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Landschaft im Grenzraum Nordostbelgiens
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ZEITSCHRIFT DER VEREINIGUNG FÜR
KULTUR, HEIMATKUNDE UND GESCHICHTE
IM GÖHLTAL
Nr 54 — Februar 1994
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Im Göhltal
ZEITSCHRIFT DER VEREINIGUNG
FÜR
KULTUR, HEIMATKUNDE UND GESCHICHTE
IM GÖHLTAL
Nr 54
Februar 1994
Veröffentlicht mit der Unterstützung des Kulturamtes der
deutschsprachigen Gemeinschaft
Vorsitzender: Herbert Lennertz, Stadionstraße 3, 4721 Neu-Moresnet.
Sekretariat: Maxstraße 9, 4721 Neu-Moresnet, Tel. 087/65.75.04.
Lektor: Alfred Bertha, Bahnhofstraße 33, 4728 Hergenrath.
8 Kassierer: Fritz Steinbeck, Hasardstraße 13, 4721 Neu-Moresnet.
Postscheckkonto N" 000-0191053-60.
Generale de Banque: 248-0251251-51
Konto NL: AMRO-BANK: 46.37.00.090 Vaals/L
Konto BRD: Aachener Bank: 88 266 (BLZ 390 601 80)
Die Beiträge verpflichten nur die Verfasser.
Alle Rechte vorbehalten
Entwurf des Titelblattes: Alfred Jansen, Moresnet-Kapelle,
Druck.: Hubert Aldenhoff, Gemmenich.
3
Inhaltsverzeichnis
Alfred Jansen, Zum Umschlagbild 5
Moresnet-Kapelle
Alfred Bertha, Als Kelmis Neu-Moresnet 8
Hergenrath angliedern wollte
Willy Timmermann, Bau der Eisenbahn Aachen- 35
Eupen Herbesthal (Nachtrag)
H. von Schwartzenberg, Haus Raeren - 47
Aachen Haus Schwartzenberg
Jakob Langohr, Der Tubbak brennt 65
Bildchen
Walter Meven, 100 Jahre Freiwillige Feuerwehr 67
Hergenrath Kelmis Neu-Moresnet
M.Th. Weinert, Ein Goldfisch 90
Aachen-Forst
Jos. Bernrath, Die Kalkwerke Hergenrath 91
Hergenrath
Alfred Jansen, E Kelemes wät ene Küsch 107
Moresnet-Kapelle geschlacht
Freddy Nijns, Jahresrückblick 1993 109
Walhorn
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Zum Umschlagbild
Das Vlattenhaus in Eynatten ®
von Alfred Jansen
Die Umschlagseite unserer Zeitschrift ziert diesmal eine
Federzeichnung des sog. Vlattenhauses in Eynatten.
Die quadratisch angelegte "Burg", deren Ecken noch von vier
runden, einige Meter aus dem schlammigen Wassergraben heraus-
ragenden Turmstümpfen flankiert werden, läßt erkennen, daß wir hier
den Resten eines Bauwerks gegenüberstehen, das im Mittelalter zu den
größeren dieser Art im Limburgischen zu zählen war und seinen
Bewohnern durch sein Verteidigungskonzept Schutz und Sicherheit bot.
Dabei ist das Vlattenhaus zeitlich gesehen schon die zweite
Burganlage in Eynatten. Ch. Quix schreibt dazu in seinen 1837
erschienenen "Beiträgen zu einer historisch-topographischen
Beschreibung des Kreises Eupen", das Schloß oder alte Haus Eynatten
sei lange über Menschengedenken eine Ruine gewesen, welche aber so
verschwunden sei, daß man kaum noch die Stelle anzeigen könne, wo
dieselbe gestanden habe. "Es war", so der Historiker Quix, "dem jetzigen
Vlattenhause gegenüber, jenseits des nunmehrigen Fahrweges, welches
Haus vermutlich in den Urzeiten desselben der Hof des Schlosses
gewesen ist." 7
Die Herren von Eynatten erscheinen erstmals urkundlich i.J. 1213.
1364 wird ihre Burg als "antiquum castrum”, alte Burg, bezeichnet.
Dieselbe soll, laut Quix, nach der Heirat des Erbherrn von Eynatten mit
der Erbin des Schlosses Neuburg (bei Gulpen) und der Herrschaft Gulpen
verlassen worden und allmählich verfallen sein.
Nach Teilung des Besitzes derer von Eynatten kommt es im 14.
Jh. zum Bau eines neuen wehrhaften Hauses, das durch Heirat an Johann
Thoreel aus Berneau kommt, dessen Tochter Anna 1475 den Heinrich
von Vlatten, Erbschenk des Herzogtums Jülich, heiratet. Diesem
Umstand verdankt das Haus die Bezeichnung "Schenkenhaus" und
"Vlattenhaus", wovon die letztere ihm bis heute geblieben ist.
Aus dem ursprünglichen Allodialgut der Herren von Eynatten
entstand auch das etwa 200 m entfernt gelegene Amstenrather Haus,
das im Gegensatz zum "Großen Haus", dem Vlattenhaus, oft "kleines
Haus" genannt wird.
S. 301-306.
7
Bis gegen Ende des 17. Jh. bleibt das "große Haus Eynatten" im
Besitz derer von Vlatten, kommt 1703 an die Familie Hannotte. Maria
Katharina Hannotte bestimmte 1723 durch Testament den Vetter ihres
verstorbenen Mannes, Johann Werner Hannotte, der dem Jesuitenorden
angehörte, zum Erben. So kam das Vlattenhaus an das Aachener
Jesuitenkolleg.
Die Jesuiten ließen das alte und baufällig gewordene Haus bis auf
die Grundmauern abreißen und erbauten an seiner Stelle ein Landhaus
im Stil des 18. Jh. Ein Keilstein des Rundbogenportals am nördlichen
Vorbau zeigte die Jahreszahl 1761, während im Innern, in der Küche,
ein Türsturz mit den Wappen der Eheleute Heinrich von Vlatten und
Elisabeth von Weyenhorst und der Jahreszahl 1534 erhalten geblieben
war.
Nach Aufhebung des Jesuitenordens i.J. 1773 kam das Vlattenhaus
unter die Domänenverwaltung von Brabant, die es im folgenden Jahre
versteigern ließ.
Neuer Besitzer wurde Arnold Römer-Lambertz aus Eupen, dessen
Tochter Anna-Katharina es ihrer Nichte Sybille Thyssen, Ehefrau des
Wilhelm Birven aus Astenet, überläßt. Deren Sohn Nikolaus erbt das
Vlattenhaus i.J. 1837. 1871 kommt das Haus an die Nichte des
vorgenannten Birven, Frederika Baur, die den Aachener "Rentner" Hugo
Talbot geheiratet hatte. Von 1904-1909 ist Vlattenhaus im Besitz von
Peter Reuther aus Aachen, der dasselbe 1909 an den Justizrat Karl
Beaucamp, Aachen, verkauft.
Nach dem Ersten Weltkrieg wurde das Vlattenhaus unter Sequester
gestellt und diente gar zeitweilig als Kaserne.
Am 12. September 1944, am Tag des Einmarschs der Amerikaner
in unser Gebiet, fiel unglücklicherweise eine Bombe auf das Vlattenhaus
und beschädigte es ganz erheblich. Da keinerlei Reparaturarbeiten
vorgenommen wurden, verfiel das Haus in den folgenden Jahrzehnten
sehr schnell. Anfang der siebziger Jahre brachte die staatliche
Liegenschaftsverwaltung es zum Verkauf. Das Haus und der dazu
gehörende Hof gingen in den Besitz von Familie Suttor-Franssen von
Cortenbach über.
Das von den Jesuiten erbaute Haus war ein Bruchsteinbau mit 3:2
Achsen, mit einem Obergeschoß und Krüppelwalmdach.
Die Fenster mit Blausteingewänden haben Rundbogensturz mit
Keilstein, im Stil Louis XV.
Eine steinerne zweibogige Brücke, wohl an Stelle einer früheren
Zugbrücke erbaut, gab Zugang von Osten.
8
Als Kelmis Neu-Moresnet
angliedern wollte
von Alfred Bertha
Die am 1. Januar 1977 in Kraft getretene Gemeindereform,
die im deutschsprachigen Gebiet Ostbelgiens die Zahl der
Gemeinden von 25 auf 9 (5 im Kanton St. Vith, 4 im Kanton
Eupen) reduzierte, war eine von langer Hand vorbereitete Aktion,
von der die betroffenen Gemeinden schon 4-5 Jahre ‚vorher in
Kenntnis gesetzt wurden. Ziel derselben war eine Straffung der
Verwaltungsarbeit vor allem auf der Ebene der Bezirks- und ®
Provinzialverwaltungen sowie im Innenministerum, was man
durch Auflösung der Gemeinden mit weniger als 2.500 Seelen
und der Bildung größerer Einheiten zu erreichen trachtete, (1)
So kam es im Kanton Eupen zur Zusammenlegung von
Kettenis mit Eupen, von Walhorn mit Lontzen-Herbesthal, von
Hauset und Eynatten mit Raeren sowie von Hergenrath und Neu-
Moresnet mit der Nachbargemeinde Kelmis.
Um den Anschein demokratischen Vorgehens zu wahren,
wurden die Gemeinderäte durch Verordnung des Provinz-
gouverneurs vom 18.10.1972 aufgefordert, bis zum 29.12.1972
zur geplanten Reform Stellung zu beziehen.
Im Göhltal, wie auch in vielen anderen "Altgemeinden",
führten die Pläne des Innenministeriums zu langanhaltenden und
manchmal heftigen Reaktionen. Der Neu-Moresneter Gemeinderat
wollte vor jeder offiziellen Stellungnahme zum Projekt einer
Zusammenlegung von Neu-Moresnet und Kelmis die Meinung
der Bevölkerung einholen und ließ dieserhalb Fragebögen bzw.
Stimmzettel verteilen. Beim Auszählen derselben war die
Überraschung jedoch groß: 227 Personen hatten für die Fusion
mit Kelmis gestimmt, genau so viele dagegen! 9 Stimmen waren
ungültig.
Da der Gemeinderat feststellen mußte, dem ministeriellen
Plan "keinen logischen Alternativvorschlag entgegenstellen zu
können", beschloß er am 27. Dezember 1972 mehrheitlich, "den
amtlichen ministeriellen Vorschlag einer Gemeindefusion Kelmis/
Neu-Moresnet unter den gegebenen Umständen im Interesse der
Bevölkerung und der Gemeinde anzunehmen".
9
Mit dem 1. Januar 1977, nach den Kommunalwahlen vom
10. Okt. 1976, wurde für Neu-Moresnet ein Schlußstrich unter
eine mehr als 160-jährige eigenständige Gemeindeentwicklung
gezogen. Doch war Neu-Moresnet einer der selteneren Fälle, wo
. die Zusammenlegung mit einer Nachbargemeinde geographisch,
wirtschaftlich und geschichtlich sinnvoll war. Eigentlich war es
ein Zurück inden Schoß jener Gemeinde, von dereine willkürliche
Grenzziehung das Gebiet 1816 nach Jahrhunderten gemeinsamer
Entwicklung getrennt hatte.
Wie die Besiedlungsgeschichte von Kelmis ausweist (2),
entwickelte sich der Ort am Zusammenfluß von Göhl- und
Hornbach, in der Nähe der Rochuskapelle, d.h. daß der
Schwerpunkt der frühen Besiedlung auf dem Gebiet der späteren
Gemeinde Neu-Moresnet lag. So umfaßte die Herrschaft Kelmis,
die der spanische König Philipp IV. sich wegen des dortigen
Galmeivorkommens beim Verkauf der herzoglichen Rechte im
Limburgischen ausdrücklich vorbehalten hatte, das gesamte Gebiet
der heutigen Orte Kelmis und Neu-Moresnet. Die französische
Verwaltungsreform brachte mit der Schaffung der "Mairie de
Moresnet et Kelmis" eine Ausdehnung des Gemeindegebiets: die
frühere kgl. Herrschaft Kelmis und das Dorf Moresnet bildeten
nun eine einzige Gemeinde.
Der 1816 zwischen Preußen und den Niederlanden
geschlossene Grenzvertrag führte zu einer Dreiteilung dieser
"Mairie" bzw. "Municipalit& de Moresnet": der westliche Teil
wurde niederländisch (später belgisch), der Mittelteil mit dem
wertvollen Galmeilager ging in die Geschichte unter dem Namen
"Neutral-Moresnet" ein, während der zwischen Tüljebach und
Lütticher Straße gelegene und bis zum Dreiländereck reichende
Teil Preußen zufiel und fortan als "Preußisch-Moresnet” eine
selbständige Gemeinde bildete, Nach dem Anschluß an Belgien,
i.J. 1920, wurde "Preußisch-Moresnet" durch Verordnung des
Kgl. Kommissars Baltia vom 18.3.1920 in Neu-Moresnet
umbenannt.
Zwischen Neutral-Moresnet jenseits der Lütticher Landstraße
und Preußisch-Moresnet diesseits derselben gab es naturgemäß
auch nach der Grenzziehung von 1816 viele Gemeinsamkeiten:
beide Gemeinden wurden vom selben Bürgermeister verwaltet,
dessen Amtsräume in einem der Gesellschaft der "Vieille-Mon-
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Eine Vorkriegsansicht von Neu-Moresnet.
Im Hintergrund, die Schlackenhalde von Kelmis
(Foto Baltus)
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Die "Pavei'"', erst Grenzstraße zwischen Neutral- und Preußisch-
Moresnet, dann zwischen den Gemeinden La Calamine (Kelmis) und
Neu-Moresnet
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tagne gehörenden Bau auf preußischem Boden lagen, ein
gemeinsames Wasserwerk versorgte beide Gemeinden mit
Trinkwasser, eine gemeinsame Feuerwehr wurde 1897 gegründet,
die vielen Vereine rekrutierten ihre Mitglieder sowohl in Preußisch-
wie in Neutral-Moresnet und Kirmes wurde seit jeher gemeinsam
auf der Grenzstraße, der "Pavei", gefeiert.
Aber bei allen Gemeinsamkeiten darf doch nicht übersehen
werden, daß Preußisch-Moresnet seit 1825 der Pfarre Hergenrath
angegliedert war und auch bis 1906 zum Schulverband dieser
Nachbargemeinde gehörte. Auch galten in Preußisch-Moresnet
die Reichsgesetze, während im neutralen Gebiet die napoleonische
Gesetzgebung in Kraft geblieben war.
Vor 70 Jahren scheiterte der erste Versuch
Das Ergebnis der Volksbefragung von 1972 zeigt, daß die
Neu-Moresneter keineswegs mit wehenden Fahnen zu Kelmis
übergewechselt sind; es gab aber auch keine heftige Gegenwehr.
Man war sich wohl im klaren, daß "höheren Orts" die Karten
schon gemischt waren und der Innenminister nur in ganz seltenen
Fällen auf die Wünsche der Gemeinden einzugehen bereit war.
Anders hatten die Neu-Moresneter ein halbes Jahrhundert
früher auf ein ähnliches, doch von Kelmis ausgehendes Vorhaben
reagiert. Einige Presseberichte aus den Jahren 1923-24 erlauben
uns, die damaligen unterschiedlichen Positionen der Kelmiser
und Neu-Moresneter Bevölkerung bzw. deren Gemeinde-
vertretungen zu einer Zusammenlegung der beiden Gemeinden
nachzuzeichnen.
Im Nachlaß von Bürgermeister Pierre Grignard, der der
Gemeinde Kelmis von November 1918 bis zu den ersten
Gemeinderatswahlen vom 7. Jan. 1923 vorstand (- er war seit
1900 Gemeinderatsmitglied und beigeordneter Bürgermeister
gewesen -), fand sich auch ein Schulheft mit den Texten von
Reden und Ansprachen, die der Bürgermeister bei der einen oder
anderen Gelegenheit (Nationalfeiertag, Fahnenweihe, goldene
Hochzeit, Bischofsbesuch, Schützenfeste etc.) gehalten hat.
Darunter ist auch eine Erklärung, in der Grignard sich an seine
"liebe(n) Kelmisser" (sic) wendet und auf die Frage des
Zusammenschlusses von Kelmis und Preußisch-Moresnet eingeht.
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Die Kirmesfeierlichkeiten waren seit jeher eine der zahlreichen
Gemeinsamkeiten zwischen Kelmis und Neu-Moresnet.
(Hier die Kirmesankündigung der Hotels Bergerhoff und Dahlen
in "Die Freie Presse" v. 1.9.1923)
43
Wie aus der Fragestellung "Wer sagt uns, daß Eupen
überhaupt belgisch wird"?, aus der Bezeichnung "Preußisch-
Moresnet" und anderen Hinweisen hervorgeht, wurde diese
Stellungnahme des Bürgermeisters zwischen Januar und März
1920 abgegeben: Preußisch-Moresnet wurde am 18.3.1920 in
Neu-Moresnet umbenannt, die "Volksabstimmung" in Eupen-
Malmedy begann Ende Februar und endete am 23. Juli 1920, der
Bürgermeister spricht vom "August des verflossenen Jahres” etc.
Überraschend ist, daß Grignard weiterhin von "Neutral-Moresnet”
spricht, obschon dieses durch das Eingliederungsgesetz vom 15.
Sept. 1919 zur Gemeinde "La Calamine" geworden war.
Es scheint sich um die Worte eines sehr verärgerten
Bürgermeisters zu handeln; es liegt nahe, daß Grignard bei einer
Gemeinderatssitzung seiner Verärgerung über das Verhalten
gewisser Gemeinderatsmitglieder Ausdruck verliehen hat. Doch
vielleicht sollte man nicht zuviel in die Worte hineininterpretieren
und den Bürgermeister zu Wort kommen lassen!
-"Meine liebe Kelmisser.
Ich begrüße Sie mit diesen Worten, weil mir das Wohl der
Gemeinde am Herzen liegt.
Es ist mir zur Kenntnis gebracht worden, daß am Freitag
Abend in der Patronage ein Comite gebildet worden ist, welches
zum Zweck hat, die Angliederung von Preußisch-Moresnet an
Neutral-Moresnet oder umgekehrt von Neutral-Moresnet an
Preußisch-Moresnet anzustreben. Hierauf erkläre ich folgendes:
Im Monat August schon des verflossenen Jahres ist bei der
belgischen Regierung die Angliederung von Preußisch-Moresnet
an Neutral-Moresnet offiziell angestrebt worden, wovon die
Gemeinderatsmitglieder noch am Tage vor der erwähnten Comite-
Bildung von mir Mitteilung erhalten haben. Ferner ist diese Frage
in der letzten Zeit, bei Gelegenheit des Besuches des Königl.
Kommissars, Herr Senator Halot, in Erinnerung gebracht worden.
Die Richtigkeit der Gründe dieser Angliederung von Pr.
Mor. an Neutral-Moresnet wurde anerkannt, die Lösung dieser
Frage jedoch, vor der definitiven Annexion des Kreises Eupen an
Belgien, als verfrüht, mit anderen Worten, als zu eilig betrachtet.
Wer sagt uns, daß der Kreis Eupen belgisch wird? Ich erkläre
weiter, daß verschiedene Gemeinderatsmitglieder
1.- in den letzten Tagen in einer Bittschrift an den Herrn Minister,
14
2.- in dem Antrag zu einer Gemeinderatssitzung selbst,
3.- in den Anschlägen, die ihrerseits ausgehängt und verteilt
wurden, tatsächlich die Angliederung von Neutral-Moresnet an
den Kreis Eupen angestrebt haben. Beweise liegen vor.
Ich frage mir (sic!) nun, ob dieses alles als Irrthum betrachtet
werden kann.
Jetzt mache ich Schluß und empfehle mich den lieben
Kelmissern mit der größten Anhänglichkeit zu ihnen.”
Soweit die Worte des Bürgermeisters. Von irgendwelchen
offiziellen Demarchen bei der belgischen Regierung "im Monat
August des verflossenen Jahres" ist bisher nichts bekannt. Wie aus
einer weiter unten wiedergegebenen Bittschrift an König Albert ,
hervorgeht, gabeseine erste Initiative dieser Art via das Königshaus
am 11. Januar 1920.
Im Kelmiser Gemeinderat kam die Thematik eines
Anschlusses von Neu-Moresnet zum ersten Male am 7. Juni 1923
zur Sprache. Unter dem Vorsitz von Bürgermeister Jean Brandt
beschäftigten sich die 9 anwesenden Ratsmitglieder zunächst mit
Haushaltsfragen, sodann, auf Antrag des Bürgermeisters, mit dem
angeblich in den Kreisen Eupen und Malmedy bestehenden
Vorhaben, Kelmis dem Kreis Eupen anzuschließen und einen
Kommissariatsbezirk Eupen-Malmedy zu bilden, wogegen der
Vorsitzende Protest einlegen wollte. Die Versammlung konnte
jedoch nicht zu einem einheitlichen Standpunkt in dieser Frage
kommen.
Ein weiterer Diskussionspunkt war die Frage nach der Zukunft
der Nachbargemeinde Neu-Moresnet, wodie Gemeindeverwaltung
Anfang Juni von den Einwohnern ein Protestschreiben gegen
einen eventuellen Anschluß an Kelmis hatte unterzeichnen lassen.
Damit war die Haltung Neu-Moresnets, ein unzweideutiges
"Nein" zur Aufgabe der Selbständigkeit, allen klar. In Kelmis
dagegen war die Bevölkerung offensichtlich für eine
Verschmelzung beider Gemeinden; die Regierung sollte alsdann
entscheiden, zu welchem Kanton diese erweiterte Gemeinde
gehören würde.
Der Gemeinderat von Kelmis war sich der großen Bedeutung
dieser Fragen für die Zukunft des Ortes bewußt und wollte vor
einer diesbezüglichen Beschlußfassung die Meinung der
Bevölkerung hören und zu dem Zweck eine öffentliche Bürger-
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Pierre Grignard,
seit 1900 Gemeinderatsmitglied des neutralen Gebietes und
beigeordneter Bürgermeister, wurde nach dem Anschluß an Belgien
erster belgischer Bürgermeister (1918-1923) der Gemeinde La Calamine
(Kelmis). Erste Gemeinderatswahlen fanden erst am 7, Jan. 1923 statt.
Bis dahin blieb der alte Gemeinderat in Funktion,
16
versammlung in der Patronage abhalten, zu der, wie die Zeitung
schreibt, "die gesamte Einwohnerschaft von Kelmis, Männlein
und Weiblein, eingeladen sind, nur die Kinder sind aus-
geschlossen". Die Versammlung wurde auf den 17. Juni, nach-
mittags 17 Uhr, festgesetzt und der Rat beschloß, die Bürger durch
Plakatanschlag dazu einzuladen.
Der "Cercle Catholique" ergreift die Initiative
Beiden ersten Nachkriegsgemeinderatswahlen, am 7. Januar
1923, (- in Kelmis waren es die ersten Wahlen überhaupt, da in der
neutralen Zeit die Gemeinderatsmitglieder auf Vorschlag des
Bürgermeisters durch die kgl. Kommissare bestimmt worden W
waren-) konkurrierten in Kelmis drei katholische Listen: die
Gemeindeinteressen, der katholische Arbeiterverein und der "Cer-
cle Catholique" mit den Sozialisten und den Liberalen. Der
"Cercle" errang 24% der Stimmen.
Die "Freie Presse" vom 17. Januar 1923 gibt unter Vorbehalt
folgende Liste der gewählten Gemeinderatsmitglieder:
1.Dorr Joseph, Präsident der Combattants und Eisenbahnbeamter.
2. Schillings Heinrich, Bankbeamter.,
3. v. Hauten Alois, Bauunternehmer und Präsident des "Cercle
Catholique".
4. Reul Johann, Gewerkschaftssekretär. 2. Präsident des
katholischen Arbeitervereins.
5. Mockel August, Mechaniker.
6. Pauly Egidius, Stukkateur und Pliestermeister.
7. Hammel Anton, Tagelöhner.
8. Hamboeken Hubert, Bäckermeister.
9. Brandt Jean, Bürobeamter.
10. Rader Emil, Mechaniker.
11. Moyano Viktor, Restaurateur.
Erwähnt sei auch noch, daß diese Gemeinderatswahlen in
Kelmis nicht zeitgleich mit denen in Eupen-Malmedy stattfanden,
wo schon am 21. Mai 1922 gewählt wurde.
In der Frage der Angliederung Neu-Moresnets an Kelmis
zeigte sich vor allem der "Cercle Catholique" sehr rührig. Die
Zwischenzeit bis zur anberaumten Volksversammlung nutzte
derselbe, eine Unterschriftenliste und Petition an S.M. König
Albert zirkulieren zu lassen, wodurch sich 90% der stimm-
M
| CATAOLIQUE, LA CALAMINE
GERCLE N
ni 99
Gemeindewahlen vom 7, Januar 1923
ij "Widtig für alle Wählerinnen und Wähler!
Befuchet alle zahlrzich die
am Samstag 6. Januar, abend8 S Mohr,
Im £okale des Hirn. Jos. MEESSEN, PalronagefIraße
flatifindende 'äußerft wichtige und lehle aufklärende
*) 3 7] ]
3. Yolks-Wahlverfanmlung
des „CERCLE CATHOSIQUE“.
MM Tagesordnung:
1. Aufklärung der Wahl,
2. Wie find die Zuflände unferer Gemeinde von heute ?
3. Wie follen die Zufiände unferer Gemzindz nach der Wahl
werden ?
4. Wie Ifl der Aufdau unferer ausgebeulelen und vernad)«
läfflgten Gemeinde möglich ?
Achtung ! Kelmifer ! Achtung !
Drum alle Wählerinnen und Wähler | ouf zur lehten Wahl-
fchlacht, zu der oben angegebenen Verfammlung.
N i .
Wählt alle am Kopfe der Silke. Dir. 3
die allein unabhängige, felbftftändige,
alle Stände gemeinfam in fi ver:
einende Vijte des Ceorcle catıvliqae,
8 Lifte Nr. 3
van Haufen Aloys, Präfident des Ceorcle calholique,
ausirelender Schöffe, Thimftraße 18
Dorr Joseph, Präf. d. Combaltants u. Elfenb., Rirch[iraße 35
Schillings Heinrich, Bankbeamter Driefcherweg 9
Klinkenberg Jean, Sekrelär des Cercle calbhollqu?,
Complabler Klrchfiraße 25
Abhn Hubert, Landwirt Moresnelerfir, 45
Beaufays Sybille, Haus» u. Gefchäftsfrau Alberifiraße 7
Pauly Aloys, Reflaur, u. Gefchäftsm., Neu-Mortesnelerfir. 17
Collyn Thomas, Präf. d. chriftl. Sund, d. Eifenb., Privatfir. 12
Dressen Joseph, Bau= und Möbelfchreiner, Schühenftr. 12
Pauly Joseph, Bäcker und Kondilor Kapellfireje 18
Snoeck Eduard, Bäcker und Gefchäftsmann Kirchfirafie 12
In diefer Verfanmlung wird eingehend erklärt wie der
Wahizettel auszuffillen Ift, damit der Wahlzeltel güllig IM und
“Reine Stimmen durch Ungültigkeit verloren gehen,
18
berechtigten Einwohner zustimmend zur Verschmelzung der
beiden Gemeinden und gegen den Anschluß an den Kreis Eupen
ausdrückten.
