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Landschaft im Grenzraum Nordostbelgiens
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ZEITSCHRIFT DER VEREINIGUNG FÜR
KULTUR, HEIMATKUNDE UND GESCHICHTE
IM GÖHLTAL
Nr 45 — August 1989
Im Göhltal
ZEITSCHRIFT DER VEREINIGUNG
FÜR
KULTUR, HEIMATKUNDE UND GESCHICHTE
IM GÖHLTAL
Nr 45
August 1989
Veröffentlicht mit der Unterstützung des Kulturamtes der
deutschsprachigen Gemeinschaft
Vorsitzender: Herbert Lennertz, Stadionstraße 3, 4721 Neu-Moresnet.
Sekretariat: Maxstraße 9, 4721 Neu-Moresnet, Tel. 087/65.75.04
Lektor: Alfred Bertha, Bahnhofstraße 33, 4728 Hergenrath.
Kassierer: Fritz Steinbeck, Hasardstraße 13, 4721 Neu-Moresnet.
Postscheckkonto N" 000-0191053-60
Die Beiträge verpflichten nur die Verfasser.
Alle Rechte vorbehalten.
Entwurf des Titelblattes: Alfred Jansen, Moresnet-Kapelle.
Druck. Hubert Aldenhoff, Gemmenich.
3
Inhaltsverzeichnis
A. Jansen, Zum Umschlagbild 5
Moresnet-Kapelle
A. Minke Laudatio auf Pastor i.R.
Viktor Gielen, Ehrenbürger
der Gemeinde Lontzen 11
F. Pauquet, Kelmis Betrachtungen zu einem dreifachen
Jubeljahr 16
M.Th. Weinert, Aachen Goldene Tage 86
A. Schumacher Alte und zugewanderte Familien 87
A. Bertha, Hergenrath Unter Denkmalschutz 98
A. Bertha, Hergenrath Auf dem Büchermarkt 102
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Sekretariat: Maxstraße 9, 4731 Nzu Moresnei, Tel 087:95.75,04 ke
Lektor: Alfecd’Berihe, Bahnhofstraße 32. 4725 Mergenratf
Kassierer: Fritz Steinbeck; Hasardstraße 123, 472) Neg-Morcsnet p
Postscheckkonio N’ 006419705350 F
Die Beuräge verpflichten nur die Verfasser «X
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Druck. Hubert Aldenhoff, Gemmenich, A
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Zum Umschlagbild (1
Das Rittergut Veltjaeren in Homburg
von Alfred Jansen
Das ganz versteckt in einer Talsenke liegende Rittergut Velt-
jaeren ist einer der wenigen wehrhaften Herrensitze unserer Ge-
gend, die vom Mittelalter bis auf den heutigen Tag ihr ursprüngli-
ches Aussehen bewahrt haben, wenn auch von den ehemals zwei
durch eine Verteidigungsmauer getrennten Wassergräben nur noch
der innere erhalten ist.
Wie so viele andere Burgen des Limburger Landes wurde
auch Veltjaeren im limburgischen Erbfolgekrieg 1286 durch Herzog
Johann von Brabant niedergebrannt. Die heutigen Gebäulichkeiten
stammen wohl aus dem 14.-15. Jh.
Wilgenru, Willoirin, Wilhouriv, Awilhonrieu..., so verschiedene
Formen kann der Name Veltjaeren in den geschichtlichen Belegtex-
ten annehmen. Um 1273 werden die Gebrüder Anselm und Winand
von Wilhoniw erwähnt. 1292 ist Beatrice von Willoiren Äbtissin zu
Sinnich; gleichzeitig werden Wilhelm von Willoirin und Winand
Wilhouriv, ein Sohn des vorgenannten Anselm, erwähnt. Um 1350
ist Johann von Argenteau Grundherr von ”Awilhonrieu”. Seine
Tochter heiratet den Ritter Conrad von Schoonforst, der Veltjaeren
um 1400 besitzt. Durch Heirat kommt das Rittergut in den Besitz
des Wilhelm von Horion, dessen Urenkelin Gerard von Ghoor ehe-
licht. Veltjaeren blieb bis 1578 im Besitz der Familie von Ghoor:
Gerard von Ghoor, Hermann von Ghoor und wiederum Gerard
von Ghoor sind die bekanntesten Namensträger dieser Familie.
Der letztgenannte Gerard von Ghoor heiratete die aus dem an-
gesehenen und begüterten lothringischen Hause stammende Barba-
ra von Vaudemont. Er wurde Lehnsherr von Homburg und Re-
mersdael und relevierte Veltjaeren am 31. Dez. 1562.
