Im Göhltal
ZEITSCHRIFT DER VEREINIGUNG
FÜR
KULTUR, HEIMATKUNDE UND GESCHICHTE
IM GÖHLTAL
Nr 59
August 1996
Veröffentlicht mit der Unterstützung des Kulturamtes der
deutschsprachigen Gemeinschaft
Vorsitzender: Herbert Lennertz, Stadionstraße 3, 4721 Neu-Moresnet.
Sekretariat: Maxstraße 9, 4721 Neu-Moresnet, Tel. 087/65.75.04.
Lektor: Alfred Bertha, Bahnhofstraße 33, 4728 Hergenrath.
Kassierer: Alfred Bertha, Bahnhofstraße 33, 4728 Hergenrath.
Postscheckkonto Nr. 000-0191053-60.
Generale de Banque: 248-0068875-35
Konto NL: AMRO-BANK: 46.37.00.090 Vaals/L
Konto BRD: Aachener Bank: 821 363 012 (BLZ 390 601 80)
Die Beiträge verpflichten nur die Verfasser.
Alle Rechte vorbehalten
Entwurf des Titelblattes: Alfred Jansen, Moresnet-Kapelle.
Druck.: Hubert Aldenhoff, Gemmenich.
3
INHALTSVERZEICHNIS
Alfred Jansen, Zum Umschlagbild 5
Moresnet-Kapelle
Dr. Nikolaus Schmitz, Galmei und Schalenblende aus 8
Aachen dem Moresneter Grubenfeld
Jakob Langohr Enn oss Kösche dong sech jett! 30
Bildchen
Alfred Bertha, Von Schengen bis Mook 33
Hergenrath
H. v. Schwartzenberg, Haus Bergscheid in Raeren 63
Aachen
Erich Kockartz, Os Hosend ajen Jöhl ZI
Hauset
Alfred Bertha, Vor 50 Jahren: Senator Baltus 80
Hergenrath interpelliert die Regierung
H. v. Schwartzenberg, Woher hat der Königswald 102
Aachen seinen Namen?
Der Vorstand In Memoriam Freddy Nijns 112
5
Zum Umschlagbild *
Das Titelblatt unserer Zeitschrift ziert diesmal eines der
schönsten Bauwerke des Göhltales, die Eyneburg in Hergenrath.
Es ist nicht allein das mittelalterliche Aussehen der Burg, das die
Landschaft prägt, nein, im Zusammenspiel mit dem Göhlbach und
den schroffen Felsformationen hat die Natur hier einen idyllisch-
romantischen Bereich erstehen lassen, der seinesgleichen sucht.
Daß der Gebäudekomplex im Volksmund "Emmaburg" genannt
wird, geht auf eine Legende zurück, der zufolge eine Tochter Karls
des Großen, Emma, zeitweilig dort gelebt haben soll. Dieser
historisch nicht haltbare Zusammenhang wurde aber erst im 19.
Jh. hergestellt.
Die Geschichte überliefert uns, daß um 1260 die Burg im Besitz
eines Rittergeschlechtes war, das uns an St. Servatius in Maas-
tricht mit dem Kanoniker Theoderich von Eyneberghe erscheint.
Der Name derer von Eyneberg begegnet uns weiter mit Her-
mann, Gerard, Wilhelm und Daniel von Eyneberg. 1371 geht die
Burg an die Enkelin des Gerard von Eyneberg über, die Daem van
den Bongaert ehelicht, dessen Tochter Bela den ritterlichen Sitz
1430 in ihre Ehe mit Arnold von Tzevel einbringt.
1523 heiratet Johanna von Tzevel den Freiherrn Johann von
Donraedt genannt Dobbelstein. Die Familie von Dobbelstein bleibt
sodann im Besitz der Burg bis gegen Ende des Ancien REgime. In
der Reihenfolge liest sich das folgendermaßen:
Arnold von Dobbelstein, verh. mit N. de Maschereel;
Johann von Dobbelstein, verh. mit Odilie von Bertolf von Belven
(512);
Johann von Dobbelstein, verh. mit Anna von Tzevel (1559);
Thierry von Dobbelstein, verh. mit Margarethe von Horion
(1579);
Johann von Dobbelstein, verh. mit Helwige von Horion (1631);
Letztgenannter hat die Burg, die 1640 durch einen Großbrand
zerstört wurde, wiedererrichten lassen.
Johann Lambert von Dobbelstein, verh. mit Marie Sidonie von
Ouren von Tavigny (1673);
%
Im 19. Jh. wechseln die Besitzer mehrfach. 1809 verkaufen die
Erben Turbet die Eyneburg an den Lütticher Bankier Gerard
Nagelmackers; von diesem erwirbt sie 1836 der Freiherr Florent
von Thiriart zu Mützhagen, der sich nun " zu Mützhagen und
Eyneburg" nannte.
Der Freiherr von Mützhagen hatte keine direkten Nachkommen;
so ging sein gesamtes Vermögen - mehrere hundert ha - an seinen
Großneffen, den Baron de la Rousseli&re-Clouard, und 1897 durch
Kauf an den Aachener Industriellen Theodor Nellessen, der den
heruntergekommenen Bau unter Wahrung mittelalterlicher
Bauformen einem weitgehenden Umbau unterzog. Für diese
Arbeiten, die sich bis 1900/1901 hinzogen, hatte Nellessen den
bekannten Straßburger Dombaumeister Ludwig Arntz gewinnen
können, der es verstanden hat, das imposante Bauwerk so
umzugestalten, daß keine Stilbrüche das Schönheitsempfinden
verletzen. Für die neugotische Kapelle zeichnete der Aachener
Architekt Johannes Richter verantwortlich.
Die Familie Nellessen trennte sich 1958 von der Burg und den
umliegenden Ländereien, die durch Kauf an die Hergenrather
Kalkwerke A.G. übergingen, während das Mobiliar im
Auktionshaus Lempertz in Köln zur Versteigerung kam.
Literatur
Quix, Ch., Beiträge zu einer historisch-topographischen
Beschreibung des Kreises Eupen, Aachen 1837, S. 208-218
Reiners, H. und Neu, H, Die Kunstdenkmäler von Eupen-
Malmedy, Verlag Schwann, Düsseldorf, 1935, S. 125 ff. Das.
weitere Literaturangaben.
Grimme, G., Die Eyneburg in " Aachener Kur- und Verkehrs-
zeitung", 14.11.1937
Kelmis/Hergenrath in "Le Patrimoine Monumental de la Belgi-
que", Wallonie 12/2, Vlg. Mardaga, Lüttich, 1984, S. 539-541.
Wodon, B., Hergenrath, in "Le grand livre des chäteaux de Bel-
gique" (Hrsg. L.-F. Genicot), Bd. 1: Chäteaux-forts et chäteaux-
fermes, Bruxelles 1975, S. 147.
Dauber, R., Die Eyneburg bei Hergenrath in Maisons d'Hier et
d'Aujourd'hui, Nr. 75, 1987, S. 26-39
Bertha, A., Geschützte Denkmäler an Iter, Göhl und Gülpe,
Göhltalvereinigung Kelmis, 1994, S. 84-86.
8
Galmei und Schalenblende
aus dem "'Altenberger'' Grubenfeld
Montangeologie und Bergbautechnik im Überblick (Teil 3)*
von Dr. Nikolaus Schmitz
Der Erzabbau am "Altenberg" wurde zwar - wie bereits
dargestellt - traditionell über Jahrhunderte hinweg im Tagebau
betrieben, jedoch gab es auch immer wieder Zeitabschnitte, in de-
nen die Gewinnung im Untertage-Betrieb erfolgte, der dann mit
der Erschöpfung des Nord-Lagers um die Mitte des vorigen *
Jahrhunderts ausschließlich - auch auf den späteren VM-Gruben -
zur Anwendung kam ®.
Die bislang ersten Hinweise auf einen geplanten (allerdings erst
später realisierten) Untertage-Betrieb datieren aus dem Jahre 1682
und eine erste, nicht sehr ergiebige Beschreibung der durch
Faulquin Fiebus, den damaligen technischen Direktor am
"Altenberg", vorgeschlagenen Abbaumethode aus 1694. Aus der
sehr lesenswerten Darstellung von PAUQUET (1970) über die
geradezu intriganten Auseinandersetzungen zwischen den
herzoglich-limburgischen Beamten der Rechnungskammer und
dem neu bestallten Grubendirektor Fiebus ist zu entnehmen, daß
letzterer einen untertägigen Galmeiabbau ("fondinis") dem seit
jeher praktizierten Übertage-Verfahren ("sub dio) den Vorzug gab
und diesen auch einführen wollte.- und das gegen den erklärten
Willen der genannten herzoglichen Rechnungsbeamten.
° Die Idee von Fiebus war höchstwahrscheinlich, den seit jeher
im Gangerzbergbau üblichen Firstenbau einzusetzen, und zwar
unter einem Haspelschacht (s. Abb. 20/21). Dabei würde, an der
Schachtsohle beginnend, der Erzkörper in einer ersten vertikalen
Scheibe allmählich von unten nach oben abgebaut. Diesem nach
oben gerichteten Abbau würde synchron ebenfalls von unten nach
oben die Verfüllung des so entstandenen Abbau-Hohlraums mit
taubem Gestein ("Versatz") folgen. War auf diese Weise die
Erzscheibe bis zur Tagesoberfläche abgebaut, wurde die
benachbarte in Angriff genommen, wobei man in analoger Weise
* Teil 1 diesesAufsatzes ist erschienen in Nr. 55, (Aug. 1996), S. 51-68, Teil 2
in Nr. 56 (Febr. 1995), S. 12-42 dieser Zeitschrift.
9
vorging; dabei ließ man jedoch zwischen den beiden vertikalen
Abbauscheiben eine Scheibe als Sicherheitspfeiler zunächst
unabgebaut stehen. Dessen Erz gewann man erst später wie
beschrieben herein, allerdings mit Gewinnungsverlusten.
Jeder Abbau-Schacht sollte mit drei Bergleuten belegt werden:
einer teufte den Schacht, die anderen übernahmen die
Haspelförderung. Sobald der Schacht die geplante Teufe erreicht
hatte, mußten die Bergleute Abbau vor Ort und Haspelförderung
auf sich aufteilen.
Karl Ludwig von PÖLLNITZ ® reisefreudiger Hofmann
Friedrichs des Großen, schilderte 1737 anläßlich eines
Vergnügungsausfluges von Aachen zum "Altenberg" anschaulich
(und unfachmännisch) die dort vorgefundene Situation und
erwähnte "eine Art von tiefen Brunnen" (einen Schacht also), in
den die Bergleute an einem Seil hinabstiegen, untertage in
mehreren Stollen den Galmei abbauten und das "losgehackte
Galmeierz" mit Körben nach übertage förderten.
Ähnlichen Inhaltes ist ein Bericht aus dem Jahre 1767 von M.
JARS. Er erwähnt 6-7 runde Schächte von 3 Fuß Durchmesser
(ca. 0,9 m), die mit einem reifenförmigen Holzausbau ("cerceaux
de bois")“ gesichert waren. Über diese Schächte wurde das
hereingewonnene Galmeierz ebenfalls mit Körben herausgefördert.
Der erste Grubenriß (Plan und Profil) - durch MENNICKEN
1773 erst (!) nach über 400-jähriger Bergbaugeschichte des
"Altenberg" erstellt - liefert weitere Informationen zur damals
eingesetzten Montantechnik.
So war die Lagerstätte über insgesamt 11 Förderschächte und
einen zentralen Wasserhaltungsschacht erschlossen. Diese
Förderschächte mit Teufen zwischen 12 und 32 m waren jeweils
mit einem Handhaspel in einer Schachthütte ("Kaue") ausgestattet.
Über diese Häspel erfolgte neben der Erzförderung sicherlich auch
die Personen-Seilfahrt. Die dargestellten Häspel sind sehr einfach
konstruiert und entsprechen denen, die AGRICOLA als geeignet
für nicht zu tiefe Schächte beschrieb und die mit Hilfe von Kurbeln
("Haspelhörner") in Bewegung gesetzt wurden. Dabei ist die Mitte
des Förderseils auf dem Rundbaum des Haspels befestigt und das
Seil so aufgewickelt, daß beim Betrieb des Haspels das eine
Seilende in den Schacht hinuntergelassen und gleichzeitig das
andere mit der angehängten Last herausgehoben wird. Für den
10
Betrieb derartiger Förderanlagen waren jeweils 2 kräftige
"Haspelknechte" erforderlich (Abb. 20).
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Abb. 20: Haspel-Betrieb der vorindustriellen Zeit
(aus WAGENBRETH 1983)
Die einzelnen Förderschächte wurden zumindest zum Teil
offenbar aus förder- und bewetterungstechnischen Gründen
miteinander im Verbund betrieben, d.h. es handelte sich um kleine,
eigenständige Bergwerksanlagen innerhalb der Gesamtlagerstätte.
Über Blindschächte standen einzelne Abbau-Niveaus untertage
miteinander in Verbindung. Auch in den Blindschächten dürfte
die Erzförderung samt Personenseilfahrt mit Hilfe von
Handhäspeln betrieben worden sein.
Das von MENNICKEN aufgenommene System der Grubenbaue
ist auf seiner Darstellung nur in Form geodätischer Meßstrecken
eingetragen, d.h. die Größenverhältnisse der untertägigen
Hohlräume sind nicht dargestellt. Der sehr unregelmäßige Verlauf
der Meßstrecken, bei denen jeder Knickpunkt numeriert ist, legt
ein System sehr unregelmäßig gestalteter Abbau-Hohlräume nahe.
Die Darstellungen lassen vermuten, daß zumindest zum Teil ein
11
untertägiger Strossen- bzw. Firsten-Bau betrieben wurde (Abb.
20)
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Abb. 21: Historische Abbauverfahren im Bergbau
1 Tagebau, 2 Strossenbau unter einem Haspelschacht, 3 Firstenbau am
Ende einer Strecke
(aus WAGENBRETH et al. 1990)
Etwas genauere Angaben bezüglich des Abbauverfahrens
stammen von BAILLET (1795). Er fand im Jahre 1794 den
Bergbaubetrieb am "Altenberg" in einem offenbar desolaten
Zustand vor. Der Abbau war nämlich seinerzeit mit Ausnahme
von vier noch produzierenden Schächten eingestellt worden, da
man die zulaufenden Wässer ("acht Fuß pro Tag") nicht mehr
bewältigen konnte und untertage die nicht oder mangelhaft
gesicherten Abbaue in derartigem Umfange zu Bruch gingen, daß
Übertagebereiche in der Umgebung der Schächte in
Mitleidenschaft gezogen wurden. Nach Angaben von BAILLET
wurden jedoch Aufwältigungsarbeiten untertage mit Erfolg in
Angriff genommen, ebenfalls die notwendigen Arbeiten zum
Sümpfen der abgesoffenen Grubenbaue.
Er erwähnt mehrere 35 bis 50 (?) m tiefe, nicht miteinander
verbundene Schächte am Grunde des Tagebaues, von denen
parallele, maximal 50 m lange und in Holz ausgebaute Stollen
12
(Querschnitt 5 1/2 Fuß x 3 Fuß, entsprechend ca. 1,6 x 0,9 m)
ausgingen. Hier ist wahrscheinlich eine Art von Kammerbau
beschrieben, bei der zwischen parallel geführten Abbau-Strecken
auf eine bestimmte Breite das Erz als "Feste" zur Sicherheit der
rechts und links geschaffenen stollenartigen Abbauhohlräume
("Kammern") stehenbleibt.
Jeder dieser Abbaue war mit einer Mannschaft ("Posten") von
zwei Bergleuten belegt, die sich gegenseitig alle 3 Stunden bei
ihrer Arbeit (Erzabbau vor Ort mit dem damals üblichen Gezähe
bzw. Abtransport des Erzhaufwerks zum Schacht wahrscheinlich
per Schubkarre) ablösten. Alle zwei oder drei Tage “hatte sich auf
diese Weise so viel Galmei an der Schachtsohle angesammelt, daß -
es (vermutlich mittels Handhaspel und Körben) herausgefördert
werden mußte. Pro Schacht standen bis zu acht derartiger Abbaue
in Produktion.
Bei dieser Abbauweise blieben naturgemäß erhebliche Teile
5 des Erzes unabgebaut zurück, besonders auch deswegen, da man
bei dieser händischen Abbau- und Fördermethode bemüht war,
nur Reicherz hereinzugewinnen und geringerhaltiges Material
stehenzulassen.
Insgesamt kann man von einer gewissen Systematik in der
Abbauführung zur damaligen Zeit ausgehen.
S Die bereits erwähnte Altenberger Inventarliste DONYs aus dem
Jahre 1805 (siehe auch BERTHA 1996) gibt ebenfalls Aufschluß
über einige Details des Untertagebetriebs. Die hier aufgeführten
Bestände an bergmännischen Handwerkzeugen ("Gezähe") wie
Hämmern, viereckigen und flachen Hacken, Keilen und Schaufeln
wurden sicherlich sowohl übertage wie auch untertage eingesetzt.
Schubkarren (sicherlich aus Holz) sowie hölzerne Förderkübel
("Tinne" im lokalen Sprachgebrauch der damaligen Zeit) verweisen
ebenso wie hölzerne Haspelanlagen (mit Eisenkurbeln) über den
einzelnen Schächten auf altertümliche Abbau- und Förderverfahren
der vorindustriellen Zeit. Die ebenfalls erwähnte Ausrüstung der
Schächte mit Leitern ("Fahrten") weist darauf hin, daß man
inzwischen nicht mehr ausschließlich darauf angewiesen war, per
"Seilfahrt" am Handhaspel in die untertägigen Abbaubereiche zu
gelangen. Die Förderschächte waren nach wie vor an ihrer
Tagesöffnung mit witterungsfesten Oberbauten ("Schachtkauen")
versehen, die zur damaligen Zeit in gutem Zustand waren.
B
Über die Art und Weise des Grubenausbaus lassen sich nur
Vermutungen anstellen. Die damals schon recht tiefen Schächte
sind auf jeden Fall mit einer Ausbau-Zimmerung versehen
gewesen. Die dafür und für sonstige Zimmerer-Arbeiten
erforderlichen Werkzeuge, vor allem Handsägen zur Herstellung
von Balken, eine "Holzmaschine mit einer Bohrbank" sowie
"Bohrlöffel" zur Fertigung von hölzernen Pumpenrohren finden
sich in der genannten Inventarliste.
Dieser ist ebenfalls zu entnehmen, daß als bergmännisches
"Geleucht" Kienholz zum Einsatz kam. Interessant ist auch der
Hinweis auf einen Kran; damit wurden möglicherweise bei
Reparaturarbeiten z.B. am Wasserhaltungsschacht Pumpenrohre
und andere Komponenten der Anlage im Bedarfsfall
ausgewechselt. Wie der Kran konstruiert war, ist nicht überliefert.
Da zur damaligen Zeit das Drahtseil noch nicht erfunden war ®,
waren auch hier wie bei den Haspelanlagen sicher gedrehte
Hanfseile, vielleicht auch Eisenketten im Einsatz.
Ein von DONY signierter Grubenriß aus dem Jahre 1807 mit
Vertikal- und Horizontalprojektionen der gesamten bergbaulichen
Anlage stellt offenkundig die Verhältnisse noch aus österreichischer
Zeit vor der französischen Revolution dar (Abb. 22).
Er zeigt 7 - auf unterschiedlichen Teufenstufen des Tagebaues
angesetzte - Schachtanlagen zur Erzförderung sowie 1 Doppel-
Schachtanlage zur Wasserhaltung und Bewetterung. Die
Schachtanlagen "Bure 1" bis "Bure 5" erschlossen das Nord-Lager,
Nr. 6 und Nr. 7 standen im Süd-Lager. Im "Dolomit-Keil" zwischen
Nord- und Süd-Lager und zugleich an der tiefsten Stelle des
Tagebaus waren der Pumpen- und der Wetterschacht plaziert. Die
Förderschächte im Nord-Lager waren durch unterirdische
Grubenbaue mit dem Wetter- und Pumpenschacht verbunden.
Letzterer war natürlich - bis 35 m unterhalb der Tagebausohle -
der am tiefsten abgeteufte. Die 2 Schächte im Süd-Lager hatten
keinerlei untertägige Verbindung mit dem Pumpen- und Wetter-
schacht. Der Horizontalriß zeigt anhand des Verlaufs der auf 3
Sohlen verteilten Grubenbaue einen sehr unsystematisch geführten
Erzabbau des Nord-Lagers in Teufenlagen von max. 20 m unterhalb
der jeweiligen Tagebausohle. Die einzelnen Sohlen waren durch
Blindschächte ("bure inf&rieur") miteinander verbunden. Im
Rahmen eines Weitungsbaus wurden ausgedehnte, aber nur bis
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ca. 2 m hohe und durch stehengelassene Erzpfeiler gesicherte
Hohlräume aufgefahren. Der späteren Wiederaufnahme des
Tagebaubetriebs fielen bis 1844 sämtliche Schächte und sonstige
Grubenbaue früherer Betriebsperioden im Nord-Lager zum Opfer.
Gleiches gilt für die dort ursprünglich errichteten Anlagen zur
Kalzinierung und Lagerung des Galmeis sowie für das Kohlelager.
Es ist aus dem bisher Gesagten offensichtlich, daß am
"Altenberg" seit jeher nach Art eines "Raubbaus" nur die reichsten
Erzpartien hereingewonnen wurden. Es dürfte sich dabei um das
später "calamine-roche" genannte harte und stückig brechende
Galmeierz gehandelt haben, im Gegensatz zum erdigen Galmei
("calamine-terre"), der zunächst weitestgehend ungeordnet im
Gelände deponiert wurde.
Zur Wasserhaltung dienten - traditionell am "Altenberg" bis
in die Mitte des 19. Jh. - wasserradgetriebene Pumpenkünste, über
die sowohl der Tagebau als auch die darunter gelegenen Untertage-
Abbaue entwässert wurden (PAUQET 1990, SCHMITZ 1996).
Bemerkenswert in der Beschreibung MENNICKENS ist, daß 1773
drei parallel angeordnete Saugpumpen im Schacht installiert waren.
Zum Betrieb einer solchen "Mehrfach-Pumpe" mußte im übrigen
das Wasserrad sehr massiv gebaut sein und zugleich einen hohen
Verbrauch an Aufschlagwasser gehabt haben. Über die Anzahl der
Pumpensätze (mindestens je 5 bei Ausnutzung der maximal
möglichen Saughöhe von ca. 7 m) fehlen Angaben, ebenfalls
darüber, ob es sich bei diesen Pumpen vielleicht sogar um solche
mit einem Steigrohr gehandelt hat, die als "hohe Kunstsätze" im
Sinne AGRICOLAs Hubhöhen von über 20 m erreichten
(SUHLING 1983).
Zur Zeit BAILLETs waren zwei Wasserräder im Einsatz, eines
betrieb drei Pumpen in einem "alten" 40 m tiefen Schacht, das
andere zwei Pumpen in einem "neuen" 45 m tiefen Schacht “.
Aussagen über die Anzahl der Pumpensätze pro Pumpe werden
nicht gemacht. Erst ein undatierter Vertikal-Riß (vermutlich Anfang
des 19. Jh., Archiv PAUQUET), auf dem u. a. 2 Wasserräder (eines
davon mit Feldgestänge) und 2 Pumpenschächte dargestellt sind,
gibt diesbezüglich Auskunft. Aus den Details geht eindeutig hervor,
daß ein Schacht mit mindestens 5 (entsprechend ca. 35 m Teufe)
und ein Schacht mit mindestens 7 Pumpensätzen (entsprechend
ca. 50 m Teufe) ausgestattet war. Ebenfalls bei CROQ (1832) sind
16
3 parallel betriebene Pumpen im Wasserhaltungsschacht
dargestellt.