Die Volksversammlung vom 17, Juni 1923
Da die durch den "Cercle Catholique" durchgeführte
Unterschriftensammlung ein so eindeutiges Ergebnis erbracht
hatte, erübrigte sich eine erneute Befragung der erschienenen
Bürger, denen von Seiten der Gemeinderatsmitglieder Jean Reul
(Arbeiterverein) und Aloys Van Hauten (Cercle) die Vorteile
einer Zusammenlegung von Neu-Moresnet und Kelmis erläutert
wurden, wobei Van Hauten den Vorschlag machte, Kelmis solle
mit den umliegenden deutschsprachigen (d.h. den altbelgischen)
Gemeinden einen eigenen Kanton bilden. Zu der Frage des
Gerüchtes über eine Angliederung von Kelmis an den Kreis
Eupen konnte Bürgermeister Brandt die Versammlung beruhigen:
verschiedene Abgeordnete und Senatoren, aber auch der
Innenminister hatten ihm schriftlich mitgeteilt, daß die Proteste
überflüssig seien und die Regierung diesbezüglich ihre Beschlüsse
bereits gefaßt habe. (Kelmis wurde Aubel zugeteilt.)
Die Versammlung nutzten manche Anwesende auch dazu,
auf Mißstände bei den Behörden hinzuweisen und den Gemeinderat
zu bitten, baldmöglichst dafür zu sorgen, daß in allen öffentlichen
Ämtern Beamte eingestellt würden, "welche die französische und
die deutsche Sprache beherrschen, damit die deutschredenden
Einwohner sich mit den Herren in allen wichtigen Fragen
verständigen können, was vom Herrn Bürgermeister und den
anwesenden Gemeinderatsmitgliedern bereitwilligst angenommen
wurde.” ;
Die Bittschrift an S.M. König Albert I.
Sie trägt das Datum des 7. Juni 1923 (- wir erinnern uns, daß
an diesem Tage der Gemeinderat die Einberufung einer
Volksversammlung beschlossen hatte -) und hat folgenden
Wortlaut:
"An Seine Majestät König Albert I., Brüssel.
Am 11. Januar 1920 wandten sich die Anwesenden der
Volksversammlung an Ihre Majestät zwecks Zusammenschluß
19
der Gemeinden La Calamine und Neu-Moresnet zu einer einzigen
Gemeinde.
Ew. Majestät hat uns damals mit der freudigen Nachricht
beglückt, uns in unseren Wünschen bereitwilligst Satisfaktion zu
geben.
Unsere Gemeinde La Calamine, 4.500 Einwohner groß, ist
vonder Gemeinde Neu-Moresnet, 600 Einwohner groß, nur durch
die Landstraße getrennt. Unser Gemeindehaus von La Calamine
befindet sich seit Bestehen der Gemeinde in Neu-Moresnet.
Die katholische Kirche in La Calamine wird von den
Einwohnern in Neu-Moresnet, die kaum drei Minuten von ihr
entfernt wohnen, benutzt, denn in Neu-Moresnet befindet sich
keine Kirche. Die Wasserleitung innerhalb der beiden Gemeinden
ist gemeinsam. Die Freiwillige Feuerwehr von La Calamine und
Neu-Moresnet besteht seit 26 Jahren und hat während dieser Zeit
stets zum Wohle der beiden Gemeinden gearbeitet.
Die Gemeinden bildeten vor hundert Jahren nur eine
Gemeinde und sind seit hundert Jahren durch einen Bürgermeister
verwaltet und regiert worden, obschon während dieser Zeit Neu-
Moresnet einem anderen Staat angehörte. Unbekümmert um die
Nationalität haben wir stets wie Brüder zusammengelebt, nur seit
dem Waffenstillstande hat man die stets so innig verknüpften
Gemeinden auseinandergerissen und jede Gemeinde durch einen
besonderen Bürgermeister regieren lassen, obschon doch im
Moment, daß Neu-Moresnet auch belgisch geworden war, die
beiden Gemeinden, die während der verflossenen Zeit durch eine
Verwaltung, d.h. durch einen Bürgermeister und einen
vollständigen Zusammenschluß zu einer belgischen Gemeinde
hätten verschmolzen werden können und müssen.
Die Familienbande zwischen den Einwohnern der beiden
Gemeinden, der tägliche wirtschaftliche, freundschaftliche Verkehr
mit unserer Nachbargemeinde, hat so viel Gemeinsames zwischen
den Einwohnern der beiden Gemeinden geschaffen, daß wir
unseren Brüdern in Neu-Moresnet den Vorschlag zu machen
wagen, mit uns freiwillig zu einer einzigen Gemeinde
zusammenzutreten. Wir sind eine Familie und wenn wir uns durch
keine unhaltbaren Momente beeinflussen lassen und es nicht
gestatten, daß durch irgendwelche Interessenpolitik Zwietracht in
dem Schoße dieser Familie entstehe, so sind wir berufen, in dieser
21
Aus dem königlichen Palais zu Brüssel ging schon wenige
Tage später folgendes vom 20. Juni 1923 datiertes und an Herrn
Van Hauten gerichtetes Antwortschreiben ein:
"Monsieur le PrEsident,
Le Roi a regu les deux lettres dat&es du 7 et du 12 de ce mois
que vous Lui avez adress&es pour Lui traduire votre d&sir et celui
de nombreux habitants de La Calamine, dont les signatures
accompagnent votre communication, de voir la commune de La
Calamine et celle de Nouveau-Moresnet r&unies en une seule.
Le Roi m'a charge d'avoir l'honneur de vous accuser r&cep-
tion de ces communications, de vous assurer, ainsi que tous ceuxX
dont vous vous faites l'interprete de Son bienveillant int&r&t et de
vous dire que vos lettres ont Et& transmises ä M. le Ministre des
Affaires Etrang&res et particulierement signalees A sa tres bien-
veillante attention.
Veuillez agr&er, Monsieur le President, l'expression de ma
consideration la plus distingu&e.
Le Chef du Cabinet du Roi,
(s) Cte d’Arschot
Übersetzung:
Palast zu Brüssel, den 20. Juni 1923
Kabinett des Königs
Herr Präsident!
Der König hat die beiden vom 7. und 12. d.M. datierten
Briefe erhalten, die Sie an Ihn richteten, um Ihm Ihren wie auch
den Wunsch zahlreicher Kelmiser Einwohner, deren Unterschriften
Ihren Schreiben beilagen, nach Verschmelzung der Gemeinden
Kelmis und Neu-Moresnet zu einer einzigen Gemeinde zu
übermitteln.
Der König hat mich beauftragt, Ihnen den Empfang der
beiden Schreiben zu bestätigen sowie Ihnen und all denen, deren
Sprecher Sie sind, Sein wohlwollendes Interesse zuzusichern und
Ihnen zu sagen, daß Ihre Schreiben an den Herrn Außenminister
weitergegeben und seiner besonderen Aufmerksamkeit empfohlen
wurden.
Genehmigen Sie usw.
22
Neu-Moresnet reagiert
Um gegen die von Kelmiser Seite angestrebte Eingemeindung
Neu-Moresnets zu protestieren, berief dessen Gemeinderat nun
seinerseits auf Sonntag, den 15. Juli 1923, eine Volksversammlung
ins Hotel Dahlen ein. Fast jede Familie war durch ein Mitglied
vertreten, wodurch die Neu-Moresneter zeigten, wie sehr ihnen
die Zukunft ihrer Gemeinde am Herzen lag. Auch der
Kirchenvorstand von Hergenrath nahm an der Versammlung teil,
denn eine Änderung des Status von Neu-Moresnet hätte auch die
Pfarre Hergenrath betroffen, zu der Neu-Moresnet seit 1825
gehörte.
Nach der Begrüßung durch Bürgermeister Schlingensiepen, >
der Sinn und Zweck der Versammlung erläuterte, gab Josef
Kriescher, (- er wurde in den Kriegsjahren Amtsbürgermeister
von Kelmis —) einen anderthalbstündigen Vortrag unter dem Titel
"Streifzüge durch die heimatliche Geschichte".
Besonderes Interesse fanden seine Ausführungen, als er die
von Nachbarn an der anderen Straßenseite vorgebrachten Argu-
mente für einen Zusammenschluß der beiden Gemeinden
analysierte und widerlegte. Kriescher beendete seine Ausführungen
mit dem Wunsch, daß die Gemeinde Neu-Moresnet, die auf eine
mehr als einhundertjährige Selbständigkeit zurückblicken könne,
auch weiterhin als solche bestehen bleibe und forderte alle
Gemeindeeinwohner auf, mit allen Kräften an der Verwirklichung
dieses Zieles zu arbeiten.
Bei der anschließenden Aussprache meldeten sich neben
Pfarrer Piepers (Hergenrath) auch die Schöffen Bruch und Pohlen
zu Wort. Schließlich wurde folgende Resolution der Versammlung
vorgelegt und angenommen:
"Die heute zahlreich besuchte Volksversammlung von
Bürgerinnen und Bürgern von Neu-Moresnet protestiert
einstimmig gegen den Anschluß an die Gemeinde Kelmis und ist
entschlossen, ihre Selbständigkeit zu wahren."
Diese Resolution wurde dem Hohen Kgl. Kommissar Baltia
in Malmedy zugeschickt und der Presse zur Veröffentlichung
übergeben. Ein "Hoch" des Bürgermeisters auf die fernere
Selbständigkeit seiner Gemeinde wurde von der Versammlung
begeistert aufgenommen, worauf man auseinanderging mit der
Gewißheit, ein klares Zeichen gesetzt zu haben.
24
Ministerbesuch in Kelmis
Umdie Frage des Anschlusses von Neu-Moresnet an Kelmis
wird es nun auffallend still. Erst ein Jahr später, am 16. Juli 1924,
boten die großen Feiern zur "offiziellen Rückkehr von Kelmis -La
Calamine zum belgischen Mutterlande" die passende Gelegenheit,
höchsten Regierungsstellen, nämlich dem Innenminister, den
Wunsch einer Zusammenlegung der beiden Nachbargemeinden
in Erinnerung zu rufen.
Etwa 40 Kelmiser Dorfvereine hatten keine Mühe gescheut,
ihrem Ort ein festliches Gepräge zu geben und die hohen Gäste in
einem würdigen Rahmen zu empfangen. Es erschienen
Innenminister Poullet, der Lütticher Provinzgouverneur Gre- S
goire, der Bezirkskommissar Bribosia, Senator Simonis, die
Abgeordneten Winandy, David, Hoen, Niezette und Collette
sowie eine Anzahl Provinzialräte. Bei einem Empfang im
Gemeindehaus trug Bürgermeister Brandt dem Herrn Minister
die Wünsche der Kelmiser Bevölkerung vor: Bau eines massiven
Schulhauses für 900 Schulkinder, Bau einer Kleinbahnlinie
Kelmis-Herbesthal, Einführung von Personenzügen nach
Moresnet, Kenntnis der Muttersprache für alle Beamten (Gericht,
Zoll, Steuer), Gesetz zur Erlangung der belgischen Staats-
angehörigkeit für alle in Kelmis geborenen, jedoch 1914-18 nicht
dort ansässigen Bürger, schnellste Regelung der Renten-
angelegenheiten sowie Errichtung eines eigenen Pfarr- und
Gemeindehauses in der eigenen Gemeinde.
Der Minister versprach, sich bei seinen Ressortkollegen für
die Verwirklichung dieser Wünsche einzusetzen, worauf der
Ehrenwein kredenzt wurde. Beim Verlassen des Gemeindehauses
überreichte Herr Dreessen namens der Kriegsbeschädigten und
Hinterbliebenen dem Minister ein Dankschreiben und hielt eine
kurze Ansprache, worauf sich die hohen Herrschaften durch das
Spalier der Ortsvereine zur Pfarrkirche begaben.Hier wurden sie
durch Pfarrer Scherrer begrüßt, der auf die Ehrentafel der im
Weltkriege gefallenen Kelmiser hinwies und dies als ein Symbol
des Friedens und der Einigkeit bezeichnete, was er der Bevölkerung
von Kelmis wünsche. Innenminister Poullet schloß sich diesem
Wunsche an und dankte dem Pfarrer im Namen der Regierung,
daß er als Apostel der Einheit dem belgischen Vaterlande folgsame
Kinder zuführe.
25
Beim anschließenden Festessen im Schützenlokal wurden
die üblichen Trinksprüche ausgebracht, während ein
Symphonieorchester unter der Leitung von Herrn Mathieu Pauly
das Festessen musikalisch untermalte. Zur großen Kundgebung
auf der Festwiese neben der Patronage hatten die Gäste und
Honoratioren auf einer Ehrentribüne Platz genommen, von wo
aus sie dem Vorbeimarsch von ca. 900 Schulkindern, der
patriotischen sowie der Sport-, Schützen- und Gesangvereine
beiwohnten. Kulturelle und sportliche Darbietungen machten
einen guten Eindruck auf den Minister, der sich anschließend bei
der Besichtigung der Notpavillons von der Notwendigkeit eines
Schulneubaus überzeugen konnte.
Nach einem privaten Besuch beim Direktor des Bergwerks
(Ch. Timmerhans) verließ die Gesellschaft Kelmis gegen 18 Uhr,
um in Herbesthal den Zug nach Verviers, Lüttich oder Brüssel zu
nehmen. Bürgermeister, Gemeinderat und Presseleute begleiteten
die Herrschaften bis zur Station.
Wenn wir ziemlich ausführlich auf den Verlauf der
Feierlichkeiten eingegangen sind, so wollten wir damit zeigen,
daß die Zusammenlegung der Gemeinden Kelmis und Neu-
Moresnet offensichtlich trotz günstiger Gelegenheit nicht zur
Sprache kam und mit keinem Wort Erwähnung fand. Doch nun,
am Bahnhof von Herbesthal und kurz vor der Abfahrt des Zuges,
überreichten die Herren Aloys Van Hauten, Gemeinderatsmitglied
und Präsident des "Cercle Catholique", und Jean Klinkenberg, 2.
Schöffe und Sekretär des "Cercle", dem Innenminister ein längeres,
auf den 13. Juni 1924 datiertes Schreiben, in dem sie namens des .
"Cercle Catholique" die schon bekannte Forderung nach
Angliederung von Neu-Moresnet an Kelmis wiederholten.
Die Vertreter des "Cercle" weisen zunächst darauf hin, daß
der Versailler Vertrag den Wunsch der Kelmiser Bevölkerung
nach Wiedervereinigung mit dem Mutterlande verwirklicht habe.
Sodann heben sie die enge Verbundenheit der beiden Gemeinden
Kelmis und Neu-Moresnet hervor und erwähnen insbesondere:
- die Gemeindewaldungen
- die Wasserleitung
- das Gemeindehaus
- die Lichtanlage
- die katholische Kirche
26
- die Freiwillige Feuerwehr
- die Krankenkasse
- die Gemeindeschulen
- die Festlichkeiten, d.h. die jährliche Kirmes.
Die Industrie in Neu-Moresnet, so schreiben sie, rekrutiere
ihre Arbeiter in Kelmis, dessen Bevölkerung zu mehr als 95% aus
Arbeitern bestehe.
Die Gemeinde Kelmis sei im vorigen Jahrhundert von
verschiedenen Gesellschaften bzw. Unternehmungen ihrer
Mineralschätze beraubt worden und so habe sie heute eine arme,
sich aus Arbeitsinvaliden und Waisen zusammensetzende
Bevölkerung, für deren soziale "Aufbesserung" man wenig oder
gar nichts unternommen habe. Weiter heißt es in dem Schreiben:
"Unsere Gemeindeverwaltung befindet sich in einer anderen
Gemeinde (Neu-Moresnet), und zwar in einem Hause, das ihr
nicht gehört.
Das Pfarrhaus befindet sich ebenfalls in einem Hause, das
demselben Eigentümer gehört, der zugleich Besitzer des
Gemeindehauses, des Hauses der Wohnung des Stationsvorstehers
und der Gütersektion ist, und zwar der Eigentümer ist die "Soc.
An. Vieille Montagne".
Unsere 900 Schulkinder sind in drei verschiedenen
Schulgebäuden untergebracht, wovon verschiedene ungesund
sind in Bezug auf Gesundheitslehre (sic!) und es wäre der
dringlichste Wunsch der ganzen Bevölkerung, daß wir endlich
genügende Schulen besitzen, wo die Kinder gegen Hitze, Kälte,
Frost und Feuchtigkeit geschützt sind, um so gesunde und kräftige
Belgier zu werden. Da eine große Anzahl der in der
Schwestergemeinde "Neu-Moresnet" sterbenden Personen den
Wunsch ausdrücken, in Kelmis begraben zu werden, denn in
Wirklichkeit besitzen diese keinen Friedhof, trifft es immer zu,
daß unser Friedhof zu klein wird und es fehlen die nötigen Gelder,
denselben zu vergrößern.
Die katholische Kirche von La Calamine ist aus Beiträgen
der Bevölkerung erbaut; sie ist im Innern und von außen dringend
reparaturbedürftig. Sie wird ebenfalls besucht von unseren Brüdern
aus Neu-Moresnet, die eine solche nicht besitzen.
Bereits voriges Jahr wurde ein von 90% der Einwohner von
Kelmis unterschriebenes Gesuch an S.M. König Albert1. gerichtet,
2
wonach die Verschmelzung der beiden Schwestergemeinden La
Calamine und Neu-Moresnet in einer einzigen Gemeinde "La
Calamine” gewünscht würde, sobald das Gouvernement Eupen
und Malmedy aufgelöst würde. Durch diese Verschmelzung
würde die Regierung viel Geld verdienen, denn in dem Falle wäre
für beide Gemeinden wie früher nur eine Gemeindeverwaltung
erforderlich. Desgleichen wäre für Neu-Moresnet die Erbauung
von Schulen, Kirche, Friedhof usw. nicht erforderlich.
Es ist auch verständlich, daß sich heute durch die getrennte
Verwaltung der Schwestergemeinden in Bezug auf Gemeinde-
verwaltung und Verordnungen usw. Schwierigkeiten ergeben,
die nach der Verschmelzung der beiden Gemeinden in einer
Gemeinde nicht mehr in Frage kommen würden.
Gelegentlich des offiziellen Besuches bitten wir den Herrn
Minister, unsere Wünsche bei der Hohen Regierung an zuständiger
Stelle freundlichst befürworten zu wollen, und genehmigen Sie,
Herr Minister, den Ausdruck unserer Hochachtung!
Aloys Van Hauten
Gemeinderatsmitglied und Präsident des Cercle Catholique
Jean Klinkenberg, Schöffe
Vize-Präsident des Cercle Catholique
Die Veröffentlichung dieser Denkschrift in der "Freien
Presse” vom 16. Juli 1924, gleichzeitig mit dem Bericht über den
Ministerbesuch in Kelmis, führte zu einer heftigen Reaktion
seitens des Neu-Moresneter Gemeinderates, dessen Replik in der
Zeitung vom 26. Juli zu lesen war. Für den Gemeinderat und die
Gemeindeverwaltung nahm Bürgermeister Hermann
Schlingensiepen wie folgt Stellung:
"Mit großem Staunen aber auch nicht minder großer
Entrüstung konnten die Einwohner der Gemeinde Neu-Moresnet
aus der vorletzten Nummer der "Kelmiser Zeitung” und der
"Freien Presse" in dem Festberichte über den Ministerbesuch in
Kelmis feststellen, daß gewissen Herren die Selbständigkeit der
Gemeinde Neu-Moresnet ein Dorn im Auge ist und daß die
Herren Klinkenberg und Van Hauten des "Cercle Catholique" von
La Calamine nicht ruhen noch rasten, an dieser Selbständigkeit zu
rütteln. Anstatt aber mit offenem Visier zu kämpfen und ihre
; Kelmi8s. Zu dem Yerichte über die überaus glän-
zend verlaufene Feier vont vorigen Sonntage müffen
wir noch befonders, erwähnen, daß die Tijchausjchmük-
Kung beim Feftnahle Im Schüßenlolale einfach) aroß-
artig war und die Bewunderung Aller erregte. Die
Ylumen Hatte die Firma Sicherf geliefert. Die Aus-
IOmücung und Bedienung lag in bewährten Händen des
Hr. H. Vandenhove, Inhaber des Reftaurantes „A la
honne tasse”, an der KNapelle-MoreSnet, welcher fich
feines Amte8 zur voljten Zufriedenheit aller erledigte.
Wir [prehen den Veranftaltern noch nachträglich zu
der Glanzleiftung unfere Anerkennung aus.
Kelmis. Auf das Ergebenheits- Telegramm an
S. M, König Albert lief folgendes Antmeorttelegramm
ein
„Die Sympathie-Kundgebung welche der Gemeinde
„tat fowie die Bevölkerung von Ya Calamine, anläßlich
„0c8, Ihrer Gemeinde abgeftatteten Befuch durch den
„Minifter des Innern, vargebracht, rührte den König
„auf’8 tiefjte. Seine Majeftät empfing mit inniger
„Freude die zum Ausdruck gebrachten patriotifchen Glück:
„vünfche, fomohl für Seine Perfon, al8 wie aud) für
„die Königlır und die Königliche Familie. Seine Maje-
„Ität beauftragen mic) Jhuen jowie allen, deren Ver:
„Mittler Sie find, den herzlichften Dank auszufprechen.
($raf von Arfchot.
Chef des Königlichen Cabinel8,
Nachklänge zum Ministerbesuch
(Die Freie Presse, 19. Juli 1924)
29
Wünsche dem Herrn Minister öffentlich zum Ausdruck zu bringen,
mußten diese Herren warten, bis der hohe Besuch in Herbesthal
die Rückreise antreten wollte und da erst wagte es Herr
Klinkenberg, dem Herrn Minister ein Schreiben zu überreichen,
worin die Herren Klinkenberg und Van Hauten verschiedene
Wünsche zum Ausdruck bringen.
Wie nicht anders zu erwarten, handelt es sich in dieser
Denkschrift wieder um das Verschwinden der Selbständigkeit der
Gemeinde Neu-Moresnet und verlangen diese Herren; daß Neu-
Moresnet einfach Kelmis einverleibt wird. In dieser Denkschrift
werden verschiedene Punkte angeführt, welche für die Aufhebung
der Selbständigkeit Neu-Moresnets maßgebend sein sollen, die
aber unbedingt ins richtige Licht gestellt werden müssen.
Richtig ist, daß das frühere neutrale Gebiet und die frühere
Gemeinde Preußisch-Moresnet von einem Bürgermeister verwaltet
wurden, aber nicht von derselben Verwaltung, denn jede der
beiden Gemeinden hatte ihren eigenen Gemeinderat, eigene
Gemeindekasse, eigenes Standesamt und eigene Polizeidiener,
Der Bürgermeister bezog auch von beiden Gemeinden getrennt
sein Gehalt. Richtig ist aber auch, daß in uralten Zeiten der
Bürgermeister von Neutral- und Preußisch-Moresnet gleichzeitig
noch die Gemeinden Belgisch-Moresnet und Hergenrath
mitverwaltete, Wenn Sie einmal am Einverleiben sind, dann bitte,
meine Herren, macht es ordentlich und sagt: "In früheren Jahren
verwaltete nur ein Bürgermeister all diese Gemeinden und so soll
es auch jetzt wieder sein; ihr habt einfach keine Existenz-
berechtigung mehr und werdet auf Veranlassung des "Cercle
Catholique" einfach in die Gemeinde La Calamine einverleibt."
Richtig ist auch, daß stets ein freundschaftlicher Verkehr
zwischen den beiden Nachbargemeinden geherrscht hat. Kann
dieser Verkehr denn in der bisherigen Weise nicht weiterbestehen?
Weshalb soll denn die Gemeinde Neu-Moresnet dafür
verschwinden, eben weil dieser freundschaftliche Verkehr besteht?
Richtig ist, daß das Gemeindehaus von La Calamine auf dem
Gebiete der Gemeinde Neu-Moresnet liegt, aber es ist nicht
Eigentum weder der einen noch der anderen Gemeinde, sondern
der Bergwerks-Gesellschaft Vieille Montagne, desgleichen auch
das Pfarrhaus, welches aber in La Calamine selbst liegt. Wennnun
die Herren Klinkenberg und Van Hauten es fast nicht übers Herz
30
bringen können, in einem Gebäude der vorgenannten Gesellschaft
im Gemeinderate zu tagen, weshalb muß dann die Gemeinde Neu-
Moresnet darunter leiden oder sogar als solche ganz von der
Bildfläche verschwinden? Muß die Gemeinde La Calamine für
dieses Gebäude vielleicht eine sehr hohe Miete bezahlen? Im
Interesse der Steuerzahler von La Calamine wäre eine Aufklärung
seitens des Cercle Catholique hierüber sehr erwünscht.
Richtig ist, daß die Wasserleitung Eigentum der beiden
Gemeinden ist; die Quellen und Pumpstation usw. befinden sich
aber auf dem Gebiet von Neu-Moresnet. Ist das denn auch ein
Grund, daß Neu-Moresnet einfach verschwinden muß?
Richtig ist aber nicht, daß die beiden Gemeinden eine ‚,
gemeinsame Lichtanlage haben; wohl sind beide Gemeinden mit
elektrischer Energie versehen, aber nur die Gemeinde Neu-
Moresnet ist an dem Elektrizitätswerk Eupen und Umgegend,
welches die beiden Gemeinden mit Strom versorgt, finanziell
beteiligt.
Richtig ist auch nicht, daß die beiden Gemeinden gemeinsame
Schulen haben; es mag ja sein, daß Schulkinder aus Neu-Moresnet
die Schulen in La Calamine besuchen, aber es besuchen auch
Kinder von La Calamine die Schulen in Neu-Moresnet.
Was nun die große Anzahl Einwohner von Neu-Moresnet
anbetrifft, die wünschen, in La Calamine beerdigt zu werden, so
sind die Herren Wunschsteller ebenfalls sehr im Irrtum! Laut
Standesamtsregister sind vom 1.1.1904 bis heute 250 Personen in
hiesiger Gemeinde verstorben; hiervon wurden 9 Personen in La
Calamine beerdigt, und zwar aus dem Grunde, weil den
Familienangehörigen Privatgrabstätten seitens der Gemeinde-
verwaltung von La Calamine verkauft worden waren. Sollen
diese 9 Personen daran schuld sein, daß der Friedhof von La
Calamine vergrößert werden mußte? - Richtig ist auch, daß viele
Einwohner von Neu-Moresnet die Kirche von La Calamine
besuchen, trotzdem dieselben seit uralten Zeiten zur Pfarrgemeinde
Hergenrath gehören, eben weil es bequemer ist. Wie war es denn
früher? Wo mußten vor 1855 die Kelmiser Einwohner zur Kirche
gehen? Wenn viele Einwohner von Neu-Moresnet in der Kirche
von La Calamine ihre Stühle haben, so hat daran die Gemeinde
Neu-Moresnet doch sicherlich keine Schuld, sondern die
Kirchenverwaltung von La Calamine, die diese Stühle vermietet.
31
Richtig ist auch, daß in den hiesigen Industrien ein winzig
kleiner Teil der Arbeiterbevölkerung von La Calamine beschäftigt
ist; soll das nun ein Grund sein, daß Neu-Moresnet keine Existenz-
berechtigung mehr hat? Dann, meine Herren vom Cercle Catholi-
que, müssen Sie auch verlangen, daß den anderen Gemeinden, wo
Kelmiser Arbeiter beschäftigt sind, jegliche Existenzberechtigung
abgesprochen wird, und dieselben einfach einverleiben.
Und was hat denn die Freiwillige Feuerwehr mit dieser Sache
zu tun? Ebensogut könnte man sagen: viele Einwohner von Neu-
Moresnet sind Mitglieder der meisten Kelmiser Gesellschaften und
deshalb soll Neu-Moresnet verschwinden.
