebte im 19. Jahrhundert seinen
Höhepunkt, und zwar in Verbindung mit der Umwandlung der Eiskeller
für die Konservierung des künstlichen Eises. Zu dieser Zeit werden
zahlreiche private Eiskeller gebaut, die aber den Charakter der
Gemeinnützigkeit haben, zum Beispiel auf Bauernhöfen, in Metzgereien,
Brauereien, Molkereien usw.
Die Untersuchungen von L. Robberts' haben zu einer Auflistung von
mehr als 200 Eiskellern innerhalb der Wallonischen Region geführt. Im
Verzeichnis seiner Veröffentlichung sind zwei Eiskeller innerhalb der
Deutschsprachigen Gemeinschaft festgehalten, nämlich derjenige der
Emmaburg in Hergenrath (Gemeinde Kelmis) und der von Mützhagen
!_ Robberts, L., 1989.
38
in der Nähe des Weißen Hauses (Gemeinde Lontzen). Im Jahre 1999
wurde ebenfalls in Eupen (Borngasse) ein Eiskeller einer Brauerei unter
Denkmalschutz gestellt; Anfang des Jahres 2001 wurde in St. Vith
während Ausschachtungsarbeiten der rechteckige, gewölbte Eiskeller der
ehemaligen Brauerei Schenk (in der Bahnhofstraße — Teichstraße)
entdeckt und durch den archäologischen Dienst des Ministeriums der
Deutschsprachigen Gemeinschaft dokumentiert.
Der am häufigsten angetroffene Eiskellertyp im Gebiet der
Wallonischen Region ist der der sogenannten “glaci&re ordinaire””; dabei
handelt es sich um einen unterirdischen Bau in Form eines umgestülpten
Kegelstumpfs; in den Ardennen und zwischen Weser und Maas ist jedoch
der rechteckige Typ mit Tonnengewölbe häufiger.
Der Gebrauch der Eiskeller
Die Eiskeller vom Typ „ordinaire“ bestanden hauptsächlich aus einer
stets unterirdischen Grube?, die durch einen mehr oder weniger langen
und umständlich begehbaren Zutrittsgang zu erreichen war. Die Eiskeller
waren anfangs zur Konservierung des Eises für einen späteren Gebrauch
bestimmt — und nicht zur Konservierung von Nahrungsmitteln. Das Eis
war je nach Gebrauch zur Kühlung der Getränke oder zur Bestückung
der häuslichen „Kühlschränke“ vorgesehen. Dieser Eiskellertyp ist in
der Encyclopedie von Diderot und d’Alembert von 1779 abgebildet.
Die Bau- und Betriebsanweisungen aus jener Zeit schreiben imperativ
vor, dass der Eingang des Eiskellers nach Norden orientiert war — um die
direkte Sonnenbestrahlung und somit die Aufwärmung bzw. das
Schmelzen des Eises zu vermeiden —, und dass der Zugang eine Länge
besaß, die das Einrichten von drei sich folgenden Türen? ermöglichte.
Das Ende des Zugangs sollte unbedingt über dem Niveau des Eises liegen,
um zu vermeiden, dass beim Eintreten in den Keller ein von Außen
kommender wärmerer Luftzug das Eis zum Schmelzen bringt.
?_ Der Durchmesser des Sockels des Eiskellers schwankt zwischen 8 und 10 m; der
Eiskeller kann 5 bis 12 m tief sein.
? Die Öffnungsrichtung der Türen sollte abwechselnd sein.
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Abb. 1: Abbildung eines Eiskellers in der Encyclopedie
von Diderot und d’Alembert, 1779
Unmittelbar vor dem Eisraum, im Zugang, konnten Nischen in die Wände
eingelassen werden, um dort Lebensmittel und Getränke frisch zu halten.“
Das Auffüllungseis dieser „ländlichen“ Eiskeller stammte gewöhnlich
von nahe gelegenen Teichen oder auch von zu diesem Zwecke
überschwemmten Wiesen. Schnee diente ebenfalls häufig zur Auffüllung
des Eiskellers, erforderte aber besondere Bedingungen. In allen Fällen
konnte die Auffüllung nur nach einer mehrere Tage langen, intensiven
Zuführung von frischer und sehr kalter Luft stattfinden. Zwischen den
* Robberts, L., 1989, S. 17.
41
Bevor man die Burg erreicht, geht man in einer großen Kurve rechts
an einem Teich vorbei. Etwas höher bzw. über dem Teich, hinter Bäumen,
führt ein kurzer Graben zur Eingangstür eines kleinen Eiskellers. Dieser
ist noch gut erhalten und entspricht dem für die Burgen bzw. Schlösser
des 18. und 19. Jahrhunderts typischen Eiskellertyp, nämlich dem der
„glaciere ordinaire‘“. Ab circa 1750 wird es allgemein üblich, in den
Besitztümern ab einer gewissen Größe, die über einen Teich oder einen
Bach verfügten, das im Winter auftretende natürliche Eis zu konservieren,
um es im Sommer nutzbar zu machen — unter anderem für die
Konservierung der Lebensmittel, für medizinische Gebräuche, usw.’
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Abb. 3: Die Eingangstür des Eiskellers der Eyneburg in Hergenrath
(Foto Caroline Leterme, 2001).
7 Pierrard, J. M., 1989, S. 6.
42
Der Eiskeller der Eyneburg ist halb unterirdisch und von einer
bewaldeten Böschung überdeckt. Zu bemerken ist, dass der Eintritt des
Kellers nicht im Norden, sondern im Süd-Osten liegt. Ein Grund dafür
ist vermutlich, dass dieses bewaldete Relief die ideale Lage in
unmittelbarer Nähe des Teiches war; die zahlreichen Bäume dieser
Böschung erbringen tatsächlich den notwendigen Schatten, obwohl der
Eingang nicht nach Norden ausgerichtet ist.
Hinter der Eingangstür führt ein ehemals mit zwei Türen bzw. in zwei
Schleusen aufgeteilter Durchgang zu einem mit einer Kuppel bedeckten
Rundraum von 3 m Durchmesser, dem eigentlichen Eisraum, wo das
natürliche Eis gelagert und konserviert wurde. Da der Boden des *
Eiskellers mit verschiedenen Abfällen überdeckt ist, ist es zur Zeit nicht
möglich, die ursprüngliche Tiefe des Kellers anzugeben. Vom Boden
des Durchgangs bis zum höchsten Punkt der Kuppel messen wir eine
Höhe von 3,5 m. Es ist aber anzunehmen, dass der Eiskeller um einiges
tiefer gebaut ist, und dass sich auf der Kellersohle eine Vorrichtung
befindet, um den Abfluss des Schmelzwassers zu ermöglichen, wie andere
bekannte Eiskeller dieses Typs oder alte Pläne bezeugen.
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Abb. 4: Obere Auffüllungsöffnung des Eiskellers der Eyneburg in Hergenrath
(Foto Caroline Leterme, 2001).
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Abb. 5: Plan und Querschnitt des Eiskellers der Eyneburg (Hergenrath)
Abbildung von Caroline Leterme (2001), nach Polrot, FE, 1996.
Das Baumaterial des Eiskellers besteht größtenteils aus regionalem
Kalkstein, außer den Türeinrahmungen, dem Gewölbe und der Kuppel
des Eisraumes, die aus roten Ziegelsteinen bestehen. Im Durchgang sind
die Eisenbeschläge und die Türangeln noch gut erhalten, ebenso die
Eingangstür, die aus drei miteinander verschraubten Bretterschichten
besteht. Die Innentüren sind leider nicht mehr erhalten.
44
An der Kuppelspitze befindet sich eine kreisrunde Öffnung von 70
cm Durchmesser, die im Winter zur Auffüllung des Kellers mit dem im
Teich gebrochenen Eis diente. Wenn gute Bedingungen herrschten, hielt
das Eis bis in den Herbst. Leider fehlen die Quellen, die klarstellen
würden, ob die Landbevölkerung, die in der Gegend wohnte, Zugriff
bzw. Anrecht auf einen Teil des Eises hatte oder nicht. Für den
medizinischen Gebrauch war die kostenlose Lieferung allgemein
gegeben, aber für den alltäglichen Gebrauch waren vermutlich die
Bewohner der Burg und die Arbeiter, die an der Auffüllung mitgewirkt
hatten, die einzigen Nutznießer.®
Bibliographie ;
o Acovitsioti-Hameau, A., 1985. Les glacieres de Provence. In:
Archeologia, Nr. 206, Sept. 1985, S. 60-71.
o Bertha, A., 1994. Geschützte Denkmäler und Landschaften an Iter,
Göhl und Gülpe, Kelmis, S. 84-86.
oO Dalimier, I., 1991. Les glacieres ä glace naturelle, t&moins de la vie
quotidienne de nos anc&tres, In: Hainaut Tourisme, Nr. 268, Okt. 1991,
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0 Dalimier, I., 1997. A propos des Glacieres ä Glace Naturelle en Wal-
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Ausgabe V, Paris 1836, S. 620-627.
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In: Bulletin d’Information trimestriel de la Societ€ belge de recherche
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Bulletin d’Information trimestriel. Groupe de Recherches souterrai-
nes en milieu artificiel, Nr. 22, S. 7-10.
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45
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o Wagner, P., 1993. Les glaci&res du temps jadis. In: Le Soir, 31. Dez.
1993.
Internetseiten
Auf folgenden Internetseiten (u. a.) findet der interessierte Leser einige
interessante Beispiele von Eiskellern:
Oo http://www.munich-online.de:
Der ehemalige Augustiner-Eiskeller in München: ein riesiges
Tonnengewölbe aus rohen Ziegeln.
0. http://www.brgzell.salzburg.at/eisschneiden/Pages/eisabbau.html
und
http://www.brgzell.salzburg.at/eisschneiden/Pagesleishaeuser.html:
Interessante Erklärungen mit Fotos über „Eishäuser, Eiskeller‘“ und
„Wie wurde Eis abgebaut und transportiert?“
Oo http://www.glacest.com:
Eiskeller von Straßburg.
0 http://www.laubach-online.de/sehenswuerdigkeiten.htm:
Eiskeller des Schlosses Laubach (vom gleichen Typ wie der der
Eyneburg).
Mein besonderer Dank gilt Herrn Lennertz (Neu-Moresnet) für
seine Anregung zu diesem Beitrag und seine Unterstützung sowie
Peter van Neuss (Eupen) für die Korrektur.
46
Der valsche Aroop!
Dä Maan saat: „Wie kann ech Ösch helpe?“
wie engs dies Daachs et Telefong schellde.
„Ja“, saat der Jupp, „dat er et wett,
wat hat der mech mär ajedrett?“
„Dat wor je Hönnche“, sätt der Jupp,
„dat wor en au verschläete Kluck.
Hau mech jevröjjt op en vresche Jüpp, +
now hann ech bej heem esö oot Jestrüpp.
Än ech saar ösch, dat verdrüchde Stöck,
dat kritt der ösch waal jevälles tröck.
Dat es jo jät zom Jotterbarme,
da breng ech dat waal no de Jendarme.“
Du saat de Stemm, dat kann neet sihe,
än tröck braat wät ens jar necks mie!‘
Jupp brugde at jät heller Wöet,
„Wue steet, dat er esue jät dööt?”
Wie kost er dat e-jen Vuß mech döjje,
wue ech esue lang mech dong drob vröjje?
Met dat wat mech esö schönn dong fluppe,
loot ech mech vieß va ösch betuppe.
Dat loot ech neet esö einfach stue,
dat könnt ösch janz vieß düer te stue!“
Jupp school wier, e woet neet möj,
saat dat die Jüpp schmaal Batze höj.
„Wä eemool hej erut ut-en Döör,
sö schrifft et dat Jesetz no vöör,
dä mot behaue wat e hat,
sö steet et e-je Jesetzesblatt.‘“
47
„Jesetzesblatt, wat es dech dat,
sött er neet de Schlächterej bej Flatt?““
„Now hüet jevälles op met schääle,
ech jlööf der dongt ösch vieß verwäle.
Hat der der valsche Nommer jeschrammt?
Hej es neet de Schlächterej, hej es et Standesamt!“
Jakob Langohr
49
Hier beginnt im Walde die Trennlinie der Waldparzellen von Kelmis,
d. h. Neutral und Preußisch-Moresnet zusammen südlich dieser Trennlinie
einerseits, und der Altgemeinde Montzen, heute zu "Plombi&res
(Bleyberg) gehörig, andererseits. Die Aufteilung des gemeinsamen
Preuswaldes wird nach langjährigen Verhandlungen und nach Bestätigung
durch die beiden Staatsregierungen Preußens und Belgiens erst am 3.
Dezember 1867 beschlossen. Die notarielle Urkunde hierüber wird an
diesem Tage vor Notar Vertbois in Montzen aufgestellt. Es dauert aber
noch bis zum 26. Juli 1873, ehe die Aufteilung endgültig durch eine
weitere Urkunde vor Notar Vertbois gutgeheißen wird.
Links liegen die Wiesen des schon erwähnten alten Bauernhofes Buye,
"i jen bui". In einer alten Grenzbeschreibung aus dem Jahre 1787 heißt
es: „Van daer tot achter het huys, genomt die Boije“. Im Zaun, neben
dem Zufahrtsweg, befindet sich ein schönes schmiedeeisernes Kreuz.
Zahlreiche Pilger nehmen diesen Waldweg nach Moresnet-Kapelle und
die ihn säumenden Kreuze werden regelmäßig mit Blumen geschmückt.
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Der Hof Buye
Im Kelmiser Grundbuch von 1756 (f°6) erscheint Andries
Schlotmecker mit "huys, hoff ende coolhoff" auf ehemaligem, aus dem
"Pruysbosch" erworbenem Gemeindegrund. Davon werden 300 Ruten
(zu 21,7945 m2) = ca. 65 a 38 m2 unter Kelmis besteuert, aber 1007,5
Ruten = ca. 2 ha 19 a 58 m2 unter Moresnet. Diese Aufteilung stammt
aus einer Zeit, wo Kelmis und Moresnet noch gemeinsam ein Drittel des
Preuswaldes besaßen. Ein am 10. Dezember 1703 getaufter Andre
Schlotmecker hat am 14. November 1736 in Moresnet die Marie Braun
geheiratet. Im Jahre 1756 besitzt er insgesamt 800 Ruten (= ca. 1,74 ha),
die unter Kelmis besteuert und zu ca. 5,83 Stüber veranlagt werden, so
dass er an 44. Stelle unter den 81 Kelmiser Grundeigentümern rangiert.
Dazu kommen 1232,5 Ruten, die unter Moresnet besteuert werden. Dres
Schlotmecker wird 1749-1758 unter den Bergarbeitern des Altenberges
angegeben. Im Theresianischen Kataster von 1770-1774 (Art. 4) wird
das Gut von Winand Heysterbaum, dem zweiten Ehegatten der Witwe
Dries Schlotmecker, bewirtschaftet. Dieses Ehepaar hat am 23. November
1763 in Moresnet geheiratet. Insgesamt zählt das Gut 1940 Ruten = 4,2281
ha und rangiert an 33. Stelle der 121 Grundeigentümer. Auf einer Skizze
von Oktober 1791, die der Landmesser Peter Schijns aufgestellt hat und
im "Waelt ende geschiecht Boeck" der Pfarreien Montzen, Gemmenich
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und Moresnet erhalten ist, erscheint das Haus als Eigentum des Paulus
Slotmecker, eines Sohnes des Andries. Dieser Paul ist am 20. Dezember
1749 in Moresnet getauft worden. Er hat dort am 4. Oktober 1783 eine
Marie Claire Radermecker geheiratet. Die Frau stirbt laut Moresneter
Kirchenbüchern am 20. September 1794. Nach einem Standesamtsregister
(Heiraten 1803, Nr. 3) soll der Sterbetag der 19 Vendemiaire des Jahres
II (10. Oktober 1794) sein. Die unterschiedlichen Angaben sind wohl
mit den Wirren beim Einzug der französischen Revolutionsarmee um
den 21. September 1794 zu erklären.
Im französischen Kataster von 1799 (Art. 4) ist der Landwirt Paul
Slotmecker auch als Eigentümer angegeben. Daneben (Art. 5) besitzt
Anton Slotmecker, vielleicht ein Bruder, auch ein Haus. Laut
Einwohnerliste des Jahres V der Republik (1796-1797) bewohnt Paul
Slotmecker-Laschet das Haus Nr. 5. Er wird auch noch 1809 bis 1818
erwähnt. Die Ehefrau wird als Witwe Mostert angegeben, wohl des Jean
Leonard Mostert, den wir weiter unten am Plaatseegel treffen werden.
Paul Slotmecker hatte die in Moresnet am 25. Mai 1766 getaufte Anne
Marie Laschet erst am 6. Vend&miaire des Jahres XII (29. September
1803) in Moresnet geheiratet. Die Eltern erkennen dabei auch zwei zuvor,
am 20. August 1800 bzw. am 16. Juni 1803, geborene Töchter an. Vielleicht
ist auch diese Situation mit den religiösen Wirren in den ersten Jahren
nach dem Anschluss an die französische Republik zu erklären. L&onard
Mostert war am 17. Frimaire des Jahres V (7. Dezember 1796) gestorben.
Nach der Steuerheberolle von 1818 wird das Grundeinkommen von
Paul Schlotmecker auf Haus Nr. 5, "Bouye", in Preußisch-Moresnet mit
51 F geschätzt. In den Statistiken des Regierungsbezirkes Aachen wird
der Hof Buye 1827 mit 6 Einwohnern angegeben, 1848 und 1858 bestehen
dort 3 Wohnungen mit jeweils 13 bzw. 19 Bewohnern. In der
Einwohnerliste von 1894 wird vermerkt, dass eins der beiden Häuser bei
Bouy abgebrannt ist. Laut Adressbuch von 1902 wird der Hof, wie schon
1894, von zwei Haushalten bewohnt: dem Rentner Franz Lecolle und
dem Landwirten und Bäcker Peter Joseph Born-Bonni. Im Neu-
Moresneter Kataster von 1974 erscheint Günther Bruch-Gatz als
Eigentümer der Buye, Lütticher Straße Nr. 3, die er am 10. Dezember
1971 gekauft hat: Bis 1995 wurde der Hof Buye als Pachthof
bewirtschaftet; er ging von der Erbengemeinschaft Bruch durch Kauf an
die Firma Batico über, die auf den Wiesen längs der Lütticher Straße ein
größeres Bauprojekt verwirklichte. Das Wohnhaus mit Stallungen und
Hauswiese gingen von besagter Firma in Privathand über.