Mit der Aufnahme eines Untertage-Betriebs stellte sich von
Anfang an die Frage nach der Bewetterung ® der Grubenbaue.
Leider gibt es dazu, zumindest bis zum Beginn eines
systematischen untertägigen Abbaus, derzeit kaum Informationen.
BAILLET erwähnt den offensichtlich sorglosen Umgang mit
diesem Problem und berichtet in diesem Zusammenhang, daß 6
Bergleute innerhalb von 8 Jahren umgekommen seien. Mög-
licherweise spielten hier u. a. auch CO2-Ausgasungen in den
Abbauen eine Rolle, über die auch später aus jüngeren VM-Gruben
der Region, vor allem aber aus der Lagerstätte "Diepenlinchen"
__ bei Stolberg berichtet wurde. Sicherlich erfolgte die Bewetterung
im Untertagebergbau der frühen Abbauperioden auf natürlichem
‚Wege, d. h. auf der Grundlage der - auch jahreszeitlich -
unterschiedlichen atmosphärischen Druck- und Temperatur-
verhältnisse innerhalb und außerhalb eines Bergwerks, die man
durch geschickte Anlage von Verbindungsschächten
("Blindschächten") zwischen den Abbauniveaus zur
Frischluftzufuhr nutzen konnte. Im Bedarfsfall wurden sogar
"Feuerkörbe" in die Schächte hineingehängt, um einen Luftstrom
("Wetterzug") künstlich zu erzeugen (SUHLING 1983). Inwieweit
diese bewetterungstechnischen Verfahren am "Altenberg" zur
Anwendung kamen, ist ungeklärt.
Auf DONYs Plan von 1807 sind sämtliche im Nordlager stehende
Schächte inzwischen durch untertägige Grubenbaue miteinander
verbunden, wobei dem tiefsten (Pumpen-) Schacht die Wässer aus
dem gesamten Grubengebäude zuliefen. In unmittelbarer Nähe
dieses Schachtes stand zugleich der Wetterschacht, der - am tiefsten
Punkt des Tagebaus gelegen - vermutlich als "einziehender"
Schacht der Frischluftzufuhr diente, während die ca. 3,5 m höher
im Tagebau gelegenen Schächte "ausziehend" auf die tiefer
gelegenen Grubenbaue wirkten. Ähnlich wie zur Zeit DONYs
dürften die bewetterungstechnischen Verhältnisse noch zur Zeit
von CROQ 1832 und von VAN SCHERPENZEEL-THIM 1847
gewesen sein.
37
4.1.3. Neuzeitlicher Bergbau am "Altenberg"
Mit der sich abzeichnenden Erschöpfung des Nordlagers
und der mißglückten Fortführung des Tagebau-Betriebs durch eine
Rampe 1851 war der Übergang zum ausschließlichen Untertage-
Betrieb in den noch verbleibenden Teilen der Lagerstätte
(Restvorräte im Nordlager, Südlager und Lager "Krickelstein")
zwingend. Vorher jedoch, in den 40er Jahren, begann man damit,
die Montantechnik am "Altenberg" - die Zinkhütte stand bereits
seit 1837 in Produktion - auf Verfahren der industriellen Neuzeit
umzustellen. Diese Umstellung betraf die Systematisierung in der
Erschließung der noch vorhandenen Erzvorräte, das
Abbauverfahren, den Einsatz moderner Maschinen zur
Wasserhaltung und Erzförderung, die Bewetterung sowie das
inzwischen völlig unzureichende Aufbereitungsverfahren.
Mit der Übernahme der Betriebsleitung am "Altenberg" durch
Adolphe van SCHERPENZEEL-THIM und mit der gleichzeitigen
Übernahme der VM-Generaldirektion durch SAINT-PAUL DE
SINCAY 1846 begann die moderne Zeit.
Deutlich erkennbar wird dies zunächst in der rationellen
Untersuchung und Erschließung der noch verbliebenen Erzvorräte.
Erste Hinweise dafür liefern die zeichnerischen Darstellungen der
bergbaulichen Anlagen am "Altenberg" in PIOT und MURAILHE
(1844). Der 1847 durch Van Scherpenzeel-Thim angefertigte
Grubenplan - der Bergwerksdirektor zeichnete damals die Pläne
noch selbst ! - läßt erkennen, daß man durch planmäßig angelegte
Untersuchungsstrecken von den Schächten aus und durch Stollen,
die auf den einzelnen Tagebausohlen angesetzt wurden, die Grenze
des noch nicht vollkommen abgebauten Erzkörpers zum
Nebengestein erstmals genau lokalisierte. Auf diese Weise war
auch eine Schätzung der zu diesem Zeitpunkt bekannten
Erzreserven in Höhe von 500 000 cbm "calamine-terre" mit einem
Galmei-Gehalt von 43% möglich (DEJONGHE et al. 1993). Mit
diesen Arbeiten begann auch die geologische Aufnahme der
Lagerstätte, an der später dann auch u.a. VON CARNALL und
besonders BRAUN beteiligt waren.
Dieses ist zugleich auch die Zeit, in der man den Abbau im
Südlager aufnahm und zwar zunächst im Tagebau bis 18 m Teufe,
dann jedoch ausschließlich im Untertagebetrieb. Neue Schächte
19
in unmittelbarer Nähe der Zinkhütte gelegen, wurden nun die
Funktionen der verschiedenen Schächte vergangener Jahre
zusammengefaßt und von den zwei dicht nebeneinander liegenden
neuen Schächten, P&rier und Le Hon, übernommen. Über Schacht
Pefrier lief die Erzförderung und über Schacht Le Hon wurde die
Wasserhaltung betrieben. Beide Schächte waren mitsamt ihrer
betriebstechnischen Infrastruktur in einem architektonisch
eindrucksvollen Gebäudekomplex untergebracht.
Die bisherigen Tagesschächte existierten weiter. Außerdem wurde
ein Vermessungsschacht unterhalten. Ein System von zahlreichen
Wetterschächten (sowohl als Tages- als auch als Blindschächte)
sicherte auf dem Wege der natürlichen Wetterführung die Zufuhr
von Frischluft nach untertage. Interessant sind die
unterschiedlichen Querschnittsformen der Schächte; Dechen- mit
rundem und Le Hon-Schacht mit ovalem Querschnitt waren
gemauert, während die übrigen Schächte mit rechteckigem
Querschnitt offenbar mit einer Holzzimmerung ausgebaut waren.
Auch übertage zeigen die Betriebsanlagen eine deutliche
bautechnische Entwicklung. Anstelle der hölzernen Schachthütten
sind nun aus Ziegelsteinen (teilweise mit Ziegeln ausgefachtes
Holzfachwerk) errichtete Gebäudeeinheiten entstanden, deren
Fassaden zur Wetterseite hin teilweise mit Rautenplatten aus
einheimischem Zink verkleidet waren. Nur der Nord-Schacht war
1855 noch mit einem offenen Fördergerüst (2 Seilscheiben)
ausgestattet; die anderen Schächte waren vollständig in die neu
entstandenen modernen Bauwerke integriert.
Ebenfalls die zum Betrieb der Hüttenanlage und der diversen
Dampfmaschinen erforderlichen Schornstein-Bauten sind
bemerkenswert. Während die Kamine der Reduktionsöfen in der
damals üblichen Weise viereckig gemauert waren, wurde am
gemauerten Kamin der Doppel-Schachtanlage Perier-Le Hon ein
achteckiger Querschnitt realisiert; er stellte sozusagen den
Übergang zu den von nun an rund ausgeführten Industriekaminen
dar. Die Rauchgaskamine der übrigen Kesselhäuser aus den 50er
und 60er Jahren des 19. Jh. wurden am "Altenberg" offenbar in
entsprechend dimensionierten Eisenröhren ausgeführt und, wo
nötig, zur besseren Standfestigkeit mit seitlichen Seilabspannungen
gesichert.
21
Die Untertage-Anlagen der frühen 60er Jahre erstreckten sich
über drei Sohlen - 36 m, 50 m, 65 m - und waren über insgesamt
11 Tagesschächte (davon allein 4 zu Tage ausgehende
Wetterschächte) erschlossen (Abb. 23).
Entsprechend der von alters her eingehaltenen Abbaurichtung
im Streichen des Erzkörpers von NE nach SW wurde auf den
einzelnen, nacheinander von oben nach unten erschlossenen
Fördersohlen zunächst eine vom jeweiligen Hauptförderschacht
ausgehende Richtstrecke ”nach NE und SW vorgetrieben. Von
diesen Richtstrecken wurden sodann - je nach Form des
abzubauenden Erzkörpers - in Abständen zwischen 10 m und 30
m Querschläge ®ins Erz aufgefahren, um von hier aus die derart
vorgerichteten Lagerstättenteile abzubauen (Abb. 24. Näheres siehe
unter "Abbauverfahren").
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Abb. 24: Horizontaler Grubenriß "Altenberg" von 1860, 36 m-Sohle, mit
Richtstrecke und Querschlägen. (Weitere Erläuterungen siehe Abb. 23)
Im Falle des weit außerhalb des Erzkörpers niedergebrachten
Doppelschachtes Perier-Le Hon mußte deshalb zunächst eine
untertägige Förderstrecken-Verbindung in die Nähe des Erzkörpers
vorgetrieben werden, bevor die eigentliche Richtstrecke im
geologischen Streichen NE-SW aufgefahren werden konnte.
Die vorliegenden Risse lassen deutlich die Zuordnung der
22
einzelnen Schächte zu den Fördersohlen im zeitlichen
Abbaufortschritt erkennen.
So erfolgte die Erzförderung aus der ältesten, der 36 m-Sohle,
über den Nord-Schacht. Über ihn wurden ebenfalls bis 1856 die
noch verbliebenen Erzreste des Nordlagers gefördert, nachdem
der dortige Tagebaubetrieb mittels Förderrampe 1851 eingestellt
worden war.
Mit der Erschließung der nächsten, der 50 m-Sohle, wurde der
Nord-Schacht ebenfalls bis auf dieses Niveau abgeteuft und diente
hier als Förderschacht für den NE-Teil des Südlagers. Da der
Erschließungs- und Abbaufortschritt aber auch im Streichen der
Lagerstätte nach SW gerichtet war, wurde eine zusätzliche *
Schachtanlage im SW notwendig, der Mosselman-Schacht. Er
diente als 3-trümiger Fahr- und Förderschacht. In einem
unmittelbar anschließenden großdimensionierten 4. Trum war eine
dampfmaschinenbetriebene Pumpanlage installiert. Ein
zusätzlicher (Rund-) Schacht, der Dechen-Schacht, war nahe des
Nord-Schachtes zur Wasserhaltung niedergebracht worden. In ihm
wurde 1855 eine Wassersäulen-Maschine (Näheres siehe unter
"Wasserhaltung") eingebaut. Auf der 50 m-Sohle erfolgten zu
Anfang der 60er Jahre gleichzeitig mit dem eigentlichen Erzabbau
weit nach SW und auch querschlägig bis an beide Muldenflügel
vorstoßende Erkundungsarbeiten auf der Suche nach einer
etwaigen Fortsetzung des Erzkörpers bzw. nach neuen Erzkörpern,
allerdings ohne jeden Erfolg.
Mit dem weiter in die Tiefe gerichteten Abbau wurde eine 3.
Sohle, und zwar auf 65 m Teufe erschlossen. Nord-Schacht und
Mosselman-Schacht wurden bis auf dieses Niveau weiter abgeteuft
und auch der bisher isoliert weit außerhalb der Lagerstätte stehende
Louisen-Schacht wurde nun auf der 65 m-Sohle mit dem Gesamt-
Grubengebäude verbunden. Als Hauptförderschacht und zentraler
Wasserhaltungsschacht wurden - wie bereits erwähnt - jedoch die
Schächte Perier und Le Hon weiter außerhalb der Lagerstätte und
dicht an der Zinkhütte niedergebracht. Perier war wie der
Mosselman-Schacht mit 3 Schachttrümern ausgestattet. Schacht
Le Hon war von vornherein über die 65 m-Sohle hinaus weiter
abgeteuft worden. Bei 90 m begann man Anfang der 60er Jahre
von hier aus nämlich mit der Erschließung einer weiteren, der 4.
Sohle.
23
In der Zeit zwischen 1863 und 1871 gab es einschneidende
Veränderungen im Streckennetz des Altenberger Untertagebetriebs,
wie ein Grubenriß von 1871 ("Mine de Moresnet", 1:1000)
ausweist, der als Anlage zu einem Brief (20.1.1871) OSKAR
BILHARZ' (an wen?) gekennzeichnet ist.
Man hatte nach dem Niederbringen von Schacht Le Hon, und etwas
später von Schacht Pörier, bis auf 90 m Teufe die 4. Sohle in
Richtung auf das Süd-Lager aufgefahren. Dabei traf man - von SE
und von außerhalb der vererzten schüsselförmigen Muldenstruktur
kommend - erstmals auf die untere geologische Begrenzung der
"Erzschüssel". Es ging also nun darum, den genauen Verlauf des
"Schüsselbodens" nach SW und ihren NE-Anschluß an die
bekannten Verhältnisse im bereits ausgeerzten Nordlager
festzustellen.
Zu diesem Zweck wurde eine Untersuchungsstrecke im Bogen
um den Erzkörper herum auf der NW-Flanke der Muldenstruktur
nach SW vorgetrieben und anschließend vom Ausgangspunkt
dieser Untersuchungsstrecke eine gradlinige Richtstrecke ebenfalls
nach SW längs durch den Erzkörper aufgefahren. Beide Strecken
vereinigten sich am SW-Ende des Erzkörpers wieder und wurden
von hier ab als gemeinsame Richtstrecke nach SW weitergeführt.
Über diesem Vereinigungspunkte hatte man vom Tagebau des
Südlagers aus zugleich einen neuen Schacht, Gendarm, bis auf
die 90 m-Sohle abgeteuft und unmittelbar daneben abgesetzt
weitergeteuft mit dem Ziel, die Fortsetzung des Südlagers unterhalb
dieser Sohle zu erkunden bzw. das Liegende der Muldenstruktur
zu erreichen. 19,5 m unterhalb der 4. Sohle erreichte man das
Liegende, aber kein Erz mehr, so daß nunmehr die Untergrenze
des Südlagers im SW recht genau zu lokalisieren war, nämlich auf
ca. 100 m Teufe und einige Zehnermeter NE des Schachtes
Gendarm (Abb. 25)!
In dieser Teufe wurde sodann, unmittelbar auf dem "Schüssel"-
Boden, eine Förderstrecke eingerichtet, von der aus später die
Resterze des Südlagers hereingewonnen und zutage gefördert
werden konnten.
Die Verbindung in Richtung NE, auf das ausgeerzte Nordlager
zu, wurde ebenfalls näher untersucht. Zu diesem Zweck trieb man,
der nach NE aushebenden Muldenstruktur (und zugleich
"Erzschüssel") auf ihrer Liegendgrenze folgend, einen Bremsberg®
24
von der 4. Sohle herauf bis auf eine Zwischensohle in 76 m Teufe
vor. Hier auf diesem Niveau wurde dann ein noch verbliebener
Lagerstättenrest unmittelbar über der Liegendgrenze und unterhalb
des "Dolomitkeils" zwischen Nord- und Südlager hereingewonnen.
Im gleichen Zeitraum 1863/1871 waren auch die auf der 65 m-
Sohle zuvor erschlossenen Reicherzvorräte völlig abgebaut
worden. Da man jedoch inzwischen auch auf minderwertigere Erze
zurückgreifen mußte, richtete man hier ursprünglich nicht dafür
vorgesehene Lagerstättenteile zum Abbau vor. Diesem Vorhaben
mußten Teile der alten Richtstrecke und auch der alte Mosselman-
Doppelschacht zum Opfer fallen. Im SE des neuen Abbaufeldes
wurde nämlich eine neue Erschließungsstrecke um diesen *
Lagerstättenteil herumgeführt, die weiter im SW dann wieder in
die alte, hier stehengebliebene Richtstrecke einmündete. Zugleich
wurde auch der bis auf die 65 m-Sohle reichende Louisen-Schacht
aufgegeben und der ebenfalls bis in diese Teufe reichende Dechen-
Schacht zum Wetterschacht umfunktioniert. Er erhielt zu diesem
Zweck einen etwa 20 m hohen kaminartigen Aufsatz, vermutlich
aus großdimensionierten stählernen Rohrelementen.
Aus den Ausführungen ergibt sich, daß der Bergbaubetrieb am
"Altenberg", von den noch verfügbaren Erzvorräten her gesehen,
offenbar allmählich dem Ende entgegen ging, wenngleich die
Qualität der auf der 90 m-Sohle angefahrenen Erze hervorragend
war. Euphorische Aussagen des Gutachters MUESELER
attestierten dem "Altenberg" 1865 sogar noch eine sehr lange
Lebensdauer als Bergwerk (DEJONGHE et al. 1993). Im
genannten Zeitraum 1863/1871 wurden also verstärkt Bemühungen
unternommen, neue Erzkörper im Umfeld des Südlagers
aufzufinden Zu diesem Zweck wurde die 65 m-Sohle weit nach
SW vorgetrieben und ca. 140 m entfernt vom Schacht Gendarm
ein neuer Schacht, Krickelstein, auf das 65 m-Niveau abgeteuft.
Vorher hatte man auf dieser Sohle zwischen den Schächten
Gendarm und Krickelstein zwei Querschläge bis an die beiden
Muldenflügel vorgetrieben und auch eine Untersuchungsbohrung
auf der Richtstrecke niedergebracht. Diese Untersuchungsarbeiten
betrafen die gerade hier zwischen Schacht und Lager "Krickelstein"
angetroffene NW-SE-streichende "Bleiberger Störung". Da NW-
- SE-Störungen für die Lagerstättenbildung in unserem Raum
(Zufuhrwege metallhaltiger Thermen) eine wesentliche Rolle
26
spielen (vgl. Kap. 4.1.1), war es natürlich angezeigt, hier
detaillierte, wenn auch kostspielige Untersuchungen anzustellen.
Neue Erzvorkommen oder Anzeichen dafür wurden jedoch nicht
gefunden.
Fündig wurde man erst eine Sohle tiefer recht genau in der Mitte
zwischen Gendarm und Krickelstein. Dort durchörterte 1870 die
Richtstrecke der 90 m-Sohle beim Vortrieb einen Erzkörper, der
in der Folgezeit genauer untersucht wurde. Dieses "Lager
Krickelstein" (Grubenriß "Mine de Moresnet" 1:500, von 1874,
gezeichnet von Franz Stiglitz 7°) erwies sich als ein recht kleines
Vorkommen, welches unterhalb der 65 m-Sohle begann und sich
bis etwa 30 m unterhalb der 90 m-Sohle erstreckte. Zu seiner
Vorrichtung für den Abbau wurde eine weitere, die 5. Sohle auf
110 m, allerdings nur zwischen Schacht Gendarm und Schacht
Krickelstein, aufgefahren und im Erzkörper 2 Blindschächte (65/
90m, 90/110m) sowie ein Gesenk unterhalb der 110 m-Sohle
abgeteuft.
Dieser Prospektionserfolg führte zu verstärkten Bemühungen bei
der weiteren Erzsuche im Umfeld der neu erschlossenen Vorräte.
So wurde der Schacht Krickelstein bis Ende 1874 noch auf 115 m
Teufe weiter abgesenkt und auf diesem Niveau eine Richtstrecke
nach SW angefangen. Die auf dieser tiefsten Sohle zulaufenden
Wässer wurden über Schacht Krickelstein bis auf die 90m-Sohle
gehoben, von wo sie dem Pumpenschacht Le Hon zuflossen. Einige
Monate früher hatte man 100 m und 200 m östlich von Krickelstein
je einen Untersuchungsschacht bis auf die 65 m-Sohle
niedergebracht und von beiden Schächten aus
Untersuchungsstrecken in Teufen zwischen 15 und 25 m angesetzt.
Eine dieser Untersuchungsstrecken ging an der Lütticher Straße
zutage; das zugehörige Stollen-Mundloch ist heute noch hinter
dem Restaurant im "Bruch" vorhanden. Diese Arbeiten, die sich
bis Ende 1874 hinzogen, blieben jedoch ohne Erfolg.
Ein Grubenriß von 1880 ("Plan de la Mine de Moresnet", 1:500)
zeigt den Zustand kurz vor Einstellung des Bergbaus. Bis auf
Erzreste im Südlager unterhalb der 90 m-Sohle - Lager Krickelstein
ist inzwischen völlig ausgeerzt - sind keinerlei bauwürdige Vorräte
mehr vorhanden. Diese Erzreste im unmittelbaren "Bodenbereich
der Schüssel" waren schwierig hereinzugewinnen, da sie an nester-
bis schlauchartige Vertiefungen in der sehr unregelmäßig
28
ausgebildeten Dolomitunterlage gebunden waren (Abb. 26).
Außerdem mußte man die tiefsten Abbaureviere der Lagerstätte
gegen die oberen, inzwischen ausgeerzten und mit "Bergen" 7!
verfüllten Lagerstättenbereiche absichern. Zu diesem Zweck ließ
man seinerzeit im Erzkörper zwischen 75 und 82 m Teufe eine
komplette, 7 m dicke horizontale Erzscheibe unabgebaut stehen;
unter deren "Dach" erfolgte dann der Abbau bis zur 90 m-Sohle
und darunter bis zum liegenden Dolomit der "Schüssel"-Unterlage.
Der Grund für die Anstrengungen, diese restlichen Erzvorräte noch
hereinzugewinnen, lag in der hohen Qualität dieser Erze unterhalb
der 90 m-Sohle. Es handelte sich hier nämlich um ein völlig
silikatisches Erz mit 70% - 80% Galmei in Form von Willemit
und mit dementsprechend hohen Zn-Gehalten bis 42 % 7!
Mit dem Abbau dieser Lagerstättenreste bis 1882 und dem
abschließenden Abbau der noch verbliebenen Sicherheitsfesten ”
im unmittelbaren Umfeld der Schächte ging 1884 dann der
traditionsreiche Galmeibergbau am "Altenberg" zu Ende.
ANMERKUNGEN
59 Der Grund für den Parallel-Betrieb von Übertage- und Untertage-Bergbau
hat etwas damit zu tun, daß man auf diese Weise, vor allem im Winter, von
Witterungseinflüssen weitgehend unabhängig einen kontinuierlichen Abbau
aufrechterhalten konnte.
60 1737 erschien in Berlin anonym ein Buch "Zeit-Vertreib bey den Wassern
zu Achen". Erst 1890 identifizierte der Aachener Stadtbibliothekar Dr. Mo-
ritz Müller als Verfasser dieses im übrigen interessanten Werkes den
seinerzeit als berüchtigt geltenden Freiherrn Karl Ludwig von Pöllnitz.
61 Hier sind offenbar sog. "Reifenschächte" gemeint, die seit jeher in Bereichen
oberhalb des Grundwasserspiegels im Bergbau gebräuchlich waren und die
z. B. aus den frühen Galmeigruben des Stolberger Raums (Breinigerberg u.
a.) bekannt sind.