Seit wann hat denn Neu-Moresnet mit La Calamine die
Krankenkasse gemeinsam? Vor Jahren bestand eine Gemeinde-
krankenkasse in Preußisch-Moresnet, woran aber nur die hiesigen
Gemeinde-Eingesessenen teilnehmen konnten, Nur wenn auswärts
wohnende Personen in hiesiger Gemeinde beschäftigt waren, mußten
diese durch den Arbeitgeber zur Krankenkasse angemeldet werden.
Mit Gründung der "Allgemeinen Ortskrankenkasse" in Eynatten,
am 1. Januar 1924, wurde die Gemeindekrankenkasse aufgelöst.
Einwohner von La Calamine können auch heute nur dann in die
Krankenkasse aufgenommen werden, wenn sie im Kreise Eupen
beschäftigt sind. Mithin ist auch dieser Grund hinfällig.
Richtig ist auch, daß die jährliche Kirmes gemeinsam gefeiert
wurde, und zwar aus dem Grunde, daß bis vor wenigen Jahren
noch der Hauptkirmestrubel sich auf dem Gebiete der Gemeinde
Neu-Moresnet abspielte.
Nun zu dem i.J. 1923 von 90% (?) der Einwohner von La
Calamine unterschriebenen Gesuche an S.M. König Albert I.,
betreffend Einverleibung von Neu-Moresnet nach La Calamine.
Soll das mit den 90% stimmen? Dieses kann in Zweifel gezogen
werden! Und welche Mittel wurden angewandt, um die Einwohner
zum Unterschreiben des Gesuches zu bringen? Auf sehr vielen
Stellen wurde der wahre Grund des Gesuches verschwiegen und
nur gesagt: "Unterzeichnet diese Liste, es handelt sich darum,
weniger Steuern zu zahlen!" usw. (Dieses war ein offenes
Geheimnis in der ganzen Gegend.) Daß die Leute darauf
hereinfielen, ist leicht begreiflich, denn vom Steuerzahlen ist kein
Mensch Liebhaber! Wo aber das Gesuch erst mal gründlich
durchgelesen wurde, da gab es auf vielen Stellen ein Fiasko, denn
32
die Leute sagten: "Laßt uns, was wir sind und laßt auch Neu-
Moresnet, was es ist!"
Diesen Ausspruch wiederholen auch wir den Herren
Klinkenberg und Van Hauten und geben ihnen den guten Rat, sich
nicht um das Wohl und Wehe von Neu-Moresnet zu kümmern und
am allerwenigsten um dasjenige, was für unsere Gemeinde
erforderlich ist oder nicht.
Zum Schlusse noch eine Frage: "Weshalb wurde diese ganze
Einverleibungsfrage ins Leben gerufen, ohne daß Neu-Moresnet,
welches doch in allererster Linie dabei interessiert ist, in Anspruch
genommen oder davon in Kenntnis gesetzt wurde?"
Wenn die Herren Klinkenberg und Van Hauten vielleicht %
meinen, daß Neu-Moresnet zu ihren Wünschen "Ja" und "Amen"
sagen soll, dann täuschen sie sich.
Neu-Moresnet wird mit allen ihm zu Gebote stehenden
gerechten Mitteln gegen das Vorhaben des Cercle Catholique von
La Calamine kämpfen (wenn denn auch nach 600 Männeken von
Neu-Moresnet nicht gefragt zu werden braucht) und steht ihm
hierbei der ganze Kreis Eupen zur Seite.
Zur Beruhigung der Herren Klinkenberg und Van Hauten
diene noch:
1. Daß der Bürgermeister von Neu-Morenet am Sonntag
nach dem Festessen dem Herrn Minister des Innern eine Abschrift
der im vergangenen Jahre an den Herrn Hohen Königlichen
Kommissar Gouverneur Baron Baltia in Malmedy eingereichten
Protestliste gegen eine Angliederung an La Calamine, welche von
sämtlichen wahlberechtigten Einwohnern (mit nur drei
Ausnahmen, worunter einer, der das allergrößte Interesse daran
hat, daß Neu-Moresnet beim Kreise Eupen verbleibt) unter-
schrieben war, nebst den Abschriften der Gemeinderatsbeschlüsse
und den Abschriften der Beschlüsse der Permanent-Deputation in
Malmedy, überreicht hat;
2. daß die Gemeinde-Verwaltung Neu-Moresnet auch die
erneute Denkschrift des Cercle Catholique von La Calamine an
maßgebender Stelle ins richtige Licht stellen wird.
Neu-Moresnet, den 18. Juli 1924
Für den Gemeinderat und die Gemeinde-Verwaltung
Schlingensiepen,
Bürgermeister
83
Hat diese energische Reaktion der Neu-Moresneter die Partei
der "Annexionisten" zu der Einsicht gebracht, daß jeder weitere
Versuch einer Eingliederung der Nachbargemeinde jenseits der
"Pavei" zum Scheitern verurteilt wäre? Ist den Vertretern des
"Cercle" vielleicht von höherer Stelle bedeutet worden, daß ihre
| Pläne in Brüssel keine Zustimmung fanden?
020 >
Gemeindeverwaltung La Calamine = Neu-Moresnet. DE
ET ; (65
5. ChB 319709
Grosse Feuerwehrtagung am 22. und 23, August 1936
verbunden mit der Feier des 42jährigen Stiflungsfestes der Freiw, Fenerwehr ehe
Moresnet, des 9, Kreisverbandstages des Kreisverbandes Eupen
und des 1, Verbandstages des Feuerwehrverbandes Eupen - Malınedy - St. Vith.
Ein Briefkopf, der die Verschmelzung der beiden Nachbargemeinden
vorwegnimmt...
Tatsache ist, daß sich die durch Van Hauten und Co geschürte
Unruhe wiederlegte und die 1923-24 soleidenschaftlich diskutierte
Frage der Zusammenlegung beider Gemeinden erst im Jahre 1972
wieder zur Debatte stand mit dem eingangs schon erwähnten
Resultat, daß sich die Neu-Moresneter zu 50% für und auch zu
50% gegen den Anschluß an Kelmis aussprachen. |
Zwischenzeitlich hatte es durch die deutsche Gemeindereform
von 1940 eine kurze Periode gemeinsamer Verwaltung gegeben:
das "Amt Moresnet" umfaßte die Gemeinden Moresnet, Kelmis,
Neu-Moresnet und Hergenrath. Am 1. Oktober 1942 wurden die
Gemeinden Kelmis und Neu-Moresnet zur "Gemeinde Altenberg"
vereint.
Amtsbürgermeister war in den Kriegsjahren Jos, Kriescher,
Amtssitz erst Neu-Moresnet, dann (ab 1.10.42) Altenberg, wo die
Verwaltung in der Kapellstraße Nr. 9, dem Hause Dr. Schifflers,
untergebracht war.
34
Anmerkungen:
1) Die gesetzliche Grundlage zu den Gemeindefusionen bot das sog. Einheitsgesetz
vom 14. Feb. 1961, das schon 1965 zur Zusammenlegung von 110 Gemeinden
und zur Schaffung von 37 neuen kommunalen Einheiten geführt hatte. 1970 und
71 wurden ebenfalls mehrere hundert Gemeinden zu größeren Gebilden
zusammengeschlossen.
2) S.F. Pauquet, Die älteste Besiedlung im Gebiet der ehemaligen Herrschaft
Kelmis, in "Im Göhltal", Nr. 2, 1967, S. 25-35.
35
Bau der
Eisenbahn Aachen-Herbesthal:
Daten und Fakten entnommen
der Chronik der Bürgermeisterei
Hergenrath und der Pfarre Hauset
- Nachtrag - (1)
von Willy Timmermann
Hinwäls:
Die nachstehenden Daten und Fakten sind grundsätzlich
wortwörtlich der Chronik der Bürgermeisterei Hergenrath und
dem Pfarrarchiv Hauset entnommen. Sie sind eine Ergänzung zu
den Schilderungen über die nun 150 jährige Hammerbrücke und
die Eisenbahnstrecke Aachen-Herbesthal (B-Grenze).
Vielfach wird die Höhe der Hammerbrücke irrtümlicherweise
mit 55 Metern angegeben. Richtig ist die Höhe von insgesamt 117
Fuß (rheinländisches Maß, d.h. 1 Fuß = 31,38534 Zentimeter)
also genau 36,720847 Meter.
Als Bauzeit wird einmal 1840-1843 (Hauset) angegeben,
Hergenrath schreibt "Frühjahr 1841 bis August 1843", wie wörtlich
auf der Lithographie des Aachener Baumeisters Fr. Wittfeld
(Heimatmuseum Burg Frankenberg) vermerkt ist.
Einmal heißt es "Göhl" (Goehl), ein andermal "Geul".
Gewisse Abweichungen auch in der Rechtschreibung müssen als
durchaus normal angesehen werden.
x
Pfarrarchiv Hauset;
An der westlichen Ecke wird die Gemeinde (Hauset)
durchschnitten von der rheinischen Eisenbahn und gerade das
großartigste Bauwerk der ganzen Bahn gehört unserer Gemeinde
an, nämlich der Göhlviadukt, im Munde der Leute die
Hammerbrücke genannt, weil die dortige Flur "der Hammer"
(1) S. "Im Göhltal", Nr. 53, August 1993, S 33-72.
36
heißt. Der Göhlviadukt wurde erbaut in den Jahren 1840 bis 1843
unter der Leitung des Baumeisters Wittfeld aus Aachen. Die
Pfeiler stehen auf langen senkrecht eingerammten Balken. Die
Brücke ist aus Ziegelsteinen erbaut, die aus dem benachbarten
Grundstück des Wilh. Arn. Schmetz in der Fossei gewonnen
wurden. Die Hausteine (Gurtleisten, Deckplatten usw.) lieferte
Joh. Wilhelm Brammertz aus Breinig (?) und entnahm dieselben
den Steingruben von Breinig, Cornelimünster, Raeren usw.
Der Viadukt hat eine Länge von 650 Fuß, eine Höhe von 117
Fuß und eine Breite von 27 Fuß, und besteht aus (Anm. d. Red.:
8) Millionen Ziegelsteinen, verdient also mit vollem Rechte zu
den größten Bauten gezählt zu werden. Die Bogen stehen in zwei -
Stockwerken übereinander, zusammen 34 Bogen, oben 30 1/2,
unten 30' breit, während die Pfeiler oben 6 1/2 und unten 7' dick
sind. Ein einzelner Bogen ist höher wie eine gewöhnliche Kirche
und ebenso breit, nur nicht so lang.
Chronik Hergenrath (CHHE)
1838: In diesem Frühjahre begannen hier die Arbeiten an der
Eisenbahn. Die Arbeiter an der Eisenbahn gaben zu einer Menge
Klagen Anlaß, denn die angegriffenen Grundstücke waren noch
nicht abgeschätzt, viel weniger bezahlt und die Arbeiter handelten
ohne Rücksicht noch Schonung, alle Frucht und Gras die sich auf
und nah an die Bahnlinie befand, wurde zertreten, vernichtet,
ohne daß die Eigenthümer wußten, wer und welche Entschädigung
sie erhalten würden.
1839: Übrigens ist es eine harte Zeit für alle die von ihrer
Hände Arbeit leben müssen, die Fabriken gehen schlecht, die
Arbeiten an der Eisenbahn stocken, das Brod war theuer (6 Sgr. 10
Pfen. das 8 pfündige Roggenbrod) daher war das Elend groß.
1840: Die Arbeiten an der Eisenbahn schritten schnell voran,
es gab Arbeit genug, allein bei dem so hohen Preise des Brodes
kann der Taglöhner, der eine starke Familie zu ernähren hat, kaum
das trockene Brod verdienen.
1842: Der äußerst trockene Sommer, in Folge dessen die
Viehweiden ganz kahl wurden und die Brunnen und Viehtränken
versiegten, hat sehr nachtheilig auf die Landwirtschaft gewirkt,
jedoch sind die Erdarbeiten der Eisenbahn, von dieser Witterung
begünstigt, tüchtig vorangeschritten. Der Geul- Viadukt, ein Pracht-
37
Bauwerk, größtenteils unter Hauset und theils unter Hergenrath
belegen, geht seiner Vollendung entgegen. Derselbe hat zwei
übereinander stehende Bogenreihen von je 17 Bogen. Dieser
Viadukt ist 658 Fuß lang, 27 Fuß breit und 117 Fuß hoch. In der
unteren Bogenstellung bei 20 Fuß Bogenweite beträgt die
Pfeilerstärke 7 Fuß, in der oberen Bogenstellung bei 30 1/2 Fuß
Bogenweite 6 1/2 Fuß. Der Bau wurde im Frühjahr 1841 begonnen
„und im August 1843 vollendet.
1843: Durch den Einsturz eines Gerüstes am Geul-Viadukt
fanden zwei mit dem Bau derselben beschäftigte Arbeiter im
Monat Januar ihren Tod. Die Rheinische Eisenbahn kann als
fertig betrachtet werden, denn am 22. August fuhr schon ein Zug
von Aachen nach Herbesthal und zurück. Am 21. Oktober wurde
dieselbe eröffnet und dem Verkehr übergeben.
1846: Am 26. Januar begannen die Arbeiten am zweiten
Geleise der Eisenbahn. Der Bahnwärter Heinrich Winkel wurde
am 5. Mai nachts 1 Uhr am Orte Kaper von einem Eisenbahnzuge
erfaßt und sofort getödtet.
1850: Der Bahnwärter Clemens August Habes wurde am 10.
October Abends 1/2 11 Uhr am Orte Kaper von einem Zuge
überfahren und sofort getödtet,
1855: In der Nacht vom 24. auf den 25. Juni wurde der 22
Jahre alte Taglöhner Johann Dominik Pons aus Hauset auf der
Rheinischen Eisenbahn zwischen den Stationen Astenet und
Herbesthal durch den Schnellzug überfahren und blieb auf der
Stelle todt.
1865: Am 16. April, Nachts 11 Uhr wurde der
Eisenbahnwärter Gerhard Joseph Müller am Orte Kaper zu
Hergenrath von dem von Belgien kommenden Schnellzuge
überfahren und auf der Stelle getödtet.
1866: Am 28. Dezember Abends entfernte sich die am
Nervenfieber leidende Ehefrau von Stephan Joseph Laschet
hierselbst heimlich aus ihrer Wohnung und wurde auf der
Eisenbahn bei Breitenstein durch den um 7 Uhr von Belgien
kommenden Zug überfahren; der Kopf war buchstäblich vom
Rumpfe getrennt.
1869: Der Taglöhner Joseph Mostert aus Preußisch-Moresnet
fand am 4. August durch Überfahren auf der Eisenbahn zu
Hergenrath seinen Tod.
38
1870: Am 5. September, Vormittags 11 1/2 Uhr passirte der
Exkaiser der Franzosen, Napoleon III, per Extrazug auf der
Rheinischen Eisenbahn die Bürgermeisterei Hergenrath, um sich
zu dem ihm von Seiner Majestät dem Könige Wilhelm I. von
Preußen angewiesenen Aufenthaltsorte Wilhelmshöhe bei Cassel
zu begeben.
1873: Am 27. Februar Morgens 4 Uhr wurde der als
Bergbremser zu Ronheide angestellte Johann Peter Laschet aus
Hergenrath auf der Eisenbahn bei Breitenstein unter Aachen von
einem Eisenbahnzuge überfahren todt aufgefunden,
1875: Am 8.11.1875, Abends 1/2 6 Uhr wurde die 78 Jahre
alte Witwe Jaquemin auf der Rückkehr von der Lonzener Kirmes -
bei Prester vom Zuge erfaßt, getötet und schrecklich zugerichtet.
Unweit davon steht nunmer auf einem Steine ein eisernes Kreuz.
1880: Am 21. Dezember Nachmittags gegen 2 1/2 Uhr
ereignete sich in unserer Nachbarschaft ein unerklärlicher
Dammsturz der Rheinischen Eisenbahn zwischen Breitenstein
und dem kleinen Tunnel, nachdem ganz kurz vorher noch zwei
Eisenbahnzüge die Unglücksstätte passirt hatten. Der circa zehn
Meter hohe Damm resp. Eisenbahnkörper wurde in wenigen
Augenblicken auf einer Länge von ungefähr 300 Metern in den
Teich und in die Wiese von Breitenstein sowie auf die Cöln-
Lütticher Staatsstraße geworfen, und so der Verkehr auf der
Eisenbahn und der g. Straße bis zur Wiederherstellung unmöglich
gemacht.
1881: Am 15. Mai wurde zu Hergenrath eine Posthülfsstelle
errichtet, welche sich mit dem Verkaufe von Postwertzeichen und
der Annahme und Ausgabe von gewöhnlichen Briefen, Zeitungen
und Paketen ohne Werthangabe befaßt und von dem Gastwirthen
Peter Joseph Kittel verwaltet wurde.
Seitdem wurde die Gemeinde Hauset der Post-Agentur
Eynatten zugetheilt und von dort aus bestellt. Die Verwaltung der
Posthülfsstelle zu Hergenrath legte der g. Kittel mit dem 1.
November freiwillig nieder und da sich eine geeignete andere
Person für diese Verwaltung nicht fand, ging die Posthülfsstelle
ein und trat das alte Verhältniß, wonach die Gemeinde Hergenrath
per Landbote täglich nur einmal und zwar mit Ausschluß der
Sonn- und Feiertage von Astenet aus bestellt wurde, wieder in
Kraft.
39
Ihre Majestät die Königin der Belgier nebst Gefolge passirten
am 21. September, Nachmittags gegen 3 Uhr, in der Richtung von
Aachen nach Astenet fahrend, die Gemeinde Hergenrath.
1882: (PfAR. Hauset) Am 10. August 1882 ließ Pfr. Brammertz
(Hauset) folgende Anzeige in einer Zeitung veröffentlichen:
Lehrer gesucht
Für die einklassige Knabenschule zu Hauset 1 1/2 St. von
Aachen, 1/2 St. von Station Astenet, wird ein geprüfter Lehrer
gesucht; Gehalt 900 Mark, gute Wohnung, großer Garten, 90 M.
für Heizung und Reinigung. Meldungen an der Schulvorstand.
Hauset, 10 August 1882, Der Local-Schulinspector, Pfr.
Brammertz.
1883: Laut Verfügung des Königlichen Eisenbahn-Betriebs-
Amtes zu Köln vom 25. Juli c.J. II No. 12089, ist das Project zur
Anlage der Haltestelle zu Hergenrath, vom Königlichen
Ministerium der öffentlichen Arbeiten genehmigt worden.
1884: Am 8. Januar c. wurden die Grundarbeiten zu der
neuen Eisenbahn-Haltestelle zu Hergenrath begonnen.
(PfAR. Hauset: Im Januar wurden die Grundarbeiten zu dem
neuen Bahnhof Hergenrath begonnen. Am 1. August 1884 war die
Eröffnung der Station Hergenrath).
Am 1. September c. wurde der Taglöhner Joseph Operei aus
Hergenrath an der neuen Eisenbahnstation zu Hergenrath auf der
Eisenbahn durch Herunterfallen von einem Wagen am linken
Bein überfahren, weshalb dasselbe theilweise hat abgenommen
werden müssen.
Seit dem 1. September befindet sich das Kaiserliche Postamt
in dem neu erbauten Hause des Gastwirthes Friedrich Habes an
der Eisenbahnstation zu Hergenrath.
(PfAR. Hauset: Am 1. Dezember wurde das Postamt an der
Station Hergenrath eröffnet, für uns eine weitere Annehmlichkeit.)
CHHE: Am 1. Dezemberc. ist zu Hergenrath ein Postamt III.
Klasse in Wirksamkeit getreten. Diese Postanstalt hat
Telegraphenbetrieb mit beschränktem Tagesdienste.
1885: Seit dem 1. September befindet sich das Kaiserliche
Postamt in dem neu erbauten Hause des Gastwirthes Friedrich
Habes an der Eisenbahnstation zu Hergenrath.
1886: In der Nacht vom 31. Januar zum 1. Februar wurde
mittelst Einbruchs in das Postdienstzimmer der hiesigen Postanstalt
40
ein Diebstahl verübt und Geld und Freimarken im Werthe von
zusammen circa 900 Mark entwendet. Über den Einbruch und
Diebstahl wurde bis dahin nichts Näheres ermittelt.
1887: Im Monate November wurde die bei Firmannsheide
hierselbst gelegene hölzerne Brücke seitens der Königlichen
Eisenbahn- Verwaltung umgebaut.
Am 18. November wurde der seit dem 18. September vermißte
Eisenbahnarbeiter Nikolas Bounie von hier in der Nähe der
Emmaburg in einem Wäldchen tot aufgefunden.
Die stattgehabte Obduktion der Leiche ergab, daß derselbst
an innerer Krankheit gestorben sei.
Der Verkehr auf der hierselbst am 1. August 1884 eröffneten .
Eisenbahn-Haltestelle nimmt beständig zu und wurde im Laufe
dieses Jahres in der Nähe des Bahnhofes eine Thonwarenfabrik
durch den Ingenieur Joseph Schmetz hierselbst errichtet.
1888: Im Laufe des Sommers wurde an der Straße von
Hergenrath nach Hauset unterhalb des Bahnhofes durch den
Postverwalter Müller ein neues Postgebäude im Rohbau
fertiggestellt.
Ende des Jahres wurde in der Nähe der Eisenbahnhaltestelle
hierselbst durch die Firma Gustav Vogeno & Cieeine Eisengießerei
errichtet,
1889: Der Landwirth Nikolas Joseph Laschet aus Hergenrath,
44 Jahre alt, wurde am 23. Februar Vormittags 9 Uhr 10 Minuten,
auf der Eisenbahnhaltestelle hierselbst von einem Personenzuge
an beiden Beinen und dem rechten Arm überfahren und starb an
den erlittenen Verletzungen am selben Tage Nachmittags um 1
Uhr im Eisenbahn-Stationsgebäude hierselbst.
1891: Im Monate August wurde seitens der Königlichen
Eisenbahn-Verwaltung mit dem Bau einer massiven Brücke an
Stelle einer Holzbrücke am Orte Helmüs hierselbst begonnen und
die neue Brücke noch im Laufe des Jahres fertiggestellt.
1895: Im Laufe des Sommers wurde von der Eisensteingrube
"Anfang" zu Fossey eine Drahtseilbahn nach der hiesigen
Eisenbahnhaltestelle angelegt, mit welcher die gewonnenen Erze
befördert werden.
Im Monat October wurde eine Telephonanlage von Aachen
nach Herbesthal errichtet, welche die Gemeinde Hergenrath längs
der Straße Bildchen-Walhorn in ihrer ganzen Länge durchzieht.
41
Am 6. Dezember Abends gegen 6 Uhr stieß der von Aachen
gekommene Personenzug kurz nach Verlassen der hiesigen Sta-
tion aufeinen im Geleise befindlichen leeren Güterwagen, wodurch
der benannte Wagen sowie die Maschine des Personenzuges
einige Verletzungenerlitten, weiterer Schaden ist nicht entstanden.
; 1898: Im Laufe des Jahres 1898 wurde auf dem Grundstücke
von Lesmeister bei der Eisenbahnstation hierselbst, wo früher die
Eisengießerei von Vogeno & Cie bestanden, eine Steinsägerei
errichtet und am 21. Januar 1899 durch die Firma Paul Ruyters &
Cie. in Betrieb gesetzt.
1899: Der Schreinergeselle Peter Pabst aus Hauset wurde
am 27. Februar Abends gegen 8 Uhr auf der hiesigen
Eisenbahnstation vom Arbeiterzuge überfahren und sofort getötet.
1900: In der Woche vom 7. bis 13. Januar kamen auf der
Eisenbahnhaltestelle hierselbst durch die dem gegen 8 Uhr Abends
von Aachen hier einlaufenden Arbeiterzuge entsteigenden Leute
Ausschreitung vor, welche am Samstag, den 13. Januar so
ausarteten, daß zwei Personen aus Neutral-Moresnet zwecks
Wiederherstellung der Ruhe und Ordnung festgenommen werden
mußten, die Ausschreitungen bestanden hauptsächlich darin, daß
die Leute beim Verlassen des Bahnhofes sich der Controlle der
Fahrkarten durch ungebührliches Drängen an den Ausgängen
entziehen wollten.
1901: Am 26. August wurde durch eine Abtheilung des
Infanterie-Regiments No 40 aus Aachen am Geulviadukt eine
Gefechtsübung abgehalten, durch welche das Rindvieh des
Landwirthen Mathias Schmetz zu Hauset (Voßey) scheute und
sich zwei Kühe durch überspringen eines Stacheldrahtzaunes
Verletzungen zuzogen. Hierfür wurde dem g. Schmetz eine
Entschädigung von 90 M. seitens des benannten Regiments
bewilligt.
1902: Im Monate Oktober wurde an verschiedenen Tagen
vonder Brücke, welche die Wegeüberführung über die Eisenbahn
bei Flönnes hierselbst herstellt, mit Steinen nach den
durchfahrenden Zügen geworfen und als der Täter der 15 jährige
Schusterlehrling Johann Pohlen von hier nachträglich ermittelt,
derselbe wurde zur Anzeige gebrachtund ist beim Schöffengerichte
in Eupen mit einem Verweis bestraft worden.
1903: Am 31. Mai wurde der Waldarbeiter Wilhelm
Wechsler, 16 Jahre alt, aus Neutral-Moresnet, auf der Eisenbahn
42
hierselbst überfahren und sofort getödtet. Derselbe hatte den
Geulviadukt betreten, um dort Dohlennester auszuholen.
Der Pächter und Landwirt Wilhelm Joseph Hubert Taeter,
60 Jahre alt, Ehemann von Anna Maria Hubertina Gertrud geborene
Haes, wohnhaft hier, Helmüs, wurde am 3. Oktober Vormittags
auf der Eisenbahn hierselbst mit zerschmettertem Schädel tot
aufgefunden, durch die angestellten Ermittelungen konnte die
Todesursache nicht bestimmt festgestellt werden, jedoch wird
vermutet, daß p. Taeter die Bahnböschung, welche bei der
Fundstelle der Leiche eine beträchtliche Höhe hat und die
unbefugterweise betreten worden, hinuntergestürzt ist und dadurch
den Tod erlitten hat. .
1906: Im Laufe des Jahres wurde auf der Eisenbahnstrecke
Aachen-Herbesthal ein Geleise umgelegt, wobei etwa 40 Italiener
beschäftigt wurden, welche hier in verschiedenen Wirtschaften
einquartiert waren.
1907: Im Monate Februar wurde auf Prester eine
Wegeunterführung durch die Königliche Eisenbahn-Verwaltung
fertig gesteltt, deren Abnahme am 5. März stattfand,
Von Seiten des Bezirkskommmandos Montjoie und Aachen
wurden Maßnahmen zur Bewachung des Bahnhofs und der
Eisenbahnstrecke hierselbst für den Mobilmachungsfall getroffen.
Am 20. September Nachmittags 3 Uhr stürzte auf der
Eisenbahnstrecke Aachen-Herbesthal am Geulviadukte hierselbst
ein zu Cöln wohnhafter Bremser namens Moritz während der
Fahrt von einem Eilgüterzuge und erlitt dabei den Tod.
1908: Seit dem Monate Juli ist man hier mit der
Linienverbindung der Eisenbahnstrecke Aachen-Hergenrath
beschäftigtund wurden dabei viele ausländische Arbeiter, meistens
Italiener beschäftigt.
Die Vorschriften über das polizeiliche Meldewesen wurden
mit Rücksicht auf die beim Bahnbau hierselbst beschäftigten
Italiener streng gehandhabt.