Der aus dieser Ehe stammende Sohn fiel in der Schlacht von
Gembloux am 31.1.1578, so daß der gesamte Nachlaß der Tochter
zufiel, die Hermann Thierry von Millendonck heiratete.
Der Sohn der vorgenannten Eheleute, Pankratius, stirbt 1604 ei-
nes unnatürlichen Todes. Die Witwe, Margarte de Joyeuse, releviert
Veltjaeren i.J. 1620. 1638 leistet der Sohn, Baron Claude-Hermann
von Millendonck, den Lehnseid und dessen ältester Sohn, Graf
Ludwig-Franz von Millendonck, übernimmt Veltjaeren 1658.
(1) Aus G. Poswick, Les Delices du Duche de Limbourg.
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Veltjaeren - Wappen der Fam. Ghoor, 15.-16. Jh.
Am 17. Mai 1663 wird das Rittergut verkauft. Neue Besitzer
sind Marie Agnes von Bautze und ihre Schwestern aus Clermont.
Diese können jedoch ihren Verpflichtungen nicht nachkommen.
Bei einem neuerlichen Verkauf wird Veltjaeren dem Adam von
Croonenburg zugeschlagen.
Nach dessen Tod kam die Witwe in Zahlungsschwierigkeiten.
Der Gläubiger Jakob von Magin verkauft den Rittersitz i.J. 1710 ei-
nem Herrn Cotzhausen.
9
Emma Breuls tritt in den Ordensstand ein; sie läßt Veltjaeren
öffentlich verkaufen. Neue Besitzer werden die Eheleute Viktor-
August Jacob und dessen Frau Laura Couvreur, die den alten Rit-
tersitz ihrer Tochter Margarete, verheiratet mit Eduard Ernst, hin-
terlassen.
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Die Westseite von Veltjaeren
hat ihr ursprüngliches Aussehen fast unverändert erhalten.
10
Haus und Hof Veltjaeren wurden schon seit etlichen Genera-
tionen durch Familie Muylkens bewirtschaftet. Als Frau Ernst am
19. März 1976 das Anwesen an die aus Aachen stammende Familie
Wolter-Ruland verkaufte und die neuen Eigentümer das alte Haus
selbst bewohnen wollten, wurde für den Pächter ein neues Wohn-
haus in unmittelbarer Nähe gebaut.
Die neuen Besitzer von Veltjaeren machten aus dem damals
recht heruntergekommenen Adelssitz ein Architektonisches Klein-
od, das seinesgleichen in der Gegend sucht. Nicht nur, daß die al-
ten Wassergräben wieder geflutet wurden und der kleinen Burg er-
neut ein rustikales und wehrhaftes Aussehen verleihen; auch das In-
nere ist von Grund auf einer Renovierung unterzogen worden, so
daß den Besitzern Dank dafür gebührt, dieses kulturgeschichtlich *
interessante Bauwerk für kommende Generationen erhalten zu
haben.
Quellen:
G. Poswick, Les Delices du Duche de Limbourg, S. 223 ff.
Fotos: A. Jansen.
11
Laudatio auf Pastor i.R.
° °
Viktor Gielen,
Ehrenbürger der Gemeinde Lontzen «4
von Dr. Alfred Minke (2)
Pfarrer Gielen hier und heute vorstellen zu wollen, hieße si-
cherlich Eulen nach Athen tragen. Sein Name ist - so glaube ich oh-
ne Übertreibung sagen zu dürfen - weit über die Grenzen des Eupe-
ner Landes hinaus bekannt geworden im Raum zwischen Maas und
\ Rhein, einer Region, in der er verwurzelt ist und der er seine Arbei-
ten gewidmet hat; ein Landstrich, dessen Menschen er liebt und
die ihm dies mit Ehrungen und allgemeiner Anerkennung gedankt
haben.
Die Ehrung des heutigen Abends setzt demnach eine beachtli-
che Reihe von Auszeichnungen fort, doch führt sie ebenfalls Viktor
Gielen und uns zurück an die Anfänge einer fruchtbaren schriftstel-
lerischen Laufbahn, nach Walhorn mit seiner mehr als 1000jährigen
Vergangenheit. Hier erschien Ostern 1963 das erste einer - vom Au-
tor damals wahrscheinlich nicht vorausgeahnten - langen Reihe hei-
matgeschichtlicher Werke, ein 160 Seiten starker Ausgabe über die
Mutterpfarre und Hochbank Walhorn.
