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ZEITSCHRIFT DER VEREINIGUNG FÜR
KULTUR, HEIMATKUNDE UND GESCHICHTE
IM GÖHLTAL
Nr 56 — Februar 1995
Im Göhltal
ZEITSCHRIFT DER VEREINIGUNG
FÜR
KULTUR, HEIMATKUNDE UND GESCHICHTE
IM GÖHLTAL
Nr 56
Februar 1995
Veröffentlicht mit der Unterstützung des Kulturamtes der
deutschsprachigen Gemeinschaft
Vorsitzender: Herbert Lennertz, Stadionstraße 3, 4721 Neu-Moresnet.
Sekretariat: Maxstraße 9, 4721 Neu-Moresnet, Tel. 087/65.75.04.
Lektor: Alfred Bertha, Bahnhofstraße 33, 4728 Hergenrath.
Kassierer: Fritz Steinbeck, Hasardstraße 13, 4721 Neu-Moresnet.
Postscheckkonto N" 000-0191053-60.
Generale de Banque: 248-0251251-51
Konto NL: AMRO-BANK: 46.37.00.090 Vaals/L
Konto BRD: Aachener Bank: 88 266 (BLZ 390 601 80)
Die Beiträge verpflichten nur die Verfasser,
Alle Rechte vorbehalten
Entwurf des Titelblattes: Alfred Jansen, Moresnet-Kapelle.
Druck.: Hubert Aldenhoff, Gemmenich.
3
Inhaltsverzeichnis
Alfred Jansen, Zum Umschlagbild 5
Moresnet-Kapelle
Dr. Nikolaus Schmitz, Galmei und Schalenblende aus 12
Aachen dem "Altenberger" Grubenfeld
Alfred Jansen, Die Zyklopensteine 43
Moresnet-Kapelle im Hauseter Wald
Jakob Langohr, Datt Dröppke Wiin 48
Aachen-Bildchen
Alfred Bertha, Bürgermeister in bewegter Zeit 50
Hergenrath
Peter Claes, Ich erinnere mich noch... 60
Brüssel
M. Th. Weinert Boote am Meer 82
Aachen-Forst,
H. v. Schwartzenberg, Vom Köpfchen zum Bildchen 84
Aachen
Silvie Fabeck, Der Kelmiser Karneval und seine 94
Kelmis Symbolfigur
Freddy Nijns, Kreuz am Wegesrand 102
Walhorn
Der Vorstand In Memoriam G. De Ridder 103
In Memoriam Leo Göbbels 104
Freddy Nijns, Jahresrückblick 1994 105
Walhorn
5
Zum Umschlagbild
Schloß Krickelhausen oder Kleinhaus
in Lontzen”
von Alfred Jansen
Im Gegensatz zu dem nur 300 m entfernten Schloß Großhaus
(Welkenhausen), hat Krickelhausen nicht das Außere eines adligen
Hauses, ja, es unterscheidet sich kaum noch von einem beliebigen
Bauernhof. Das einfache rechteckige Gebäude mit seinem flachen
Walmdach sowie den links und rechts vorgelagerten Wirtschafts-
trakten läßt nicht ahnen, daß Krickelhausen vor etlichen Jahrhun-
derten eine von Wassergräben umgebene befestigte Anlage war.
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Kleinhaus. Rückseitige Ansicht
(Foto A. Bertha)
In der Landesbibliothek zu Darmstadt finden sich im
Nachlaß des Barons von Hüpsch zwei Zeichnungen, die das
frühere Aussehen von Krickelhausen wiedergeben. Eine derselben
trägt die Aufschrift "Casteel Krickelhausen vor dem Brandt"
1) Aus G. Poswick, Les Delices du Duche de Limbourg, Verviers, 1951, S. 405
6
(Handschriften 3541, Blatt 3) und zeigt einen von zwei Ecktürmen
mit polygonaler Haube flankierten sechsachsigen Bau mit
Mittelrisalit und großem rundbogigem Eingangstor. Im Dach vier
Gauben.
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Schloß Krickelhausen, ein sechsachsiger Bau mit zwei Ecktürmen
Die zweite Zeichnung (Hs. 3541, Bl. 8), "Scenographia
castelli de Krickelshausen zu Lontzen", d. h. Plan des Schlosses
Krickelshausen zu Lontzen betitelt, gibt nach Ansicht von Reiners
(Kunstdenkmäler Eupen-Malmedy, S.158-159) die Gesamtanlage
nach dem Wiederaufbau des durch Brand (im 17. Jh.?) zerstörten
Schlosses wieder. Die Wassergräben sind noch erhalten. Übereine
Brücke gelangt man zu einem rundbogigen überdachten Portal,
das links von einer kleinen (Pförtner-?) wohnung flankiert wird.
Von den beiden Ecktürmen des früheren Schlosses steht
nur noch der linke, doch mit barocker Haube und anderer
Anordnung der Öffnungen. Der Mittelrisalit ist weggefallen,
links des Eingangs wurde ein kleiner Flügel vorgelegt.
G. Poswick (2) glaubt aus den erhaltenen Bauresten des 17.
Jh. schließen zu können, daß es sich bei der Darmstädter Zeichnung
wohl eher um ein Bauprojekt als um die Wiedergabe einer
konkreten Verwirklichung handelt.
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Schloß Krickelhausen. Nur ein Umbauprojekt?
Die Beweisstücke für die "adlige" Vergangenheit des Hauses
liefern aber auch die vielen Wappen, die man an und in dem
Gebäude findet: über der Eingangstür, im Wohnzimmer, an den
Wirtschaftsgebäuden, ja, sogar ganz oben unter dem Dachgesims
haben die ehemaligen Besitzer ihre "Visitenkarte" hinterlassen.
Bei weitem nicht so alt wie "Großhaus", ist Krickelhausen
-ein Stocklehen des Aachener Marienstiftes- 1420 im Besitz des
Johann van den Werde, der sich nach dem Anwesen "von
Kreckelberch" nannte.
Johann von Krekelberg verkaufte einen Teil seines Lehens
im Jahre 1426 dem Thierry von Welkenhuysen, Besitzer von
Schloß Großhaus. Die Töchter des Pons von Welkenhuysen,
Katharina und Margaretha, verkauften dasselbe 1495 an Johann
Schiervelt (Schervell), Meier zu Lontzen. Dieser Teil bildete
fortan das Krickels- oder Schirvelslehen. .
Die Tochter des Johann Schiervelt, Johanna, heiratete den
Meier Johann Kerijs (Kerris). (Während mehr als zweihundert
Jahren übten die Besitzer von Kleinhaus das Amt des Meiers am
Lontzener Gericht aus). Da Johann Kerris und Johanna Schiervelt
kinderlos bleiben, fällt Krickelhausen an deren Nichte Anna,
Tochter des Lambert von Huckelbach und der Katharina von
Lontzen. (Schon im 16. Jh. nannten sich die Besitzer von
Krickelhausen "von Lontzen"). Anna von Huckelbach war
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Der wappengeschmückte Kamin. In den oberen Feldern "Hups von Lontzen"
u. "Imbstenraedt von Oetegroven", in den unteren "Dounraed" u." Ritterbach"
(Foto A. Jansen)
Nach dem Tode des Johann Adam von Hüpsch, der
unverheiratet geblieben war, geht das Erbe an dessen Schwestern
Regina und Maria Isabella, von denen letztere ihren Vetter Johann-
Wilhelm Kes(se)ler "zu Nydrum" bzw. "von Nydrum", Notar in
St. Vith, geheiratet hatte. Die Eheleute Kes(se)ler-von Hüpsch
hatten mehrere Söhne und zwei Töchter; die am 15. Januar 1708
auf Krickelhausen geborene Tochter Anna-Maria heiratete den
Schöffen GErard Honvlez aus Vielsalm. Dessen drei Kinder erben
Krickelhausen. Sowohl die beiden Söhne Johann-Wilhelm
Honvlez, der sich "Baron von Hüpsch" nannte und 1805 in Köln
verstarb, und Johann-Nikolaus Honvlez, der 1807 auf
Krickelhausen starb, als auch die Tochter Maria-Eleonore, gest.
1809, blieben unverheiratet.
11
nicht klar. Im selben Jahre 1826 ging der Besitz durch Kauf an
Joseph-Antoine Simonis aus Verviers, verheiratet mit Anna
Franquinet. Dieses Ehepaar blieb kinderlos und vermachte
Krickelhausen einem Neffen, Andr€ Joseph Francois de Grand’Ry,
dessen Mutter eine geborene Simonis war und der 1845 auch das
"Großhaus" erwarb.
Krickelhausen geht nun vom Vater auf den Sohn Andre
Joseph Francois Alfred de Grand’Ry über (1850), dann 1874 auf
den Enkel Jules de Grand’Ry, der den Besitz im Jahre 1885 der
Aachener Armenverwaltung verkauft. Von dieser erwirbt im
Jahre 1921 Alois Stickelmann aus Walhorn das Gut Kleinhaus,
das noch im selben Jahre an Hubert Biermanns aus Astenet
weiterverkauft wird. Durch Schenkung kommt Kleinhaus 1948
an den Neffen des Vorgenannten, Leo Kessel aus Astenet.
Wie Guillaume Grondal (4) berichtet, wurde der obere Teil
der Vorderfront des Wohnhauses im Jahre 1894 mit Ziegelstein
erneuert. Im selben Jahre wurden die Wassergräben angefüllt, so
daß auf Krickelhausen nur noch wenig an die immerhin nicht
” unbedeutende Rolle dieses Landschlosses erinnert.
Quellen
1) G. Poswick, les DElices du Duch€ de Limbourg, Verviers, 1951, S. 403-408
2) Poswick, op. cit. S. 407
3) Dr. H. Neu, Paul Aler und der Baron von Hüpsch, zwei bedeutende
Persönlichkeiten aus dem St. Vither Land, in "Zwischen Venn und Schneifel",
Dez. 1975, S. 188-191
4) G. Grondal, "Lontzen, Notices Historiques", Verviers 1954, S. 25-29
12
Galmei und Schalenblende aus dem
"Altenberger" Grubenfeld
Montangeologie und Bergbautechnik im Überblick
(1. Forts. *)
von Dr. Nik. Schmitz
4. Der Bergbau in den einzelnen Gruben-Revieren
4.1 Der "Altenberg" im ehemaligen " Neutral-Moresnet"
4.1.1 Zur lagerstättengeologischen Situation am "Altenberg"
Die frühesten, dem Verfasser bekanntgewordenen Angaben
zur geologischen Situation der Lagerstätte stammen von BROWN
aus dem Zeitraum zwischen 1668 und 1673. Er erwähnt als
Nebengestein "Kalk"10 und hebt besonders die außerordentliche
Mächtigkeit der Galmei-"Gänge"11 (in einem Fall 11-12 Fuß,
also 3,3 bis 3,6 m) hervor. Außerdem beschreibt er den Galmei als
dunkelgelb bis rot und intensiv durchsetzt mit Aderchen von
natürlichem Schwefel bzw. als schwärzlich bis rotbraun mit
(* Den ersten Teil dieses Aufsatzes findet der Leser in Nr. 55, S. 51-68, dieser
Zeitschrift).
10 Tatsächlich jedoch Dolomit. Zur damaligen Zeit kannte man den Unterschied
zwischen Kalk CaCO3 und Dolomit noch nicht. Erst 1791 beschrieb D&odat de
Dolomieu (1750-1801) dieses Mineral - CaMg(CO3);2 - welches ihm auf seinen
Reisen im Alpenraum aufgefallen war. Später erhielt es auf Anregung von
Nicolas Th6odore de Saussure (1767-1845) den heutigen Namen. Die Dolomiten
-Region der Alpen ist nach diesem, die dortigen Gesteine prägenden Mineral
benannt.
11 Als "Gänge" bezeichnet der Bergmann mit Mineralabsätzen gefüllte Spalten
im Gestein.
13
Drusen voller schön entwickelter, aber schwärzlicher
Kristallaggregate12,
Aus den ersten Jahren der Franzosenzeit (1795) datieren
einige geologische Angaben des "Bürgers" BAILLET!3, staatlicher
Bergwerksinspektor aus Paris. Er beschreibt die Lagerstätte als
eine Galmeierz-Masse, eingelagert in "Glimmerschiefer", bzw.
harte quarzreiche "Glimmer-Sandsteine"14; er erwähnt aus der
Nähe der Lagerstätte ebenfalls "Schichten blauer Kalke"15, die
steil nach S einfallen und macht Angaben über die Ausbißgröße16
(500 x 40 m in NE-SW-Erstreckung). Desweiteren stellt er
unterschiedliche, bunt gefärbte Erzqualitäten fest (kompakt -
voller Hohlräume - vermengt mit Quarz - tonig verunreinigt).
Der nächste Hinweis stammt erst aus dem Jahre 1817 (also
aus der Zeit kurz nach dem Grenzvertrag von 1816, als dessen
Folge "Neutral-Moresnet" entstand). Der Königlich Geheime
Oberbergrat!7, GRAF VON BEUST, erwähnt in seinem
Bereisungs-Protokoll (zit. nach BECKERS 1979), daß die
Vererzung als sehr reiner Galmei an eine "große muldenförmige
12 Die Buntfärbung des Galmei beruht in erster Linie auf rotgelben Überzügen
von Eisen-Hydroxid; die Schwarzfärbung wird durch Mangan-Hydroxid
verursacht. Der Erwähnung von natürlichem Schwefel liegt eine Verwechslung
zugrunde, höchstwahrscheinlich mit dem - ebenfalls damals noch unbekannten
- Mineral Greenockit CdS, welches als Verwitterungsprodukt aus Zinkblende
entsteht.
13 Die von BAILLET gemachten Angaben verschiedenster Art sind teilweise
nicht korrekt. Das fiel schon den preußischen Beamten des Oberbergamtes
Bonn bei ihrer Inspektionsreise zum "Altenberg" im Jahre 1817 auf.
14 Gesteine des Famenne (oberstes Devon)
15 Unterkarbonischer "Kohlenkalk". Interessant istdie Farbangabe: als "Aachener
Blaustein" werden ja traditionell die als Werksteine seit jeher verarbeiteten
Karbonatgesteine des Devon und Karbon aus dem Aachener Raum bezeichnet.
16 an der Erdoberfläche freiliegender Teil eines Erz- oder Gesteinskörpers
17 Die gemeinsame niederländisch-preußische Verwaltung von "Neutral-
Moresnet" beinhaltete auch bergbehördliche Zuständigkeiten des Bergamtes
Düren.
14
Vertiefung des Übergangs-Kalksteins"18 gebunden sei und einen
"ungeheuren Stock" bilde, der hier zu Tage trete.
Aus einem Bereisungs-Protokoll des Königlichen
Oberberghauptmannes GERHARD von 1818 (ebenfalls nach
BECKERS 1980) ergeben sich weitere geologische Details. So ist
die Rede von "Massen eines sandigen Kalksteins" und auch von
"Letten-Schichten"19, die beide in den Galmei-Erzkörper
eingelagert seien. Bemerkenswert ist die Feststellung, daß weder
im Galmeistock, noch im "sandigen Kalk", noch in den
Lettenpartien eine "ordentliche Schichtung" erkennbar sei. Nur
im Nebengestein außerhalb der Lagerstätte, im Nordwesten und
Südosten davon, seien die Lagerungsverhältnisse im begleitenden
Nebengestein, "Kalkstein" und "Grauwacke"20, erkennbar. Das ‘
"Streichen" der Gesteinsserien ist offenbar bekannt, wird aber
nicht genannt. Als Einfallsrichtung (Neigungsrichtung der
Schichten, verläuft immer senkrecht zur Streichrichtung) wird
Südosten angegeben. Auch hier wird wiederum das Auftreten
schöner Kristalldrusen erwähnt, wobei mit der Bezeichnung
"blättriger Galmei" vermutlich Zinkspat in flachrhomboedrischer
Kristallausbildung gemeint ist
Aus der Schlußbemerkung dieses Berichts wird deutlich,
daß offenbar zu diesem Zeitpunkt noch keine kartographische
Darstellung der geologisch-lagerstättenkundlichen Verhältnisse
am "Altenberg" existierte.
In einer zusammenfassenden Darstellung der Zinkindustrie
in Belgien geben PIOT und MURAILHE, zwei Bergbau-
sachverständige, 1844 eine kurze grundsätzliche Übersicht über
Nebengestein und Lagerungsverhältnisse am "Altenberg". Dabei
18 Damit ist der unterkarbonische "Kohlenkalk" (in der zeitgenössischen
Fachliteratur der 1. Hälfte des 19. Jh. auch als "Bergkalk" bezeichnet) gemeint,
auf den die sandig-tonigen Serien des jüngeren steinkohleführenden Oberkarbons
folgen.
19 Als "Letten" werden tonige Bildungen bezeichnet, die im vorliegenden Fall
vermutlich bei chemischen Umsetzungsprozessen im Zuge der Erzbildung
entstanden sind.
20 Mit "Grauwacke" sind hieroffenbar die tonig-sandigen Schichten desobersten
Devons, des Famenne, gemeint, die als geologisch ältere Bildung den
galmeiführenden "Kohlenkalk" unmittelbar unterlagern.
45
erwähnen sie auch erstmals Dolomit als Erzbegleiter sowie die
Aufteilung des Erzkörpers durch eine Dolomit-Partie in zwei
Lagerstättenteile.
Aus dem Jahre 1849 stammt eine leider nur kurze Protokoll-
Notiz über einen einschlägigen Vortrag (25. Versammlung der
"Gesellschaft Deutscher Naturforscher und Ärzte" im September
1847 in Aachen) des Königlichen Oberbergrats RUDOLPH VON
CARNALL21 vom Oberbergamt Bonn. Darin wird u.a. die
überkippte Lagerung der gefalteten Gesteinsserien angesprochen
und zugleich auch Dolomit (entstanden durch in-situ-Umwandlung
des Kalksteins) als Nebengestein erwähnt. Interessant ist, daß von
Carnall offensichtlich während seines Vortrages eine geologische
Kartenskizze der Lagerstättenumgebung sowie einige geologische
Profile durch den "Altenberg" vorlegte.
Die erste veröffentlichte detaillierte Beschreibung der
geologisch-lagerstättenkundlichen Verhältnisse am "Altenberg"
und auch in der weiteren "Altenberger Concession" stammt von
MAX BRAUN?2? aus dem Jahre 1857. In einer "Geognostischen
Skizze des Concessionsfeldes Altenberg" (Abb. 9) samt Profilen
stellt er die geologische Schichtenfolge in ihren Grundzügen
sowie ‘die Prinzipien des Gebirgsbaus (gefaltetes, NE-SW-
streichendes Grundgebirge mit aufgelagerter jüngerer
Kreideüberdeckung) dar.
Bemerkenswert ist seine Feststellung, daß reiche
Erzvorkommen in aller Regel nur dort auftreten, wo die für diesen
21 Rudolph Arwid Wilhelm von Carnall (1804-1884), zuletzt Berghauptmann
in Breslau, war eine treibende Kraft in der Entwicklung des Bergbaus im
damaligen Preußen bzw. Deutschen Reich. Von 1844 bis 1847 war er am
Oberbergamt Bonn tätig, von 1848, dem Jahr seiner Versetzung als Geheimer
Bergrat ins Berliner Finanzministerium, bis 1852 war er Mitglied des
Verwaltungsrats der "Vieille Montagne". Nach ihm wurde 1856 durch Heinrich
Rose (1795-1864), Professor der Chemie in Berlin, das Salzmineral
KMgCl3:6H20 Carnallit benannt.
22 Maximilian Karl Alexander Braun war von 1859 bis 1874 Direktor der
VM-Betriebe in der Altenberger Konzession und hatte seinen Amtssitz in
Kelmis (heutige Parkvilla, um 1840 errichtet, mit späteren baulichen
Erweiterungen). Vor seiner Tätigkeit in Kelmis war er bis etwa 1848 Direktor
der Blei-Zinkerz-Grube "Corphalie" bei Huy/Maas. Von ihm stammt übrigens
eine interessante Arbeit über die geologisch-lagerstättenkundliche Situation in
eben dieser Lagerstätte (1849).
16
Raumtypischen NW-SE-verlaufenden Störungen den "Bergkalk"
(unterkarbonischer Kohlenkalk) und den "devonischen Kalk"
kreuzen. Weiterhin wichtig ist die von ihm vorgenommene
Klassifizierung der einzelnen Lagerstätten-Typen ("Gänge",
"Contaktlagerstätten", "Nester", "Lager oder Flötze"), die in ihren
wesentlichen Aussagen bis heute gültig geblieben ist..
Kernstück seiner Darstellung sind Schnitte verschiedener
Orientierung durch die vererzte Muldenstruktur des "Altenberg".
Der sehr unregelmäßig geformte Erzkörper ist im Ausbiß-Bereich
durch eine bis in geringe Teufe reichende Dolomit-Partie zwei-
geteilt. Dieses und auch die sehr unterschiedliche Ausbildung
beider Teile gaben Anlaß zur Unterscheidung eines (großen)
Nordlagers im NE und eines (kleineren) Südlagers im SW,
wenngleich beide in der Teufe miteinander in Verbindung standen.
Desweiteren beschreibt er die Dolomit-Partie zwischen beiden
Lagerstätten-Teilen, das Auftreten von Letten?3-Partien und den
Mineralbestand der Vererzung und hebt insbesondere den hohen
Anteil an hartem kieseligem Zinkerz (Kieselzinkerz und Willemit)
hervor. Der Mineralbestand in den auf den oberen Sohlen besonders
häufigen Drusenhohlräumen setzt sich nach Brauns
Beobachtungen aus Zinkspat, Kieselzinkerz, eisenhaltigem
Zinkspat, zinkhaltigem Kalkspat und seltener Quarz zusammen.
Gelegentlich wurden auch Gips-Kristalle beobachtet. Von Interesse
ist in diesem Zusammenhang, daß aus dem "Altenberg" drei neue
Minerale beschrieben wurden, und zwar Hopeit Znz [PO4]2‘4H,0
(durch Brewster 1822), Willemit Zn,SiO4 (durch Levy 1830) und
Fraipontit ZngAl4[(OH)g/(SiO4)s:7H,0 (durch Cesäro 1883).
Aus dem Jahre 1886 stammt eine zusammenfassende
Darstellung über Geologie, Bergbau- und Hüttenindustrie des
Raums Aachen von W. SCHULZ. Die ausführliche Schilderung
der geologischen Verhältnisse (Schichtenfolge, Tektonik,
Vorkommen nutzbarer Bodenschätze) läßt erkennen, daß der
Wissensstand in geologischen Dingen inzwischen sehr stark
erweitert wurde, nicht zuletzt aufgrund guter Aufschlußverhältnisse
in den Grubenrevieren des einheimischen Steinkohle- und
Erzbergbaus, aber auch wegen der intensiven Aufnahmetätigkeit
und Prospektionsarbeiten durch Geologen und Bergleute im Gebiet
23 tonige Neu- bzw. Umbildungen im Bereich von tektonischen (Bewegungs-)
Flächen, auf denen Wasser zirkuliert.