1909: Am 8. Januar erlitt der Erdarbeiter Franz Krol, am
Eisenbahnbau hierselbst, eine Quetschung des linken Fußes und
Abschürfungen am rechten Fuße.
Am 4. April entstand im Gemeindewalde von Walhorn
Asteneter Brennhag, ein Waldbrand, welcher allem Anschein
nach durch die Lokomotive eines Eisenbahnzuges verursacht
wurde.
43
Desgleichen verbrannte eine Hecke der Landwirthin Witwe
Reiner Kever, hierselbst, am selben Tage, welche ebenfalls durch
einen Eisenbahnzug in Brand gesetzt wurde,
Am 21. Mai Vormittags 10,29 Uhr wurde hier nach einem in
der Richtung nach Aachen durchfahrenden D-Zuge mit einem
Stein geworfen und dadurch eine Scheibe zertrümmert, als Täter
wurde der 8 jährige Schulknabe Eugen Nicoll hierselbst ermittelt
und zur Anzeige gebracht.
ak k k
Ab dieser letzten Eintragung wurde die Chronik nicht mehr
in genauen Angaben, mit Namen, Fakten usw. fortgesetzt.
Unterzeichneten bisher die Gemeinderatsmitglieder die
Jahresberichte, so ist ab 1910 nur noch die alleinige Unterschrift
von Bürgermeister Kyll zu finden, der in den ersten Kriegsjahren
1914/15 hauptsächlich nur Haushaltsbetrachtungen über
Hergenrath und Hauset anstellte.
Ergänzend wäre zu sagen:
Der Bahnhof Astenet wurde kurz nach 1843 erbaut und
zählte zwischen 1859 und 1861 genau 52.397 angekommene und
46.097 abgefahrene Perrsonen. Um 1900 wurde er erweitert. Er
hatte sogar Wartesäle 1. und 2. Klasse. Eine Unterführung für
Fußgänger wurde ebenfalls gebaut, um längere Wartezeiten bei
geschlosssenen Bahnschranken zu vermeiden. Immerhin waren
Rangiergeleise verlegt worden, da von Astenet aus auch
Wirtschaftsgüter und Vieh verladen und transportiert wurde,
Der Bahnhof in Hergenrath wurde ebenfalls ausgebaut. Für
die angrenzenden Betriebe wurde ein Sondergeleis zum Be- und
Entladen der Waggons gelegt, während die Kalkwerke einen
eigenen Bahnanschluß erhielten.
Am 14. Juli 1923 berichtete die Zeitung "Die Freie Presse”,
daß gegen 4 Uhr morgens auf der "Bahnhofsbrücke" in Hergenrath
ein belgischer Wachsoldat von einer Lokomotive erfaßt wurde,
wobei dem Unglücklichen der linke Fuß vollständig abgeschnitten
worden sei. Mit einem Notverband versehen kam er in das
Krankenhaus nach Verviers.
Ein Gerücht, wonach schon zwei Tage zuvor ein Wachsoldat
zwischen Mauer und Lokomotive zerdrückt und nach seiner
44
Überführung nach Lüttich einen Tag später verstorben sei, wurde
offiziell dementiert.
1940-1944: Am 10. Mai 1940 fanden acht belgische Soldaten
beim Sprengen der Hammerbrücke den Tod. Einer (Marcel Re-
nard) überlebte unter den Trümmern.
Am 23. Mai 1944 kamen mindestens acht deutsche Soldaten,
die mit einer Vierlingsflak die Hammerbrücke bewachten, bei
einem Angriff alliierter Tiefflieger ums Leben.
Nach dem 2. Weltkrieg (Mai 1945) wurde der
Personenverkehr ab Astenet und Hergenrath in Richtung Aachen
nicht mehr aufgenommen, wohl verkehrte bis 1957 zwischen
Hergenrath und Herbesthal ein Triebwagen. .
Nachdem der Bahnhof Herbesthal stillgelegt und die
Haltestelle (aus sprachpolitischen Gründen) in das
französischsprachige Welkenraedt verlegt worden war, verkehrte
abdem31. Mai 1981 bis zum 23. Mai 1982 zwischen Welkenraedt
und Aachen zwar ein Triebwagen. Entgegen ursprünglicher
Ankündigung der Eisenbahngesellschaft wurden in Astenet und
Hergenrath keine Haltestellen eingerichtet. Anfang Juni 1984 fiel
Welkenraedt als Haltebahnhof internationaler Züge aus. Wieder
wurde ein Pendelverkehr zwischen Welkenraedt und Aachen
(sechs Fahrten täglich, ohne Halt in Astenet und Hergenrath)
eingerichtet, der aber mangels Fahrgäste zum 1. Juni 1988
eingestellt wurde. (S. "Im Göhltal" Nr. 42)
Als die Elektrifizierung der Eisenbahnlinie bis Aachen im
Jahre 1974 beendet war und ein Sonderzug zahlreiche
Persönlichkeiten von Lüttich, Verviers und Welkenraedt nach
Aachen brachte, waren entlang dem zur Ruine verfallenen ehemals
prachtvollen "kaiserlichen" Bahnhof Herbesthal zu beiden Seiten
der Durchfahrgeleise Güterzüge "geparkt", so daß die Gäste das
geschichtsträchtige Herbesthaler Bahnhofsgebäude und - gelände
nicht einsehen konnten. (siehe Heft Nr. 33 "Im Göhltal" S. 109,
den Beitrag "Die Kulturschande", von A. Bertha).
1960-1990: In den drei letzten Jahrzehnten forderte die
Teilstrecke Aachen-Hergenrath weitere Opfer.
Am Morgen des 12.12.1960, es war ein Montag, führte eine
Signalblockierung am BÜ 13 (Bahnübergang Atherstraße,
Hergenrath) zu einer Überprüfung des Streckenabschnitts, wobei
man die Leiche des 21-jährigen Hergenrathers Hans Bastin fand,
45
der am frühen Morgen, gegen 5.30 Uhr, an besagtem Übergang
durch den aus Aachen kommenden Tauern-Express 53 erfaßt und
auf die Signalleitungen geschleudert worden war. Der Tote war
nur wenige hundert Meter vom Unfallort (im Siep) zu Hause.
Tragisch war auch der Tod des 47-jährigen Bleyberger
Taxifahrers Louis Hambuckers, der am ersten Weihnachtstag
1961 am Bahnübergang 58, d.h. Kaper/Ries, abends nach 22 Uhr,
von einer belgischen Lok, die aus Aachen als Leerfahrt
zurückkehrte, erfaßt wurde, Unfallursache war in diesem Falle ein
Bedienungsfehler des diensttuenden Beamten von ASW (Aachen-
Süd-West).
Im Juni 1977 stürzte ein Schüler aus Hauset von der
Hammerbrücke und konnte nur noch tot geborgen werden.
Der Bahnübergang in Hergenrath, an der Nahtstelle von
Bahnhof- und Hauseter Straße, ist zwar durch automatische
Schranken gesichert, doch kann der aus Hauset kommende
Automobilist bei tiefstehender Sonne leicht das Signal übersehen.
Vermutlich war eine solche Situation auch die Unfallursache am
Spätnachmittag des 15. Januar 1979, als der Wagen des Kelmiser
Zollbeamten Cyrille Lousberg bei geschlossener Schranke von
einem aus Aachen kommenden Zug in die rechte Flanke getroffen
und etwa 100 m mitgeschleift wurde, wobei der Fahrer tödliche
Verletzungen davontrug.
Auf dem Eisenbahnabschnitt zwischen Ronheider Tunnel
(Westseite), Hergenrath und Astenet dürften zwischen 1843 und
1993 mindestens 35 Menschen ums Leben gekommen sein.
Ein anderer Zwischenfall hatte sich in der Nacht zum 12. Juli
1966 in Astenet/Prester ereignet, als eine Kuhherde des Landwirten
L. Rox aus der Wiese neben der Bahnlinie ausbrach. Die Kühe
liefen auf die Geleise. Der Expreß Ostende-Zagreb raste in die
Herde. Fünfzehn Tiere wurden getötet, eine Kuh mußte
notgeschlachtet werden, andere wurden verletzt. An dem Zug
wurde lediglich ein Trittbrett abgerissen. Die Versicherung zahlte
39.000 BF an "Wartegeld" für den Aufenthalt des Zuges.
In den Jahren 1975 und 1976 wurden die Bahnhofsgebäude
in Astenet und Hergenrath abgerissen, nachdem zuvor schon die
Geleise für den Güterverkehr in beiden Bahnhöfen entfernt worden
waren.
Mit Inbetriebnahme von Dieselloks und dem Verschwinden
der Dampfloks wurde am Fuße der Hammerbrücke auch die
46
Pumpstation, die das Wasser einer Abzweigung der Göhl entnahm
und dann zum Bahnhof Astenet pumpte, um dort die
Dampflokomotiven mit Wasser zu versorgen, abgerissen.
Das Telefon- und Telegraphenamt Hergenrath, in der
Bahnhofstraße (heute Nr. 82) eingerichtet, das die Orte Hergenrath,
Neu-Moresnet, Kelmis, Hauset, Astenet, Walhorn und teilweise
Lontzen umfaßte, wurde nach Einführung des Selbstwähler-
verkehrs aufgelöst. Die automatische Zentrale befindet sich nahe
der Kreuzung Altenberger - und Asteneter Straße.
Das Postamt Hergenrath, das selbst nach der Gemeindefusion
(Hergenrath zu Kelmis, Hauset zu Raeren) noch Hauset
mitversorgte, wurde Ende Juni 1993 aufgelöst und dem Postamt
Kelmis angeschlossen. Hauset wurde postdienstlich Raeren
unterstellt.
x x
Außer dem deutschen Bundespräsidenten Heinemann, dessen
Sonderzug von Köln kommend bei einem offiziellen Staatsbesuch
in Belgien im Bahnhof Welkenraedt kurz anhielt, dürften auch
zahlreiche weitere hohe Persönlichkeiten die Strecke befahren
haben. Sie zählt zu den wichtigsten Europas, von London und
Paris nach Kopenhagen und Moskau und mit dem ehemals
geheimnisumwitterten Orient-Express nach Istanbul und Ankara.
* ok
Belgische Zollbeamte und Gendarme kontrollierten die
Zugreisenden ab Lüttich bis Aachen; deutsche Zoll- und
Grenzschutzbeamte kontrollierten ab Köln oder Aachen bis
Verviers oder Lüttich.
Diese Kontrollen zwischen Belgienund Deutschland wurden
zu Beginn der 90er Jahre dank der Vereinbarungen der
Europäischen Gemeinschaft völlig aufgehoben.
x k &
Als diese "Meldungen" niedergeschrieben wurden, wurden
höheren Orts in Brüssel, Paris und Köln die Pläne für die Ankunft
des französischen Hochgeschwindigkeitszuges TGV (Train ä
grande vitesse) ausgearbeitet.
Welche Zunkunft wird ihm im baldigen 21. Jahrhundert
beschieden sein?
50
In der zweiten Hälfte des 18. Jh. wurde die Ostfassade durch
Schaffung neuer Öffnungen umgestaltet, so daß die drei Geschosse
in drei Achsen im Stile der damaligen Zeit neue Stichbogenfenster
mit überstehenden Keilsteinen erhielten.
Nordfassade
An der Nordfassade befinden sich Fenster aus der zweiten
Hälfte des 18. Jh. gleicher Art wie an der Ostfassade; nur das
mittlere obere Fenster wurde ausgespart.
Spuren der alten Fensteröffnungen sind noch zu,erkennen.
Westfassade .
Auch die Westfassade wurde im 18. Jh. verändert und mit
vier Stichbogenfenstern mit überstehenden Keilsteinen versehen.
Im ersten Geschoß befindet sich zwischen den Fenstern eine
kleine quadratische Öffnung und ein wenig darüber -zwischen
dem ersten und dem zweiten Geschoß- ein altes vermauertes
Fenster mit einem Sturz als Satteldach, ein Überbleibsel von der
ursprünglichen Geschoßeinteilung. Ein gleiches Fenster mit
verwittertem Sturz ist im dritten Geschoß -nahe einer Öffnung
gleicher Größe- zu sehen.
Südfassade
Die Südfassade erfuhr im 18. Jh. keine wesentlichen
Veränderungen. Aus der Zeit des 15.Jh. sind noch vier gleichmäßig
aufgereihte kleine Öffnungen mit grob gehauenen Satteldach-
Stürzen vorhanden, von denen zwei vermauert sind.
Verteidigungselemente
Haus Raeren besaß früher anscheinend ein Flachdach mit
einem zinnenbewehrten Umgang. Die Zinnen dieses Wehrganges
sind bei der Aufsetzung des Walmdaches größtenteils zugemauert
worden.
An der Nord- und Südseite sind noch je zwei Wasser-
abflußsteine des alten Wehrganges vorhanden.
An der Nord-, West- und Südseite sind jeweils unter drei
symmetrischen Öffnungen Blausteinkonsolen zu sehen, die früher
Verteidigungswerke getragen haben sollen.
Schießscharten sind noch vorhanden unter den Parterre-
fenstern der Nord-, West- und Südseite.
51
B. LEHNSWESEN ®
Haus Raeren war bis zur Franzosenzeit (1794) ein Lehen des
Aachener Marienstiftes.
Kaiser Heinrich IV. machte im Jahre 1072 dem Aachener
Marienstift das Gut Harna (Walhorn) zum Geschenk. Man kann
annehmen, daß seit dieser Zeit der Propst des Kapitels des
Aachener Marienstiftes die Grundherrschaft im Gebiet des
Walhorner Königshofes und der späteren Bank Walhorn ausübte,
zu der auch Raeren gehörte. Vielleicht datiert auch seit dieser Zeit
die Gründung der Propsteilichen Mannkammer, die für die
Belehnung der einzelnen Güter an die Lehnsmannen zuständig
war. Die Belehnungen werden wohl den Hintergedanken gehabt
haben, dem König eine "Mannschaft", also ein Heer, zu schaffen,
denn den Lehnseid durften nur wehrhafte Männer leisten. Die
Lehnsregister (Aufzeichnungen über Vergabe, Berechnungen,
Verkäufe, Belastungen usw.) der Propsteilichen Mannkammer
des Aachener Marienstiftes aus den Jahren 1394 bis 1794 sind
noch beim Hauptstaatsarchiv Düsseldorf unter den
Registriernummern Aachen, Marienstift, Akten 4a, Bd. 1-15 und
4b, 1-6 vorhanden.
Im vorgenannten Register kann man lesen, daß am 13.
Oktober 1473 der älteste Sohn des Karsilius von Schwartzenberg,
Reynart von Schwartzenberg, Haus, Burg und Lehen "zo den
Raederen" (zu Raeren) für sich und seine Miterben als nächste
Verwandte des Emmerich von Bastenach empfing. (Die Mutter
des Karsilius war eine geborene Maria von der Roitzen, seine Frau
vermutlich eine Katharina von Bastenach.)
Mit Burg wird wohl das befestigte Haus Raeren gemeint
sein, da zu dieser Zeit die sogenannte Burg Raeren im Besitz der
Familie Krümmel von Nechtersheim war.
Zu Haus Raeren gehörten ursprünglich noch Haus Bergscheid
und Gut Möris, die im 16. Jh. abgesplissen wurden, sowie Haus
Raaf/Ravenhaus.
Es war damals bei der Ritterschaft des Herzogtums Limburg
und auch bei der Aachener Mannkammer üblich, daß der älteste
Sohn das väterliche Haus oder Schloß erhielt, während sich die
Geschwister die Ländereien teilten. So ist nicht verwunderlich,
daß es häufig zu Absplissen und Zerstückelungen der ehemaligen
Stocklehen kam.
32
Starbein Elternteil eines Lehnsinhabers, so traten die Kinder
die Erbschaft an, kamen aber nicht in deren Genuß, da dem
zurückgebliebenen Elternteil die "Leibzucht" an dem Nachlaß
des Ehegatten zustand. Oft wurde auf die Leibzucht verzichtet.
Waren keine Kinder vorhanden, so traten die nächsten
Verwandten (Geschwister, Kinder der Geschwister usw.) die
Erbschaft an, so auch im Jahre 1473 bei Haus Raeren.
Erhob jemand Einspruch gegen eine Belehnung, so wandte
er sich an den Aachener Vizepropst mit der Bitte, daß dieser ihm
durch "Benachtung" zu seinem Recht verhelfen solle. Die
Benachtung wurde angesagt und in Abständen von 14 Tagen
(ursprünglich Nächten) wiederholt. .
Ein neuer Lehnsmann mußte seine Herrschaft beim Antritt
"relevieren", d.h. er ließ sich belehnen und mußte dafür eine
Gebühr bezahlen. .
Die Ländereien von Haus Raeren beliefen sich 1721 immerhin
noch auf 80 Morgen.
C. DIE BEWOHNER VON HAUS RAEREN ®
Die Liegenschaften im Bereich von Haus Raeren werden in
den Lehnsregistern ursprünglich Haus, Burg und Lehen "die
Roetze" genannt.
1420 Dez. 26.
Goswyn von Zevel empfängt ein ungenanntes Gut des
Karsilius von der Roetzen als Sachwalter seiner Frau.
1422 Aug. 4.
Lambert Buck und seine Schwester, die Frau des Emmerich
von Bastenach, schließen einen Vertrag, wonach Lambert Buck
nach dem Tode des Goswyn von Zevel das Haus "zen Roderen"
und seine Schwester eine jährliche Rente erhält. Nach dem Tode
des Lambert Buck sollen sich die beiderseitigen Kinder über den
Besitz einigen.
Mit der nebenstehenden Urkunde vom 13. Oktober 1473 aus den
Lehnsregistern der Propsteilichen Mannkammer des Aachener
Marienstiftes empfing Reynart von Schwartzenberg für sich und seine
Miterben das Haus Raeren (Kopie HSTA Düsseldorf).
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58
+ 13.02.1789, GD 1771 Maria Anna Mennicken, * 24.01.1746,
+ 22.02.1828, kauft Haus Raeren zurück.
Der Kaufpreis beträgt 1200 Pattacon, 1 1/2 Carolin als
"Kirmes" für die Hausfrau des Verkäufers und 50 Gulden für
Weinkauf und "Gottesheller”.
1828.
Vermutlich ging Haus Raeren nach dem Tode der Vor-
genannten in das Eigentum der Tochter Anna Katharina von
Schwartzenberg * 1778, + 1859 bzw. deren Ehepartner.
Anna Katharina war zweimal verheiratet:
1.QD Arnold Joseph Parisis 1811 in Köln, .
2.0D 1818 Johann Michael Flamm 1842 in Köln.
Bei dem Letztgenannten steht verzeichnet: "Gutsbesitzer in
Raeren".
Die weiteren Besitzer:
1858
Familie Jordon durch Kauf.
1912 ,
Herr Gerhard Nöcken aus Aachen aus Zwangsversteigerung.
1917
Haus Raeren geht durch Kauf an Herrn Hauptlehrer Johann
Blank, dessen Nachkommen es noch heute bewohnen.
Der beigefügte Auszug aus der Stammtafel "von Schwartzenberg"
gibt weitere Auskünfte über Verwandtschaft und Erbfolge der
Besitzer von Haus Raeren.
D. RAERENER MÜHLE
Neben Haus Raeren. lagen die zugehörigen
Wirtschaftsgebäude und ebenso die Raerener Mühle, eine
Wassermühle, die von einem künstlich hergestellten Seitenarm
des Periolbaches gespeist wurde.
Während Haus Raeren ein Lehen des Aachener Marienstiftes
war, wurde die Raerener Mühle -wohl wegen des ihm zustehenden
Mühlenregals- vom Herzog von Limburg als Lehen vergeben.
2 . )
DR
Das Käuferehepaar Johann Leonhard v. Schwartzenberg
und Maria Anna Mennicken ®
60
Die Raerener Mühle scheint vor 1572 in das Eigentum der
Familie von Schwartzenberg gekommen zu sein. In den Walhorner
Gudungsbüchern steht in einer Urkunde vom 27. März 1572
vermerkt, daß der Jonker Peter Swartzenberch und der Prior des
Klosters Brandenburg im Auftrag des Konvents einen Erbwechsel
vorgenommen haben. Peter Swartzenbercherhielt dabei 3 Morgen
und 6 Ruten Land, die der Konvent zwischen Haus Raeren und
"Swartzenberchs Erb" liegen hatte. Dagegen übertrug der Jonker
Peter Swartzenberch dem Konvent über 4 Morgen Wiesen hinter
dem Bongart "tzegen dye moelen, die jonker Swartzenberch van
drossent end scheffen ouys der gemeeynde gegolden haet." ® Ein
von Schwartzenberg hatte also die Mühle von der Gemeinde .
gekauft. Es handelt sich mit größter Wahrscheinlichkeit um die
Raerener Mühle, da nach dem Ableben des Peter von
Schwartzenberg im Jahre 1607 sein noch minderjähriger Sohn
Wilhelm die Mühle empfing. ®
Es ist nicht urkundlich belegt, hat aber den Anschein, daß die
Mühle später an einen Neffen des Peter von Schwartzenberg ging
(Wilhelm von Schwartzenberg QD Elisabeth Bock), der im Jahre
1608 auch Haus Raeren erhielt.
Auch in der Folgezeit scheint es so gewesen zu sein, daß die
jeweiligen Besitzer von Haus Raeren auch die herzogliche Mühle
empfingen.
Vondem Sohndes vorgenannten Wilhelm, der auch Wilhelm
hieß ( GD Guedgen Krümmel von der Rave) und der vermutlich
kinderlos war, kam die Mühle 1649 an den Neffen des Letztgenann-
ten, an Johann Wilhelm von Schwartzenberg (GQD Anna Maria
Bertolf von Belven) ®,
Der vorgenannte Johann Wilhelm relevierte auch am 5.
Februar 1649 das Haus Raeren®, Schließlich kamen die Raerener
| Mühle und auch Haus Raeren 1672/1674 an den Sohn Johann
Heinrich des vorgenannten Johann Wilhelm 0%,
Da Johann Heinrich kinderlos war, kamen seine Güter 1679
über seine Schwester Anna Katharina, die mit Wilhelm Bertolf
von Belven vermählt war, in andere Hände.
Über Maria Magdalena Bertolf von Belven, die mit Sigismund
de Lamboy verheiratet war, kamen Anteile an die Kinder Engelbert
Wilhelm und Johann Wilhelm Joseph de Lamboy.
Der erstgenannte Sohn Engelbert Wilhelm de Lamboy
verkaufte die Mühle am 10. Juni 1761 an den Aachener Kanonikus
61
Niclas Jacques Smets ”. In einer Urkunde von 1772 wird erwähnt,
daß Niclas Coemoet seine Mahlmühle unter Raeren, die er laut
Not. Instr. vom 9. September 1758 für 2067 Maastrichter Gulden
von Kanonikus Smets gekauft hat, als Sicherheit einbringt 02,
Ander Raerener Mühle entstand später die Gerberei. Gielen
schreibt: "Am 8. Oktober 1858 erhielten die Müller Peter Nikolaus
Radermacher und Wilhelm Josepf Creutz (Gerber zu Raeren-
Mühle) die Konzession für eine Dampfmaschine von 6
Pferdekraft." 03
Außer der Raerener Mühle waren zeitweise auch die
Lohmühle und die Neudorfer Mühle (Raeren, Pfaustraße 5) im
Besitz der Familie von Schwartzenberg.
Die Lohmühle kam durch Heirat an Johann Joseph Schauff.
Dessen Nachkomme Wilhelm Joseph Schauff, der ledig war,
stellte sie im Jahre 1865 der Allgemeinheit zur Verfügung, und
daraus entstand dann das heute noch bestehende Marienhospital.“®
E. HAUS RAEREN und der SCHWARTZENBERGER ZEHNT
Vieles deutet darauf hin, daß der Besitz von Haus Raeren mit
dem eines Zehntbezirkes in Raeren gekoppelt war.
Aus diesem Grunde werden nachfolgend die interessante
Geschichte der Walhorner Zehnten und die Besonderheiten der
Raerener Zehnten kurz dargestellt. Wie bereits in Abschnitt B
erwähnt, besaß der Propst des Kapitels des Aachener Marienstiftes
in der Bank Walhorn, die aus einem Königshof hervorgegangen
war, die Lehns- und Grundherrschaft.
Zum Königshof Walhorn wird schon früh eine Kapelle oder
Kirche bestanden haben, an der der Propst das Kollaturrecht
(Einsetzung eines Geistlichen) ausübte und aus der später die
Pfarrkirche für das gesamte Gebiet der Bank Walhorn entstanden
ist.
Nun war es bis zur Franzosenzeit üblich, daß von den
Gläubigen - insbesondere von den Zinsgütern - der sog. Zehnte,
die damalige Kirchensteuer, gefordert wurde.
Soweit die Quellen zurückreichen, standen die Zehnten fast
in der gesamten Bank Walhorn dem Kapitel des Aachener
Marienstiftes zu.
Es handelte sich neben Walhorn selbst um die Orte und
Weiler Astenet, Belven, Eynatten, Hauset, Hergenrath, Kettenis,
Merols, Neudorf und Rabotrath 09,
64
QUELLENANGABEN
1) Reiners: Die Kunstdenkmäler von Eupen und Malmedy, Düsseldorf, 1935,
S. 169/170
Denkmälerverzeichnis 8, Raeren, (Deutschsprachige Gemeinschaft) Eupen
1990, S. 336/338
2) von Coels: Die Lehensregister der Propsteilichen Mannkammer des Aachener
Marienstiftes, Bonn, 1952, S. 1f
3) von Coels, a.a.0., S. 607 f
Gothaisches Genealogisches Taschenbuch der Adeligen Häuser;
Deutscher Uradel. Gotha, 1929, S. 294 £
Macco: Aachener Wappen und Genealogien. Aachen, 1907, S. 146 f
Reiners, a.a.O., S. 169/170 .
Gielen: Raeren und die Raerener im Wandel der Zeiten. Eupen, 1967, S. 26 £
4) Quix: Kreis Eupen; Aachen 1837. S. 183 N
5) Fotos aus dem Archiv Bernard von Schwartzenberg, Ittervoort (NL)
nach Originalölgemälden, 1982 noch im Besitz von Frau Hildegard von
Schwartzenberg, Aachen
6) Staatsarchiv Eupen. Gudungsbücher Walhorn, Nr. 4, pag. 24
7) Cour f£odale, 4, Archiv Limb., Liege, pag. 43
8) ebenda 6, pag. 11
9) von Coels, a.a.0. S. 614
10) Cour f&odale, 6, Archiv Limb., Liege. pag. 105
11) von Coels, a.a.O., S. 615 und S. 597
Zeitschrift "Im Göhltal", Heft 46/1990., S. 45
12) von Coels, a.a.O., S. 597
13) Gielen, a.a.O., S. 114
14) Gielen, a.a.O., S, 145
15) Nolden: Besitzungen und Einkünfte des Aachener Marienstiftes Aachen
1977, S. 237
16) ebenda, S. 309 und S. 311
17) ebenda, S. 312
18) ebenda, S. 238
19) ebenda, S. 314
20) Quix, a.a.O. S. 47
21) Nolden, a.a.O. S. 247
von Coels, a.a.0. S. 598 f., S. 567 ff., S. 641, S. 691 f.
22) Nolden a.a.O. S. 248
23) Wirtz, Eupener Land. Berlin 1936, S. 54
24) von Coels, a.a.O. S. 599
25) ebenda, S. 598 und S. 607
26) Gielen, a.a.O0. S. 72
27) ebenda, S. 76
28) Nolden, a.a.0O. S. 247
BILDNACHWEIS
Titelbild = Zeichnung des Verfassers
Foto in Abschnitt A. vom Verfasser
‚Zur Urkunde in Abschnitt B.: Beim HSTA Düsseldorf wurde s.Z. die Genehmingung
für die Veröffentlichung in der Familiengeschichte (1988) eingeholt.