62 Die geringe Fördermenge erklärt sich in erster Linie durch die händische
Abbauweise; so lag die jährliche "Vortriebsleistung" mit Schlägel und Ei-
sen je Mann und Schicht in einem Stollen von 1,6 x 1,0 m Querschnitt je
nach Gesteins- oder Erzart bei nur 2 bis 3 m (SUHLING 1983).
63 Erfinder des gedrehten Drahtseils war 1834 der Harzer Oberbergrat Wilhelm
August Julius ALBERT (1787-1846). Bereits 4 Jahre später waren im Harz
fast alle tiefen Schächte mit Eisen- statt gedrehter Hanfseile ausgestattet.
Im damals noch jungen Steinkohlebergbau des Ruhrgebiets fand das neue
Seil bereits 1835 Eingang (LIESSMANN 1992).
29
64 In der Fußnote 58 sind die Worte "Pumpensatz" bzw. "Sätze" durch
"Pumpe/n" zu ersetzen.
65 Abführung von verbrauchter und Zufuhr von Frisch-Luft
66 "Trumm" (Mehrzahl "Trümer") bezeichnet in der traditionellen deutschen
Bergmannssprache die vertikalen Unterteilungen eines Schachtes für die
verschiedenen Transportarten (z.B. Erz-/Materialförderung, Personenseil-
fahrt, Pumpeneinrichtung).
67 Richtstrecken werden im geologischen Streichen aufgefahren und dienen
als untertägige "Hauptverkehrsstraßen" für jegliche Art von Förderung,
Personentransport und Anlage von Versorgungsleitungen.
68 Querschläge werden mehr oder minder senkrecht zur Richtstrecke angelegt.
69 Untertägige, rampenartige Gefälle-Strecke
70 Der Zeichner Franz Stiglitz hat sehr präzise Grubenrisse angefertigt. Sie
sind auch wegen ihrer detailgetreuen zeichnerischen Wiedergabe der
Übertageanlagen bemerkenswert.
71 Taubes Nebengestein ("Abraum"), welches zur Verfüllung ("Versatz") der
Hohlräume abgebauter Lagerstättenteile verwendet wird.
72 Reiner Willemit Zn2SiO4 enthält 59% Zink.
73 In unmittelbarer Nachbarschaft der Schächte zu ihrem Schutz
stehengelassene Lagerstättenteile.
30
Enn oss Kösche dong sech jett!
von Jakob Langohr
Enn oss Kösche , die schmal änn kleng,
dow koss de kohm dräe sette,
ömmer kohme Lüj eräe,
vöer mosse se ömmer wette.
Dow woet gekallt, gedeskutiet,
dow woore se ant politike,
jow en oss Kösche dong sech jett,
dow wor ömmer jett te kicke. ;
Ett Mondes woet de Weisch gekaucht,
geruut woet met de Plätsch,
ove kohm de Seep eräe,
ene janze jruete Klätsch,
die schwatte Seep, die rümde op,
met Bokse änn met Schleppe,
jow en oss Kösche dong sech jett,
dow wor ömmer jett te kicke.
Der jruute jääle Kaffeepott
stong medde open Förnöes,
dä woet der janze Daag net läesch,
wievöhl de dech och kräejs,
änn jederenge dä dow kohm,
dä moss e Tässke schlecke,
jow en oss Kösche dong sech jett,
dow wor ömmer jett te kicke.
Änn johf et Bonn- of Äezezupp,
bis ove vohl datt Döppe,
medde dräe ene decke vette
Verkenspuht ant höppe,
et rooek va henge änn va vöer,
et rooek e alle Ecke,
jow en oss Kösche dong sech jett,
dow wor ömmer jett te kicke.
31
Wenn et Sondes Mörjens da
osse Kaviar wor ant broohne,
de Appel Speck änn Puutesschiefe,
sech ejen Pann ant krohme,
me dong die janze Brohnerej
met Önnepiepe specke,
jow en oss Kösche dong sech jett,
dow wor ömmer jett te kicke.
Et Vriedes wor de Riifkookdag,
met Krütsche änn Kompott,
da rooek de janze Trapp eraaf,
en och bis ovenop,
da kohm de Nobeschvrow et Fing,
va onde et Marikke,
jow en oss Kösche dong sech jett,
dow wor ömmer jett te kicke.
Nobesch Vrowe änn ming Mamm,
die hauwe en Krolletang;
wenn et höchste Fäss Vanstovend wor,
da laate se sech et Hohr,
se schminkte sech met rue Papier
de Backe änn de Leppe,
jow en oss Kösche dong sech jett,
dow wor ömmer jett te kicke.
Wenn de Sohmer wor verbej,
da stong vöhl en ne Jade,
datt moss da nojen Pött eräe,
dow koss de net met wade.
Me stampde Kappes met ene Küll,
da hotts de jett te schlecke,
jow en oss Kösche dong sech jett,
dow wor ömmer jett te kicke.
32
De Wotteleböesch, de schwatte Seep,
die wore Samstes Truff,
da woets de en die hölte Bütt
och noch eräe gezoppt,
änn daats de letzte Stond es dow,
now ben ech ant verstecke
jow en oss Kösche dong sech jett,
dow wor ömmer jett te kicke.
Änn hauw de Naas me da tevöhl
e alles rägestoppt,
de vlogs de ut en Kösche ruut j
änn krägs noch eng gestoppt;
datt wor ejal, datt wor parai,
datt wor en auw jow Sitte,
jow en oss Kösche dong sech jett,
dow wor ömmer jett te kicke.
33
Von Schengen bis Mook
von Alfred Bertha
Das Bewußtsein, daß nicht nur Burgen und Schlösser, Kirchen
und Kapellen, sondern auch die kleinen und häufig sehr gefährdeten
Flurdenkmäler zu unserem kulturellen Erbe gehören, ist in den
letzten Jahren durch verschiedene Förderaktionen der Region
S allgemein geschärft und unterstützt worden.
Wegekreuze, Bildstöcke, Dorfbrunnen, Grenzsteine und
ähnliche Kleindenkmale wurden durch diese Aktionen in manchen
Gemeinden inventarisiert und auch vielfach dank der finanziellen
Unterstützung der öffentlichen Hand vor weiterem Verfall bewahrt.
Gerade den historischen Grenzmarken kommt unter den
Flurdenkmälern eine besondere Bedeutung zu, die auch ihren ganz
besonderen Schutz erfordert: als steinerne Zeugen verdeutlichen
sie die Beziehungen zwischen Vergangenheit und Gegenwart und
weisen hin auf eine Zeit, in der Grenzen nur Trennung bedeuteten
und nicht als Orte der Begegnung und der gegenseitigen
Bereicherung gesehen wurden.
Das von der Regierung der Deutschsprachigen Gemeinschaft
im vergangenen Jahre eingeleitete "de commodo und incommodo-
Verfahren" zur Unterschutzstellung der belgisch-preußischen
Grenzsteine zwischen Ouren und Kelmis sowie der 180. Jahrestag
der Grenzziehung zwischen Preußen und den Niederlanden bieten
uns den willkommenen Anlaß, kurz auf die Grenzsteine jener Zeit
in unserem Raum einzugehen (1).
Die in Ausführung der Beschlüsse des Wiener Kongresses (1815)
vorzunehmende Grenzziehung zwischen Preußen und den
Niederlanden blieb einer aus Vertretern beider Staaten gebildeten
Kommission vorbehalten, deren Arbeiten zum Aachener Grenzvertrag
vom 26. Juni 1816 führten, der den Grenzverlauf vom heutigen
Dreiländereck an der Mosel bei Schengen (Lux.), Perl (D) und Apach
(F) bis Mook a. d. Maas (südlich Nijmegen) festlegte.
Mosel, Sauer und Our folgend, erreichte die Grenze über
Wasserbillig und Wallendorf bei Ouren den südlichsten Zipfel des
Kantons St. Vith (Art. 2), knickte nach Westen ab bis Wemperhardt
(Art. 6), dann nordwärts entlang Deiffelt und B£ho/Bocholz bis zur
Einmündung der "Luxemburg'schen Straße" in den Kanton Stavelot.
Verfahren Commodo et Incommodo
12/SH
Die Bürgermeister- und Schöffenkollegien der Stadt Eu-
pen und der Gemeinde Lontzen teilen der interessier-
ten Bevölkerung mit, daß der für Denkmalpflege zu-
ständige Minister der Deutschsprachigen Gemeinschaft
auf Vorschlag der Kgl. Denkmal- und Landschafts-
schutzkommission
das gesetzmäßige Verfahren zur Untefschutzstellung .
der belgisch-preußischen Grenzsteine
zwischen Ouren und Kelmis
eröffnet hat.
Auf Grund von Artikel 354 des Wallonischen Raumord-
nungs- und Städtebaugesetzbuches wird ein Untersu-
chungsverfahren DE COMMODO ET INCOMMODO
eingeleitet. Ö
Die diesbezüglichen Unterlagen liegen vom 22. Juni
bis zum 24. Juli 1995 in den Bauämtern, Rathausplatz
14 in Eupen und Kirchstraße 46 in Herbesthal, zur Ein-
sichtnahme offen. ü
Eventuelle Einsprüche oder Bemerkungen müssen den
Bürgermeister- und Schöffenkollegien schriftlich vor
dem 24. Juli 1995 zugesandt oder können mündlich
vorgebracht werden bei der öffentlichen Abschlußsit-
zung der Bürgermeister- und Schöffenkollegien am
24. Juli 1995, um 11.00 Uhr.
EUPEN, LONTZEN, den 13. Juni 1995
Für die Bürgermeister- und Schöffenkollegien:
Eupen Lontzen
gez. R. BAUER, gez. E. FRANSSEN,
Stadtsekretär Gemeindesekretär
gez. A. EVERS, gez. A. LECERF,
Bürgermeister Bürgermeister
Bekanntmachung im Grenz-Echo vom 21.6.1995
36
I n. Aachen ZZ) Neutral-Moresnet
N Gemmenich 7 Autobahn E 40
£ Y — —— Grenzverlauf
Ms / Zi nach 1816
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123 4 im n. Malmedy
Von der Baraque Michel bis zum Dreiländereck
Die Demarkationslinie folgt nun den Grenzen des Kantons
Malmedy einerseits und der Kantone Stavelot, Spa und Limburg
andererseits bis zu dem Punkt, wo der Kanton Malmedy das
"Roerdepartement" berührt (Art. 8).
Weiter nördlich folgt die Grenze erst der Hill bis zum "Bitzel",
dann dem Waldrand bis zur Weser und zu dem Punkt, "wo auf
dem rechten Ufer die ehemalige wohlbekannte Grenze der
Gemeinde Membach im Canton Limburg hinanreicht" (Art. 10).
Der genannte "Bitzel" (oder Betzelbach), ist ein von der Hill
abgeschleustes Gerinne, daß durch den Wald auf die Fabrik "de
Schliep" (ehem. Tuchfabrik Gülcher u. Sternickel) zufließt.
37
Die Hill, früher schon Grenzbach zwischen Limburg und
Luxemburg, wurde nun zur Landesgrenze, blieb aber laut Art. 11
des Vertrages, entgegen den übrigen grenzbildenden Wasserläufen,
auf ihrem gesamten Lauf "ausschließlich Eigentum Seiner Majestät
des Königs von Preußen dergestalt, daß das linke Ufer dieses
Baches die Grenze bilde, jedoch so, daß dieses Ufer dem
Königreich der Niederlande ganz angehöre." Diese Regelung
wurde getroffen, weil Preußen den Eupener Tuchfabriken die
uneingeschränkte Nutzung des Hillwassers sichern wollte.
Der östlichen Grenze der Gemeinde Membach folgend, erreicht
die Demarkationslinie die "Eupen'sche Chaussee" auf Gemehret
(alter Grenzstein P-B Nr. 186, etwa 600 m vor der Autobahn), die
zum "Weißen Haus" führt (Art. 15), um anschließend in einem
scharfen Rechtsknick, der Landstraße Lüttich-Aachen folgend, in
Richtung Kelmis/Aachen abzudrehen.
Die "Eupen'sche Chaussee”, die heutige Neutralstraße, durch-
schnitt die westlichsten Gebietsteile von Welkenraedt und Henri-
Chapelle, so daß nun, nachdem die Chaussee zur Staatsgrenze
bestimmt worden war, diese Ortsteile (Herbestal, Grünstraße,
Weißes Haus) an Preußen fielen. Die Chaussee selber, "in so weit
sie durch den vorigen Artikel als Grenze erklärt worden ist, oder
durch nachgehende Verfügungen als Grenze erklärt werden wird,
soll beiden Staaten gemeinschaftlich zustehen. Ihre Unterhaltung
und ihre Ausbesserung sollen auf gemeinschaftliche Kosten be-
stritten werden ... Da diese Straße beiden Staaten gemein ist, so
soll sie beiderseits von Erhebung aller Zoll- oder anderer Abgaben,
das Heckgeld (= Wegebenutzungsgebühr) ausgenommen, befreit
sein. Es soll sogar den Zollbedienten beider Regierungen untersagt
sein, irgend eine Durchsuchung, Besichtigung oder sonstige
Amtsverrichtung dort auszuüben" (Art. 16).
Welche Schwierigkeiten bei der Grenzziehung sich im Bereich
von Kelmis ergaben, wissen wir aus der Geschichte von Neutral-
Moresnet. Das bedeutende Zinkerzvorkommen dieses Ortes ließ
die Grenzfrage zu einer Streitfrage zwischen den Niederlanden
und Preußen werden. Einig waren sich beide darin, daß die Grenze
nordwärts auf den heutigen Dreiländerpunkt bei Gemmenich/Vaals,
den Berührungspunkt der vormaligen französischen Departements
von Ourthe, Roer und Niederrhein, zulaufen mußte. Da jedoch
keine Einigung darüber zustande kam, wie die Artikel 23 und 26
39
ausgehende und zum Dreiländereck bei Vaals gezogene Linie die
Chaussee vom Weißen Haus nach Kelmis bei Gut Jongenbosch
durchschneidet) bis zum Berührungspunkt der drei Departements
bleibt die Demarkationslinie annoch unbestimmt, da beide
Commissionen über die Abteilung der kleinen Parzelle des Can-
tons Aubel, die nach dem Tractat vom 31. Mai und den übrigen
Wiener Congreß-Akten dem Königreich Preußen angehören sollen,
sich nicht haben verständigen können.
Diese Schwierigkeit wird der Entscheidung der resp.
Regierungen anheimgestellt, und es bleiben ihnen die fernerweiten
Maßregeln überlassen, die zur Beilegung derselben am
zweckmäßigsten scheinen möchten.
In Erwartung dieser Entscheidung soll die provisorische Grenze
durch die Moresnetsche Gemeinde dergestalt gebildet werden, daß
derjenige Teil dieser Gemeinde, der auf der linken Seite einer vom
Berührungspunkte der drei Cantons bis zum Berührungspunkte
der drei Departements zu ziehenden geraden Linie, belegen ist, in
allen Fällen dem Königreich der Niederlande angehören, hingegen
der auf der rechten Seite einer von den Grenzen des Eupenschen
Cantons gerade von Süden nach Norden, bis zum selbigen
Berührungspunkte der drei Departements zu ziehenden Linie
liegende Teil in allen Fällen dem Königreich Preußen angehören;
und daß endlich der zwischen jenen beiden Linien belegene Teil
derselben Gemeinde, als der einzige, der vernünftiger Weise streitig
gemacht werden könne, einer gemeinschaftlichen Verwaltung
unterworfen und von keiner der beiden Mächte militärisch besetzt
werden soll; alles dieses unbeschadet dessen, was in Ansehung
des zwischen der Heerstraße und dem Canton Eupen enthaltenen,
durch den vierzehnten Artikel dem Königreich von Preußen bereits
abgetretenen Teils von Moresnet bereits oben festgesetzt worden
(Art. 17).»
Die folgenden Artikel beschreiben den Grenzverlauf nordwärts
durch Rolduc und Kerkrade, wobei die Steinkohlengruben
besondere Beachtung finden. Nördlich Rolduc bildet die Wurm
die Grenze, und zwar bis zu dem Punkte, wo sie die Departements
von Nieder-Maas und Roer erreicht.
Sittard, Roermond, Venlo, Gennep und Mook sind die weiteren
Stationen der Grenze, die von Roermond bis Mook der Maas folgt.
Allerdings legten die Niederländer großen Wert darauf, daß die
Dep NIEDER -MAAS Dep. ROER
8 Berührungspunkt der
‚drei Departements
! S
Gemenich & Dep. OURT! |
|
| Sy .
X
| A
Kanten Aubel |] fe
Moresnet + | C
Altenberg
Montzen & A |
DE PS < Kantan Eupen
. } N
4 a Berührungspunkt
z1ricn A Weiss-Haus ] der drei Kantone
Heinrichs N
‚Kapetle a
herdesthat
—#—#—-— Departements - Grenzen.
—0—0— Kantons -Grenzen
X +—— AB Grenzzug nach Art. 23
a ——-—MNB Grenzzug nach Art, 26
des Wiener Kongreßprotokelies|
x A
> A
Kanton Limburg De
8 Se
Das umstrittene Gebiet von Kelmis. In derSchlußakte des Wiener Kongresses
wurden die Artikel 23 bzw. 26 des Protokolls zu Art. 25 bzw. 66
42
Von besonderer Bedeutung für unser Gebiet ist neben Art. 17,
der "Geburtsurkunde" von Neutral-Moresnet, Art. 31, in dem
festgelegt wird, daß eine Veränderung der Oberherrschaft oder der
Regierung die dem Herrn Dony und Comp. zur Galmeinutzung
zugestandenen Rechte in keiner Weise schmälern solle; die ihnen
zugestandene Konzession solle in allen Fällen unangetastet bleiben
"und fortwährend dieselben Vorrechte genießen, die ursprünglich
damit verbunden gewesen sind". Andererseits blieb die Galmei-
Konzession des Altenbergs den eingegangenen Verbindlichkeiten
unterworfen und namentlich der Verpflichtung, "die in den Staaten
der beiden contrahirenden Mächte angelegten Kupferfabriken zu
den in der Concessions-Acte festgesetzten Preisen mit Galmey zu
versehen".
Die Schwierigkeiten, die sich aus der neuen Grenzziehung für
Tuch- oder sonstige Fabrikanten, die in beiden Staaten von einander
abhängige Anlagen besaßen, ergeben konnten, wurden in einem
Anhang zum Aachener Vertrag besonders geregelt, so daß "den zu
Aachen, Burtscheid, Eupen, Heinsberg und in anderen Ortschaften
an der Preußischen Grenze angesessenen Fabrikanten" ein
ungehinderter, zoll- und abgabenfreier Verkehr mit ihren im Gebiet
Seiner Majestät des Königs der Niederlande gelegenen Werkstätten
und wohnhaften Arbeitern zugestanden wurde.
Am Niederrhein wurde die alte holländische Grenze der
Vorfranzosenzeit, d. h. die Grenze zwischen den Vereinigten
Provinzen und dem Herzogtum Kleve, zur Staatsgrenze
Niederlande-Preußen, wobei allerdings der eine oder andere
Gebietstausch sich als sinnvoll erwies. Weiter nach Norden war
nicht mehr Preußen, sondern das Königreich Hannover
Grenznachbar der Niederlande.
Während der Aachener Grenzvertrag vom 26. Juni 1816 so die
Grenze zwischen Preußen und dem "belgischen" Gebiete festlegte,
geschah dieses für die Demarkation zwischen Preußen und dem alt-
holländischen Gebiete im Vertrag von Kleve, am 7. Oktober 1816.
Die beiden Regierungen tauschten die Ratifikationsurkunden
des Aachener Grenzvertrags am 16. September 1816 in Kleve aus,
während der feierliche Gebietsaustausch der "gegenseitig
abgetretenen, oder vertauschten, oder noch zurückzugebenden
Ortschaften" (Art. 40) am 24. Februar 1817 in Maastricht vor-
genommen und am nächsten Tage wirksam wurde.
43
Im vorletzten des 43 Artikel umfassenden Aachener Vertrages
wird bestimmt, daß innerhalb von 14 Tagen nach erfolgter
Räumung bzw. Gebietstausch mit der Errichtung von Grenzpfählen
begonnen werden solle. Wörtlich heißt es:
"Diese Grenzpfähle sollen von Eichenholz sein, 12 Rheinl. Fuß
Länge haben, (Anm. :der rheinländische Fuß mißt 0,31385 m; dies
ergibt eine Länge von 3,76 m), 8 Fuß über der Erde und 4 Fuß
unter der Erde stehen; sie sollen viereckigt sein; der Teil unter der
Erde muß wenigstens 12, der über der Erde 8 Zoll Dicke haben
(Anm.: ein Zoll= 2,615 cm: 12 Zoll entsprechen 31,38, 8 Zoll
sind 20,92 cm); sie sollen auf der Preußischen Seite schwarz und
weiß, und auf der Niederländischen Seite orange und weiß
angestrichen werden; sie werden mit Nummern versehen.
Es sollen so viele Grenzpfähle gesetzt werden, als die
Commissarien zur deutlichen Bestimmung sämtlicher Grenzteile
für nötig erachten. Da, wo ein Fluß oder Straße die Grenze macht,
sollen jedesmal zwei Grenzpfähle gesetzt werden, nämlich der eine
auf Preußischer, der andere auf Niederländischer Seite; diese
beiden Pfähle sollen nur mit einer einzigen Nummer versehen und
blos mit der für das respective Gebiet angenommenen Farbe
angestrichen werden."
| . , Bsfanngma dig, |
Die zur Bezeichning der Orenzlinie zwifchen din Königlich Preußischen” und den Königlid NM. 69.
Miederländifhen‘ Sraaten von dem Kreife St. Biih bis zum Kreife Erkelenz erforderlichen (lade
Grenzpfähle, vorläufig auf % N
859 Stüg Ss a
Feftgefeht, folen ‚in einem auf den 28, d. M.; Vormittag 10 Uhr, In dem’ Negierungs:Ger .
b4ude angefehten Termine an:den Mindeftfordernden in BVerding gegeben werden, zu welchem
hiermit Bierungsluftige, die fidh Hinfihtlidh einer verhältnifmäßig zu .leiftenden Sicherheit
augweifen öpnen, eingeladen, werden, , €
Die nähere Befchreibung diefer Pfähle, die Zeit der Ablieferung, ‚fo wie die dem Verding
zum Grunde zy Kegenden, Bedingungen, follen, pen Lieferanten in dem gedachten, Termine
uiher belannt gemacht, werben...
Indeß Fönnen fich die Bietungsluftigen fhon von.jegt an, auf dem Sekretariat der Megies
zung darüber inftruiren, }
Machen, den a1, Februar 1617, 4
; Königl.' Preuß. Meglerung, erfe Ybehellung,
Die Bekanntmachung der ''Verdinggabe'' im Amtsblatt der Regierung zu
Aachen
44
In Ausführung des Artikels 42 des Vertrages sollte, wie oben
dargelegt, schon innerhalb von 14 Tagen nach der erwähnten
Räumung und Übergabe mit dem Setzen von Grenzpfählen
begonnen werden. Da jedoch die "Verdingung" der immerhin recht
umfangreichen Arbeiten erst am 28. Februar 1817 stattfand, zögerte
sich die Abpfählung der neuen Grenze noch einige Zeit hinaus.