55
Weiter links am Wege liegen, laut preußischer Urkatasterkarte von ca.
1830, mehrere rechteckige Grundstücke in der Flur "Auf Gerhards". Diese
so regelmäßig angelegten Parzellen könnten auf eine Erschließung aus
Gemeindegrund im 18. Jh. hinweisen. Vielleicht bezieht sich der
Flurnamen auf den Landwirten Gerard Bre&e-Hermens, Besitzer eines
Hofes am Bildchen, bzw. auf Gerard Cloecker, Bewohner im Plaatsegel.
Wir erreichen eine Wegegabelung und biegen nach links. Die Flur
rechts heißt auf der preußischen Urkatasterkarte "An der Heide". Diese
Bezeichnung ist wieder mit derjenigen der "Kelmiserheide" in Beziehung
zu bringen. Beide beweisen, die eine im Norden, die andere im Süden
des Nordabhangs des Tüljebachtales, das Eindringen der Menschen in
den Preuswald und ihre Rodungsarbeit zwischen dem Talweg und der
Quellenlinie am Fuße des "Hollensberges", des heutigen Heidkopfes.
An der rechten Seite des nun als Waldweg bezeichneten Weges
bemerken wir eine große Sandgrube. Aus derselben wurden prächtige
versteinerte, bis 50 cm lange Hölzer, vorwiegend Nadelhölzer, geborgen,
die von den Steinsammlern neuerdings sehr geschätzt sind. Diese
Fossilien wurden als Treibhölzer an einem ehemaligen Meeresstrand
abgelagert. Sie enthalten merkwürdige Fraßgänge der gemeinen
Bohrmuschel, die mit tiefblauen Chalzedonen (Quarzmineralien)
ausgefüllt sind und lassen sich sehr schön polieren. Dieser bedeutende
Fossilienfund wird in mehreren Spezialpublikationen beschrieben. Leider
ist das Gebiet um die ehemalige Sandgrube durch einen ziemlich wilden
Campingplatz, genannt "der Stern" mit vielen Wohnwagen und
Dauersiedlern verunziert.
Auf der linken Seite des Weges, der am Fuße der Anhöhe verläuft,
befindet sich die Flur "Waack", "i jen waak". Ob diese Bezeichnung auf
irgendeine Wache in Grenznähe hinweist oder eher auf sumpfiges Gelände
im Quellgebiet der Tüljebachnebenbäche, mögen spätere Forscher
untersuchen. Immerhin wird im Moresneter Waldbuch 1656 die Flur
"achter den hulsberch genannt inde achterste wach" erwähnt.
Im Grundbuch von 1756 (f°10) wird mitgeteilt, dass Mees van Wertz
kurz zuvor ein Haus auf ehemaligem, von seinem Vater geerbten
Gemeindegrund (500 Ruten = ca. 1,09 ha) gebaut hat. Unter den 81
Grundeigentümern rangiert er an 57. Stelle und wird mit 3,33 Stüber
veranlagt. Im Theresianischen Kataster 1770-1774 erscheint sein Gut
(Art. 5) nur als in der "Kelmisscherheydt" liegend. Er besitzt nun 1395
Ruten = 3,0403 ha Grund und rangiert an 44. Stelle unter den 121
Grundeigentümern. Mees (van) Wers wird 1752-1759 in den
56
Aufstellungen des Altenberges als "mineur ordinaire", einfacher
Bergarbeiter, aufgeführt. Im Jahre 1782 lässt er 4 Kühe, 1 Rind und 2
Ziegen auf Gemeindegrund weiden. Nach der schon genannten Waldkarte
von 1791 liegt das Haus des Mees van Wersch in den sogenannten
"Keeskorffs gronden", die aus Gemeinde-Preuswald verpachtet werden.
Laut Aufstellung von 1787 hat er 2 Lose, insgesamt 533 Ruten (ca. 1,16
ha) "Keeskorff”" genannten Gemeindegrund gepachtet. Im französischen
Kataster des Jahres VII (1799) erscheint Jean van Wersch mit Haus,
Garten und zwei Wiesen (Art. 11). In den Bevölkerungslisten der Jahre
1796-1813 wird Jean Vanwersch zuerst mit Geschwistern und dann mit
seiner Gattin geborene Comoth als Eigentümer und Bewohner der "Waak"
gemeldet. In der Steuerheberolle von Preußisch-Moresnet von 1818
erscheint Jean Vanwersch, Waak Nr. 11, nur unter den Steuerpflichtigen
zur Personal- und Mobiliarsteuer (11 F.) und zur Steuer auf Türen und
Fenster (3 F), nicht aber zur Grundsteuer, wahrscheinlich weil sein
Grundeinkommen zu gering ist. In den Jahren 1827 und 1848 werden
beim Hof Waack jeweils 7 Einwohner gemeldet. Der frühere Bauernhof,
der noch 1858 von 2 Personen bewohnt war, wird in der Einwohnerliste
von 1894 nicht mehr erwähnt.
Wir erreichen bald die Abzweigung nach Tülje, die zum kleinen Gehöft
"Plaatseegel" (Plattsegel der Urkasterkarte, heute „Platzegel,,) "op ene
plaatseegel" führt. "Plaat" bezeichnet ein kahles, baumloses Gelände,
also hier wohl eine Rodung am Rande des Preuswaldes. "Seegel" sind
Wiesen, vielleicht Mähwiesen im Gegensatz zu "weje" = Weiden. Im
Grundbuch von 1686 (f°31, Art. 3) wird Frans van der Heyden als
Eigentümer von "huyss, hoff, koelhoff, waes en landt op den plaetzegel"
mit dem Vermerk "nu Sr Cleenbanck" angegeben. Am 6. Juli 1696
veräußert der Kaufmann und ehemalige Bürgermeister von Eupen Mi-
chel Clebancq Michels dem Pe(e)ter van Wertz Haus und Gut. Im
Grundbuch von ca. 1705 wird dieser ‚Cleenbanck‘ noch mit "plaetziegels
huysken met een staellken" aufgeführt. Von 1697 bis 1711 erscheint Peeter
(van) Weerst in den Arbeiterlisten des Altenberges. Von 1723 bis 1725
werden die Erbteile der Eheleute Peter van Werst - Anna Ganser dem
Leonardt van Wertz und dem Jan van Werst und dessen Ehefrau Maria
Kever übertragen. Diese Erben übertragen ihren Anteil dann ihrer
Schwester Jenne, so dass am 2. Oktober 1736 das Ehepaar Lennaert
Mostert - Jenne van Werst das gesamte Gut in Besitz hat. Lenaert Mostert
mit seiner Ehefrau Jenne van Werst besitzen 1756 "het huys op den
plaetsiegel" laut Grundbuch (f° 8) als Erbschaft. Diese beiden haben am
5%
26. Februar 1718 in Moresnet geheiratet. Laut Moresneter
Kirchenbüchern ist Leonard Mostert am 12. Mai 1693 getauft worden
und am 4. September 1776 gestorben. Er besitzt 1756 1844 Ruten (= ca.
4,02 ha) Grund, der zu 15 Stüber veranlagt wird, und erscheint somit an
15. Stelle der 81 Grundeigentümer. Im Theresianischen Kataster 1770-
1774 (Art. 52) wird er mit 3340 Ruten = 7,2794 ha Grund angegeben
und rangiert somit nach der Größe des Grundeigentums an 10. Stelle. Es
wird ferner notiert, dass 1780 Hendrick Mostert Eigentümer geworden
ist. Im Jahre 1782 lassen die Kinder des Lennert Mostert 1 Kuh und 5
Rinder auf Gemeindegrund weiden. In der Aufstellung der
"Keeskorffpacht" 1787 wird Leonardus Mostert als Pächter von insgesamt
549,75 Ruten (ca. 1,2 ha) Gemeindegrund in drei Losen aufgeführt. Die
unten erwähnte Erbin Witwe Henri Mostert bezahlt der Gemeinde 1826-
1829 noch eine jährliche Pacht von 5,35 F.
Im französischen Kataster von 1799 (Art. 7 und 8) werden die Witwen
des Jean L&onard Mostert und des Henri Mostert jeweils mit Haus und
Grund erwähnt. Es haben wahrscheinlich Teilungen unter Erben
stattgefunden. Ein in Moresnet am 23. Oktober 1764 getaufter Jean
Leonard Mostert heiratete dort am 24. November 1788 die Anne Marie
Laschet. Vorhin wurde erwähnt, dass der Jean L&onard Mostert am 7. ;
Dezember 1796 verstarb und seine Witwe später den Paul Slotmecker
vom Hof "Buye" heiratete.
Henri Mostert hat am 10. November 1774 in Moresnet die Anne Barbe
Jaqmin geheiratet. Die Einwohnerliste des Jahres V der Republik (1796-
1797), desgleichen die Listen von 1809-1813, geben drei Häuser (Nr. 8-
10) an, von denen eines unbewohnt ist, und ein anderes von der Witwe
(Henri) Mostert-Jacqmin bewohnt wird. In der Steuerheberolle von
Preußisch-Moresnet von 1818 erscheint die Witwe Henri Mostert,
Platsegel 10, mit 56 F Grundeinkommen.
Das Haus der Erben Gerard Cloekker, das im französischen Kataster
von 1799 (Art. 9) mit Garten und Hauswiese angegeben ist, könnte das
Dritte der oben erwähnten Häuser sein. Gerard Cloecker arbeitet 1755-
1757 im Walde zum Bündeln von Reisigholz für den Altenberg und 1761-
1790 als Bergarbeiter. Gerard Klöcker hat am 4. Oktober 1777 die Elisa-
beth Mager geheiratet. Laut Moresneter Kirchenbüchern ist er am 8. Juni
1791 gestorben.
Im Jahre 1827 wohnen 17 Personen im Hof Plaatseegel; 1848 sind es
14. 1858 werden dort 6 Häuser mit 28 Bewohnern gezählt; 1894 werden
dort ebenfalls 6 Häuser registriert (Nr. 24-29), darunter ein unbewohntes.
58
Im Adressbuch von 1902 sind fünf Hausnummern angegeben. Ein
Doppelhaus wird vom Landwirten Jacob Mostert, vielleicht einem
Nachkommen der früheren Besitzer, bewohnt. Die Katasterkarte von Neu-
Moresnet gibt am 1. Januar 1974 ein bewohntes Haus (Nr. 9) und einen
Stall an. Der baufällige Stall wird später im Auftrage des Eigentümers
Günter Bruch vom Bauern Zimmer abgerissen. Vom Gehöft besteht heute
noch ein schmaler, langgestreckter Bruchsandsteinbau (Nr. 40) mit
Fensterfassungen aus Feldbacksteinen, der etwas abseits von der Straße
liegt. An der östlichen Straßenseite entstand vor einigen Jahren eine
Parzellierung: Die Häuser Nr. 16-76.
An der westlichen Seite der Straße befinden sich quer zum Weg zwei
alte Häuser, die wohl zum Weiler gezählt wurden. In der Neu-Moresneter
Katasteraufstellung von 1974 werden sie als Grundstücke 82a und 82b
angegeben. Sie tragen heute die Hausnummern 9 und 11. Das Erste zeigt
noch die alte Substanz: Mauern aus Bruchsandsteinen, Türfassung aus
Blaustein, Fensterfassungen aus Feldbacksteinen.
In diesem Gehöft ist am 16. Dezember 1907 der frühere Bürgermeister
Peter Zimmer geboren. Als Ältester von 12 Geschwistern musste er jung
zur Arbeit und fing als Bergmann auf Grube Schmalgraf bei der "Vieille
Montagne" an. Nach Schließung der hiesigen Gruben blieb er seinem
Beruf treu und arbeitete bis zur Pensionierung 1957 in mehreren
Steinkohlenbergwerken des Lütticher und Aachener Beckens. Er gehörte
zur ersten Schar der 1925 gegründeten Kelmiser JOC, der Christlichen
Arbeiter-Jugend. Auch war er seit 1930 gewerkschaftlich aktiv bei der
christlichen Zentrale der "Francs Mineurs" (Gewerkschaft der
Grubenarbeiter) und leitete lange Jahre den Kelmiser Bergmannsverein,
der unter ihm eine sehr rege Tätigkeit entfaltete und nach dem Kriege
mit vielen ausländischen Bergmannsvereinen intensive Kontakte pflegte.
Während des Krieges flüchtete er im August 1940 aus seiner von Deutsch-
land annektierten Heimat, bis er am 26. November 1942 von den Nazis
verhaftet wurde. Nach seiner Haftzeit wurde er zur Arbeit auf der Zeche
Gouley bei Würselen zwangsverpflichtet. Nach dem Kriege, bzw. nach
den Gemeinderatswahlen von 1946, zog er in den Kelmiser Gemeinderat
ein, wurde 1958 Erster Schöffe und 1960 -nach dem Tode von Peter
Kofferschläger- Bürgermeister. Dieses Amt hatte er bis zu den Wahlen
von 1964 inne. Peter Zimmer war Mitbegründer und langjähriger
Präsident der Göhltalvereinigung.
Gegenüber dem Eingang zum alten Gehöft ist um 1980 durch
Privatinitiative die Siedlung Plaatweg Nr. 2 bis 76 entstanden.
59
Von Plaatsegel/Platzegel kehren wir zur Wegegabelung zurück und
biegen nach links in die Käskorbstraße, der wir weiter nach Westen
folgen. Wir erreichen bald den Standort des früheren Bauernhofes "Plaat''.
Die Hauptfassade stand zur Wiese nach Süden. Der Bauernhof wurde in
traditioneller Weise gebaut mit kleinen rechteckigen Doppelfenstern mit
Blausteinfassungen. Ein großes Scheunentor war vermauert. Dies ist ein
Beweis vom Übergang des früheren Ackerbaus zur reinen Viehwirtschaft.
Hier sind 1767 Peter und Jo(h)annes van Wersch begütert, die aber nur
unter Moresnet besteuert werden. Im Theresianischen Kataster wird 1774
der Grundbesitz von Petrus van Wersch "in de heydt" (Art. 118) und
Joannes van Wertz "in de Kelmiserheydt" (Art. 119) von Moresnet nach
Kelmis übertragen. Der Erste besitzt 798 Ruten = 1,7392 ha und der
Zweite 797 Ruten = 1,7370 ha Grund mit jeweils einem Haus. Pierre van
Werst hat am 26. April 1754 in Moresnet die Sibille Ernst geheiratet. Es
ist wohl anzunehmen, dass beide Gebrüder sind. Ihr Vater könnte der
Jean van Werst "ex Kelmiserheide" sein, der laut Moresneter
Kirchenbüchern am 14. Februar 1706 die Marguerite Franck in Moresnet
geheiratet hat und am 28. März 1746 gestorben ist. Im Jahre 1782 lässt
Johannes van Wersch 2 Kühe und 1 Rind auf Gemeindegrund weiden.
Auf der schon erwähnten Waldkarte von 1791 wird der Joes (Johannes)
van Wersch als Besitzer angegeben. In der Aufstellung von 1787 wird er
auch als Pächter von drei Losen, insgesamt 628 Ruten (ca. 1,37 ha)
Gemeindegrund "Keeskorff" aufgeführt.
Ein Jan van Wers wird 1731-1777 unter den Bergarbeitern des
Altenberges erwähnt. Laut Einwohnerliste des Jahres V der Republik
(1796-1797) bewohnt die Landwirtin Witwe Francoise van Wersch-
Renirekens das Haus Nr. 12. Im französischen Kataster von 1799 (Art.
12) wird die Witwe Jean van Wersch mit Haus, Garten und Hauswiese
aufgeführt. In den Einwohnerlisten 1809-1813 wird das Gut von Nicolas
Vanwersch bewohnt, der auch 1818 mit einem Grundeinkommen von 51
F in der Steuerheberolle veranlagt wird. Im Jahre 1813 wird ein zweites
Wohnhaus (Nr. 12/2) angebaut. Nach den Statistiken des
Regierungsbezirks Aachen besteht aber nur ein Haus, 1827 mit 11 und
1848 mit 10 Bewohnern. Beide Häuser werden dann 1858 mit 10
Bewohnern angegeben. In der Einwohnerliste von 1894 werden die Häuser
Nr. 30 und 31 angegeben. Von den 4 Häusern, die hier 1902 gemeldet
werden, sind aber drei unbewohnt. Der Bauernhof wird vom Landwirten
Wilhelm Zimmer bewirtschaftet. Im Neu-Moresneter Kataster wird 1974
das Gut (Käskorb Nr. 68, Grundstück B88c) des Aacheners Leonard
60
Leuchter-Heins als Ruine bezeichnet. An beiden Straßenseiten sind in
den letzten Jahrzehnten viele Häuser errichtet worden. Gegenüber den
Häusern Nr. 50-52 befindet sich der Eingang zu einer großen Sandgrube,
durch deren Betrieb die Anhöhe des Heidkopfes durchstochen wurde.
Bald erreichen wir den früheren Bauernhof "i jen kisköref", auf der
Urkatasterkarte von ca. 1830 "Käskorf" genannt. Diese Bezeichnung hat
überhaupt keine Beziehung zu einem Käsekorb, sondern ist eher von
"kiskere", feiner Kies, abzuleiten. Im sandigen Boden am Fuße des
Heidkopfes mag das wohl die zutreffendere Deutung sein. Merkwürdig
für die drei Bauernhöfe "Waak", "Plaat" und "Käskorf" ist, dass sie 1767
in Moresnet besteuert werden und erst 1774 steuerlich nach Kelmis
übertragen werden. Wie schon vorhin erwähnt, beruht diese Praxis darauf,
dass sie auf gemeinsamem Gemeindegrund von Moresnet und Kelmis
angelegt worden waren.