65
Der Tubbak brennt!
von Jakob Langohr, 1993
E Kelmes ejen Thymstroot,
janz lenks janz ondena,
doe woer e klee Geschäfke,
dä Häer, dat woer der Ahn.
Doe joev et lääre Lappe,
och Kläves vöer te pappe,
och Absätz kleng än gruete,
kött, alles vör de Puete.
Lenks Loege Kratzenägel,
än vöere hölte Penn,
reets henge stong e Kömpke,
doe woere Ronnköpp dräe.
En Grüll va "Grimm än Trippel",
bis ove vohl met Schick,
doe kräegs de van et Kicke
der Hoes voll suere Schleck.
Och Schmergel vöer te schliepe
än alles vöer te piepe.
Ene Tubbak, dä hoesch "Ajja"
met vöere dropp en Möesch,
än stärke schwatte "Semois"
met Kruth dräe udene Böesch.
"Johnson" än "Havanna",
de Long song Alleluja.
Damezigarettchere, schön langk,
än dönn, et stemmt,
doe höj ech driete Männche
och at ens drae geflömmt.
Der Prieß vöer der Zijaare,
me koss sech net beklage,
jett belleger ut et Rüetche,
ne frang twei met et Tüetche.
Die roeke, wenn se schwamde,
wie Pfeffermönz än Müff,
wie ägeschlope Föet,
wie ne ongemakde Püss.
66
Joe wie dat fröjer woer,
et Geld woer ömmer knapp,
die dühr vöer Timmerhannes,
die bellege vöer der Papp.
Ne Vrönd goev mech e Brennglas,
dat woll ech utprobeere
va butes op dä Tubbak,
än watt dong due passere?
Dä Tubbak vong ant brenne,
än ech vong a te gringe. =
Wat due? Ech reet die Döhr op
än schregde Hölp än Moet. .
Der Ahn kräeg Lapp än Water,
et Vüer dat woer flott ut.
Mech vohl et wie Paveisteng 5
ut minge Maag eruet.
Ech woll mä vutt, mä lope,
mä no die Döhr eruet.
Der Ahn joev mech noch Frange
vöer e Tüetche Zuckerstange.
Wie Papp sech johl et Piepes
et Samstes vöer der Week,
et schönste van et Janze:
Der Vadder aadeg keek,
der Ahn schenkt em Zijaare,
vof Stöek, van die ganz dürh,
weil hömm gesaaht et Jöngske,
datt e je Fenster Vüer.
Ech hauw mech at gehauwe
met twei Heng vass de Fott,
noe lachde ech mech schibbeleg
än och noch hoef kapott.
Erläuterungen:
Kläves = Klebzeug; hölte Penn = Holzstifte; Ronnköpp = Rundkopfnägel;
Grüll = Schüssel; Schick = Kautaback; Schwamde = qualmte: Püss = Bett;
Timmerhannes = Bergwerksdirektor Timmerhans;
Hölp en Moet = Hilfe u. Mord = "Zeter u. Mordio";
et Piepes = Rauchwaren,
67
Hundert Jahre Freiwillige
Feuerwehr Kelmis/Neu-Moresnet
von Walter Meven
PM “7 FREIWILLIGE FEUERWEHR
* PREUSSISCH- unD NEUTRAL-MORESNET
Der bekannte Dichter Friedrich von Schiller widmet in
seinem Gedicht von der Glocke dem Feuer einen eindrucksvollen
Abschnitt, der die Wohltaten, aber auch den Schaden, den dieses
Element bei der vom Menschen nicht mehr kontrollierbaren
Entfaltung anrichtet, beschreibt.
"Wohltätig ist des Feuers Macht,
Wenn sie der Mensch bezähmt, bewacht;
Und was er bildet, was er schafft,
Das dankt er dieser Himmelskraft.
Wehe, wenn sie losgelassen,
Wachsend ohne Widerstand )
Durch die volkbelebten Gassen
Wälzt den ungeheuren Brand!
Denn die Elemente hassen
Das Gebild der Menschenhand."
Zu Lebzeiten des Dichters war es wohl ein hoffnungsloses
Unterfangen, mit den damals zur Verfügung stehenden
Bekämpfungsmitteln einem solchen Inferno beizukommen.
Die großen Stadtbrände im 17. Jh. sind ein lebendiges
Beispiel dafür. Die Häuser und Wohnungen, meist nur aus
leichtbrennbaren Materialen erbaut, boten dem Feuer willkommene
Nahrung. Das Beispiel der Stadt Aachen gibt hier ein
eindrucksvolles Bild, wie durch ein kleines Schadenfeuer in einer
|
|
68
Bäckerei unterhalb der Jakobskirche (1656) die Stadt in wenigen
Stunden zu 80 % niederbrannte. Dies sei besonders, so wird
berichtet, durch den damals so genannten Lütticher Wind, der die
Wohnstätten von Westen nach Osten systematisch in den
Feuersturm einbezog, verursacht worden.
Aus dieser Erfahrung heraus erließ man in Aachen 1656 eine
Verordnung, wonach alle Häuser beim Wiederaufbau in Stein zu
errichten seien. Eine Feuerschutzverordnung besagte, daß
Bekämpfungsmittel in ausreichender Menge bereitgestellt wer-
den mußten, die von allen Bürgern der Stadt anzuschaffen waren.
Alle Einwohner waren verpflichtet, sich an den Hilfs- und
Bekämpfungsmaßnahmen zu beteiligen. ?
So hatten Brautleute bei ihrer Hochzeit einige lederne Brand-
eimer zur Verfügung zu stellen. Die damals noch offenen Bach-
läufe boten reichlich Wasser, um in einer Eimerkette das Feuer zu
bekämpfen. Je nach Umfang des Feuers ein schier hoffnungsloses
Unterfangen!
Auch in der jüngsten Vergangenheit, in den harten Zeiten
des Zweiten Weltkrieges, hat uns das Beispiel der Stadtbrände
gezeigt, wie schwer es auch mit modernen Löschgeräten ist,
Flächenbrände wirksam zu bekämpfen. Hier stellten zudem die
von Trümmern übersäten Straßen ein fast unüberwindliches
Hindernis zur rechtzeitigen Bekämpfung der Brandherde dar.
Alle verfügbaren Wehren der Umgebung Aachens wurden in den
Kriegsjahren vom Höheren SS und Polizeiführer West, der seinen
Sitz in Kaiserswerth bei Düsseldorf hatte, noch während des
Luftangriffs zum Angriffsziel beordert. Auch die hiesigen Wehren
beteiligten sich an den Löscharbeiten im nahen Aachen, nur sind
leider darüber keine Aufzeichnungen mehr vorhanden. Zu den
nach Aachen beorderten Wehren gehörte auch die Freiwillige
Feuerwehr von Kelmis unter ihrem Kommandanten Kreitz.
In Kelmis, besser gesagt: im neutralen Gebiet, war man in
der glücklichen Lage, daß die Bergwerksgesellschaft der Vieille
Montagne schon in der Mitte des vergangenen Jahrhunderts eine
geordnete Wehr mit guter personeller wie technischer Ausstattung
besaß. Sie war nicht nur für die Betriebseinrichtungen zuständig,
sondern auch für die Brandbekämpfung auf dem übrigen
Gemeindegebiet.
Um eine vom Werk unabhängige Wehr zu erhalten (es war
dies auch der ausdrückliche Wunsch des Feuerlöschrevisors Reim),
69
stellte man 1894 Überlegungen an, eine eigene, wenn auch auf
freiwilliger Basis stehende Wehr zu gründen. Doch sei hier ein
Rückblick gestattet.
Die Leistungen der Bergwerksfeuerwehr
Wie der Bürgermeister von Preußisch-und Neutral-Moresnet
wiederholt (1880, 1882, ...) auf entsprechende landrätliche
Anfragen berichtet, war in seiner Gemeinde das Bedürfnis nach
einer eigenen Wehr nicht vorhanden, "weil die Gesellschaft des
Altenberges eine wohlorganisierte Feuerwehr (Brandkompanie)
unterhält". Auf Grund der Konzessionsbedingungen für Zinköfen
sei die Gesellschaft der Vieille-Montagne verpflichtet, im Falle
eines Brandes ihre Geräte zur Verfügung zu stellen. Drei
Brandkompanien seien bei der V-M in Aufstellung begriffen. Für
den Fall, daß der Bergwerksdirektor Bilharz seine Drohung
wahrmache, bei Weigerung der Gemeinde, die Löscheinsätze der
V-M-Feuerwehr mit einer "genügenden" Gratifikation zu
honorieren, keine Bedienungsmannschaften mehr für die
Löschgeräte zur Verfügung zu stellen, könne nur eine
Polizeiverordnung die Männer zum Löschdienst verpflichten.
Schon 1858 hatte der damalige Bürgermeister Kohl in einem
Schreiben an den Landrat berichtet, seine Gemeinde habe nie
Löschgerätschaften besessen und es hätten folglich auch nie
Übungen des Brandkorps stattgefunden. "Aber", so der
Bürgermeister, "das Bergwerk Altenberg besitzt mehrere
Brandspritzen, auch ist ein Brandkorps vorhanden, worin der
hiesige Beigeordnete, Herr Krauß, Chef ist. Bei etwa
vorkommendem Brande stehen gedachte Brandspritzen nebst
Brandkorps für die hiesige Gemeinde zur Disposition."
In den fünfziger Jahren des vorigen Jahrhunderts schenkte
die Aachen-Münchener Feuerversicherung fast allen
Landgemeinden des Kreises Eupen eine Brandspritze der Fa
Beduwe/Aachen.
Auch für Neutral-Moresnet liegt eine vom 6.9.1854 datierte
Mitteilung dieser Versicherungsgesellschaft an den "Bürgermeister
Mostert am Bilchen bei Hergenrath" vor, wonach die Direktion
der Aachen-Münchener beschlossen hatte, dem Ort Altenberg
(=Neutral-Moresnet) eine Spritze zu schenken und dieselbe bei
Herrn Reip aufzustellen.
70
Der Bürgermeister sah es als zweckmäßiger an, wenn die
Spritze auf Tülje aufgestellt würde, da auf dem Altenberg ohnehin
drei Brandspritzen vorhanden seien.
Leider geht aus den Unterlagen nicht hervor, ob die Schenkung
tatsächlich schließlich und endlich erfolgt oder ob sie an der Frage
des Aufstellungsortes gescheitert ist.
Wie sich später herausstellen sollte, war man in Neutral- und
Preußisch-Moresnet im Irrtum, wenn man glaubte, die Bergwerks-
gesellschaft sei laut Konzessionsbedingungen verpflichtet, bei
Bränden auf dem Gemeindegebiet ihre Betriebsfeuerwehr einzu-
setzen. Die Gesellschaft hat dies jedoch während Jahrzehnten in
sehr uneigennütziger Weise getan. .
Die Struktur der Bergwerksfeuerwehr ist uns aus einer
Dienstordnung des Jahres 1887 bekannt. Danach bestand diese
Wehr aus 3 Kompanien von resp. 22, 16 und 10 Mann. Jede besaß
einen eigenen Brandmeister sowie eine Spritze. Spritze Nr. 1 war
in den Pferdeställen, Spritze Nr. 2 in der Wäsche und Spritze Nr.
3 in einem Schuppen in der Nähe des Kollerganges untergestellt.
Der Löschzug 1 setzte sich aus Arbeitern der Wäsche und der
alten Halden zusammen; zum 2. Löschzug gehörten Arbeiter der
Werkstätten, des Lagerplatzes, des Magazins und der Wäsche; der
dritte Zug bestand ausschließlich aus Arbeitern der Röstöfen und
der Hochöfen.
Paragraph 5 der Dienstordnung bestimmt, daß die erste
Kompanie bei einem Brand auf dem Gebiete "Altenbergs", d.h.
Preußisch-und Neutral-Moresnets, sich unverzüglich an den
Brandort zu begeben habe.
Die 2. Kompanie habe sich zum Einsatz bereit zu halten,
dürfe aber nur auf besonderen Befehl des Direktors, des Ingenieurs
oder - bei Abwesenheit derselben - des Chefs der 1. Kompanie
ausrücken. Bei Bränden außerhalb dieses Bereichs hatten sich die
beiden ersten Kompanien einsatzbereit zu halten, mußten aber auf
den ausdrücklichen Einsatzbefehl des Direktors, des Ingenieurs
oder - in deren Abwesenheit - der Kompaniechefs warten.
Löscheinsätze wurden bei Tag mit 125, bei Nacht mit 150 %
des normalen Lohnes entgolten.
Über solche Löscheinsätze liegen ein Vielzahl von
Presseberichten und Meldungen an den Landrat vor.
Greifen wir einige davon heraus.
7%
Am 8. Dezember 1853 berichtete Bürgermeister Cornelius
Hubert Mostert dem Landrat:
"Euer Hochwohlgeboren
beehre ich mich gehorsamst zu berichten, daß in verflossener
Nacht vom 7.-8. d.Mts. um 2 Uhr am Bildchen hierselbst ein
fürchterlicher Brand ausgebrochen ist, welcher durch seine rasche
Ausdehnung 3 Häuser, 3 Ställe und 1 reichlich mit Frucht angefüllte
Scheune sowie über diesen Ställen bedeutende Heuvorräte verzehrte.
Sämtliche Gebäude sind Eigentum des hier wohnenden
Gutsbesitzers Herrn Gerhard Jos. Bree und sind in keiner
Feuerversicherung versichert.
Nachdem der Brand entdeckt worden, rief der zu Bildgen
wohnende Bergmann Math. de Beauregard mir zur Hilfe dorthin
zu kommen (sic).
Sofort begab ich mich dorthin und sah nun, daß schon das
ganze Dachwerk aller Gebäude, welche mit Ausnahme eines
Wohnhauses mit Stroh gedeckt waren, in einer Flamme standen
und'es war an Rettung der Dächer gar nicht mehr zu denken.
Etwa gegen drei Uhr kamen eine Brandspritze des Altenbergs
und die Brandspritze der Gemeinde Hergenrath; sodann strömte
eine große Anzahl Leute von Hergenrath und Kelmis herbei,
wobei ich noch besonders bemerke, daß von Seiten der Verwaltung
des Altenbergs Befehl erteilt worden war, daß sämtliche in der
Nacht dort arbeitenden Leute sofort zur Hülfe eilen sollten.
Was nun noch irgend zu retten war, wurde zu retten versucht
und gerettet.
Lobend muß man anerkennen, wie sich sämtliche
herbeigeeilten Leute aus der ganzen hiesigen Gegend mit vielem
Fleiße an der Unterdrückung des Brandes beteiligten.
Ganz besonders, ja fast nicht zu erwarten, tätig, umsichtig
und mit großer Selbstaufopferung zeichnete sich Herr Obersteiger
Philipp Krauß von hier aus.
Ferner verdient die ausgezeichnete Tätigkeit des Bergsteigers
Heinr. de Beauregard aus Neutral Kelmis und des Bergmannes
Mathias de Beauregard zu Bildchen hierselbst wohnend anerkannt
zu werden.
Wie dieser Brand ursprünglich entstanden ist, habe ich nicht
ermitteln können. Die zu Bildchen wohnende Witwe Nicolas
Keutgen hat im Bett liegend etwas knacken gehört, weshalb sie
| 72
aufgestanden war; als sie nun zum Fenster hinaus gesehen,
bemerkte sie, daß der neben ihrem Hause unter einem Dache
liegende Stall ganz in Feuer und Flamme stand, weshalb sie gleich
herunter gegangen und den im Stalle schlafenden Knecht
aufweckte. Dieser Stall liegt gerade mitten zwischen den
abgebrannten Gebäuden, welche alle unter einem Dache ein
zusammenhängendes Ganzes bilden..."
In einem der Häuser wurde eine Gastwirtschaft betrieben
und es ist nicht uninteressant, die Liste der bei dem Pächter dieser
Wirtschaft, der auch Fuhrdienste für die Vieille-Montagne leistete,
bei dem Brande verloren gegangenen Gegenstände näher
| anzusehen, sagt sie doch einiges über die Lebensgewohnheiten
und die wirtschaftlichen Verhältnisse der Bewohner aus.
Das "Verzeichnis der mir am 8. Dezember bei dem am
Bilgen stattgehabten Brande verbrannten und verdorbenen
Gegenstände" führt auf:
1. Vier Karren ungedroschenes Korn
2. Eine Karre Heu
3. Eine Partie Heu, welche ich noch hatte
4. Dito Stroh
5. Dito Stroh
6. Verschiedenes Holz, als Kefferen und Bergbauholz.
Bretter, der Belag der Hölzer auf dem Heuboden zum Tragen
des Heues nebst Hühnerstall und drei Hühnern
7. Das Geschirr meiner drei Pferde, teilweise verdoppelt, nebst
Reitsattel
8. Die Futterkiste nebst 2 Faß Hafer, das Bett des Knechtes
nebst Bettlade
9. Eine fast neue Häckselkiste
10. Eine Leiter nebst Schleifstein mit Gestell
11. Die Holzschemel für zwei Karren
12. Eine Fleischbütte zum Einsalzen
13. Eine Brotmulde angefüllt mit Bettflocken
14. Eine Kinderwiege
15. Ein Kartoffelpflug
16. Eine Partie Holz, Speichen genannt, und welches zur
Anfertigung einer Egge diente
17. Eiserne Ketten zum Befestigen des Holzes auf dem Karren
18. Ein kupferner Wasserkessel (neu)
73
19. Eine Karre Brennholz
20. Zwei Käsehorten
21. Verschieden Utensilien des Stalles
22. Ein Kübel zum Butterwaschen
23. Sämtliche Leinwand mit Kleidungsstücken
24. Eine Karre Eichenholz nebst einer eisernen Ofenröhre
25. Eine Schreiner- und Hausbank nebst einer Partie Bretter
26. Schüppen, Gabeln, Haublock nebst Brennholz
27. Fünf Fässer sowohl Schnaps- als Weinfässer
28. Sämtliches eingemachtes Gemüse
29. Geräuchertes Fleisch
30. Zwei Waschkübel und zwei Eimer
31. Eine Bettlade mit zwei Federkissen
32. Kleidungsstücke als Schuhe, Strümpfe, sechs Kinderkleider
33. Eine Partie Kartoffeln
34. An verschiedenes Bettzeug, als Decken, Bettücher und was
sonst dazu gehört
35. Eine schöne neue Bettlade von Eichenholz, halb verbrannt,
hat neu gekostet 14 Reichstaler
36. Eine große altmodische eicherne Bettlade nebst einem
S Kleiderschrank, eine Kommode, ein Gestell zum Gläser
aufstellen in der Wirtschaft, sämtliche Gläser der Wirtschaft
zerbrochen, ein Uhrkasten nebst Hausuhr, alles zerbrochen
und beschädigt
37. Sämtliche Getränke meiner Wirtschaft, teils verschüttet,
teils verbrannt
38. Leere Flaschen und Krüge, gegen 50 Stück,
39. Elf Bier - oder Schnapsfässer abhanden gekommen, verbrannt
oder sonst verkommen
40. Es fehlt mir ein Finger - und ein Ohrring, an Goldwert wenig
berechnet
41. Ich hatte noch an baarem Geld.offen in dem oberen Zimmer
meines Hauses liegen, in dem ich gleich vorher den Fuhrlohn
meiner Pferde für den Altenberg erhalten hatte, ebenfalls
entweder durch die schnelle Flucht verschüttet oder verbrannt,
27 Taler, 10 Sgr."
Den Wert der so verlorenen Gegenstände beziffert der
Geschädigte auf 422 Taler und 15 Silbergroschen.
|
74
Einen weiteren erwähnenswerten Einsatz hatte die
Bergwerksfeuerwehr am 3.12.1863, als in Hergenrath das
Wohnhaus einer armen Frau mit Namen Barbara Driessen in
Brand geriet. Dabei griffen die Flammen auf das angrenzende
sogenannte kleine Armengut (heute Jos. Rotheudt, Aachener
Str.) über. Durch heftigen Sturm angefacht, entwickelte sich der
Brand zu einer Feuersbrunst, die ihre Funken weit in die Umgebung
forttrieb. Dank dem Einsatz der Altenberger Wehr, die mit zwei
Brandspritzen vor Ort war, konnte ein Teil der im Brande
begriffenen Gebäulichkeiten sowie die unmittelbar vor der
Brandstelle liegende, mit Frucht gefüllte Scheune, der weitaus
größte Teil des Mobilars und die umliegenden Gebäulichkeiten
gerettet werden, wofür der Bürgermeister von Hergenrath im
Korrespondenzblatt des Kreises Eupen vom 12.12.1863 den
Helfern aus Hergenrath sowie "mehreren Herren Beamten des
Altenbergs, welche mit ihren Arbeitern und zwei Brandspritzen
herbei geeilt waren", seinen innigsten Dank aussprach.
Recht spektakulär gestaltete sich der Einsatz der Altenberger
Wehrleute beim Brand in der Hergenrather Mühle, am 20.2.1884.
Die Mühle gehörte einem Herrn Delius, wurde jedoch vom
Hergenrather Fabrikanten August Kirschgens betrieben.
Betriebsführer war ein Bruder desselben, Engelbert Kirschgens.
Das Feuer brach gegen 19 Uhr aus; die Hergenrather Spritze
war schnell vor Ort, konnte jedoch allein nur wenig ausrichten. So
rief man noch Walhorn und vor allem die Vieille-Montagne zu
Hilfe,
Als die Altenberger Werksfeuerwehr gegen 20 Uhr mit 2
Spritzen am Brandorte eintraf, sah sie sich mit Rücksicht auf den
Umfang des Feuers genötigt, sich auf den Schutz der benachbarten
Gebäude (Wollwäsche und Lohmühle) zu beschränken, deren
Rettung ihr auch gelang. Der Werkführer Martin Laschet, der in
der Fabrik wohnte, verlor bei dem Brande einen Teil seiner Habe.
Am Vortag war die Frau des genannten Laschet gestorben;
die Leiche derselben wäre wohl mitverbrannt, wenn sie nicht von
den Mannschaften der Feuerwehr hinausgetragen worden wäre.
Ein weiteres Beispiel selbstloser Hilfe bot die
Bergwerksfeuerwehr am 12. Januar 1893, als in Moresnet-
Alensberg der Turm des Schlosses "Alensberg" in Flammen
stand. Erst wenige Jahre zuvor hatte der Besitzer von Alensberg,
75
Herr A. Suermondt (Aachen), den alten Turm vollständig
restaurieren lassen und seitdem bildete dieser eine besondere
Zierde des Schlosses. Dem raschen Eingreifen der Nachbarn und
vor allem der Feuerwehr der Altenberger Gesellschaft war es zu
| verdanken, daß das Feuer nicht auf das Schloß übergriff.
Wenn es in Preußisch- und Neutral-Moresnet trotz der zur
Verfügung stehenden Bergwerksfeuerwehr zur Gründung einer
gemeindeeigenen Wehr für die beiden Orte gekommen ist, so ist
wohl an erster Stelle der sehr fortschrittlich denkende
Bürgermeister Hub. Schmetz, der auch die Wasserversorgung,
die Einführung der Elektrizität und den Anschluß an des Aachener
Kleinbahnnetz vorantrieb, als Initiator zu vermerken.
Die Gründungsversammlung
Die von Bürgermeister Schmetz sorgfältig aufbewahrten
Unterlagen weisen den Dienstag, 5. Juni 1894, als den
Gründungstag der Freiwilligen Feuerwehr zu Preussisch- und
Neutral-Moresnet aus. Voraufgegangen war am 24. Mai eine
vorbereitende Versammlung eines provisorischen Vorstandes,
dem neben Bürgermeister Schmetz noch die Herren Jos.
Timmermann, Adolf Jongh, Adolf Soiron und Wilhelm Kreitz
angehörten.
Diese hatten beschlossen, "die hiesigen im Alter von 17 bis
55 Jahre stehende Einwohner" zur Gründungsversammlung in
das Schützenlokal einzuladen. Von der geplanten Wehrgründung
unterrichtete der Bürgermeister am 31. Mai 1894 den Eupener
Landrat, der sich sehr um das Feuerlöschwesen im Kreis Eupen
bemühte,
Die Gründungsversammlung wurde ein voller Erfolg,
meldeten sich doch sogleich 31 Personen als aktive Mitglieder,
Nurwenig später konnte der Bürgermeister dem Landrat berichten,
die neue Wehr bestehe aus 60 aktiven Mitgliedern und bei der
ersten Generalversammlung, am 15. Juni 1894, seien folgende
Herren in den Vorstand gewählt worden:
Ernst Schlupp als Hauptmann,
Leonard Timmermann als Schriftwart
Wilhelm Schlemm als Stellvertreter
Leonard Klein als Zeugwart
Adolf Jongh als Stellvertreter
76
Jos. Timmermann als Kasssenwart
Am 29.6.1894 wurden die Statuten gutgeheißen.
Beschaffung von Löschgeräten
Die so konstituierte Wehr stieß allseits auf Sympathie und
Unterstützung.
Die Rheinische Provinzial-Feuer-Sozietät stellte zur Be-
schaffung einer Spritze den Betrag von 450 M zur Verfügung. Am
6. Oktober 1894 konnte Bürgermeister Schmetz der Versicherungs-
gesellschaft mitteilen, daß diese Summe beim Ankauf einer
Beduwe'schen Spritze Nr. 12 B "ihre bestimmungsmäßige Ver-
wendung" gefunden habe. .
Der Bürgermeister hatte die Versicherung um eine finanzielle
Unterstützung gebeten und in einem längeren Schreiben auf die
Notwendigkeit der Schaffung einer eigenen Wehr für Preußisch-
und Neutral-Moresnet hingewiesen. Die Gründung einer eigenen
Wehr sei zum Bedürfnis geworden, weil man bei Bränden allseits
der irrigen Meinung gewesen sei, die Gesellschaft Vieille Monta-
gne, welche bisher in der uneigennützigsten Weise Löschhilfe
geleistet habe, sei dazu verpflichtet, so daß Privatpersonen kein
Interesse zeigten und sich möglichst von der Brandstelle fern-
hielten.
Die ersten Anschaffungen: eine Beduwesche Spritze 13 A,
Gerätewagen und Geräte, die allernötigsten Uniformstücke für 84
Mann erheischten einen Kostenaufwand von mindestens 2.500
Mark, während die freiwillige Feuerwehr nur über ungefähr die
Hälfte dieses Betrages verfüge...
Die Feuerversicherung empfahl die Anschaffung einer Saug-
und Druckpumpe Nr. 12 B der Fa Beduwe und stellte, wie gesagt,
450 Mark für die Beschaffung derselben zur Verfügung.
fi Die Bergwerksgesellschaft der Vieille-Montagne, die in der
Gründung einer eigenen Gemeindewehr eine Entlastung der
Betriebswehr sah, ließ dem Bürgermeister am 27. Juli 1894 die
freudige Mitteilung zukommen, daß der Verwaltungsrat
beschlossen hatte, der neuen Gemeindefeuerwehr eine der zu
ihrem Etablissement gehörigen Feuerspritzen nebst Zubehör zum
Geschenk zu machen und zur Unterbringung dieser Spritze ein
Lokal zur unentgeltlichen Verfügung zu stellen. Außerdem ließ
die Gesellschaft der Feuerwehr noch die Summe von 100 F
zukommen. Direktor Jamme teilte dies dem Bürgermeister mit
#7
und beendete sein Schreiben mit den Worten: "Möge die Tätigkeit
derselben (d.h. der Wehr) stets eine gedeihliche sein und der
hiesigen Bevölkerung zum Schutze und zum Wohle gereichen!"