Drei Unternehmer hatten dazu Angebote eingereicht, doch selbst
das Angebot des Mindestfordernden, das bei 26,50 F pro Pfahl lag,
schien der Regierung zu hoch. Erst am 22. Oktober 1817 konnte
der preußische Grenzregulierungskommissar von Bernuth der
Regierung mitteilen, "daß die Abpfählung der Grenze zwischen
dem Königreich Preußen und dem Königreich der Niederlande von >
der französischen bis zur hannoverschen Grenze beendet ist" (2).
Laut Bernuth hatte man im Regierungsbezirk Aachen 442 Pfähle
gesetzt. Diese waren durchlaufend numeriert; unter Berück-
sichtigung der doppelt gesetzten Pfähle stand Pfahl Nummer 1 an
der Mosel, Nummer 359 bei Mook.
Eine Zählung ergab jedoch, daß 450 Pfähle gesetzt worden
waren.
Eine sich lange hinziehende Kontroverse entstand, als die
Regierung, sich auf Angaben der Bürgermeister der Grenz-
gemeinden stützend, am 18.4.1819 in einem Revisionsprotokoll
zu dem Schluß kam, der Unternehmer habe nur 378 Pfähle gesetzt
und es stehe ihm nur die Zahlung für diese Anzahl zu, worauf der
Regierungskommissar von Bernuth doch auf Zahlung von 450
Pfählen drängte, da dem Unternehmer wegen der geringeren
Anzahl Pfähle kein Abzug zugemutet werden könne. Von Bernuth
beruft sich auf den Bauinspektor Rössler, der bei der Aufstellung
zugegen gewesen sei und bezeugen könne, daß die Grenzpfähle
alle gestanden haben und daß sie vertragsmäßig geliefert und
aufgestellt wurden. Rössler habe keine Nachsicht zum Vorteil des
Unternehmers walten lassen.
Außer Bauinspektor Rössler konnte dies auch der "Conductor"
(=Bau-Aufseher) Lemmens aus Jülich bezeugen, der die
Entfernung zwischen den einzelnen Pfählen genau vermessen hatte.
Anschließend waren diese in ein Croquis und in die
Hauptgrenzkarte eingetragen worden.
So wären also zwischen dem 22. Oktober 1817 und dem 14.
April 1819 nicht weniger als 72 Pfähle abhanden gekommen. Von
45
Bernuth schreibt dies der Witterung sowie dem Frevel und dem
Mutwillen der Grenzbewohner zu, wofür man den Unternehmer
nicht verantwortlich machen könne.
ES
B A
So sah der Anstrich der | 8 3 4 8 5 |
Grenzpfähle aus: Da b
schwarz, weiß und orange 5 N ‚8
| 8
ZZ LES CANTONS DE L'EST
Die Regierung entschloß sich &- REGION DE FRONTIERES
nun endlich, dem Unternehmer | DIE OSTKANTONE
(van Linden, aus der Nähe von GRENZREGION
Nijmegen) den noch ausstehenden 47
Restbetrag zu zahlen, unterrichtete a 2
jedoch den Provinzgouverneur @ 8
von Lüttich über die ı A
Grenzrevision und die angeblich
fehlenden Pfähle. Sie schlug auch |
vor, dieselben so schnell wie IX 3 ;
möglich auf Kosten beider Staaten |
zu ersetzen und in Zukunft die :
Grenzgemeinden für die 4
Wiederherstellung aller mutwillig
und boshaft zerstörten Pfähle aufkommen zu lassen.
Eine Überprüfung der Grenze durch die niederländische Seite
ergab, daß alle Grenzpfähle unbeschädigt vorhanden waren, so
daß vermutet werden konnte, daß die preußischen Bürgermeister,
auf deren Zählung ja der frühere Revisionsbericht fußte, "nicht
mit der nötigen Sorgfalt und Genauigkeit" vorgegangen waren.
Ein zu Emmerich a. Rh., am 23. September 1818, von den
Vertretern der beiden Staaten unterzeichnetes Grenzprotokoll
beschreibt die neue Grenze im einzelnen und gibt die Lage der
einzelnen Grenzpfähle an. Diesem "Allgemeinen Protokoll der
Demarkationslinie zwischen den Königreichen der Niederlande
und Preußen" sind 61 Skizzen und 40 Pläne beigefügt, die das
Resultat der Grenzziehung veranschaulichen.
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Der belgische Doppelstein Nr. 186 auf Gemehret. Das preußische
Gegenstück auf der gegenüberliegenden Straßenseite ging 1963/64 bei
Straßenarbeiten verloren.
Wenn auch zur Anfertigung der Grenzpfähle solides Eichenholz
verwendet worden war, so machten sich doch bald negative
Witterungseinflüsse bemerkbar. Auch wurden einzelne Pfähle
entwendet.
48
Schon 1820 erwog man deshalb, beschädigte oder entwendete
Pfähle durch Steine zu ersetzen. Es sollte jedoch noch bis 1839
dauern, ehe die ersten Holzpfähle steinernen Grenzzeichen Platz
machten (3). Dazu gehörten im Kreis Eupen, wo insgesamt 44
Holzpfähle (Nr. 158 bis 187) gesetzt worden waren, die Nummern
158, 168, 174, 176, 178, 179, 183 und 186. Der letztgenannte Stein
steht an der Landstraße Eupen-Weißes Haus, auf der Höhe von
Gemehret. )
Ursprünglich war diese Nummer in doppelter Ausführung,
einmal auf preußischer und einmal auf belgischer Seite, aufgestellt
worden. Nur der "belgische" Stein ist noch erhalten (4).
Um die Kosten für die Grenzsteine möglichst niedrig zu halten,
wurden nur die Hauptpunkte mit "großen Steinen" versehen, d. h.,
daß solche nur dort gesetzt wurden, wo zwei Steine sich
gegenüberstanden (Winkel, Grenzflüsse, Hauptstraßen).
1845 waren von den Doppelpfählen auf preußischer Seite die
Nummer 181 (am Giesberg), auf belgischer die Nummern 173
(an der Weser), 180 (an der Gemeindegrenze, am Weg von
Stendrich nach Membach) und 184 (am Garnstock) nicht mehr
vorhanden und durch Steine zu ersetzen. Ebenfalls zu ersetzen
waren die schadhaften Doppelpfähle 179, an der Ostgrenze von
Membach, am Stadtbach, auf preußischer und 183 (zwischen Gut
Röreken und Garnstock) auf belgischer Seite.
Auch eine Reihe einfacher "Läufer", die unmittelbar auf der
Grenze standen, waren schadhaft und mußten ausgewechselt
werden, und zwar die Nummern 169, 170 und 171. Alle drei stehen
am Rande des Hertogenwaldes.
„1847 gab die Regierung die Anweisung, nur die fehlenden Pfähle
durch Steine zu ersetzen. Dort, wo die Steine direkt auf die Grenze
zu stehen kamen, setzte man kleinere, sog. Läufer. Bis 1856 war
im Kreis Eupen der gesamte Grenzverlauf durch Steine
gekennzeichnet (5).
Eine Ausnahme bildete nur das neutrale Gebiet von Moresnet
mit den Pfählen 188 bis 193 (in doppelter Ausführung, da die
Westgrenze mit Belgien, die Ostgrenze mit Preußen gemeinsam
war). Erst 1869-70 wurden auch hier Grenzsteine gesetzt. Damit
wurde der Grenzpfahl Nr. 188 in Kelmis-Hoof bzw. an der Lütticher
Straße auf der Höhe des "Heygraben" durch den Grenzstein Nr. I
bzw. Nr. LX (=60) des neutralen Gebietes ersetzt.
49
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170cm 125 cm |
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Z N Borne carree a coins coupes
Bomne octogonale
Im Kreis Eupen gab es zwei Typen von Grenzsteinen, achteckige (170 cm
hoch) und viereckige (120 cm hoch).
Nach einem Bericht des Bauinspektors Cremer vom 30.
September 1847 an die Regierung in Aachen sollte im Kreis Eupen
nur eine einzige Hauptsäule errichtet werden, und zwar an dem
heutigen Dreiländereck Vaals-Gemmenich-Aachen. Cremer weiß
auch von einem eisernen Pfahl auf niederländischer und von einem
hölzernen Pfahl auf belgischer Seite, die dort seit kurzer Zeit stehen,
zu berichten (6) .
Am Berührungspunkt von Belgien, Deutschland, den
Niederlanden und Neutral-Moresnet standen 1850 drei hölzerne
Pfähle. 1853 setzte man die Hauptsäule, den Stein Nr. 193, erst an
einer verkehrten Stelle. Erst 1860 wurde der Irrtum berichtigt (7).
51
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Grenzstein Nr. I des neutralen Gebietes von Moresnet
Randnotizen zu den Aachener Verhandlungen (8)
Wie man gesehen hat, waren die bevollmächtigten Unterhändler
nur in einem kurzen Grenzabschnitt nicht zu einem beide Seiten
befriedigenden Ergebnis gekommen, so daß einzig das Problem
"Neutral-Moresnet" für hundert Jahre ungelöst bleiben konnte.
Beiderseits hatten Konzessionen gemacht werden müssen und noch
53
vor Unterzeichnung des Vertragswerks kam von preußischer Seite
der Wunsch nach Nachbesserungen auf.
So berichteten die preußischen Vertreter bei den Aachener
Grenzverhandlungen, Friedrich-Wilhelm von Bernuth und Johann-
Albert Eytelwein, der Aachener Regierung am 9. Juni 1816, in 8
bis 10 Tagen seien die Grenzberichtigungen gegen Belgien (9)
von der französischen Grenze bis nach Mook an der Untermaas
so weit abgeschlossen, daß der darüber entworfene Grenzvertrag
der Regierung zur Genehmigung eingesandt werden könne. Daran
anschließend werde man sich zur holländischen Grenze begeben,
um auch dort die Grenzregulierung von Mook bis zum Rhein
fortzusetzen und zu vollenden.
Da die beiden Bevollmächtigten der Meinung waren, am
Niederrhein werde sich vielleicht die Gelegenheit bieten, "den
Holländern ohne diesseitigen Schaden gewünschte Vorteile
zuzugestehen", schien es ihnen ratsam zu sein, die dafür ein-
zutauschenden gleichwertigen Gebietsteile in der hiesigen Gegend
zu verlangen, um dadurch "hin und wieder eine noch bessere
Grenze zu erhalten". In diesem Sinne baten sie die Regierung um
Äußerung darüber, "welche Grenz-Gegenstände für die hiesige
Gegend als die wünschenswertesten zu betrachten sein dürften".
Die beiden Kommissare glaubten dabei bemerken zu müssen,
"daß wir den getroffenen Übereinkommen zufolge das Eigentum
und den Besitz desjenigen Teiles vom Canton Aubel und Limburg
bereits erhalten, der zwischen den Grenzen des Cantons Eupen
und der Chaussee von Eupen nach Aachen gelegen ist, so wie
auch den freien und ungehinderten Gebrauch dieses Chauss6e-
Weges, der gemeinschaftlich bleibt und künftig die Grenze bilden
wird ..."
"Daß Gemmenich den Belgiern hat übergeben werden müssen",
schreiben Bernuth und Eytelwein, "ist einer Königlich
Hochlöblichen Regierung bekannt (10). Ebenso fällt Moresnet
außerhalb der preußischen Linie und ist nur der Teil dieser
Gemeinde noch streitig, der den Galmey-Berg umfaßt. In Absicht
dieses Galmey-Berges haben wir uns jedoch mit den belgischen
Commissarien nicht einigen können, haben vielmehr diesen Punkt
den wechselseitigen Gouvernements zur Entscheidung überlassen
müssen. Behält Preußen den Galmey-Berg, was wir nach unserer
Überzeugung glauben, dann wird man auch Moresnet, wo möglich
54
auch Gemmenich, zurück zu erhalten suchen müssen. Sollte jedoch
wider alles Vermuten der Galmey-Berg dem belgischen Gouver-
nement zugestanden werden, dann scheint der Besitz der
Gemeinden Moresnet und Gemmenich für Preußen weniger Wert
zu haben, und werden dann die Belgier diese Gemeinden wohl
nicht fahren lassen wollen. In diesem Fall wird es dann auf die
Frage ankommen, wo die Rundung der Grenze am
wünschenswertesten sein wird."
Schließlich baten die Kommissare um Angaben zu den
Bevölkerungszahlen, dem Steueraufkommen und dem Wert etwa
vorhandener Erzvorkommen, damit sie "die diesseitigen Opfer am
Unter-Rhein einigermaßen dagegen balancieren" könnten. ®
Regierungsseitig scheint man wenig Hoffnung auf Erfolg im
Sinne von Bernuth und Eytelwein gesehen zu haben. Die Zeit
und "die Unbekanntschaft mit der Lage der Grenz- Verhandlungen
werden also umfassende Anträge nicht verlangen lassen", so die
Antwort. Moresnet und sein Gebiet empfehle sich Preußen von
selbst; es werde den Belgiern nicht so wichtig sein "als diesseiten".
Der Traktat (=Vertrag) scheine auch Stoff zur Verhandlung zu
lassen.
Wenn aber Moresnet und die Galmeiberge verloren gingen, so
sei die Chauss&e eine verläßliche gemeinschaftliche Grenze,
wodurch man Kelmis (11), das sonst zu Moresnet gehörte, erhalten
könnte.
So peinlich es für Aachen sei, die Grenze so nahe rücken zu
sehen, so unangenehm sei es für Eupen, das auch sehr unschicklich
auf der Grenze liege.
Nach einigen weiteren Erwägungen zu möglichen
Grenzkorrekturen heißt es abschließend, halb resignierend, in dem
Schreiben der Regierung: "Doch da so große Interessen die
Grenzen der Völker festlegen, und diese uns von der Maas
abgehalten haben, so wird es auch auf ein Dörfchen mehr oder
minder nicht ankommen dürfen."
Um festzustellen, wo im einzelnen Korrekturen am Grenzverlauf
wünschenswert wären, ließ die Kgl. Regierung am 18. Juni 1816
die provisorischen Landräte der Kreise Geilenkirchen, Heinsberg,
Aachen und Eupen unter dem Vorsitz von Regierungskommissar
Schiebel zusammenkommen und ihnen "unter dem Siegel der
Verschwiegenheit" eröffnen, "daß sich vielleicht Gelegenheit
55
darbieten würde, bei Regulierung der Grenze mit Belgien durch
Abtretung von Königlich-Preußischer Seite an anderen Punkten
der Grenze für die Grenz-Kreise des hiesigen Regierungs-Bezirks
nützlichere Arrondissements einzudeutschen."
Die Landräte sollten sich dazu äußern, welche Grenzkorrekuren
sie als für das Interesse ihrer Kreise "als vorzüglich oder
unumgänglich" erachteten.
Ferner wurden sie gebeten, Angaben zu liefern über
- die Einwohnerzahlen ("Volksmenge")
- das Steueraufkommen und
- den mineralischen Wert hinsichtlich der etwa vorhandenen
Berg- und Hüttenbetriebe oder der vorhandenen wertvollen
Mineralien.
Alle vier Landräte erklärten, zu den letzten drei Fragen erst
genauere Auskünfte einholen zu müssen. Hinsichtlich der von
ihnen gewünschten Grenzverschiebungen wollen wir in diesem
Rahmen nur auf die Äußerungen der Landräte von Eupen und
Aachen, von Scheibler und von Strauch, eingehen, da nur diese
unser Thema berühren. Dazu vermerkt das Protokoll:
"Hierauf erklärte Herr von Scheibler, daß die Überkommung
der belgischen Gemeinden Membach und Gemmenich zum Ar-
rondissement des Kreises sehr nützlich und nötig sei, indem diese
Gemeinden, so wie Moresnet, mit dem Hauptorte des Kreises die
deutsche Sprache gemein hätten und sie auch ein ähnliches
Interesse verbände."
Bei dem "ähnlichen Interesse" handelte es sich um eine
wechselseitige wirtschaftliche Abhängigkeit, die folgendermaßen
beschrieben wird:
"Rücksichtlich der Gemeinde Membach ist bemerkenswert, daß
die Einwohner von Eupen daselbst einen Teil ihres Getreides
mahlen lassen müssen, indem es in Eupen selbst nur eine einzige
Mahlmühle gibt, welche für den Gebrauch des Ortes nicht
hinreichend ist; ferner daß verschiedene Fabrikanten aus Eupen
in Membach Mahl- und Raspelmühlen besitzen und fast alle
dortigen Einwohner für die Fabriken des Kreises beschäftigt sind.
Rücksichtlich des Besitzes von Gemmenich würden wir durch
denselben auch den Besitz eines ansehnlichen Teiles des daselbst
befindlichen sogenannten Preus-Waldes erlangen, wovon ein Teil
der Gemeinde Gemmenich gehört, und wäre nicht außer Acht zu
56
lassen, daß der Wohlstand der Einwohner einzig von dem Verkehr
mit Preußen abhänge, so wie andererseits Aachen und die
umliegende Gegend sein Approvisionnement an Butter, Käse und
Fleisch ausschließlich aus dieser Gegend erhalte, so wie sie
hingegen wieder ihren ganzen Körner-Bedarf von uns bezögen."
Weiter drängte der Eupener Landrat darauf, daß wenigstens ein
Teil des Hertogenwaldes, und zwar das Gebiet links der Eupen-
Malmedyer Straße bis zum sog. Jägerhaus Heistenberg (Hestreux),
bei Preußen verbleiben müsse, da sonst der größte Teil des Kreises
in der Versorgung mit Brennmaterialien von Belgien abhängig sei.
Der Aachener Landrat Strauch sah auch für seinen Kreis die
Angliederung Gemmenichs als wünschenswert an und dies nicht
nur wegen des Approvisionnements der Kaiserstadt mit Butter und
Käse, sondern auch, weil dort, wie in Moresnet, Burtscheider und
Aachener Fabrikanten Walk- und Spinnmühlen besäßen.
Er fügte noch hinzu, daß, wenn; wie verlautete, die sogenannte
Bonaparte- oder Gouvernements-Grube bei Belgien verbliebe, alle
die auf preußischem Gebiet bei Herzogenrath befindlichen
Kohlengruben von Belgien abhängig bleiben würden.
Die "Herren Komparenten", d. h. die vier Landräte, erklärten
abschließend, daß sie nicht mehr beizufügen hätten und ver-
sprachen, "über den verhandelten Gegenstand das tiefste
Stillschweigen zu beachten" sowie die erbetenen Berichte
"schleunig und mit möglichster Genauigkeit beizubringen."
Nur fünf Tage nach diesem Treffen ließ der Eupener Landrat
von Scheibler der Aachener Regierung die erbetenen Auskünfte
zugehen. Dabei wiederholt von Scheibler die an ihn gestellten
Fragen und hebt hervor, daß er sie, wie verlangt, "schriftlich, aber
eigenhändig" beantworte. Nicht ohne einige Schwierigkeiten habe
er sich die zur Beantwortung erforderlichen Nachrichten beschafft,
doch dürfe er sich nun auch damit schmeicheln, daß dieselben "so
bestimmt wie möglich" seien. Im einzelnen führt von Scheibler
aus:
Membach
"Die Bevölkerung dieser zunächst bei Eupen gelegenen und
rücksichtlich ihres Grundeigentums sehr beschränkten Gemeinde
beträgt nach der am 1. Januar d. J. gemachten Aufnahme 699
Seelen.
57
Sie bezahlt für das laufende Jahr
1. an Grundsteuer fr. 1491
2. an Personal und Mobilarsteuer fr. 1084
3. an Türen- und Fenstersteuer fr. 454
4. an Patent- oder Gewerbesteuer fr. 106
und an Zusatzcentimen auf jeden Franken
- für Grundsteuer 31 1/3 cts
- für Personal- und Mobilarsteuer 43 cts
- für Türen- und Fenstersteuer 10 cts
Bergwerke und Hüttenbetriebe hat Membach nicht, jedoch sind
Spuren von Bleierz daselbst gefunden worden, und will man
behaupten, daß es Galmei daselbst gibt (12).
Gemmenich
Diese Gemeinde enthält 205 Häuser und 1015 Seelen.
Der Steuerertrag für die erste Hälfte des Jahres 1816 ist wie
folgt:
1. für Grundsteuer fr. 4972,80
2. für Personal- und Mobilarsteuer frz 59910
3. für Türen- und Fenstersteuer fr. 161,70
4. für Patentsteuer frsv 132;64
Zusammen fr. 5866,24
Also für das ganze Jahr fr. 11.732,48
Die Zusatzcentimen und Hebegebühren, welche für's ganze Jahr
948,40 fr ausmachen, sind nicht hierin einbegriffen.
Mineralien gibt es weder in Gemmenich, noch in Moresnet,
außer Galmei.
Über das Galmei-Bergwerk könnte ich nichts sagen, was einer
Königlichen Hochlöblichen Regierung nicht schon bekannt wäre.
An der Geul, auf dem Gebiete der Gemeinde Montzen, existierte
ehemals ein beträchtliches Bleibergwerk; das Wasser hat es aber
vor beinahe hundert Jahren überschwemmt. Zwar könnte es
vielleicht wieder in Gang gebracht werden, jedoch nur mit
Bewilligung des Besitzers von Gemmenich, indem alle Kanäle,
welche die Pumpe des Bergwerks in Bewegung setzten, auf dem
rechten Geulufer, mithin auf dem Gebiete von Gemmenich, sich
befinden.
An Waldeigentum besitzt Gemmenich den dritten Teil des
sogenannten Gemeinde-Preuswaldes, der sich von der Landstraße
58
bis an den Weg von Gemmenich nach Vaels erstreckt, und ein
ungeteiltes Eigentum der drei Gemeinden Montzen, Gemmenich
und Moresnet ist. Es besteht in demselben gar keine Grenze
zwischen Gemmenich und Moresnet. Nach dem in letzterer
Gemeinde befindlichen Kadaster enthält dieser Forst in allem 404
Bunder Waldung und 158,1/2 Bunder teils Heide, teils urbar
gemachtes Land, das Bunder zu 400 Ruten gerechnet.
Die Holzverkäufe in diesem Gemeindewalde von 1807 bis 1816
inclusive haben 27.221,80 Franken eingebracht; also eins ins
andere gerechnet jährlich fr 2.722,18, welches zu einem Drittel
für Gemmenich jährlich 907,39 fr ausmachte. Die Grundsteuer
des ganzen Waldes beträgt fr 1100 jährlich‘. $
Die Belgier haben sich zu verschiedenen Malen verlauten lassen,
daß sie Gemmenich wegen der Communication ihrer Mauthen
(Maut(h) = Zoll) zu Vaels mit dem Haupt-Bureau zu Henri-Cha-
pelle nicht entbehren könnten; und wirklich kann man nicht anders
von Vaels nach Henri-Chapelle als über das Gebiet von
Gemmenich; jedoch ist gegenwärtig dagegen zu bemerken, daß,
wenn das sog. Weiße Haus preußisch wird, das Haupt-Bureau wohl
nicht in Henri-Chapelle bleiben kann, sondern nach Clermont oder
gar Battice verlegt werden muß; und dann geht von Vaels nach
Clermont oder Battice der geradeste Weg über Sippenaeken; und
um den Belgiern diese Verbindung zu erleichtern, könnte man den
Weg von Vaels nach Sippenaeken als Grenze zwischen Vaels und
Gemmenich nehmen, wobei Gemmenich nur unbedeutend
verlieren würde (13).
Moresnet
enthält 194 zerstreut liegende Häuser und 939 Einwohner.
Ein Teil dieser Häuser (34 an der Zahl) liegt rechts der
Landstraße von Lüttich nach Aachen (14). Und selbst dann, wenn
man die von den Belgiern vorgeschlagene Meridionallinie als
Grenze nähme, so würden dennoch, wie ich glaube, noch 30 Häuser
von Moresnet, links der Landstraße, preußisch werden.