Laut Waldkarte von 1791 besitzt Paulus Jackming damals "het huijs
genomt de Keeskorff”. In der Aufstellung der "Keeskorff” genannten
Gemeindeparzellen wird er 1787 als Pächter von 238,5 Ruten (ca. 0,52
ha) angegeben. Seine Witwe bezahlt der Gemeinde noch 1826-1829 5,02
F jährliche "Keeskorffpacht". Im Theresianischen Kataster wird auch
hier 1774 (Art. 117) der Grundbesitz von Paulus Jacquemin "in den
Keerskorff" mit Haus und 2673 Ruten = 5,8257 ha Grund von Moresnet
nach Kelmis übertragen. Er rangiert an 18. Stelle unter den 121
Grundeigentümern. Laut Moresneter Kirchenbüchern ist dieser Paul
Jacquemin am 9. Februar 1795 gestorben. Im französischen Kataster von
1799 (Art. 14-15) und in den Einwohnerlisten 1796-1813 werden die
Ehepaare Pierre Nyssen - Marie Josephe Rotheudt (Haus Nr. 13), bzw.
Paul Zinken - Jeanne Catherine Hartzig (Haus Nr. 14), Landwirte,
gemeldet. Dazu zählt man noch ein zeitweise unbewohntes Haus (Nr.
14/2). In der Steuerheberolle von 1818 wird die Witwe Pierre Nyssen
mit 55 F und der genannte Paul Zincken mit 1 F Grundeinkommen
veranlagt. Im Gehöft "Käskorf" werden 1827 8 und 1848 7 Einwohner
gemeldet. Im Jahre 1858 zählt man hier 5 Häuser mit 30 Bewohnern, im
Jahre 1894 ebenfalls 5 (Nr. 32-36), darunter 2 unbewohnte. Nach der
Adressliste des Jahres 1902 standen damals 3 Häuser im „Käskorf“. Das
jetzige Gebäude ließ das Landwirteehepaar Henri Schmetz - Petronella
Cüpper um 1935 umbauen, die, wie wir schon hörten, vorher den
Bauernhof "Bruun" in Neutral-Moresnet bewirtschafteten. Henri Joseph
Hubert Schmetz wurde am 25. Mai 1888 in Gemmenich geboren und
war Bürgermeister von Neu-Moresnet vom 3. Februar 1947 bis zu seinem
61
Tode am 8. September 1953. Laut Neu-Moresneter Kataster von 1974
(B 101a) war das Haus "Kaeskorb" Nr. 24., heute Nr. 42, vom damaligen
Eigentümer, dem Ehepaar Charles Pelzer-Renerken, bewohnt.
Nach dem Kriege wurden auf beiden Seiten des Weges, der parallel
zur Anhöhe des Heidkopfs nach Süden biegt, viele Einzelhäuser gebaut.
Im Abhang findet sich im Vorgarten des Hauses Nr. 17 der Grenzstein
LVII des ehemaligen neutralen Gebiets. Der Käskorb mündet in den
Sandweg (r.) bzw. den Hattichweg (1.). Auf der Kelmiser Siedlungskarte
von ca. 1950 zählt man 7 Gebäude an der nördlichen Seite des Sandweges.
Die Einwohnerliste von ca. 1958 gibt 10 neue und 10 ältere Häuser an
der nördlichen Straßenseite bzw. 5 neue und 4 ältere an der südlichen
Straßenseite für den gesamten Sandweg an, der jetzt im Süden an die
schon besprochene Siedlung Hei(d)graben grenzt.
Nachdem wir die ehemalige Neutral-Moresneter Grenze passiert haben,
erreichen wir den Fuß des Heidkopfes, zu dessen Höhe ein alter Weg
hinaufführt, an der ehemaligen gemeinsamen Sandgrube der Gemeinden
Neutral und Preußisch-Moresnet vorbei. Am Rande des Weges steht links
ein dem hl. Vitus geweihtes Kapellchen und ein Haus, das in der
Einwohnerliste von 1856 (Nr. 228) erwähnt und auf der Karte der "Vieille
Montagne" von 1862 eingezeichnet ist. Auf der Siedlungskarte von ca.
1950 erkennt man ein in drei Zellen aufgeteiltes langes Gebäude. Es
handelt sich wohl hier um das im französischen Kataster von 1799 (Art.
36) erwähnte Haus mit Garten und Hauswiese des Pierre Heyns (siehe
"Im Göhltal Nr. 67, S. 76).
Oben, auf dem höchsten Punkt des besiedelten Geländes der Gemeinde
(ca. 255 m), ist das Wasserreservoir des gemeinsamen Wasserwerkes
eingerichtet worden. Davor ist nach dem Kriege von der Pfarrjugend am
27. Oktober 1946 ein großes hölzernes Kreuz als Dank und Mahnmal
für den Frieden errichtet worden.
Jährlich pilgerte am Christkönigsfest bis 1972 eine Prozession zu dieser
Gedenkstätte. Nach 1993 wurde die Feier wieder eingeführt, findet aber
seitdem am ersten Adventssonntag statt. Hinter dem hölzernen Kreuz
erhebt sich seit November 1999 ein über 20 m hohes stählernes Kreuz.
Es wurde unter Beteiligung mehrerer Anwohner und Kelmiser
Unternehmen errichtet und erscheint abends angestrahlt oberhalb der
Ortschaft.
Wir folgen dem Sandweg bis zur Kreuzung. An der Ecke steht rechts
ein schmiedeeisernes Kreuz. Gegenüber verläuft die Patronagestraße den
"ossenkopp" hinunter.
63
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Das Heidkopfkreuz
sind. Einst wurden diese Häuser zur Flur "Am Hollensberg" gerechnet.
Der alte Eingang des Hauses Nr. 20 liegt auf der Gartenseite. Ein kleiner
Anbau verbirgt die Eingangstür mit rechteckiger Blausteinfassung. Der
übergebrochene, aber reparierte Türsturz trägt die Inschrift "L V C 1783".
Dieses Haus hat Laurentius Cloot gebaut. Der Name des Bauherrn wurde
zuerst auf das Haus und dann auf die Flur übertragen. Ein Laurent Cloot
hat am 13. Januar 1749 in Moresnet die Marie Claire Carls geheiratet.
Im Jahre 1767 wird dieser Laurentius Cloot für sein unter Kelmis
liegendes Grundeigentum nur in Moresnet besteuert. Dasselbe stammt
also aus dem Gemeinde-Preuswald. Genau wie "e jen keesköref” östlich
des "Hollensberges", sind auch Waldparzellen westlich dieses
Höhensporns, in dem sogenannten "Tekebosch", "a jene teekebösch"
veräußert worden. Der "Teckenbusch" ist wohl als Eichenbusch zu deuten.
Am 21. April 1733 schon hatte die Anne Cool, Witwe Lambert Neyssen,
64
dem Jan Cloot ein Feld übertragen, das aus Gemeindegrund herrührte.
Vielleicht war dieser Jan Cloot der Vater des genannten Laurent/Lorenz.
Im Theresianischen Kataster wird 1774 das Gut (Art. 116) dann nach
Kelmis übertragen, darunter ein 1770 "aen den hollensbergh" erbautes
Haus. Insgesamt besitzt Laurentius Cloodt 1983 Ruten = 4,3219 ha Grund
und rangiert an 32. Stelle unter den 121 Grundeigentümern. Dazu kommt
1783 ein zweites Haus, wie die erwähnte Inschrift und eine Eintragung
in den Katasterabänderungen uns zeigen. Laurentius Cloot wird als
"Fuurmeester" bezeichnet: Er beaufsichtigt die Röstfeuer des beim
Altenberg geförderten Galmeis. Vor der Lieferung an Kaufleute oder
Kupferschläger musste der Galmei stets gebrannt (geröstet) werden. Im
Verzeichnis der Bergarbeiter aus dem Jahre 1770 wird Laurent Cloot
unter den "principaux mineurs", den Hauptbergleuten angegeben. Er wird
als junger Bursche schon 1749 unter den Bergarbeitern erwähnt, verdient
aber damals nur 6 Stüber pro Tag, statt der üblichen 8. Im Jahre 1782
lässt Lorents Cloot 7 Kühe und 2 Rinder auf Gemeindegrund weiden,
wofür er 8 Gulden Gemeindesteuer zu entrichten hat. Im Jahre 1787
lassen die "regeerders", d. h. die Gemeindevorsteher, von Montzen,
Moresnet und Kelmis eine Karte der "in cultuur vuijtgegeven"
Grundstücke aufstellen. Am 19. Februar 1787 wird ein Verzeichnis aller
in Pacht gegebenen Gemeindegrundstücke aus dem Teckenbosch
aufgestellt (s. Karte S. 52-53).
Der Ertrag wird jährlich unter die drei Gemeinden aufgeteilt. Montzen
erhält die Hälfte, Moresnet ein Drittel und Kelmis ein Sechstel. Lorentius
Cloot hat 2285 Ruten (4,98 ha) erworben, wofür später Jean Cloot die
Pacht zu zahlen hat. Im französischen Kataster von 1799 (Art. 38) wird
er noch als Eigentümer von Haus, Garten, Wiesen und Ackerland
gemeldet. Nach den Einwohnerlisten von 1809-1813 wohnt auf
Hollensberg Nr. 19 Jean Cloot-Gulpen, wohl ein Sohn des Laurentius,
der laut Moresneter Kirchenbüchern im Jahre XIV der Republik (1805)
gestorben ist. In der Steuerheberolle von Neutral-Moresnet 1818 erscheint
Jean Cloot mit einem Grundeinkommen von 59 F. Von 1824 bis 1833
wird dieses Grundeinkommen des Jean Cloot, "cultivateur ä Kelmis
mixte"', (Landwirt im neutralen Teil von Kelmis), laut Bürgermeister de
Lasaulx, mit 41 F veranlagt. Das Durchschnittseinkommen der 60
Privateigentümer liegt damals bei ca. 26 F. Am 25. März 1834 regelt der
Ackermann Johann Franz Kloth, Witwer der Anna Maria Gülpen, seine
Erbschaft durch eine notarielle Urkunde vor dem Montzener Notar
Wilhelm Nyst. Jeder der vier Erben erhält Grundeigentum im Gegenwert
65
von 1000 Franken. Die beiden Söhne Johann Laurenz und Johann Leonard
erhalten nur Wiesen. Die Maria Elisabeth, Ehegattin des Nicolas Joseph
Leclerc, bekommt u. a. das "Neuhaus" mit Scheune und Gemüsegarten,
das Gut ist aber mit einem Kapital von 746,67 F belastet. Die Tochter
Klara, Ehegattin des Hubert Pauly, erhält u. a. das "Althaus" mit dem
Stall am "Holsberg"; auch dieses Gut ist mit einem Kapital von 341,26 F
zu Gunsten der Kirchenfabrik von Montzen belastet. Nach der
Grundsteuerheberolle von 1835 werden nun die Güter von Jean Laurent
Cloot mit 13 F, die von Jean Leonard Cloot mit 6 F und die von Nicolas
Joseph Leclerc und von Hubert Pauli mit je 11 F, d. h. insgesamt 41 F,
veranlagt. Laut Einwohnerverzeichnis von 1856 wohnt der Ackerer
Nikolas Leclercq mit 2 anderen Familien, insgesamt 16 Personen, im
Haus Nr. 229. Der Aufseher bei der "Vieille Montagne" Leonhard Johann
Cloot wohnt mit 7 Familienangehörigen im Haus Nr. 234. Auf der
Urkatasterkarte von 1860 sind 8 Gebäude eng aneinander eingezeichnet,
die noch nach Umbauten und Erweiterungen auf der Katasterkarte von
ca. 1950 zu erkennen sind. Auf der Karte der "Vieille Montagne" von
1862 werden H. Pauly und N. Leclerc weiter als Besitzer der beiden
Häuser "am Cloth" (Nr. 229-230) ausgewiesen. In der ersten Heberolle
der Grund- und Gebäudesteuer von Neutral Moresnet nach der
Aufstellung des Urkatasters (1860) für die Jahre 1861-1865 erscheint
der Landwirt Nicolaus Leclerc mit einem Reinertrag von 130,58 F nach
der Höhe desselben an 10. Stelle. Hubert Pauly, Steiger bei der "Vieille
Montagne", wird dagegen nur mit 34,53 F Reinertrag an 58. Stelle
veranlagt. Auf der Karte der "Vieille Montagne" von 1862 wird das
Gelände nördlich des damaligen Hauses Nr. 230 nicht aufgenommen.
Mit ihrer Hilfe können die sich weiter nördlich befindlichen Häuser (wohl
Nr. 231-239) nicht identifiziert werden.
Im Adressbuch von 1902 wohnen "Cloth" Nr. 369 die Landwirtin
Witwe Hubert Leclerc und Nr. 370 der Landwirt Peter Joseph Pauly. Im
Jahre 1902 werden insgesamt 16 Hausnummern am Ort "Cloth" gemeldet.
Im Kataster werden 1974 noch 6 Häuser angegeben (Neutral Moresneter
Straße Nr. 16, 18, 20, 22, 26, 28; das noch 1958 bewohnte Haus Nr. 24
ist wohl abgerissen worden). In Nr. 18 wohnt noch ein Nachkomme des
Erbauers: der Arbeiter Jacques Clooth.
Auf der Urkatasterkarte von 1860 finden wir auf der anderen
Straßenseite zuerst ein isoliertes Haus, dort, wo die Klothstraße nach
Nordwesten biegt. Es könnte das Haus Nr. 234 der Einwohnerliste von
1856 sein, wo damals Leonhard Joseph Cloot-Klinkenberg,
66
Schmelzmeister bei der Zinkhütte, mit 8 Familienangehörigen wohnte.
Das angrenzende Grundstück (Flur II, 25) gehört nämlich, laut Karte
von 1862, einem L. Cloot. Etwas weiter führt ein Weg rechts zum
Heidkopf hinauf. Gegenüber bemerken wir zuerst 2 und dann 3 Häuschen
jeweils nebeneinander. Alle sind auf der Karte von ca. 1950 zu erkennen.
In einer Einwohnerliste von ca. 1958 werden rechts zwei neue Häuser
(Nr. 2, 12) und links sechs (Nr. 1-7 und 13-17) vermerkt. Die meisten
älteren Häuser sind umgebaut worden. Den alten Charakter hat noch das
niedrige Häuschen Nr. 25 weitgehend beibehalten.
Auf halber Höhe des Weges zum Heidkopf sind nördlich quer zum
Wege einige neue Häuser errichtet worden.
Von der Wegegabelung führt die Klothstraße leicht bergab, bis die
Steinkaulstraße erreicht wird. Wir befinden uns jetzt im breiten Tal des
Rurbaches, irrtümlicherweise oft "roter Bach", bzw. "ruisseau rouge"
genannt. Die Bezeichnung "Rur" wird oft für Wasserläufe verwendet.
Auf der Karte der Herrschaften "Moresnet und Eijnenbourg", die der
Landmesser Peter Schyns am 29. August 1787 zeichnet, heißt der
Wasserlauf "Verteilgensbach" und seine Quelle im Preuswald
"Vertheilgensborn". Zusätzlich wird unweit des Zusammenflusses mit
der Göhl auch "Roederbach" angegeben. Im Moresneter Waldbuch
werden 1623 Holzeinschläge bei "verdillgens hey” (= Heide) und 1625
bei "verdilgens broech" (= bruch = Sumpf) erwähnt. Der Bach bildete
1650 bis 1794 die Grenze der Herrschaften und Gemeinden Kelmis und
Moresnet.
An der Wegegabelung "Kloth"/"Steinkaul" befindet sich laut Urkatas-
terkarte von 1860 die alte Flur "Am Peltzer", deren Bezeichnung kaum
noch gebraucht wird. Sie stammt von Lennardus Pelser her, der an dieser
Stelle auf halber Höhe des rechts liegenden Abhangs sein Haus baute.
Dies zeigt uns die 1787 angefertigte Karte der "Teckebosch"-Parzellen.
Leonaerdus Pelsser hatte hier 4 Parzellen Gemeindegrund, insgesamt 1157
Ruten (ca. 2,52 ha) gepachtet. In den Jahren 1826-1829 bezahlen die Erben
der Gemeinde Gesamt-Moresnet noch die jährliche Pacht von 13,53 F.
Im Theresianischen Kataster von 1770-1774 ist das Haus noch nicht
registriert, es muss also zwischen 1774 und 1787 erbaut worden sein. Es
scheint damals das letzte Haus vor dem Waldesrand gewesen zu sein.
Leonard Pelsser, der im Jahre V (1796-1797) Teckenbosch Nr. 20 wohnt,
ist mit Anne-Catherine Nivelstein verheiratet. Er ist Feldhüter der
Gemeinde Moresnet-Kelmis. 1809 wird er nicht mehr erwähnt. Ein
Landwirt Jean Pelzer bzw. Pelsser erscheint in den Steuerheberollen von
67
Neutral-Moresnet 1818-1826, seine Witwe 1827-1839 und die Erben
1840-1841. Der Grundbesitz wird mit 19 F Einkommen veranlagt. Das
Durchschnittseinkommen liegt bei ca. 25,2 F. Laut Einwohnerliste des
Jahres V der Republik (1796-1797) bestehen in der Nähe des Hauses
Pelsser zwei später gebaute Häuser (Nr. 202 und 203). Auf der
Urkatasterkarte von 1860 sind ein Haus links und ein Doppelhaus rechts
der Straße, etwas zurück im Abhang, zu erkennen. Letzteres entspricht
dem Haus Pelsser von 1787. Diese beiden bestehen noch 1950 und 1958
(Neutral Moresneter Straße Nr. 45-47 und 48). Im Adressbuch von 1902
werden 4 leere Häuser am "Peltzer" angegeben. Die Katasteraufstellung
von 1974 vermerkt hier nur ein bewohntes Haus mit Schuppen: Neutral
Moresneter Straße 48, das inzwischen durch einen Neubau ersetzt wurde.
Kurz danach zweigt ein "Rur" genannter Weg links nach Westen ab.