Die Aachener und Münchener Feuer-Versicherungs-
Gesellschaft, die alle Bemühungen um eine wirkungsvollere
Bekämpfung von Bränden stets unterstützte und vielen
Landfeuerwehren Spritzen zum Geschenk machte, beteiligte sich
ebenfalls mit einer Spende von 250 Mark am Ankauf der neuen
Spritze und ließ diese Summe durch ihren Hergenrather Agenten
Jakob Barth auszahlen. Als Bedingung stellte die Aachen-
Münchener jedoch, daß der Empfang des Löschgerätes
"beziehendlich des baaren Beitrages in dem am Orte gelesensten
öffentlichen Blatte" zu bescheinigen und der Agentur der
Gesellschaft ein Exemplar dieses Blattes einzusenden sei.
Die von der Vieille-Montagne geschenkte Spritze entsprach
nicht den Anforderungen der Wehr; Hauptmann Schlupp berichtete
dem Bürgermeister über die ersten Erfahrungen mit derselben
sowie über die notwendig gewordenen Reparaturen und
Änderungen. Diese Spritze sei nach ihrer ganzen Bauart nur für
das Innere von Fabrik-Etablissements bestimmt gewesen, aber
durchaus nicht geeignet für die Bekämpfung offener Schadenfeuer
im Freien. Er teile dies dem Bürgermeister mit, "damit an die
Tätigkeit der Feuerwehr nicht höhere Erwartungen gestellt werden,
als sie mit ihrem Material zu erfüllen vermag".
Erste Einsätze
Ein langer und strenger Winter 1894-95 ließ die
Brandübungen der jungen Wehr ruhen. Am Sonntag, dem 30.
März 1895, trat die Wehr mit beiden Spritzen auf dem Gelände der
Schleifmühle (Fa. Bruch) zu einer Übung an. Daß es noch in der
gleichen Nacht zu einem wirklichen Brandeinsatz kommen würde,
ahnte wohl niemand.
Es war gegen 2 Uhr in der Nacht, als das Alarmsignal durch
Brandglocke und Hornisten gegeben wurde. "Brand auf der
Grube Schmalgraf!" Die Werksfeuerwehr der Vieille-Monta-
gne sowie die Freiwillige Feuerwehr von Preußisch-und Neutral-
Moresnet rückten zur Brandstätte aus, wo das Gebäude voll in
Flammen stand. Drei Spritzen wurden sogleich aufgestellt und
gemeinsam schafften es die beiden Wehren, das Feuer
einzudämmen, so daß um 5 Uhr morgens alle Gefahr gebannt war.
/ 78
| Als die Bergleute am Montagmorgen um 6 Uhr zur Frühschicht
erschienen, konnten sie mit den Aufräumungsarbeiten beginnen.
Das Feuer hatte bedeutenden Schaden nicht nur am Gebäude,
sondern auch an den Maschinen angerichtet, namentlich an den
Pumpwerken, so daß sogar die Befürchtung bestand, die unversehrt
gebliebenen Pumpen könnten zur Wasserhaltung in der Grube
nicht mehr genügen. Das Einstellen des Grubenbetriebes, wenn
auch nur für kurze Zeit, "würde für unsere Arbeiterbevölkerung
von schlimmen Folgen sein", schrieb das "Freie Wort".
Bei den Löscharbeiten gab es auf Seiten der Freiwilligen
Feuerwehr einen Verletzten. Als der Schreiner und Organist F.
(Hub. Frings), der der Steigerabteilung angehörte, sich an einer
ausgekohlten Mauer halten wollte, gab diese nach und begrub den
| Feuerwehrmann unter sich. Mit schweren Kopf- und
| Rückenverletzungen wurde der Mann nach Hause gefahren.
| Die Presse war voll des Lobes über die Leistungen der
Feuerwehr, die bei dem ersten Brandeinsatz seit ihrem Bestehen
sich fleißig gezeigt habe, so daß "unser Ort stolz sein kann, eine
tüchtige und schmucke Feuerwehr zu besitzen und rufen wir der
jungen Wehr ein Vivat, floreat, crescat zu"!
Die Vieille-Montagne bedankte sich bei der Freiwilligen
Feuerwehr für die geleistete Löschhilfe und überwies als
Anerkennung die Summe von 250 F.
Wie der Bürgermeister dem Landrat mitteilte, war bei dem
Brand "das große Maschinenhaus, in welchem sich der
Förderschacht mit Maschinen und 2 Wasserhaltungsmaschinen
(= Pumpen) befanden", total abgebrannt. Die angrenzenden
Gebäulichkeiten, in welchen sich die Dampfkessel und zwei
weitere Wasserhaltungsmaschinen befanden, konnten gerettet
werden.
Bergwerksdirektor Timmerhans schätzte den (durch
Versicherung gedeckten) Schaden auf 32.000 Mark.
A
Dankffagung.
Bon Herrn Fngenieur-Direkıor Tinmmerhand8 wurde
mir heute der Beitrag von 250 Franlen Überwiefen, als
Anerleunung feitens der. GefeIjdhaft „Vieille Montagne“
für die bei dem Brande auf Grube Schmalgraf geleiflete
Träftige Hülle, Beften Dank.
Preuß.-MoreSnet, den 8, April 1895. . f
Der Bilrgermeifler,
SCSchmeb, Ze
Danffagung,
Kite die von Herrn Zu jewent-Direltor Fimmerhand,-
im Anfırage der Bergru:xl3:Gefellfhaft „Vieille-Montagne“
nus anl;ßlid des Arantcs auf ®rube Schmalgraf zunes
BE 280 rc, Aatten wir hiermit unferen verbindligH fen
anf ab.
renßifh-Moresnet, 19. April 1895,
Der Borftand
der Frei, Feuerwehr zu RM u, Neute,-Moresnet,
Schlupp, Hauptmann.
a anne —m—= a Zn >> nam
Freiwillige Fegerwehr
$ für Preassisch- und Neutral Moresnet.
Sonntag, den 28. Inli,
morgens von 7—9 Ubr,
Appel und Yebung.
AUS Der Borfland.
1895. Man beachte die Zeit!
Ag Freimllige Feuerwehr für
FA _ Preussisch- u. Neutr,-Moresnet,
EL an
Man: EM Sonafag, 28. April
AN nachmittags, 4 Uhr,
S UTUebung
fämtlidger Mannfdaftın. ;— Pünktlidhes Srfdeinen
wird jebem zur Pflicht gemacht.
Nachmittags 6 Uhr,
SGeneral-Nerfammlung
im großen Saale bes Orn. Yof, Stammen.
TageSordnaung :;
1. Neuwahl des Haupimannes,
2, Diverfe Anträge, 2
Der Forfiand.
1895, Ankündigung in der Ortspresse (Das "Freie Wort")
80
Freiwillige Fenerwehr
für Preussisch- and Neutral Moresnet.
Sonntag, den 27. Oktober,
nachmittags 2 Ubr,
. Antreten auf dem Apellplabe.
zur Haupt-Uebung.
Nach der Uebung‘ gemütlide Stkung.
Um recht rege Beteiligung bittet S
Der Borfland.
1895, Einmal im Jahre fand eine sog Haupt-Übung statt, .
Kaum war in Kelmis die Aufregung um den Brand auf
Schmalgraf abgeklungen, als die Wehr erneut zu Hilfe gerufen
wurde. Am 9. April, morgens gegen 9 Uhr, brach ein Brand auf
dem Krickelstein, bei Niederau, im Hause Nr. 261 aus. Kaum
hatte die Brandglocke Alarm gegeben, als die Freiwillige
Feuerwehr und auch die Altenberger Bergwerksfeuerwehr zur
Brandstelle ausrückten. Nach zweistündigem Löschen hatten
beide Wehren das Feuer unter Kontrolle. Fünf Familien waren
obdachlos geworden! Das Haus gehörte der Vieille-Montagne.
Dankfagung,
Untergeichnetev erfiattet hiermit der „Altenbzrger Berge
wert3-Feuerwehr“ fowie der „Freivikligen Feuerwehr für
Preußijch» und Neutral-Moresuet“ flir Ihre rafde Hilfe bei
dem Braude feines Haufez auf Kridelfein, feinen Innigfien
Dank ab.
Kelmis, den 11. April 1895.
Wilhelın Niederan.
Die Feuerversicherungsgesellschaften Le Lloyd Belge und
L’Assurance Generale zeigten sich mit Zuwendungen von 25
bzw. 30 F für 1 bzw. 3 Löscheinsätze der Wehr "erkenntlich",
wodurch, wie die Presse anmerkte, noch nicht einmal die Kosten
der stattgehabten Alarmierungen gedeckt seien!
Als Ende Oktober 1894 die erste Hauptübung der jungen
Wehr unter der Leitung eines Feldwebels der Aachener Berufs-
feuerwehr stattfand, konnte der Übungsleiter, Herr Fischer, den
81
Wehrleuten der zur vollen Zufriedenheit verlaufenen Marsch-,
Geräte- und Spritzenübung für ihre Leistungen danken; er freute
sich, so sagte er, "auf dem Lande eine solche Feuerwehr zu
finden".
Im Rahmen dieses Aufsatzes können nicht alle Einsätze
erwähnt werden. Mal ist es ein Wohnungsbrand, mal ein
Waschküchen- oder ein Kellerbrand, den die Freiwillige Feuerwehr
löschen muß. Es brannte bei Schmetz auf Steinkaul, bei
Radermacher, bei Born, bei Wwe Desonne in der Kapellstraße, in
der Lohmühle und im Hotel Bergerhoff.
Ein besonders großer Brand zerstörte in der Nacht vom 13.
auf den 14. Juli 1897 den Bauernhof am Tannenbaum (heute
Moresneter Str.), bei welchem 35 Wehrleute im Einsatz waren.
Dennoch konnte nicht verhindert werden, daß das Haus, das als
das älteste von Neutral-Moresnet galt, bis auf die Grundmauern
abbrannte.
Über diesen Brand schrieb das "Freie Wort" vom 19. Juni
1896: "Sonntag morgen gegen 2 Uhr brach in dem Bauernhof "am
Tannenbaum" Feuer aus. Dasselbe entstand an der Dachecke
eines Schuppens und verbreitete sich mit einer solchen
Schnelligkeit, daß nach etwa einer halben Stunde das ganze lange
Gebäude in Flammen stand. Das Feuer fand in den alten
Dachsparren und Fachwänden reichliche Nahrung. Das Haus ist
wohl das älteste der ganzen Gemeinde, denn es stammt aus dem
Jahre 1693.
Glücklicherweise war das Rindvieh auf der Weide, die aus
dem Schlafe aufgeschreckten Bewohner konnten das Pferd iligst
noch retten, sieben Schweine sowie sämtliche Hühner und Tauben
kamen dagegen in den Flammen um. Die Freiwillige Feuerwehr
von Neutral- und Preußisch-Moresnet war mit sämtlichem
Löschmaterial sofort an Ort und Stelle und trat kräftig gegen das
verheerende Element ein. Nach Lage der Verhältnisse muß man
fast annehmen, daß das Feuer von boshafter Hand angelegt
worden ist. Vorgestern lagerte eine Zigeunerbande in der Nähe,
die von Gendarmen über die belgische Grenze gebracht worden
ist. Die Gebäulichkeiten sowie das Mobilar waren versichert."
1902 brannte es auf Gut Jongenbosch, 1904 in den Stallungen
von Schumacher, 1905 auf dem Gütchen Connotte, 1906 bei Wwe
Rox auf Hagenfeuer und beim Schustermeister Ahn...
82
Feuermeldestellen
Schon 1895 wurde an den Häusern der Hornisten, d.h.
derjenigen Wehrleute, die bei einem Brand die Wehr durch
Hornsignal alamieren mußten, Schilder mit der Aufschrift "Feuer-
Meldestelle" angebracht.
Dennoch wurde empfohlen, Brandmeldungen erst beim
Küster Hackens zu machen, der dann "eine eigens zu diesem
Zwecke eingerichtete vierte Glocke" läutete.
Die junge Wehr in der Zerreißprobe }
Kompetenzstreitigkeiten führten die junge Feuerwehr schon
im ersten Jahre ihres Bestehens in eine ernsthafte Krise. Wer vertritt
die Wehr nach außen hin? Hauptmann Schlupp fühlte sich allein
dazu berechtigt. Die Auseinandersetzung mit Bürgermeister
Schmetz, der sich als oberster Chef der Wehr sah, führte schließlich
am 23. Mai 1895 zur Wahl eines neuen Hauptmanns. Der Gewählte,
Wilhelm Schlemmer, Aufseher in der Kunstwollfabrik von August
Kirschgens in Hergenrath, war jedoch dem Bürgermeister, der den
Schlemmer als Gewohnheitstrinker bezeichnete, nicht genehm.
Der ganze Vorstand sei über diese Wahl sehr aufgeregt, berichtete
Bgm. Schmetz dem Landrat, und wolle unter diesem Hauptmann,
dersich währendseiner Dienstzeit tätlich an einem Offizier vergriffen
haben solle, nicht weiter mitmachen. Angesichts dieser Lage erklärte
Wilhelm Schlemmer seinen Austritt aus der Wehr. Neuer Haupt-
mann wurde der Bergbeamte Johann Harrus, der die Wehr bis Ende
1901 leitete, dann aber nach Unstimmigkeiten anläßlich der
Vorbereitungen des Verbandsfestes i.J. 1900 und auch hinsichtlich
der Disziplin der übrigen Wehrführer sein Amt niederlegte.
Wasservorräte
Nachdem es am 9. September 1895 bei dem Bergmann und
Landwirten Josef Schmetz in Neutral-Moresnet zu einem Brand
gekommen war und dabei die Feuerwehr wegen Wassermangels
vorübergehend in ihrer Löschtätigkeit gehemmt worden war, kam
es im Sommer 1896 auf Bitten des Wehrhauptmanns Harrus zur
Erfassung aller in Neutral- und Preußisch-Moresnet vorhandenen
Zisternen mit Inhaltsangabe derselben.
Bei dem genannten Brand hatte sich der ehemalige Bürger-
meister J. Kohl angeblich geweigert, die Feuerwehr Wasser aus
einem ihm gehörenden Pfuhl entnehmen zu lassen.
83
Die Liste ist nach Straßen angelegt und gibt auch die
damaligen Hausnummern an.
Haus Nr. Namen Inhalt (in cbm)
Hazardstraße
54 Reinartz Wilhelm zZ
57a Franssen Lambert 27
57b Pilliet Maria 14
163 Jünger Hubert 30
487406 Schmetz H., Bürgermeister 10
70 Gesellschaft Vieille-Montagne 15
71 List Hermann, Pfarrer 6
Kirchstraße
112 Zinzen Franz 4
un Nossent Edmund 30
119 Dechesne Stephan 10
108 Soiron Adolf 11
107 Jongh Adolf 8
105 Schrymecker Peter 15
21 Barth, G., Apotheker 10
20a Bauwens Jos. 8
Kapellstraße
119 Zinzen Simon 6
162 Flecken Franz, Apotheker 40
161 Grosch Gerhard 25
131 Schumacher Adam 20
1535 Keutgens Wwe Joh. Jos. 16
Lindenstraße
189a Strauch Jos. 6
Schnellewindstraße
76 Moyano Viktor 15
75 Bock Peter 10
35 Renericken Wwe. Wilh. 24
37 Mostert Leonard 16
84
Vonsstraße
330 Meessen Fritz 10
339 Chantrain Theodor 40
Thimstraße ;
78 Horrion Wwe Hubert 4
83 van Hauten Alois 10
Schützenstraße
153 Pelzer Wilhelm . 4
Radermacher Wwe Wilh. 6
15% Consten Jos. 4
Neustraße
149a Bastin Wilhelm 8
149b Verbert Felix 8
Möckberg
258 Timmermann Jos. 9
Bottenstraße
329 Thaeter Hubert 26
Bruch
198 Zartenar Wilhelm 6
209 Schonbroodt Jos. 15
Krickelstein
262 Zimmer Hubert ) 6
275 Dome Geschwister 4
277 Frank Nickolas 10
278 Schauff Wwe Math. 10
279 Jünger Christian
Heide
286 Kofferschläger Barthol. 9
Gensterdriesch
287 Kreusen Joh. 10
85
(Anmerkung: Die "Hazardstraße" war ein Teil der heutigen Lütticher Straße,
von der Ecke Maxstraße bis zum Bruch.
Die Vonsstraße ist die heutige Albertstraße.
Unter der "Bottenstraße" ist die Stiefelgasse (Stiefel = frz. botte) gemeint. Der
"Möckberg" heißt heute Hagenfeuer.)
Hauptmann Harrus hatte auch darum gebeten, die Gemeinde
möge doch in der Schnellewindstraße neben dem bestehenden
Wasserbrunnen eine eigens zur Bekämpfung von Bränden
bestimmte und 15-20 cbm fassende Zisterne anlegen lassen.
Nachdem dieselbe ein erstes Mal gefüllt wäre, würde man den
Überlauf des Brunnens dadurch führen und so den Behälter stets
voll Wasser halten. Der Bauunternehmer Nik. Emonts hatte sich
schon bereit erklärt, diese Zisterne zum Preis von 20 F pro cbm
auszuführen.
Sowohl die Gemeindeverwaltung wie die beiden kgl. Kom-
missare für das neutrale Gebiet erklärten sich mit dem Vorschlag
einverstanden, so daß die Zisterne in der Schnellewindstraße
angelegt werden konnte.
Dadurch wurden, wie Hauptmann Harrus in einem Schreiben
an den Bürgermeister berichtet, "der Feuerwehr enorme Dienste
erwiesen"; doch voll und ganz könne diese Anlage nur genutzt
werden, wenn ein guter Zubringer vorhanden wäre; so könnten sie
den halben Ort erreichen.
Eine Mitgliederliste (vom 23. Juli 1895)
Sie enthält die Namen von 75 aktiven Mitgliedern, die in drei
Züge gegliedert sind, und zwar Zug 1, die Steiger, Zug 2, die
Spritzen und Zug 3, die Ordnungsmannschaften. Jeder Zug wird
von einem Leutnant befehligt, dem mehrere Unteroffiziere zur
Seite stehen.
Der Vorstand besteht aus 8 Personen. Die Funktionen des
Hauptmanns, des Schriftwarts und des Zeugwarts sind jeweils mit
einem Vertreter besetzt. Hinzu kommen noch der Kassenwart und
von Amts wegen der Bürgermeister. Der Vorstand ist auf drei
Jahre gewählt. Die Feuerwehrleute tragen bei Übungen, Bränden
und öffentlichen Aufzügen Uniform.
Hier die Namen:
Im Vorstand waren:
Johann Harrus, Bergbeamter, Hauptmann
|
86
Adolf Soiron, Metzger, Stellvertreter
Leonard Timmermann, Handelsmann, Schriftwart
| Wilhelm Reinartz, Spinnmeister, Stellvertreter
Leonard Klein, Schenkwirt, Zeugwart
| Adolf Jongh, Bäckermeister, Stellvertreter
Jos. Timmermann, Bäckermeister, Kassenwart
Hubert Schmetz, Bürgermeister
| Die Steigergruppe umfaßte
| Franz Ahn, Schreinermeister BP
| Nikolaus Creutz, Bäckermeister
| Martin Huppermann, Schenkwirt .
| Jakob Mennicken, Fabrikarbeiter
| Nikolaus Emonts, Maurermeister
Josef Bonni, Maurergeselle
Peter Neid, Schreinermeister
Karl Schoenauen, Tagelöhner
Louis Göbels, Anstreicher
Hubert Frings, Schreinermeister
Hubert Stammen, Tagelöhner
Leonard Stammen, Tagelöhner
Josef Niessen II, Fabrikarbeiter
Peter Niessen, Fabrikarbeiter
Wilhelm Collin, Fabrikarbeiter
Josef Voss, Schreinergeselle
Nikolaus Francois, Tagelöhner
Mathias Breuer, Maurergeselle
Jos. Frank, Schreinermeister
Feuerwehrmänner
Wilhelm Kreitz, Klempnermeister
Jos. Bauwens, Schreinermeister
Aloys Van Hauten, Handelsmann
Jos. Niessen I, Dachdecker
Nikolaus Schuhmacher, Bäckermeister
Jakob Dahlen, Schustermeister
Franz Van Hauten, Metzger
Jos, Braun, Bäckermeister
Adam Schuhmacher, Handelsmann
87
Hubert Rox, Landwirt
Lambert Barth, Schenkwirt
Hubert Barth, Landwirt
Peter Laschet, Tagelöhner
Johann Horrion, Schustermeister
Wilhelm Scharis, Schustermeister
Hubert Boltersdorf, Anstreicher
Peter Braun, Tagelöhner
Cornelius Ohn, Schustermeister
Jos. Hambuken, Bäckermeister
Johann Hambuken, Tagelöhner
Anton Hackens, Bäckermeister
Johann Laschet, Fabrikarbeiter
Nikolaus Schreul, Fabrikarbeiter
Egidius Schreul, Fabrikarbeiter
Johann Pauly, Fabrikarbeiter f
Arnold Kofferschläger, Tagelöhner
Hubert Schoonbroedt, Tagelöhner
Wilhelm Francois, Handelsmann
Anton Jongen, Stellmacher
Josef Knops, Pliestergeselle
Mathias Born, Schreinergeselle
Zur Ordnungsmannschaft gehörten
Josef Stammen, Schenkwirt
Peter Wermeister, Schustermeister
Franz Zinzen, Uhrmacher
Leonard Emonts, Pliestermeister
Hubert Radermacher, Spinner
Wilhelm Carabin, Klempnergeselle
P.J. Schmetz, Schenkwirt
Nikolaus Francois I, Fuhrmann
Viktor Franssen, Spinner
Victor Moyano, Handelsmann
Hornisten
Peter Dahlen, Schustermeister
Hubert Sebastian, Fabrikarbeiter
Hubert Lavalle, Fabrikarbeiter
88
Nikolaus Stammen, Handelsmann
Hubert Pelzer, Tagelöhner
Die Inaktiven
Die erste Namensliste der Freiwilligen Feuerwehr zu
Preußisch- und Neutral-Moresnet, die die Namen in der
Reihenfolge der Anmeldungen wiedergibt, führt als "inaktive
Mitglieder" nur den Bürgermeister Hubert Schmetz an.
Nach einer Werbeaktion zum Beitritt als inaktives Mitglied
mit einem jährlichen Mindestbeitrag von 3 Mk, sind 1896 als
weitere Inaktive folgende Namen verzeichnet:
Reinhard Bruch .
C. Timmerhans, Franz Flecken, P.J. Renardy, Dr. Molly,
Simon Zinzen, Alex Roberts, Cornel Wertz, Karl Lingens,
| Heinrich Langohr, Adam Rausch, Dr. Müller, Heinrich Loupart,
| Karl Witter, H. Meessen, August Weim, H. List, Thomas Hick,
| Hubert Heins, Peter Bock, Johann Hartmann, Peter Schrymecker,
Stefan Dechesne, Hubert Jünger, Jacques Bergerhoff,
Mathias Schmetz, Wwe Francois, Jos. Moitzheim, Fritz Meessen,
Leopold Moyano, M. Geron, C. Gielen, J. Mar&chal, Fritz Wessonit.
| Unter dem 20. Dezember 1896 finden wir den Jahresbericht
für das verflossene Berichtsjahr. Der Wehrbestand belief sich
Ende 1896 auf 66 aktive und 34 inaktive Mitglieder.
| Die Feuerwehr hatte 4 Übungen absolviert und war bei drei
| Bränden im Einsatz gewesen:
- in Moresnet an der Kapelle (28. Mai 1896)
- bei einem Brand der Stallungen des Herrn Bergerhoff (7.
Juli 1896)
-beim Brand der Stallungen des Herrn Bruch a.d. Lohmühle
(9. Aug. 1896)
Für die Hilfeleistung zeigten sich die betreffenden Eigentümer
oder die Versicherungsgesellschaften durch Gratifikationen
erkenntlich. Außerdem stiftete der Hotelier Bergerhoff ein Faß
Bier, "welches im Emmaburger Walde vertilgt und womit eine
gediegene Marschübung verbunden wurde".
Freiwillige Feuerwehr für Preussisch-
“und Neutral-Moresnet.
.Bounfag, den 28. März 1897,
- abenbS 8 Uhr,
„findet im Lokale unferes altiven Mitgliebes Hın. Jofeph
Stammen ein
Familien-Abend
flat, zu welchem die Herren altiven fowie inakiiven Mitglieder
mit übte Femilie Hierdurch freundl. eingeladen werden.
Der Borftand.
P. 8, Die altiven Mitglieder müffen In Uniform et»
fhetmen. x
Ankündigung eines Familienabends (0.)
und Pressebericht darüber (u.)
; VBermifjdhte Nachrichten,
Kelmid, Finen Familienabend zu feiern, das
verfteht die freiw. Feuerwehr von Breußifh- und
Neutral-MoredSnet, denn diefes Hat fie am Sonntag
abend im Stammenjden Lokale bewiefen. Um 8112
Uyc eröffnete der Hauptmann durdh eine {hwungvole
Rede, worauf das allgemeine Mied Nr..9 aus dem
Liederbuche gejungen wurde. Hierauf erfolgte das
Drama „Vie Feuerwehr auf der Wache“ vorgetragen
von den Mitgliedern der freim. Feuerwehr, Das
allgemeine Lied 16 wurde alsdann gefungen, weldent
eine Pantomine „In der Rafirftube“ folgte. Beide
Stüde wurden exakt gejpielt und ernteten vom zahle
reiden Auditorium reicher Beifall. Uuch die Couplets
der HH. ZB. und W. fanden reidher upplaus. Herr
Würgermeifter Schmeg hielt die Schlußrede. Seine
Wörter kamen vom Herzen uud gingen zum Herzen.
Er .endigte mit einem Hoch auf die freiw. Feuerwehr,
£iermit ging der Familienabend der. Hiefigen freiw.
Feuerwehr um 1112 Uhr zu Ende und jeder verließ,
bas Lokal mit dem Bewuktfein einen vergnügten
Abend verlebt zu haben.
(Schluß folgt)
90
Ein Goldfisch
von M.-Th. Weinert
Ein Goldfisch lebt in einem Glase
(Das Glas galt vorher nur als Vase) -
in enge Kreisen schwamm er stumm
im Glas und um sich selbst herum. x.
Vergnüglich blickte er zur Uhr,
wo alle halben Stunden nur .
ein bunter Vogel, der dort schlief,
plötzlich erschien und "Kuckuck" rief,
Der Vogel war des Goldfischs Freude.
Sein Zeitvertreib, ja seine Liebe...
es schien ihm manchmal viel zu lang
das Warten, wo der Vogel bliebe.
Und eines Tages-welch ein Schreck-
blieb dieser Vogel gänzlich weg!
Der Goldfisch nahm sein Futter nicht,
| verlor an Farbe und Gewicht -
und nach drei Tagen war er tot,
kein Mensch verstand je seine Not.
Die Liebe-gleich wohin sie fällt -
bleibt rätselhaft in dieser Welt.
91
Die Kalkwerke Hergenrath
von Josef Bernrath
Die KALKWERKE werden heute (1993) nur noch in Ver-
; bindung gebracht mit der Eyneburg. In der Tat, sie sind Besitzer
dieser Burg und der auf dem eyneburger Plateau befindlichen
landwirtschaftlichen Güter und eines Teils der Waldungen.