18
des damaligen Oberbergamtes Bonn, zu dessen Aufsichtsbereich
die nachgeordneten Bergämter Düren und Aachen gehörten.
Namentlich erwähnenswert sind hier ERNST VON DECHEN24
und E. HOLZAPFEL.
Schulz übernimmt - mit einigen Abweichungen - die
lagerstättengeologischen Aussagen von Braun. Er erwähnt im
übrigen auch die großen NE-SW-verlaufenden Überschiebungen
("Längsstörungen", parallel zum Gesteinsstreichen). Dort, wo
diese die NW-SE-verlaufenden Querstörungen (vgl. auch Kap. 3)
kreuzen und zugleich auch den Devon-Kalk oder den "Kohlenkalk"
mechanisch zerrüttet haben, fanden sich besonders gute
Voraussetzungen für die Zirkulation metallführender
Thermalwässer und für die Erzbildung. .
Besonders hervorzuheben ist die geologische Karte, die
Schulz seiner Arbeit beigelegt hat. Sie wurde von Holzapfel
gemeinsam mit GUSTAV SIEDAMGROTZKY?26 entworfen.
Der Bergbau auf der Lagerstätte "Altenberg" wurde 1884
wegen Erschöpfung der Erzvorräte eingestellt. Die bis dahin
ermittelte Situation der lagerstätten-geologischen Verhältnisse
wurde - im wesentlichen auf der Grundlage der Braun’schen
Untersuchungen - ineiner amtlichen Beschreibung des Bergreviers
Düren durch das Oberbergamt Bonn (1902) sowie durch
FRIEDRICH KLOCKMANN?27 (1910) nochmals dargestellt.
Auf dieser Grundlage und nach einer Zusammenfassung durch L.
DEJHONGE et al. (1993) ergibt sich das folgende Bild (Abb. 10):
Die berühmte und seit Jahrhunderten gebaute Lagerstätte wurde
in der räumlichen Lage ihrer Vererzung durch zwei geologische
Bau-Elemente kontrolliert, und zwar
24 Ernst Heinrich Karl von Dechen (1800-1889) war um die Mitte des vorigen
Jahrhunderts Berghauptmann am Oberbergamt Bonn. Von ihm stammen die
ersten überregionalen geologischen Kartenwerke von Rheinland und Westfalen.
26 Gustav Adolf Siedamgrotzky (1839-1890) war Markscheider (d.h.
Vermessungsingenieur im Bergbau), baute in den 80er Jahren des vorigen
Jahrhunderts die erste moderne städtische Wassergewinnungsanlage für Aachen
("Eicher Stollen") und war von 1871 bis 1890 erster Direktor des Aachener
Wasserwerks.
27 Friedrich Ferdinand Hermann Klockmann (1858-1937), Mineralogie-
Professor in Aachen, Standard-Werk "Lehrbuch der Mineralogie", Stuttgart
1892, zahlreiche Auflagen, die späteren bearbeitet von Ramdohr, die 15.
Auflage (1967) bearbeitet von Ramdohr und Strunz.
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1. tektonisch28 durch die NW-SE-streichende "Bleiberger
Störung" (auch "Göhl- Störung" genannt), auf der die
Lagerstätten von Bleiberg, des "Altenbergs" und von Fossey
sowie einige weitere Vorkommen liegen bzw. lagen
2. petrographisch?? durch eine schmale Karbon-Mulde, deren
Dolomit mitsamt Tonschiefer-Einschaltungen (aus dem unteren
"Kohlenkalk") das unmittelbare Nebengestein des Erzstocks
bildete.
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10.1 Altenberger Erzkörper
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10.2 Altenberger Erzkörper
vertikaler Längsschnitt NE - SW
28 "Tektonik" = Lehre vom Bau der Erdkruste und den Kräften und Bewegungen,
die diesen erzeugt haben.
29 "Petrographie" = Gesteinskunde
21
Die bauwürdig vererzte und ehemals im Raum Bleiberg
(Plombi@res) gebaute "Bleiberger Störung" ist im engeren Gebiet
der Altenberger Lagerstätte als unvererzte Lettenkluft zwischen
dem Krickelstein-Schacht und dem kleinen Erzstock gleichen
Namens nachgewiesen worden.
Die vererzte und mit 10 - 20° nach NE aushebende
Muldenstruktur enthielt in ihrer SW-Fortsetzung auch die
Lagerstätten von "Schmalgraf", Eschbruch" und "Mützhagen".
Der Ausbiß des Erzstocks umfaßte mit einer Fläche von etwa 200
x 100 m praktisch den gesamten NE-Bereich der Mulde. Das
dolomitische Nebengestein war hier in nur geringmächtiger
Entwicklung auf das Liegende des Erzstocks beschränkt, der
stellenweise in direktem Kontakt zum Famenne stand. Im
unmittelbaren Grenzbereich zum Erz war der Dolomit stark
silifiziert und wasserführend; außerdem traten pyritisierte
Tonschiefereinschaltungen auf. Nach SW wurde der Lagerstätten-
Ausbiß durch eine bis in ca. 28 m Teufe reichende Dolomit-Partie
("Dolomit-Keil") unterbrochen. Jenseits davon setzte sich der
Ausbiß weiter fort, wenn auch in wesentlich geringerer
Ausdehnung. Diese Trennung in zwei unterschiedlich große, im
Streichen aufeinanderfolgende Ausbißzonen führte zu der
(historischen) Einteilung der Lagerstätte in ein Nord- und ein Süd-
Lager. Beide Lagerteile standen jedoch unterhalb des
"Dolomitkeils" miteinander in Verbindung, so daß die gesamte
Lagerstätte einen, wenn auch äußerst unregelmäßig geformten,
nach SW abtauchenden Erzstock ausmachte, in dem das Nord-
Lager 65 m, das Süd-Lager 116 m Teufe erreichte, und dessen NE-
SW-Erstreckung ca. 500 m, seine Breite etwa 100 m ausmachte.
Für das Süd-Lager war - in seinen Hangend-Partien - der
hohe Anteil lettiger Galmeierze ("calamine-terre") von
(aufbereitungstechnischer) Bedeutung, wohingegen das Nord-
Lager vorzugsweise stückiges kompaktes Galmeierz ("calamine-
roche") geliefert hat. Der "Dolomit-Keil" sowie die zahlreichen
Dolomit-Partien im Süd-Lager enthielten Galmei-Nester, waren
durchzogen von netzartig angelegten Galmei-Trümern?0, waren
"zerreiblich wie schwach verfestigter Sand", durch Mangan-
Hydroxid schwarz verfärbt und enthielten bis zu 10% Zink! An
30 alter Bergmanns-Ausdruck für erzgefüllte Spalten und Risse im Gestein
22
der NW-Flanke der Lagerstätte verlief im Grenzbereich Erz/
Famenne-Schiefer auf "einige 50 m" eine mit roten und gelben
Letten ausgekleidete "Kluft" (wohl eine tektonische
Bewegungsfläche), in deren Nachbarschaft der Famenne-Schiefer
stark zersetzt und dunkel bis schwarz verfärbt war und Pyrit
enthielt Ca. 50 m SW des Süd-Lagers existierte in 75 bis 115 m
Teufe ein kleiner isolierter Galmeierz-Körper, der Erzstock
"Krickelstein". Mehrere nach SW vorgetriebene Unter-
suchungsstollen haben eine Fortsetzung der Gesamtlagerstätte
nicht auffinden können. DEJONGHE et al. vermuten, daß die
Untersuchungsarbeiten seinerzeit zu früh eingestellt wurden.
Das Fördererz wies einige Besonderheiten auf. So zerfiel
der "calamine-roche" (das historische Zinkerz am "Altenberg") *
nach längerer Lagerung im Freien zu einer feinstückig bis pulvrigen
Konsistenz und war deswegen ohne Zerkleinerung weiter zu
verarbeiten.
Der "calamine-terre" enthielt das Erz in Form eckiger Bruchstücke
verschiedener Größe bis hin zu feinkörnigen Fragmenten, alles
eingebettet in eine lettige Grundmasse. Diese Letten waren
einerseits durch Fe-Hydroxid rotbraun gefärbt, enthielten
andererseits auch grüne Eisen- und Aluminium-Silikate.
Interessant war die Beobachtung, daß der Galmei
oberflächennaher Bereiche karbonatisch entwickelt war und der
Anteil kieseligen Galmeis mit der Teufe zunahm; ab 80 bis 855 m
war der Galmei ausschließlich silikatisch zusammengesetzt.
Die Erzvorräte der in jahrhundertelangem Abbau
betriebenen Lagerstätte "Altenberg" lassen sich nur abschätzen.
Übereine Volumenberechnung des historischen Tagebaus gelangte
BRAUN für das Nord-Lager zu einem Inhalt von 340 000 m3,
entsprechend einer Galmeimenge von 20 000 000 Zentnern
(entsprechend 1 Million Tonnen), die im Verlaufe des 500jährigen
Abbaus bis etwa 1850 insgesamt hereingewonnen wurde. Die
daraus ableitbaren Jahresfördermengen (im Schnitt 2 000 t nur)
sindsehr gering3!; dabei istjedoch das händische Abbauverfahren
früherer Zeiten sowie die ausschließliche Verwendung des
geförderten Galmeis zur vorindustriellen Messing-Produktion zu
berücksichtigen.
31 Zum Vergleich: Die größte Jahresförderung an Galmei aus dem "Altenberg"
Jag 1850 bei 29 993 t Roherz (WINTGENS 1981)
23
Für die Zeit von 1850 bis 1900 stammen verläßliche
Zahlen32 von TIMMERHANS (1905). In diesem Zeitraum wurden
1 150 000 t Roherz ("roche" und "terre") gefördert, so daß der
"Altenberg" insgesamt mehr als 2 000 000 t Galmei geliefert hat.
Davon entfallen auf die Betriebszeit der Vieille Montagne seit
1837 1414328 t Roherz, so daß bis zum Beginn eines industriellen
Abbaus und der systematischen Führung von Förderstatistiken
am "Altenberg" knapp 600 000 t Roherz abgebaut worden sind.
4.1.2 Zur Technik des Bergbaubetriebs am "Altenberg"
Der "Altenberg" ist im Laufe seiner Geschichte bis zum
Beginn des 19. Jahrhunderts europaweit im Zusammenhang mit
der zeitgenössischen Messing-Metallurgie bekannt geworden,
lieferte er doch aus einer geradezu unerschöpflich erscheinenden
Lagerstätte den seinerzeit besten Galmei?3. Darüber äußerte sich
schon JOHANNES MATHESIUS?* 1562, ein Zeitgenosse von
GEORG AGRICOLA. Im Gegensatz zu anderen historischen
Bergbaurevieren, z. B. des Harzes oder des Erzgebirges, ist der
"Altenberg" jedoch - was die bergbauliche Seite anbetrifft - nie im
Zusammenhang mit montantechnischen Innovationen in
Erscheinung getreten. Dieses hing ganzeinfach mit der besonderen
lagerstättengeologischen und topographischen Situation an Ort
und Stelle zusammen, die einen mehrhundertjährigen übertägigen
Erzabbau in Form eines Steinbruchbetriebs ermöglichte. Und
auch dieser mußte erst nach etwa 250jähriger Abbautätigkeit in
32 Die bei Schulz und im Bericht des Oberbergamts Bonn von 1902 genannten
Zahlen sind widersprüchlich und vermutlich falsch wiedergegeben.
Bei den oben genannten Zahlen ist zu berücksichtigen, daß zwar der
Abbaubetrieb am "Altenberg" 1884 eingestellt wurde, aber die Aufbereitungs-
abgänge früherer Betriebsperioden noch bis etwa 1900 verarbeitet wurden.
33 Im Gegensatz zu anderen Galmei-Bergwerken lieferte der "Altenberg" ein
hochhaltiges und praktisch Blei-freies Erz.
34 Johannes Mathesius (1504-1565), ein Freund Agricolas und Luthers, war
Pfarrer in Joachimsthal/Erzgebirge und verfasste eine Sammlung von 16
Predigten ("Sarepta..., 1562), in denen er in theologischer Ausdruckweise eine
umfassende Darstellung der Berg- und Hüttentechnik des 16. Jh. gab.
Georg Agricola (1494-1555), Begründer der Montanwissenschaften und
Verfasser des Buches "De re metallica", in dem er das damalige Montanwissen
zusammenfasste und welches bis ins 19. Jh.als montanistisches Lehrbuch diente
und in viele Sprachen übersetzt wurde.
24
der 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts (ab 1562) künstlich durch eine
Rösche35 entwässert werden, da inzwischen die Abbau-Teufe für
einen natürlichen Abfluß der anfallenden Grubenwässer zu groß
geworden war. Es versteht sich deswegen, daß die im Bergwerk
eingesetzte Montantechnik noch bis in die 1. Hälfte des 19.
Jahrhunderts weitestgehend auf die Wasserhaltung beschränkt
war und dabei von AGRICOLA beschriebene Verfahren nutzte.
Gegenstand des historischen Abbaus war das Nord-Lager.
Detaillierte Angaben zur Entwicklung des Tagebaus im
historischen Rahmen lieferte in umfassender Darstellung FIRMIN
PAUQUET (1970, 1990), so daß hier nur kurz darauf eingegangen
zu werden braucht.
Erste genauere Angaben über die Tagebau-Teufe stammen
mit "18-19 fathoms"36, entsprechend 31-34 m aus dem Jahre 1673
von EDWARD BROWN. Bei dieser Teufenlage blieb es bis
wenigstens 1832. Der Erzabbau, ob übertage oder später auch
zusätzlich untertage, verlief bis in die ersten Jahre der "Vieille
Montagne" offensichtlich recht chaotisch, da man ausschließlich
als Reicherz den "calamine-roche" abbaute und alles andere, was
zugleich beim Abbau anfiel (insbesondere "calamine-terre"),
ungeordnet im Übertagebereich der Lagerstätte deponierte. So
konnte es geschehen, daß durch unsachgemäße Anlage der
einzelnen Abbau-Strossen am Fuße des "Königlichen Hauses"37
(siehe Abb. 11) dieses 1806 in Teilen in den Tagebau abrutschte.
Noch 1851 erfolgten Hangrutschungen im Tagebaubereich mit
dem Ergebnis, daß auf 8000 t Galmei-Roherz im Nord-Lager
3200 t sterile Berge mitgefördert werden mußten; im Süd-Lager
lag das Verhältnis mit 4500 T zu 10500 t noch ungünstiger. Mit
den abbautechnischen Fehlern der Vergangenheit hatte die "Vieille
Montagne" bis zum Auslaufen des Übertagebetriebs zu tun. Erst
mit der absehbaren Erschöpfung des Nord-Lagers wurde auch die
Gewinnung des "calamine-terre" erforderlich, was zugleich um
1848 den Einsatz zunächst einfacher aufbereitungstechnischer
Verfahren ("Wäsche") notwendig machte.
35 unterirdisch geführter Wassergraben
36 Faden (engliches seemännisches Tiefenmaß) = 1,82 m
37 Das "Königliche Haus” ist in der Zeit zwischen 1596 und 1621 erbaut worden
und diente dem königlichen Kontrolleur des Bergbaus am "Altenberg" als
Amtssitz (PAUQUET 1970).
25
Mit dem Beginn einer systematischen Abbauführung unter
Donys Teilhaber und Nachfolger Mosselman, vor allem aber nach
dem Bau der Altenberger Zinkhütte (1835/37) und unter der 1837
gegründeten "Soci&t€ anonyme des Mines et Fonderies de Zinc de
la Vieille Montagne" wurde der Tagebau schnell tiefer und
erreichte um 1847 eine Teufe von 50 bis 60 m. 1858 schließlich
war das Nord-Lager nach über 500 Jahren erschöpft.
Aus der Zeit ab 1773 sind etliche Pläne der
Bergwerksanlagen erhalten geblieben?8. Daraus und aus den
Angaben historischer Beschreibungen und Grubenrisse lassen
sich Aussagen zur bergmännischen Abbautechnik im Tagebau
machen.
Es handelte sich hier um einen Strossenbau (Abbau in
stufenförmigen Absätzen von_oben nach unten), der schon den
altägyptischen Bergleuten bekannt war (SUHLING 1983) und
heute noch das wesentliche Abbauverfahren in modernen
mechanisierten Großtagebauen des Erz- und Braunkohle-Bergbaus
ist. Im "Altenberg" variierte die Strossenhöhe mit der Qualität der
verfügbaren Abbauwerkzeuge und Fördermittel (Abb. 11). Zur
Zeit der Brown’schen Befahrung des "Altenberg" waren die
Strossen gut mannshoch (auf vielleicht 1.80 m) angelegt, damit
das von Hand gewonnene Erz durch die Bergleute von Strosse zu
Strosse "über Kopf" aus dem Tagebau herausgeschaufelt werden
konnte, um die am oberen Rand stehenden Fuhrwerke beladen zu
können. Als "Gezähe" (bergmännisches Werkzeug) dienten bis
weit ins 19. Jahrhundert hinein Handwerkzeuge wie Hämmer,
Keilhauen, Meißel, Brechstangen, Kratzen und Schaufeln (Abb.
12). Allein schon die Notwendigkeit des regelmäßigen Nach
schärfens39, der Reparatur und Neuanfertigung von Werkzeugen
machten die Unterhaltung einer Schmiedewerkstatt in Abbaunähe
erforderlich. Aus der Zeit ab 1806 ist ein Abbau-Gedinge%0
38 Andieser Stelle sei Herrn Firmin Pauquet aus Kelmis für die Möglichkeit zur
Einsichtnahme in sein Privatarchiv und für zahlreiche aufschlußreiche Gespräche
herzlich gedankt.
39 Aus historischen Bergbaurevieren ist bekannt, daß ein Hauer auch bei nicht
sonderlich hartem Gestein 12-24 "Bergeisen" (eine Art Spitzmeißel mit Stiel)
pro Schicht verschlug !
40 Alter Bergmannbegriff für einen Vertrag, in dem sich der Bergmann zu einer
ausgehandelten Arbeitsleistung gegen ein ebenfalls ausgehandeltes Entgelt
verpflichtet.
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Abb. 11 (1): Galmei-Abbau im übertägigen Strossenbetrieb
(umgezeichnet nach PIOT und MURAILHE 1844)
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28
überliefert, welches pro Mann und Schicht bei 3 Körben mit je 60
kg Erz lag. Den Einsatz von druckluftbetriebenen Bohrhämmern
in den Grubenbetrieben der VM ab 1857 - übrigens erstmals im
belgischen Bergbau - hat der Tagebau des Nord-Lagers offenbar
nicht mehr erlebt, wohl aber die Verwendung von Sprengstoff
(Schwarzpulver) etwa ab 184341. Beides führte zu einer enormen
Verbesserung der Arbeitsabläufe beim Erzabbau.
Mit der Intensivierung des Abbaus vergrößerte sich die
Strossenhöhen auf bis zu 6 m im Jahre 1832. Die Absätze
zwischen den Strossen wurden breiter und somit auch tiefere
Tagebaubereiche für Pferdefuhrwerke erreichbar. Ab 1833/34
wurde der Erztransport im Tagebau durch den damaligen
Bergwerksdirektor Jean-Baptiste Crocq auf schienengebundene *
Pferdefuhrwerke umgestellt - eine signifikante Verbesserung der
- Fördertechnik. Wie PIOT und MURAILHE berichteten, erfolgte
1844 der übertägige Abbaubetrieb gleichzeitig an 6 bis 9
verschiedenen, auf die einzelnen Strossen verteilten Abbau-Örtern.
Jeweils 9 Arbeiter waren pro Abbau eingesetzt. Es wurde mit
Schwarzpulver gesprengt (Monatsverbrauch 250 livres,
entsprechend gut 120 Kg) und der noch grobklotzige Abschlag
von Hand weiter zerkleinert; zugleich wurde das Haufwerk sortiert,
bevor es aus dem Tagebau heraustransportiert wurde. Dieses
erfolgte auf schienengebundenen hölzernen Kipp-Loren (800 kg
Ladekapazität), die BASTINE übrigens 1843 dargestellt hat. Die
Gleise waren offenbar die seit 1789 in Europa in Gebrauch
gekommenen "Stegschienen mit Kopf" (6 cm hoch und mit
Befestigungsschuhen auf Holzschwellen genagelt);
dementsprechend muß es sich bei den Laufrädern der Loren um
solche mit Spurkranz gehandelt haben. Zum Betrieb der Loren
wurden Kinder, bei zu starker Steigung Pferde (maximal 4 im
gesamten Tagebau) eingesetzt. Das Erz wurde bis auf die "Plaine"42
vor den Kalzinier-Öfen transportiert, die Berge jenseits der Straße
41 Die erste sichere Nachricht über den Einsatz von Schwarzpulver zur
Sprengarbeit im Bergbau stammt aus dem Jahre 1627, und zwar aus Schemnitz
im slowakischen Erzgebirge an der Grenze zu Ungarn (SUHLING 1983). Für
den "Altenberg" wurde der Einsatz vonSchwarzpulver bereits 1681 zumindest
ins Auge gefasst (PAUQUET 1970).
42 Stapelfläche für das Roherz
29
Aachen-Lüttich auf Halde gekippt. Auf eine Lore mit Erzentfielen
seinerzeit drei Loren mit Abraum*3,
Mit der erreichten Teufe von 50 bis 60 m um die Mitte des
vorigen Jahrhunderts gab es Probleme mit der bislang praktizierten
Methode der Erzförderung durch Pferdefuhrwerke. Zur
Umgestaltung auf eine rationellere Verfahrenweise wurde 1847
eine Rampe angelegt, über welche auf 2 Gleisen gleichzeitig
jeweils ein mit Erz beladener Förderwagen herauf und ein leerer
(bzw. ein mit Material beladener Wagen) abwärts transportiert
wurde. Die Förderwagen ihrerseits wurden jeweils auf
entsprechend konstruierte, das Gefälle der Rampe ausgleichende
Roll-Bühnen aufgeschoben. Der Antrieb am oberen Ende der
Rampe erfolgte durch 2 Haspelanlagen, die ihrerseits durch eine
Dampfmaschine - die erste am "Altenberg" installierte*4 ! -
angetrieben wurden. Der Betrieb dieser Rampe erwies sich -
vermutlich wegen unzureichender Förderkapazität der Anlage -
aber als uneffektiv, sodaß er 1851 eingestellt wurde. Die
Materialförderung über Rampen ist übrigens eine Verfahrensweise,
die im historischen hochalpinen Erzbergbau zwischen den
hochgelegenen Lagerstätten und den tiefer gelegenen
Aufbereitungen sehr verbreitet (so z. B. Goldbergbau in den
Hohen Tauern und Blei-Silber-Erzbergbau in den Ötztaler Alpen)
und dort bis zur Perfektion entwickelt war.