Würde hingegen eine Linie von dem Vereinigungspunkte der
drei Kantone aus gezogen (15), so würden uns wahrscheinlich links
der besagten Landstraße an 80 Häuser von Moresnet anheimfallen,
also beinahe das ganze Dorf; und so sehe ich nicht ein, was Belgien
so sehr an dem kleinen Reste gelegen sein könnte (16).
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Von Sippenaeken nach Clermont oder Battice?
60
Moresnet bezahlt für die erste Hälfte dieses Jahres
- an Grundsteuer 3.934,72 fr
- an Personal- und Mobilarsteuer 673,71 fr
- an Tür- und Fenstersteuer 346,50 fr
- an Patentsteuer 127,50 fr
zusammen 5.081,98 fr,
also für's ganze Jahr fr 10.163,96.
Die hierin nicht einbegriffenen Zusatz-Centimen und Hebe-
gebühren betragen zusammen fr 769,34.
Rücksichtlich des Mineral- und Forsteigentums von Moresnet
beziehe ich mich auf dasjenige, was ich unter den Rubriken von
Gemmenich hierüber bemerkt habe, indem diese Gemeinden hierin >
ganz gleich stehen."
Soweit der Bericht des Eupener Landrates und soweit unsere
Randnotizen zu den Aachener Verhandlungen.
Entgegen den Erwartungen des Eupener Landrates kam Kelmis
mit dem Galmeiberg, wie Art. 17 des Grenzvertrages vom 26. Juni
1816 festlegte, weder an Preußen noch an die Niederlande, sondern
wurde vorläufig unter die gemeinsame Verwaltung beider Länder
gestellt. Damit fiel ein Teil der ehemaligen Herrschaft Kelmis,
vor allem der eigentliche Kern dieser Herrschaft im Bereich der
Rochus-Kapelle, unter preußische Hoheit und sollte in der
Folgezeit unter dem Namen Preußisch-Moresnet eine eigene
Gemeinde bilden, während der westliche Teil der ehemaligen
"Mairie de Moresnet" erst niederländisch, dann belgisch wurde.
Auch sonst wurden im Bereich des Kantons Eupen keine
Nachbesserungen mehr am Vertragsentwurf vorgenommen. Die
Niederlande verzichteten auf keinen Quadratmeter des
Hertogenwaldes, so daß Eupen in einer ziemlich mißlichen
Grenzlage blieb.
Die politische Grenzziehung von 1816 führte im ehemals
zusammengehörenden Limburger Land auch zu einer sehr
unterschiedlichen Staatsauffassung, einer andersartigen
sprachlich-kulturellen Ausrichtung und zu einer Grenze "in den
Köpfen", d.h. zu "Narben der Geschichte", die in der Folgezeit
mehrmals schmerzvoll aufbrechen sollten und erst im Zeitalter
der fortschreitenden europäischen Integration einen
anachronistischen Charakter angenommen haben. Die damals
61
gesetzten Grenz- und Hoheitszeichen aber gehören zu unserer
(leidvollen) Geschichte und sollten auch der Nachwelt als Teil
unseres kulturellen Erbes erhalten bleiben.
Anmerkungen
1) Die ausführlichste Darstellung der Entstehungsgeschichte dieser Grenze
findet sich in E. M. Klingenburg, "Die Entstehung der deutsch-
niederländischen Grenze im Zusammenhang mit der Neuordnung des
niederländisch-niederrheinischen Raumes 1813-1815", Vlg. S. Hirzel, Lei-
pzig, 1940 (Deutsche Schriften zur Landes- und Volksforschung).
Für die Grenzbeschreibung im Gebiet von Eupen verweisen wir auf G. Loup,
Grenzen in Geschichte und Volkstum Eupens, in "Geschichtliches Eupen",
Bd. VIII, 1974, S. 51-66.
Neutral-Moresnet wird ausführlich behandelt in F. Pauquet, Le territoire
contest& de Moresnet, Verviers 1960.
Der Text des Aachener Grenzvertrages (mit deutscher Übersetzung) findet
sich in der "Gesetz-Sammlung für die Königlichen Preußischen Staaten".
1818. Nr. 1 bis incl. 16, S. 77-98, gedr. in Berlin bei Georg Decker.
Der handschriftliche Originalvertrag in französischer Sprache wird
aufbewahrt im Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz in Merse-
burg, Rechts- und Kulturpolitische Abteilung, Nr. 16.459, Signatur 2.4.1.1II.
2) Hauptstaatsarchiv Düsseldorf, (HStAD), Reg. Aachen, 6673, fol. 54/55
3) Die in dem hierunter (Fußnote 4) zitierten Beitrag vertretene Meinung, die
ersten Steine seien "um 1830" gesetzt worden, beruht auf einem Irrtum, da
die diesbezügliche Anzeige im Korrespondenz-Blatt des Kreises Eupen sich
auf die Lieferung von Kataster- bzw. Gemeindegrenzsteinen bezieht.
4) Ineinem Beitrag über die Grenzsteine in der Zeitschrift des Gemeindekredits,
49. Jg., 1995/1, Nr. 191, S. 39-67, bes. S. 59, Fußnote 53, schreiben Anne
und Jean De Bruyne, die Grenzpfähle 186 und 187 (letzterer steht am Weißen
Haus) seien in dreifacher Ausführung gesetzt worden. Die
Vertragsbestimmung sah jedoch nur vor, daß da, wo ein Fluß oder eine
Straße die Grenze bildete, jedesmal zwei Pfähle mit derselben Nummer zu
setzen waren.
5) Mitteilung der Regierung an das Außenministerium vom 5. Januar 1856
(HStAD, 6677, fol. 280)
6) Die konusförmigen niederländischen Grenzsäulen aus Metall wurden 1843
gesetzt.
7) S.F.-X. Schultheis,, Die Grenzbezeichnung des neutralen Gebietes von
Moresnet und ihre geschichtliche Entwicklung, in "Im Göhltal", Nr. 28, 1981/
1, S. 8-42 und Nr. 29, 1981/2, S. 21-38.
8) HStAD, Reg. Aachen, Nr. 6661
9) Der Begriff "Belgien" ist bedeutend älter als der erst 1830 entstandene
belgische Staat.
10) Gemmenich war bei den Aachener Verhandlungen am 23. und 26. Februar
1816 zu Gunsten der Niederlande aufgegeben worden (Klingenburg, S. 148).
62
11) Mit "Kelmis" kann in diesem Falle nur das heutige Neu-Moresnet mit dem
alten Kelmiser Dorfkern um die Rochuskapelle gemeint sein.
12) Die Blei- und Galmeivorkommen in Membach lagen außerhalb der dem
Chemiker Dony 1805-06 überlassenen Konzession.
13) Die Grenze würde bei Verwirklichung der Vorstellungen von Scheiblers
unterhalb des heutigen Grenzübergangs Vaals -Gemmenich (Wolfhaag) dem
"Chemin du Duc" (Herzogenweg) folgen und den gesamten Besiedlungskern
Gemmenichs Preußen zuteilen. Über Grünebempt und Terstraeten führt der
Weg nach Sippenaeken, von wo aus man über Homburg und Aubel Clermont
erreichen könnte.
14) Es handelt sich hier um das Gebiet der heutigen Ortschaft Neu-Moresnet.
15) Gemeint ist der Berührungspunkt der drei Kantone Eupen, Aubel und
Limburg.
16) Die Schätzung des Landrats "wahrscheinlich an 80 Häuser" von Moresnet ,
kämen zu Preußen, beruht auf den Häuserzahlen von Kelmis beiderseits der
Landstraße Lüttich Aachen, den heutigen Orten Kelmis und Neu-Moresnet.
Das grenzstreitige Gebiet allein zählte 1816 nur rd. 50 Häuser.
Bildnachweis
Die Karten auf S. 35, 36 und 41 sowie die Zeichnung auf S. 60 sind dem in
den Anmerkungen unter 4) erwähnten Aufsatz entnommen, jedoch von uns
modifiziert bzw. korrigiert worden.
Die Karte auf S. 40 stammt - mit anderen Artikelbezeichnungen - aus der
Arbeit von Klingenburg (S. Anm. 1).
Die Karte auf S. 59 (Ausschnitt) wurde herausgegeben von der Jeune Cham-
bre Economique du Pays de Herve.
Fotos, mit Ausnahme von S. 52 unten (Ansichtskarte um 1906) vom Verfasser.
ı 63
HAUS BERGSCHEID IN RAEREN
von Heinrich von Schwartzenberg
A. Einleitung
An der Raerener Hauptstraße (Haus-Nr. 104-108), die von
Raeren-Driesch nach Schossent in südöstlicher Richtung verläuft,
liegt Haus Bergscheid, ein alter Adelssitz. Die vorgenannte Straße
trennte früher die selbständigen Gemeinden Raeren und Neudorf
(1), wobei Bergscheid, an der Südseite dieser Straße gelegen, zu
Neudorf zählte. Haus Bergscheid gehörte Ende des 15. Jh. zu Haus
Raeren und stand im Eigentum der dort ansässigen Familie von
Schwartzenberg. Im Jahre 1519 wurde Bergscheid von Haus
Raeren abgesplissen und kam durch Vererbung an folgende
Familien:
von Breidmar,
von Hirtz gen. Landskron,
von Sombreff, bzw. von Rhoe zu Opsinnich
von Gülpen,
von Hagen und
von Wicherding.
Winand von Schwartzenberg kaufte das Haus im Jahre 1739
und ließ 1753 einen Neubau errichten. So kam Haus Bergscheid
nach gut 200 Jahren wieder an die Ursprungsfamilie von
Schwartzenberg zurück. Die vorgenannten Familien waren alles
angesehene limburgische Adelsfamilien. So steht in der
Einweihungsurkunde der Raerener Annakapelle von 1716 zu lesen:
"Bei der Weihe waren zugegen die sehr edlen Herren von
Wicherding und von Schwartzenberg" (2).
Haus Bergscheid war ein Lehen des Aachener Marienstiftes,
das die Lehnsherrschaft in der Bank Walhorn besaß. Alle Verkäufe,
Geschenke, Übertragungen usw. der Lehnsgüter mußten bei der
Propsteilichen Mannkammer zu Aachen schriftlich niedergelegt
werden. Da die Lehnsregister von 1394-1794 noch im
Hauptstaatsarchiv in Düsseldorf vorhanden sind, ist man in der
Lage, die Besitzer der Lehnsgüter, also auch von Haus Bergscheid,
genau zu kennen (3).
65
Haus Bergscheid, früher auch Berscheid oder Berescheid genannt,
wurde durch Erlaß vom 8.6.1988 unter Denkmalschutz gestellt(4).
B. Bausubstanz (6)
Nordseite (Straßenseite)
Das zweigeschossige steinerne Wohnhaus wird rechts und links
von zwei kurzen Seitenflügeln flankiert. Wohnhaus und Flügel
bilden einen rechteckigen Hof, der zu einem ganz eingefriedeten
Garten hin geöffnet ist. Das Hauptwohnhaus besitzt ein
Krüppelwalmdach, die beiden Flügelbauten je ein Satteldach mit
abschließenden Kaminen. Das Hauptdach ist mit einem großen
Kamin und mit zwei Dachgauben ausgestattet. An den Spitzen
des Daches befinden sich zwei Wetterfahnen mit den Initialen des
Erbauers, WSIB = Winand Schwartzenberg in Bergscheid.
Die äußeren Achsen der Nordseite sind durch die beiden
Seitenflügel verdeckt. Die Mittelpartie weist Tür- und
Fenstergewände mit Stichbögen auf. Links ist ein zugemauertes
Fenster zu erkennen, das auf einen Vorgängerbau hinweist.
Die Giebelseiten der Flügelbauten weisen drei bzw. vier kleine
mit Verschlägen geschützte Rechteckfenster mit Holzrahmen auf.
Südseite
Die Südfassade bildet eigentlich die Hauptfront, die aus zwei
Teilen mit einer sichtbaren Nahtstelle besteht. In einem Teil ist
eine regelmäßige Grundmauer in Blaubruchstein-Ausführung zu
erkennen. Dieser Teil der Fassade besitzt zwei Geschosse und vier
Achsen und Stichbogenöffnungen mit Keilsteinen. Der andere Teil
weist unregelmäßiges Mauerwerk mit drei rechteckigen Fenstern
auf. Ferner sind ein vermauertes Fenster in der Etage sowie ein
schmaler Entlastungsbogen zu erkennen.
Der Hof im Süden wird durch die Wirtschaftsgebäude
eingerahmt.
Südwestseite
An der Südwestseite des Wohnhauses steht ein rechteckiger
Turm mit Walmdach und kleinen Rechteckfenstern, blaustein- oder
holzgerahmt.
66
Schwartzenberg-Wappen mit Jahreszahl 1783 über dem Eingangstor (7)
Der Turm lehnt an das korbbogige Eingangsportal an, das aus
dem Jahre 1783 stammt, wie Jahreszahl und Schwartzenberg-
Wappen im Keilstein anzeigen.
Westseite
Im Westgiebel des Haupthauses befinden sich zwei Öffnungen
des 18. Jh. und Spuren eines ursprünglichen Fensters.
Die Westseite wird von der Traufenseite des westlichen
Flügelbaues sowei von einer Gartenmauer mit Tür abgeschlossen.
Eine Tür mit Stichbogen und ein Fenster mit geradem Sturz sind
an der Traufenseite des kleinen Flügelbaues zu erkennnen.
Ostseite
Im Osten bildet eine niedrige Bruchsteinmauer mit Tür mit
geradem Sturz den Abschluß. In der Nähe, in der Wiese, befindet
sich auch der Brunnen, der früher die Besitzer mit Wasser versorgte.
67
Zusammenfassung
Zusammenfassend kann man sagen, daß das Haus Bergscheid
ein harmonisches Ensemble eines befestigten Hofes, ganz in
Blaustein, aus der Zeit des 18. Jh. bildet. Wenn es in den Urkunden
heißt, daß Winand von Schwartzenberg im Jahre 1753 einen
vollständigen Neubau errichten ließ, so kann dem nicht ganz
zugestimmt werden, denn, wie Reste der Bausubstanz erkennen
lassen, wurden Teile eines mittelalterlichen Baues mitverwendet.
Die letzten Reste des Burgweihers sind vor rund 70 Jahren
trockengelegt worden.
C. Die Besitzer von Haus Bergscheid (8)
Wie bereits erwähnt, gehörte Bergscheid ursprünglich zu Haus
Raeren, das am 13. Oktober 1473 in die Hände der Familie von
Schwartzenberg kam. Nachdem Heinrich von Schwartzenberg in
den Jahren 1483/1484 die Anteile seiner Geschwister an Haus
Raeren teils durch Ablösung gegen Erbrenten, teils durch Kauf an
sich gebracht hatte, war er alleiniger Eigentümer.
1519, Mai 14. C
Nach dem Tode des Heinrich von Schwartzenberg empfängt
Adam von Breidmar als Mann und Sachwalter der Tochter
Guedgen den Hof Bergscheid mit Zubehör.
1522, Mai 5.
Guedgen von Schwartzenberg, die Witwe des Adam von
Breidmar, erhält das Gut, wie sie es von ihrem Vater geerbt hatte.
1522, Aug./Nov.
Guedgen von Schwartzenberg hatte erneut geheiratet, so daß
ihr 2. Ehemann, Johann von Hirtz gen. Landskron, in den Besitz
des Hauses kam.
1559, Sept. 6.
Johann von Hirtz gen. Landskron und seine Frau Guedgen
übertragen ihrem Schwiegersohn Anton von Sombreff mit seiner
Frau Anna von Hirtz gen. Landskron das Anwesen.
68
1566, Mai 6.
Hermann von Gülpen empfängt Bergscheid als 2. Ehemann der
Witwe Anna von Hirtz gen. Landskron.
1594, Dez. 10.
Johann von Sombreff (00 Ursula von Rhoe zu Opsinnich), Sohn
des Anton von Sombreff, kauft für 4000 limburgische Taler den
Anteil seines Bruders Wilhelm an den Gütern zu Bergscheid.
1609/1611
Anfang des 17. Jh. war der Hof geteilt, denn 1611 gehörte ein
Drittel des Gutes der Familie Sander. .
1622, Okt. 10.
Ursula von Rhoe zu Opsinnich verzichtet auf Bergscheid gegen
Wohnrecht und Zahlung einer Rente zugunsten ihrer beiden Söhne
Johann Everhard und Anton von Sombreff sowie ihres
Schwiegersohnes Wilhem von Hagen, Ehemann ihrer Tochter
Maria Katharina.
1624, April 26.
Nach dem Tode des Johann Everhard von Sombreff erhalten
seine Mutter, Ursula von Rhoe zu Opsinnich, und deren Enkelin
Elisabeth von Hagen dessen Anteile.
1650, März 19./Okt. 19.
Elisabeth von Hagen, die Johann Philipp von Wicherding
geheiratet hatte, erhält nach einem Rechtsstreit die Einweisung in
das Gut Bergscheid. Das Ehepaar kaufte anschließend nach der
Einigung die Anteile der übrigen Berechtigten.
1668, Aug. 25.
Wilhelm von Wicherding empfängt Bergscheid, so wie es sein
verstorbener Vater besessen hat. Wilhelm von Wicherding war ein
großer Wohltäter der Kirche in Raeren. Am 29. April 1723 gründete
er zu Bergscheid mit einer Rente von 1200 Patakons Kapitalsumme
zu Lasten seines adligen Hauses und Gutes Bergscheid eine Vikarie.
In der Sakristei der Kirche zu Raeren befindet sich noch ein
Inschriftstein mit seinem Wappen und seinem Todesjahr -1727-(9).
69
1727, Okt. 24.
Heinrich de Princen empfängt Bergscheid als Ehemann der
Maria Elisabeth von Wicherding, der Erbin und einzigen Schwester
des verstorbenen Wilhelm von Wicherding.
1739, April 7.
Winand von Schwartzenberg kauft das Gut Bergscheid
einschließlich-des Platzes Vlieschhage für 1500 Patakons und drei
Pistolen für trockenen Weinkauf und Verzichtpfennig von Heinrich
de Princen. Den Weiher in der Hauswiese erhält der Käufer als
Geschenk.
1740, März 12.
Winand von Schwartzenberg erklärt, daß er Bergscheid nicht
für sich allein gekauft hat, sondern 2/3 für sich, für seinen
Schwiegervater Jan Mennicken-Holley und für seinen Onkel
Lennert Mennicken-Holley, die ihre Anteile auch bezahlt hätten.
Anmerkung
Das Geld wird in dieser Zeit nicht so flüssig gewesen sein, denn
es herrschten schwere Zeiten für die Bevölkerung. Eine
Kriegstruppe löste die andere ab, und es mußten große Mengen
Getreide und Stroh für die Versorgung der Truppen zur Verfügung
gestellt werden. (Siehe auch die nachfolgende Bekanntmachung
vom 18. Dez.1746 (10).
1753/1759
Winand von Schwartzenberg läßt einen umfassenden Neubau
errichten, wie auch die Initialen des Erbauers auf den Wetterfahnen
zeigen:
WSIB 1759 = Winand von Schwartzenberg in Bergscheid -
1759.
1773
Sohn Joh. Leonhard von Schwartzenberg, *21.2.1743,
+13.2.1789, oo Anna Maria Mennicken, relevierte 1773 das Haus
Bergscheid (12). Er war Schöffe und Königlicher Notar der
Hauptbank Walhorn. 1776 kaufte er Haus Raeren zurück (13). Zu
seiner Zeit ist anscheinend das große Eingangstor von Haus
aa mit dem Wappen und der Jahreszahl 1783 erbaut
worden.
ADVERTLENTIE:
53: ingevolghe hd Decret van Syne
A MS Excellentie de dato 14. defer Maendt
GERA die van den Adelen Staet des Her-,
tochdoms Limborch geaut Oorifeert fyn ten e£-
fecte van te moghen nemen by preferentie aen
alle anderen , ende ter‘ Cöncurrentie van de
Quantiteyt , die fy nodich heben voer hunne
Quötte voer de Subfiltentie van de Trouppen,
die in Quartier fyn in” Co Baoniarie van alle
fpecie van Fouragien,by deAdele,Leenmannen,
ende hunne Pachteren, die met denfelven Ade-
len Stact contribueren, mits eenen redelycken
Prjs ‚ende by provifie volghens het Prys, die
elcke fpecie van Fouragien fal hebben-aen de
Marck van Aecken, tot dat anders wordt gedif-
poncert, Adtum den 18. Decembris 1746,
DeBeul
LE
Bekanntmachung vom 18. Dez.1746 (10)
72
1790
Nach dem Tode seines Bruders ging Bergscheid an Johann
Heinrich von Schwartzenberg, *13.11.1752, +28.7.1799 zu
Burtscheid (14). Johann Heinrich war Dr. jur. utr., d. h. Advokat
und Licentiat beider Rechte. Von 1790 bis 1794 war er
Vogteistatthalter der Freien Reichsabtei Burtscheid, die alle aus dem
Herzogtum Limburg stammen mußten (s. Bild in Abschn. D ?).
um 1799 4
Durch die Schwester des Johann Heinrich, Isabella, die mit
Johann Josef Schauff verheiratet war, kam Haus Bergscheid an
die Familie Schauff. Johann Josef Schauff war Schatzheber *
(Steuereinnehmer) zu Raeren. Auch kam über Isabella von
Schwartzenberg die Raerener Lohmühle in den Besitz der Familie
Schauff. Ein Nachkomme des Johann Josef Schauff, der ledig war,
stiftete die Mühle der Allgemeinheit, damit dort ein Hospital
eingerichtet werden sollte, das heute noch besteht (15).
um 1844
Im Jahre 1844 finden wir die Raerener Bürgermeisterfamilie
de Harenne im Besitz von Haus Bergscheid (16).
Weitere Besitzer: um 1900 Johann Josef Schumacher
um 1925 Leonhard Kirschfink, später die
Geschwister Johann und Maria Kirschfink.
Der beigefügte Auszug (s. S. 71) aus den Stammtafeln
Schwartzenberg-Hirtz-Sombreff-Hagen läßt die Verflechtung und
Verschwägerung der Raerener Adelsfamilien erkennen.
D. Rätselhafte Bilder in Haus Bergscheid
Im Herbst 1972 wurden in einem kleinen Zimmer des Hauses
Bergscheid bei Renovierungsarbeiten unter der Tapete verschiedene
Wandgemälde entdeckt und freigelegt. Es handelt sich um Bilder,
die unmittelbar auf den Putz gemalt worden sind. Außer einigen
Landschaften -auf einem Bild ist eine Art Wasserburg zu erkennen-
handelt es sich im wesentlichen um drei Porträts, die an einer Wand
nebeneinander in Medaillons abgebildet sind.
73
Im linken Medaillon (s. Abb.) befindet sich neben der Person
ein Wappen mit dem Zusatz:
Sa AETATIS 62 ANNO 1783 (oder
1788)
= Alter 62 Jahre, 1783 bzw. 1788.
( Im Schild des Wappens ist eine
Art Hausmarke zu erkennen. Der
VEN Schild verdeckt teilweise ein
Malteser- oder Johanniterkreuz.
Leider wurde das Gesicht auf dem mittleren Bild (Altersangabe
32 Jahre) bei der Herstellung einer Unterputzleitung unkenntlich
gemacht. Nur ein Ohr und eine Hand, die ein Buch hält, sind noch
zu erkennen. Es scheint sich um einen Geistlichen oder Gelehrten
zu handeln, wie aus dem Talar bzw. der Kapuze gedeutet werden
kann.