Im Vorwort zu diesem Buch schrieb Viktor Gielen: ”Dabei war
es mein Bestreben, ein echtes Volksbuch zu schreiben, ein Buch al-
so, das nicht nur von einigen historisch gebildeten Lesern, sondern
von jedermann verstanden wird. Bei aller Wissenschaftlichkeit habe
ich darum danach getrachtet, den Stoff einfach und allgemein ver-
ständlich darzubieten. Eine längst zurückliegende Zeit wird ... wach-
gerufen ... Was sie uns zu treuen Händen überliefert ..., das wollen
wir heilig halten.”
Diese Worte, geschrieben vor 25 Jahren, umreißen ein ganzes
Programm, dem Viktor Gielen bis heute treu geblieben ist. Stets hat
er seinem Publikum die Vergangenheit näherbringen und bewußt
machen wollen. Er schreibt nicht in erster Linie für sich - dies soll öf-
ter vorkommen, als man denkt ... - obwohl ihm das Forschen und
(1) Die Ehrenbürgerschaft der Gemeinde Lontzen wurde Pastor Viktor Gielen im
Rahmen einer akademischen Feierstunde am 25. Juni 1988 verliehen.
(2) Dr. A..Minke ist Dozent an der Kath. Universität Löwen.
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Stolz zeigt Viktor Gielen die ihm von der Gemeinde Lontzen
überreichte Ehrenbürger-Urkunde.
(Foto Grenz-Echo)
13
Suchen, das Weitererzählen und Vermitteln historischer Fakten
sichtlich Freude bereitet. Auch verzichtet er bewußt auf eine ins
letzte Detail gehende, wissenschaftlich ”eingerüstete” Darstellung.
Was allerdings nicht bedeutet, daß seine Schilderung nicht abgesi-
chert sei. Vielmehr soll einem größtmöglichen Leserkreis der Zu-
gang zu seiner Vergangenheit erschlossen, soll die Beschäftigung
mit seiner Geschichte schmackhaft gemacht werden. Und dies ist
m.E. nicht in erster Linie ein Problem der Wissenschaftlichkeit, son-
dern vor allem eines der Aufbereitung des geschichtlichen Rohmate-
rials.
Gerade dieses Problem hat Viktor Gielen meisterlich zu lösen
verstanden. Allseits wird seine Fähigkeit, komplizierte Sachverhalte
und zahlreiche, aus den verschiedensten Quellen geschöpfte Infor-
mationen in einer allgemein verständlichen Sprache, gerafft und
doch präzise darzustellen, zu Recht gepriesen.
Das allein wäre schon. ein großes Verdienst in einer Zeit, die all-
zu schnell vergißt, daß wir auf den Schultern früherer Generationen
stehen und ohne das Fundament der Vergangenheit gleichsam in
der Luft hängen, orientierungslos und ohne Halt, aber auch ohne
Zukunftsperspektiven, in einer Zeit, die Informationen vorzugswei-
se in Form von ”spots” und ”flashs” verabreicht und. bezieht, und
die mitunter an ihrer Geschichtslosigkeit zu ersticken droht.
In seinen ”Weltgeschichtlichen Betrachtungen” hat der große
Geschichtsdenker Jakob Burckhardt die Beschäftigung mit der ”hei-
matlichen” Geschichte als ”wahre Pflicht” bezeichnet. Leben und
Sterben, Freuden und Leiden können nur dann in die unmittelbare
Wirklichkeit zurückgeführt werden, wenn sie in Ortsgeschichten
eingereiht und mit Namen versehen sind. Diese - so möchte man
annehmen - Binsenwahrheit war lange - vor allem im deutschen
Sprachraum und in gewissen Intellektuellenkreisen - verpönt. Hei-
matgeschichte, das war keine ”richtige” Geschichte, so wie das Wort
”Heimatdichter” gerne entschuldigend für einen Autor gebraucht
wurde, den man als zweitrangig ansah, oder so wie ”Heimatkunst”
als geringwertige Kunst galt, wobei völlig übersehen wurde, daß die
Anschauung der Geschichte, das Verhältnis zur Geschichte, im
nächsten Umkreis beginnt, und diese nahe Sicht sich nicht über-
springen läßt, ohne vom Boden der Wirklichkeit abzuheben und in
Nebelwolken zu geraten.
Es ist hier nicht der Ort, Schulfragen aufzuwerfen, aber soviel
mag angedeutet werden, daß es nicht viel Sinn ergibt, im Ge-
schichtsunterricht eine so schwierige Frage wie beispielsweise die
14
Französische Revolution in der Art eines Hochschulseminars zu se-
zieren, daß aber durch örtlich und zeitlich begrenzte Aufgaben,
durch Stoffsammlungen in der Heimatliteratur und selbst in hand-
schriftlichen lokalen Quellen, Schülern die konkreten Auswirkun-
gen dieser dramatischen Zeitspanne, die Umsetzung der Pariser Be-
schlüsse ”sur le terrain” weitaus eindringlicher vorgeführt werden
können, als durch viele, vielleicht brillante, letztlich aber abstrakte
Geschichtsstunden.