Diese Rampe (vgl. Abb. 3: MAUGENDRE-Lithographie
"Moresnet - territoire neutre - Gite Nord & plan inclin6") markiert
einen Meilenstein in der bergmännischen Betriebstechnik am
"Altenberg". Dieses Bilddokument zeigt den Übergang zwischen
mittelalterlicher und neuzeitlicher Montan-Maschinentechnik,
nämlich zwischen Wasserrad mit Stangenkunst zum
Pumpenantrieb und früher Dampfmaschine zum Antrieb von
Fördermaschinen. Desweiteren stellt die Rampe eine
Zwischenstufe in der Entwicklung vom - zumeist untertage
43 Hier ist zu berücksichtigen, daß seinerzeit wegen des Erzreichtums der
Lagerstätte nur die Reicherze in die Verarbeitung gingen. Wie die weitere
Entwicklung am "Altenberg" zeigt, wurden die Halden früherer Betriebsperioden
später zum Gegenstand eines "Sekundär"-Bergbaus, als verbesserte
Aufbereitungsmethoden zum Einsatz kamen.
44 Über den Typ dieser Dampfmaschine lagen dem Berichterstatter keine
näheren Informationen vor.
30
betriebenen - historischen "Bremsberg"45 zur modernen
gewendelten Rampe dar, über die heutzutage durch gleislose
Fahrzeuge (z. B. gummibereifte und dieselbetriebene Fahrlader)
die Förderung mineralischer Rohstoffe über untertägige
Teufendistanzen bis zu 100 m und mehr bewerkstelligt werden
kann.
Die karbonatischen Gesteine des Devon und Karbon im
deutsch-belgischen Grenzgebiet - das Nebengestein der hiesigen
Blei-Zinkerz-Lagerstätten- sind als natürliche Grundwasser-
speicher sehrbedeutsam. Das hängt zum einen mit der ausgeprägten
Klüftigkeit dieser Gesteine und dadurch bedingt mit ihrem hohen
Kluftvolumen zusammen; andererseits kann sich dieses
Grundwasser im Kluftraum der Gesteine in den verschiedenen *
langgestreckten Kalkstein-Zügen auf große Distanzen nach dem
physikalischen Prinzip der kommunizierenden Röhren46
verbreiten. Diese hydrogeologischen Verhältnisse waren so lange
für den Bergbau am "Altenberg" nicht von Belang, wie der Abbau
sich oberhalb des Göhltal-Niveaus bewegte, dem maßgeblichen
natürlichen Entwässerungssystem an Ort und Stelle. Selbst als aus
dem Tagebau das Oberflächenwasser wegen der erreichten
Teufenlage nicht mehr auf natürlichem Wege abfließen konnte
und 1562 eine Rösche*7 zur Entwässerung in die Göhl angelegt
werden mußte, war dieses eine vergleichbar unbedeutende
Maßnahme der Wasserhaltung‘8.
Mit der zunehmenden Teufe des Tagebaus kam man ab
1628/32nicht mehr umhin, Pumpen zur Entwässerung einzusetzen
(PAUQUET 1970). Damit vollzog sich auch am "Altenberg" der
45 Mit deutlichem Gefälle aufgefahrener Grubenbau (Strecke oder Stollen),
über den - mit einem Haspel gebremst - Material abwärts (und auch aufwärts)
gefördert wird.
46 Dieses Prinzip nutzte im vorigen Jahrhundert die Stadt Aachen beider Anlage
ihres ersten städtischen Wasserwerks (durch Siedamgrotzky), welches heute
neben mehreren anderen noch immer in Betrieb ist.
47 Diese Rösche, hier "Bergkanal" genannt, ist im Laufe der Zeit immer wieder
instandgesetzt worden und heute noch Teil des örtlichen Abwassersystems.
48 Bergmännischer Begriff für die Gesamtheit aller Maßnahmen und
Einrichtungen, die notwendig sind, eingedrungenes Grund- und Oberflächen-
wasser aus einem Bergwerk zu entfernen.
31
Übergang zur zeitgemäßen Nutzung der Wasserkraft, die sich im
Bergbau- und Hüttenwesen der Renaissance in vergleichbarer
Weise revolutionär auswirkte wie später die Newcomen”sche
"Feuermaschine" bzw. ihre Weiterentwicklung, die Watt‘sche
Dampfmaschine. "Wasser hebt Wasser" - damit wurde es möglich,
bergbautreibend in größere Teufen vorzustoßen, die mit dem
Einsatz von Mensch oder Tier allein nicht mehr erreichbar waren.
Der Einsatz von Wasserrädern zum Antrieb von Maschinen hatte
in manchen Bergbaurevieren zu damaliger Zeit auch soziale
Folgen, wurden hier doch vor allem die als "Wasserknechte" an
Handpumpen oder als Wasserheber eingesetzten Bergleute
arbeitslos®9,
Das erste am "Altenberg" installierte Wasserrad°0 - es war
aus Holz gefertigt - wurde durch einen "erfahrenen Pumpenmeister”
(Cryn Cryns) aus Eschweiler, dem damaligen Zentrum des
einheimischen Steinkohlebergbaus, in Aachen gebaut. Obes, wie
BASTINE 1843 zeigt, ebenfalls als mittelschlächtiges Rad°1
betrieben wurde, ist nicht bekannt. Über zum Teil unterirdisch
geführte Gräben wurden die notwendigen Aufschlagwässer von
der Göhl und dem Tülje-Bach einem unmittelbar am Wasserrad
angelegten Teich®2 zugeführt und anschließend mitsamt den
herausgepumpten "Hub"-Wässern über den schon erwähnten
"Bergkanal" der Göhl wieder zugeführt. Trotzdem dürfte die
Versorgung mit dem erforderlichen Antriebswasser in trockenen
49 So waren im berühmten Silbererz-Revier von Schwaz/Tirol in der 1. Hälfte
des 16. Jh. in einem Schacht bis zu 600 (!) Wasserknechte im Einsatz, die
übereinander auf "Fahrten" (Leitern) im Schacht stehend sich gegenseitig
gefüllte Eimer vom Schachtsumpf bis zum oberen Schachtende anreichten.
Wegen der hohen Kosten für die Wasserknechte mußte der Schacht 1545
aufgegeben werden, so daß die Grubenbaue ersoffen und erst nach Einbau einer
"Wasserkunst" ab 1556 wieder gesümpft werden konnten.
50 Wasserräder als Antrieb für Getreidemühlen sind aus Europa und Asien seit
dem 1. Jh. v. Chr. bekannt, fanden aber erst im frühen Mittelalter Anwendung
im europäischen Montanwesen (ZIMMERMANN, 1979).
51 Eine genauere Typisierung der historischen Altenberger Wasserräder aufgrund
ihrer Beschaufelung ist dem Verfasser zur Zeit nicht möglich.
52 Zumindest in den Plänen des 19. Jh. ist unmittelbar am Wasserrad ein
Staudamm mit Stützmauern eingezeichnet.
32
Jahren problematisch gewesen sein>3. Dieses Wasserrad hat
BROWN auf seiner Reise 1673 gesehen; es war 1679 in völlig
desolatem Zustand, sodaß die Pumpen nicht mehr arbeiten konnten
und der Tagebau in seinen damals erzreichsten Partien knapp 6 m
hoch unter Wasser stand. 1681 wurde deshalb ein neues (Eichen-)
Rad eingebaut, welches aber diesmal an Ort und Stelle gezimmert
wurde.
Die Art und Weise der Energieübertragung vom Wasserrad
auf die Pumpen ist für die erste Anlage nicht überliefert. Das
grundsätzliche technische Problem dabei war, eine kreisförmige
Bewegung in eine gradlinig gerichtete umzuwandeln. Dieses
gelang - und das war eine der bahnbrechenden montantechnischen
Anwendungen vermutlich aus der Mitte des 16. Jahrhunderts-mit
dem "Krummzapfen"54, in unserem heutigen Sprachgebrauch als
Kurbel bekannt. Die vonder Kurbel abgenommene Kreisbewegung
eines exzentrisch angeordneten Punktes wurde mit Hilfe von
Gelenken in gradlinige, hin- und hergehende Bewegungen
umgeformt. Diese mechanische Energie konnte - bei gleichem
Standort - direktvom Wasserrad an die anzutreibenden Maschinen
(z.B. Pumpen) übergeben werden (Abb. 13). Sie mußte allerdings
häufig auch über größere Distanzen übertragen werden. Dieses
gelang durch eine wegweisende montantechnische Erfindung, die
im übrigen selbst GEORG AGRICOLA offenbar nicht bekannt
53 Es war in europäischen Bergbaurevieren nichts Ungewöhnliches, wenn
durch Mangel an Aufschlagwässern für Wasserräder (trockene Sommer z. B.)
ganze Grubenreviere absoffen. Die Folge waren verstärkte Bemühungen, durch
Anlage von ausgedehnten Teich- und Grabensystemen (z. B. im Harz oder
Erzgebirge) eine dauerhafte Versorgung mit Betriebswässern sicherzustellen.
Im Falle des "Altenberg" war es 1628/32 so, daß die Wasserentnahme aus
dem Tülje-Bach durch eine "Kupfer-Mühle" (gemeint ist damitein Hammerwerk
zur Herstellung von Messingprodukten) den Betrieb des neuen Wasserrades
lahmlegte. Man war somit gezwungen, alternativ eine Quelle am "Heidkopf"
anzuzapfen. Schließlich erwies es sich doch am günstigsten, den Göhl-Bach auf
dem Gebiet der Herrschaft des Charles von Dobbelsteyn (Emmaburg) aufzustauen
und ihm über eine entsprechende Ableitung zum Tagebau das notwendige
Aufschlagwasser zu entnehmen.
4 Die früheste bislang bekannte Anwendung des (in der Antike bereits genutzten)
"krummen Zapfens" im Bergbau ist 1550 aus St. Joachimsthal und 1554 aus
Schneeberg, beide im Erzgebirge, überliefert(SUHLING 1983, WAGENBRETH
und WÄCHTLER 1986).
33
war, nämlich durch eine "Stangenkunst"5, auch "Kunstgestänge”"
oder "Feldgestänge" genannt. Damit konnte man Kraft- und
Arbeitsmaschinen räumlich getrennt voneinander betreiben. Man
kann davon ausgehen, daß die kraftschlüssige Verbindung
zwischen Wasserrad und Pumpen auch schon beim ersten
Wasserrad am "Altenberg" durch eine Stangenkunst hergestellt
wurde. Besonders häufig verwendet wurden Doppel-Feldgestänge
(Abb. 14, Fig. III, "Gedoppelte Gestänge"). Aus statischen Gründen
betrugen die Abstände zwischen den aufrechtstehenden drehbar
gelagerten "Schwingen" 4 m. Jede Schwinge wirkte, da in der
Mitte drehbar gelagert, wie ein zweiseitiger Hebel; dieses führte
im Betrieb zu einem stabilen gleichgewichtigen Bewegungsablauf
deses Doppelgestänges, dessen Gesamtkonstruktion auch als
"Schwingenstuhl" bezeichnet wurde (MAGER 1990). Anschaulich
dargestellt wird ein solches Doppel-Feldgestänge bei BASTINE
1843.
Zum Antrieb von Schachtpumpen mußte am Ende der
Stangenkunst ihre schräg oder horizontal gerichtete Bewegung in
die Vertikale umgelenkt werden. Diese Richtungsänderung der
Bewegung erreichte man mit verschiedensten Konstruktionen, so
z. B. mit dem "Kunstwinkel"("Kunstkreuz", "Wendebock" u.a.):
Eintechnisch schwieriges Problem stellte die Verbindung zwischen
dem bogenförmig schwingenden Ende des Kunstwinkel-Schenkels
und der Gerade-Bewegung der Pumpenkolben-Stange dar. Hier
verband man - da diese Art von Pumpen nur auf Zug arbeiteten -
den schwingenden Kunstwinkel über eine Kette mit der starren
Kolbenstange; zugleich erhielt der Kunstwinkel am Ende einen
bogenförmigen Aufsatz, den "Krümmling", über den die Kette bei
der Pumpbewegung sozusagen "auf- und abgewickelt" wurde
(Abb. 15). Mit dieser Konstruktion wurden bereits technische
Lösungen realisiert, die später in Form des "Balanciers"
(Schwingarm) beim Einsatz der ersten Dampfmaschinen zum
Pumpenantrieb zum Tragen kamen.
Die beschriebene Art der Kraftübertragung zwischen
Wasserrad und Pumpen, die am "Altenberg" höchstwahrscheinlich
55 Diese "Stangenkünste" sind seit wenigstens 1551 nachgewiesen. Sie
überbrückten bis zu 1000 Klafter, also 2 km (LUDWIG 1979) und nahmen auf
mechanischem Wege im Ansatz vorweg, was heutzutage selbstverständlich ist,
nämlich die Energieübertragung über große Strecken (z.B. Überland-Strom-
leitungen).
36
seit 1628/32 praktiziert, in jüngeren Grubenrissen immer wieder
dargestellt und anschaulich durch BASTINE aus der 1. Hälfte des
19. Jahrhunderts überliefert ist, war technisch derartig ausgereift,
daß in vielen Bergbaurevieren noch bis in die 80er Jahres des
vorigen Jahrhunderts Wasserräder und Feldgestänge ganz nor-
male Erscheinungen im Landschaftsbild waren. Angesichts
erheblicher Reibungsverluste war der Wirkungsgrad dieser
Anlagen naturgemäß recht bescheiden, trotzdem wurden sie im
18. Jahrhundert durch die verschiedenen Dampfmaschinen
Newcomen'scher oder Watt'scher Bauart kaum verdrängt; selbst
im beginnenden 19. Jahrhundert stellten sich Dampfmaschinen
im Betriebskostenvergleich nur dort günstiger, wo preiswerte
Steinkohle in nächster Nähe zur Verfügung stand (LUDWIG
1979).
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A
Abb. 15: Funktionsprinzip von "Kunstwinkel" und "Krümmling”
39
den Kolbenstangen der einzelnen Pumpensätze verbunden war.
Auf dieses Schachtgestänge wirkte die von außen zugeführte
Antriebskraft des Wasserrades. Im ersten "Altenberger"
Pumpenschacht waren 2 in Eschweiler gefertigte Pumpensätze
installiert; wohingegen AGRICOLA eine Anzahl von 3 Pumpen
über eine Teufendistanz von 20 m als normal angesehen hatte. Als
Material für die Herstellung einer solchen "Wasserkunst",
insbesondere der Pumpen, diente anfänglich®® wohl vorzugsweise
Holz, abgesehen von metallenen (Eisen, Kupfer, Bronze)
Drehgelenken in Gestängen oder Blecharmierungen an besonders
beanspruchten Stellen. Als Ausgangsmaterial für die wenigstens
2 m langen Pumpenrohre wurden Baumstämme (Eiche, Lärche,
Kiefer) genutzt, die mit speziellen Bohrern ausgebohrt wurden. In
einer Inventarliste des Bergwerksbetriebes am "Altenberg" aus
dem Jahre 180557 sind u. a. 12 Bohr-"Löffel" aufgeführt, wie sie
schon bei AGRICOLA zur Herstellung von Pumpenrohren
dargestellt wurden; andererseits aber auch hölzerne und eiserne
Pumpenrohre. Man kann vielleicht davon ausgehen, daß noch
wenigstens bis zum Ende des 18. Jahrhunderts am "Altenberg"
Pumpen im Einsatz waren, die weitestgehend nach
Konstruktionsprinzipien der AGRICOLA-Zeit (Abb. 18) an Ort
und Stelle gefertigt wurden. Möglicherweise verwendete man am
"Altenberg" zur Herstellung von Pumpenrohren ebenfalls die
naturbedingt sehr gerade wachsenden und leicht bearbeitbaren
Stämme der in unserem Raum weitverbreiteten Wild- oder
Vogelkirsche, wie es aus dem frühen untertägigen Steinkohle-
Bergbau im benachbarten Wurmtal überliefert ist (KALINKA
und SCHÜTTEN 1993).
In der weiteren historischen Entwicklung wurde, wie
PAUQUET feststellte, die Altenberger Wasserkunst mehrfach
56 Erst in der 1. Hälfte des 18. Jh. setzten sich, nicht zuletzt wegen der
Möglichkeiteiner paßgenauen Fertigung, allmählich Metalle für die Herstellung
von Pumpen-Komponenten durch (MAGER 1993).
57 Für die Überlassung dieses von ihm im Staatsarchiv Eupen aufgefundenen
Dony'schen Inventarverzeichnisses bin ich Herrn Alfred Bertha aus Hergenrath
sehr verbunden. Dieses Verzeichnis liefert zahlreiche interessante Angaben
über den Bestand an Werkzeugen, technischen Installationen, aber auch
Gegenständen des täglichen Lebens in einer Bergwerksverwaltung des
ausgehenden 18. Jahrhunderts.
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Der Sumpf A. Die Rohre B. Das Schachtjoch C. Der Holz fick oder Saugkorb D. Die Löcher des Stockes E,
Das Saugventil im Ring F*3, Das Ausgußrohr GC. Die Kolbenftange H.. Der GrifFT. Der Trichterkolben K.
Der Kolben mit runden Löchern 1... Der Kolben mit länglichen Löchern M. Das lederne Ventil N, Kin Arbeiter,
der die Stämme bohrt und daraus Rohre macht 0. Ein Schraubenbukrer P. Ein Löffelbohrer Q.
Abb. 18: Herstellung, Komponenten und Betrieb einer Saughub-Pumpe
(aus AGRICOLA 1556)
42
repariert und sogar vollständig erneuert, so z. B. 1714. In den
Jahren 1732/1734 wurde ein neuer tieferer Pumpenschacht
abgeteuft und 1789 begann man damit, eine neue zusätzliche
Wasserkunst zu errichten, die jedoch erst 1794/1796 fertiggestellt
wurde>8, Von ihr als einer "wohlgebauten Kunst" ist anläßlich
einer Inspektionsreise des bereits erwähnten Königlichen
Oberberghauptmannes GERHARD im Jahre 1818 die Rede
(BECKERS 1980). Hier werden technische Details genannt: das
Wasserrad hatte eine Höhe von 7,5 m, der Pumpenschacht war gut
39 m tief. Von besonderem Interesse sind jedoch Angaben zur
Förderleistung der aus 4 Sätzen bestehenden Pumpenanlage: bei
einem Kolben-Hub von 4,5 Fuß (ca. 1,4 m) und 8-zölligen (ca. 21
cm) Pumpenrohren ergibt sich pro Hub eine geförderte
Wassermenge von 0,048 cbm. Bei einer durchaus realistischen
Anzahl von 10 Hüben pro Minute hätte die Förderleistung dieser
Anlage bei knapp 30 cbm/Stunde gelegen. Diese Wasserkunst ist
vermutlich diejenige, die BASTINE 1843 dargestellt hat.
Die Lage des Pumpenschachtes dieser Wasserkunst mitsamt
Wasserrad ist auf allen Plänen des frühen 19. Jahrhunderts
wenigstens bis 1847 verzeichnet. Er stand genau im "Dolomitkeil",
der von BRAUN (1857) beschrieben wurde und der Anlaß für die
(historische) Zweiteilung der Gesamtlagerstätte in ein Nord- und
Südlager war. Die SW davon abgeteuften Schächte ("Bure VI -
VII" des CROCQ-Plans von 1832) standen im Süd-Lager. Die
letzte Wasserkunst am "Altenberg", gebaut in den Jahren 1844/
45, hatte einen Pumpenschacht bis auf knapp 36 m Teufe; geliefert
wurde diese Anlage von der Lütticher Maschinenfabrik Regnier
und Poncelet. Mit dem Jahre 1851 endete die über 200-jährige
Geschichte des Einsatzes von Wasserkünsten am "Altenberg".
Deren Aufgaben in der Wasserhaltung übernahmen von nun
(1850) an ganz wesentlich die durch Dampfmaschinen angetrieben
Pumpenanlagen, in Einzelfällen aber auch völlig andere
Maschinen-Typen wie z. B. "Wassersäulen-Maschinen".
(Forts. folgt)
58 Von dieser Wasserkunst sollen Pläne existieren, die dem Verfasser aber
derzeit nicht zugänglich sind. In seinem Bericht von 1795 erwähnt BAILLET
zwei Wasserkünste, eine mit 3 Pumpensätzen im (alten) 40 m tiefen Schacht,
die andere mit 2 Sätzen im (neuen) 45 m tiefen Schacht.
43
Die Zyklopensteine im Hauseter Wald
von Alfred Jansen
Es ist nicht die Absicht des Verfassers, in diesem Aufsatz
eine Auseinandersetzung mit versierten Geologen zu beginnen,
noch wollen wir uns in eine detaillierte Abhandlung über die
verschiedenen Entwicklungsstadien unserer Erdgeschichte.
verlieren. Doch als "Eingeborene" dieses Landstrichs haben wir
einnatürliches Interesse daran, bei uns unbekannten oder sonderbar
erscheinenden Phänomenen in unserer Umgebung die Frage nach
dem "Wie" und "Woher" zu stellen.
Diese Fragen sind bestimmt berechtigt im Falle der sog.
Zyklopensteine im Hauseter Wald, in der Nähe des Landgrabens,
auf der Höhe von Köpfchen. Im Sommer ist diese schöne
Waldpartie von Spaziergängern überlaufen; manche werfen im
Vorbeigehen nur einen kurzen Blick auf die Sehenswürdigkeiten,
andere bekunden mehr Interesse und nehmen die Naturerscheinung
- eingehender in Augenschein.
"Zyklopensteine" heißen sie seit jeher im Volksmund, und
wenn sie auch nicht mit den einäugigen Riesen der griechischen
Sage in Verbindung gebracht werden, so soll der Name doch
darauf hinweisen, daß wir hier vor Steinbrocken von
ungewöhnlichen, zyklopenhaften, d. h. riesigen Ausmaßen stehen.
Von einigen werden diese gewaltigen Steine als Spuren der
Eiszeit angesehen, wozu konkret der Beweis nicht erbracht werden
+ kann.
Es gab ja tatsächlich in unserer Erdgeschichte einen
Abschnitt, der durch Klimaveränderung und Vergletscherung des
größten Teils von Europa gekennzeichnet war. Der Anfang dieser
Eiszeit liegt ungefähr 600.000, ihr Ende etwa 12.000 Jahre zurück.