Im rechten Medaillon (s. Abb.) befindet sich neben dem Porträt
ein Wappen mit dem Zusatz:
AETATIS 37 ANNO 1788
N ee) = Alter 37 Jahre, 1788.
6 Me „12) Zentrale Figur im Wappen ist
—_ wieder ein Malteser- oder Johanniter-
( > 2 ' #1 kreuz, das sich in einem von zwei
= Ringen befindet, flankiert von drei
U roten Rosen. Der Schild wird von
einem Engelskopf mit schmük-
kenden Bändern gekrönt.
Um welche Personen es sich bei den drei Porträts handelt, konnte
bisher nicht genau festgestellt werden. Der Versuch, die Personen
anhand der Wappen zu identifizieren, blieb erfolglos. Beim
Stadtarchiv Aachen wurden Wappenbücher aus Aachen und
Limburg ohne Ergebnis durchforscht.
35
Fest steht, daß der Erbauer des neuen Bergscheid, Winand von
Schwartzenberg, im Jahre 1787 verstarb und daß das Haus 1788
im Besitz eines seiner Kinder war.
Es wurden daher vergleichende Untersuchungen angestellt
zwischen den Geburtsangaben der Familienmitglieder der Familie
von Schwartzenberg aus dem Adelskalender und den
Altersangaben auf den Bildern.
Ein Vergleich ergab, daß es sich bei dem rechten Bild
(Altersangabe 37 Jahre) um Johann Heinrich von Schwartzenberg,
geb. Nov. 1752, Sohn des Erbauers des Hauses Bergscheid, handeln
kann.
Viele Betrachter glauben auch im rechten Bild einen typischen
von Schwartzenberg zu erkennen. Nur das auf dem Bild befindliche
Wappen scheint dem zu widersprechen, da die Familie von
Schwartzenberg ja bekanntlich ein Dornenkreuz im Wappen führt.
Da das Grundelement des Wappens ein Malteserkreuz zu sein
scheint, äußerte Professor Kohnemann, Raeren, damals die Ansicht,
daß Johann Heinrich von Schwartzenberg als Statthalter der )
Reichsabtei Burtscheid Mitglied des Malteserordens gewesen sein
könnte.
Eine Identität mit Mitgliedern der Familie von Schwartzenberg
bei den anderen Bildern ist nicht festgestellt worden.
Das rot-weiße Kreuz deutet auch auf das Kreuzherrenkloster
Brandenburg in Aachen-Sief (früher Raeren-Sief) hin, dessen
Mönche ein derartiges Kreuz trugen. Das Kloster war 1788 bereits
aufgehoben. Es wurde 1784 auf Anweisung von Kaiser Joseph II.
geschlossen, wahrscheinlich, weil die Zahl der Mönche nicht mehr
ausreichend war. Die übriggebliebenen Mönche wurden in der
Seelsorge in Raeren und Umgebung eingesetzt (17). Auch die
Geburtsangaben der letzten Mönche von Brandenburg wurden mit
den Altersangaben verglichen. Es ist keine Identität festgestellt
worden.
_ Eine andere Möglichkeit wäre, daß es sich bei den Porträts um
die Mitglieder von angesehenen angeheirateten Familien handelt,
z.B. Mennicken-Holley (damaliger Bürgermeister von Neudorf)
oder Schauff (damaliger Schatzheber = Steuereinnehmer).
Wie dem auch sei, die Frage der Identität ist letztlich ungeklärt.
Wer vermag das Rätsel zu lösen?
76
Anmerkungen
1) Gielen: Raeren und die Raerener im Wandel derZeiten. Eupen 1967., S. 15
2) Gielen, a.a.O., S. 89
3) von Coels: Die Lehensregister der Propsteilichen Mannkammer des Aachener
Marienstiftes. Bonn 1952, S. 1 ff.
4) Bertha: Geschützte Denkmäler und Landschaften an Iter, Göhl und Gülpe.
Kelmis 1994, S. 15
5) Zeichnung vom Verfasser
6) Denkmälerverzeichnis 8. Raeren (Deutschsprachige Gemeinschaft). Eupen .
1990, S.339 ff.
Reiners: Die Kunstdenkmäler von Eupen und Malmedy. Düsseldorf 1935,
S. 170 ff.
Bertha, a.a.O., S. 14/15
Gielen, a.a.O., S. 28 ff.
7) Foto vom Verfasser
8) von Coels, a.a.O., S. 439 ff.
9) Gielen, a.a.O. S. 29/30
Quix: Kreis Eupen. Aachen 1837, S. 164
10) Wirtz: Eupener Land. Berlin 1936, S. 38
11) Kopie Familienarchiv Bern. von Schwartzenberg
12) Quix, a.2.0., S. 164
13) von Schwartzenberg in "Im Göhltal" 54/1994, S. 55
14) Quix, a.a.O., S. 164
15) Gielen, a.a.O.,S. 144ff.
k 16) Gielen, a.a.O., S. 30
17) Gielen, a.a.O., S. 68
18) Fotos von Manfred Kistemann, Aachen, zur Verfügung gestellt von Hubertine
Ritzerfeld, Aachen
Bl
. 0s Hosend a jen Jöhl
von Erich Kockartz
Bauw onbemerkt, jätt open Sij,
kött vor de dütsche Jränz,
loch Hosend a-jen Jöhl vör s£ch, Johrhonderte ad längs.
Manch Fremde wor-et onbekannt,
hau nie dä Nahm jehu-et,
änn wänn, da h&je janz best&mmt,
et niemals heij jesu-et.
Ähl noh d’r Kr&ech wo-ed et jeweckt
uß ‘ne Dornrösjenschloof.
Et Wirtschaftswunder trook noh €,
jebowt wo-ed wat-et jov.
Mänch klenge Buhr kohm net mi-e met,
ku-ent net mi-e existeere,
verkoot bedröft sih Ejendohm
off dong et parzelleere.
De Ställ, die wo-ete ömgebowt,
nöj Wonnunge entstonge,
vöhl Städter wohle och wi wä-er,
now ope Land ens wonne.
Et Dörp €s net mi-e wat et wohr,
d’r Fortschritt hohl net €,
uuß Jatze wo-ete Stroße,
änn bebowt es manche W6&ij.
Mär &e Stöck es noch onberu-et,
me waacht kohm dra ze denke,
de janze Längde va-jen Jöhl,
es noch wi vöhr Johrzehnte.
Wenn jedder Meter wo-ed verkoht,
verplannt of parzelliert:
de Jöhl ku-ent j&nge jähle,
weil se os jo all jehü-et.
78 EEE SE
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DS a a VI - AS
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MT! Bam 3 TS En, Da BA
A SETS
Ein Stück Alt-Hauset: Das Restaurant «Zur Geul»
Dat es änn blievt os Ejedohm,
do j£ht ens j&nge dra,
denn Hosend a-jen Jöhl es &e,
änn dat va Aavank ‘a.
Se fl&ßt noch ömmer höre Wääsch,
1ößt s£ch va jarnex stüre,
än ajene W&jjer ka me noch
de Ente schnatt’re hüre.
Vöhl Lüj di ko-emte &n os Dörp,
sönnt ömmer Fremde bläve,
werr ander hant s£ch ajepaast,
di welle met os läve.
Di Zitt, wu-e me se all jekannt,
dat es Verjangeheet.
Ann manche au-e Hösender
deht dat e beßje leed.
WE
Doch j&dder£nge söll wi währ,
h&ij ooch sing H&met vEnge,
sEch intejriere änn dobbeij
jät jowe Well metbrenge.
Dat voller Stootz hä-e sare kann,
Ejal a wä-em e well:
Ming He&met es, su-e lang £ch läv,
mih Hosend a-jen Jöhl.
Oktober 1994
80
Vor 50 Jahren: Senator Baltus
interpelliert die Regierung
von Alfred Bertha
2 Am9. Januar 1996 verstarb zu Eupen
a im hohen Alter von 92 Jahren Dr. med.
2 An Joseph Baltus. Viele werden ihn nur als
) r Arzt in Erinnerung haben, aber Dr.
2 \ I Baltus hat auch ein kleines Kapitel der
OO Geschichte Ostbelgiens mitgeschrieben
ZZ und sein Tod soll uns Anlaß sein, einige
» A Aspekte der bewegten Nachkriegszeit
4 aufleben zu lassen.
4 Die ersten Parlamentswahlen der
Nachkriegszeit, am 17. Februar 1946,
hatten zunächst zur Bildung einer
Dr. Joseph BALTUS sozialistischen Regierung unter P. H.
(1903-1996) Spaak geführt, der die Kammern jedoch
das Vertrauen versagten. Daraufhin
bildete der Sozialist Achille Van Acker eine sozialistisch-kommu-
nistisch-liberale Koalitionsregierung, der zudem 3 parteilose
"Fachminister" angehörten. Die christlich-soziale Partei hatte zwar
in Ostbelgien einen überragenden Sieg errungen, war aber auf
Landesebene in der Minderheit geblieben.
Das traditionell katholisch wählende Ostbelgien hatte den
Kelmiser Bürgermeister Peter Kofferschläger in die
Abgeordnetenkammer entsandt; durch die im damaligen
belgischen Wahlrecht vorgesehene Kooptation von 44 Senatoren,
davon 22 durch die Provinzen und 22 durch den Senat, kam am
12.3.1946 der aus Montzen stammende, aber in Eupen ansässige
Arzt Dr. Jos. Baltus als kooptierter Senator nach Brüssel. Beiden
CSP- Vertretern war klar, daß sie es nicht leicht haben würden, der
Regierung und den übrigen Parlamentariern deutlich zu machen,
daß die Probleme der "Ostkantone" anders gelagert waren, als die
des Inlandes und folglich auch nach spezifischen Lösungen ver-
langten. In der " Libre Belgique" hatte es Ch. du Bus de Warnaffe
einige Tage vor der Wahl so ausgedrückt: "Der Rest des Landes
81
lebte unter Falkenhausen, die Ostkantone unterstanden Hitler."
Die Probleme, die sich in Eupen-Malmedy stellten, waren
vielfältigster Natur und reichten von den Folgen der
"Säuberungen", der Rückkehr unserer Kriegsgefangenen, den
Klagen der Kriegsgeschädigten aus St. Vith und Malmedy bis zu
Fragen der Sozialversicherung und des Markumtauschs.
Kurz nachdem Van Acker seine Regierung vorgestellt hatte,
konnte man im Grenz-Echo vom 6. April 1946 einen offenen Brief
des Chefredakteurs Henri Michel an den Erstminister lesen. Die
politische Vergangenheit Michels erlaubte es diesem, Klartext zu
reden und geradeheraus zu sagen, "was die Gesamtheit der
Bevölkerung der Ostkantone denkt und was sie von ihrer Regierung
mit begründeter Ungeduld erwartet". Der Grenz-Echo
Chefredakteur brachte als erster die brennendsten Probleme der
Ostkantone, die "Säuberungen", die Kriegsschäden, die
Sozialversicherung und die Kriegsgefangenenrückführung vor die
Öffentlichkeit.
Kein Politiker jedoch hatte bisher in Brüssel einen ostbelgischen
Forderungskatalog vorgelegt, und als Senator Jos. Baltus sich
entschloß, in der Senatssitzung vom 18. Juni 1946 die Regierung
in einer Interpellation auf ostbelgische Mißstände,
Fehlentwicklungen und dringend zu lösende Probleme
hinzuweisen, lag bereits Wochen vorher eine knisternde Spannung
in der Luft.
In einem Gespräch mit dem BRF-Journalisten Hubert Jenniges,
am 14.10.1972, erinnerte sich Dr. Baltus, er sei sich voll bewußt
gewesen, daß es sehr schwer sein würde, seinen Standpunkt zu
verteidigen und er habe mit starker Opposition gerechnet.
Bevor der Senator seine Interpellation einreichen durfte, mußte
er dieselbe seinen Parteifreunden Pholien (dem späteren
Erstminister) und Struye (später Senatspräsident) zur Begutachtung
vorlegen. Beide Herren fanden die Interpellation sehr gut und
sicherten Dr. Baltus die Unterstützung der gesamten Partei zu,
waren aber auch der Meinung, der Interpellant müsse großen Mut
haben, "um das in die Öffentlichkeit zu bringen".
Nun, Senator Dr. Baltus hatte diesen Mut. Vor allem das Problem
der Säuberungen, die so hart durchgeführt wurden und so viele
Unschuldige trafen, kleine Mitläufer, die oft nur aus Rache
denunziert wurden!, sah er als unaufschiebbar an. Er wußte, daß
82
die Frage des "Zivismus" eng verbunden war mit der Regelung
der Kriegsschäden und Pensionen und die Säuberungsaktionen zu
sozialen Härten führten, die er für untragbar hielt. Das Staatsblatt
veröffentlichte regelmäßig lange Listen mit den Namen derjenigen
Personen, denen die bürgerlichen und politischen Rechte aberkannt
worden waren. Tausende von Streichungen in den Wählerlisten
waren die Folgen.
"Gefaßt", so Dr. Baltus in dem genannten BRF-Interview, sei
er am 18. Juni 1946 - es war sein 43. Geburtstag - im Senat "zur
Tribüne gestiegen". Daß man seinen Ausführungen mit großem
Interesse entgegensah, geht auch daraus hervor, daß Peter
Kofferschläger von den den Abgeordneten reservierten Tribünen
und der beigeordnete Bezirkskommissar Henri Hoen sowie der
Militärauditor Koumoth von den Zuhörerrängen aus die Sitzung
verfolgten.
Das Grenz-Echo veröffentlichte den Text der Interpellation in
seinen Ausgaben vom 19., 20. und 21. Juni 1946. SO Jahre danach
möchten wir darauf zurückkommen, weil wir meinen, daß man-
che Fehlentwicklung der ersten Nachkriegszeit auch heute noch
nachwirkt und der Rede von Dr. Baltus, auch wenn sie damals die
Regierung nicht sofort und in allen Punkten zum Einlenken bzw.
zu einem Kurswechsel in ihrer Ostbelgien-Politik bewegen konnte,
ein besonderer Stellenwert im Verhältnis Brüssel-Ostkantone zu-
kommt. Baltus rückte als erster einige Aspekte unserer Geschichte
in ein anderes Licht, beleuchtete das Geschehene aus der Sicht
des vor Ort, in Ostbelgien, lebenden Bürgers, zwang die Regierung
und die Politiker aller Parteien, sich mit dem Thema Ostkantone
zu befassen und bereitete so das Terrain für weitere Interventionen
anderer Parlamentarier, vor allem P. Kofferschlägers, vor. Erinnern
wir an dessen große Interpellation in der Kammer, am 30. Juni
1953, die die Nachkriegsproblematik und vor allem die "Epura-
tion", die Säuberung in Schulen, Verwaltungen und bei der
Eisenbahn zum Thema hatte.
Ehe Senator Baltus die eigentlichen Probleme darlegte, sah er
es als unbedingt notwendig an, auf die Entwicklung in der Zeit
zwischen den beiden Weltkriegen einzugehen. Er stellte die Frage,
was denn schon 20 Jahre in der Geschichte eines Landes oder
einer Gegend darstellten, die ein ganzes Jahrhundert unter dem
beständigen Einfluß eines übertriebenen Germanismus gestanden
83
habe. Er wolle nicht die Existenz einer prodeutschen Partei in den
Ostkantonen vor 1940 leugnen, noch ihre Stärke und ihren Einfluß
minimisieren. Der belgische Gedanke habe dennoch in den
Zwischenkriegsjahren große Fortschritte gemacht. In materieller
und wirtschaftlicher Hinsicht sei von belgischer Seite vieles im
Interesse der Ostkantone getan worden, doch treffe dies leider nicht
"auf den nationalen Gesichtspunkt" zu, womit Dr. Baltus meinte,
Belgien habe sich der prodeutschen Propaganda gegenüber zu
nachgiebig gezeigt und völlig versagt.
Am 18. Mai 1940 wurde durch Führererlaß die
Wiedervereinigung der "Kantone" mit Deutschland proklamiert.
Dazu Senator Baltus: "Von Seiten der belgischen Regierung erhob
sich keine einzige Stimme des Protestes gegen diese einseitige
Entscheidung und auch in der Folgezeit hat niemand gegen die
Ungesetzlichkeit dieser Annexion protestiert. Das gleiche gilt
übrigens für die 10 annektierten altbelgischen Gemeinden ... Als
die Jugend dazu gezwungen wurde, sich in die deutsche Wehr-
macht einzureihen, kam gleichfalls nicht der geringste Protest ...
Dabei war die Sache für die Regierung in London leicht, denn
trotz des formellen Verbotes und der damit verbundenen Gefahr
wurde die BBC regelmäßig in der Gegend abgehört und ihre
Meldungen wurden schnell verbreitet ... Kann man unter diesen
Umständen der Bevölkerung einen Vorwurf machen, daß sie aus
Schwachheit sündigte und dem Gesetz des Stärkeren folgte?"
Den bei den Wahlen errungenen Erfolg der CSP führte Dr. Baltus
auf die "tiefreligiösen und dabei völlig legitimen Überzeugungen
der Bevölkerung" zurück, aber auch auf die "drakonischen und
ungerechten Maßnahmen, die seit der Befreiung dort getroffen
wurden". Damit war der Senator beim ersten Schwerpunkt seiner
Interpellation, der "Säuberungsaktion" und deren Folgen.
Die großen, die weniger und die kleinen Schuldigen
Um ein Verschulden festzustellen, so Senator Baltus, müsse man
für diese Gegenden, die nicht besetzt, sondern regelrecht annektiert
und damit völlig den deutschen Gesetzen unterstellt waren, andere
Kriterien anwenden, um ein Verschulden festzustellen. Baltus
erläuterte: "Es besteht z. B. ein gewaltiger Unterschied zwischen
einem Mitglied der NSKK in Eupen und in Brüssel. Das letztere
84
bekundete damit eindeutig seine Einstellung für die "neue
Ordnung" und muß daher als ein schwer Schuldiger gelten,
während in den Ostkantonen die NSKK (= Nationalsozialistisches
Kraftfahrer Korps) von Beginn der Besetzung und Annexion an
einen sportlichen Charakter trug wie der Touring Club, der Kgl.
Automobilclub und der Moto-Club. Die Mitglieder dieser im
übrigen aufgelösten Clubs wurden automatisch in die NSKK
übertragen und konnten sich nicht daraus zurückziehen, ohne ihren
Führerschein für Auto oder Motorrad entzogen zu bekommen,
selbst wenn sie sich dessen nur zu Geschäftszwecken bedienten,
und setzten sich überdies ernsten Repressalien aus.
Da diese Formation wie verschiedene andere von der -
+ Bevölkerung als weniger gefährlich und kompromittierend
angesehen wurde und die Verpflichtung bestand, bei irgendeiner
Formation Mitglied zu sein, ließen sich späterhin viele bei diesen
Formationen eintragen, um nicht Parteimitglied werden zu müssen.
Dieses Beispiel, das einerseits die völlige Handlungsfreiheit,
andererseits den zum mindesten bestehenden moralischen Zwang
(der aber nicht immer und überall bestand und der darum nicht als
Prinzip gelten darf und für alle Fälle anwendbar ist) erkennen läßt,
dieses Beispiel zeigt klar den Grundunterschied zwischen einer
Naziformation in den Ostkantonen und der gleichartigen Forma-
tion im besetzten Belgien.
Dieser Grundgedanke verschiedener Schuldkriterien scheint
übrigens durch die Tatsache der Bildung von Militärauditoraten
und unabhängigen Kriegsgerichten in Eupen und Malmey
zugelassen zu sein. Infolge dieser Änderung muß man dennoch
von der großen Zahl der Substitute?, die für diese Organismen
ernannt wurden, betroffen sein, und wir hoffen, daß diese nur im
Hinblick auf eine Beschleunigung der Verfahren erfolgte und nicht
auf eine proportionale Erhöhung der Opfer. Es ist notwendig, daß
hinsichtlich der Maßnahmen gegen die Unbürgerlichen eine klare
Linie des Verhaltens gezogen werde, an die man sich beiderseits
halten kann. Es wäre sehr bedauerlich, wenn eines Tages
Meinungsverschiedenheiten über grundsätzliche Fragen bei den
beiden Organismen zutage träten. Diese Linie des Verhaltens muß
durch Verständnis der wahren Lage und den Willen, mit aller
Mäßigung im Recht zu bleiben, markiert werden. Nur auf diese
Art wird man zu gerechten Lösungen kommen, die den
85
Anforderungen der Justiz und der Bevölkerung genügen, die nichts
anderes sind, als die der gesamten Nation. Auf diese Weise wird
man die Beschuldigten in verschiedene Kategorien einteilen
können:
a) die großen Schuldigen, diejenigen, die bereits vor dem
Kriege Propagandisten und Verteidiger der deutschen und
nationalsozialistischen Ideen in den Kantonen waren und nachher
sofort mit der Parteiorganisation zusammengearbeitet haben. Mit
einem Wort: alle die verantwortlichen Leiter, die durch ihre
Stellung oder durch ihren Einfluß einen direkten oder moralischen
Zwang auf die Bevölkerung ausüben konnten. Für diese fordern
wir ohne Zögern die praktische Anwendung der Verordnung vom
20. 6. 1945 ( Anm.: Diese Verordnung regelte die Aberkennung
der belgischen Nationalität und war speziell auf Ostbelgien
gemünzt) wie auch des Gesetzes der Entnationalisierung von 1934
mit seinen veränderten Ausführungsbestimmungen, das auf die
minderjährigen Kinder und die Nachkommen von Personen
ausgedehnt werden soll, welche die belgische Nationalität durch
den Versailler Vertrag erworben haben.
b) die weniger Schuldigen, d. h. diejenigen, die, ohne für die
Entnationalisierung in Frage zu kommen, trotzdem von den
Kriegsgerichten verurteilt werden können. Für diese kann der
Entzug der bürgerlichen und politischen Rechte für eine bestimmte
Zeitdauer angewendet werden. Interesse halber sei darauf
hingewiesen, daß die Besatzungsbehörden in Deutschland für diese
Kategorie eine sog. Bewährungsgruppe für eine Dauer von
mindestens zwei Jahren, die jedoch nicht über drei Jahre
hinausgehen darf, vorsehen.
Dieser Gruppe müßte man die Gelegenheit geben, sich zu
bessern, was Folgen der größten Bedeutung nach sich ziehen wird.
Wenn man den Leuten die Möglichkeit zu einer Besserung
geben will, dann ist es absolut logisch, daß man ihnen auch die
Mittel geben und ihnen gestatten muß, durch eine normale Arbeit
oder durch die Ausübung gleich welchen Berufes sich und ihre
Familie zu ernähren, wobei man sie jedoch von leitenden Posten
ausschließen soll. Zu diesem Zwecke könnte man ein besonderes
Zeugnis ausstellen, das, entgegen dem Zivismuszeugnis, nur eine
86
begrenzte Tragweite haben, dem Interessenten jedoch erlauben
würde, Kriegsschäden und andere Ansprüche geltend zu machen.