Freilich darf dabei das örtliche Beispiel, mit den ihm anhaften-
den Einschränkungen nicht überschätzt werden, seinen Charakter
eben als Beispiel nicht verlieren. Allzu leicht läuft der Heimatfor-
scher Gefahr, sein Umfeld als den Nabel der Welt anzusehen. Über-
spitzt ausgedrückt bedeutet dies, daß der Walhorner Friedensrichter
Priem eben nicht der Robespierre des Eupener Landes war, daß der
Widerstand der Walhorner gegen die Franzosen eben nicht dem
Aufstand der Vendee gegen Paris gleichgestellt werden kann.
Dieser Versuchung, die Unterschiede verwischt und das
Augenmaß verliert, ist Viktor Gielen nie erlegen. Heimat, das sind
für ihn die Dörfer und Eupen, wo er als Seelsorger tätig war oder
noch ist; das ist sodann das Eupener Land, wo, wie er in einer Wid-
mung sagt, "meine lieben Eltern ... lebten und wirkten”; das ist darü-
ber hinaus dieses ”Land ohne Grenzen” zwischen Lüttich, Aachen
und Maastricht, dessen Einheit er immer aufs neue beschwört, stets
bemüht, verschüttete Querverbindungen freizulegen, Brücken zu
schlagen über Grenzen hinweg; das ist schließlich das christliche
Abendland im weitesten Sinne mit seinen prägenden Kräften. In sei-
nen Lebenserinnerungen ”Heimatglocken” bezeichnet Viktor Gie-
len die Menschen der Euregio als ”Erben jener religiös-Kulturellen
Werte, die Karl der Große so sehr förderte”, und er kommt zu der
Schlußfolgerung: ”Wo mit dem Christentum Ernst gemacht wird,
schmelzen ... Grenzen dahin.” Hier weitet sich der Blick auf eine
weltgeschichtliche Sicht der Dinge.
So können Heimat- und Weltgeschichte im letzten miteinander
verbunden sein. In der kleinen Geschichte spiegelt sich die große.
Ausgehend vom Typischen, vom Besonderen, von der Ausnahme,
entdeckt man schließlich den gemeinsamen, alles verbindenden
Nenner. Ist nicht jedes unserer Dörfer, ist nicht jede unserer Kir-
chen ein Dorf, eine Kirche des Abendlandes?
So schließt sich der Kreis. Die dritte, erweiterte Auflage seines
ersten Buches ist Viktor Gielens - vorläufig - letztes Werk. Die Be-
schäftigung mit dem alten fränkischen Königshof Harna hat ihn
15
über das Eupener Land hingeführt zur Euregio und von dort wieder
zurück zur mittlerweile zwar eingemeindeten, aber noch immer
selbstbewußten Dorfgemeinschaft. Am Wege dieser heimatge-
schichtlichen Wanderschaft stehen die vielen Menschen, die mit-
handelnd, noch mehr mitleidend Geschichte erfahren haben, das
ewige Fußvolk der Geschichte, dem Viktor Gielen immer besonders
nahegestanden hat.
Aus diesem Grund -so meine ich - nimmt unter den vielen
Auszeichnungen, die er erhalten hat, die Ehrenbürgerschaft dieser
Gemeinde einen besonderen Platz ein. Sie symbolisiert, mehr als vie-
le Worte, die Dankbarkeit derer, die sich vom Priester, Forscher
und Autor Gielen verstanden und geachtet fühlen.
Adalbert Stifter schrieb: ”Die Geschichte eines Tales braucht
nicht minder ergiebig zu sein als die eines großen Reiches.” Sie, lie-
ber Pfarrer Gielen, haben uns durch viele geschichtliche Täler ge-
führt, uns ihre Schönheiten und ihre Schattenseiten gezeigt. Dafür
gebührt Ihnen unser Dank. Zur heutigen Ehrung möchte ich Ihnen
in unser aller Namen von Herzen gratulieren. Schließen möchte ich
mit dem Wunsch, daß Sie uns auch weiterhin die Geschichte unse-
rer Heimat und damit eines Stückchens Europa in der Ihnen eige-
nen unnachahmlichen Art vermitteln werden. Ad multos annos!
16
Betrachtungen
zu einem dreifachen Jubeljahr
von Firmin Pauquet
Im Monat Juni 1988 gab es im Göhltal einen Grund, ein dreifa-
ches Jubeljahr zu feiern.