Er leitet unten zum Tal, wo er den Rurbach in einer Furt überquert und
weiter bergauf zum "Vossölder" führt. Auf der Urkatasterkarte von 1860
erscheint an diesem Weg rechts bergab, kurz nach dem Eingang, ein
langgestrecktes Doppelhaus. Links erkennt man hintereinander 4 Häuser
und, abseits in den Wiesen, ein größeres Doppelhaus. Diese Gebäude
bestehen noch auf der Katasterkarte von ca. 1950, nur wird das in den
Wiesen liegende Haus als unbewohnbar angegeben. Laut Einwohnerliste
von 1958 bestehen 2 Häuser (Nr. 8 und 10) auf der rechten Straßenseite
und 5 auf der linken (Nr.1, 9, 17-21). Alte Substanz verriet noch das
Doppelhaus Nr. 8-10 aus Bruchsandsteinen mit aufgebauter Etage aus
Feldbacksteinen, sowie die gegenüber liegende Nr. 9. Im Kelmiser
Kataster wird 1974 unter Grundstück 1232 "in der Ruhr", bergab rechts,
das Haus Ruhr Nr. 8 angegeben. Die links des Weges gebauten Häuser
gehören zur Flur "Am Teckenbusch".
Laut Urkatasterkarte von 1860 erscheint der Flurname "In der Ruhr"
sowohl an diesem Weg, wie auch bei der Fortsetzung der "Klothstraße"
rechts. Entlang der westlichen Flanke des Höhensporns „Hollensberg“
führt der rechte Weg zum Preusbosch. Die Anhöhe ist in den letzten
Jahren durch die gewaltige Sandgrube, die die Gemeinde Montzen in
ihrem Waldanteil verpachtet hatte, vollständig zerstört worden. Der
Sandabbau nahm dieses große Ausmaß beim Bau der Autobahn Lüttich-
Aachen im Jahre 1961 an. Übrig geblieben ist nur die südliche Spitze
des alten Höhensporns um das Kelmiser Wasserreservoir des Heidkopfes.
Bei dieser großen Umwälzung sind auch mehrere Grenzsteine von Neutral
Moresnet verschwunden. Auf diesem Gelände ist 1972 der Schießstand
der Kelmiser Schützenvereine eingerichtet worden.
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Auf der Urkatasterkarte von 1860 erkennt man weiter in der Klothstraße
ein langgestrecktes Haus rechts, dann links ein kleines Häuschen am
Weg und ein größeres in den Wiesen, endlich ein langgestrecktes
Doppelhaus kurz vor dem Waldrand. Auch diese teils umgebauten
Gebäude sind noch auf der Katasterkarte von ca. 1950 zu erkennen. Statt
der 13 auf den Katasterkarten identifizierten Häuser werden im
Adressbuch von 1902 19 Hausnummern bei "Ruhr", darunter zwei leere
Häuser, angegeben. Alle hier errichteten schlichten Arbeiterhäuser
stammen erst aus dem 19. Jh., die Bauherren haben wohl etwas Viehzucht
als Nebenberuf betrieben. Die Einwohnerliste von ca. 1958 meldet 5
Häuser links (Nr. 77, 81, 91, 93, 95) und ein Haus rechts (Nr. 72). Nach
der Katasteraufstellung von 1974 sind es links die Häuser Neuträl
Moresneter Straße (heute Klothstraße) Nr. 77, 81, 93, 95. Es hat nur das
abseits liegende belanglose Gebäude Nr. 81 aus Feldbrandsteinen bisher
den alten Charakter beibehalten.
Am Eingang zum Walde führte der Weg früher über die
Eisenbahnbrücke der stillgelegten Verbindungsstrecke Montzen-Aachen
Hauptbahnhof. Die Gemeinde Kelmis hatte die Strecke erworben und
ließ den 1915 entstandenen Bahneinschnitt als Müll- und Schuttdeponie
wieder füllen. Hier wird seit kurzem von der Gemeinde eine
Kompostierungsanlage betrieben. Ab der ehemaligen "Rurbrücke" führt
eine Schneise im Preuswald schnurgerade in nördlicher Richtung bis
zum Dreigrenzeneck. In der Schneise stehen noch die meisten alten
Neutral Moresneter Grenzsteine LI bis XXXII.
Wir kehren um und schlagen die "Steinkaulstraße" ein. Rechts führt
zuerst ein ehemaliger Privatweg, heute Teckenbuschstraße, zum
Bauernhof Steffens. Diese Bauernfamilie ist hier seit 1903 ansässig. Ein
Türsturz trägt die Inschrift "(?) M + CL; 1857". Das alte Wohnhaus,
Teckenbusch Nr. 3, laut Kataster von 1974, ist entsprechend der Bauweise
des 19. Jh. aus Bruchsandsteinen mit Fenstereinrahmungen aus
Feldbrandsteinen erbaut.
Laut Karte der "teckebosch-parcielen" von 1787 befindet sich "een
naeber steen cuil", d. h. eine Gemeindesteingrube, am Eingang des
heutigen "Soufflet". In der Steingrube wurden höchstwahrscheinlich die
quarzigen Sandsteine gebrochen, die stellenweise im Aachener Sand zu
finden sind. Nach einem Verzeichnis der Häuser aus dem Jahr 1817 ist
nach 1813 "an der Steingrube" ein Haus gebaut worden. Im Jahre 1829
trägt es die Nummer 21bis. Höchstwahrscheinlich ist es das vor einigen
Jahren gut restaurierte Haus Nr. 57a aus Bruchkalk- und
69
Bruchsandsteinen. Nach der Urkatasterkarte von 1860 erkennt man 7
Häuser rechts auf der westlichen Seite des Weges (Flur II, Comouth)
und 5 links (Flur II, In der Steinkaul). Auf der Karte der "Vieille Monta-
gne" von 1862 sind hier einige Häuser erkennbar: rechts, quer zum Wege,
kurz vor dem Eingang zum Soufflet, ein Doppelhaus des J. J. Küpper. Es
kann entweder der pensionierte Steiger Johann Joseph Küpper-
Wehrmeister (Nr. 252) oder der Steiger Jakob Joseph Küpper-Francois
(Nr. 258) gemeint sein. Gegenüber liegt das Haus eines sonst nicht
identifizierten Hubert Küpper. Von den beiden weiter nach Süden
liegenden Häusern gehört das Letzte (Nr. 247) der Witwe G(uillaume)
Schmetz-Radermecker.
Bei "Steinkaul" werden 1902 18 Hausnummern einschließlich zweier
leerer Häuser gemeldet. Auf der Karte von ca. 1950 erkennt man rechts
bis zum Soufflet zuerst 5 und weiter 8 Häuser, wovon eins abseits der
Straße steht. Weiter erhebt sich das hohe Eckhaus zum "Comouth", die
ehemalige Metzgerei Böhmer-Uerlings. Auf der linken östlichen
Straßenseite befinden sich 9 Häuser. Die Einwohnerliste von ca. 1958 gibt
18 Wohnhäuser auf der einen und 25 auf der anderen Straßenseite an.
Der "Soufflet" führt hinunter zum Tal, wo er die Moresneter Straße
erreicht. Auf der Karte der Teckenbuschparzellierung von 1787 wird an
dieser Stelle, unterhalb der Steingrube, ein Weg eingezeichnet, es befindet
sich aber dort kein Haus. Nach der Urkatasterkarte von 1860 standen
hier, und zwar rechts auf halber Höhe, nur zwei Gebäude. Der Bauherr
hat wohl seinen Namen für die Flur "Am Souflet" hergegeben. In den
Einwohnerlisten von 1809-1813 kommt ein "savetier", Schuster, Gaspar
Souxhlet-Malmendier im Haus Teckenbosch 20, d. h. im oben erwähnten
Hause Pelsser, vor. Vielleicht handelt es sich hier nach falscher Aussprache
des Namens um den späteren Namensgeber? Ein Pierre Joseph Souxhlet
bezahlt der Gemeinde 1826-1830 eine jährliche Pacht von 10,74 F für
Teckenboschparzellen. Im Jahre 1902 werden zwei Häuser am Ort "Souf-
flet" verzeichnet, die auf der Katasterkarte von ca. 1950 bergab, rechts,
auf halber Höhe erscheinen. In der Einwohnerliste von ca. 1958 werden
8 Wohnhäuser, alle auf der rechten Straßenseite, angegeben. Erst später
wurde auch gegenüber gebaut und auf halber Höhe links unterhalb des
Hauses Nr. 29 eine Parzellierung mit 12 Häusern angelegt: Die Sackstraße
trägt den Namen des ehemaligen Schulleiters der Kelmiser
Gemeindeschule (1947-1966) und Gründers des Knabenchors "Kleine
Kelmiser Sänger" (1946): Charles-Cravatte (*Sippenaeken 24.12.1907,
+Kelmis 23.9.1981).
70
Die "Teckebosch"-Karte von 1787 zeigt uns, dass die in Pacht
gegebenen Grundstücke von der heutigen "Klothstraße" im Osten bis
zum Rurbach im Westen und vom heutigen "Rurweg" im Norden bis
zum "Comouth" im Süden reichen. Die Parzellierung wird im Norden
durch einen Graben begrenzt, "soo door die van Aachen gemackt is
worden", der parallel zum heutigen Rurweg in schätzbarem Abstand von
etwa 100 m verläuft. Es mag wohl der von den Aachenern vor der 1611
beschlossenen Teilung des Preuswaldes angelegte Graben sein. Der
heutige Comouth besteht damals noch nicht. Es befindet sich wohl in
der Nähe auf halber Höhe im Gelände das Haus der Witwe Joes (Joannes)
Seigher. Diese hat 1787 aus dem verpachteten Gemeindegrund 386 Ruten
(ca. 0,86 ha) erworben. Ein Jean Segher erscheint 1749-1780 in den
Arbeiterlisten des Bergwerks.
Das gesamte Gelände nördlich vom "Hollensberg", heute Heidkopf,
wird 1829 noch als "Teckenbosch" bezeichnet. Auf der Urkatasterkarte
von 1860 erscheinen dann die Fluren Pelzer, Ruhr, Steinkaul, Soufflet,
Comouth.
Wir folgen der Steinkaulstraße bis zur nächsten Kreuzung und biegen
rechts in den "Comouth" ein. Auch diese Flur hat ihre Bezeichnung
vom Familiennamen eines Bauherrn erhalten: Henri Coemaeth wird
erstmals im französischen Kataster von 1799 (Art. 39) als Grundbesitzer
mit Haus und Wiese erwähnt. Er erscheint noch nicht in der Aufstellung
der Teckenbosch-Pächter von 1787, bezahlt wohl 1826-1829 eine
Jährliche Pacht von 21,60 F für inzwischen übernommene Grundstücke.
Nach den Bevölkerungslisten von 1796-1813 wohnt das Ehepaar Henri
Coemoeth - Helene Christine Pelser "im Tekenbusche" Nr. 21. Der Mann
wird als Tagelöhner bzw. 1813 "charpentier", Zimmermann, bezeichnet.
Wohnt er vielleicht im 1787 erwähnten Haus der Witwe Seigher? Im
Jahre 1789 ist Henricus Coemoeth als Zimmermannmeister beim Bau
eines neuen Pumpenwerkes am Altenberg beschäftigt. Das
Grundeinkommen des Henri Comoth wird 1818 bis 1831 mit 5 F
veranlagt. Seine Witwe erscheint 1832-1833 in den Heberollen der
Neutral-Moresneter Grundsteuer und die Erben 1834-1839. Da Letztere
nur die Grundsteuer entrichten, ist anzunehmen, dass sie nicht mehr im
alten Elternhaus wohnen.
Wir gehen nun den "Comouth" hinunter. Auf der Urkatasterkarte von
1860 befindet sich ein Doppelhaus am Eingang auf der linken Seite quer
zur Comouthstraße (heute Gartenstraße Nr. 2-4). Es folgen bergab zwei
Einzelhäuser und ein Doppelhaus. Nach der Karte von 1862 gehört das
71
erste Doppelhaus (Nr. 241) dem G(uillaume) bzw. Wilhelm Demonthy,
Schmelzer bei der Zinkhütte. Es wohnen hier 1856 zwei Familien mit
jeweils 5 Angehörigen. Die Einzelhäuser gehören dem Ackerer Johann
Lorenz Cloot-Wertz (Nr. 242), bzw. dem Bergmann Johann Jakob Cloot-
Göbbels (Nr. 243). Das Doppelhaus Nr. 244 ist im Besitz des Tagelöhners
Johann Joseph Honds-Hamers. Hier sind drei Familien mit insgesamt 11
Personen wohnhaft.
Auf der rechten nördlichen Straßenseite liegt quer zur Straße ein
Doppelbau (heute Nr. 10-12) .
Das gut restaurierte Haus Nr. 10 ist aus Bruchsandsteinen gebaut. Die
Fensterfassungen sind teils aus Holz, teils aus Feldbacksteinen und weisen
in die erste Hälfte des 19. Jh. Es entspricht wohl dem Bauernhof, der
1856 (Nr. 245) vom Ackerer Johann Mathieu Laschet-Stuckelmann
bewirtschaftet wird. Das hohe große Wohnhaus Nr. 12 aus
Feldbrandsteinen ist wohl später erbaut worden, wahrscheinlich durch
Bürgermeister Josef Kohl, der hier noch 1902 als Rentner wohnt. Dieser
war am 27. April 1834 in Eupen geboren und wird am 5. Januar 1859
von der Aachener Regierung zum Bürgermeister von Preußisch-Moresnet
ernannt. Er fungiert dann auch als Gemeindesekretär von Neutral-
Moresnet. Nach dem Abgang von Adolphe van Scherpenzeel-Thim nach
Mülheim ernennen die königlichen Verwaltungskommissare ihn am 23.
Juni 1859 auch zum Bürgermeister von Neutral-Moresnet. Am 1. Juli
1859 wurde er vereidigt, obschon er nicht die Unterstützung des Neutral-
Moresneter Gemeinderates erhalten hatte: 7 der 10 Ratsmitglieder hatten
den Hergenrather Bürgermeister Cornelius Hubert Mostert vorgeschlagen
und sich deutlich gegen Kohl ausgesprochen, der nach ihrer Auffassung
nicht über die notwendige Mitarbeit aller Einwohner verfügen werde. Er
geriet ziemlich schnell in Streitigkeiten mit Gemeinderatsmitgliedern,
Vertretern der "Vieille Montagne" und sogar mit Pfarrer Flemmincks,
dem er versuchte, den Zutritt über den Schulhof zur neuen 1865
konsekrierten Kirche zu verweigern. Oberingenieur Max Braun berichtet
1866 der Generaldirektion der "Vieille Montagne" darüber. Braun
beschreibt Kohl als ortsfremd, ohne jede Beziehung zur "Vieille Monta-
gne", jung, unerfahren, taktlos, reizbar. Daraus schließt er, dass Kohl
dauernd die Unterstützung der königlichen Verwaltungskommissare in
Anspruch nehmen muss. Seinerseits behauptet Kohl, von "hochstehenden
Leuten" dauernd herausgefordert zu werden. Sein fünfjähriges Mandat
wird trotzdem mehrmals erneuert. Am 6. September 1870 wird Kohl
von der Aachener Regierung beurlaubt, um vorübergehend eine
72
Verwaltungsaufgabe im von Preußen besetzten Frankreich zu
übernehmen. Am Ende überwirft Kohl sich auch mit seinen Vorgesetzten.
Am 3. Februar 1882 wird der unliebsame Bürgermeister von den
königlichen Kommissaren abgesetzt. Bei dieser Gelegenheit stellen sie
fest, dass sie "öfters Klagen gegen seine willkürliche Herrschsucht
erhalten haben und dass sein Abgang eine echte Erleichterung für die
Einwohner sein wird"! Joseph Kohl verstirbt am 20. Januar 1910.
Im Jahre 1902 werden am Comouth 8 Häuser, darunter ein leeres,
angegeben. Die Katasterkarte von ca. 1950 zeigt zusätzlich (links) vier
Häuser. In der Einwohnerliste von ca. 1958 werden 24 Hausnummern
links und 6 rechts der Straße angegeben. Unten biegt der "Comouth"
nach links, um die Moresneter Straße zu erreichen. Davor kommt von
links die Sportstraße. Der Name dieser Straße rührt aus dem früher
oben "a jene oossekop" befindlichen Sportplatz des Fussballklubs
"Union". Dieser wurde beim Bau des Sportzentrums durch die Gemeinde
Kelmis an der Patronagestraße 1975 in dessen Gelände aufgenommen.
‚Die kleine Siedlung von 40 Einzelhäusern wurde hier 1954-1957 durch
den Kelmiser Unternehmer Gerard Lavalle gebaut. Die Einwohnerliste
von ca. 1958 gibt 11 Hausnummern im oberen Teil der Sportstraße, ab
Patronagestraße, an. Dazu kommen 15 ungerade und 25 gerade Nummern
für die Siedlung.
An der Einmündung Comoutstraße- Moresneter Straße unterbrechen
wir unsere 5. Wanderung durch Kelmis, die wir dann in der 6. Fortsetzung
hier wieder aufnehmen.
73
Eine Ohrfeige,
die zum Priestertum führte!
von P. Joseph Timmermann SVD
In Memoriam Pfarrer Nikolaus Trenz '
Sie klingt sehr unwahrscheinlich, diese Überschrift: „Eine Ohrfeige,
die zum Priestertum führte!‘“, und doch entspricht sie der Wirklichkeit,
sowohl die „Ohrfeige‘“, als mein Weg zum Priestertum!
Es war am 11. März 1939, als sich das Gesicht von Pfarrer Nikolaus
Trenz tief in mein Herz meißelte. Es war ein sonniger Märztag und wir
Schulkinder spielten auf dem kleinen Schulhof in Hauset entlang der
Straße. „Der Pastor kommt“, riefen einige Kinder und liefen schnell weg,
denn niemand wollte sich tief verneigen und „Gelobt sei Jesus Christus‘
rufen.
In seinem schwarzen — nicht ganz sauberen Talar — und das Birett ein
wenig schief auf dem Kopf, rief er mich zu sich. Noch bevor ich meine
obligatorische Verbeugung und den christlichen Gruß sagen konnte,
streichelte er mir den Kopf mit kurzem Bürstenschnitt und sagte: „Jupp
vom Großhaus, ich war soeben bei deinem Großvater. Er ist gestorben.
Geh du jetzt mit deinen Geschwistern nach Hause!“ Er muss mich dabei
ganz lieb angeschaut haben, denn diese Worte und das Gesicht des
Priesters haben sich so tief in mir eingeprägt, dass ich noch heute den
genauen Ort zeigen kann, wo er diese Worte zu mir gesprochen hat.