Unsere Gegend lag am südlichen Rande dieser Naturkatastrophe,
war also nicht vollständig unter Eismassen begraben. Auch
müssen wir berücksichtigen, daß innerhalb dieser Eiszeit Kaltzeiten
mit Temperaturen, die 8 bis 12 Grad unter den heutigen lagen, sich
abwechselten mit Zwischeneiszeiten, in denen Klima und
Vegetation denen unserer Zeit ähnlich waren.
Doch zurück zu unseren Steinen! Sie bedecken ein Areal
von mehr als 1 ha und bieten durch ihre unterschiedlichen Größen
und Formen ein erstaunliches Bild. Daß es sich um nichts anderes
44
als um Sandsteine, um versteinerte Sandhaufen handelt, wollen
wir im folgenden zeigen.
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Um aber den Werdegang dieses Phänomens deutlich zu
machen, müssen wir weiter in die Erdgeschichte zurückgehen.
Versuchen wir, uns in das Zeitalter der Oberkreide zu
versetzen und blicken wir etwa 100 Millionen Jahre zurück. Was
tat sich damals auf unserem Globus?
Wir tun uns schwer mit der Vorstellung, daß das Meer
verschiedene Male unser Land unter sich begraben hat zu Zeiten,
als von uns Menschen noch keine Rede war. Zuerst als tropisch-
warmes, austauscharmes Flachmeer im Devon-Karbon-Zeitalter
(590-330 Millionen Jahre). Damals war unser Gebiet ein mariner
Ablagerungsraum für Sandsteine, Tonschiefer, Steinkohle etc. In
diesem Flachmeer finden auch die Kalksteinbänke ihre Erklärung.
Eine zweite große Überflutung erlebte unser Raum im
Zeitalter der Oberkreide, das vor rund 100 Millionen Jahren
beginnt und mit dem Tertiär, vor 65 Millionen Jahren, endet. Im
Vergleich zu den 100 Millionen Jahren sind die 2000 Jahre
unserer Zeitrechnung nicht einmal ein Bruchteil einer Sekunde!
Es ist schwer für den Laien, sich in solch ungeheure Zeiträume
hineinzudenken. Als Beweis für sein Verweilen bei uns hinterließ
das Meer gewaltige Sandvorkommen, z. B. auf dem Heidkopf in
Kelmis oder in der Flög in Hauset.
45
Aber Sand liegt bei uns auch in Form von mächtigen
Sandsteinbänken unter der Erde. Sand ist als solcher ein klastisches,
d.h. zerbröckeltes, loses Gestein, dessen Einzelteile in Millimetern
gemessen werden. Man unterscheidet grobkörnigen Sand (Quarz,
Perlsand) und feinkörnigen, Mehl-, Staub- und Flugsand. Das
. sandbildende Material ist ein äußerst mannigfaltiges, da die
verschiedensten Mineralien und Gesteine, selbst Muscheln und
Korallen, durch Zerkleinern Sand liefern können.
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Die Steine, mit denen wir es im Hauseter Wald zu tun haben,
sind feste Gesteine, die fast ausnahmslos durch Verkittung von
Sanden entstanden sind und Konglomerate bilden. Am meisten
verbreitet sind die quarzigen, kieseligen Glaswacken unddie tonigen
Quarzsandsteine. In großen Schichtensystemen ist toniges und
quarziges Bindemittel oft nicht auf einzelne Schichten abwechselnd
verteilt, sondern vielmehr in der gleichen Schicht anzutreffen. Da
nun die Verwitterung die tonigen Sandsteine viel stärker angreift als
die verkieselten, entstehen aus dieser unregelmäßigen Verteilung
entsprechend den nur schwer angreifbaren verkieselten
Schichtenteilen häufig groteske Felspartien.
Dies könnte die Erklärung für die Form und Gestalt der
Zyklopensteine im Hauseter Wald sein.
Eine zusätzliche Verkittung des Sandes erfolgte, als nach
Rückzug des Meeres Pflanzenwuchs aufkam, bei dessen
46
Verwesung ebenfalls Mineralien freigesetzt wurden und zur
Gestaltung unserer jetzigen Bodenstruktur beitrugen.
Die mineralischen Substanzen, die zur Versteinerung führen,
sind sehr mannigfaltig; aber es sind immer durch chemische
Prozesse gewonnene Lösungen, die das Versteinerungsmaterial
ausmachen. Kalkspat, Dolomit, Quarz, Opal und Gips sind nur
einige davon.
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Versteinertes Holz im Göhltalmuseum
Vor rund 20 Millionen Jahren erhielt die Erdoberfläche in
unserer Gegend ihr heutiges Aussehen, wenn auch noch in einem
Rohzustande, an dem die Erosion durch Wind und Wasser ihre
Spuren hinterlassen hat, wovon auch unsere Zyklopensteine nicht
verschont geblieben sind.
Auf dem nach drei Seiten abfallenden Gelände sind im
Laufe der Zeit loses Gestein und Erdreich weggespült worden und
zutage traten unsere Buckelsteine; noch waren sie nicht schön und
glatt, wie wir sie heute sehen; diese Polierarbeit hat in den letzten
Jahrmillionen die Natur übernommen.
Am 4. 12. 1993 berichteten die Aachener Nachrichten vom
Fund eines mächtigen Sandkonglomerats neben der Grundschule
Vaalserquartier, auf einer Höhe von etwa 220 m, ein Beweis
47
dafür, wie tief dieser Stein durch die Unterspülung gesunken ist,
liegen doch die Reste der Sandschicht, in der dieser Block
entstand, im Vaalser Wald auf einer Höhe von 320 m!
Als Findlinge, die durch Gletscherformationen sich hierher
verirrt haben könnten, kann man die Zyklopensteine also nicht
gelten lassen, da unser Gebiet mehr oder weniger in der eisfreien
Zone lag und die Steine daher ganz bestimmt nicht von Süden
herangetragen wurden, aber auch nicht aus dem nördlichen
Flachland stammen können.
Für den Geologen gehören unsere "Zyklopensteine" zu den
sog. Aachener Schichten, die der Oberkreide (100 Mio bis 65 Mio
J.), und dort wiederum dem sog. Santon zuzurechnen sind.
Zu den Sandversteinerungen in unserer Gegend könnte
man als Parallele die versteinerten Holzreste erwähnen, die man
allenthalben in den Sanddünen der Gegend findet. Einige besonders
schöne Exemplare sind in der Eingangshalle des Museums in
Neu-Moresnet/Kelmis ausgestellt.
In früheren Zeiten hat man auch vielfach gemeint, die
Zyklopensteine seien aus dem Weltall auf unsere Erde gefallen; es
handele sich also um Meteoriten.
Doch für den Aachener und den grenznahen Hauseter
bleiben die Steine "Zyklopensteine"! Sollten diese
Steinformationen in einigen Millionen Jahren noch immer im
Hauseter Waldliegen, was ja angesichts ihrer langen Vergangenheit
nicht unwahrscheinlich ist, so werden sie dann bestenfalls durch
Wind und Wasser um einige Millimeter abgehobelt sein. Möglich
ist aber auch, daß sie dann, von einer dicken Humusschicht
bedeckt, längst in Vergessenheit geraten sind.
Quellen
Meyers Conversations Lexikon
Die Lexika von Brockhaus und Herder
Gielen, V., Zwischen Aachener Wald und Münsterwald, Markus Vlg., Eupen,
1975, S. 184-186
Herr Felder, Geologe, Maastricht
Knapp, Gangolf, Erläuterungen zur Geologischen Karte der nördlichen Eifel,
Geologisches Landesamt Nordrhein- Westfalen, 2. Aufl., Krefeld 1978, S. 80-83
Richter, Dieter, Dr., Aachen und Umgebung / Nordeifel und Nordardennen mit
Vorland, Sammlung geologischer Führer, hrsg. von Franz Lotze, Ausgabe 48, Gebr.
Bornträger, Berlin-Stuttgart 1975, S. 56-58.
Fotos vom Verfasser.
48
Datt Dröppke Win!
von Jakob Langohr
Ech wor wie ech kleng, änn datt es wuhr,
ne brave Deenjong obene Chur,
frodde ming Mamm: "Wie schmackt mäe Wiin?"
Du saht se: "Kenk, lott datt mäe sie,
denn wenn ech datt esue rechteg senn,
es dow bestemmt ene Düvel dräe."
Ömm Posche, ech weet et noch wie hüj,
van et Huchamt jonge no hehm de Lüj,
jong ech nojen Sakrestej eräe,
dow stong e Kännche klitzekleng.
Ech daht e minge domme Sähn,
dow es vielleicht e Dröppke dräe,
probeer et mäe, döch mäer ens kohre,
dow bruks jo jenge Minsch te frore.
Ech wor at rechteg ut der Ohm,
kohm met de Tong net obene Bohm,
mäe weil ech wor ene klenge Schlaue,
datt Kännche e witschke schräg gehauwe,
änn met ming Tong, die langk änn spetz,
en datt Kännche römmgeschnützt.
Der Köster trof mech eje Geneck,
hauw bo datt Kännche metverschleckt,
et knalldene wie en Makaiestöet,
en ech, ech schlog de Tummelöet.
E saht: "Watt maks dow do, ondöje Vennt?"
Ech sog at Höllevüer, datt brennt,
sog mech onde Wagels döjje,
met Kohl va Battice, dä ant jlöjje,
datt Schnuvvele an datt Kännche Wiin,
ech jlöv, datt woet mech rechteg düer.
49
Now kom der Lihrer, dä hof dropp,
hauw Knubbele an der ganze Kopp.
Ech bände vofftie Ruesekränz
änn noch en Letenej,
änn daht, wenn ech datt met dä Wiin
mäe net gedue höj!
Soht ajen Modderjotts en Käez, en janze kleng, eng va bej
Schmetz,
die Käez wor dönn,
datt wor net schönn,
mäe ech hauw net vöhl Zentime kleng.
Der Wäg now no der Herr Pastur,
ech dong mech rechteg schaame,
ech merkde jett, wor weneger bang,
singe Ölm, dä wor ant schwaame.
Pastur saht: "Minge leeve Jong,
leck net mie Wiin af met de Tong,
söss könnt der Luzifer dech hohle,
da könns de onde ajen Kohle,
esu jett moss de net mie due,
änn datt es alles, now kanns de jue."
Ech frodde mech wahl, wie kann datt sihe,
now bes de jenge Düvel mie,
änn daht, nee, nee, hej op de Welt,
dow jett et janz döll Saake,
now wets de wahl noch ömmer net,
wie e Dröppke Wiin deht schmaake.
Hüj ben ech er sövvenzech änn e paar mie,
hann lang Tied jenge Wiin besihe,
wenn ech kohm, wue Pastur Schihrer es,
datt wor der Allerbetste,
how ech et janze Reesgeld dropp,
drenk Wiin met em van der Betste.
50
.. ° °
Bürgermeister in bewegter Zeit
von Alfred Bertha
Aufdie Geschehnisse im Limburger Land im Zusammenhang
mit der sog. Brabantischen Revolution wurde in dieser Zeitschrift
bereits eingegangen (1). Obschon der Aufruhr im Gebiet der Bank
Walhorn nur wenig Resonanz fand, waren die damit verbundenen
Truppenbewegungen doch mit erheblichen Belastungen für die
Bevölkerung verbunden: Quartiere für die Truppen mußten be-
reitgestellt, Futter für die Pferde herangeschafft, Fuhrwerke zur
Verfügung gestellt werden. Bezahlung der entstandenen Unkosten
wurde zwar zugesichert, blieb aber häufig aus. +
Für die Bürgermeister unserer Dorfgemeinschaften war dies
alles mit einem erheblichen Aufwand an Mühe, Zeit und Kosten
verbunden. Über die bei der Bankverwaltung eingereichten
Spesenrechnungen versuchten sie, für ihre außergewöhnliche
Mühewaltung entschädigt zu werden.
An dieser Stelle möchten wir etwas näher auf die Spesen-
rechnung des Hauseter Bürgermeisters Hubert Timmerman ein-
gehen. Sie beginnt mit der Ankunft der ersten regulären kaiser-
lichen Truppen in unserem Gebiet, am 5. November 1790 (2), und
endet mit dem 28. Februar 1793. Dazwischen liegen der erste
Einmarsch der Franzosen, am 16. - 17.12.1792, und die bis zum
2. März 1793 dauernde erste französische Besatzungszeit.
Die dem Bürgermeister für seine kriegsbedingte Mühe-
waltung zustehende Entschädigung wird in lütticher Gulden an-
gegeben. Im Text in Schägschrift wiedergegebene Passagen sind
(1) S.F. Pauquet: Die Revolutionsjahre 1789-1794 und das Limburger Land,
in "Im Göhltal", Nr. 46, S. 52-71, Nr. 47, S. 15-42 und Nr. 48, S. 9-39.
(2) VonJanuar bis August 1790 waren mehrmals sog. Patrioten, d.h. Aufstän-
dische, im Eupener Land, wo sie sogar Rekruten warben. Am 3. August
wurden 600 dieser Patrioten aus ihrem Lager bei Eupen von 85 kaiserli-
chen Husaren, Dragonern und "Fußgängern" vertrieben. Am 13. August,
so schreibt der Euper Tuchscherer Arnold Breuer, liefen die Patrioten wie
die Spitzbuben aus Herve weg und Freiwillige belegten das ganze Gebiet
bis zur Grenze des Fürstbistums Lüttich. Am 5. November 1790 schließlich
kamen die ersten kaiserlichen Grenadiere in Eupen an. Ulanen zogen in
Richtung Henri-Chapelle und Coburger Dragoner auf Limburg zu.
| NASSEN TEEN
51
wörtliche, z.T. in Übersetzung wiedergegebene Auszüge aus den
in "Brabantisch" abgefaßten Spesenrechnungen, die allem An-
schein nach vom Gemeindeeinnehmer redigiert und chronolo-
gisch geordnet wurden.
5. Nov. 1790: Auf Befehl des Herrn Kommissars Wunsch den
Einwohnern mitgeteilt, sich auf die Aufnahme der königl. - kaiser]l.
Truppen vorzubereiten. Dafür habe ich mit dem Mitbürger-
meister Walraff 3/4 Tag gebraucht. Rechne dafür nur 1-10-0.
20. Nov.: Auf Wunsch der Quartiermeister der k.-k. Ulanen nach
Eynatten gewesen und dort vernommen, daß unsere Gemeinde
Einquartierung bekommen soll. So hat er den Tag mit der Be-
sichtigung der Quartiere und dem Herrichten der Ställe zuge-
bracht. Dafür 2-0-0.
22. Nov.: Einen halben Tag damit beschäftigt gewesen, die
Karren und die Zugpferde für die Fahrt ins Lager zu besorgen.
24. Nov.: Ein Leutnant der Coburger Dragoner ist mit zehn
Gemeinen gekommen. Wir haben sie sogleich einquartiert. Nach-
dem sie etwa zwei oder drei Stunden im Quartier waren, sind sie
nach Eynatten gezogen; so haben die Bürgermeister die Dragoner
in ihren Quartieren abholen und nach Eynatten bringen müssen...
1-10-0.
Am selben Tage abends einen französisch geschriebenen Brief
empfangen, den er nicht verstehen konnte; so ist er damit nach
Astenet gegangen zum Bürger Birven, um denselben übersetzen
zu lassen und zu erfahren, was darin stand. Also hat er erfahren,
daß Karren besorgt werden mußten, um ins Lager zu fahren. Die
ganze Nacht über mit dem Mitbürgermeister damit beschäftigt
gewesen, diese Karren zu bestellen... 4-0-0.
Am25.Nov. sind die Ulanen angekommen und er hat einen halben
Tag damit verbracht, dieselben einzuquartieren... 1-0-0.
Am 27. Nov. sich nach Henri-Chapelle ("Hendricx Capel") zum
Kommissar Daelen begeben, um zu fragen, weshalb die am 18.
Nov. weggefahrenen Karren nicht zurückgekommen sind.
Der Herr Kommissar Daelen hat ihn dann gebeten, am nächsten
Tag zurückzukommen. Am 28. Nov. also wieder nach Henri-
Chapelle und der genannte Kommissar hat ihn bis zum nächsten
Tag warten und ihm sagen lassen, er bekäme dann weitere
Informationen. So mußte er dort über Nacht bleiben. Anderen
Tags hat der genannte Kommissar befohlen, zwei weitere Karren
52
zur Verfügung zu stellen für eine Fahrt nach Chainee... 6-0-0.
Am 3. Dezember wurde der Bürgermeister wieder durch einen
Boten nach Henri-Chapelle bestellt, um über die am 23. Nov. zur
Verfügung gestellten und bislang nicht zurückgekehrten Karren
zu beratschlagen. Da dieselben sich noch im Lager befanden,
wurde beschlossen, Timmerman mit einem Brief an den Kommis-
sar Devigneron zu schicken und mit einem weiteren an den
Kommissar Beckmeester zu Lüttich, um zu erfahren, wo die
Karren sich befänden. Da der Bürgermeister die französische
Sprache nicht verstand, war er gezwungen, einen Dolmetscher
mitzunehmen, und zwar Gerard Daelen. Bei ihrer Ankunft in
Hervetrafen sie Math. Wilh. Bischoff, der dann gebeten wurde, an
Stelle des gen. Daelen mitzugehen, um das Wohl der Gemeinde -
gemeinsam zu verteidigen, dies umso mehr, als sich der Bruder
des genannten Bischoff bei einem der requirierten Fuhrwerke
befand. So hat der Bürgermeister über Nacht dort bleiben müssen.
Für zwei Tage... 6-0-0.
Für den Gang nach Chainege und von dort nach Lüttich und, da sie
auch dort nichts erfahren konnten, weiter nach Brabant, Namür
usw. mußte der Bürgermeister, wie mit beiden abgemacht, 3
Gulden und 5 Stüber pro Tag zahlen. Da beide 9 Tage unterwegs
gewesen waren, kostete die Nachforschung nach den verscholle-
nen Transportkarren 28 Gulden und 15 Stüber.
Am 16. und 26. Dezember war der Bürgermeister wieder mit
der Quartiersuche für die Ulanen beschäftigt, und zwar jeweils
einen halben Tag. Da diese in Hauset vom 25. November 1790 bis
zum 16. Januar 1791 einquartierten Ulanen keinen Korporal bei
sich hatten, waren die Bürgermeister vom Leutnant aufgefordert
worden, jedesmal bei einer Fahrt ins Lager nach Eynatten da-
beizusein. Fünfzehnmal waren sie so nach Eynatten gefahren,
hatten Fourage geladen und diese unter die Truppe verteilt, was
jedesmal einen halben Tag kostete und mit 15 Gulden in Rechnung
gestellt wurde.
Am2. Januar 1791 mußte der Bürgermeister wiederum nach
Henri-Chapelle zum Kommissar Daelen, um die Liste der der
kaiserlichen Armee gelieferten Karren und Zugpferde mit der des
Kommissars zu vergleichen. Er stellt dafür 3 Gulden in Rechnung.
Am 24. Januar schließlich treffen wir Timmerman beim
Leutnant der Ulanen in Eynatten, wo er sich um die Quittungen für
53
die zum Fahren der Fourage zur Verfügung gestellten Karren
bemüht, was ihn einen halben Tag kostet und mit 1 Gulden und 10
Stüber entschädigt werden müßte.
Nach dem 16. Januar 1791 kehrt Ruhe in Hauset ein. Die
Ulanen sind abgezogen, vorerst gibt es keine neuen
Einquartierungen. So blieb es bis zum 19. November des folgen-
den Jahres.
Die internationale Lage spitzte sich inzwischen zu. Die
Truppen der Franzosen hatten die Schlacht bei Valmy (20.9.1792)
. gewonnen. Die Kaiserlichen waren im Rückzug. Als Durchzugs-
und Aufmarschgebiet konnte unsere Heimat nicht außerhalb des
Geschehens bleiben.
So kamen am 19. November 1792 vier Quartiermeister des
Regimentes London mit einem Brief des Kommissars Wunsch.
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54
Den französisch geschriebenen Brief mußte Bürgermeister
Timmerman sich erst in Eynatten beim Schöffen Kessel überset-
zen lassen. Es war die Aufforderung an den Bürgermeister,
Truppenquartiere vorzubereiten, Einen ganzen Tag war
Timmerman mit dem Fourrier des Regiments unterwegs, wofür er
2 Gulden berechnet.
Auch den ganzen folgenden Tag, nachdem die Soldaten in
Hauset angekommen waren, mußte Timmerman mit der
Einquartierung verbringen.
Am Abend des 20. November brachte man ihm einen in
französischer Sprache geschriebenen Brief des Kommissars
Wunsch. Wieder hieß es, denselben durch den Schöffen Kessel in
Eynatten übersetzen zu lassen. Es handelte sich um den Befehl,
"Rationen ins Depot nach Herve zu liefern". So war Timmerman
am 21. November damit beschäftigt, diese (Futter-) Rationen
zusammenzustellen und die für den Transport derselben not-
wendigen Fuhrwerke zu bestellen.
Am 25. November ließ ihn der Leutnant zu sich kommen
wegen der Heu- und Hafervorräte, die die Truppen des Regiments
London bei ihrem Abzug mitnehmen wollten. Timmerman mußte
die Rationen auf die Einwohner umlegen, sie binden und Fuhr-
werke für den Transport besorgen. Er verlangte 2 Gulden Ent-
schädigung für den darauf verwandten Tag. Sogar beim Aufladen
der geforderten Rationen mußte der Bürgermeister selbst mit
Hand anlegen. Man benötigte einen halben Tag.
Am 28. November kamen zwei Soldaten, die alle verfügba-
ren Karren requirierten, "um die Kranken von Eupen nach Köln zu
transportieren". Die ganze Nacht war Bürgermeister Timmerman
von Haus zu Haus unterwegs, um den Befehl auszuführen; 2
Gulden verlangte er als Entschädigung.
Wie wir aus anderer Quelle wissen, befanden sich seit dem
18. November etwa 700-800 verwundete kaiserliche Soldaten in
Eupen, von wo sie am 29. November 1792 nach Köln gebracht
wurden. (Tagebuchaufzeichnungen des Arnold Breuer, Eupen).
Am 27. November hatten die Kaiserlichen und die Franzo-
sen sich jenseits Lüttich eine Schlacht geliefert. Die Kaiserlichen
mußten bis diesseits Lüttich zurückweichen, Auf beiden Seiten
hatte es viele Tote gegeben. Trotz heftigem Widerstand der
Kaiserlichen kam die Front immer näher auf unsere Heimat zu.