Der im Volksmund gebräuchliche Begriff KALKWERKE,
manchmal auch WESTDEUTSCHE KALKWERKE, muß
relativiert werden. Bei der heutigen Gesellschaft handelt es sich
um eine belgische Firma mit dem juristischen Status einer Ak-
tiengesellschaft. Diese trägt den Namen CHAUFOURNERIES
DE HERGENRATMH S.A,; sie hat diesen Namen nicht immer
getragen.
Das Kalkwerk in Hergenrath mit dem Steinbruch an der Flur
"Hammer" war vor 1914 eine Betriebsabteilung der WEST-
DEUTSCHE KALKWERKE AG, deren Hauptsitz in Köln lag.
Daes sich um ein deutsches - 1918 also ein in feindlichem Besitz
befindliches - Unternehmen handelte, wurde der Besitz dieses
Werkes in Hergenrath unter belgische Sequesterverwaltung ge-
stellt, d.h. es wurde zunächst einmal belgisches Staatseigentum.
Es wurde eine neue Gesellschaft gegründet, die sichnunmehr
KALKWERKE HERGENRATH A.G. nannte, die die Werksan-
lagen und das Vermögen der Altgesellschaft aus der
Sequestrierungsmasse heraus kaufte und die fortan unter diesem
Namen bis 1944 bestand. .
Da es sich weiterhin um eine Gesellschaft mit deutschem
Kapital handelte, wurde sie 1944 wiederum unter Sequester
gestellt und firmierte nunmehr als CHAUFOURNERIES DE
HERGENRATIMH S.A, sous s&questre.
Am 7. Januar 1954 wurde eine neue Gesellschaft gegründet,
die unter dem Namen NOUVELLE SOCIETE CHAUFOUR-
NERIES D’HERGENRATH S.A. firmierte. Ziel dieser Gesell-
schaft war, das Anlagevermögen der Altgesellschaft aus der
Sequestrierung zu erwerben, was denn auch geschah.
Diese Firma besteht bis heute. Die Altanlagen und damit
auch die Produktion, sowohl im Steinbruch an der Hammer wie
auch in den Ofen- und Verarbeitungsanlagen an der Bahn, wurden
im Mai 1955 außer Betrieb gesetzt.
|
| 2
Die Gesellschaft orientierte sich in der Folge in Richtung
' Eyneburg, wo ein größeres und zusammenhängendes Kalkstein-
vorkommen steht. Und darauf befindet sich zufällig auch die
; bekannte Eyneburg. Es war jedoch keineswegs der Ehrgeiz des
Unternehmens, eine Burg zu besitzen. Sie steht aber auf dem
R Kalksteinvorkommen und wurde im Zuge der Arrondierung des
/ Eigentums miterworben.
Das Ziel dieser Veröffentlichung
| soll aber sein, der heutigen und der nachfolgenden Genera-
| tion die Geschichte der Kalkwerke Hergenrath und ihre frühere
| Bedeutung für die Existenzsicherung eines großen Teils der.
Bevölkerung in Erinnerung zu halten. Die Bedeutung eines orts-
ansässigen Unternehmens war in früherer Zeit, wo die Verkehrs-
infrastruktur noch nicht die Bedeutung hatte wie heute, sehr groß
und existenzsichernd für die Bevölkerung.
Die Darstellung dieser Firma und der von derselben an-
gewendeten Produktionsverfahren ist dem Verfasser dadurch
möglich, daß er von jung an und bis auf den heutigen Tag über 50
Jahre im Dienst der Kalkwerke gestanden hat bzw. noch steht.
Im Verlauf der Ausführungen kann natürlich nicht auf jede
Einzelheit eingehend eingegangen werden. Dies ist vielleicht in
einer weiteren Veröffentlichung möglich. Es soll nur eine klare
und volksnahe Darstellung angeboten werden.
DIE KALKINDUSTRIE IM BELGISCH-DEUTSCHEN
GRENZRAUM
Der Rohstoff STEIN und dessen Verwendung
KALK wird aus dem Rohstoff STEIN gewonnen und zwar
| durch einen Brennvorgang. Hierauf wird später näher eingegan-
gen.
Ausgangsprodukt ist der sogenannte Kalkstein, der auch als
Blaustein bzw. petit granit bezeichnet wird und der in Form von
kompakten Felsen über, aber auch unter dem Normalniveau zu
finden ist.
Überein Gebiet, ausgehend von Bleyberg (Plombi&res) über
Hergenrath, Eynatten, Raeren und auch noch Eupen, mit Able-
gern nach Lontzen und Walhorn, bis hin nach Aachen-Brand
93
(Niederforstbach), Büsbach, Stolberg, Kornelimünster und Wal-
heim zieht sich ein breites und ergiebiges Kalksteinvorkommen,
das allerdings durch die zwischenzeitliche örtliche Bebauung
sowohl im belgischen wie auch im deutschen Grenzraum nicht
mehr abbaufähig ist.
In diesem so umschriebenen Gebiet können wir auch die
Verwendung des Kalksteins (Blausteins) an den vielfältigen Bau-
ten, wie Wohnungsbau, Kirchen, Mauern usw. erkennen. Sehr
auffällig ist dies in Raeren, Walhorn und Hergenrath zu beobach-
ten. Aber auch an anderen Bauten finden wir diesen Stein,
insbesondere auch an den zahlreichen Burgen in unserem Gebiet.
Die schwierigen Verkehrs- und Transportmöglichkeiten in
der Zeit vor dem Automobil und der Eisenbahn brachten es mit
sich, daß für den Wohnungsbau die an Ort und Stelle vorhandenen
Rohstoffe verwendet wurden. Und dieser Rohstoff war in unse-
rem Gebiet eben der Blaustein. Heute werden auch die sogenann-
ten Schüttgüter über weitere Strecken mit LKWs und Eisenbahn
transportiert. Man ist also nicht mehr so ortsgebunden, wie das
früher beim Pferdetransport über schlechte Straßen und Gassen
der Fall war.
Von den früheren Steinbrüchen, die sich in fast allen bereits
erwähnten Orten befanden, sind nur noch sehr wenige in Betrieb.
Fast alle Steinbrüche sind in unserer Gegend stillgelegt. Die
Gründe hierfür sind vielfältig. In den kleineren Steinbrüchen ist
der Einsatz mechanischer Abbaugeräte wegen der zu geringen
Produktionsmöglichkeiten und nicht zuletzt auch Bewegungs-
möglichkeiten dieser Geräte zu kostspielig. Der Einsatz von
Baggern, Transportbändern usw. setzt eine gewisse Produktions-
quantität voraus. Die Gewinnung des Blausteins, soweit diese in
unserer Gegend (Walhorn und Lontzen) noch betrieben wird,
dient in erster Linie dem Straßenbau. Die Verarbeitung des Steins
im Bauwesen ist wegen der notwendigen manuellen Verarbeitung
(Steinmetz) und der schwierigeren Vermauerung zu kostspielig
geworden. Die Vermauerung desselben ist zudem auch viel
stärker witterungsabhängig als andere Baustoffe. Bei Feuchtig-
keit ist der Blaustein wegen seiner nicht vorhandenen Saug-
fähigkeit nicht mehr vermauerungsfähig. Die Bearbeitung des
Steins für die Vermauerung war sehr lohnaufwendig. Man mußte
schon Fachmann sein, um den Stein zu behandeln und ihn in das
| 94
Mauerwerk einzupassen. Dieser Beruf ist, bis auf die Bildhauer
| für Grabsteine, sehr stark zurückgegangen, ja fast ausgestorben.
Nur noch sehr selten werden die Maurer an der Vermauerung von
| Blausteinen ausgebildet. Es würde daher heute sehr schwierig und
| vor allem sehr kostspielig sein, größere Bauwerke in Blaustein
7 auszuführen, wie dies früher üblich war.
In früherer Zeit lagen die Steinbrüche also möglichst in
j unmittelbarer Nähe des zu erstellenden Bauwerks, Gleichzeitig
4 baute man auch die Einrichtungen zum Brennen von Kalk, denn
| die Vermauerung des Blausteins setzt natürlich auch den Mörtel
| voraus, der in früherer Zeit aus gelöschtem Kalk und Sand
hergestellt wurde. .
| Dieser Bauvorgang ist an der Eyneburg in Hergenrath zu
| beobachten, wo in unmittelbarer Nähe der Burg (Teufelskammer)
| der Stein gebrochen und auch der Kalk gebrannt wurde. Vor nicht
] allzulanger Zeit (1987) hat man am Fuße der Burg und in der
| Nachbarschaft des Steinbruchs die Ruinen eines kleinen Kalk-
|| ofens freigelegt. Den für den Mörtel notwendigen Sand fand man
| ebenfalls in Hergenrath.
| Aus diesen, teils kleinsten, handwerklich betriebenen Unter-
| nehmungen entwickelten sich im Laufe der Zeit größere Anlagen,
| nunmehr aber vorrangig mit dem Ziel der Kalkgewinnung. Diese
| Entwicklung lief parallel mit der Industrialisierung und der Ent-
| wicklung der Eisenbahn. Kalk wurde in immer größeren Mengen
| in der Stahl- und chemischen Industrie benötigt, ebenso in der
| Landwirtschaft und im Baufach.
| So wurden in Hergenrath zunächst einmal in der Nachbar-
schaft der Eyneburg, dort, wo heute der Containerdienst Steffens
tätig ist, und in der Nachbarschaft der Hammerbrücke Steinbrü-
che betrieben und Kalk gebrannt.
Da im Rheinland - zu dem auch unsere Gemeinschaft gehör-
te - vor dem 1. Weltkrieg eine Vielzahl solcher kleinen Unterneh-
men tätig waren, die insgesamt aber nicht mehr in der Lage waren,
den immer größer werdenden Kalkbedarf und die damit zusam-
menhängende technische Entwicklung sicherzustellen, wurden
die WESTDEUTSCHE KALKWERKE mit dem zentralen Sitz in
Köln gegründet. Dieses neue Unternehmen, - die treibende Kraft
war ein Herr Josef Schnuch -, hatte zum Ziel, die Vielzahl der
kleinen Unternehmen in einer Firma zu vereinen, d.h. kleinste
95
Betriebe zu schließen, um größere Einheiten an geeigneten Stel-
len zu schaffen. Wir rufen in Erinnerung, daß der zum Kalk-
brennen benötigte Stein ein Rohstoff ist, der in kompakten Felsen
vorkommt. Man war also darauf angewiesen, die Werke in unmit-
telbarer Nähe dieser Vorkommen zu bauen, möglichst verbunden
mit einem Anschluß an die Eisenbahn. So geschah es auch in
Hergenrath.
Der heutigen Generation, mit Ausnahme der wenigen, die
noch im Hergenrather Werk gearbeitet haben, ist die Existenz
eines dieser größeren Werke in Hergenrath nicht mehr bekannt.
Sie kennt weder die Gründe dieser Existenz noch die Art und
Weise, wie die Steinbrüche betrieben und wie Kalk gebrannt
wurde. Weiß man heute noch, was Kalk überhaupt ist? Um diese
für Hergenrath und Kelmis so wichtige Industrie der Nachwelt in
Erinnerung zu bringen und zu erhalten, soll in der Folge hier die
alte und damals gängige Art der Produktion beschrieben werden.
Die wechselvolle Geschichte der Kalkwerke in Hergenrath
wurde in der Einführung kurz vorgestellt. Daten und Zahlen
sollen in der Folge möglichst vermieden werden. Soweit dies aber
zum besseren Verständnis notwendig sein sollte, werden wir
darauf zurückkommen.
Der Steinbruch in Hergenrath an der Hammer
Der Rohstoff für das Brennen von Kalk ist der Stein, nicht
gleich ein x-beliebiger Stein. Er muß schon eine gewisse chemi-
sche Zusammensetzung und gewisse Substanzen enthalten. Je-
denfalls war dieser Stein in Hergenrath in guter, ja bester Qualität
vorhanden.
Der Stein steht als Felsen an und ist in der Regel auf der
Oberfläche mit einer mehr oder weniger starken Erdkruste be-
deckt, die von wenigen Zentimetern bis zu Metern reichen kann.
Also muß man den reinenStein freilegen und von dieser Erde
befreien, da der Stein möglichst sauber zum Brennen kommen
soll. Es sind also teilweise ungeheuer große Erdmassen abzutra-
gen, zu transportieren um sie an anderer Stelle wieder abzulagern.
Man muß also auch hierfür großflächige Gelände zur Verfügung
haben.
Ein nennenswerter technischer Fortschritt in den Steinbrü-
chen und der Kalkproduktion hat erst nach dem letzten Krieg, so
/ 96
|
; gegen 1950, eingesetzt. Bis zu diesem Zeitpunkt - heute ist das
/ unvorstellbar - wurden die Steinbrüche mit der Hand, also mit
| Muskelkraft, abgebaut. Auch viele Arbeiten an den Veredelungs-
j anlagen (- Brennöfen usw. -) mußten mit der Hand ausgeführt
werden. Es war ein schwerer Beruf, in dem logischerweise nur
Männer beschäftigt waren. Es mußten schon starke und gesunde
Männer sein, denn es wurde während des ganzen Jahres, Sommer
wie Winter, bei Regen und Sonnenschein, im Freien und ohne
Dach über dem Kopf gearbeitet. Ruhetage wegen schlechten
Wetters waren äußerst selten, und selbst an diesen Tagen mußten
| die Brennöfen aus den Vorräten beschickt werden. Wir kommen
hierauf nochmals zurück, Schlechtwettergeld? Unbekannt! .
Sozialeinrichtungen, wie man sie heute kennt und wie sie
vorgeschrieben sind, kannte man nicht, wenn man auch versuch-
te, den Arbeitskräften einen Raum für das Einnehmen der Mahl-
zeit etwas sauber zu gestalten. Trotzdem, trotz dieser kargen
Zustände, trotz der harten Arbeit, war die Einstellung der Beleg-
schaft zum Unternehmen wie auch die der Kumpel zueinander
ausgezeichnet. Es wurde geschimpft, es wurde aber auch bei der
| Arbeit gescherzt. Diese gute Mentalität hatte Gründe, die hier
nicht näher angesprochen werden können. Gibt es das heute noch?
Der große Steinbruch an der Hammer, der heute mit Wasser
| gefüllt und durch seine Größe und seine Tiefe einen imponieren-
| den Eindruck macht, ist, wie schon erwähnt, nur in Handarbeit
| ausgehoben worden. Das Steinbruchgelände lag ursprünglich
natürlich über dem normalen Geländeniveau, wobei der Stein -
die weitaus größte Menge - unter diesem Niveau lag. Der Abbau
erfolgte in Etagen (Sohlen). Die oberste Etage war mit dem
Abraum, der Erde bedeckt. Um an den Stein heranzukommen,
mußten ungeheure Mengen Erde abgetragen, verladen, transpor-
tiert und an anderer Stelle neu gelagert werden. War die Erde
| abgetragen, wurde der Abbau nach unten gesenkt, wobei der Stein
in mehr oder weniger reinem Zustand gefördert werden konnte.
Das "mehr oder weniger" muß betont werden, denn auch zwi-
schen den Felsblöcken lagerten Erde, Geröll und anderes für Kalk
nicht verwertbares Material. Die oberste Etage wurde recht breit
angelegt, damit für das Absenken Platz vorhanden war. Ziel war
die Anlage einer zweiten, dritten oder gar vierten Sohle. Jede
Sohle hatte eine Höhe von cirka 6-8, vielleicht auch 10 Metern.
KA
Die am stärksten mit Erde belastete Sohle wurde in trockenen
Zeiten, wie Frühling und Sommer, abgebaut, damit man die Erde
in trockenem oder fast trockenem Zustand schaufeln konnte. Die
tiefer gelegenen Sohlen wurde dann in den anderen Jahreszeiten
oder in Zeiten schlechten Wetters vorangetrieben.
Man muß sich das wie folgt vorstellen:
Pad 0 HS m“
1. Sohle
| 2. Sohle
Sein ir ook Sohle
Im Laufe der Jahre und Jahrzehnte ist so dieses riesige Loch
in Hergenrath entstanden. Man kann es nicht oft genug erwähnen:
alles in Handarbeit.
Der Stein wurde aus dem Felsen herausgesprengt. Die
Sprengung setzte natürlich zunächst einmal ein Bohrloch voraus,
das mit großen und durch Kompressor angetriebenen Bohrern, die
aber von Hand geführt wurden, in den Felsen hineingetrieben
wurden. Waren mehrere Bohrlöcher vorbereitet, wurden sie mit
Dynamit geladen und zur Sprengung gebracht. Diese verant-
wortungsvolle Arbeit wurde durch Gerhard Meesters (Bohrer)
und Christian Renericken (Schießmeister), später auch Bruch-
meister, ausgeführt. Der Sprengstoff mit Zündern wurde in einem
abseits der anderen Anlagen gelegenen Bunker gelagert. Jede
Entnahme mußte in einem Buch festgehalten werden. Dieses
Buch wurde regelmäßig durch die Bergbaubehörde kontrolliert.
Meines Wissens ist nie ein Unfall beim Sprengen vorgekommen.
Der Sprengstoff kam mit der Eisenbahn in Hergenrath an und
wurde mit dem Pferdefuhrwerk der Familie Knops an der Bahn
zum Steinbruch gefahren.
Das nunmehr auf der Sohle liegende Steinmaterial mußte
mit dem sogenannten Vorschlaghammer auf die brauchbare Grö-
ße nachbearbeitet werden. War der Felsblock zu groß, wurde er
"geknäppert", d.h. er wurde nochmals mit einer kleineren Spreng-
ladung zerkleinert.
| 98
| Das Material wurde getrennt nach Stein, Erde oder Splitt in
Loren (kleinere Eisenbehälter, die auf ein Fahrgestell gestellt
wurden), geladen. Solange man noch auf der mit den anderen
| Werksanlagen gleichen Ebene arbeitete, wurden diese Loren bis
| zur Seilbahnstation gestoßen. Die Seilbahnstation war, als der
| Steinbruch tiefer abgesenkt wurde, mit Schrägaufzügen verbun-
| den. Diese Schrägaufzüge zogen die beladenen Loren hoch und
| gleichzeitig fuhr auf dem Nebengleis eine leere Lore zur Sohle.
Die auf den Sohlen tätigen Arbeiter und die mit der Förde-
| rung des Steins, des Abraums usw. Beschäftigten wurden im
| Stücklohn (Akkord) bezahlt. Als Beweis, wieviel sie geleistet
hatten, erhielten sie bei der Abgabe einer vollen Lore eine Metail-
marke, die sie am Ende der Tagesschicht dem Meister aushändig-
ten, der die Leistung in einem sogenannten Schichtblatt zur
Ausrechnung des Lohnes eintrug.
| Bei schlechterem Wetter wurde schon mal vereinbart, daß
| diese Marke etwas höher bewertet wurde, z.B. + 25% oder sogar
+ 50% des Normallohnes. Dieses Verfahren galt auch für die
Sonntagsarbeit. Dieses System hatte zur Folge, daß Marken, die
an guten Wochentagen erarbeitet wurden, für solche Gelegenhei-
ten zurückgehalten wurden, wo sie eben mehr wert waren. Wer
konnte den Arbeitern das verdenken, handelte es sich doch im
Grunde nur um kleine Größenordnungen, denn der Normallohn
mußte am Ende der Woche auch noch stimmen!
Für die Verlegung von Gleisen, die Reparatur dieser Gleise
und der Loren, Reparaturen an der Seilbahnstation und die In-
standhaltung der Bohrer usw. war im Steinbruch eine Schmiede
eingerichtet, die immer voll beschäftigt war, denn im Steinbruch
selbst und auf den Transportebenen war ein umfangreiches
Schienennetz mit entsprechenden Weichen usw. ausgebaut.
1 Nachdem der Steinbruch unter das normale Erdniveau ab-
gesenkt war, kam Grund- und auch Oberflächenwasser in den
Bruch, das durch schwere Pumpen heraufgepumpt werden mußte.
Der Abfluß erfolgte zur Göhl.
Da der Steinbruch an der Hammer nicht an das Eisenbahn-
netz angeschlossen werden konnte - er lag auf einer weit tieferen
Ebene als die Eisenbahn - wurden die Brennöfen und die anderen
Veredelungs- und Verladeeinrichtungen in unmittelbarer Nähe
der Eisenbahn gebaut.
99
Die Verbindung zwischen Steinbruch und Verarbeitungsan-
lagen erfolgte durch eine Seilbahn, die auch über die Eisenbahn-
linie geführt werden mußte. Der einzige Zeuge dieser Seilbahn ist
der große Tragpfeiler, der heute noch im Steinbruch steht und vom
; Wasser umgeben ist.
Zwischen dem Steinbruch und der Verarbeitungsanlage an
der Bahn befand sich ungefähr in der Mitte eine Entladestation für
die Erde, die aus dem Steinbruch herausgefördert werden mußte,
Die mit Erde und mit anderem, nicht für die Öfen bestimm-
ten Material beladenen Loren waren mit einem Hebel versehen,
der an der Entladestation für Erde gegen einen Mast schlug,wodurch
die Lore zum Kippen kam. Das Material fiel in einen Auffang-
bunker und wurde dort wieder in Handarbeit auf andere Loren
gezogen. Diese wurden nunmehr bis zur Abkippstelle über Gleis-
anlagen gedrückt und abgekippt.
Als Erinnerung an die Verarbeitungsanlagen an der Bahn
stehen heute nur noch die Ruinen der Kalköfen. Diese Kalköfen,
von einer ganz netten Höhe, waren die Empfänger der aus dem
Steinbruch kommenden Steine, die dort zu Kalk gebrannt werden
sollten.
Die Antriebsstation der bereits erwähnten Seilbahn war an
dem Anschlußgleis der Eisenbahn und in unmittelbarer Nähe der
Kalköfen. Die ankommenden Loren und die Leerloren, die wieder
zum Steinbruch gingen, wurden durch ein starkes Tragseil gehal-
ten und durch einen Motor angetrieben. An der Antriebsstation,
die als Endstation angesprochen werden kann, stand ein hoher
Gerüstturm, denn die ankommenden Loren kamen auf der glei-
chen Höhe an, wo sich auch die Einschüttöffnung der Kalköfen
befand. Die Loren wurden vom Trag- und Zugseil auf Hänge-
schienen übergeleitet und durch Hand zur Bestimmungsstation
gedrückt. An der Endstation waren Weichen eingebaut, die es
erlaubten, die Steine sowohl zu den Öfen zu transportieren wie
auch zur anderen Richtung, um von dort direkt auf Waggons
verladen - geschüttet - zu werden.
Die Kalköfen - drei bestanden bereits vor 1940, ein vierter
wurde um 1942/43 gebaut - sahen im Schnitt wie folgt aus:
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Schema den Kezganzathar Kalkofene
(nicht maßotebgerscht)
Abmessungen
An der Basis Länge 46 m - Breite 16,5 - Höhe 13,75
Auf der Plattform Länge 42m - Breite 13m
| g des Zylinders 7m - Innere Höhe 11,50 m
Sie hatten einen lichten Durchmesser von 5 Metern. Das
Anfahren eines Ofens - Anzünden - erforderte schon Kenntnis. Es
wurde zunächst einmal eine große Fuhre Stroh eingelegt. Darauf
| kam trockenes Holz -"Klaterholz", wie der Volksmund sagt - und
hiervon etliche Kubikmeter kerniges Holz, dann etwas Koks und
| Kohle, eine kleine Lage Steine und ab hier wurde nun Lage auf
Lage gepackt, immer abwechselnd Koks/Kohle und Steine. Das
Anzünden eines Ofens war also eine kostspielige Angelegenheit
und es dauerte schon eine gute Woche, bis unten etwas Kalk
gezogen werden konnte. Ein Ofen durfte unkontrolliert nicht
ausgehen. Ein Ofen wurde nur heruntergefahren - jedoch noch
immer nicht stillgelegt - wenn Reparaturarbeiten an der
vr
/
| 101
Schamottausmauerung notwendig wurden. Auf diese Reparatu-
ren hatten sich die Gebrüder Johnen aus Walhorn spezialisiert, die
hierfür immer hinzugezogen wurden. Eine Reparatur war keine
leichte Angelegenheit, denn der Ofen gab ständig Gase ab, die ein
längeres Verweilen in dem noch brennenden Ofen unmöglich
machten.
Die Produktion eines Ofens in Hergenrath lag bei 45 Tonnen
pro Tag, also rund 180 Tonnen für die vier Öfen. Um diese
Produktion zu ermöglichen, mußten tagtäglich 360 Tonnen Stei-
ne den Öfen zugeführt werden. Der chemische Prozeß, der durch
das Brennen in Gang gesetzt wurde, verringerte das Gewicht des
Steines um rund 50%. Zu dieser Produktion kamen in der Regel
noch 40-60 Tonnen, die an Glashütten und im Herbst an die
Zuckerfabriken zum Versand kamen, die also in Hergenrath nicht
gebrannt wurden. Damit sind wir schon bei 400-420 Tonnen pro
Tag. An Erde bzw. Abraum mußte im Schnitt nochmals 15-20%
angesetzt werden, d.h. also nochmals rund 80 Tonnen. Damit steht
die Tagesproduktion des Steinbruchs der Hergenrather Kalk-
werke in ihrer besten Zeit fest: 480-500 Tonnen arbeitstäglich,
s.Zt. auch samstags. Nochmals in Erinnerung gebracht: alles in
Handarbeit.
Der gebrannte Kalk wurde an vier Stellen eines jeden Ofens
aus dem Ofen gezogen und dann von Kalkladern in Loren gela-
den. Die Asche der Brennstoffe und Klein- und Kleinstteile des
Kalkes fielen durch große Roste in ein Ascheschoß, von wo aus
diese Asche teils direkt verkauft wurde, z.B. an die Landwirt-
schaft, oder zunächst auf Halde gefahren wurde. Reste derselben
befinden sich noch heute dort.
Die größeren und mittleren Stücke des früheren Gesteins
| kamen als Stückkalk aus dem Ofen. Der überwiegende Teil dieses
Produkts kam in Spezial-Eisenbahnwagen (sogenannte Deckel-
wagen) - zum Versand. Die Bestimmung waren die Stahlwerke
und die chemische Industrie. Nur ein geringer Teil ging damals
noch an die Bauunternehmer, die den Kalk in ihren eigenen
Gruben "löschten", und ihn für die Herstellung von Mörtel zum
Mauern und Verputzen brauchten. Der Stückkalk durfte mit
Regen und Feuchtigkeit möglichst nicht in Berührung kommen.
Er löste sich dann in Pulver auf; er "löschte ab" und wurde damit
für die Empfänger unbrauchbar.
102
Die im Laufe der Jahre veränderten Anwendungsgebiete des
Kalkes in der Landwirtschaft und im Baugewerbe machten eine
Weiterverarbeitung am Werk notwendig. Hergenrath war das
erste Werk, das eine Hydratanlage in Betrieb nahm, d.h. der Kalk
wurde leicht abgelöscht und pulverisiert.
Für die Landwirtschaft wurde der Stückkalk gemahlen und
in Spezialsäcke verpackt. Er kam als gemahlener Branntkalk in
den Handel. Er löschte also erst auf dem Feld oder der Wiese ab.
Für die sogenannte Kopfdüngung wurde Branntkalk im
Werk selbst gelöscht und pulverisiert. Dieser Puderkalk wurde als
HERGA in Papiersäcke abgefüllt und ging in die Landwirtschaft.