In enger Zusammenarbeit mit Fräulein Hamacher und Pfarrer Trenz
wurden wir im kommenden Jahr auf die erste heilige Kommunion
vorbereitet. Da ich, wie man immer sagte, ein schlimmer Junge war, der
nur Streiche und Blödsinn im Schilde führte, war die erste heilige Beichte
für mich eine echte Tortur. Die zehn Gebote mussten wir rauf und runter
in der Klasse aufsagen und dann bekamen wir gesagt, was wir wohl alles
falsch gemacht haben könnten. Bei der Gewissenserforschung half mir
Fräulein Hamacher in ihrer mütterlichen und stillen Art. Und dann kam
der Tag der ersten heiligen Beichte. Ich zitterte am ganzen Leibe und
erwartetet von Pfr. Trenz im Beichtstuhl eine Donnerpredigt, denn ich
hatte eine lange, lange Liste an Fehlern und Sünden aufzuzählen. Als ich
' S. H. Benz „Zwischen Fürstenschloss und Internierungslager — Das Leben des
Priesters Nikolaus Trenz“ in Im Göhltal, Nr. 68, S. 11-44.
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dann die Worte sagte: „Dies sind alle meine Sünden“, war zuerst eine
kleine Stille im Beichtstuhl.
Dann erklang eine versöhnliche und tröstende Stimme aus dem
Beichtstuhl. Ich war so glücklich! Am liebsten hätte ich wieder einen
neuen Streich ausgedacht. Meine Freunde fragten: „Was hat er gesagt?
Hat er geschimpft? Wie viele ‚Vater Unser’ musst du beten?“
Und so vergingen einige Jahre und ich wurde zum großen Entsetzen
meiner frommen Tanten van Weersth Messdiener. „Lisa, das wird niemals
gut gehen“, so höre ich heute noch meine Tante Anna zu meiner Mutter
sprechen. (Vergebens hat sie ihr ganzes Leben lang versucht, aus mir
einen heiligmäßigen Priester zu machen!) Ich wurde in die Kunst des
Messdienens eingewiesen und durfte schon bald, - nachdem wir däs
Confiteor und das Suscipiat fehlerfrei aufgesagt hatten - ohne eine Wort
davon zu verstehen-, unseren Dienst am Altar beginnen.
Die kleinen und großen Fehler häuften sich und nach jeder Messe, die
ich diente, musste ich mir die Ermahnungen meiner Tanten anhören.
Einmal waren sie ermahnend, dann kamen sie als Schimpf und Schande
über mich und zum guten Schluss wollte ich mich von dieser Qual der
Ermahnungen befreien.
Es war an einem ganz normalen Schultag. Mein Vetter Karl van Weersth
und ich hatten ‚Dienen’. Zur Wandlung wurde geschellt und wir stiegen
die zwei Stufen zum Altar hoch, um bei der Kniebeuge des Priesters
nach dem Erheben der heiligen Hostie das Messgewand des Priesters ein
wenig anzuheben. Da kam mir die Idee, das Messgewand festzuhalten,
damit der Pastor sich nicht aufrichten könne. Pfarrer Trenz spürte, dass
wir das Messgewand — einer Bassgeige ähnlich — festhielten. Er gab sich
einen kleinen Ruck und stand wieder aufrecht. Er nahm den Kelch, sprach
die Wandlungsworte und ich flüsterte meinem Vetter Karl das Wort
‚Feigling’ zu. Er erhob den Kelch. Dann kam die Kniebeuge. Mit ganzer
Kraft griff ich in das Messgewand hinein und Pfarrer Trenz kam nicht
hoch. Noch heute sehe ich, wie er den Kelch hinstellte, sich umdrehte
und ich eine schallende Ohrfeige erhielt. Sie war so kräftig, dass ich die
beiden Stufen runterpurzelte.
Was dann geschah, kann jeder sich denken — oder auch nicht.
Pfarrer Trenz muss, so glaube ich, innerlich über diesen sehr bösen
Streich gelächelt haben, aber nicht meine Tanten und meine Familie.
Die Schläge und Strafen, die ich erhielt, würden heute von jedem
Jugendamt geächtet. Doch nicht damals. Ein Spruch aus der Bibel wurde
zitiert, als ich wagte, dem vielen Strafen ein Ende zu setzen. Er hieß:
75
„Wer seinen Sohn liebt, der züchtigt ihn!‘ Nach einigen Wochen der
Strafe rief Pfarrer Trenz mich wieder an den Altar und ich habe ab dann,
fromm wie der heilige Aloysius, die Messe gedient!
Dem ging jedoch ein anderes Erlebnis voraus. Einige Tage nach dieser
schändlichen und verwerflichen Tat kam mir Pfarrer Trenz entgegen.
Am allerliebsten wäre ich in den Boden versunken und der heilige Spruch,
den wir sagen mussten, wenn sich uns ein Priester näherte, kam schon
gar nicht über die Lippen. Ich fand es damals schon ungeheuerlich, den
Priester mit Jesus Christus zu begrüßen.
Er rief mich zu sich, streichelte meinen kahl geschorenen Kopf und
sagte: „Jupp vom Großhaus! Aus dir wird noch etwas Großes!“ Er
lächelte, schaute mich mit seinen suchenden Augen an und ging weiter!
Nun könnte ich sagen, dass diese Geschichte hier ihr Ende findet.
Doch keineswegs. Diese Worte, sie klingen heute noch in meinen Ohren.
Keine Worte der Schuld, keine Worte der Strafe, keine Worte der
Ablehnung. Vielmehr Worte des Trostes, mutmachende und helfende
Worte. Ja, ich habe sie ganz tief in meinem Herzen auf weißen Marmor
eingemeißelt. Es sind diese Worte, die mich mein Leben lang begleitet
haben, die in mir den Wunsch zum Priestertum haben reifen lassen. Durch
diese Worte habe ich zu mir selbst gefunden, habe ich gelernt, mich so
anzunehmen, wie ich bin. Habe ich gelernt, mein Anderssein anzunehmen.
Und wenn ich im Laufe meines Lebens als Priester von meinen
Vorgesetzten und vielen anderen Menschen in Frage gestellt wurde, dann
standen diese Worte von Pfarrer Trenz vor meinem inneren Auge und
gaben mir die Kraft, ein ‚kleiner Rebell Gottes’ zu sein.
Persönlich habe ich Pfarrer Nikolaus Trenz nie danken können. Diese
kleinen Erlebnisse mögen ein ehrliches und aufrichtiges ‚Danke’ sein.
Ich möchte ihm sagen: „Du, Nikolaus Trenz, du warst für mich ein
großartiger Priester!‘ Und dafür danke ich Gott und allen, die dir geholfen
haben — trotz fehlender Schul- und Studienabschlüsse — Priester zu
werden.
76
Soziale Unruhen in Kelmis
von Alfred Bertha
Die Bergwerksgesellschaft der Vieille Montagne kann im 19.
Jahrhundert ohne Abstriche zu den sozial eingestellten Großunternehmen
gerechnet werden, die es als ihre Verpflichtung ansahen, die Auswüchse
des Frühkapitalismus und der industriellen Revolution durch ihr soziales
Engagement zu mildern und sowohl das materielle wie das geistige Wohl
ihrer Beschäftigten zu fördern. Man denke nur an das durch die Vieille
Montagne ins Leben gerufene Sparkassenwesen, die Kranken- und
Altersversicherung, den Wohnungsbau, das Schul- und Pfarrwesen sowie
die tatkräftige Unterstützung des Vereinslebens. Dass der Arbeiter durch
diese fürsorgliche Haltung des Brotgebers stark an den Betrieb gebunden
wurde, war gewiss eines der von der Vieille Montagne angestrebten Ziele.
Wen wundert es, dass unter diesen Umständen die in anderen
Industriezentren emporblühenden Gewerkschaften in Neutral- und
Preußisch-Moresnet viele Jahrzehnte keine Chance hatten, Fuß zu fassen
und sich auszubreiten? Und als dann doch im Jahre 1901 von auswärts
versucht wurde, die Arbeiter gewerkschaftlich zu organisieren, lief die
lokale Presse dagegen Sturm, stellte sich ganz entschlossen auf die Seite
der Bergwerksgesellschaft und kämpfte mit harten Ausgabeagen gegen die
"Sozialisten", die auch in Kelmis schon einige Anhänger gefunden hatten.
Ein gewisses Malaise unter den Arbeitern war wohl dadurch
entstanden, dass Direktor Timmerhans in einem Betriebsrundschreiben
vom 3. Mai 1901 die Betriebsführer dazu aufgerufen hatte, "in den ihnen
unterstellten Diensten die größtmöglichste Ersparnis eintreten zu lassen".
Der Direktor hatte auf die schwierige Lage der Zinkindustrie
hingewiesen und die Betriebsführer ersucht, "von ihrem Personal durch
Verdoppelung der Aufsicht ein größeres Arbeitsquantum zu erlangen,
die faulen, nachlässigen oder ungenügend beschäftigten Arbeiter zu
entlassen und die schwierige Lage der Zinkindustrie bei der Festsetzung
der Akkordsätze zu berücksichtigen".
Es war ein Herr August Brust, Redakteur der Zeitschrift "Der
Bergknappe" aus Altenessen, - er nannte sich selber christlich-sozial - ,
der die gewerkschaftlichen Ideen in Kelmis zu propagieren versuchte.
"Das Freie Wort” warf ihm und den anderen "Aufwieglern" vor, das
"friedlich schöne Verhältnis, welches während eines vollen Jahrhunderts
DPF
ungetrübt zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmern bestand", vollständig
zerrüttet zu haben. Aber das Blatt sah auch Schuld bei "jenen interessierten
Personen, die die Achtung des Arbeiters seinem Brotherrn gegenüber
aus dem Herzen verbannen und, um sich selbst faule Tage zu schaffen
und sich zu bereichern, ihre Schmierblättchen beim Arbeiter absetzen
und für ihre revolutionär angehauchte Klexe die sauer verdienten
Groschen des armen Mannes einheimsen."
Bei einer ersten Versammlung in Kelmis am 9. Juni 1901 hatte Brust
Ziel und Zweck des von ihm vertretenen Gewerkvereins dargelegt und
versucht, die Kelmiser Arbeiter von der Notwendigkeit des
gewerkschaftlichen Zusammenschlusses zu überzeugen. Von der Vieille
Montagne, die vor dem Eintritt in die Gewerkschaft gewarnt hatte, solle
sich keiner bange machen lassen.
Brust konnte bei seinem ersten Auftritt in Kelmis zufrieden sein: 106
Bergleute schlossen sich seiner Organisation an, die nun einige ganz
konkrete Forderungen an die Vieille Montagne stellte:
. Anhebung der Löhne und bessere Behandlung der Arbeiter,
° keine Bevorzugung wallonischer Arbeiter und bessere Bezahlung
der eventuell zu leistenden Sonntagsarbeit.
Eine gewisse Zeit lang hatte das "Freie Wort" die Auftritte von Brust
ignoriert und auch die Vieille Montagne hatte nicht weiter dagegen
opponiert. Als der Gewerkschaftsführer aber für den 25. August 1901
eine weitere Versammlung einberufen hatte, meinte die Zeitung, es sei
nun "doch an der Zeit, der braven katholischen Bevölkerung und
hauptsächlich der Belegschaft von Altenberg und Umgegend die Augen
zu öffnen und in weiteren Zügen zu beleuchten, mit wem sie es eigentlich
zu tun haben. Ja es ist höchste Zeit, den Arbeiter darauf aufmerksam zu
machen, daß es nur noch weniger aufrührerischer Versammlungen und
Predigten des aufdringlichen Rädelsführers bedarf, um die Geduld und
Güte der Direktion des Altenberger Bergwerks gänzlich zu erschöpfen
und über Nacht Not, Elend, Armut, Familienunglück usw. über unser
herrliches Ländchen, welches ein jeder liebt, heraufzubeschwören und
den braven Arbeiter blindlings der roten sozialistischen Kette
beizuschmieden..."
Am Vortag des geplanten Auftrittes von Brust ging das "Freie Wort"
auf seiner Titelseite in einem langen dreispaltigen (und ihm von der Vieille
Montagne zugestellten?) Artikel darauf ein. Durch Ironie und bissigen
Spott versuchte die Gesellschaft der Vieille Montagne, den angesagten
78
Redner noch vor seinem Kommen zu diffamieren. Der Artikelschreiber
malte die Ankunft von Brust in einem Spezialzug der Vieille Montagne
am "internationalen Bahnhof im Bruch” aus, von wo aus ein durch eine
Abordnung des Eselbesitzervereins aus Chaudfontaine angeführter
Festzug zum "neutralen Ländchen" ziehe. Daran teilnehmen würden Ulk,
Hömpetömp, Grömmele, Blauer Bock, Allotria, die Arm-Brust-Schützen,
14000 Mann des alten Verbandes und die neue Knappschaftskasse für
Preußisch-Moresnet, von zwei Ochsen gezogen und gefolgt von einer
Unmenge durch Brust beglückter ehemaliger Bergarbeiter ...
Was August Brust vorschwebte, war aber keineswegs ein revolutionärer
Umschwung der Dinge am Altenberg. In seinem Aufruf zu der
Versammlung vom 25. August 1901 hatte er geschrieben: fi
"Mögen nun die Kameraden der Werke der Gesellschaft Vieille Mon-
tagne sich nur besser organisieren und sich unserem Gewerkverein
anschließen, damit durch den Zusammenschluß der Arbeiter vor und nach
deren Verhältnisse gebessert werden. Es kommt nichts von selbst und es
läßt sich auch nicht alles auf einen Tag erreichen. Da muß zuerst
organisiert und dann Schritt für Schritt vorangegangen werden.
Organisieren und opfermütig ausharren, muß auch hier die Parole sein
und bleiben. Durch Schwadronieren oder eine Faust in der Tasche machen
1äßt sich eben nichts erreichen.
Gut organisiert im Gewerkverein und dann im legalen Wege
schrittweise vorgegangen, die berechtigten Wünsche der Arbeiter
vorgebracht und ruhig, aber energisch vertreten, dann wird auch hier
manches für die Arbeiter erreicht werden können.
Hoffentlich finden sich die Arbeiter am 25. d. M. recht zahlreich zu
der Versammlung ein, um sich dort weiter belehren und (aufhetzen) par-
don aufmuntern zu lassen für die Organisation und den weiteren Anschluß
an dieselbe."
Der Artikelschreiber im "Freien Wort" prophezeite Brust, er werde
vor leeren Bänken predigen. Gleich nach der ersten Erklärung der
Gesellschaft in der Zeitung hätten sich "mehr als 50 Mann von seiner
Theorie zurückgezogen" und die Aussauger des armen Arbeiters, wel-
che gegen das "Freie Wort" agitierten, würden nicht in der Lage sein,
diesem Blatt, das eine offene, im Interesse der Arbeiter redende Sprache
führe, etwas am Zeug zu flicken.
"Alle Ehre dem braven Arbeiter, welcher einsieht, daß man zur
Erreichung und Erfüllung gestellter Wünsche den direkten Weg
einzuschlagen hat. Ein jeder, und möge er auch erst seit etlichen Tagen
79
im Dienste der Vieille Montagne stehen, der dieser Gesellschaft sein
Brot verdankt, muß es sich zur christlichen Ehrenpflicht machen, der
Brust'schen Clique fernzubleiben, nach dem wahren und edlen Spruch:
"Deß Brod ich esse, deß Lied ich singe!"
Die Direktion der Vieille Montagne müsse in den Anhängern Brusts
ihre direkten Feinde erblicken, gingen diese doch an der Direktionstüre
vorbei, um ihre Interessen durch eine hergelaufene, Land und Leuten
fremde Person fördern zu lassen.
Um den Kelmiser Arbeitern zu zeigen, wie es um Gewerkvereine,
Innungen, Arbeiterverbände usw. stehe, zitiert der Artikelschreiber einige
Beispiele. In Aachen und Eupen gebe es den christlich-sozialen
Textilarbeiterverband, der anfangs die Unterstützung des "Volksfreund"
gehabt habe. In Eupen habe der unermüdliche Verfechter der Rechte der
Arbeiter die Flinte ins Korn geworfen, weil er in der Organisation keinen
Fortschritt, sondern einen Rückschritt der Arbeiterlage erblicke. Weder
in Aachen noch in Eupen sei noch die Rede von Streiks.
Die Gründung der Buchbinderinnung in Aachen und die internen
Streitigkeiten im Volkshaus in Verviers zeigten, "wie es durch die
Arbeiterführer gemacht wird"; die großen Kohlenstreiks in England und
die Glasarbeiterstreiks in Charleroi hätten nur Not, Elend und Armut
gebracht, während die "Leithämmel", die die Arbeiter ausgesaugt hätten,
"nunmehr in den herrlichen italienischen Badeorten an der Riviera sitzen
und Bauch und Knebelbart stehen lassen".
"Wie ist es möglich", fragt der Artikelschreiber, "daß der brave Arbeiter
während der augenblicklichen Krise so an der Nase herumgeführt werden
kann?" Von allen Seiten höre man Hiobsbotschaften. LANZ in Mann-
heim habe 1000 Arbeiter entlassen müssen, die Heidelberger
Druckmaschinenfabrik stehe ohne Aufträge da, die elsässische
Maschinenfabrik in Mülhausen habe 600 Mann wegen Mangels an Arbeit
entlassen. Die Kölner Schokoladefabrik habe den Betrieb eingeschränkt,
in der Waffenfabrikation herrsche flauer Geschäftsgang und der Solinger
Industrie stünden sehr schwere Zeiten bevor. In Bochum habe man bei
der Gesellschaft für Stahlindustrie auf beiden Walzwerken Feierschichten
einlegen müssen und in Alsdorf hätten die Arbeiten auf den Zechen am
12. August gänzlich geruht.
Sich an die Arbeiter von Kelmis wendend, heißt es dann: "Haltet dem
Wanderapostel am nächsten Sonntag diese Tatsachen unter die Nase und
setzt Euch, wie bereits betont, mit der Direktion in Verbindung, insofern
Ihr glaubt, auf Mißstände hindeuten zu müssen.
80
Bedenkt, daß Ihr mit Euren Frauen und Kindern gegen Millionen
Arbeiter in glücklichen, christlichen Verhältnissen lebt. Hat der Kapitalist
und Großindustrielle nicht mehr Sorgen und Leid als der ehrsame,
zufriedene Arbeiter? Jagt den Hetzer zum Tempel hinaus oder daß er
sich seines Gleichen sucht!"