55
Am 29. November hatten sich die Franzosen schon Herve genä-
hert. Am 6. Dezember kam es erneut zu Kampfhandlungen
zwischen Lüttich und Herve, wobei die Franzosen zurückgetrieben
wurden und zwei Kanonen verloren. Schon am 11. Dezember kam
es zu erneuten Gefechten, diesmal bei Verviers und Dison. Viele
Franzosen fielen, während die Kaiserlichen nur zwei Mann ver-
loren. Dennoch mußten sie der Übermacht der Franzosen weichen
und sich bis Henri-Chapelle zurückziehen. Immer mehr wurde
nun Aachen Sammelplatz der zurückflutenden kaiserlichen
Truppen.
Schon am 1. Dezember hatte Bürgermeister Timmerman
Befehl erhalten, Fourage nach Aachen zu liefern. Wieder mußte
er die geforderten Rationen auf die Einwohnerschaft umlegen und
die nötigen Fuhrwerke besorgen, womit er einen ganzen Tag
beschäftigt war. Am nächsten Vormittag half er beim Aufladen
der gelieferten Rationen. Den ganzen Nachmittag bis spät in die
Nacht war der Bürgermeister dann mit der Quartiersuche für ein
Korps Dragoner des Regiments Latour auf den Beinen.
Am 3. Dezember verlangte man wiederum, Heurationen ins
Aachener Lager zu liefern. Dem Bürgermeister blieb keine andere
Wahl, als dafür zu sorgen, daß die geforderten Mengen nach
Aachen geschafft wurden. Als das Futter am nächsten Tag ab-
geliefert wurde, wartete Bürgermeister Timmerman auf die
Quittung und die Bezahlung. Man ließ ihn bis zum nächsten Tag
warten, "ohne jedoch die Bezahlung erhalten zu haben". Am 5.
Dezember bemühte er sich wieder beim Kapitän und dem Ritt-
meister des Latour-Korps um die Quittung, doch wieder vergeb-
lich. So begab er sich nachmittags erneut nach Aachen, um das
Geld für die gelieferten Rationen Heu und Hafer zu kassieren. Erst
spät in der Nacht kam er wieder nach Hause; ob seine Bemühungen
Erfolg gehabt hatten, ist nicht angegeben, doch da der Bürger-
meister am 11. von Haus zu Haus geht, um genau aufzuschreiben,
wieviel jeder an die Dragoner geliefert hatte, kann man anneh-
men, daß die Bezahlung noch ausstand.
Als der Bürgermeister am 7. Dezember einen Brief des
Kommissars Wunsch erhielt, mußte er nach Eynatten zum Schöffen
Kessel, denselben übersetzen zu lassen. Das "Magazin" in Aa-
chen verlangte eine Lieferung Brot. So ging Timmerman am
nächsten Tag "bij de Baeckers om te hooren, of sij konden t'noodig
57
Am 17. Dezember kamen die Franzosen. Doch Bürgermei-
ster Timmerman scheint die allgemeine Aufregung nicht zu
teilen. Er läßt an jenem Tag die 250 in Aachen bestellten Brote
abholen und sie anschließend unter die Hauseter Bevölkerung
verteilen.
Da die Husaren Aachen in Richtung Köln verlassen hatten,
begab sich der Bürgermeister am 18. Dezember nach Walhorn zu
Rechtsanwalt Lamberts, dem er die Quittungen für die Husaren
übergeben und den er beauftragen wollte, in Köln sich um die
Bezahlung zu bemühen. Da Lamberts nicht anzutreffen war,
mußte der Bürgermeister den ganzen Tag in Walhorn warten,
doch vergebens. Am 20. Dezember begibt sich Timmerman
erneut nach Walhorn zum Rechtsanwalt, dem er dann die Quittun-
gen aushändigt.
Die Entschädigungsforderungen des Hauseter Bürgermei-
sters für Mühewaltungen im Dienste der kaiserlichen Truppen
werden mit der Ankunft der Franzosen unterbrochen. Mit der
Wiederkehr der Österreicher im März 1793 wird der Bürgermeister
noch einige Male in Anspruch genommen, so am 12., am 19. und
am 22. März, wo er auf Anordnung des Kommissars Lamberts
dreimal nachts Fuhrwerke für die Kaiserlichen requirieren muß.
Die letzte Eintragung ist vom 21. April 1793, wo Bürgermeister
Timmerman kroatische Scharfschützen von Eynatten abholen
und in Hauset Quartiere für dieselben herrichten ließ.
Auch für die Franzosen mußte Bürgermeister Timmerman
manchen Gang tun. Am 10. Januar 1793 kam der Befehl, Heu und
Hafer für die Armee nach Verviers zu liefern. Der Bürgermeister
berief daraufhin eine Einwohnerversammlung ein und beriet mit
den Leuten über die Forderung. Am nächsten Tag wurden die
verlangten Rationen zusammengebracht, gewogen und aufgela-
den. Der Transport nach Verviers, am 12. Januar, kostete einen
ganzen Tag. Die Fuhrwerke machten sich morgens um fünf auf
den Weg und erst nach elf Uhr abends waren sie wieder in Hauset.
Die Bezahlung erwies sich auch jetzt wieder als ein besonders
schwer zu lösendes Problem. Timmerman begab sich am 14. nach
Walhorn zum Herrn Priem, da dieser von den Franzosen zur
Weiterleitung der Lieferforderungen angeschrieben worden war.
Am selben Tag kamen neue Forderungen: Dragoner aus Aachen
verlangten Heu. Timmerman machte mit einem der Dragoner die
58
Runde durchs Dorf und bereitete die Heurationen zum Ab-
transport vor. Am 15. Januar brachte der Bürgermeister die
Futterlieferung nach Aachen, wartete auf die Empfangs-
bescheinigung und kam erst abends um 10 nach Hause zurück.
Wegen der Bezahlung mußte Timmerman am nächsten Tage
wiederum nach Aachen, wo er die Lieferungsbescheinigungen
dem Greffier Loop übergab, damit dieser die Sache in die Hand
nehme. Da die nach Verviers gelieferten Rationen ebenfalls noch
unbezahlt waren, begab sich Timmerman am 18. erneut zum
Herrn Priem in Walhorn, um Näheres zu erfahren. Am 22. war er
wieder in Aachen beim Greffier Loop "om te hooren, ofte de
Rationen betaelt waren". Von dort begab er sich nach Astenet
zum "Bürger" Dobbelstein; da Hauseter Bürger Eigentum auf
Asteneter Gebiet und umgekehrt Asteneter Bürger Grund und
Boden auf Hauseter Gebiet besaßen, galt es, eine zufriedenstel-
lende Regelung bezüglich der fälligen Abgaben zu finden.
Das Walhorner Land war in den vergangenen Monaten so oft
zu Lieferungen verpflichtet worden, daß Timmerman und
Dobbelstein beschlossen, am 23. Januar nach Eupen zu gehen und
den General zu bitten, von weiteren Lieferungen befreit zu wer-
den. Die Franzosen zeigten sich jedoch wenig einsichtig, denn
schon am 25. kam der Befehl, Heu, Hafer und Stroh nach Eupen
zu liefern. Bürgermeister Timmerman begab sich daraufhin nach
Eynatten, um mit Herrn Kessel zu beraten "over de Gronden (=
Grundbesitz) , soo d’inwoonder van Eynatten onder Hauseth ende
vice versa hebben". Sodann regelte er die Frage, wieviel jeder
abzuliefern habe.
Am darauffolgenden Tag begab er sich wiederum nach
Aachen zu Loop, "om de Betaalinghe van de Livrantie", aber die
Bezahlung stand noch aus. Am 28. Januar besorgte Timmerman
die geforderten Rationen Heu, Hafer und Stroh nach Eupen.
Mit dem Lieferschein ging er am folgenden Tag nach Aa-
chen, zum Herrn Loop, "om de Betaelinghe te halen van gedaene
Livrantiens". Ob mit Erfolg, ist nicht erwähnt. Zusammen mit
dem Eynattener Bürgermeister Kessel wurde am 30. Januar die
Aufteilung der Abgaben unter Hauset und Eynatten besprochen.
Nur ein einziges Mal erwähnt der Bürgermeister, daß er mit
der Auszahlung der Gelder für erbrachte Lieferungen beschäftigt
gewesen ist. Es war dies am 1. Februar 1793. Timmerman war erst
59
nach Walhorn gegangen, hatte dort die eingegangenen Gelder
kassiert und war dann bis in die Nacht hinein zusammen mit
seinem Eynattener Kollegen Kessel im Haus des Steffen
Raedermecker, wahrscheinlich einer Gastwirtschaft, mit der
Auszahlung beschäftigt.
Weitere Lieferungen von Heu und Hafer ins "Magazin" nach
Eupen kosteten Timmerman am 9. Januar wieder einen ganzen
Tag Vorbereitungsarbeit. Am 14. wurden die Rationen nach
Eupen geschafft; am 28. bemüht sich Timmerman dortselbst um
den "Bon", die Lieferbescheinigung, die bei Zahlung vorgelegt
werden mußte. Damit endet die Aufstellung des Hauseter Bür-
germeisters Timmerman. Für all seine vielen Demarchen und
Bemühungen stellte er 176 Gulden und 10 Stüber in Rechnung.
Da die Österreicher Anfang März 1793 wiederkamen und bis
September 1794 im Lande blieben, ist es möglich, daß Timmerman
für seine Mühewaltung im Dienste seiner Gemeinde entschädigt
worden ist. Unterlagen darüber besitzen wir nicht. Dort liegt
jedoch auch nicht das Hauptinteresse dieser "Spesenrechnung".
Diese zeigt vielmehr exemplarisch am’ Beispiel eines kleinen
Göhltalortes, welche Opfer der Dorfgemeinschaft in der kurzen
Zeitspanne von November 1790 bis März 1793 abverlangt wor-
den sind. Wir wissen aus weiteren Unterlagen, daß die zweite
französische Besatzungszeit (1794-1814) noch ungleich größere
Opfer, diesmal auch an Menschenleben, gekostet hat.
Quellen;
Früher Staatsarchiv Lüttich, Gerichtshof Walhorn 216 A.
Die inzwischen vom Lütticher Staatsarchiv an Eupen abgegebenen Akten sind
noch nicht klassiert und vorerst noch ohne AZ.
60
Ich erinnere mich noch ...
von Peter Claes
Die ursprüngliche Heimat ist eine Mutter,
die zweite eine Schwiegermutter.
(Russisches Sprichwort)
Die verdrießlichen Jahre (1914-1918)
Im Monat Januar des Jahres 1913 habe ich in Neutral-
Moresnet (1) das Licht der Welt erblickt, und zwar im Schatten
des damaligen Elektrizitätswerks der "Vieille Montagne" und nur -
einen Steinwurf von der Göhl entfernt. Das Elternhaus war das
damalige Haus Schoonbrodt, heute Lütticher Straße 305. Doch
dieses weiß ich nur aus den Standesamtsregistern ...
Mein Urgroßvater väterlicherseits, Joannes Baptist Claes,
stammte aus Webekom bei Diest und hatte sich Mitte des vorigen
Jahrhunderts in Altenberg niedergelassen. Peter Königs, Kustos
der Rochuskapelle in "Kelemes", im Urkernder heutigen Ortschaft,
war mein Großvater mütterlicherseits und zugleich mein Pate.
Meine Patin, die Mutter meines Vaters, war Maria Schillings und
war eine Nachkomme des letzten Drossards der Bank Montzen,
nämlich Nicolaus Schillings' (1729-1794).
Von meinen ersten Lebensjahren weiß ich natürlich nichts
zu berichten. Die frühesten Erinnerungen entstammen der
Kriegszeit. Der Großvater stand als Bahnwärter im Dienste der
belgischen Eisenbahn und wohnte am Bahnübergang im "Hof".
Nachdem ihn die deutschen Besatzungsbehörden ausgewiesen
hatten, fand er Unterkunft etwa 100 m weiter auf dem Bauernhof
Pelzer, auf belgischem Boden. Weil es jedoch den Einwohnern
Neutral-Moresnets untersagt war, die Grenze nach Belgien zu
überschreiten, konnte ich meine Großeltern nicht besuchen, da
alle Grenzübergänge von deutschen Posten bewacht waren. Diese
Zusammenhänge habe ich allerdings erst viel später erfahren und
begriffen. Woran ich mich noch gut erinnere ist, daß mein Vater
mich bei völliger Dunkelheit über eine Hecke einer anderen
Person, wahrscheinlich meinem Onkel, überreichte. So kam ich
zu meinen Großeltern, wo ich einige Tage verbrachte und die Welt
von einer anderen Seite sah.
[ET SENSE SAN
61
Ganz in der Nähe des Hauses Pelzer befand sich die große
Baustelle des Moresneter Viadukts, wo unzählige russische
Gefangene im Einsatz waren. Nachträglich habe ich ein anderes
Russenlager am Breitenstein gesehen, das von einem hohen
Stacheldrahtzaun umgeben war.
Zweiandere Szenen ausder Kriegszeit sind inder Erinnerung
haften geblieben. Sie spielten sich im Lindenweg ab. Dort wurden
in einem Schuppen Kartoffeln und Speck an die Bevölkerung
ausgeteilt; es hieß, diese Lebensmittel hätten die Vereinigten
Staaten von Amerika den "Neutralen" zukommen lassen. Ich
erinnere mich gut, mit einer Frauensperson dort Schlange gestanden
zu haben.
Das andere Ereignis spielte an einem Sonntag, als es zur
Vesper, der um 15 Uhr stattfindenden Andacht, läutete. Ich war in
Begleitung eines Mädchens und habe im Straßengraben einen
erschossenen Mann liegen sehen, der von vielen Neugierigen
umringt war. Allerdings habe ich nie Näheres darüber erfahren.
Aneinem anderen Tage gingen wir scharenweise zum Hergenrather
Feld, wo ein Militärflugzeug niedergegangen war.
Als schließlich im November 1918 der Krieg zu Ende war,
war ich fünf Jahre alt. In lebhafter Erinnerung ist der Rückmarsch
der deutschen Truppen geblieben. Meine Eltern hatten nämlich
im April 1914 den "Bruch" verlassen und auf der Hasardstraße
(heute Lütticher Straße 222) ein Geschäft (Zuckerwarengeschäft?)
eröffnet. Diese außergewöhnliche Lage erlaubte es mir; Film und
Theater sozusagen am laufenden Ausgabe zu erleben. ‚Fast den
ganzen Tag stand ich vor dem Haus, um mich an dem Schauspiel
der vorbeiziehenden Truppen zu ergötzen. Unaufhaltsam zogen
Lastwagen, Dampfwalzen, Lokomobile, Kanonen, Feldküchen
sowie Rotten müder Soldaten und erschöpfter Pferde auf die nahe
Grenze zu. Manchmal rasteten die Kolonnen und dann kam es
schon mal vor, daß ein gutmütiger Soldat uns Kindern Zwieback
schenkte.
Kurz darauf folgten die Sieger, d. h. belgisches,
französisches, englisches und sogar amerikanisches Militär, um
Deutschland zu besetzen. Nur verschwommen sind die
Erinnerungen daran, mit Ausnahme einer peinlichen Szene, die
meinen deutschen Großvater betraf. Er war bei uns zu Besuch und
hatte sich den Schaulustigen zugesellt. Als unvermittelt eine
Militärkapelle die "Brabanconne", d.h. die belgische
64
Klasse, die beim Gastwirten Franz Schoenauen, unserem direkten
Nachbarn, eingerichtet wurde. Nie mehr habe ich einen so kurzen
Schulweg gehabt wie damals. In dem engen Raum saßen wir zu
30-40 Schülern zusammengepfercht. Für Schüler, Lehrpersonen
und Eltern war jedoch der ständige Standortwechsel das
Unangenehmste. Je nach den Gegebenheiten mußte der
Klassenraum nämlich von Zeit zu Zeit gewechselt werden.
Auch im Tanzsaal Grosch habe ich die Schule besucht.
Dieser befand sich in der Patronagestraße-Ecke Albertstraße.
Heute noch kann man über dem Eingang die Inschrift "Restaurant
Coonen" lesen. Sonderbar war hier, daß wir die Pausen auf dem
Hof der "Patronage" verbringen mußten. In Reih und Glied
marschierten wir hin und zurück! .
Im Pfarrsaal, der Patronage, haben wir in einer regelrechten
Klasse von Schwester Thoma, einer der "weißen" Schwestern,
Unterricht bekommen.
En A
Die Pavillons
65
Die meisten Hosen habe ich jedoch in den sog. Pavillons
verschlissen. Das waren die ersehnten neuen Schulgebäude: drei
langgestreckte Bauten, die je vier Klassen enthielten. In einem
dieser Pavillons waren vier Mädchenklassen untergebracht,
während die Jungen die beiden anderen belegten. Der ganze
Komplex lag dort, wo sich heute das C&sar-Franck-Athenäum
befindet. Pfarrer Franz Scherrer hatte diese Baracken am
11.11.1922 im Rahmen ziemlich großer Feierlichkeiten und im
Beisein des ersten Nachkriegsbürgermeisters Pierre Grignard
eingesegnet. Die beiden letzten Schuljahre, die Klassen 7 und 8,
sind dann in das ehemalige Dominikanerinnenkloster verlegt
worden (-hier steht heute die Gendarmerie-), wo auch der
Oberlehrer Nicolas Decker seinen Wohnsitz hatte. Die anderen
damaligen Lehrer waren die Herren Horgnies und Crahay (beide
waren bereits vor dem Krieg im Dienst) sowie Eppe, Harlange,
Hennico (später Oberlehrer in Moresnet), Kessels, Laurent, PE-
che und Renard. Auch die Damen Biver, Kessels-Cormann,
Letiexhe-Laurent und Ponc€ sowie Schwester Thoma erteilten
Unterricht in den Knabenklassen. Die Mehrzahl dieser Lehrkräfte
stammte aus der Areler Gegend.
Meine schönsten Schuljahre verbrachte ich bei Lehrer
Hennico, der zwar als strenger Erzieher angesehen, doch in
meinen Augen ein tüchtiger Pädagoge war. Seine Lehrmethode
fand ich ausgezeichnet. Jedes Tertial teilte er die Klasse in zwei
Gruppen ein, wodurch ein gewisser Ehrgeiz entstand und ein
vorteilhafter Wettbewerb sich entwickelte, der den Fleiß der
beiden Parteien anregte und förderte. So ermunterten wir Schüler
uns gegenseitig und spornten uns zur Arbeit an. Glücklicherweise
habe ich drei Schuljahre mit Lehrer Hennico verbracht, da er
jedesmal mit mir in die höhere Klasse aufstieg oder ich mit ihm ...
Er scheute sich nicht, außergewöhnliche Initiativen zu ergreifen.
So haben wir mit ihm den einzigen Schulausflug meiner Schulzeit
gemacht. Es war schon ein kleines Abenteuer, gingen wir doch in
aller Herrgottsfrühe zu Fuß nach ... Eupen, wo wir die Straßenbahn
nach Go€ nahmen. Dort angekommen, ging es weiter auf Schusters
Rappen bis zur Gileppe-Talsperre. Nachdem wir dieses Bauwerk
wie ein Weltwunder bestaunt hatten, fuhren wir dann mit der
Eisenbahn von Dolhain nach Kelmis zurück.
Mit den Sommerferien 1926 war meine Zeit in der Kelmiser
Gemeindeschule vorbei. In der "Ecole Albert" in Verviers begann
67
ich eine Mechaniker-Lehre. Diesen Beruf habe ich aber nie
ausgeübt.
Die technischen Neuheiten der Nachkriegszeit
Neue Erfindungen und Fortschritte im technischen und
kulturellen Bereich gab es auch nach dem Ersten Weltkrieg. Da
waren zunächst das Motorrad und das Automobil. Zwar kannte
man diese Fahrzeuge schon aus der Vorkriegszeit, da die Vieille
Montagne bereits 1908 im Besitz eines Personenkraftwagens war
(2). Doch jetzt konnten sich bemittelte Unternehmen und betuchte
Geschäftsleute ebenfalls einen solchen Wagen leisten. Das machte
sich besonders auf der "Pavei", der heutigen Lütticher Straße,
deutlich bemerkbar. Wo vordem nur Pferdefuhrwerke gemächlich
passierten, flitzten jetzt die Autos in "rasendem Tempo" vorbei.
Ein anderes technisches Wunder war das Grammophon.
Mein Onkel Hermann Kofferschläger führte ein Wirtshaus, in
welchem er solch einen "Musikapparat" aufgestellt hatte, um die
Kunden anzulocken und zu unterhalten. Die Leute fanden es
großartig und unbegreiflich, daß man Musik einfangen und
bewahren konnte. Das Gerät war an und für sich sehr primitiv, da
man für jede Schallplatte den Apparat mit einer Kurbel aufziehen
mußte. Die Musik oder der Gesang ertönte dann aus einem großen
bunten Schalltrichter heraus.
Auch das erste Radiogerät, das ich zu Gesicht bekommen
habe und das ein anderer Onkel besaß, ist mir in sehr lebhafter
Erinnerung geblieben. Es grenzte fast an ein Wunder, daß man
Personen, die in Brüssel, Paris oder Köln sprachen, hören und
verstehen konnte. Unvergeßlich bleibt mir der spöttische
Kommentar eines Großonkels, der uns auslachte, als er zum
ersten Male eine solche Radiosendung hörte. Es war die
Übertragung eines Konzertes. Dazu sein Kommentar: "Ihr seid
aber sehr naiv, Euch einzubilden, daß die Musik aus Paris kommt!
Das sind nur einige Männer, die in der Ruine von Schimper sitzen
(-diese bestand damals noch-) und dort auf ihren Geigen spielen!"
Wäre das nicht auch ein Wunder gewesen? Ich muß natürlich
hinzufügen, daß die ersten Apparate nur aus einer Spule mit
Kupferdraht und einem Detektor, einem Kristall in der Größe
68
einer Nuß, bestanden hatten; doch mittlerweile hatten sich Leistung
und Qualität der Geräte bedeutend gesteigert. Sensationell war
die Reportage von der ersten Atlantiküberquerung, die Charles
Lindbergh 1927 im Alleinflug gelang.
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Werbung für das Radio (1924)
Der damalige Dorfkern
Wie bereits erwähnt, befand sich mein zweites Elternhaus
am betriebsamsten Punkt der Doppelgemeinden Kelmis und Neu-
Moresnet, nämlich an der Lütticher Straße. Beide Ortschaften
hatten ihre Gemeindeverwaltung im selben Gebäude, das heute
69
Si Aal State Mur ; A
1
Ruine von Burg Schimper (um 1910)
noch besteht und gegenüber der Gaststätte Malmendier-Kerres
liegt. Dieses Gemeindehaus war ein Kuriosum besonderer Art,
weil die Verwaltungen der preußischen Gemeinde Moresnet und
die des neutralen Gebietes sich unter einem Dach befanden.