Der Staat kann immer noch seine Rechte durch das bereits erwähnte
Entnationalisierungsgesetz und durch das Sequester wahren für
den Fall, daß derartige Maßnahmen sich als notwendig erweisen
würden.
c) die kleinen Schuldigen, die verführten Mitläufer,
Unverantwortlichen und Unschädlichen, die mehr aus
Unachtsamkeit einer Formation angehörten oder weil sie nicht den
Mut hatten, sich zu widersetzen, oder weil sie glaubten, dadurch
einige materielle Vorteile erlangen zu können. Eine Politik der '
ausgestreckten Hand und des "Schwamm drüber" ist hier sowohl
im lokalen wie im nationalen Interesse wärmstens zu empfehlen.
Mit Rücksicht jedoch darauf, daß man denjenigen Einwohnern,
sie sich immer als gute Belgier aufgeführt haben, die verdiente
Anerkennung zollen muß, wie auch unter Berücksichtigung der
Tatsache, daß sowohl Arbeiter wie Industrielle und Geschäftsleute
infolge ihrer Haltung wirklichen Schaden erlitten haben und heute
noch leiden, müßte die Regierung ein Mittel finden, um diesen
eine wirkliche Priorität auf allen Gebieten zu verschaffen, z. B.
Bevorzugung bei offenstehenden Stellen, bevorzugte Belieferung
und Kreditmöglichkeiten für Wiederausstattung usw. Um den guten
Gang des wirtschaftlichen, sozialen und nationalen Lebens nicht
zu behindern, müßten Maßregeln getroffen werden, um die
Wiederkehr einer ähnlichen Lage, wie sie bei der letzten
Wahlperiode geschaffen worden ist, zu verhindern, die eine wahre
Panikstimmung in allen Lagern der Bevölkerung hervorgerufen
hat und der durch die von den Verviersern Gerichten
ausgesprochenen Urteile die wahre Bedeutung gegeben worden
ist. Es handelt sich um die massiven Streichungen aus den
Wählerlisten und das Aushängen von Plakaten, wodurch die
Bevölkerung in der Ausübung ihrer politischen und bürgerlichen
Rechte eingeschüchtert wird."
Obwohl an dieser Stelle die Frage der Ausbürgerungen ihren
Platz gefunden hätte, ging Senator Baltus zu einem anderen
Themenkomplex, dem der wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit
dem Feind, über.
87
Die wirtschaftliche Kollaboration
”Durch die Annexion befanden sich die Industrien ebenfalls
unter dem Gesetz eines totalen Krieges in einem nie dagewesenen
totalitären Regime. Sie waren der Kontrolle des Arbeitsamtes
unterworfen. Im Innern der Fabriken wurde ein Überwachungs-
system eingerichtet, das aus einem wahren Netz von Agenten
bestand, wie Blockleiter, Zellenleiter, und, an leitender Stelle, der
Obmann. Die Betriebsführer und das leitende Personal wurden
für alles, was im Betriebe vor sich ging, verantwortlich gemacht.
Drakonische Maßregeln waren für Fälle von Zuwiderhandlungen
vorgesehen. Es war daher sehr schwierig, sich den vorge-
schriebenen Verpflichtungen zu entziehen, und noch gefährlicher,
Obstruktion oder Boykottage durchzuführen.
Zur Ehre gewisser Unternehmen erachten wir es jedoch als
unsere Pflicht darauf hinzuweisen, daß manche Betriebsleiter trotz
aller Schwierigkeiten und unter Einsatz ihrer Freiheit und ihres
Lebens (die Verordnungen waren entsprechend streng) es mit der
Mitarbeit ihrer vertrauten Angestellten dazu gebracht haben, durch
Fälschung von Dokumenten die Lieferungen zu boykottieren und
bedeutende Mengen kriegswichtigen Materials seiner Bestimmung
zu entziehen, und zwar in derartigen Mengen, daß es im ersten
Augenblick unwahrscheinlich anmutet.
Es würde uns freuen, feststellen zu können, daß diese
Unwahrscheinlichkeit der einzige Grund ist, weshalb auch diese
Firmen mit der gleichen Strenge behandelt werden und den
gleichen gerichtlichen Nachforschungen und dem Sequester?
unterworfen sind, wie die überführten Kollaborateure. Die
Gerechtigkeit nämlich, an der wir nicht zweifeln können, wird
den Sieg davontragen, und diejenigen, die unbeschädigt aus dem
Kampfe hervorgehen, werden dadurch um so größer dastehen.
Angesichts dieser Lage, und wenn kein Beweis einer direkten
und freiwilligen Mitarbeit in der Bewaffnungsindustrie erbracht
werden kann, müßte auf diesem Gebiete, wenigstens vorläufig,
von jeder gerichtlichen Verfolgung abgesehen werden.
Als Gegenleistung muß verlangt werden, daß die Betriebsleiter
ihren Unternehmen eine unzweifelhaft belgische Orientierung
geben, indem sie die leitenden und einflußreichen Posten sowohl
in den kaufmännischen wie in den technischen Abteilungen ihres
88
Betriebes nur Personen anvertrauen, die nicht nur die notwendigen
geschäftlichen Fähigkeiten besitzen, sondern auch besonders vom
nationalen Standpunkt aus vertrauenswürdig sind.
Die Kriegsgewinne
Muß man in diesen Gegenden das Gesetz über die au-
Bergewöhnlichen Kriegsgewinne anwenden? Verschiedenes spricht
dagegen: C
1. Während des Krieges mußten die Industriellen schwere
Kriegssteuern bezahlen (Erhöhung der Steuern um 50%).
Andererseits waren sie in der Realisierung der Gewinne *
eingeschränkt. Diejenigen Gewinne, die eine bestimmte Grenze
überschritten, mußten an eine zentrale Kompensationskasse
eingezahlt werden und waren damit praktisch für das Unternehmen
verloren.
2. Fast alle Industriellen haben blockierte Kapitalien in Deutsch-
land, deren Wiedererlangung bis zu diesem Tage sehr proble-
matisch erscheint.
3. Der wahre Gewinn in belgischen Franken hängt zum großen
Teile von dem Umwechslungskurs der Reichsmark ab, von dem
wir noch sprechen werden. Unter diesen Umständen würde eine
Anwendung des Gesetzes die Gefahr herbeiführen, der Industrie
einen tödlichen Schlag zu versetzen."
Der Verwaltungseid
Wer in den Kriegsjahren als Beamter (Unterricht, Bahn, Post
...) seine Stelle behalten wollte, mußte den vorgeschriebenen
Verwaltungseid leisten, was ihm nach dem Kriege die größten
Unannehmlichkeiten bereitete. Hierzu Dr. Baltus:
"Es ist unbedingt notwendig, den wahren Wert dieses Eides zu
charakterisieren und festzulegen. Über diesen Punkt lassen sich,
wie ich glaube, viele juristische Betrachtungen anstellen. Ich
überlasse den Fall den Anwälten; es schlägt in ihr Fach. Ein
wichtiger Punkt muß freilich dennoch beachtet werden: die
Tragweite des Verwaltungseides muß individuell untersucht und
im Zusammenhang mit dem allgemeinen Verhalten des
betreffenden Individuums eingeschätzt werden sowie mit dem
89
sozialen und dem Dienstrang, den es in der Verwaltung bekleidete.
Für viele bildete dieser Eid eine reine Formalität und entsprach
keineswegs ihrer inneren Überzeugung. Wenn man diesen
vollkommen logischen Grundsatz zuläßt, so finden viele Fälle eine
gerechte Lösung."
Das Ausbürgerungsproblem
Ein sehr kontroverses Problem der ersten Nachkriegsjahre war
das des oft sehr willkürlichen Entzuges der belgischen
Staatsangehörigkeit, auf die Senator Baltus dann zu sprechen
kommt.
"Noch ein Wort über die Anwendung der Verordnung vom
20.6.1945. Die im Staatsblatt vom 9.6.1946 (Pfingstsonntag) zur
Veröffentlichung gelangte Ausbürgerungsliste hat unter der
Bevölkerung unserer Kantone begreifliche Erregung
hervorgerufen. Es werden selbstverständlich in dieser Liste
Personen genannt, welche diese Maßregel voll und ganz verdienen,
und für die wir die ersten sind, dieselben zu fordern. Andererseits
werden jedoch auch Personen aufgeführt, deren Vergehen
dermaßen klein und unbedeutend sind, daß sie bis heute kaum
behelligt wurden, und gegen die jedwedes Verfahren wegen
Mangels an Begründung eingestellt wurde. Sie können sich hier
frei bewegen und sind bereits jetzt für die belgische Idee gewon-
nen." +
Der Senator erläutert sodann die Prozedur der Aberkennung der
belgischen Staatsangehörigkeit und führt aus:
"Die Vorschläge für die Ausbürgerungen werden durch die
Gemeinderäte, Schöffenkollegien oder andere gemacht. Die Sü-
ret& (= Staatssicherheitspolizei) und die Gendarmerie gaben ihr
Gutachten über diese Listen ab. Allein auf Grund dieser Auskünfte
treffen der Staatsanwalt und der Provinzgouverneur eine
Entscheidung, die automatisch durch ihre Veröffentlichung im
Staatsblatt rechtskräftig wird.
Diese Prozedur, meine Herren, bestätigt die Volksjustiz mit der
ganzen Gefahr, die dieselbe nach sich zieht. Sie ist Irrtümern und
der persönlichen Rache ausgesetzt. Man läßt das Volk im Namen
der Gerechtigkeit Entscheidungen treffen, die es bereits kurze Zeit
90
nachher bedauern wird. Dieses Verfahren schließt die große Gefahr
in sich, im Namen der Gerechtigkeit die sichtbarsten
Ungerechtigkeiten zu decken.
Als Vergleich zu der am Pfingsttage veröffentlichten Liste
erwähnen wir eine früher herausgegebene, welche in den Kantonen
allgemeine Zustimmung gefunden und die Bevölkerung
zufriedengestellt hat.
Worin besteht dieser Unterschied? Wir bitten den Herrn
Justizminister, sich der Mühe zu unterziehen nachzuforschen,
welche Verfahren in diesem Fall angewandt wurden. Ist es das
gleiche oder nicht, wie ich es vorhin dargelegt habe? Wenn nicht,
so bin ich der Ansicht, daß der zu befolgende Weg genau '
vorgeschrieben ist und die Lösung der Frage keine weitere
Diskussion mehr erfordert.
Ich habe diese Säuberungsfrage ziemlich ausführlich behandelt,
weil sie besonders auf die Bevölkerung drückt. Sie bringt sie in
eine ungewisse und nachteilige Lage und wird auch den größten
Schaden, vom nationalen Standpunkt aus betrachtet, hervorrufen,
wenn keine schnelle und gerechte Lösung gefunden werden kann.
Andererseits ist sie von größter Wichtigkeit, da keine andere Frage
eine vollständige Lösung finden kann, solange das Säuberungs-
problem nicht geregelt worden ist."
Kriegsschäden und Wiederaufbau
Die "ungewisse und nachteilige Lage", von der Senator Baltus
spricht, bezog sich in nicht geringem Maße auf das Recht auf
Kriegsschädenvergütung. Der Senator ging ausführlich darauf ein.
"Wie kann man sich den Wiederaufbau der am stärksten
betroffenen Gebiete des ganzen Landes vorstellen, wenn der Hälfte
der Bevölkerung keine Kriegsschädenvergütung ausbezahlt und
ihr daher jede Möglichkeit eines Wiederaufbaus genommen würde,
wie man anhand der im Laufe des Monats Januar getroffenen
Maßnahmen vermuten könnte? Verschiedene Mitglieder der
Regierung und kürzlich noch eine Abordnung des Senates haben
die Gelegenheit gehabt, sich persönlich ein Urteil zu bilden über
die unglückliche Lage, in der sich die Kriegsgeschädigten von St.
Vith, Rocherath und Büllingen, die vollständig verschwunden sind,
und Malmedy, das wenigstens zur Hälfte zerstört ist, befinden.
91
Kein einziges Dorf hat den Bomben und Granaten entgehen
können.
Die Bevölkerung ist gezwungen, in Schutzräumen zu wohnen,
die sogar nicht mehr als solche bezeichnet werden können, und
zwar unter hygienischen und moralischen Umständen, die jeder
Beschreibung spotten. Der Wiederaufbau ist von allergrößter
Wichtigkeit. Um denselben verwirklichen zu können, ist es von
größter Bedeutung, daß die Geschädigten klar und endgültig über
die Möglichkeiten unterrichtet werden, die ihnen durch die
Vergütung der erlittenen Schäden geboten werden. Sie müssen
wissen, woran sie sich zu halten haben. Für den größten Teil der
Geschädigten ist die vollständige Vergütung wenigstens der
erlittenen Gebäudeschäden eine unbedingte Notwendigkeit, wenn
man sie nicht einem sichern Bankrott preisgeben will, da sie über
nichts anderes verfügen, als über einen Haufen Trümmer!
Um die Arbeiten zu fördern, muß man unbedingt die
Privatindustrie unterstützen, entweder durch Gewährung direkter
Anleihen an Geschädigtenvereinigungen, jedoch nicht an
Organisationen, die mit einer Vereinigung nur den Namen
gemeinsam haben und in Wirklichkeit unter den diktatorischen
Einflüssen von Personen stehen, die für die betreffende Gegend
Fremde sind. Die Vermittlung von Dritten hat bereits großen
Schaden verursacht und viel Geld gekostet, denn es sind flagrante
Mißbräuche vorgekommen.
Mit Rücksicht auf die Dringlichkeit des Problems, das übrigens
für die ganzen Ardennen und die großen betroffenen Städte das
gleiche ist, müßte diesen eine Priorität zur Beschaffung des
notwendigen Materials zugestanden werden, desgleichen für die
Baugenehmigungen.
In mehr beschränktem und lokalem Rahmen müßte eine Priorität
für diejenigen Bauten gegeben werden, die den Erwerbszweig der
Familie darstellen, wie Geschäftshäuser und Gebäude von
öffentlichem Nutzen oder Bedarf. In den landwirtschaftlichen
Gegenden werden bereits Baracken gebaut, die als Notunterkünfte
verwendet werden. Man verliere nicht aus dem Auge, daß vor
Beginn der Winterzeit (spätestens Oktober-November) das Vieh
in den Ställen untergebracht werden muß, da die Bauern sonst
gezwungen sein werden, ihr Vieh zu verkaufen, weil sie es nicht
unterbringen können.
92
Ohne andererseits die Nützlichkeit eines Bebauungsplanes
gewisser Zentren diskutieren zu wollen, muß doch vermieden
werden, daß dieser die Ausführung der Arbeiten behindert oder
verzögert ... Was Malmedy anbelangt, anstatt das Zentrum des Ortes
mit sehr wenig ästhetisch wirkenden Baracken zu überladen, wäre
es interessant, Bungalows am Rande der Stadt zu bauen. Wenn diese
für die Unterkunft der Bevölkerung nicht mehr verwendet werden,
können sie zu billigen Preisen verkauft werden. Sie würden so einen
großen Vorteil für den Fremdenverkehr in der Stadt bringen."
Senator Baltus plädierte dann dafür, daß die Geschädigten ihre
Immobilien inklusive der Entschädigungsansprüche an Dritte
übertragen können. Das Problem der mangelnden Einrich- *
tungsgegenstände könnte durch Überlasssung der unter Sequester
gestellten (deutschen) Möbel gelöst werden, meinte Senator Baltus.
Man könnte auch den Geschädigten bei Verkäufen von se-
questrierten Möbeln ein Vorkaufsrecht einräumen ...
Invaliden, Witwen und Waisen
Senator Baltus ging nur auf die Lage der als Invaliden
heimgekehrten Zwangssoldaten, der Kriegerwitwen und -waisen
ein. Die Frage verlange eine schnelle Lösung, so der Senator, denn
viele der Heimgekehrten seien arbeitsunfähig und ihre Familien
in großem Elend. Baltus plädierte dafür, diese Invaliden in die
Kategorie der Zwangsdeportierten einzureihen und ihren Fall nach
den für die Deportierten vorgesehenen Bestimmungen zu regeln.
Eine Kommission zu Prüfung der Frage habe diese Lösung
vorgeschlagen und es fehle nur noch die ministerielle Zustimmung.
Die Kriegsgefangenen
Im Juni 1946 blieb das Schicksal von 3 bis 4.000 ostbelgischen
Wehrmachtsangehörigen noch ungeklärt. Man vermutete, daß sich
die meisten in russischer Gefangenschaft befanden. Senator Baltus
richtete sich an Außenminister P.-H. Spaak: "Besteht keine
Möglichkeit, diese jungen Leute heimzubefördern auf Grund des
Abkommens zwischen der UdSSR und unserem Lande? Es ist hier
zu bemerken, daß die Familien dieser Abwesenden von der
Zivilhilfe täglich 13 Franken beziehen -es muß gesagt werden
93
"müßten"- und daß diese Hilfe durch eine Sonderentschädigung
erhöht werden müßte, die genügte, diese vom Geschick nicht
begünstigten Familien dem Elend zu entreißen. Diese Hilfe wurde
für das erste Semester 1945 durch das Gesundheitsministerium
übernommen. Durch eine unerklärliche Anomalie wurde sie für
das zweite Semester des gleichen Jahres verweigert, aber ab 1.
Januar 1946 erneut übernommen.
Daraus ist für die Gemeinden eine unerträgliche Belastung
entstanden, die sich allein für die Stadt Eupen auf 900.000 F beläuft.
Wir bitten daher den Herrn Minister für das Gesundheitswesen,
diese Frage zu überprüfen und Maßnahmen zu treffen, um unseren
Gemeinden in ihrer bereits hinreichend schwierigen finanziellen
Lage zu Hilfe zu kommen.»
Was ist mit den Reichsmarkguthaben?
Das Problem der Reichsmarkguthaben hatte schon eine Lösung
gefunden insoweit es die durch Bankkonto, Sparkassenbelege oder
Postscheckkonto belegten Beträge betraf. Das gleiche galt für die
In- und Auslandskonten, die nicht zum Kurse von 10:1 sondern
12,50:1 gewechselt wurden. Ebenfalls geregelt war die Frage des
Geldumtauschs im Falle der Gemeinden und anderer öffentlicher
Einrichtungen. Dennoch blieben viele Fragen der Kleinsparer und
des Mittelstandes zu klären. Senator Baltus listete sie
folgendermaßen auf:
a) "Viele kleine Sparer hatten kein Konto, weder bei einer
Bank, noch bei einer Sparkasse, teils aus Nachlässigkeit, teils
b) aus anderen Gründen, wegen der unruhigen Zeit 1939-40;
sie zogen ihr Geld von den Sparkassen zurück, um flüssige Mittel
zu haben und so allen Situationen entgegensehen zu können. Dazu
kommt noch die vorübergehende Blockierung der örtlichen
Sparkassen, die Mißtrauen und Panik verursachte.
c) Wenn sich die Bankkonten von 1940 ohne Schwierigkeiten
beweisen lassen, so gilt das nicht für die Konten in den örtlichen
Sparkassen. Als diese unter deutsche Kontrolle kamen, zogen die
Deutschen die Bücher, die Vermerke über die Einwechslung 1:10
trugen, zurück und ersetzten sie durch neue Bücher nach deutschem
Modell. Diese Praxis wurde besonders bei der Kantonalkasse ange-
wendet, die "Kreissparkasse" hieß.
94
Die Klasse der Landwirte befindet sich hier in einer besonderen
Lage. Jedermann weiß, daß zu Ausgang des Winters, wo wenig
einkommt, der Landwirt sein Geld in Vieh angelegt hat.
Andererseits mußten die Bauern zu Beginn der Feindseligkeiten
infolge der Schwierigkeiten bei der Futterbeschaffung einen Teil
ihres Viehbestandes verkaufen, natürlich gegen Reichsmark. Diese
stellen also eine realen Wert von vor 1940 dar. Bei der Befreiung
hingegen ging gerade die Jahreszeit der Einkünfte zu Ende. Der
Landwirt nahm da gerade die Wiedereinziehung des im Laufe des
vorigen Winters investierten Kapitals vor. Ein großer Teil des in
Reichsmark deklarierten Kapitals stellt also ein wiedergewonnenes
Kapital dar, das zum großen Teil nicht als ein während des Krieges *
erworbener Gewinn angesehen werden darf, sondern, unter Abzug
des Prozentsatzes für einen normalen Gewinn, als ein bereits im
Mai 1940 bestehendes Guthaben betrachtet werden muß ..."
Anhand weiterer Beispiele zeigte Dr. Baltus, daß eine Menge
Guthaben von 1940 von der Kontrolle nicht erfaßt wurden und
daher vom Wechselsatz von 10:1 ausgeschlossen waren.
Leidtragende waren vor allem kleine Sparer aus dem Mittelstand
und der Landwirtschaft. Senator Baltus wollte selber keine
Vorschläge zur Lösung der angeschnittenen Probleme vorschlagen.
Dies liege außerhalb seiner Kompetenz, sagte er.
Die Entmündigung der Gemeinden
Schon am 15. Mai 1945 war den Gemeinden der während des
Krieges annektierten Kantone durch eine Verordnung das Recht
genommen worden, ihr Lehrpersonal selbst zu ernennen. Dagegen
regte sich überall großer Unmut und Senator Dr. Baltus machte
sich zum Sprachrohr der entmündigten Gemeinderäte, als er in
seiner Interpellation dazu und zu anderen Schulproblemen Stellung
nahm: "Dies stellt einen Eingriff in das Gemeinderecht dar, dessen
Nützlichkeit ich nicht einsehen kann. Des weiteren ist die
Einsetzung einer Schulkommission für diese Gemeinden, -deren
Mitglieder in keiner Weise der philosophischen und religiösen
Überzeugung noch den Wünschen der Bevölkerung in diesen
Gegenden entsprechen-, keineswegs dazu angetan, Vertrauen zu
erwecken."
95
Die sog. Ergänzungsschulen
Die Regierung hatte beschlossen, in den Ostkantonen und den
anderen annektierten Gemeinden die Schulpflicht bis zum 16.
Lebensjahr zu verlängern, eine Sonderbehandlung, die auf heftigen
Widerstand bei der Bevölkerung stieß. Dazu Senator Baltus:
"Die Verlängerung der Schulzeit bis zum 16. Lebensjahre ist in
diesen Gebieten eingeführt worden, während sie in anderen Teilen
des Landes noch nicht vorgeschlagen worden ist. Wenn es auch
vielleicht Gründe gibt, welche diese Maßnahme rechtfertigen, so
ist sie im Prinzip einer Ergänzungsschule sehr schwierig
anzuwenden, da sie den Ansprüchen des Augenblicks nicht genügt
und unüberwindbare örtliche Schwierigkeiten verursacht. Es würde
sich um einen sehr kostspieligen Organismus handeln, der nur ein
kaum nennenswertes oder gar kein Resultat liefern würde.
Die Ergänzungsschulen, denen es an den allernotwendigsten
Einrichtungen fehlt, könnten unter den heutigen Umständen in
einigen Zentren wie Eupen, Malmedy, Welkenraedt und Kelmis
sehr zweckmäßig durch berufliche und technische Schulen ersetzt
werden. Französischer Sprachunterricht, Rechnen usw. können
ruhig hinzugefügt werden, so daß der gewünschte Zweck der
Ergänzungsschule erfüllt wird (Entnazifizierung, Aufholen der
während des Krieges verlorenen Zeit) und gleichzeitig den
Notwendigkeiten der Handwerker entsprochen wird, indem gute
spezialisierte Arbeiter herangebildet werden."