Nachdem die angesagte Versammlung in Kelmis stattgefunden hatte
und zu derselben nicht nur Bergleute, sondern auch viele Textilarbeiter
erschienen waren, hält es das "Freie Wort" für notwendig, seinen nicht
an der Hetze interessierten Lesern "etliche Aufklärung" zu geben.
Bereits zur Weihnachtszeit 1885, lange bevor der Staat an eine
Invaliden- und Krankenkasse gedacht habe, sei von der Gesellschaft der
Vieille Montagne eine "Caisse de Prevoyance en faveur de ses ouvriers"
(Arbeiter-Vorsorgekasse) gegründet worden, die im Falle von
Arbeitsunfähigkeit oder Unfall den Arbeitern eine Rente sichere, und
zwar ohne Beitragszahlung seitens der Beschäftigten.
Auch die katholische Kirche wird bemüht, um die Arbeiter vor den
Sozialdemokraten zu warnen. Das Blatt zitiert den Dekan Müller aus
Kempten/Bayern: "Friede soll herrschen zwischen Arbeitgeber und
Arbeiter. Die Arbeitervereine sollen die Mäßigkeitsbestrebungen
unterstützen und die Trunksucht bekämpfen. Der Klerus soll sich an die
Spitze der christlichen Arbeiter stellen, welcher dazu berufen ist, als
barmherziger Samaritan dem Arbeiterstande zu helfen."
Das "Freie Wort" warnte vor Streiks und Drohungen, wie sie Brust
zur Erpressung von höheren Löhnen heraufbeschwöre, und erinnerte an
den Streik in der deutschen Glasflaschenindustrie, der nur dazu geführt
habe, daß nun Flaschen aus Holland importiert würden.
Nachdem August Brust zuvor die Direktion und die Beamten der Vieille
Montagne "in schmählicher Weise an den Pranger" gestellt, dann aber
seine Ausführungen mit einem Aufruf zu einem dauernden Frieden
zwischen Arbeitern und Arbeitgebern beendet hatte, fand das "Freie
Wort", dies klinge "wie reiner Hohn" (31.08.01).
Da der Aachener "Volksfreund" den gewerkschaftlichen Bestrebungen
des Brust und Genossen zuviel Sympathie entgegenbrachte, erfuhr das
Blatt von Direktor Timmerhans eine Zurechtweisung, die im "Freien
Wort" vom 4.9.1901 zu lesen war.
"Es ist durchaus unwahr"', so der Direktor, "daß mir von der Belegschaft
irgendwelche Forderung zugegangen ist; ich habe mich lediglich darauf
beschränkt, den Arbeitern von dem Eintritt in den christlich-sozialen
Verein abzuraten, da ich der Ansicht war, daß die Tendenzen dieser Or-
81
ganisation dazu angetan seien, das gute Einvernehmen, das seit nahezu
65 Jahren zwischen meiner Gesellschaft und ihren Arbeitern bestanden
hat, zu trüben ‘”. Der Beweis dafür, daß ich mich in dieser Annahme
nicht geirrt habe, ist durch die mittlerweile in dem Organ des christlich-
sozialen Vereins veröffentlichten Artikel, durch seine Extrabeilage am
vorigen Freitag sowie auch durch Ihren Bericht über die am verflossenen
Sonntag stattgehabte Versammlung erbracht worden.
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Direktor Charles Timmerhans (Göhltalmuseum)
Wir wissen von sozialen Unruhen in Kelmis am 24. Februar 1835 (also vor der Gründung
der Gesellschaft der Vieille Montagne), die zur Entlassung von 10 Arbeitern führten. Es
gab auch eine Arbeitsniederlegung der Huntefahrer im Oktober 1847. Die Arbeiter wurden
wegen Verschwörung entlassen. In der Folgezeit blieb es in Kelmis paradiesisch ruhig.
82
Wenn Ihr Korrespondent behauptet, daß unsere Arbeiter in einer Art
behandelt würden, die in Deutschland unmöglich sei, so vergißt er, daß
der weitaus größte Teil derselben auf preußischer Seite beschäftigt ist.
Daneben werden aber auch seine Behauptungen durch Tatsachen
widersprochen; denn wenn wir unsere Arbeiter nicht mit dem größten
Wohlwollen behandelten, wäre es unerklärlich, daß mehr wie 50 Prozent
unseres Personals über 10, 41 Prozent über 20 und 21 Prozent über 30
Dienstjahre zählt.
In Wirklichkeit hat die Vieille Montagne eine ganze Reihe von
Wohlfahrtseinrichtungen für ihre Arbeiter ins Leben gerufen, und es wird
wohl genügen, hier anzuführen, daß außer einem Betrage von 47,50 Fres.
zu den Kranken-, Invaliditäts- und Unfallkassen sie aus eigenen Mitteln
einen besonderen Beitrag von 140 Fres. pro Arbeiter und pro Jahr ausgibt,
um denselben sowie ihren Witwen und Waisen Pensionen zuzusichern,
um so zu zeigen, wie der Gesellschaft das Wohl der Arbeiter und ihrer
Familien am Herzen liegt.
Soll ich noch von den Bauvorschüssen mit geringem Zinsfuß und
Lebensversicherung sprechen, von den Unterstützungen, welche die
Gesellschaft den bedürftigsten Arbeiterfamilien bei eintretender
Winterzeit sowie bei Gelegenheit der Kinderkommunion zuwendet, von
der Verausgabung von Wein zu kaum der Hälfte des Selbstkostenpreises,
um dadurch dem Alkoholgenuß zu steuern, ferner von der Sparkasse mit
5 % Zinsen und dergleichen mehr?
Und sollte man hiernach glauben machen, daß die Verwaltung bei ihren
Arbeitern willkürliche Lohnabzüge vornimmt? Was die Löhne selber
anbelangt, so stellen sich diese für jede Kategorie Arbeiter höher als die
in den amtlichen Statistiken für die Erzgruben der ganzen Rheinprovinz
angegebenen Durchschnittslöhne. Gegenüber ihren deutschen Kollegen
haben die auf dem neutralen Gebiet wohnenden Arbeiter noch den Vorteil,
daß sich die Lebensmittel diesseits der Grenze um 15 bis 20 % billiger
gestalten. Es steht demnach den Herren Brust und Genossen schlecht an,
uns als Ausbeuter der Arbeiter hinzustellen."
Soweit Direktor Timmerhans im "Freien Wort" vom 4. September
1901:
In der Samstagsnummer vom 21.9.1901 meldete sich ein ehemaliger
Bergarbeiter der Vieille Montagne zu Wort. Er nahm das "Freie Wort"
gegen den Vorwurf in Schutz, es verteidige nicht die Interessen der
Arbeiter, und erinnerte die Arbeitgeber an ihre Pflichten gegenüber dem
Arbeiter, wie auch dieser seine Pflicht voll und ganz erfüllen solle.
83
Die Zeitung ging in der folgenden Mittwochsausgabe auf diese
Ausführungen ein und meinte dazu u. a.: "Wenn die Reichen, Kapitalisten
und Fabrikanten das Gebot des Herrn befolgen, der Tyrannei des
Mammons entsagen und mit dem Arbeiter das Reich Gottes und seine
Gerechtigkeit suchen, dann kann Unzufriedenheit, Unwille und
Verzweiflung in der von ihnen geleiteten unteren Klasse nicht entstehen.
Dann wird nicht zur Gewalt geschritten und auch das Leben des
Vorgesetzten nicht bedroht. Der Arbeiter soll sich aber allen
sozialistischen und aufwieglerischen Vereinen und Personen fernhalten;
denn, gehen deren Pläne, das Vermögen und den Besitz des Arbeitgebers
in ungerechter Weise an sich zu reißen, in Erfüllung, dann folgt
Blutvergießen, Revolution und Elend für Millionen Menschen ...
Nachdem es der Direktion der Vieille Montagne vergönnt war, öffentlich
zu erklären, daß dank der Mithilfe des "Freien Wortes", welches
unaufgefordert und ohne jedes Geldinteresse eingriff, den blinden
Arbeitern die Augen geöffnet worden seien, und daß sämtliche Arbeiter
aus dem Brustschen Verbande ausgeschieden, nachdem das "Freie Wort"
dann die Direktion ersuchte, nunmehr alles im Interesse der treuen
Arbeiter aufzubieten, hätten wir geglaubt, daß ... die Fehde und der
Federkrieg ein Ende erreicht haben. Da kommt aber nun der Aachener
Volksfeind (freund) und bläst wieder in die Posaune."
Das Aachener Blatt hatte am 20. Sept. 1901 in einem Beitrag über
Neutral-Moresnet behauptet, das in Dolhain erscheinende "Freie Wort"
sei das Sprachrohr der Bergbaugesellschaft der Vieille Montagne,
wogegen sich das Blatt energisch wehrt. Wohl stehe das "Freie Wort"
auf Seiten der Gesellschaft, wenn diese Arbeiter entlasse, die ihr Vertrauen
besessen, ihr Geld und ihre Wohltaten empfangen und die Güte der
Arbeitgeber zu sozialistischer Propaganda genutzt haben. (Anm.: Sechs
Arbeiter waren aus solchen Gründen entlassen worden, darunter ein Vater
von 10 Kindern). Es sei die feste Ansicht des gesamten Verwaltungsrates,
das könne die Zeitung aus zuverlässiger Quelle versichern, eher den
ganzen Altenberger Betrieb einzustellen, als sich von einem in Deutsch-
land bestraften Menschen in ihre Rechte eingreifen zu lassen.
(Anm.: August Brust war am 20. Juli 1901 vom königlichen
Schöffengericht in Essen wegen Beleidigung zu einer Geldstrafe von 75
Mark verurteilt worden).
Es sei wirklich eine Rücksichtslosigkeit sondergleichen seitens des
Brust und der ihn unterstützenden Presse, in einem Augenblick unsere
Kelmiser Familien ins Unglück zu reißen, wo überall Arbeitsmangel
84
herrsche, wo der Kapitalist, der doch von seinen Zinsen leben müsse,
selbst nicht wisse, wo er sein Geld nutzbringend anlegen könne und wo
die Arbeiterverbände mit den seit Jahren den Tagelöhnern ausgesaugten
Groschen ihren Kopf gegen die Mauer anschlagen.
Die streikenden deutschen Flaschenglasarbeiter hatten schließlich nach
einem Jahr Arbeitskampf aufgeben müssen. Diese Tatsachen würden, so
meint das "Freie Wort", die Altenberger Arbeiter noch mehr als bisher
veranlassen darauf hinzuarbeiten, mit der Direktion in friedlicher Weise
zu verkehren. Dann würden ihre Wünsche, soweit es eben angehe, Gehör
finden und der Vorgesetzte, wie der schlichte Untergebene, ein Herz und
eine Seele sein.
In seiner Ausgabe vom 28.9.1901 erklärte das "Freie Wort" nochmals
ausdrücklich, weder Direktor Timmerhans, noch Herr Harrus, noch andere
Herren der Direktion hätten in der ganzen Angelegenheit auch nur ein
Wort berichtet oder gebracht. Die Zeitung sei durch "treue, langjährige
Arbeiter der Vieille Montagne, welche ihre Brotgeber ehren und achten"
über die Brust'sche Hetze auf dem laufenden gehalten worden. Nicht nur
von kirchlicher und behördlicher Seite seien dem "Freien Wort"
Dankschreiben für den mit großem Erfolg geführten Kampf gegen den
Aufhetzer Brust zugegangen, nein, auch eine Anzahl deutscher Bergleute
aus dem Lütticher Becken hätten Anerkennungsschreiben gesandt. Dem
"Rundläufer in Essen" gab die Zeitung den Rat: "Bleibe in deinem Lande,
bleibe in Altenessen, ernähre dich redlich, aber nicht von dem Schweiße
der braven Kelmiser Arbeiter!"
Die nächste Nummer der Zeitung, am 2.10.1901, geht erneut auf Brust
und dessen Blatt "Der Bergknappe" ein. Der Essener Gewerkschaftler
hatte zum Verkauf seines Blattes im Verborgenen aufgerufen. Das "Freie
Wort" sieht dies als eine Aufforderung an, die der zum Landesverrat oder
Elternbetrug gleichkomme. "'Verstehst du denn, lieber Arbeiter, was Brust
in seiner heutigen Zumutung noch von dir hält?", so die Zeitung. "Er
will aus dir einen Betrüger und Verräter an deinen Vorgesetzten machen.
Er glaubt dich einen religionslosen Revolutionär, dem alle Mittel zur
Erwerbung des täglichen Brotes gleichgültig sind.”
Der Kelmiser Wirt Hubert Thaeter, der sich bereit erklärte hatte, in
seinem Lokal den "Bergknappen" zum Verkauf anzubieten, solle mit sich
selbst zu Gerichte gehen. Und sich direkt an den genannten Thaeter
wendend, schreibt das Blatt: "... Merken Sie sich, Herr Thaeter, daß bei
Verwirklichung der Ideen des durch Sie vertretenen hergelaufenen
Aufwieglers Not und Armut in Kelmis einziehen, und die rechtschaffenen
85
Familienmütter und die nach Brot schmachtenden Kinder werden Ihnen
für Ausführung des sauberen Handwerks das Gesicht zerkratzen und das
Reklameschild Ihres Vorgesetzten Brust mit Kot beschmieren. Dann wird
es einfach heißen: Von dieser Pavianecke aus wurde Unglück und
Verderben über unsere christliche Arbeiterbevölkerung heraufbe-
schworen. Also aufgepaßt, Herr Thaeter, mit Ihrem heimlichen Treiben;
lassen Sie sich nicht ganz in das Nest des August (?) ziehen!"
Da Brust für den 20. Oktober eine weitere Veranstaltung in Kelmis
geplant hatte, meinte die Zeitung, es werde sich wohl kaum ein deutscher
Geistlicher herablassen, ihn dorthin zu begleiten, um die Gemüter aufs
neue aufzureizen. Wenn aber dennoch einer sich bereit finden sollte, Brust
zu begleiten, so würde das "Freie Wort" sowohl beim Bischof von Lüttich
wie beim Erzbischof in Köln vorstellig werden, um "die Einstellung der
unberufenen Tätigkeit desselben herbeizuführen".
Abschließend schreibt der Redakteur: "Freudig können wir aber
berichten, daß die Altenberger Bergleute des Schwindels müde sind und
den Hetzer aus Altenessen zum Tempel hinausjagen wollen; dann bleibt
ihm wohl nichts anderes übrig, als seine Fadenjungen ( = Textilarbeiter)
aus Aachen wieder antreten zu lassen ..."
In einem Leserbrief richtete sich ein Bergmann mit einem "Mahnwort
an alle Arbeiter, denen das Wohl ihrer Familie am Herzen liegt". Das
"Freie Wort" habe, so der Einsender, seine Pflicht als Organ der deutsch-
belgischen Grenzgegend getan; es habe sich nicht verkrochen gegen
gewisse Großmäuler und nackte Prahlhansen.
"Die gekennzeichneten Hetzbrüder", schreibt der Bergmann, "wollten
auch die ruhigen und besonnenen Arbeiter mit ins Verderben stürzen,
das hat das 'Freie Wort' durch seine weisen Ratschläge aber verhindert.
Man sollte bald glauben, Neid und Mißgunst hätten den Arbeiterlord
Brust nach Kelmis geführt, weil er und seine Anhänger nicht sehen
konnten, daß die Kelmiser Arbeiter anständig und in geordneten
Verhältnissen lebten. Ich habe als Bergmann preußische und belgische
Industrieorte bereist; durchschnittlich sieht es in den meisten preußischen
Bezirken ärmer und miserabler aus wie in den belgischen.
Die Armut leuchtet zu Türen und Fenster hinaus; zerlumpt und
halbnackt läuft das Volk umher; in den Wohnungen sieht es eklig und
miserabel aus, und Losungswort ist Hunger und Not." (Hier kommentiert
die Zeitung: "Begleite uns der Leser einen Augenblick nach
Oberschlesien, z. B. Beuthen, Kattowitz, Myslowitz usw. Der Arbeiter
lebt nur auf eine Kruste Brot, Salzhering, abgekochten Kartoffeln und
86
Kartoffelschnaps. Der letztere wird in Spelunken, durch deren
zerbrochene Scheiben ein widerlicher Geruch in die Straße dringt,
literweise abgegeben und aus Biergläsern von Mann, Frau und Kind
getrunken ...").
Der Bergmann schreibt, in solchen Gegenden könnte ein Brust viel
Gutes stiften, dort könnte er in den Schnapskneipen Heil und Besserung
predigen. Und er stellt die (rhetorische) Frage: "Wo ist aber Armut am
größten? Bei uns in der ruhigen Industriegegend oder in unruhigen,
streiksüchtigen Industriegebieten?"
Vor denjenigen jungen Priestern, die in der Sucht nach einem
Abgeordnetenmandat sich an die Spitze der Arbeiter stellten, warnt der
Einsender. Er nennt diese Priester Hetzkapläne. \
Im Falle eines Streiks werde die Verbandskasse schnell leer, Not und
Hunger seien das Los der Streikbrüder, die dann, wenn die Fabrikherren
rücksichtsvoll seien, die Arbeit vielleicht wieder aufnehmen könnten.
Es heiße, in Kelmis sei eine Besserung eingetreten; es sei ja sehr
lobenswert, wenn der Herr Direktor seinen Arbeitern einen Lohnaufschlag
gewähre, aber er glaube kaum, dass diese Lohnerhöhung auf die
Brandreden des Herrn Brust zurückzuführen sei. Der Herr Direktor lasse
sich nicht durch Drohungen einschüchtern, aber das "Freie Wort" könne
sich rühmen, "daß die Verhältnisse des Arbeiters sich auf seine
Vorstellungen hin gebessert haben."
Es dauerte noch lange, ehe gewerkschaftliche Arbeit in Kelmis
unbehindert und in aller Öffentlichkeit geschehen durfte. Die lokale
Presse, die Gesellschaft der Vieille Montagne, die gewerkschafts-
feindliche Haltung des von der Vieille Montagne besoldeten Pfarrers Kept
... all dies machte die Anfänge schwer. Zwar kann man in den Jahren bis
zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges noch öfters von
Gewerkschaftsversammlungen im neutralen Gebiet lesen, doch konnte
sich die Idee eines Arbeiterzusammenschlusses nicht durchsetzen. Einen
letzten Versuch gab es im Februar 1914 mit der Gründung des
katholischen Arbeitervereins St. Joseph. Doch erst in den
Nachkriegsjahren, d. h. nach dem Anschluss des neutralen Gebietes an
Belgien, konnten die gewerkschaftlichen Organisationen definitiv in
Kelmis Fuß fassen.