Dieser Zustand hat mehr als hundert Jahre (1816-1919) bestanden
und auch nach dem Ersten Weltkrieg, als Preußisch-Moresnet und
Neutral-Moresnet belgische Gemeinden geworden waren, blieben
die Verwaltungen noch vorläufig im selben Gebäude untergebracht.
Das Gemeindehaus stand also auf preußischem Gebiet und
verfügte auch über ein "Kittchen", das an die Pferdeställe der
Vieille Montagne angrenzte. In diesen Ställen waren die zwölf
Pferde der Bergwerksgesellschaft untergebracht, die das Erz aus
den verschiedenen Zinkgruben der Umgebung nach Kelmis
brachten. Dem Gebäudekomplex gegenüber befand sich eine
Waage für Fuhrwerke, deren Meßgeräte in einem kleinen
Häuschen, das fast in der Mitte des Platzes stand, untergebracht
waren.
Auf diesem engen Raum fand auch die jährliche Kirmes
statt, die sich allerdings bis über das Gelände der heutigen
beschützenden Werkstätte hinweg ausdehnte. Hier spielte sich
allerhand ab; es war sozusagen das Zentrum der Doppelgemeinde.
Fast alle Festzüge bildeten sich hier oder lösten sich hier auf. Kein
Verein feierte ein Fest, ohne über die "Pavei" zu ziehen.
70
Nen-Moresneter Kirmes 1926,
efllichkeiten yeranftaltet von, der St. Nohus-Schühen« .
Sefellfihaft, Zurnvercin „Einigkeit“, Männer-Sefange
Verein St. Sofeph HadfahHrer- Klub „eglaminia“ und
Humpr-Rlub „Tipp-Topp“ am 22. Mnd/ 23, Auguft.
„EB, Fost-Pros ‚8
SER) ost KOETAn GE :
Souutag, den 32. Wuguft,:
vormillags 9 Ubr, Antreten der Milglieder ddr Skl. Rochus«
Schliengefellfchaft 4m Vereinsiokale Hotel Reinarh. — Um
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ZMußikalifder Frühfdjoppen u. Tayzuergunügen,
Nachmiliags 2 Ubr, Antreten fAmtlicher obengenannier VPerglne
In der Feflwiefeg zwecks Abholung des Schühenkönigs und
des Präfidenten der Si. Rochus-Schlhengefellfchaft-Gefellfchaft, .
Mad) Rilchkebr zur Feftwiefe. > I ” Wa}
Königs-Vogelschuss,
| Während des Schlefens, |, 5
A Turnerijhe Yebungen, Nadfahrers'
orführungen und Bolfzbeluftigungen ...
wie Schubwechfeln, Stangenklellern, Brödchengffen, Ringlreiben,.
Sacklaufen uf, ufw. -— Elntrit zur Feftwigfe ; 3. Fr, X
Unterdeffen Im Botet Dablen, #-
—5— Tanz- Vergnügen. —sö'
Abends 8-/Ubr Im Holel’Dablan, 15 E
Grosser Königs-Ball ;
u. Proklamlerung des neuen Schützenkönlge?
7 Enireg a. Perfon SP a beiden
I Ad N Ne
Montag 283. Auguft, nadınifiags 3 Uhr, :* .
am Verelnslokale 0lto Reinarh, 2
Grufer Preisvageljchuf (Flobert 6 m/m)
der St. Kochus- Schülengefellfhafl. 5
Abend 8 Ubr, Im Hole) Dablen, |, 9 TA! Ä
Großer Kirmes-Schluß=Ball-
veranflaltet von den vereinigien Ge eilfchaften. * wide
Entree & Pprfon: 1 Fr. {Ur aklloe Mitglieder und 3 Fr.:für
fonftige Befucher. . %
Kirmesprogramm 1926
71
Von hier aus wurden auch die Fäden des Schmuggels und
des Schwarzhandels gezogen. Das hatte seine guten Gründe: die
Lütticher Straße war damals die belebteste Geschäftsstraße von
Kelmis und alle Verkehrsmittel hatten ihre Endstation in der Nähe
des Platzes. Sogar ein Abwässerkanal unter der Hasardstraße
diente den Schmugglern zur neutralen Zeit als diskreter Durchgang
von einem Land zum anderen.
Endstation Altenberg/Kelmis/La Calamine
Die Lütticher Straße war seit ihrem Bestehen die wichtigste
Verkehrsader zwischen Aachen und Lüttich. Sie bildete das
Rückgrat der Ortschaft. In dieser Straße, ganz in der Nähe der
beiden Gemeindeverwaltungen, hatten die öffentlichen
Verkehrsmittel, wie gesagt, ihre Kopfstation. Die Aachener
Kleinbahn, der Omnibus der Linie Kelmis-Verviers, die Buslinie
Vaals-Kelmis fuhren von hier ab. Die Eisenbahnlinie nach
Moresnet hatte ihre Endstation etwas weiter, im "Bruch".
E - Altanberg (Übeneef Cie Besgriareshe
ARM
MT.
S 4 2 R ia Anm ( x a ar 10
E SE AAN A X A
Sn X | A a a
Die Hasardstraße (Lütticher Str.), Endstation der Aachener Kleinbahn
72
Die erste Verbindung von Altenberg mit einer Nachbarstadt
war 1907 durch die elektrische Kleinbahn nach Aachen hergestellt
worden. In den zwanziger Jahren folgte die Omnibusverbindung
nach Verviers, die ihre Endstation neben der Kleinbahnhaltestelle
hatte. Diese "Bus"-verbindung war allerdings noch sehr primitiv,
bestand das Fahrzeug doch aus einem einfachen Lieferwagen,
ohne Fenster noch Luke, der mit zwei Holzbänken ausgerüstet
war. Zum Ein- und Aussteigen der Fahrgäste mußte der Chauffeur
jedesmal den Fahrersitz verlassen und ein Treppchen hinter dem
Wagen aufstellen.
Komfortabler war da schon der Busverkehr zwischen Kelmis
und Vaals, der etwas später eingerichtet wurde. Jacques Pauly, ein
gebürtiger Kelmiser, der in Vaals wohnte, war der Gründer dieser
Linie. Daraus ist dann später die Firma SADAR hervorgegangen,
die sich zu dem wichtigen Verkehrsunternehmen entwickelt hat,
das wir heute kennen.
amı Tarın
Autobus La Calamine-Verviers
DE Berjonen- und Padet-Yahrt. BE
Jah rplan
RAbfabrt :
£a Calamine Mlonhenerweg Henri»Chapelle Andrimont Verviers
Ubr: 8 8.10 8.20 8.40 8.59
11 über Moresnet 11.10 Monhen 11.20 Henri»Chap.11.35
2 210 2.20 2.40 2.50
5 5.10 5.20 5.40 5.50
Verviers Andrimont Benri-Chapelie Monkenerweg La Calamine
9.30 9.40 10.— 10.10 10.20
12.30 12.40 L— 1.10 1.20
3.30 3.40 4.— 4.10 4.20
6.— 6.10 6.30
Monhen»Dorf 6.40 Moresnet 6.50
AbgabefteNe für Pakete :
in 2a Calamine, bei Herrn Jules Groffy, Hajarditraße,
in Verviers, Cafe du Coin, M. Mathonet, rue des Fabri-
ques 188,
Jakob SCHYNS.
Fahrplan Kelmis- Verviers 1925
73
Reisende nach Vaals
über Meoresnel-Kichschen.
YUb15. Mai bis 1. November verkehrt der Nutobus der
Hirma H. SCHREUL, La Calamine, zwijgen Alten:
berg (KleinbahHuhalteftelle) nad Vaals wie folgt:
(Sonnt. abends)
Altenberg ab 9.-— 12. 3.— b6.— 8.40
Vauls 410; 1.-— 4.— 7.— 9.30 belg. Bei
In Baals ift eier Hahrıt nad allen Seiten fos
fortiger Anfchluß, 3. Y. Valkenburg, Maaftridht, Witten,
Simpelveld, Spedholzerheite, Kirhrath, Heerlen ujw.
N.B. In dem Yutobdus der Firma Gebr. Uhn von
‚Derbesthal Fommend nach Morcsnet und Baals jofor»
tiger Anfdluß in Altenberg.
Hreundlichft empfehlend !
Garage H, SCHREUL, La Galamine.
Fahrplan 1927
Die notwendigste Verbindung war damals die
Eisenbahnstrecke nach Moresnet, die im Mai 1925 dem
Personenverkehr zugänglich gemacht wurde. Diese 2,5 km lange
Bahnlinie bestand zwar schon seit 1871, doch diente sie nur der
Gesellschaft der Vieille Montagne zur Beförderung von Zinkerz
und Kohle.
Täglich mußten daher hunderte Arbeiter und Angestellte,
die im Raum Eupen-Verviers beschäftigt waren, zu Fuß nach
Moresnet gehen, um dort den Zug nach Herbesthal zu nehmen.
Das Schlimmste dabei war das Passieren des Bauwegs, der sehr
morastig (klebrige Lehmerde) und nicht beleuchtet war.
7 Moresnel — Lan Calamine
Moreanet #348 4 48 *6 .3*7 0 753 1010 16 11 %17 14 1758 *19 7
La Calamine‘ 359 459 614 711 8 4 1021 1621 1725 18 9 1918
I» Calamine — Moreanet
La Calem, *4 25 *5 22 *6 36 *7 32 *8 34 89 33 11 35 *16 36 $16 55 *17 35 18 35 *19 30
Moresnet 435 532 646 742 847 9431145 1646 17 5 17451845 1940
Die mit * bezeichnete: Züg- fahren nicht an Sonn- und Feieriagen,
Dir mit $ bezeichneten Züge {ah-en nur an Sonn- und Feiertagen.
I
m x
HORAIRE DES TRAINS
valable jusqu'au 14 Mai 1926
Zugfahrplan Kelmis-Moresnet (1926)
75
"De Häre va jene Bärech" und andere Honoratioren
Kommen wir nochmals zurück zur Hasardstraße. Hier war,
wie schon gesagt, der belebteste Ortsteil von Kelmis/Neu-
Moresnet. Im Jahre 1930 begann man dort mit dem Bau einer
neuen Grundschule der Gemeinde Neu-Moresnet. Heute
beherbergt diese ehemalige Schule die beschützende Werkstätte.
Das Hasard-Viertel zeichnete sich durch einen gewissen Rang
aus, wohnten doch hier die Führungskräfte und leitenden Beamten
der Vieille Montagne. Die meisten stammten aus der Wallonie
oder aus Deutschland, hatten aber ihren Wohnsitz in Preußisch-
bzw. Neu-Moresnet.
Beginnen wir mit unserer Aufzählung am damaligen
Gemeindehaus, das die Herren Pelzer und Hocke€ bewohnten. Ein
Sohn des letzteren, Wilhelm, ist am 28. Dezember 1941 als Patriot
inder Lütticher Zitadelle erschossen worden. Auch Herr Xhonneux,
Aufseher bei der Vieille Montagne, war in diesem Komplex
ansässig.
2 7 BEE. MM
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Die Angestellten der Vieille Montagne.
Obere Reihe, v. 1. n. r. : Leo Palm, Jean Brandt (Bgm. von Kelmis von
1923-1933), Frl. Lombard, Ingenieur Dirix.
Untere Reihe: ...Paquot, Fernand Bleyfuesz (letzter Direktor der Vieille
Montagne), Jules Nossent, Charles Timmerhans (Direktor), R. Germay,
Karl Zietzling, Albert Lemoine
76
Daneben hatte der Ober-Ingenieur Rodolphe Germay seinen
Wohnsitz. Die allgemein bekannten Fotos vom Rückzug der
deutschen Truppen im Jahre 1918 stammen von ihm. Zwischen
Germay's Anwesen und dem Block der sog. Härehuser führt der
Weg zur Judas-Taddäus-Kapelle.
Im ersten Haus dieser Reihe wohnte der Ingenieur Fernand
Bleyfuesz, der als letzter Direktor der Vieille Montagne fungiert
hat und ein Sohn des von 1889-1914 und von 1918-1920
zuständigen belgischen Kommissars für Neutral-Moresnet war.
Sein Nachbar hieß Johann Harrus und war bekannt als
talentierter Karnevalist. Die Freiwillige Feuerwehr von Preußisch-
und Neutral-Moresnet hatte er von 1895 bis 1901 geleitet.
Neben Johann Harrus wohnte dessen Kollege Jules Nossent,
Bürochef der Vieille Montagne, ebenfalls ein bekannter
Karnevalist, der Präsident der St. Barbara-Schützengesellschaft
war. Das vierte Haus in der Reihe der "Härehuser" bewohnte Herr
Court, der die Schmiede im "Bruch", neben dem Elektrizitätswerk,
leitete. Sein Nachbar war der aus Moresnet stammende Leo Palm.
Als diensttuender Buchhalter ist dieser nach dem Kriege 1940-45
mit der Auflösung des gesamten Betriebs der Vieille Montagne in
Kelmis/Neu-Moresnet beauftragt worden.
Die letzten zwei Häuser der Reihe waren von Magazin-
Chef Karl Zietzling (ebenfalls ein Karnevalist) und Ingenieur
Heinrich Loupart belegt. Von den vier Söhnen des Herrn Loupart
lebte einer in der Nähe von Bensberg, wo er vermutlich als
Bergbauingenieur bei der A.G. Altenberg tätig war. Der Sohn
Otto bekleidete eine führende Stellung bei Philips in Eindhoven
(3). Der dritte Sohn war Professor in einer Vervierser Lehranstalt.
Der vierte, Leopold, erlitt einen tragischen Tod; er kam kurz vor
Kriegsende 1918 bei der Bombardierung eines englischen
Munitionslagers (Long Eaton) ums Leben.
Etwas weiter entfernt von der Lütticher Straße, am Weg
nach Hergenrath, liegt die Jansmühle. Hier war Ingenieur und
Betriebsführer Max Markstein ansässig, dessen Kompetenzbereich
die "Wäsche" war. Ebenfalls in der Jansmühle wohnte der
Grubenarzt Dr. Wilhelm Molly, der weit über die Grenzen Neutral-
Moresnets hinaus bekannt geworden ist. Wir werden an anderer
Stelle noch auf ihn zurückkommen.
Auch die aus Aachen nach Neu-Moresnet/Jansmühle
übergesiedelte Familie Schifflers sollte hier erwähnt werden. Sie
VE
hat der Diözese Lüttich drei Priester geschenkt von denen der
älteste, Hubert, der seine Studien in Rom gleichzeitig mit dem
Kelmiser Jean Fryns, dem späteren Bischof von Kindu, absolviert
und als Professor der Theologie die Seminaristen während ihres
Militärdienstes in Beverloo unterrichtet hatte, 1983 verstorben
ist. Derzweite Sohn, Franz, lebt als emeritierter Pastor in Lanaken,
während der dritte, Josef Schifflers, am 1. 9 1989 in Steffeshausen
die Pfarrstelle von Pastor P. Schoonbroodt, der der Lef&vre-
Bewegung angehört, angetreten hat.
Kehren wir zurück zur Hasardstraße. Gegenüber der Familie
Loupart, d.h. auf neutraler Seite, wohnte der Obersteiger Pierre
Grignard, der nach dem Ersten Weltkrieg der erste belgische
Bürgermeister (1918-1923) von Kelmis wurde. Nach seinem Tod
ging dieses Wohnhaus an den Ingenieur Emil Dirix. Der Park des
Hauses bildete die Ecke Lütticher Straße-Kapellstraße. In letztere
treten wir jetzt ein.
1925 sind meine Eltern in das Haus Nr. 7 eingezogen, um
ihr Geschäft zu vergrößern. Vorher befand sich dort die Gendar-
” _merie, die von dem aus der Areler Gegend stammenden
Kommandanten Nicolas Schrobiltgen befehligt wurde. Besonders
die Schmuggler fürchteten diesen Mann. Jahre später ist er in die
Politik eingetreten und sogar Gemeinderatsmitglied geworden.
Fast gegenüber meinem Vaterhaus stand ein weiteres Haus
der Vieille Montagne im Stil der Reihenhäuser auf der "Chaus-
see"/Pavei, in welchem Herr Dechene, ebenfalls einer der "Häre",
wohnte.
In das Haus Nr. 9, das jetzige Haus Dr. Schifflers, war nach
dem Krieg 14-18 Dr. Hugo Franssen aus Homburg eingezogen.
Dr. Franssen war Nachfolger des Dr. Molly, d.h. er war Grubenarzt
der Bergwerksgesellschaft. Vorher hatte eine Apotheke im Haus
Nr. 9 bestanden. Ein Mosaik im Sprechzimmer der heutigen
Arztpraxis mit der Inschrift "Glück-Auf Apotheke" erinnert noch
an diese Zeit. Ein Sohn der Familie Franssen, Jean, war Priester
im Brüsseler Raum. Man hat ihn vor einigen Jahren in Ixelles
leblos vor seinem Fernseher gefunden.
Gegenüber Dr. Schifflers (neben der heutigen Bäckerei
Messerich) befand sich zu jener Zeit das Pfarrhaus. Im Hause Nr.
21 wohnten die Eltern von Charles Schriever (1889-1916), der es
ebenfalls verdient, in dieser Galerie der Persönlichkeiten erwähnt R
zu werden. Vor Kriegsausbruch befand er sich in China, um bei
78
der dortigen belgischen Gesandtschaft seine Militärpflicht zu
erfüllen. Als dann der Krieg ausbrach, hat er unverzüglich seine
Rückreise beantragt, um sein Vaterland zu verteidigen. Leider hat
er sein Leben lassen müssen. In Kigoma, Ost-Afrika, erlitt er am
31.12.1916 den Heldentod. Charles Schriever war einer der
Pfeiler der Esperantobewegung im Göhltal. Er lehrte die neue
Sprache in den Esperantogruppen von Kelmis und Belgisch-
Moresnet, gab Privatstunden und erteilte sogar Unterricht in
diesem "Fach" in der Gemeindeschule (4).
Ein anderer Arzt, Dr. Jos. Gottschalk, hatte sein Kabinett in
der Kirchstraße und später in der Hasardstraße, der heutigen
Lütticher Straße.
Verstreut im Dorfwohntennoch weitere leitende Angestellte
der Vieille Montagne, u.a. der Obersteiger Blissenbach, der als
Betriebsführer der ehemaligen Grube Schmalgraf seinen Wohnsitz
dort in der Nähe hatte. Er starb 1938. Jean Brandt, ein
"Einheimischer”, ein guter Freund des unvergessenen Kaplans
Bosch, lebte unter seinen Kelmisern, schräg gegenüber dem
früheren Kino Pax. Von 1923 bis 1933 hat J. Brandt als Nachfolger
von P. Grignard das Amt des Bürgermeisters ausgeübt.
Die angesehenste Persönlichkeit des Ortes war ohne Zweifel
der Bergwerksdirektor Charles Timmerhans, der die Villa
bewohnte, in der sich jetzt das "Parkcafe" befindet. Der
angrenzende Park, heute Gemeindepark, war damals natürlich der
Öffentlichkeit nicht zugänglich! Als man am 1. Dezember 1918
das Patronatsfest König Alberts in der Pfarrkirche feierte, traf die
Nachricht ein, die ersten belgischen Truppen seien am Ortseingang
eingetroffen. Auch Louis Timmerhans, ein Sohn des Direktors,
kehrte an jenem Tage aus dem Kriege heim. Als Freiwilliger hatte
er in der belgischen Armee gekämpft.
Erwähnt werden muß auch Herr Hubert Schmetz, der von
1884 bis 1915 als dritter Bürgermeister von Neutral-Moresnet
fungierte. Er wohnte an der Lütticher Straße, gegenüber der
beschützenden Werkstätte, in dem großen Haus mit dem hohen
Treppenaufgang. Sein Amt war gewiß nicht leicht, da er in
Neutral-Moresnet die in Kraft gebliebene französische
Gesetzgebung beachten mußte, während in Preußisch-Moresnet,
dem Schmetz ebenfalls als Bürgermeister vorstand, die deutsche
Gesetzgebung Gültigkeit hatte. Der Bürgermeister hat übrigens
79
eine kleine Sammlung der für das neutrale Gebiet erlassenen
Polizeiverordnungen veröffentlicht.
Nach seinem Tode, am 15.3.1915, ist kein neuer
Bürgermeister mehr ernannt worden. Der Bürgermeister von
Hergenrath, Kyll, wurde kommissarisch mit der Leitung von
Neutral- und Preußisch-Moresnet betraut.
Rechts des heutigen Kulturzentrums "Select" wohnte Victor
Moyano, der 1933 Bürgermeister von Kelmis wurde.
Ein Betrieb, der heute in Vergessenheit geraten ist, war die
"Kratzenfabrik Willy Zartenar", die etwa 15 Personen beschäftigte
und sich ungefähr gegenüber der jetzigen Endstation des Aachener
Busses befand. Der Prinzipal, Willy Zartenar, hat sich in den
zwanziger Jahren auch politisch in Kelmis betätigt, ja sogar eine
Partei gegründet. Außerdem war dieser Kleinindustrielle auf dem
sozialen Gebiet tätig; er erbaute nämlich die erste Siedlung in
ä Kelmis auf dem Krickelstein.
Freizeit und Unterhaltung
Sehr angenehme Erinnerungen sind die Sonntagsnach-
mittagsspaziergänge. Die Bergwerkskapelle, die aus Angehörigen
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Die "drie Piepe"
80
der Belegschaft des "Bergs" bestand, gab abwechselnd am
Casinoweiher und am Schützenlokal (heute Skyline) Platzkonzerte.
Die Bevölkerung schätzte diese Konzerte sehr, waren sie doch
sozusagen das einzige Vergnügen, außer Kirmes und Karneval.
Sehr viele Zuhörer kamen zum Casinoweiher und spazierten, der
Musik lauschend, um denselben. Obwohl die Vieille Montagne
im sog. Casino eine Gaststätte mit Cafe unterhielt, gab es für den
Normalbürger keine Gelegenheit zum Trinken und Verzehren.
Ins Casino hatten nur die Führungskräfte und die leitenden
Angestellten der Firma sowie wallonische Angler Einlaß. Die
Einheimischen konnten sich an den "drie Piepe" laben! Das war
ein gußeiserner Behälter, aus welchem durch drei Rohrstutzen
frisches Quellwasser floß. Heute steht er inmitten einer kleinen
Grünanlage am Fuße der Treppe, die die Altenberger Straße mit
dem Weiher und der Hasardstraße verbindet. In der Nähe dieses
Brunnens befand sich früher ein Gebäude mit der Aufschrift
"Altenberger Mineralwasser Anstalt". Dieses Wasser wurde
hauptsächlich ins Ausland exportiert.