Ferner wurde in Hergenrath das Produkt HERGA SUPRA
hergestellt. Dieses Produkt ging u.a. an die Wasserreinigung und
die Bauindustrie und fand Verwendung in ganz besonderen Fäl-
len. Das Herstellungsverfahren war das gleiche wie bei HERGA,
nur wurde hierfür ausgesuchter Kalk verwandt.
Für die Herstellung dieser Produkte bedurfte es großer
technischer Einrichtungen. So befanden sich im Werk ein schwe-
rer Kalkbrecher, eine Mühle, Becherwerke, Sichter, Löschan-
lagen und Silos sowie auch Verpackungsanlagen.
Die verschiedenen Produktionen lagen auf verschiedenen
Ebenen, so daß Material durch Aufzüge, Becherwerke usw. ständig
auf diese Ebenen herauf- und heruntergefahren werden mußte,
Große Brennstofflager waren vorhanden. Der Brennstoff
kam per Eisenbahn an, mußte per Hand ausgeladen und wieder
entsprechend dem Bedarf in Loren geladen werden; dann wurde
er durch Aufzüge auf die Öfen hochtransportiert und dort wieder
per Hand auf die Öfen verteilt.
Alle Anlagen standen in unmittelbarer Nähe der Eisenbahn.
Das Werk hatte einen eigenen Anschluß mit Rangiermöglichkeiten.
1 Die internationale Strecke Aachen-Herbesthal führte direkt an
dem Werk mit seinen Gleisanschlüssen vorbei. Die ganzen Verlade-
einrichtungen waren nach dem Anschlußgleis ausgerichtet. Der
LKW-Verkehr war vor 1940 noch fast unbekannt und für das
Werk fast unbedeutend am Transport der Produkte beteiligt. Für
die damalige Zeit war es schon ein Ereignis, als die Kalkwerke
1938/39 einen MAN-Lastzug mit zwei Anhängern kaufte, der
meiner Kenntnis nach eine Ladekapazität von 20 Tonnen hatte.
Dieser Zug wurde in der damals noch sehr kleinen Garage
103
Jungbluth gewartet. Stolze Fahrer waren Leo Schumacher und
Josef Langohr.
Die Kalkwerke waren für den Bahnhof Hergenrath ein wich-
tiger Kunde. Die damalige Waggonkapazität lag beil5 bis 20
Tonnen pro Waggon. Vom Werk gingen arbeitstäglich so rund 10-
12 Waggons ab. Hinzu kamen noch rund 3-4 Wagons Brennstoffe,
so daß eine Bewegung von 26-32 Waggons zu verzeichnen war
(ankommende und abgehende Waggons). Die Rangierlock kam
morgens gegen 10 Uhr von Herbesthal. Dann wurde rangiert: die
beladenen Waggons mußten aus dem Werksanschluß herausgezo-
| gen, die leeren eingestoßen werden. In der Ab- und Beladestraße
des Bahnhofs standen dann noch die Waggons der Isolierrohr-
werke, die Brikettwaggons für die Kohlenhändler der näheren
Umgebung (Hergenrath-Kelmis-Hauset-Walhorn). Hier wurde auch
der Ton aus den Tongruben in Hergenrath - Knippstraße der Firma
Heutz verladen. Alles zusammen also ein ganz schöner Betrieb,
den man sich heute gar nicht mehr vorstellen kann.
Das Werk Hergenrath beschäftigte in seinen besten Jahren
rund 100 Arbeiter und Angestellte. Die kaufmännische Abteilung
des Werkes war sehr gering. Hier wurden damals beschäftigt die
Herren Biermanns, als Direktor, und die Angestellten Mathias
Gronsfeld, Heinrich Olbertz (im Kriege vermißt) und der Verfasser
Jos. Bernrath. Für den technischen Bereich waren verantwortlich:
Jakob Flamm bis 1938, Fritz Dörr bis zu seiner Einberufung in den
Krieg, Herr Wirtz als Ofenmeister und Herr Gras für den Stein-
bruch, später Christian Renericken. Die Verwaltung konnte so klein
gehalten werden, weil der Verkauf und die Buchhaltung in Händen
der Zentrale in Köln lagen. Mit dieser Zentrale wurden täglich
Gespräche geführt, die über die Telefonvermittlung in Hergenrath
(s.Zt. Frl. Heeren, später verheiratete Hackens) am Klappenschrank
vermittelt wurden. Dieses Amt hatte vielleicht 100 Anschlüsse zu
bedienen. Die Kalkwerke hatten die Nummer 29.
Die Produkte des Werkes gingen zu den Stahlwerken in
Luxemburg (Athus und Rodingen), zu den chemischen Werken in
Langerbrugge, Tessenderloo, Knapsack/Köln. Die land-
wirtschaftlichen Produkte, wie Herga und Herga Supra, gingen
vorwiegend nach Holland.
Die Produktion des Werkes wurde nach 1944 noch einige
Jahre unter der Sequesterverwaltung weitergeführt, erreichte aber
I
104
nicht mehr die frühere Bedeutung. Die Sequesterverwaltung
(Herr Radermecker) wurde 1954 aufgehoben. Die neuen Inhaber
sahen aber keine Möglichkeit, das bestehende Werk an diesem
Ort den neuen technischen Erfordernissen anzupassen. Große
Investitionen wären notwendig gewesen, über die keine Einigung
| erzielt werden konnte. Aus diesem Grunde wurde die Produktion
1955 an der Hammer und an der Bahn stillgelegt. Die Gesell-
schaft, die - wie wir bereits sahen - heute noch besteht, orientierte
sich in Richtung Eyneburg.
Für die Verkaufsverhandlungen des Sequesteramtes mit Inter-
essenten, hatte dieses Amt eine kurze Beschreibung der technischen
Ausrüstung erstellt, die nachstehend wiedergegeben werden soll:
Die technische Ausstattung der Kalkwerke Hergenrath
zum Zeitpunkt des Verkaufs durch das Sequesteramt
Das Sequesteramt stellte das Unternehmen den möglichen
Kaufinteressenten wie folgt vor:
Die technische Einrichtung umfaßt hauptsächlich
1. den Steinbruch - 2. die Öfen
3. die Hydratanlage - 4. den Eisenbahnanschluß
1. Der Steinbruch
Der Abbau des Vorkommens erfolgt zur Zeit auf einer tief
gelegenen Sohle. Die Abbausohle befindet sich ca. 12 m tiefer als
das Niveau, auf dem sich die Seilbahnstation befindet, die den
Bruch mit den Öfen verbindet. Diese Seilbahn - es handelt sich um
einen Lufttransport - hat eine Länge von ungefähr 500 Metern.
Der Aufzug der Steine aus dem Abbaugrund erfolgt mittels
dreier Schrägaufzüge, wovon 2 mit doppelter Gleisführung und
einer mit einfacher Gleisführung. Die Aufzugswinden werden
durch elektrisch angetriebene Motoren betrieben. Der Abbau auf
| der untersten Sohle wird durch zwei Wasserpumpen mit einer
| Stundenleistung von 90 cbm sichergestellt, die das eindringende
Wasser herauspumpen. Der Abtransport der anfallenden Erde und
des Abfallmaterials erfolgt ebenfalls über die Seilbahn.
Die Bohrung der Sprengminen erfolgt durch pneumatische
Hämmer, die durch Preßluft angetrieben werden. Ein Kompres-
sor, angetrieben ebenfalls durch einen elektrischen Motor, er-
zeugt diese Preßluft. Er wurde 1943 in Betrieb genommen.
Die Stromversorgung im Steinburch wird durch eine
Transformatorenkabine mit einer Leistung von 5000 V/220 W
105
sichergestellt. Die Kabine hat zwei Transformatoren von 75 KVA
bzw. 50 KVA. Diese Kabine ist in den Gebäuden integriert, die
unter anderen auch die Schmiede, Meisterbüro und den
Aufenthaltsraum für die Arbeiter umfaßt.
Das Sprengstoffdepot ist von den anderen Gebäuden isoliert
und entspricht den Vorschriften der Grubenverwaltung.
2. Die Öfen
Zu erwähnen ist, daß die Anlagen - ebenso auch der Stein-
bruch und dessen Anlagen - auf einer Parzelle erstellt sind, die der
Gemeinde Walhorn gehört.
Die Öfen bilden eine Batterie von 4 Einheiten. Ihre inneren
Ausmaße sind gleich, d.h. innere Gesamthöhe 11,50 m, die sich
ergibt aus dem konischen Teil von 4,50 m und dem zylindrischen
Teil von 7 m. Der Durchmesser des zylindrischen Teils beträgt 5
m, wobei der untere konische Teil 4 m beträgt. Der Block der vier
Öfen hat folgende Ausmaße: An der Basis: Länge 46 m, Breite
16,50 m, äußere Höhe 13,75 m. Oberste Abdeckung: Länge 42 m,
Breite 13 m. Ein Keller unter den Öfen ermöglicht den Abzug der
anfallenden Asche und den Transport derselben zur Verladung
bzw. zur Halde. Jeder Ofen hat ein eigenes Gebläse,
Die Beschickung der Öfen:
1. Brennstoffe: Mittels eines Aufzugs werden die mit Koks oder
Kohle beladenen Loren auf die Öfen gebracht, wo die Ofen-
arbeiter die Öfen manuell mit Brennstoffen versorgen. i
2. Rohstoff: Die mit Steinen (Kalksteinen) beladenen Wägel-
chen werden durch die Seilbahn aus dem Steinbruch zu den
Öfen transportiert. Ab der Endstation der Seilbahn werden
diese Hängewägelchen durch Hängeschienen übernommen,
die sie zu den Öfen bringen, wo sie von Arbeitern in die Öfen
entleert werden.
Ladung und Versand des Kalkes: Nach dem Brennvorgang
wird der Kalk über Roste aus den Öfen gezogen und auf Loren
geladen. Diese werden mittels eines Aufzuges auf die Lade-
bühne gebracht, wo sie nach der Verwiegung in die bereitste-
henden Eisenbahnwaggons gekippt werden.
3. Hydratanlage: Ihre Kostruktion datiert aus dem Jahre 1934.
Sie hat im Laufe der Zeit mehrere Änderungen erfahren. Diese
Installation beinhaltet Maschinen und Werkzeuge zur Herstel-
lung eines hydratierten Kalkes erster Qualität, d.h. er ent-
106
spricht den Normen hinsichtlich seines Gehaltes an Ca(OH)2
und der Feinheit (99% auf Sieb 4900).
Um den Produktionsprozeß aufzuzeigen, werden folgende
technische Einrichtungen erwähnt:
* ein kombinierter Brecher,
* ein Silo zur Lagerung des gebrochenen Kalkes (Kapazität 80 T.)
+ ein Hammerbrecher + Vibrationssieb
+ eine Lösch- und Hydrieranlage
* 3 Lagersilos zur Lagerung des Kalkes nach der Hydratisation
(Kap. je 60 T.) }
* ein Luftseparator ° eine Entstaubungsanlage
* ein Silo zum Auffangen von Rückständen M
* zwei Silos für das Endprodukt (je 15 T. Inhalt)
* eine automatische Absackanlage.
Die verschiedenen technischen Anlagen sind durch Becher-
werke, Rutschen, Aufzüge usw. verbunden, die ein Gesamt-
system bilden. Jeder Apparat und jede Maschine hat eigenen
elektrischen Antrieb durch Motoren.
4. Motorkraft: die notwendige Motorkraft wird durch eine
Transformatorenkabine geliefert, die durch eine
Hochspannungsanlage von 5000 V gespeist wird. Die Kabine
ist mit 3 Transformatoren mit insgesamt 290 KVA, bzw. 200,
50, 40 KVA ausgerüstet,
5. Eisenbahnanschluß: Die Gesellschaft besitzt einen eigenen
Werksanschluß, der in die Hauptlinie Li&ege-Herbesthal-Köln
einmündet. Der Anschluß liegt auf dem Gelände der SNCFB.
Die Pacht beträgt 1450 F/Jahr. Die Länge des Anschlusses
beträgt 260 m. Die Waggons werden auf dem Werksgelände
durch eine eigene Rangieranlage bewegt. Jeder beladene
Waggon wird mit einer Gebühr von 14 F belegt.
6. Sonstige Anlagen: Hier sind zu erwähnen:
* Schmiede und Reparaturwerkstatt,
+ Meisterbüro
* Aufenthaltsraum der Arbeiter
* Raum für die Ofengebläse
* Magazin- und Ersatzteillager.
Dann folgen noch die Beschreibungen der sonstigen Immo-
bilien, die der Gesellschaft gehören und die vom Interessenten
mitübernommen werden müssen.
107
Wie Kelmis zu seinem legendären
"E Kelemes wät ene Küsch
geschlacht" kam
4 von Alfred Jansen
Es war um die Jahre 1928-29. Unter den Gesellschaften,
Vereinen und Clubs, die nach dem Ersten Weltkrieg im Gebiet
des ehemaligen Neutral-Moresnet und seitdem belgischen Kelmis
wie Pilze aus dem Boden schossen, befand sich auch ein Trom-
mel- und Pfeifenkorps. Sehr aktiv probten die Mitglieder wö-
chentlich in der Wirtschaft Meessen ganz am Ende der damali-
gen Vonsstraße (Albertstr.), jetzt querverlaufend die Parkstr. Die
Musiker hatten sich, vielleicht der Einfachheit halber, ein Reper-
toire nach Nummern zusammengestellt. Wenn nun der
"Ausgabeleader" die Nummer vier oder sieben vorschlug, dann wuß-
ten alle, was gemeint war. Das klappte vorzüglich.
Keine hundert Meter von der Wirtschaft entfernt, Ecke
Tannenbaumstraße-Dörnchen, jetzt Moresneter Straße-Parkstraße,
- wohnte der Metzgermeister Philipp Schrymecker, zugleich auch
Kartoffelhändler. Unser Philipp, ein gut beleibter Mann, wie es
sich für einen Metzger geziemt, trank gerne einen über den Durst,
und da die Wirtschaft des Fritz Meessen, genannt der "Deutsch"
(ohne "e" am Ende), nur einen Steinwurf entfernt war, blieb es
nicht aus, daß unser Mann auch dort zu Gast war, wenn das Trom-
mel- und Pfeifenkorps seine Proben abhielt. .
Da hatte es dem Philipp mit einmal die Nummer zwei ange-
tan, die auf dem Repertoire der Musiker stand. Immer, wenn er die
Melodie hörte, sei es, daß er im Lokal war oder draußen in Hör-
weite, versuchte er, dieselbe mitzusingen; und eines Tages (—- war
es beim Zerlegen eines Schweines? -) brach es aus ihm heraus: "E
Kelemes wät ene Küsch geschlacht, tralala, tralala". Es war die
Geburtsstunde eines Satzes, der in der Folge aus dem Kelmiser
Karnevalsliedgut nicht mehr wegzudenken war und ist.
Was den Metzgermeister wohl bewogen hat, ausgerechnet
diesen Satz zu singen, wird immer sein Geheimnis bleiben, und
daß er als Dauerbrenner Generationen überdauern würde, das hätte
auch keiner für möglich gehalten.
|
108
Der Satz blieb hängen bei den Leuten, wie sonst nur ein
Erfolgsschlager. Er erfreute sich einer derartigen Popularität, daß
er das ganze Jahr über von Jung und Alt gesungen oder geträllert
wurde. Das ging soweit, daß, wenn irgendeine Musikkapelle durch
den Ort zog, dieser Satz unweigerlich zu hören war. Dabei ist es
zeitlebens bei dem einen Satz geblieben! Trotz Bemühungen und
Kontakten mit verschiedenen Komponisten konnte sich bis 1992
keiner entschließen, aus dem Satz ein Lied zu machen.
Seine eigentliche symbolische Bedeutung bekam der
"Küsch" erst nach dem Kriege, als bei den Karnevalsumzügen
eine Strohfigur als Schwein auf einem Wagen mitgeführt wurde,
das dann öffentlich auf dem Dorfplatz, an einem Galgen hän-.
gend, verbrannt wurde.
Im Ort ist ihm jetzt ein Denkmal gesetzt worden; der "Küsch"
ist Kelmiser Kulturgut; das war längst fällig!
Quellennachweis:
Jos Kohl, Kelmis. Er war damals als junger Bursche Mitglied des Trommel-
und Pfeifenkorps.
109
JAHRESRUCKBLICK 1993
von Freddy Nijns
VORTRÄGE
Die statutengemäße Generalversammlung fand am 24. Januar 1993 im
Kulturheim Select vor vollbesetztem Saal statt. Nach den üblichen Präliminarien
- Begrüßung, Kassen- und Tätigkeitsbericht, Wiederwahl der ausscheidenden
Vorstandsmitglieder - bot Alfred Jansen einen Dia-Vortrag über die im
Vorjahre unter der Leitung von Herrn H. Lennertz stattgefundene Fahrt zu den
Schlössern der Loire.
Der Referent zeigte hervorragendes Bildmaterial zu den schönsten
Schlössern des Loire-Gebietes und wußte seine Bilder mit viel geschichtlichem
Hintergrundwissen und manch pikanter Anekdote anzureichern, wofür das
begeisterte Publikum dankbaren Applaus spendete,
Der Denkmalschutz und die sich in dem Zusammenhang stellenden
Fragen waren Gegenstand eines Diavortrags von Norbert Kreusch,
wissenschaftlicher Mitarbeiter der Deutschsprachigen Gemeinschaft, am
12.3.1993 im Vortragsraum des Museums.
Der Referent wies darauf hin, daß heute nicht mehr nur Burgen, Schlösser
und Kirchen die Aufmerksamkeit der Denkmalschützer auf sich ziehen. Der
Begriffdes Denkmalschutzes hat sich auf Bauernhöfe, Villen und Industrieanlagen
ausgedehnt.
Doch es ist schwierig, objektive Kriterien zu erarbeiten oder ein für alle
Fälle gültiges System zu erstellen.
Auchder Begriff "nationale Denkmalschutzkommission" müßte hinterfragt
werden: ist nur dasjenige schützenswert, was für alle Bürger dieses Landes von
Interesse ist, oder ist es nicht vielmehr so, daß bestimmte Bauten lokal oder
regional vielleicht wegen historischer Bezüge absoluten Schutz verdienen, auch
wenn dieser Schutz, durch die nationale Brille gesehen, nicht zu rechtfertigen
wäre?
Wo hört bei Restaurierungsarbeiten die Freiheit des Bauherrn auf? Soll
ein Bauwerk nicht mehr schützenswert sein, weil nach einem Brand zu starke
Veränderungen vorgenommen wurden, wie dies in Eynatten am Hause Schmetz
(Trouet) der Fall war? Oder ist der Dachüberstand ein wesentliches Kriterium
bei der Berücksichtigung eines Objektes als schützenswertes Bauwerk, wie am
Beispiel von Gut Leuff in Eynatten demonstriert wurde?
Welchen Schutz verdienen Bauwerke wie der Raerener Bahnhof, die
Wasserentnahmestelle dortselbst, die Stahlkonstruktion der Moresneter Brücke,
Jugendstilvillen oder die Bürogebäude der Vieille-Montagne?
Fragen über Fragen, die vom Referenten durch gut gewähltes Bildmaterial
anschaulich und zum Nachdenken anregend illustriert wurden.
"Der Gemeindehaushalt im Belgien der Gemeinschaften und Regionen"
war das Thema eines Expos€s von H. Herbert Lennertz am 13. Mai 1993.
110
"Das Göhltal im Bild", eine Dia-Schau von Alfred Jansen, zeigte am 18.
November Architektur und Landschaft des Göhltales von Eynatten-Lichtenbusch
bis zur Mündung der Göhl bei Voulwames.
Der kurzweilige, mit Anekdoten und geschichtlichen Daten angereicherte
Vortrag stieß beim zahlreich erschienenen Publikum auf lebhaftes Interesse.
EXKURSIONEN UND WANDERUNGEN
Die erste Ausfahrt der Vereinigung führte am 14. April unter der Leitung
von H. Willi Palm nach Jülich, wo der Vormittag der Besichtigung des
Forschungszentrums Jülich (TZJ bzw. KFA) gewidmet war. Vom Zentrum
abgestellte Doktoranden nahmen sich der Gruppe an und gaben näheren Einblick
in die Forschungsschwerpunkte des TZJ, nämlich Energie, Umwelt, Informa-
tion und Materialforschung. In den Instituten für Radioagronomie und Biotech-
nologie konnten sich die Besucher ein Bild von zwei ganz konkreten
Forschungsvorhaben machen: dem Abbau von Pflanzenschutzmitteln bzw. der
Abwässerklärung.
Hauptbesichtigungspunkt des Nachmittags war die Zitadelle von Jülich,
ein Werk des italienischen Festungsbauers Alessandro Pasqualini, dessen 500.
Geburtstag die Stadt Jülich 1993 mit einem umfangreichen Veranstaltungs-
programm feierte.
Pasqualini, der 1549 in die Dienste des Herzogs Wilhelm IV. von Jülich,
Cleve und Berg trat, prägte das Stadtbild nachhaltig und schuf mit der Zitadelle
und dem Herzoglichen Schloß ein beeindruckendes Beispiel italienischer
Renaissancearchitektur im Rheinland,
Die unter der Führung von Herrn Heinz Spelthahn, seines Zeichens
Vorsitzender des Jülicher Geschichtsvereins, durchgeführte Besichtigung dieser
trotz teilweiser Zerstörung des Schlosses im 2. Weltkrieg immernoch imposanten
Anlage hinterließ bei allen Teilnehmern bleibende Eindrücke, wozu die von
profunder Sachkenntnis und viel Liebe zu seiner Heimatstadt zeugenden Aus-
führungen Herrn Spelthahns nicht wenig beigetragen haben.
Ein abschließender Stadtrundgang war dann das Tüpfelchen auf dem I,
das diese 1. Exkursion auf gelungene Weise abrundete,
Am 6.6.1993 führte A. Bertha eine Gruppe von S0 Personen in den
nordluxemburgischen Kanton Clerf.
Nach Besichtigung der Kantonshauptstadt Clerf, die mit ihrer
mittelalterlichen Burganlage und der Abtei St. Mauritius zwei besondere
Anziehungspunkte bietet, führte die Exkursion nach dem nahegelegenen
Munshausen, wo die St. Hubertus-Pfarrkirche (ein architektonisches Kleinod,
das von Kunsthistorikern mit vier Sternen bedacht wird) die Besuchergruppe
sichtlich beeindruckte. Auch das noch junge landwirtschaftliche Museum, das
alte Geräte und Technicken vorstellt und mit einem Ausschank verbunden ist,
lohnt einen Besuch,
Lellingen, die dritte Station dieser Ausfahrt, verdient als Muster dörflicher
Erneuerung besondere Beachtung.
111
Die Rückfahrt führte die Teilnehmer durch das romantische Ourtal, am
Europa-Denkmal vorbei nach Ouren, von wo aus, nach einem gemütlichen
Beisammensein, die Heimfahrt angetreten wurde.
Ganz im Zeichen von "1100 Jahre Prümer Urbar" stand das am 26.6.1993
durch den Geschichtsverein Prümer Land ausgerichtete 15, internationale
Treffen der Geschichtsvereine,
Das "Prümer Urbar", ein i.J. 893 - nach den Normanneneinfällen -
angelegtes Güterverzeichnis der Prümer Salvator-Abtei, das in einer Kopie des
Caesarius von Heisterbach erhalten ist, gilt als eine der wertvollsten
mittelalterlichen Handschriften, während das im 10. Jh. begonnene "Goldene
Buch der Abtei Prüm" die bedeutendste Sammlung karolingischer Urkunden für
das Rheinland darstellt,
Dem Geschichtsverein Prümer Land war es gelungen, diese beiden
Prunkstücke mittelalterlicher Buchkunst aus den Archiven von Koblenz und
Triernach Prüm zurückzuholen und sie neben einer Vielzahl anderer Dokumente
zur Prümer Geschichte auszustellen. Für die hervorragende Schau ernteten
unsere Prümer Freunde allseits nur Lob und Anerkennung. Man trennte sich
wieder mit dem Versprechen: "Nächstes Jahr in ..."
Ebenfalls am 26. Juni führte Frau Astrid Schmitz eine stattliche Gruppe
historisch und pflanzenkundlich interessierter Wanderer mit der Vennbahn von
Raeren bis Kalterherberg mit anschließender Fuß wanderung durch das Venn
über Küchelscheid bis Sourbrodt,
Zueinem glanzvollen Höhepunkt der diesjährigen Veranstaltungen wurde
die unter der bewährten Führung von H. Herbert Lennertz angebotene
Mehrtagesfahrt nach Budapest vom 10. bis 17. Juli 1993. Zwischenstationen
in Passau und Wien bei der Hinfahrt, in Sopron (Ödenburg), Passau und Limburg
bei der Rückfahrt bereicherten das vor Ort gebotene Besichtigungsprogramm
mit Budapest, Plattensee und Puszta...
Eine inden Vergangenen Jahren begonnene Serie von Erkundungsfahrten
"auf den Spuren der Römer" setzte H. Herm.-Jos. Gatz am 19. September
1993 mit einer Fahrt nach Krefeld und Umgebung fort.
Gellep (römisches Lager und Gräberfeld) und Burg Linn waren besondere
Schwerpunkte dieser Fahrt,
"Antwerpen, Kulturhauptstadt Europas": Unter diesem Motto stand
die von F. Steinbeck und A. Bertha am 10. Oktober 1993 geführte Exkursion
indie Scheldemetropole, zu der mehr Anmeldungen eingingen, als berücksichtigt
werden konnten. Erfahrene Stadtführer gaben der Gruppe erste Einblicke in den
historischen Kern um Rathaus und Kathedrale, während der Nachmittag zur
Stadterkundung auf eigene Faust freiblieb. Die herrlich restaurierte Kathedrale,
St. Karl-Borromäus, der Bahnhof, der neugestaltete Meir...: Antwerpen ist nach
einhelligem Urteil der Fahrtteilnehmer mehr als eine Reise wert!
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Bei der von A. Bertha geführten geschichtlichen Wanderung am Sonntag,
dem 24. Oktober 1993, entlang der sog. Burgunderlinie im Preuswald ging es
um die geschichtlichen Zusammenhänge und die Regelung der von den
Limburgern und den Aachenern auf den nördlichsten Teil des Preuswaldes
erhobenen Ansprüche, eine Regelung, die durch die Setzung von Steinen mit
goldenem Vlies bzw. Andreaskreuz in den Jahren 1615 und 1723-24 ihren
Ausdruck fand.
AUSSTELLUNGEN
Ein Fotowettbewerb unserer Vereinigung bot die Grundlage für eine von
H. Herbert Lennertz organisierte Ausstellung über die geschützten Denkmäler
des Göhltales vom 3. bis 19. September 1993.
Vom24.9.-10.10.1993 stellte der Maler Marcel Teller im Göhltalmuseum
aus. Er zeigte heimatliche Motive, Vennlandschaften sowie erstmals auch
abstrakte Kompositionen.
150 Jahre Eisenbahnverbindung Köln-Antwerpen waren der Anlaß,
gemeinsam mit dem Verkehrsverein Hauset (Willy Timmermann) eine
Ausstellung zum Thema "150 Jahre Hammerbrücke” zusammenzustellen.
Am 9. und 10. Oktober standen die Schautafeln in der Mehrzweckhalle Hauset,
an den beiden darauf folgenden Wochenenden im Göhltalmuseum.
Als letzte Ausstellung des Jahres präsentierte H, Hans Jansen (Aachen)
eine vielseitige Aquarell-Schau mit Motiven aus dem Göhltal, dem Aachener
und Eifeler Raum sowie Vennlandschaften.
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