87
In Meerssen an der Göhl (NL)
wurde 870 die erste
deutsch-französische Grenze festgelegt
von Heinrich von Schwartzenberg
Wie es zu den deutsch-französischen „Grenzziehungen‘ kam, wird
nachfolgend mit Texten und Karten vereinfachend dargestellt:
Karl der Große hatte bis zu seinem Tode im Jahre 814 durch Diplomatie
und Eroberungen ein großes europäisches Reich aufgebaut. Vor den
bestimmbaren Grenzen dieses Reiches lagen noch militärisch gesicherte
Grenzgebiete, die sog. Marken (1), sowie Gebiete unterworfener Völker.
Bereits im Jahre 806 wurde ein Reichsteilungsgesetz für den Fall des
Todes des Kaisers verabschiedet. So übernahm Ludwig der Fromme,
der einzige überlebende Sohn Karls des Großen, 814 die Regentschaft,
wobei sein ältester Sohn Lothar I. im Jahre 817 Mitkaiser wurde. Nach
dem Tode Ludwigs (840) entspann sich ein Bruderkrieg zwischen
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Sohn Ludw.d.Fr. ]
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Karte I: Nach dem Vertrag von Verdun 843
88
Ludwig, genannt der Deutsche, und Karl dem Kahlen gegen Lothar. Aber
bereits 843 kam es zum Vertrag von Verdun (s. Karte I). Nach diesem
Vertrag erhielt Ludwig II., der Deutsche, (805-876) Ostfranken, Karl II.,
der Kahle, (823-877) Westfranken und Lothar I. (795-855) Italien und
einen Landstreifen bis nach Friesland (Lotharingien, nicht zu verwechseln
mit dem heutigen Lothringen) (2).
Lothar I., der 855 im Kloster Prüm starb und auch dort beigesetzt
wurde, teilte das Mittelreich unter seine beiden Söhne Ludwig II. und
Karl. Nach dem Tode des Letzteren i. J. 863 erbte Lothar II. auch Teile
Burgunds. Lothar seinerseits starb auf der Rückreise von Italien i. J. 869.
Inzwischen hatte es erste kriegerische Auseinandersetzungen zwischen
Ludwig dem Deutschen und Karl dem Kahlen gegeben. Im ersten deutsch-
französischen Krieg (858-860) vertrieb zunächst Ludwig seinen Bruder
Karl aus dessen Reich, aber mit Hilfe seiner entfernten welfischen
Verwandten gelang es Letzterem, Ludwig wieder zu verjagen.
Schließlich kam es im Jahre 870 zum Vertrag von Meerssen (s. Karte
II): Ludwig der Deutsche erzwang von Karl dem Kahlen die Herausgabe
der „deutschen“ Teile Lotharingiens, die dieser sich nach dem Tode Lothars
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Karte II: Nach dem Vertrag von Meerssen 870
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KARLMANN II.
KARL III., Burgund
Enkel Karls
des Kahlen KARLMANN,
Sohn Ludwig!
FRANKREICH Nieder: d.Dgutschen
TALIEN
Karte III: Nach dem Vertrag von Ribemont 880
II. (825-869) angeeignet hatte. Die Flüsse Maas, Saöne und Rhöne bildeten
nunmehr die Grenze zwischen Deutschland und Frankreich, womit die
Trennung der nationalen Königtümer endgültig wurde (3). Lothars Sohn
Ludwig II. (+ 875) regierte nur noch im Königreich Italien. Der Vertrag
von Meerssen nahm auf die Sprachengrenzen keine Rücksicht (4).
Nach diesem Vertrag wurde die 843 geschaffene Westgrenze
Lotharingiens im nördlichen Bereich zur neuen deutsch-französischen
Grenze und das östliche Gebiet Ludwig III., dem Sohn Ludwigs des
Deutschen, zugesprochen (6).
Die Grenze, die noch westlich von Städten wie Cambrai, Verdun und
Toul verlief, wirkte sich für die französisch sprechende Bevölkerung
nachteilig aus, kamen doch dadurch viele Westfranken (Franzosen) zum
deutschen Reich. Diese Grenzziehung blieb während des ganzen
Mittelalters bestehen (7).
Durch den Vertrag von Ribemont (a. d. Oise), 880, erhielten die Enkel
Karls des Kahlen, Ludwig III., Karlmann II. und Karl II. - sie trugen
dieselben Namen wie die Söhne Ludwigs des Deutschen — Westfranken
(Frankreich), während der Sohn Ludwigs des Deutschen, Ludwig III.,
90
genannt der Jüngere, den Westen Lothringens erhielt. Italien ging an
dessen Bruder Karlmann und Nieder-Burgund wurde ein selbständiges
Königreich.
Aus den vorstehenden Ausführungen kann man ersehen, dass Aachen
im Mittelalter keine Grenzstadt war, wenn man einmal von der Grenze
zum Herzogtum Limburg, das ja auch zum Heiligen Römischen Reich
gehörte, absieht. Die Grenze zum Herzogtum Limburg wurde im Jahre
1555 zur internen Grenze zwischen den spanischen Niederlanden und
dem habsburgisch-deutschen Reich, als Kaiser Karl V. sein Gesamtreich
unter seinen Sohn Philipp II. und seinen Bruder Ferdinand I. aufteilte
(8).
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Die Basilika von Meerssen (14. Jh.)
1
Zur eigentlichen nationalen Grenzstadt wurde Aachen erst durch den
sog. Partagevertrag von 1661, durch den die Dreibank Vaals, die vorher
zum Land Herzogenrath gehört hatte, den Generalstaaten zugesprochen
wurde (9).
Es erhebt sich die Frage, wieso die Dreibank Vaals-Vijlen-Holset, die
ja sicherlich einmal Bestandteil des Aachener Königsgutes war, nicht
zum nahen Aachen, sondern zum Land Herzogenrath gehört hat. Hier
kann man nur vermuten, dass die Aachener im 11. Jh. einen Grenzturm,
den späteren Vaalser Kirchturm, errichteten und dadurch eine Begrenzung
und einen westlichen Freiraum schufen, den der Herzog von Limburg zu
nutzen wusste, zumal im Jahre 1137 das Land Herzogenrath durch Heirat
ohnehin dem Herzogtum Limburg einverleibt wurde.
Anmerkungen
1) Weltgeschichte A bis Z, Fackelverlag 1969, S. 850
2) Zentner, Ch., Geschichtsführer, München 1980, S. 144
3) Schilling, Heimar, Geschichte für Alle, Braunschweig 1940, S. 318 ff.
4) Zentner, a.a.O. S. 319
5) Schilling, S. 319
6) Weltgeschichte, S. 1084
7) Zentner, S. 144 S
8) Im Göhltal, Nr. 62/1998, S. 52
9) Ebenda S. 58
Die Grenzen in den Karten wurden nach Putzger, Historischer Weltatlas, Berlin-
Bielefeld 1969, S. 43, eingezeichnet.
Das Foto der Basilika zu Meerssen stammt aus: Bertha, A., Geschützte Denkmäler und
Landschaften an Iter, Göhl und Gülpe, Kelmis 1994, S. 107.
92
Das Testament des Hergenrather Notars
Peter Joseph Hennen
von Alfred Bertha
"Am 2. November 1852 starb zu Eupen der Königliche Notar Herr
Peter Joseph Hennen, Ritter des Rothen-Adler-Ordens 4. Klasse, geboren
zu Hergenrath am 8. Mai 1766 (Bruder des am 31. October 1791 am
Orte Bildchen von einem österreichischen Husaren durch einen
Dolchstich ums Leben gebrachten Pastors von Hergenrath, Hrn Johann
Hennen).-Fortleben und in Segen wird der Name dieses Wohltäters in
seinem Geburts-Orte Hergenrath bleiben, wo er die Armen mit 500
Thalern und die Gemeinde mit 1000 Thalern zur Deckung der durch den
Bau der neuen Kirche entstandenen Schuld letztwillig beschenkte."
Mit vorstehenden Worten erinnert der Schreiber der Hergenrather
Gemeindechronik an die letztwilligen Verfügungen des aus Hergenrath
stammenden Notars Peter Joseph Hennen, so wie derselbe sie in seinem
nur knapp zwei Monate vor seinem Tode abgefassten Testamente
niedergelegt hatte.
Peter Joseph Hennen entstammte einer alten Hergenrather Familie,
die uns schon zu Beginn des 18. Jh. begegnet und auf dem Gut "Vauer"
(heute Erwin Barth-Creutz) wohnte. Peter Joseph war das jüngste Kind
der Eheleute Heinrich Hennen und Anna Elisabeth Keutgen. Der Vater
war lange Jahre Einnehmer in Hergenrath. Der 1757 geborene ältere
Bruder Johann wurde Geistlicher. Er starb, wie in der Chronik erwähnt,
eines gewaltsamen Todes. Eine Schwester, Maria Catharina, geboren
1762, heiratete Johann Ägidius Dahlen aus Welkenraedt. Eine weitere
Schwester, Anna Margaretha, schloss den Ehebund mit Johann Kittel,
dem Großvater des späteren Hergenrather Bürgermeisters Johann Peter
Kittel (1830 - 1889).
Der Notar Peter Joseph Hennen studierte erst in Aachen und hat danach
vermutlich die Universität Löwen besucht. Dadurch besaß er gute
Kenntnisse in Deutsch, Französisch und Niederländisch. 1794 ist er als
Notar in Eupen belegt, wo er sein Amt über mehr als 55 Jahre ausübte
und 1852 im hohen Alter von 86 Jahren starb. Sein eigenhändig
geschriebenes Testament, dessen uns vorliegende Abschrift mit
Anmerkungen und Zusätzen versehen wurde, hat folgenden Wortlaut:
93
Im Namen meines Gottes, des Schöpfers Himmels und der Erde.
Ewiger Vater, durch deine unendliche Barmherzigkeit erbarme dich
meiner Seele und verzeihe mir meine Sünden.
Ich, Peter Joseph Hennen, Notar zu Eupen, will, daß außer den unten
näher bezeichneten Legaten
1. meine nächsten Verwandten, nämlich meine Intestaterben, zwei Drittel
meines Nachlasses erben sollen,
2. die Kinder von Peter Joseph Horn und Wilhelm Scheiff ihre Mutter
Johanna Maria Delhaes und die beiden Töchter des verstorbenen Heinrich
Scheiff ihren Vater repräsentiren.
Ich will ferner, daß der Vater Peter Joseph Horn von den Antheilen, wel-
che seinen Kindern zufallen, auf Lebenszeit die Nutznießung haben soll,
ohne gehalten zu sein Caution zu leisten
3. das restirende Drittel meines Nachlasses sollen die nächsten
Verwandten (nämlich) meiner verstorbenen Frau Maria Petronella
Delhaes, nämlich deren Intestaterben, erhalten, mit Ausschluß ihrer drei
Brüder Gregor, Arnold und Nicolas, weil meine genannten drei Schwäger
als Verwandte mütterlicher Seite meine Tochter Maria Johanna Isabella
schon ausschließlich beerbt haben; indessen soll jeder dieser drei von
den Theilen, welche den anderen Gliedern dieser Linie zufallen, noch
die Summe von dreihundert Thalern vorab erhalten.
Ich will, daß die Tochter von Liebmann auch ihre Mutter Josephine
Gielen repräsentiren soll, aber nur für ein Fünftel, weil sie keine
Nachkommen (kann auch heißen:Kinder) hat
Randbemerkung: 2tes Testament: «dieser Satz fehlt.»
Gustav Liebmann soll seine verstorbene Mutter Josephine für ein
Zehntel repräsentiren; die übrigen neun Zehntel sollen mit den Theilen
der anderen Erben dieser Linie wieder vereinigt und eingeschlossen
werden.
Ich will, daß durch dieses Testament die Repräsentation ins Unendliche
Statt finde.
Ich gebe und vermache dem Notar - meinem Nachfolger - ohne
Entschädigung alle Minütte meiner Akte, die ich besitze, ebenso meine
wenigen Bücher, einige Memoire und das Archiv, d. h. die Stücke, die
sich vom Archive bei mir vorfinden.
Aus dem Kapitale von zwei tausend Thalern, welche mir Johann Jakob
und sein Sohn Johann Hubert Pesch verschulden, gebe und vermache
ich den Anstalten Eupens nämlich
94
1. dem Hospital fünf hundert Thaler Th 500
2. der Armenverwaltung fünfhundert Thlr Th 500
3. dem Waisenhause noch Th 500
4. dem genannten Hause zur Unterhaltung alter Armen Th 500
Th 2000
Im Falle, daß dieses Kapital oder ein Theil dieses Kapitals von zwei
tausend Thalern während meines Lebens zurückbezahlt würde, sollen
meine Erben gehalten sein, die Summe, die daran fehlen möchte, um es
vollständig zu machen, hinzuzulegen.
Ich gebe und vermache der Armenverwaltung zu Hergenrath,
meinem Geburtsorte, wo mein Bruder Pfarrer war, eine Summe von
fünfhundert Thalern.
Ich gebe und vermache der Kirche zu Hergenrath eine Summe
von tausend Thalern unter der Bedingung für dieselbe, um damit
theilweise die Kosten zu decken, welche die Gemeinde durch das
Bauen der neuen Kirche gehabt hat.
Weil ich bemerke, daß seit meiner ersten Krankheit besonders das
Gedächtnis mir nicht mehr ganz treu ist, und daß in den von mir selbst
und sogar in den von meinen Schreibern abgefaßten Akten, so wie in
den von mir aufgenommenen Testamenten sich gravirende Irrtümer
eingeschlichen haben, selbst Nullitäten begangen worden sein können,
Nullitäten hin und wieder, ohne daß sie damals wahrgenommen worden
sind: so will ich ausdrücklich, daß meine Erben, nachdem sie sich bei
Rechtsgelehrten, die als geschickte und rechtschaffene Männer bekannt
sind, Rath geholt haben, alle Verluste und allen für die Betheiligten daraus |
entstandenen erheblichen Schaden, so wie alle dadurch verursachten
Kosten ganz tragen.
Anmerkung:"2. Testament: Alle Verluste u. allen erheblichen Schaden
ganz tragen."
Ich will ferner, daß mein Neffe Johann Peter Scheiff von Clermont
seine beiden Nichten, die Töchter des verstorbenen Heinrich, bis zu deren
Großjährigkeit in allem repräsentire: er ist folglich befugt, alles Mobilar
und Immobilar, das seinen Mündeln gehört, zu verkaufen und zu
vertauschen, die Kaufsumme vom Immobilar zu empfangen, so wie auf
deren Namen in die Löschung aller Einschreibungen zu willigen,
desgleichen alle beweglichen Summen in Empfang zu nehmen.
95
Was die Hauptsummen betrifft, die den Mündeln zufallen werden, so
darf der Vormund diese vor deren Großjährigkeit nicht aus Händen geben,
beziehungsweise darf er es nur, um sie anständig auszusteuern;
Anmerkung: im Nachtrag steht: "falls sie heirathen"
Was aber die Zinsen und Einkünfte betrifft, so kann der Vormund vor
ihrer Großjährigkeit zu ihrem Vortheil nach Belieben darüber
verfügen,wohlverstanden: zu ihrem Unterhalte und zu ihrer Erziehung.
Anmerkung:"2. Testament: so kann der Vormund vorher darüber
verfügen”.
Alle oben genannten Legate können erst nach dem Verkaufe meiner
Immobilien und nach dem Eingange der Kaufschillinge eingefordert
werden; die Zinsen sollen indessen von meinem Todestage zu laufen
anfangen und fünf vom Hundert betragen, ohne Vorbehalt,
wohlverstanden von den Legaten.
Anmerkung: "wohlverstanden von den Legaten" fehlt im 2. Testament.
Alle Immobilien sollen so schnell als möglich verkauft werden; in
keinem Falle darf von meinem Todestage an gerechnet der Zeitraum von
zwei Jahren überschritten werden.
Ich hinterlasse der Witwe von Wilhelm Joseph Egyptien, Sohn
Anmerkung: Hier schließt das zweite Testament.
von Johann Heinrich, eine jährliche und lebenslängliche Rente von
dreißig Thalern, welche zum ersten Male vierzehn Tage nach meinem
Tode, ich will sagen: vier Wochen nach meinem Hinscheiden, ausbezahlt
werden soll.
Was die Josephine Liebmann betrifft, so will ich, damit kein Zweifel
übrig bleibe, daß die vier Fünftel der Schuld /kann auch ein anderes
Wort sein/auf demselben Fuße, wie für den Theil von Liebmann zum
Vortheile der übrigen Geschwister verbleiben soll.
Geschrieben und unterzeichnet mit eigener Hand in meiner Wohnung
zu Eupen den achten September ein tausend acht hundert zwei und
fünfzig.
gez. P. J. Hennen
96
Anmerkung: Hier folgt eine zweite Abschrift beginnend bei "Ich gebe
und vermache dem Notar" bis "fünf vom Hundert ohne Vorbehalt".
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| IJefus! Maria! Yofeph! Nicolaus! ||
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4 Peter Jofeph Hennen, |
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Ä Wittwer von Maria Petronella Delhaes, )
7 Königliden Notar zu Eupen, |
I Mirter des rothen Adlerordens 4. Klaffe, |
| welcher zu Eupen, am 2. November 1852, Nachts um 2 |
m Or, öfters verfehen mit den Heilsmitteln der Fatholifhen IM
f Kirche, im 87. Jahre feines Alters, fanft und gottfelig l
F} im Derrn entfchlief, \
I Freunde und Bekannte rühmen den Verblidhenen als |
Il einen verbienftvollen Biedermann, der nach beften Kräften |
il Gutes gewirkt hat in dem Berufe, worein ihn die Fürfes If
| hung gefeßt Hatte, Viele, denen er durch Rath und That hl
, ein bereitwilliger Helfer war, werden nod) lange fein Hine M
if! fceiden bedauern, Sr wird in gutem Andenken bkeiben bei fi
N fo vielen Dürftigen, beren Elend er erleichterte, und die IM
4 ; er mit liebender Hand unterftüßte. Fortleben und in See Il
8 gen bleiben wird fein Andenken bei unferer ganzen Ger Ha
li meinde, deren öffentliche WohHlthätigkeits-Anftalten er reich: I
| Vic in feinem Teftamente bedachte. Fortleben und in Ser 8.