Unsere Ortschaft besaß aber auch ein Kino an der Lütticher
Straße, dort, wo sich bis November 1994 die Arztpraxis Dr. De
Ridder befand. Es hieß "Cin&ma Luxor" und gab eine Vorstellung
am Samstagabend und zwei weitere am Sonntagnachmittag. Jede
Vorstellung begann mit einem ernsten Hauptfilm und endete mit
einem kurzen Lustspiel, das die Lachmuskeln strapazierte. Da es
sich um Stummfilme (natürlich schwarz-weiß) handelte, wurde
der französisch verfaßte Begleittext laufend von einem
Dolmetscher übersetzt. Zwischen beiden Filmen war eine Pause
eingeschaltet, während der "der Rodolf", ein Schweizer (5),
Süßigkeiten anbot.
Sehr beliebt waren die Komiker Peter Herf und Leonard
Kohl aus Kelmis. Das Duo nannte sich "Pitt en Nades" und
amüsierte köstlich die Bevölkerung des ganzen plattdeutschen
Raumes.
81
Anmerkungen
1) Damit sich der Leser in dem Wirrwarr der Ortsnamen leichter zurechtfindet,
ist es unumgänglich, den Werdegang der nördlichsten Gemeinde der
Ostkantone zu kennen.
Inmitten der Ortschaft Kelmis befand sich ein Zinkerzvorkommen, der
"Galmeiberg", der schon 1344 genannt wird. In der Franzosenzeit wurde die
Herrschaft Kelmis mit der Herrschaft Moresnet zur "Municipalit& de Moresnet
et Kelmis". Nach dem Zerfall des napoleonischen Reiches wurde diese
Gemeinde dreigeteilt: ein Teil wurde niederländisch (später belgisch), ein
Teil preußisch (unter dem Namen Preußisch-Moresnet), während der dritte,
der mittlere Teil, in dem sich die Zinkgrube befand, der gemeinsamen
Verwaltung Preußens und der Niederlande unterstellt wurde und fortan den
Namen Neutral-Moresnet trug. Im Volksmund hörte man aber meistens nur
die Bezeichnung Altenberg oder Kelmis. 1919 wurde Neutral-Moresnet zur
Gemeinde Kelmis, während Preußisch-Moresnet in Neu-Moresnet umbenannt
wurde.
2) Das erste Automobil ‚ Marke "Nogant" hat die Gesellschaft der Vieille-
Montagne in Neutral-Moresnet besessen.
3) In dem Buch "Ein Leben mit Philips” schreibt der Firmengründer u. a. : "Ein
ausgezeichneter Unterhändler war auch O.M.E. Loupart, jahrelang einer der
führenden Kräfte bei Philips. Diese eminente und ungewöhnliche
Persönlichkeit stammte aus der merkwürdigen Gegend Moresnet, früher Teil
der Provinz Limburg, die später Streitobjekt zwischen Belgien und Deutschland
wurde."
4) Claes, Peter, "Zum Esperanto Staat Amikejo" in "Im Göhltal", Nr. 52, S. 59
ff.
5) Jansen, Alfred, "Originale" in "Im Göhltal", Nr. 48, S. 91
(Schluß folgt)
82
Boote am Meer
(Bild von Vincent van Gogh)
von M. Th. Weinert
Die bunten Segelboote
sind auf den Sand gesetzt
zum Rasten.
Es knarrt in den Masten, i
im Segelgestänge,
schräg ausgestreckt,
weisend wie Arme,
wo Weite und Wind
und die wogenden Wasser sind.---
Daß sich einer erbarme,
das Meer ist so nah.-
Schon segelt die Möwe
stürmische Fahrten,
Wind treibt die zarten
Lämmerwölkchen einher,
nur die Boote sind leer,
sie warten.
84
Vom Köpfchen zum Bildchen
Eine historische Wanderung
von Heinr. von Schwartzenberg
Wer eine historische Wanderung im Dreiländereck unter-
nehmen will, dem sei der Grenzweg entlang der heutigen bel-
gisch-deutschen Grenze vom Köpfchen zum Bildchen empfoh-
len.
Dieser Grenzstreifen, der schon seit 1611 Grenzfunktionen-
allerdings zwischen den unterschiedlichsten politischen Herr-
schafts- und Verwaltungssystemen- erfüllt, birgt noch mancher-
lei Relikte aus vergangenen Zeiten.
Nachfolgend sind die unterschiedlichen Grenzfunktionen
ab 1611 aufgeführt:
1611-1748 Nutzungsgrenze zwischen dem Aachener Reich und
dem Herzogtum Limburg (Bank Walhorn).
1748-1798 Hoheitsgrenze zwischen dem Aachener Reich und
dem Herzogtum Limburg (Bank Walhorn).
1798-1815 Grenze zwischen den Departements Roer (Mairie de
la Ville d'Aix - la - Chapelle) und Ourthe (Mairie de
Hergenrath) .
1815-1920 Grenze zwischen der preußischen Stadt Aachen und
der preußischen Gemeinde Hergenrath einschl.
Hauset. (Von 1848 bis 1877 war Hauset eine selb-
ständige Gemeinde) ).
1920-1940 Grenze zwischen Deutschland (Stadt Aachen) und
Belgien (Gemeinden Hergenrath und Hauset).
1944-1977 Grenze zwischen Deutschland (Stadt Aachen) und
Belgien (Gemeinden Hergenrath und Hauset).
ab 1977 Grenze zwischen Deutschland (Stadt Aachen) und
den belgischen Gemeinden Kelmis (mit Hergenrath)
und Raeren (mit Hauset) 2.
Als im Jahre 1166 Kaiser Friedrich I. (Barbarossa) Aachen
mit dem Marktrecht mit Abgabenfreiheit ausgestattet hatte, ent-
wickelte sich Aachen allmählich zu einer freien Reichsstadt, die
durch die im Jahre 1336 erfolgte Zuordnung der um Aachen
gelegenen Dörfer und Gebiete Hauptstadt des "Aachener Rei-
ches" wurde 3,
86
Endlich, im Jahre 1611, waren die Expansionsbemühungen
Aachens von dauerhaftem Erfolg gekrönt. Am 20. April 1611 kam
es zu einem Vertrag zwischen Albert, Erzherzog von Österreich,
als Herzog von Limburg, und der Stadt Aachen, nach dem Aachen
ein zusätzliches Stück des Reichswaldes und der Preus erhielt !2.
Der Vertrag bedeutete eine Vorverlegung der Aachener Grenze
um gut 1 km in das Gebiet der limburgischen Banken Walhorn
und Montzen. Die Bank Montzen wehrte sich erfolgreich dagegen
underreichte 1615, daß Aachen von ihrem Gebiet nichts erhielt 19,
So kam es, daß die neue Grenze nur von Grüne Eiche bis zur
Lütticher Straße vorverlegt worden ist und daß sie dort mit einem
scharfen Knick entlang der Lütticher Straße bis zur alten Grenze
lief. ?
Der Vertrag von 1611, der erst 1616 ratifiziert worden ist,
beinhaltete zunächst nur die Nutzungsrechte für Aachen, wäh-
rend Limburg die Gerichtsbarkeit über dieses Gebiet behielt. Erst
1748 übte Aachen in dem hinzugewonnenen Territorium das
Hoheitsrecht aus 19,
Obwohl -wie erwähnt- die Aachener nur die Nutzungsrechte
erhielten, sind sie anscheinend gleich nach 1611 hingegangen und
haben die neue Grenze mit Adler-Grenzsteinen markiert, die ja
eigentlich als Hoheitszeichen Rechtstitel für die Hoheitsgrenze
bedeuteten. Selbst an der Montzener Seite hatte man bereits
Adlersteine aufgestellt, die m. E. später zerstört und durch die sog.
Burgundersteine ersetzt worden sind !9.
Auf der Strecke vom Köpfchen zum Bildchen, die ja Gegen-
stand unserer Betrachtung ist, sind noch vier Aachener Adler-
steine erhalten, und zwar
1) beim Landesgrenzstein D-B 964
2) beim Landesgrenzstein D-B 965
3) beim Landesgrenzstein D-B 969
4) beim Landesgrenzstein D-B 973 (beschädigt).
Neben dem Aufstellen der Adlersteine hat Aachen eine neue
"Scheidung des Busches" (anscheinend nach 1616) durch einen
schützenden Landgraben markiert, der auch heute noch auf wei-
ten Strecken die Landesgrenze zwischen Belgien und Deutsch-
land bildet.
Gielen schreibt zum Landgraben:
"Für die Freunde des Waldes ist ein Gang durch den Land-
88
Nachfolgend ein Auszug aus dem Protokoll des Land-
grabenrittes vom 11. Mai 1694 von der zu betrachtenden Strecke:
"Item die underste geissenbruck ein pael ohn adler beim
disputablen schlagbaum (Köpfchen). Weiters in die holseter heid
(Hauseter heide) ‚ wo ein pael ohn adler gebrochen und am
holseter strauch (Hauseter Strauch) ein pael mit adler. Dan am
wilden born oder stockborn, wo stehet ein pael mit adler; ferners
am Clootsberg (Klausberg) ein pael mit adler. Weiter an die
doubelmaar ein pael mit adler; von dannen auf die hergenraeder
lücker strass (Lütticher Straße), alwo ein pael ohn adler und dan
die strass auf nach dem breidenstein (Gut Breitenstein), alwo ein
pael, nah am breidenstein zwei paelen gegeneinander über, jeder
mit adler." 17 .
Wie der Auszug aus dem Protokoll des Landgrabenrittes
zeigt, wurde das Hauptaugenmerk auf die Standorte der Grenz-
steine gelegt.
Dieser Landgraben begrenzte ein Waldgebiet, das wie fast
überall in Mitteleuropa durch Mißbrauch und Übernutzung große
Schäden zeigte, so daß die Stadt Aachen sich veranlaßt sah, durch
eine Waldordnung (1760) Abhilfe zu schaffen 189.
Wenn bisher immer von Wald die Rede war, so stelle man
sich keinen Hochwald vor, wie wir ihn heute kennen. Es handelte
sich vielmehr um den sog. Niederbusch, der nicht gesät oder
gepflanzt wurde. Die Verjüngung erfolgte durch Stock- und
Wurzelausschlag. Etwa alle 20 Jahre wurde "geerntet" für Brenn-
holz und Holzkohle, für Zaunpfähle, Rinde für Lohe und geringes
Werkholz !9. Nach etwa 20 Jahren wiederholte sich die Angele-
genheit.
Zuderneuen Waldordnung von 1760 wurde die hierunter als
Kopie beigefügte Karte erstellt, die am 25. April 1760 vom Rat der
Stadt Aachen "approbiert" wurde 29, Aus der Karte von 1760 geht
hervor, daß der im Jahre 1611 hinzugewonnene Wald als "Nach-
barholz” und "Bäckerkauf”" genutzt worden ist.
Der Name Nachbarholz besagt, daß die in der Nähe woh-
nenden Berechtigten das nötige Holz -vor allem Brennholz-
unentgeltlich aus dem Wald holen durften.
Allerdings, ganz so unentgeltlich war die Holzabgabe doch
nicht, denn die "Nachbarn" waren oft verpflichtet, Fronfuhren zu
leisten, die Förster zu unterstützen, Wege zu räumen und auszu-
89
bessern usw. F. X. Schultheis hat 1982 ausführlich über "Das
Nachbarholz im Aachener Wald und seine geschichtliche Ent-
wicklung" geschrieben 2).
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Die Nachbarholzbezirke waren durch Steine markiert
(Stein N 6 im Dreikreuzertal)
Zum Bäckerkauf berichtet Meyer im zweiten Ausgabe seiner
"Aachenschen Geschichten: "Infolge der Waldordnung von 1760
ist das Kreuzertal in 20 Holzschläge durch ebensoviele Merk-
steine eingeteilt, deren einen der Rat jährlich zum Behuf der
Stadtbäcker und wer sonst aus der Bürgerschaft hierzu Lust hat,
in viele Nummern zerstücken und dem Meistbietenden gegen
Stellung eines Bürgen verkaufen läßt." 22)
Prof. Liese schreibt 1930, daß die alte Grenze (Hirtzplei-
Entenpfuhl) und die neue Grenze (Köpfchen-Bildchen) durch
Querlinien miteinander verbunden waren und daß Baumreihen
parzellenbildend diese markierten 23.
Wer aufmerksam den Grenzweg vom Köpfchen zum Bild-
chen durchwandert, kann -außer den Adlersteinen und den herr-
lichen Restbuchen des Landgrabens- numerierte Merksteine ent-
decken, die etwa fünf Meter von der heutigen Grenze stehen. Sie
90
gehören wahrscheinlich zu jenen 20 Merksteinen, von denen
Meyer 1781 berichtet.
Gefunden wurden bisher:
N1 beim Landesgrenzstein D-B 962
Dieser Grenzstein stand wohl ursprünglich nicht dort; er ist
wahrscheinlich später für die Scheidung des Stadtwaldes und des
Privatgrundstücks umgesetzt worden. Er trägt auch die Buchsta-
ben Aund T (vermutlich Aachen und Anfangsbuchstabe des
Privateigentümers).
N5 beim Landesgrenzstein D-B 962 (+ ca. 35 m),
NG X D-B 964 (- ca. 55 m),
N9 % ® D-B 968 (-ca. 7 m),
N 105 X D-B 970 (-ca. 60 m), |
NIE 7 D-B 971 (+ ca 4 m),
NIS X D-B 977 (+ ca. 60 m),
NI6 " X D-B 979 (- ca. 35 m).
Vielleicht sind noch mehr Steine des "Bäckerkaufs" vorhan-
den. Mit Ausnahme des Merksteines N 1 sind alle übrigen -genau
wie die "Nachbarholz-Steine"- oben abgerundet.
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6 Bäckerkauf-Grenzsteine
Nach der Übernahme der Rheinlande durch die Preußen im
Jahre 1815 bestand die Niederwaldwirtschaft zunächst weiter
fort. Die Preußen legten zwar in einer Verordnung von 1816 fest,
daß die Gemeinden ihre Wälder nach eigenem Gutdünken bewirt-
schaften durften, aber es dauerte noch bis zum Jahre 1882, bis eine
Änderung eintrat.
91
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Plan der Stadt-Aachenschen Waldungen vom 25. April 1760 mit der
Einteilung in "Nachbarholz" und "Bäckerkauf".
Der Grenzknick und die Aussparung des Landgrabens an der Lütticher
Straße sind deutlich zu erkennen.
In dem Plan sind auch die Grenzsteine eingezeichnet (kleine Rechtecke).
92
Durch den Beschluß des Aachener Rates vom 22. Dezember
1882 änderte die Jahrhunderte alte Niederwirtschaft völlig zugun-
sten des Hochwaldes, der wegen der "ästhetischen und sanitären
Bedeutung des Waldes" angestrebt wurde.
So kommt es, daß wir heute einen schönen Erholungswald
mit Spazierwegen haben, die es bis zum Jahre 1866, als der erste
hauptberufliche Aachener Forstamtsleiter Franz Oster seinen
Dienst antrat, noch nicht gab 29,
Ka &
Für die Wanderung in "natura" vom Köpfchen zum Bildchen
empfiehlt sich folgender Weg (ca. 6 km = etwa 2 St.) : Ö
Ausgangspunkt: Bushaltestelle Köpfchen der Linie 14
(Aachen-Eupen). Beim ehemaligen "deutschen" Zollamt Köpf-
chen benutzen wir in westlicher Richtung einen kleinen Wiesen-
weg, der auf eine Straße mündet.
Nach ca. 150 m zeigt an dieser Straße nach rechts der
Wegweiser "Grenzweg (mit rotem Punkt)” unseren weiteren Weg
an.
Wir folgen dem Waldweg und stoßen bald auf die belgisch-
deutsche Grenze, der wir bis zum Stein N 16 folgen.
Es ist wichtig, daß man sich immer am Landgraben und an
den D-B-Grenzsteinen orientiert. (Knicke auf den D-B-Grenz-
steinen beachten).
Wir werden überrascht sein von den z. T. bizarren Baum-
formen am noch vorhandenen Landgraben sowie von den Adler-
und Bäckerkauf-Grenzsteinen.
Beim Bäckerkauf-Stein N 16 (nach D-B 978) nehmen wir
den Weg nach rechts in nordöstlicher Richtung, bis wir auf einen
Hauptweg stoßen (Ginsterbrückweg). Hier gehen wir links und
dann immer ziemlich geradeaus und erreichen bald den
Entenpfuhler Weg (in Gut Entenpfuhl Einkehrmöglichkeit).
(Bei Stein N 16 nicht weitergehen, da die alte Grenze durch
die Eisenbahn unterbrochen ist) .
Der Entenpfuhler Weg führt zur Lütticher Straße und zur
Bushaltestelle der Linie 24 (Kelmis- Aachen) .
93
ANMERKUNGEN
1) Im Göhltal, Nr. 49/50, 1991, S. 32
2) ebd., S. 32 und S. 75
3) Poll, Geschichte Aachens in Daten, Aachen, 1965, S. 38
Kaemmerer, Geschichtliches Aachen, Aachen 1967, S. 40 ff.
4) Poll, a. a. O., S. 56 und S. 69
Forstamt der Stadt Aachen: 100 Jahre Aachener Erholungswald, Aachen
1982,5. 8
5) Gielen, Zwischen Aachener Wald und Münsterwald, Eupen 1975, S. 27
6) Forstamt, a. a. O., 5. 8
7) Gielen, a. a. O., S. S. 27
8) Gielen, a. a. O., S. 29
9) Liese, Vom Aachener Stadtwald, Aachen, 1930, S. 8 und S. 17
10) Gielen, a. a. O., S. 32-33
11) Gielen, a. a. O., S. 34
12) Liese, a. a. O., S. 12
13) Pauquet, in "Im Göhltal", Nr. 22, 1978, S. 5 ff.
14) Gielen, a. a. O., S. 45
15) Liese, a. a. O., S. 15 ff,
16) Gielen, a. a. O., S. 41
17) Gross, in "Aus Aachens Vorzeit", 1/1893, S. 23
18) Forstamt, a. a. O., S. 8
19) Gielen, a. a. O., S. 84
20) Karte aus "Königs: Vom Jakobstor zum Bildchen". Aachen 1973, S. 19
21) Schultheis, in "Forstamt: Jahrhundertweg", Aachen, 1982, S. 33-49
22) Liese, a. a. O., S. 22
23) Liese, a. a. O., S. 22
24) Forstamt, Jahrhundertweg, S. 2
Alle Fotos vom Verfasser.
94
Der Kelmiser Karneval
und seine Symbolfigur
von Sylvie Fabeck
Kelmis ist unbestritten eine der Hochburgen des
ostbelgischen Karnevalstreibens. In kaum einem anderen Ort
unseres Gebietes werden die tollen Tage mit soviel Begeisterung
gefeiert. Jung und Alt, Arm und Reich, Mädchen und Jungen: alle
machen sie an diesen drei Tagen Kelmis zu einem Ort, an dem ein
sehr urwüchsiger Karneval eigener Prägung veranstaltet wird.
Wie weit dieser Karneval in die Geschichte zurückgeht,
läßt sich nicht sagen. Ballveranstaltungen werden in den uns zur
Verfügung stehenden Quellen von 1852 an regelmäßig
angekündigt.
FRA a IT 04.0 sa mn!
Wein am Saftnaht8-Sonutag und Montag
des 22. und 23. Februar Hattfinden, Entree
3% Fre, bei S. DHotfchan, in Kelmis,
EN
DE Ba 1°
am Fajtnacht$ » Sonntag und Montag bei
SS. DeBVeauregard, in Kelmis.
Für gute Getränke it beftens gerorgt.
dm 2, März C(Laetare) wird
PA Ä in dem Lokale der St. Barbara-
| AN VANE— a 1 Shüßen-SGefellfchaft aufm Ale
74 8a Ss AR tenberg ein masEirter und
Base unmastirter Ball Sıatt
haben, moran fldj auch Nichtmirglieder, welche durch
ein Mitglied eingeführt werden, betheiligen können.
Der Borkund,
Hinweise auf den Karneval in Kelmis im Korrespondenz-Blatt 1852 (0. )
und 1854 (u.) sowie auf einen Maskenball im Schützenlokal zu Mitfasten 1856
95
Auch am Sonntag Laetare (Mittfasten) ist kamevalistisches
Treiben bzw. Maskenball nicht unbekannt.
Die Zeitungsanzeigen lassen erkennen, daß Mitte des
vorigen Jahrhunderts mindestens zwei Tanzsäle (Felix
Hotschamps, auch "Hotchan" geschrieben, u. H. Gouder de
Beauregard) und dazu noch das Schützenlokal für größere
Veranstaltungen zur Verfügung standen.
In seiner Anzeige zum Karneval 1853 weist der Wirt F.
Hotchamps besonders darauf hin, daß bei dieser Gelegenheit
"Mosel-, Rhein- und Bordeaux-Weine verabreicht werden".
1879 ist erstmals von einem durch die Gesellschaft "Unitas
zu Altenberg" veranstalteten Karnevalszug die Rede (1).
[2 > Unilas zu Altenberg.
A ;
AU We
PN Faftnachts-Montag den 24. Febr.
0 >W Nachmittag8 1 Uhr
3 verfanımeln fich die Mitglieder
m kam. 2111 den großen
A
Caruevalszug
mitzumachen.
Diejenigen fremden Herren, welche diefen Zug
zu Pferde mitmachen wollen, werden gebeten {ich
beim Präfidenten Herrn Müller zu melden,
Abend8 7 Uhr
MA KON
Gostumirter Ball
im DBereinslofale. Entree 1 Mark. Damen frei,
Maskirte haben feinen Zutritt.
Der Borfiand
Anzeige im Korrespondenz-Blatt vom 22. 2. 1879
1886 wird Prinz Jean I. erwähnt und 1887 bittet ein Zug-
Komitee die Gemeinde Preußisch-Moresnet um die "Erlangung
einer Unterstützung" zur Veranstaltung eines Karnevalszuges.
Wie es einleitend in dem an Bürgermeister Schmetz gerichteten
96
Schreiben heißt, habe die allseitig günstige Aufnahme, welche die
Idee gefunden habe, "in diesem Jahre wieder einen Carnevals-
Zug zu veranstalten, es angezeigt erscheinen lassen, auch bei der
wohllöblichen Gemeinde-Verwaltung von Preußisch-Moresnet
um die Erlangung einer Unterstützung vorstellig zu werden".