Sprachliche Mißstände bei der Verwaltung
Hier schnitt der Senator ein sehr heißes Thema an. Nachdem
man die örtlichen Verwaltungsdienststellen "gesäubert" hatte,
waren meist rein französischsprachige Beamte aus dem Inland
nach Ostbelgien versetzt worden, wo sie der Bevölkerung oft
"sprachlos" gegenüberstanden. Senator Baltus beschrieb die Lage
folgendermaßen: "Dies bringt unmögliche Situationen in allen
Diensten mit sich. Lange Reihen wartender Menschen stehen an
den Schaltern. Die Geschäftsleute erhalten alle Mitteilungen (und
wieviele!) in einer Sprache, die sie nur zur Hälfte oder gar nicht
verstehen. Die Vorschriften werden oft schlecht ausgeführt, ohne
daß schlechter Wille dabei wäre. Mit Ausnahme eines Teiles des
96
Kantons Malmedy sind unsere Gemeinden alle in der Hauptsache
deutschsprachig. Wir wollen in keiner Weise die Einführung der
französischen Sprache ausschließen, wir sind im Gegenteil der
Ansicht, daß dieselbe für die Beziehungen mit dem Innern des
Landes eine Notwendigkeit geworden ist. Wir hegen den Wunsch,
daß der Unterricht in der Weise gegeben wird, daß unsere Gebiete
zweisprachig werden.
Man vergesse jedoch bitte nicht, daß das Personal zur Verfügung
des Publikums sein muß und nicht umgekehrt. Es fehlt nicht an
zweisprachigem Personal in der ganzen Hierarchie, weder in der
Verwaltung, noch am Gericht. Die Achtung der Sprachen ist ein
durch unsere Gesetzgebung erworbenes Recht, und keiner darf
dieses, selbst wenn es sich um die deutsche Sprache handelt oder
unter dem Vorwand eines schlecht verstandenen Patriotismus, einer
Gruppe von Staatsangehörigen verweigern, mag diese auch noch
so klein sein.
Die Lage gewisser Staatsbediensteten bei der Eisenbahn, dem
Lehrpersonal und anderer, die durch eine vorläufige oder
endgültige Amtsenthebung oder durch eine behördliche Maßnahme
betroffen sind und die kein Gehalt beziehen, muß erneut untersucht
werden.
Unter diesen Bediensteten gibt es viele, die während des Krieges
eine vorbildliche Haltung an den Tag gelegt haben und die weit
davon entfernt sind, eine Disziplinarmaßnahme oder gar eine
Amtsenthebung zu verdienen. Inzwischen werden diese Leute
vorläufig ihrer Stellung enthoben und als zeitweilige Angestellte
betrachtet. Sie erhalten keine Wiederausstattungsgut-
scheine>, während die Entlassenen sie als Arbeitslose wohl
erhalten, wie auch die Unbürgerlichen in der Privatindustrie. Des
weiteren entgeht ihnen die Teuerungszulage.
Die behördlichen Untersuchungskommissionen sind seit langen
Monaten zusammengestellt. Diese Kommissionen sind
nebengerichtliche Einrichtungen und treffen leichthin Maßregeln
auf Grund anonymer und unbegründeter Beschuldigungen. Sie
zeichnen sich durch ihr langsames Arbeiten aus und sind leider
nicht immer vor gewissen Einflüssen und Voreingenommenheiten
gefeit. Sie sind auch nicht immer von gewerkschaftlicher
Propaganda frei.
97
Diese nebengerichtlichen Kommissionen bringen Verwirrung
in die Bevölkerung und unsere nationale Justiz in Mißkredit, weil
jede von ihnen das Recht auf ihre Art auslegt. Wenn wir mit gutem
Recht einheitliche und klare Verhaltensregeln für die Auditorate
von Eupen und Malmedy verlangen, so glaube ich, daß wir auch
mit Recht für alle diese Fälle eine einzige und einheitliche
Rechtsprechung fordern ..."
Die Sozialversicherung
Das letzte Kapitel seiner langen Interpellation widmete Senator
Dr. Baltus den Problemen der Sozialversicherung. In der Zeit vor
dem Ersten Weltkrieg war die deutsche Gesetzgebung im
Sozialversicherungswesen, wie Kranken- und Invalidenversi-
cherung, Alterspensionen, Unfallversicherung etc. Belgien einen
ganzen Schritt voraus.
Senator Baltus ging kurz auf die Zwischenkriegszeit ein und
erinnerte daran, daß nach dem Anschluß der Ostkantone an Belgien
die deutschen Versicherungsgesetze noch so lange in Kraft bleiben
sollten, bis in Belgien ähnliche oder noch vorteilhaftere
Einrichtungen geschaffen wären. (Es sei hier daran erinnert, daß
Belgien die Sozialversicherung erst nach dem 2. Weltkrieg
einführte).
Seit der Befreiung, so der Senator, herrsche auf diesem Gebiet
die größte Unordnung.
Für die Pensionskasse der Angestellten, für die bereits 1932
die belgische Gesetzgebung Anwendung gefunden hatte, waren
die Garantien in Wertpapieren in Höhe von 5 Millionen Franken
in Brüssel deponiert. Diese Wertpapiere waren den deutschen
Behörden übergeben worden, so daß nach dem Krieg keine
Deckung mehr für die Pensionen vorhanden war, diese also nicht
mehr ausbezahlt wurden. Da es sich aber um durch den Staat
garantierte Papiere gehandelt hatte, konnten die Pensionierten an
ihrem Verschwinden wohl keine Schuld tragen.
Im Falle der Invaliden waren die Akten durch die Deutschen
verschleppt worden, was dazu führte, daß alle Fälle von Invalidität
von neuem überprüft werden mußten. Die Folge dieser
zeitaufwendigen Überprüfungen war, daß zwei Jahre nach der
Befreiung zahlreiche Invaliden noch ängstlich auf die Entscheidung
98
und auf die oft lebensnotwendige Invalidenrente warteten.
Besonders hart war für viele Invaliden, daß sie sich einer ärztlichen
Untersuchung in Verviers unterziehen mußten, wo die Ärzte ihre
Sprache nicht verstanden. In vielen, seit Jahren als Invalidität
anerkannten Fällen, kam es so zur Verweigerung der Rente.
Senator Baltus lenkte sodann die Aufmerksamkeit des
Sozialministers auf die Frage der während des Krieges vorge-
fallenen Arbeitsunfälle, die bei der amtlichen Versicherunsanstalt
in Düsseldorf versichert waren. Die Frage dieser Unfallopfer
verlange absolut eine Lösung.
Ehe der Senator die Schwerpunkte seiner Interpellation
nochmals kurz zusammenfaßte, wies er noch auf die Notwendigkeit ”
hin, die während des Krieges ausgefertigten Notarsakte und
andere unter der deutschen Gesetzgebung getätigten
Verwaltungsakte zu legalisieren®. In der Abgeordnetenkammer
beschäftigte man sich schon mit diesem Problem, das
weitreichende Folgen haben konnte.
Kurz zusammenfassend stellte Senator Baltus folgende
Forderungen:
1. klare Verhaltensregeln in der Rechtsprechung unter
Berücksichtigung der Sonderlage der Ostkantone und im Geiste
der Gerechtigkeit und der Mäßigung;
2. eine rechtliche Regelung der Kriegsschäden und des
Wiederaufbaus;
3. eine Rente für die Kriegsinvaliden, Witwen und Waisen;
4. den Reichsmark-Umtausch nach einem gerechten System und
unter Berücksichtigung der kleinen Sparer, des Mittelstandes und
der Landwirtschaft;
5. eine Lösung der Schulfrage mit Anpassung an die
Notwendigkeiten des Augenblicks und unter Berücksichtigung der
religiösen Ansichten der Bevölkerung sowie Anwendung der
gesetzlichen Bestimmungen über die Garantie der Sprachenfreiheit
im Verwaltungs- und Gerichtswesen;
6. eine schnelle und unparteiische Regularisierung der Lage der
staatlichen Bediensteten und der Alters-, Invaliden- und
Unfallrenten.
99
Senator Baltus schloß seine Interpellation mit den Worten:
"Angesichts der Verschiedenheit dieser Fälle und ihrer
Verteilung auf fast alle Ministerien halten wir es für nützlich, eine
interministerielle Unterkommission einzusetzen, deren Arbeit
durch die Hinzuziehung einiger Persönlichkeiten aus unseren
Kantonen erleichtert würde, die auf der Höhe der ihnen
übertragenen Aufgabe stehen, eine Kommission, welche die
verschiedenen Bemühungen besser koordinieren und dadurch die
schnelle Lösung aller Schwierigkeiten in gerechter Weise erreichen
könnte und fähig wäre, in der durch zwei aufeinanderfolgende
Kriege in Verwirrung gebrachten Bevölkerung wieder Vertrauen
zu erwecken.
Kühne und edelmütige Entscheidungen werden das gegenüber
dieser Bevölkerung begangene Unrecht wiedergutmachen und
werden sie wieder für die Interessen Belgiens gewinnen, des
Vaterlandes, in dessen Schoß sie glücklich und in Frieden zu leben
wünschen."
Reaktionen
Die Debatte im Anschluß an die Interpellation des ostbelgischen
Senators brachte, wie der Grenz-Echo-Korrespondent K.
Grünebaum berichtete, "keine neuen Gesichtspunkte zu Tage".
Senator Baltus griff mehrmals in die Debatte ein und stellte
Irrtümer oder abwegige Vergleiche richtig.
Auf die Frage des BRF-Journalisten H. Jenniges nach der
Reaktion der sozialistisch-liberalen Regierung, antwortete Baltus:
" "Während meiner Ausführungen war im Senat eine Stimmung,
die selten, vielleicht überhaupt noch nie dagewesen war. Die
Regierungsparteien, die Senatoren der Mehrheit, standen und haben
geschrieen ... besonders über diese Säuberungsaktion. Sie haben
mich betitelt als "incivique" (=Unbürgerlicher), als "boche" ... es
war überhaupt ein Tumult im Senat."
Innenminister Buisseret, der auf die Interpellation des Senators
antwortete, wies dessen Forderung nach einer Sonderbehandlung
der Ostkantone zurück mit dem Hinweis, dies sei eine Frage der
Justiz, und diese sei vollkommen unabhängig. Auch das Parlament
könne da nicht eingreifen. So liefen die Säuberungen weiter und
100
als die Gefängnisse überfüllt waren, wurden die Leute nach einem
Schnellverfahren aufgefordert, eine Erklärung zu unterschreiben,
des Inhalts, daß sie eine Gefängnisstrafe von soundso viel Monaten
annahmen oder bereit waren, eine bestimmte Summe zu bezah-
len.
Zum Thema der von Senator Baltus kritisierten
Ergänzungsschulen sagte Buisseret, diese seien unbedingt nützlich
(nötig?), weil die Jugend in Ostbelgien verseucht sei. Baltus war
überzeugt, daß diese Schulen nur ein Vorwand waren, um die
Staatsschulen wieder einzuführen, denn der sozialistische Minister
C. Huysmans hatte ihm gesagt, Ostbelgien sei "die schwarze
Gegend" , in der etwas getan werden müßte. Diese Einschätzung ”
scheint der Wahrheit sehr nahe zu kommen, denn, als die Regierung
nach zwei Jahren das Experiment der Ergänzungsschulen
fallenließ, eröffnete sie in Eupen und St. Vith Athenäen, staatliche
Gymnasien.
Die sprachlichen Mißstände, auf die Senator Baltus hingewiesen
hatte, rechtfertigte Minister Buisseret damit, daß er vor Ort Kontakt
gehabt habe mit führenden Persönlichkeiten, die ihm gesagt hätten,
die deutsche Sprache müsse vollständig ausgerottet werden und
Französisch müsse die Umgangssprache der Gegend werden, um
endgültig mit dem deutschen Einfluß zu brechen.
Die katholische Presse stand hinter den Ausführungen des CSP-
Senators, anders verhielt es sich mit den regierungstreuen Blättern
der Sozialisten und Kommunisten, deren Reaktion "sehr scharf" —-
war. Senator Baltus wurde als Verteidiger der "inciviques"
hingestellt und der sozialistische "Peuple" versuchte ein Wortspiel,
indem er seinen Kommentar unter Anspielung auf Malthus mit
"Du N&o-Baltusianisme de mauvais goüt" betitelte.
Wenn nun auch die Interpellation von Senator Dr. Baltus, wie
schon gesagt, die Regierung nicht zu sofortigem Handeln zwingen
konnte, so verdient sie doch eine besondere Erwähnung in der
ostbelgischen Nachkriegsgeschichte. Sie zeigt, wie schwer es ein
gewählter Vertreter aus den "Kantonen" hatte, wenn er in Brüssel
für die besondere Lage seiner Heimat um Verständnis warb.
Doppelt schwer war diese Aufgabe, wenn, wie in der unmittelbaren
Nachkriegszeit, linksorientierte Regierungen an der Macht waren,
die wenig oder kein Verständnis für die "schwarze Gegend"
aufbringen wollten. Es sollte noch Jahre, ja Jahrzehnte, dauern,
101
ehe die gröbsten Fehlentwicklungen der ersten Nachkriegszeit in
den Beziehungen Brüssel-Ostbelgien korrigiert und das Verhältnis
der beiden Pole zueinander als normal bezeichnet werden konnte.
Die politische Karriere von Dr. Baltus dauerte nur bis zu den
Parlamentswahlen des Jahres 1949. Differenzen zwischen dem
Senator und seiner Vervierser Parteizentrale führten dazu, daß ihm
kein Listenplatz mehr eingeräumt wurde ...
Quellen und Anmerkungen
Grenz-Echo, 19., 20. und 21. Juni 1946
BHF, Sendungen in deutscher Sprache, "50 Jahre Geschichte der Ostkantone”",
Teil 3, Samstag, 14. Okt. 1972, ("Auf geistigen und materiellen Trümmern")
1 Man denkt unwillkürlich an den Eupener Bürgermeister Zimmermann, der am
10. Juli 1945 seine Mitbürger aufgerufen hatte, "innerhalb von 8 Tagen mündlich
oder schriftlich (Rathaus, Zimmer 9) alle demnach für eine Entnationalisierung
in Frage kommenden Personen unter Darlegung der erforderlichen Anhaltspunkte
namhaft zu machen...”
2 Substitut = Staatsanwaltsvertreter
3 Sequester = Sequestration = Treuhandverwaltung beschlagnahmten Vermögens
4 Das Staatsblatt vom 13.-14. Mai 1946 hatte eine erste Liste mit 29 Namen
"eingefleischter Staatsfeinde” (Grenz-Echo) veröffentlicht. Nun folgte zu
Pfingsten 1946 eine über 8 Seiten lange "Ausbürgerungsliste” mit mehreren
Hundert Namen! Die Aberkennung der belgischen Staatsangehörigkeit machte
die Opfer dieser Maßnahme zu ... Deutschen, auch wenn sie in den
Zwischenkriegsjahren als Belgier geboren waren! Den meisten so ausgebürgerten
Ostbelgiern wurde später auf gerichtlichen Einspruch hin die belgische
Staatsbürgerschaft wieder zuerkannt.
5 Es handelte sich um Gutscheine zur kostenlosen Wiedereinrichtung der
Haushalte. Dazu waren die Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung von 23,5
auf 25% erhöht worden.
6 Das Grenz-Echo vom 21. Mai 1947 brachte die Nachricht von der gerichtlichen
Nichtigkeitserklärung einer in Eupen vor einem deutschen Standesbeamten, am
2. Dez. 1941, geschlossenen Ehe. Das Gericht hatte argumentiert, Eupen sei (aus
belgischer Sicht) kein Ausland. Die Eheschließung durch einen deutschen
Standesbeamten in Belgien war folglich eine widerrechtlich begangene
Handlung...
104
Bei der bereits erwähnten Teilung des Jahres 1555 erhielt Karls
Sohn Philipp II. Spanien und die Niederlande mit dem Herzogtum
Limburg, während Karls Bruder, dem späteren Kaiser Ferdinand
I., das übrige Reich zufiel. (Karl V. - 1520- und Ferdinand I. -
1531- sind übrigens die letzten in Aachen gekrönten Herrscher).
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Abb 2: Philipp II. @
Mit der Teilung wurde die Grenze zwischen dem Herzogtum
Limburg und der Freien Reichsstadt Aachen zur Grenze zwischen
dem niederländisch-spanischen und dem habsburgisch-deutschen
Reich. Das Herzogtum Limburg unterstand also in der Folgezeit
dem spanischen König, und das bis 1714 ®,
106
Der obengenannte König Philipp II. übergab die Souveränität
über die spanischen Niederlande im Jahre 1598 seiner Tochter Isa-
belle und deren Ehemann (und Vetter), dem Erzherzog Albrecht
von Österreich. Die Ehe blieb kinderlos, so daß nach dem Tode
des Erzherzogs i. J. 1621 das kleine Reich an Spanien zurückfiel
(an,
Gerade während der Regierungszeit des Erzherzogs Albrecht
(1598-1621) fällt also die Schaffung des Königswaldes (1615).
Obwohl Albrecht nicht König war,- er wird an anderer Stelle
Generalgouverneur der spanischen Niederlande genannt -, ist
anzunehmen, daß das Waldstück von Anfang an Königswald
genannt wurde. 7
Diese Annahme wird durch andere Beispiele aus dieser Zeit
erhärtet. Am 3. Mai 1611 kommen die Altenberger Galmeibetriebe
in Kelmis unter königliche Regie. Kurz darauf wird das Königliche
Haus am Altenberg in Kelmis erbaut worden sein, das später die
Residenz des königlichen Kontrolleurs wurde. Bis Mitte des
vorigen Jahrhunderts war an diesem Haus noch ein Stein
angebracht, der das Wappen des Erzherzogs Albrecht von
Österreich, des Gemahls der Infantin Isabelle, zeigte.
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Abb. 4 »; Wappenstein des Erzherzogs (Albert) von Österreich
109
Die vorgenannte Grenze wird zunächst Nutzungsgrenze
gewesen sein, die dann später (1545) zur Markierung der
Hoheitsgrenze mit Adlersteinen des Aachener Reiches versehen
worden ist, von denen noch einer auf dem Königsberg steht. Da
diese Grenze später das niederländisch-spanische und das
habsburgisch-deutsche Land trennte, ist anzunehmen, daß von 1555
an mit dem Wort "König" der spanische König gemeint ist.
Das gleiche gilt für die Bezeichnung des Inneren Aachener
Landgrabens, der am Elleterweg Königslandwehr genannt wurde.
Ein davor liegendes Flurstück bezeichnete man Königsthalerheid.
Nach der Franzosenzeit wurde der Augustinerwald, der bis zur
Enteignung im Jahre 1802 dem Aachener Augustinerkloster gehört
hatte, Königlicher Wald Augustiner genannt, was besagt, daß er
von 1815-1918 als Staatsforst dem König von Preußen unterstand.
(Zunächst Staatsforstamt Eupen, ab 1920 Staatsforstamt Roetgen).
Auch nach 1918 blieb er noch Staatswald, bis er 1966 von der
Stadt Aachen gekauft wurde; seitdem gehört er zum Stadtwald.
Auch der jetzt auf belgischer Seite liegende Landwehring wurde
in der Preußenzeit Königlicher Wald Landwehring genannt. Seit
der Übergabe an Belgien im Jahre 1920 ist er belgischer Domänen,
d. h. Staatswald &,
Anmerkungen
1) Pauquet, F., Grenzsteine mit Burgunderkreuz im Preuswald, in "Im Göhltal",
Nr. 22/1977, S. 5.
2) Von der Bank Walhorn erhielt Aachen ein Waldstück von Bildchen bis zum
Dürrenbaum.
3) Pauquet, F,,a. a. O., S. 6
4) Liese, Vom Aachener Stadtwald. Aachen, 1930, S. 15-16
5) Wenger, Kleine Münzkunde. Bern, 1970, S. 74-75
6) W. Jappe Alberts, Geschiedenis van de beide Limburgen, Deel I, Assen
1972, S. 80 b
7) Lingen-Lexikon 1975, Bd. 14, S. 129
8) Von 1714 bis 1794 gehörte das Herzogtum Limburg zu Österreich.
9) Gielen, V., Raeren und die Raerener im Wandel der Zeiten, Eupen, 1967, S.
127
10) Kohnemann, M., Auflagen auf Raerener Steinzeug, Raeren 1982, S. 100
11) Liese, a. a.. O., S. 14
12) Pauquet, F., Die älteste Besiedlung im Gebiet der ehemaligen Herrschaft
Kelmis, in "Im Göhltal", Nr. 2/1967, S. 30
12a) Zimmermann, Wilh., 350 Jahre Burtscheider Gnadenbild, in Mitteilungen
der Gesellschaft Burtscheid für Geschichte und Gegenwart, Nr. 28/1993
110
13) wie Anm. 12)
14) "Im Göhltal", Heft 49-50/1991, S. 89
15) Liese, a. a. O., S. 13 u. 14
Carte figurative et une partie g&ometrique des limites entre le Duche de
Limbourg, la ville d'’Aix la Chapelle, Bourdscheid, Duche de Juliers, Pays
de Corneli Munster & environs, delinirt & copirt durch Pet. Josephum
Hopels, 1701, den 18. Dec., Geometer
16) Pauquet, F., Grenzsteine..., in "Im Göhltal", Nr. 22, S. 6
17) Ebd.,S.7
18) Ebd.,S. 8
19) Domäne = Land- oder forstwirtschaftliches Grundstück im unmittelbaren
Eigentum des Staates oder Landesherrn (Lingen-Lexikon, 4, S. 150)
20) Copzoo-Karte von 1777 (Stadtarchiv Aachen) und Waldkarte von vor 1897
21) Zeitschrift des Aachener Geschichtsvereins (ZAGV), Bd. 33, S. 72 Y
22) Gross, Aus Aachens Vorzeit, 1/1893, S. 23
23) In der Hopels-Karte von 1701 (s. Anm. 15):"Grande Landweringe". Bois
de Sa Majest& provenants des accords faits & passes entre les SS Archi-
ducs Albert & Isabelle tant avec la ville d’Aix, qu'avec le banc de Walhorn.
111
Die Zeit
von Maria-Theresia Weinert
Sieh nur: Die Tür ist verhangen,
hör doch: Es rührt sich kein Laut,
soviel ist lange vergangen,
was Dir seit jeher vertraut,
lebt nur in Deinem Herzen,
manchen Tag spürst Du es kaum
frühere Freuden und Schmerzen
geistern durch Deinen Traum.
Wie ihren Rahmen enthoben
steigen Dir Bilder empor,
greifbar werden Gestalten
nah Deinem Auge und Ohr.
Du hältst sie nicht, sie entschwinden,
Du spürst Dich einsamer wandern,
aber Du weißt: Auch aus Dir
machte die Zeit einen andern.
112
In Memoriam Freddy Nijns
Am 27. April 1996 verstarb plötzlich unser langjähriges
Vorstandsmitglied
Herr Freddy Nijns
in Walhorn im Alter von 73 Jahren.
Das breitgefächerte
kulturelle, soziale und
Fe politische Engagement des
7 a Verstorbenen wußten viele
] > Organisationen, Vereine
| ! e EN A | und Verbände zu schätzen.
) Il in} {| Auch im heimatkund-
N AO 1 lichen Bereich hat sich
a Freddy Nijns über Jahr-
zehnte tatkräftig eingesetzt.
>) Die Göhltalvereinigung,
# el deren Protokollführer und
4 Vizepräsident er seit 1982
\ war, verliert einen guten
Freund und engagierten
Mitarbeiter, dessen Tod eine schmerzliche Lücke hinterläßt.
Wir wollen sein Andenken in Ehren halten.
Der Vorstand.
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