Wl gen bleiben wird fein Namen auch in Hergenrath, feinem A
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ı Geburtsorte, wo er Kirche und Armen Leßtwillig befchenkte, (
Ri Möge darum der Herr das Gute, was er hier auf Erben FM
il. geübt, ihm dort mit Himmlifdjen Freuden vergelten und
M ihm vergönnen, Den von Angefidht zu Angeficht zu fhauen, ;
Gl an Den er Hier geglaubt, auf Den er hir gehofft, und MM
| Dem er hier in Liebe gedient hat! V
|} Er ruhe im Frieden! I
Totenzettel des Notars P. J. Hennen
97
Abschließend steht als "Codicil":
Ich Unterzeichneter Peter Joseph Hennen, Notar zu Eupen, lasse und
vermache dem Johann Peter Peters, Witwer von Barbara Hopp von
Kettenis ein Vermächtnis betragend fünfzig Thaler, zahlbar gleich nach
meinem Tode.
Eupen den 27. Juni 1852
gez. P. J. Hennen
Ich unterzeichneter Peter Joseph Hennen, Notar zu Eupen, lasse und
vermache dem Johann Tillmann Homburg von Matzelheide ein
Vermächtnis von fünfzig Thalern zahlbar gleich nach meinem Sterbetage.
Eupen, den 22. September 1852
gez. P. J. Hennen
Anmerkungen
Das Testament liegt vor in einer für P. J. Kittel verfertigten Abschrift
(Privatarchiv).
Weniger als zwei Monate nach der Niederschrift seines letzten Willens
starb Peter Joseph Hennen "sanft und gottselig".
Der Totenzettel des Verstorbenen rühmt denselben als "einen
verdienstvollen Biedermann, der nach besten Kräften Gutes gewirkt hat
in dem Berufe, worin ihn die Fürsehung gesetzt hatte". Sein Andenken
werde weiterleben bei vielen, denen er durch Rat und Tat geholfen habe;
bei vielen Bedürftigen, deren Elend er erleichtert und die er mit liebender
Hand unterstützt habe; bei der ganzen Gemeinde, deren öffentliche
Wohltätigkeitsanstalten er reichlich in seinem Testament bedacht habe.
Und auch in Hergenrath, "seinem Geburtsorte, wo er Kirche und Armen
letztwillig beschenkte", werde sein Namen "fortleben und in Segen
bleiben".
98
Uber einen verschwundenen Grenzstein
WALHORN - EYNATTEN
von Albert Creutz
Wenn man von Walhorn aus über den Johberg in Richtung Eynatten
geht, befindet sich an der linken Seite, etwa 600 Meter vor der
Abzweigung zweier Feldwege, ein kleiner Wald, an dessen Ausläufer
sich eine Waldschneise nach Nordwesten hinunterschlängelt. Auf alten
Flurkarten wird der Johberg als «Gauwenberch/Gauwesberch am Vorst
bei Walhorn» bezeichnet. Diesem Waldweg folgen wir etwa 200 m, bis
zu der Stelle, wo der Waldsaum in einem scharfen Rechtsknick nach
Nordosten abdreht. Dieser von Wald und Wiese gebildete Winkel war
seit jeher ein markanter Grenzpunkt zwischen Walhorn und Eynatten.
Hier bemerkt man, rechts, fest in den Boden eingelassen, einen kleinen
kubischen Stein von 29 cm Kantenlänge. Er ist auf der Rückseite etwas
beschädigt, aber es sind restliche Spuren der Inschrift (.).4 3. vorhanden.
Auf der Vorderseite trägt er die Inschrift W. 3. Vermutlich befand sich an
der hinten links abgesplitterten Ecke der Buchstabe E für Eynatten.
Dort stand bis ca. 1988 in 2 m Entfernung zusätzlich ein alter
Grenzstein mit der Inschrift WALHOREN auf der Vorderseite, und
ENENTEN auf der Rückseite. Dieser Grenzstein stand fest im
Waldboden, nur etwas nach links eingesunken.
Die beiden Aufnahmen auf der gegenüber stehenden Seite erhielt ich
freundlicherweise von dem Eynattener Einwohner Erich Barth, der den
Stein beidseitig vor etwa 15 Jahren fotografiert hat. Er zeigte mir ebenfalls
die Stelle, wo der Grenzstein gestanden hat. Dieser Standort wurde mir
auch durch den Anlieger Erhard Rössler bestätigt.
Es kann leider nur vermutet werden, dass jemand diesen: alten
Grenzstein ausgegraben, mitgenommen und vielleicht verkauft oder in
seinem Garten aufgestellt hat.
Ich habe nun den früheren Standort des Steines auf einem Foto
festgehalten. Er befand sich ungefähr einen Meter von der Wiesenecke
des Eynattener Gutes „Kerresbusch“ und fünf Meter links von einer heute
etwa hundertjährigen Eiche entfernt.
99
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Die beiden Aufnahmen zeigen Vorder- und Rückseite
des verschwundenen Grenzsteines.
(Foto Erich Barth, ca. 1986)
100
Da beide Gemeinden auf dem Stein vermerkt sind, handelt es sich
eindeutig um einen alten Grenzstein, welcher die Grenze zwischen
Walhorn und Eynatten festlegte und der somit nicht ohne heimatkundliche
Bedeutung war.
Die «Herrlichkeit» Eynatten wurde zur selbständigen Herrschaft, als
der spanische König Philipp IV. dieselbe am 17.03.1651 an den Eynattener
Schlossherrn Arnold Huyn von Amstenraedt verkaufte. Dadurch wurde
Eynatten selbständig und löste sich von der Bank Walhorn ab. (Siehe
hierzu: Am&d&e de Ryckel im Bulletin de la Societe d’Art et d’Histoire
du Diocö&se de Li&ge, tome IX, Liege 1895, S. 424.
Infolgedessen dürfte dieser Grenzstein zwischen Walhorn und Eynatten
um diese Zeit entstanden sein. Die plattdeutsche „brabantische‘““
Eingravierung deutet ebenfalls auf die damalige Zeit hin.
Auf dem folgenden Lichtbild ist die Stelle, wo der verschwundene
Grenzstein gestanden hat, durch einen weißen Stock gekennzeichnet.
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Der Stein W(alhorn ) 3 - (Eynatten) 4 3 im Winkel von Gut Kerresbusch und
Gemeindewald. Rechts die im Text erwähnte Eiche, links der weiße Stock.
101
1946 - 1999
Das Heidkopfkreuz von Kelmis
von Joseph Hennes
Für Kelmis sollte der 27. Oktober 1946 zu einem unvergesslichen Tag
werden, feierte doch ein Sohn der Pfarre Kelmis, Jacques Pirson, unter
Beteiligung der kirchlichen und weltlichen Obrigkeiten, der Ortsvereine
und der gesamten Einwohnerschaft, seine erste hl. Messe in der
Pfarrkirche seines Geburtsortes.
Nach der kirchlichen Feier wurden dem Primizianten im Kreise seiner
Familie im Pfarrsaal der Patronage in Festreden, Gedichten etc. die
Glückwünsche der Bevölkerung überbracht. Und am Nachmittag
desselben Tages fand die Segnung des sog. Heidkopfkreuzes statt. Damit
wären wir beim Thema.
Das Kriegsende, die Befreiung vom Hitlerjoch am 12. September 1944,
brachte nicht nur Freude und Jubel, sondern auch viel Leid, Hass und
Not unter die Bevölkerung. Es brauchte lange, um etwas Ruhe und
Zuversicht in das tägliche Leben zu bringen. Die Pfarrgeistlichkeit, die
Mitglieder der JOC (CAJ) und die christliche Arbeiterbewegung halfen,
wo sie konnten, bei der Linderung der Not und versuchten vor allen
Dingen, wieder ein normales Alltagsleben, Arbeit und Ruhe, in die
Bevölkerung zu bringen.
Die christlichen Organisationen hatten sich zum Ziel gesetzt, ein
bleibendes Zeichen als Dank dafür zu setzen, dass Kelmis trotz seiner
Nähe zu Aachen und Montzen von schweren Kriegszerstörungen
verschont geblieben war.
Von den Eigentümern der Emmaburg, den Gebrüdern Nellessen,
erhielten sie die Erlaubnis, zwei große Fichten zu fällen. In der Sägerei
Laschet in Hergenrath wurden dieselben zurecht geschnitten und
anschließend zum Schreiner Nyssen in der Klosterstraße gebracht.
Herr Nyssen zimmerte sodann das große Heidkopfkreuz zusammen,
das am 27. Oktober 1946, auf einem Leiterwagen liegend und mit
Tannengrün und Rosen geschmückt, unter zahlreicher Beteiligung der
Bevölkerung, an den Fuß des Heidkopfes gebracht wurde. Von dort wurde
das Kreuz von etwa 25 bis 30 starken Männern, „Jocisten“ und anderen
Helfern, auf die Schultern genommen und bis zum höchsten Punkt des
Heidkopfs getragen. Es war wie ein Dankeskreuzweg, vor allem für die
Träger, die stolz waren, diese Tat vollbracht zu haben. Es bestehen leider
102
im Pfarrarchiv keine Aufzeichnungen über die Errichtung des Kreuzes,
doch es muss einige Mühe gekostet haben! Nach der Aufstellung segnete
Pastor Jos. Olbertz das Kreuz und übergab es der Bevölkerung als nie zu
vergessendes Zeichen für Gottes Hilfe in der Not.
Der Präsident der „Jocisten‘“, Willy Schyns, wies in einer Ansprache
auf die historische Bedeutung des Kreuzes hin und äußerte den Wunsch,
dass der Herrgott auch weiterhin seine Hände über Kelmis halten möge.
Im Saal der Patronage fand abends noch eine große Christkönigsfeier
statt, untermalt mit vielen Reden, Sketchen und anderen Einlagen. Bei
dieser Gelegenheit wurde beschlossen, das Heidkopfkreuz in Ehren zu
halten und jährlich am Christkönigsfest eine Dankmesse am Fuße des
Kreuzes zu feiern. s
Bis zum Jahre 1972 ist dies auch alljährlich unter großer Beteiligung
der Bevölkerung geschehen. Dann trat Pastor Olbertz in den
wohlverdienten Ruhestand. Ihm folgte Pastor Voncken, der aber
anscheinend wenig Wert auf alte Traditionen legte, womit die Prozession
zum Heidkopfkreuz in Vergessenheit geriet... 1977 wurde Pastor Voncken
zum Dechant von Montzen ernannt und zur dortigen Dekanatskirche
versetzt.
Die vakante Pfarrstelle in Kelmis wurde von Pastor E. Altdorf neu
besetzt. Aber der Pfarrerwechsel führte nicht zu einer Wiederaufnahme
der Heidkopfprozession. Da diese nicht in den Archiven der Pfarre
vermerkt stand, dürfte der neue Pfarrer auch nichts über das 1946
gegebene Versprechen gewusst haben.
Doch 1993 übernahm der Verkehrsverein die Initiative und bat den
Pfarrer, die alte Tradition wieder aufzunehmen, und zwar in Form einer
Lichterprozession. An alle Prozessionsteilnehmer wurden kostenlos
Kerzen verteilt.
Leider konnte das Datum des Christkönigsfestes nicht beibehalten
werden, da an diesem Tage die ersten karnevalistischen Sitzungen
stattfanden. So beschloss man, die Lichterprozession in Zukunft am ersten
Adventssonntag abzuhalten.
Seitdem zieht alljährlich an diesem Sonntag eine ansehnliche
Lichterprozession zum Heidkopf, wo eine vom Kirchenchor verschönerte
Messe gefeiert wird.
Der Verkehrsverein hatte das Kreuz mit einer Beleuchtung versehen.
Durch den ständig größer werdenden Baumwuchs wurden Kreuz und
Beleuchtung jedoch gleichermaßen verdeckt. Da mein Weg mich öfter
zum Heidkopf führte, tat es mir immer weh, zu sehen, dass das Kreuz im
103
Ort selbst nicht mehr zu sehen war und so mehr und mehr die Gefahr
bestand, dass es (wieder) vergessen werden könnte.
Einigen Anwohnern erklärte ich meine Sorge und ich sah, dass doch
verhältnismäßig viele Besucher zum Heidkopfkreuz gingen, vor allem
in der schönen Jahreszeit. Nach langem Nachdenken bat ich Herrn Egide
Sebastian um Rat und Hilfe. Das fast Unmögliche sollte möglich gemacht
werden. Nach nur drei Tagen Bedenkzeit teilte mir Herr Sebastian mit,
dass er Material aus rostfreiem Stahl für eine neues Kreuz bestellt habe.
Die Lieferung werde wohl nicht sofort erfolgen, weil es sich bei dem
Material um Rohrstücke von 40 cm Durchmesser handele, die eigens
dafür hergestellt würden. Die Kreuzeshöhe würde 20,16 m, die
Balkenlänge je 7 m betragen.
Das war Mitte März 1999. Nach drei Monaten wurde das bestellte
Material angeliefert und die Arbeiten konnten in Angriff genommen
werden.
Herr Joseph Vanloo opferte mehr als 100 Stunden, um das Kreuz
zusammen zu schweißen. Wie viele Stücke aneinander geschweißt werden
mussten, um die oben genannte Höhe von 20,16 m und die „Spannweite“
von 14 m zu erreichen, entzieht sich unserer Kenntnis. Herr Vanloo und
einige Helfer arbeiteten unentgeltlich.
Alsdann wurde ein Statiker zu Rate gezogen, um die Standfestigkeit
des Ganzen zu errechnen. Mit Betonblock wog das Kreuz mehr als 7
Tonnen und es sollte ja auch bei Windgeschwindigkeiten von 200 km/h
noch sicher stehen...
Eine 3 x 3 m große und 2,50 m tiefe Grube wurde ausgehoben, und
mit Verstrebungen in der Erde gesichert. In der Mitte wurde ein Stahlrohr
von 42 cm Durchmesser und 12 m Höhe einbetoniert. Diese Arbeit
übernahm kostenlos der Bauunternehmer Hans-Peter Bauens aus
Hergenrath. Nach 10 Tagen Trockenzeit war der Augenblick gekommen,
wo das Kreuz vom Fuß des Abhanges nach oben gehievt werden konnte.
Mit einem übergroßen Kranwagen mit einer Armlänge von 30 m war
die Firma Scheen aus Montzen am 16. Oktober 1999 angerückt und nach
fast fünfstündiger Arbeit stand das 2,4 Tonnen schwere Kreuz an dem
vorbereiteten Standort. Auch dieses Unternehmen verrichtete die Arbeiten
kostenlos unter den Augen vieler neugieriger Zuschauer, die sich
eingefunden hatten, um das einmalige Geschehen mit zu erleben.
Um das Kreuz an der Umrandung abzudichten und so jedes Eindringen
von Wasser zu verhindern, stellte Herr Charly Vondenhoff (gratis !) noch
zwei Flanschen her.
104
Blieb noch die Beleuchtungsfrage. Doch auch hier fand Herr Sebastian
in der Firma G. Gronsfeld einen großzügigen Sponsor. Gräben wurden
ausgehoben, kleine Traggerüste in die Erde einbetoniert und zwei
Scheinwerferpfosten montiert. Die nötigen Leitungen wurden fest isoliert
und verlegt. Der Kranz des Kreuzes wurde 100% abgedichtet und die
Anlage mit Erlaubnis der Gemeinde ans Netz angeschlossen. Am 3.
November 1999 erstrahlte zum ersten Male das Kreuz auf dem Heidkopf,
vielerorts in Kelmis gut sichtbar.
Ich glaube sagen zu dürfen, dass, so wie 1946 zur Errichtung des ersten
Kreuzes auf dem Heidkopf ein großer geistiger Zusammenhalt in der
Bevölkerung zu spüren war, auch jetzt alle Spender, Arbeiter und Helfer
das neue Kreuz mit der gleichen Hingabe an Gott im Sinne unseres
Glaubens angefertigt haben.
Möge das alte Kreuz weiterhin seinen Standort behalten, bis die Natur
sich seiner bemächtigt und es dem Verfall preisgibt, und möge dieselbe
Symbolik auf das neue Kreuz übertragen werden: Gott behüte und
beschütze Kelmis vor allem Ungemach! Jetzt strahlt das Kreuz von überall
sichtbar hoch über Kelmis. Möge es die Herzen so anziehen, wie bei der
Aufstellung des ersten Kreuzes gelobt, und möge jeder, der in Not ein
Stoßgebet zum Kreuz sendet, gesegnet und erhört werden.
Doch ehe ich diesen Bericht schließe, möchte ich noch einmal die
aufführen, die zum großen Gelingen beigetragen haben:
Herr Egide Sebastian, Stifter aller Materialien und Organisator;
Herr Joseph Vanloo, unermüdlicher Schweißer;
Das Unternehmen Hans-Peter Bauens goss die Fundamente;
Herr Charly Vondenhoff stiftete die Stahlflanschen zum Halt des
Kreuzes;
Das Unternehmen Scheen brachte mit seinem Kran das Kreuz in
Stellung;
Die Firma Gronsfeld spendete die großartige Beleuchtung;
Herr Erich Meesters war ein unermüdlicher Handlanger;
Herr Fritz Demonthy besorgte mir aus dem Zeitungsarchiv im Göhltal-
museum die Einzelheiten zur Kreuzerrichtung 1946;
Herr Bürgermeister und Europa-Abgeordneter Mathieu Grosch;
Die Schöffen Hermann Lausberg, Henri Beckers, Jos& Rotheudt und
Joseph Barth erteilten die nötigen Genehmigungen zur Errichtung des
Kreuzes und zum Anschluss der Beleuchtung an das öffentliche
Stromnetz;
Herr Pastor Erich Altdorf, Pfarrer von Kelmis seit 1977;
Herr Pastor i. R. Jacques Pirson, Primiziant am 27.10.1946.