Daraus geht hervor, daß man an die Veranstaltung des
Vorjahres anknüpfen möchte und auch, daß beide Gemeinden um
finanziellen Beistand gebeten wurden.
Es ist nicht uninteressant zu lesen, wie die Antragsteller
ihre Bitte begründen. Da heißt es u. a.:
"In Erwägung, daß die Veranstaltung eines Carnevals-
Zuges die eigenen Leute und mithin ihr Geld im Dorfe hält und
wie bekanntlich viele Menschen aus der Umgegendnach Altenberg
zieht;
"InErwägung, daß diese Veranstaltung, welche im strengen
Rahmen des Erlaubten gehalten werden soll, in moralischer
Hinsicht ihren guten Einfluß ausübt, indem sie die unanständigen
Masken und Schreiereien von der Straße verdrängt;
"In Erwägung endlich, daß die Gesamt-Einnahmen des
Sammelwagens den Armen zugewandt wird...”
Aus der Formulierung "wie bekanntlich viele Menschen..."
könnte man auch den Schluß ziehen, daß schon mehrmals ein Zug
in Kelmis ausgegangen ist und daß derselbe eine stattliche Anzahl
von Besuchern angezogen hat.
Ob in den folgenden Jahren alljährlich Umzüge
stattgefunden haben, läßt sich wegen der dürftigen Quellenlage
(fehlende Vereinsarchive) nicht sagen, doch ist dies eher
zweifelhaft. Die Lokalpresse weist nämlich bei Gelegenheit der
Karnevalstage auf die verschiedenen Veranstaltungen hin, erwähnt
aber für die folgenden Jahre keinen Karnevalsumzug in Kelmis.
Aus der Vereinschronik der "K. G. Lustige Brüder", die in
Reimform aus Anlaß des 75-jährigen Bestehens der Gesellschaft
1983 verfaßt wurde, entnehmen wir, daß 1908 ein Umzug stattfand.
Dazu der Chronist:
"Op de nächste Versammlung koem dä Vörschlag da och,
Vör organisiere i Kelemes ne Karnavalszog;
Di ander wore paff än du och begeistert,
Joo, dat wät klappe, dat krij vör jemeistert.
Än ine Februar 1908, ming liev Kameroote,
Jung wirklich i Kelemes der Zog dörch en Stroote.”
98
Und der Chronist erwähnt auch, daß seine Gesellschaft im
selben Jahre 1908 die erste Kappensitzung im damaligen
vn . an
Kaisersaal", dem späteren Saal "Astoria" organisierte und daß
1909 wieder Kappensitzung und Zug veranstaltet wurden:
"I 1909 juv et wir Sitzung än Zoch,
In di folgende Joore natürlich och...” 7
Es scheint, daß in der Zwischenkriegszeit erst 1936 wieder
ein Karnevalszug organisiert wurde.
Obes damals auch schon zur Wahleines Prinzen gekommen
ist, ist unsicher.
BVBermifdhte Nachrichten, ;
„Karneval in Kelmi8‘“ — fo lautet das Motto für
die bevorftehenben Fajdhing3tage. Diefelben fcheinen urz
Zomifd und urgemiltlich zu werden, wie au einer Meinen
Rebue zu erfehen ift, die wir, bevor der Tanz Io8geht, in
ben verjchiebenen Lokalen, wo ber Karneval8jubel ant Ich:
Hafteften zu werden bverfpricht, macdheıt wollen. Da ver:
anftaltet 3. B. die „St. Barbara:-Sebhaftia-
nu8:SchügengefelIfh a ft“ inder Schügenhale
am Sonntag abend einen großen Loftüntierten Ball, wobei
der geräumige Balfaal der tanzluftigen Welt Naum zur
“ Entfaltung bieten wird. — „Du folkft und mußt
Tagen“ heißt c8 am Montag von vormittags 11 1lhr
an im of. Stammen’fhen Sokale beim
Humoriftijhen Frühfhoppen ; man fan berfichert fein, daß
ba Fräftige Lachfalven abgegeben werden. Befondere Srz r
mwähnung verdient das dafelbjt am gleichen Tage abends
7 Uhr beginnende Foftümierte Tanzkränzdhen ; am Dienztag
bverfammeln fich bei Hrn. Stammen alle Inftigen Brüder.
— Sm MNeftaurant des Hın. Augufit Strauß
finden während der KarnevalStage Miaskenball und hHöchft
närrifd-Humoriftijde Borträge ftatt. Die Vortragenden
“werden ihrer Mufgabe gemwachfen fein und einen durch:
fhlagenden Geiterfeit&erfolg erringen ; die Zuhörer dürfen
au8 ben Lachen gar nicht mehr herauskommen. Der
Houpttummelplag aller Narren und Närrinnen ft am
Dienstag abend in den Lokalen Stammen und Strauß.
— Nun wollen wir fehen, was unZ die berühmte Karnca
Val8gefeNjchaft „U IF bietet. Anı Nofenurontag abendZ
von 7 Uhr an Hält fie im Natrenpalafte Hotel Berger:
hoff ihre legte närrifdhe Neichstagsafigung in Gegenwart
der geehrten Damen ab. Abgefehen von den qünftigen
BilHnenverhältniffen und der trefflidhen UAkuftik des Saalc8,
den Humorvollen Vorträgen und dem üÜberfprudelnden
Srchlm wird um 11 Uhr ein munterer foftümierter Feftbal
eginnen ; während deSfelben werden Neberrafchungen
bereitet und Yraskartoffeln verabreicht. Sin burte8 farbenz
prächtige Bild wird fi dem Befchauer bieten, deun die
Ullfer mit ihrem Damen werden fich, wie voranzufehen,
mit fhmucken Farnevaliftijhen Mügen bebedfen oder fonft
auf gelungene Weife [ich traveftieren.
Mie au8 Vorftchendem zu erfehen, Haben die Kelmijer
während der drei Karneval&tage reichlihe Auswahl, wie
fle am Dbeften dem toNlen Prinzen hHuldigen folen, bevor
der anbrechende Afchermittwochsniorgen fie an den Ernft
ber Faftenzeit und 8 Leben mahnt. J. En,
Reges Karnevalstreiben ist angesagt. ("Das Freie Wort” vom 27. 2.1897)
99
Die Liste der Karnevalsprinzen ist erst seit 1939 (mit
kriegsbedingter Unterbrechung bis 1950) vollständig.
In einem Rückblick auf den Kelmiser Karneval i. J. 1947
schreibt der Grenz-Echo-Berichterstatter, es sei "wohl eher der
Versuch gewesen, den Anschluß an die Vorkriegszeit zu finden"
und er rät den Organisatoren, d. h. den Karnevalsgesellschaften,
dem Karneval ein Leitmotiv zu geben, daß dann auch die Grundlage
eines Rosenmontagszuges bilden könnte.
Den Bericht des Jahres 1948 beschließt der Korrespondent
mit der Frage: "Warum nicht einen Fastnachtszug auf die Beine
bringen?" Daß Kelmis dazu in der Lage sei, habe es bereits vor
Jahren bewiesen.
Die Anregung des Zeitungsmannes wurde auf Initiative des
Kegelclubs "Victoria" im Februar 1949 von den
Karnevalsgesellschaften und vielenanderen Vereinen aufgegriffen
und es bildete sich ein Karnevalskomitee, das die Durchführung
eines Rosenmontagszuges in die Hand nahm.
Der erste Nachkriegszug i. J. 1949 wird von der Presse als
"eine schöne Leistung" , als "ein Zug nach alter, guter Kelmiser
Art" bezeichnet.
Noch hatte man den Zug ohne Prinz veranstaltet.
Einen solchen wählte man zum ersten Male wieder 1950.
Für sonntags und montags stellte das Komitee ein volles
Programm auf die Beine: sonntags übergaben die Bürgermeister
von Kelmis und Neu-Moresnet dem Prinzen das Zepter sowie die
Schlüssel der Gemeindehäuser und der Weinkeller von Penning
und Casino. Der Feldhüter überreichte dem Narrenherrscher den
Polizeiknüppel, den sog. schwarzen Fränz, und die Schlüssel der
Arrestzellen. Es seinebenbei bemerkt, daß der neue Herrscherstab
vom Reitclub gestiftet wurde und ein Werk des Kelmiser
Holzschnitzers H. Everts ist.
Montags ging der Zug aus. Angeführt wurde derselbe vom
Wagen des Karnevalskomitees mit dem "Küsch", dessen
Erscheinen das Publikum mit dem Refrain " E Kelemes wätt ene
Küsch jeschlacht" begleitete.
1951 nehmen Prinz Jaques I. und über 40 Wagen am Zug
teil. Durch seine Höhe und noch mehr durch seine gutgenährte
Gestalt überragt der "Küsch" des Komiteewagens mit dem
elastischen Schwänzchen alle anderen Fahrzeuge. Das
100
Riesenschwein schien von weitem schwerelos über den Köpfen
der Menschen zu schweben.
Von Jahr zu Jahr nimmt der Kelmiser Fastnachtszug an
Größe zu. Ob Schnee oder Regen, die Stimmung bleibt immer bis
zur Auflösung des Zuges auf dem Kirchplatz erhalten. Hier nun
lag, so meinten die Organisatoren, eine Schwachstelle. Mit
Bedauern mußte man feststellen, daß die Menge sich sofort nach
Ankunft auf dem Kirchplatz zerstreute. Wie konnte man die
Besucher und Zugteilnehmer noch etwas länger zurück- und
beisammenhalten?
1956 wurde der Zug umorganisiert. Die Bürgermeister
überreichen seitdem beim sonntäglichen Empfang im
Gemeindehaus dem Prinzen die prächtige Prinzenkette, die als ‘
offizielle Ehrung verliehen wird und künftig jeden Prinzen
schmücken soll. Den Mittelpunkt dieser Kette bildet der
traditionelle "Küsch", von Zepter und Schlüsselumgeben, während
die Kette aus Medaillons mit den Bildnissen der gewesenen
Prinzen gebildet wird. Die Kette ist ein gemeinsames Geschenk
beider Gemeinden diesseits und jenseits der Lütticher Straße.
Nach dem Zug nehmen die Wagen und Gruppen auf dem
Kirchplatz Aufstellung und gruppieren sich dortum einen Galgen,
an dem weithin sichtbar der "Küsch" (aus Stroh) baumelt. Der
Prinz steckt nun diesen "Küsch" feierlich in Brand, wodurch er
allen andeutet, daß die tolle Zeit zu Ende ist.
Das Verbrennen des Kelmiser Karnevalssymbols wird von
einer Art Volkstanz begleitet, den die Zugteilnehmer auszuführen
haben, wenn sie die ihnen für die Teilnahme versprochene Prämie
zur Gänze erhalten wollen.
Nun erst, nachdem der "Küsch" in Rauch aufgegangen ist,
beginnt die Abfahrt der Wagen und Gruppen.
Um den in der Folgezeit noch immer anwachsenden Zug zu
steuern, wurde im Gemeindehaus eine zentrale Leitstelle
eingerichtet, von wo aus per Funk oder über Lautsprecher die
notwendigen Informationen (unterbrochen durch Karnevalsmusik)
durchgegeben werden können.
Hergenrath und Moresnet schlossen sich dem Karneval an
der Göhl an und so entstand der große "Ke-ne-he-mo"-Karneval.
Nur zweimal ist in den vergangenen Jahrzehnten der
Fastnachtszug ausgefallen: 1962 wurden wegen Pockengefahr
alle öffentlichen Aktivitäten verboten und 1991 verzichtete man
102
Kreuz am Wegesrand
von Freddy Nijns
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Am Wegesrand, schon ganz verwittert, ein Kreuz-
alt, demütig, wie verbittert.
Weiß zu erzählen vom Arbeiten,
Beten, Kämpfen und Leiden vergangener Zeiten.
Künder einfacher bäuerlicher Kunst,
von Frömmigkeit, die fleht um Gottes Gunst.
Derbe Fäuste und Kinderhand
haben es geschmückt mit Blumen und Ausgabe.
Mit Ehrfurcht grüßt es mancher Wandr'rer,
im Gedenken still verharrt ein and'rer
oder preist Ihn, der gibt das Leben
und die ew’ge Ruh', nach der wir streben.
103
In Memoriam
Schmerzlich und überraschend kam für uns alle die
Nachricht vom Tode von
Frau Dr. med. Gisela De Ridder,
die am 31. 10. 1994 im Alter von nur 56 Jahren von uns
gegangen ist.
Gemeinsam mit ihrem Gatten, dem 1979 verstorbenen Jean
De Ridder, engagierte sich Frau Gisela De Ridder im
heimatgeschichtlichen und kulturellen Bereich ihrer
Wahlheimat.
Von 1971 bis 1982 war sie Vizepräsidentin unserer
Vereinigung und zuständig für Presse- und
Öffentlichkeitsarbeit sowie für Fahrten und Exkursionen.
Aus beruflichen Gründen legte sie dieses Amt 1982 nieder
und schied aus dem Verwaltungsrat aus, blieb aber im
Rahmen des Möglichen weiterhin für Sonderaufgaben an-
sprechbar, z. B. beim Aufbau des Göhltalmuseums, bei
dem sie sich mit Rat und Tat eingesetzt hat.
Mit der Geschichte der Göhltalvereinigung bleibt der Name
von Frau Dr. Gisela De Ridder eng verbunden und wir alle
bleiben ihr zu Dank verpflichtet.
Der Vorstand
104
In Memoriam
Am 27. Oktober 1994 verstarb in Kelmis nach längerer
Krankheit im Alter von 63 Jahren unser Vorstandsmitglied {
Herr Leo Göbbels.
Der Göhltalvereinigung gehörte er seit den Anfängen an.
Sein Interesse galt vor allem der Postgeschichte des
Göhltalraumes und sowohl auf nationaler wie internationaler
Ebene wurde sein großes Fachwissen geschätzt. Die
belgische "Acade&mie de Philatelie" wählte ihn zum Mitglied.
Seit 1985 war Leo Göbbels Verwaltungsratsmitglied der
Göhltalvereinigung und immer bereit zu helfen, wo es galt,
Hand anzulegen.
Mit dem Verstorbenen verlieren wir einen treuen
Mitarbeiter, dessen Andenken wir stets in Ehren halten
werden.
Der Vorstand
105
Jahresrückblick 1994
von Freddy Nijns
Vorträge
Den Reigen der Veranstaltungen eröffnete die Vereinigung
mit der Generalversammlung, die am 23. Januar 1994 im "Select"
stattfand und zu der die Mitglieder sehr zahlreich erschienen
waren.
Der Berichterstatter konnte für das abgelaufene Jahr 1993
über eine sehr positive Entwicklung der Vereinigung berichten,
die weiterhin im Aufwind ist und deren Tätigkeiten bei den
Mitgliedern auf viel Resonanz stoßen.
Die Generalversammlung wurde mit einem Dia-Vortrag
über die Budapest-Fahrt des Sommers 1993 abgerundet (A.
Bertha).
Am 4. März 1994 zeigten wir im Göhltalmuseum den
Video-Film von Harry und Trees Weckx-Jutte aus Landgraaf
"Die Göhl von der Quelle bis zur Mündung". Das
Publikumsinteresse war so groß, daß eine zweite Vorführung
notwendig wurde.
Die Einkünfte der Herzöge von Limburg": dies war am
15. 4. 1994 das Thema eines abendfüllenden Vortrags von
Kulturhauptinspektor F. Pauquet, der anhand der sich über vier
Jahrhunderte erstreckenden Rechnungsunterlagen (von 1388/90
bis 1787) nachweisen konnte, wie sich die einzelnen
Einnahmeposten der Limburger Herzöge entwickelt haben. Ter-
ritoriale Fragen sowie die Frage der Währungen und des Geldwertes
wurden dabei ebenfalls behandelt. Daß die Regierenden recht
einfallsreich waren, wenn es darum ging, neue Einnahmequellen
zu erschließen, zeigen schon die frühesten erhaltenen Unterlagen,
wo sich neben den Einkünften aus Zinsgütern und Mühlen, vom
Zehnten und vom Straßengeld Posten finden wie "Lamm- und
Wollzehnt", Abgaben bei Verkäufen (Erfpenninck), bei
Todesfällen, bei Durchreise mit Lastpferden etc. Einen nicht
unerheblichen Teil ihrer Einkünfte bezogen die Herzöge schließlich
106
auch aus den Bergwerken, wenn auch die Landwirtschaft immer
die Haupteinnahmequelle geblieben ist.
Am 1. 10. 1994 konnten wir das 10-jährige Bestehen des
Göhltalmuseums feiern. Wir taten es mit einem großen
Heimatabend in der Patronage , der mit plattdeutschen Texten,
(Jos. Bindels, Jakob Langohr, Pascal Kreusen, Willy
Timmermann), musikalischen Zwischenspielen des Kelmiser
Salonorchesters, tänzerischen Darbietungen der K.G. 1927 aus
Hergenrath und Filmszenen zum "Grünen Land Ostbelgien"
einen interessanten Einblick in die Vielfalt kulturellen Schaffens
in unserem Raum bot.
Diese Gelegenheit wurde auch zur Buchvorstellung ‘
"Geschützte Denkmäler und Landschaften an Iter, Göhl und
Gülpe" von A. Bertha genutzt.
In Zusammenarbeit mit der Volkshochschule (VHS) Aachen
referierte am 4. 11. 1994 Dr. Nik. Schmitz (VHS) im Select über
die Kulturgeschichte des Metalles Zink und seiner Mineralien.
Mit profunder Sachkenntnis gelang es dem Mineralogen,
den Bogen zu schlagen von der Antike bis in die Jetzt-Zeit und
anhand von Dias und Folienprojektionen sowohl die
Entdeckungsgeschichte des Metalles Zink wie auch dessen
vielfältige Anwendungsbereiche anschaulich darzulegen.
Am 12. 11. 1994 stellten wir auf Einladung des Hauseter
Verkehrsvereins in der dortigen Mehrzweckhalle den Videofilm
"Die Göhl von der Quelle bis zur Mündung" vor. Auch hier
stieß der Film auf ein großes Interesse.
Exkursionen und Wanderungen
Unter der Leitung von W. Meven fand am 12. 3. 1994 eine
Museumsbesichtigung der Burg Frankenburg (Aachen) statt,
wo vor allem die Aachener Stadtgeschichte von ihren Anfängen
bis heute dokumentiert wird.
Am 29. 5 1994 war die Stadt Luxemburg Ziel einer
kulturellen Tagesfahrt unter der Leitung der Herren F. Steinbeck
und W. Palm.
107
Eine für den 12. Juni geplante Wanderung um Limburg
mußte leider ausfallen.
Aufdie Einladung zu einer Fahrt nach Höhr-Grenzhausen
im Kannebäckerland, am 19. 6. 1994, unter der Leitung von W.
Meven, kam ein sehr positives Echo unserer Mitglieder. Der
Westerwald-Ort Höhr-Grenzhausen mit seinen etwa 10.000
Einwohnern, wo heute noch 350 Personen in der
Keramikproduktion beschäftigt sind, hat eine lange Tradition als
Kannebäcker-Ortund Einflüsse aus Siegburg, Frechen und Raeren
aufgenommen. (Noch heute findet sich dort der Name Mennicken).
Die Gruppe konnte eine Tongrube und das Keramikmuseum
besichtigen und einen Einblick in die breitgefächerte
Produktionspalette moderner Keramik gewinnen. Vom
Gebrauchsgeschirr früherer Jahrhunderte ist man zur Fertigung
technisch hochwertiger Produkte wie Hüftgelenke,
Zahnimplantate, Katalysatoren etc. übergegangen.
Ein alljährlicher Höhepunkt in unserem
Veranstaltungskalender ist die Mehrtagesfahrt, die uns 1994 vom
18. bis 23, Juli unter der Leitung von Herb. Lennertz in die
Bretagne führte, wo die Teilnehmer in Dinard, der Zwillingsstadt
von St Malo, untergebracht waren, um von dort aus einige
Sehenswürdigkeiten und Besonderheiten dieses nordfranzösischen
Landstrichs zu erkunden. Neben der alten Korsaren-Stadt St Malo
blieben als besondere Besichtigungsschwerpunkte in der
Erinnerung die Austernzucht von Cancale, die Blumenstadt Van-
nes, die Menhir-Felder von Carnac, das Naturreservat von Cap
Fre£hel mit seinen Steilküsten, die "Calvaires" von St Th&gonnec
und Guimiliau, der gewaltige Komplex des Mont Saint Michel
und das mittelalterliche Dinan. Eine Führung in Chartres (auf der
Hinfahrt) und eine Pause im Schatten der Kathedrale von Rouen
(auf der Rückfahrt) rundeten das Programm harmonisch ab.
Am23. 10 1994 führte die letzte Ausfahrt des Jahres in die
Gemeinde Voeren, die sich aus sechs Orten (Teuven, Remersdael,
"s-Gravenvoeren, St Martens-Voeren, St Pieters-Voeren und
Moelingen/Moulan zusammensetzt und seit ihrer Eingliederung
in die Provinz Limburg (1963) durch heftige sprachpolitische
Auseinandersetzungen viel von sich reden gemacht hat.
108
Dr. Jaak Nijssen aus St Martens-Voeren war der Gruppe an
diesem Tage ein sachkundiger Begleiter; er zeigte die
Besonderheiten der Geologie und Architektur (Feuerstein) und
wußte über die Landwirtschaft genau so kenntnisreich zu erzählen
wie über Dialektunterschiede zwischen Teuven und Moelingen.
Die Voeren laden zum Wiederkommen ein, doch sollte man sich
mit einer guten Straßenkarte versehen...
Ausstellungen
Auch in diesem Jahre 1994 konnte das Museum in der
Maxstraße durch einige Ausstellungen belebt werden.
"Zeugen des ehemaligen Bergbaus im Göhltal” zeigte -
Herr F. Pauquet vom 3. bis 18. September. Dabei konnte er auf
sein reichhaltiges Privatarchiv mit seltenen Karten und Skizzen
zurückgreifen und die Bedeutung des "Altenbergs" für Kelmis
und Umgebung unterstreichen.
"Hedendaagse Tekeningen" ‚ eine Ausstellung der
Flämischen Gemeinschaft, zeigte vom 24. September bis 23.
Oktober 1994 41 Werke von 15 zeitgenössischen flämischen
Künstlern, eine Wanderausstellung, die einen Überblick über die
Entwicklung der Zeichenkunst bietet.
Ganz anders geartet waren die Exponate von Frau Therese
Stuurman (Hoensbroek), die Ölgemälde, Aquarelle und kleine
Bronzeplastiken vorstellte, wobei besonders die Aquarelle und
die Arbeiten in Bronze eine sehr wandelbare und vielseitig begabte
Künstlerin zeigten.