Am 4. Juni 1888 schrieb der Lütticher Bischof Mgr. Victor-
Joseph Doutreloux (* 1837, ep. 1878, + 1901) dem Montzener Pfar-
rer Nicolas Lamberts (* Hombourg 9.V.1832, + 27.111.1911), er ha-
be auf der am 29. Mai abgehaltenen Diözesansynode beschlossen, .
ein neues Dekanat mit Sitz in Montzen zu gründen. Dasselbe sollte
die damals deutschsprachigen Pfarreien der Dekanate Aubel und
Limburg zusammenfassen.
Am 5. Juni 1288 siegte der Herzog von Brabant Jan 1. mit sei-
nen Verbündeten, den stadtkölnischen Milizen, dem Grafen Adolf
von Berg und seinen Bauern sowie dem Grafen Walram von Jülich,
Probst des Aachener Marienstiftes, über die Koalition des Kölner
Erzbischofs Siegfried von Westerburg mit dem Grafen Rainald von
Geldern und dem Grafen Heinrich V. von Luxemburg in der Füh-
linger Heide vor der erzbischöflichen Feste Worringen bei Köln. Die-
ser Sieg des Brabanters setzte praktisch den Schlußpunkt zum lim-
burgischen Erbfolgekrieg, der nach Absterben der Erbin der Herzö-
ge von Limburg, Herzogin Irmgard, Gattin des geldrischen Grafen
Rainald I., entflammt war und das Land zwischen Maas und Rhein
während fünf Jahren verwüstet hatte. Damit wurde das Los des
Herzogtums Limburg für die nächsten Jahrhunderte bestimmt: sei-
ne zukünftige Zugehörigkeit zum heutigen Belgien durch Personal-
union mit dem Herzogtum Brabant.
An den Iden des Juni 888 (13. Juni) bestätigte der ostfränki-
sche König Arnulf von Kärnten (* 850, r. 887, + 899) dem Aachener
. Marienstift die Schenkung des Neunten der Einkünfte von 43 Vil-
len, d.h. Königshöfen, die sein Vorgänger Lothar II. (* 825, r. 856,
+ 869), König von Lothringen, demselben zugesprochen hatte. Dar-
unter befinden sich aus unserem Gebiet in der Reihenfolge:
Adquis palatio (die Aachener Pfalz), Geminis (Gemmenich, wohl für
die Mutterpfarre Moresnet), Marsna (Meerssen), ... , Harna (Wal-
horn), ... , Bailus (Baelen), Richeim (Rechain), Tectis (Theux), ... ,
Compendio (Konzen), ...
17
Wir wollen nun diese drei Ereignisse in ihrer chronologischen
Folge betrachten.
1. Zur Bestätigung der Nonenschenkung
aus dem Jahre 888
Ersterwähnung der Ortschaften: Für manche, sogar viele in dieser
Bestätigungsurkunde erwähnte Ortschaften, handelt es sich um die
erste schriftliche Erwähnung, so besonders auch für die altlimburgi-
schen Königshöfe und Mutterpfarren Gemmenich-Moresnet, Wal-
horn, Baelen, Rechain. Deswegen ist es auch verständlich, daß 1988
in mehreren dieser Ortschaften das 1100-jährige Bestehen gefeiert
wurde. Eigentlich handelt es sich, wie gesagt, um die erste schriftlich
erhaltene Erwähnung, da die Schenkungsurkunde König Lo-
thars II. verloren gegangen ist und vielleicht damals schon nicht
mehr vorlag, wie aus dem Wortlaut der Bestätigungsurkunde zu er-
sehen ist, die wohl eine Vollmacht der beiden Würdenträger, aber
keine königliche Urkunde erwähnt.
"Quocirca perveniat ad noticiam omnium fidelium dei nostro-
rumque presentium scilicet et futurorum universitatem, qualiter ve-
nerabilis sancte Coloniensis ecclesie archiepiscopus Willibertus et
Albertus cancellarius noster adierunt clementiam nostram obtule-
runtque obtutibus nostris quandam auctoritatem, in qua erat mani-
festum, quomodo consobrinus noster Lotharius rex nonas partes
omnium rerum de XLIIT villis ...” (2)
In deutscher Übersetzung, teils nach A. Ortmanns (3), teils
nach Leon Thelen: ”So werde es dem ganzen christlichen Volke,
dem jetzigen wie dem zukünftigen, kundgetan, daß der hochwürdi-
ge Erzbischof der (heiligen) Kölner Kirche Willibert und unser
Kanzler Albert vor uns erschienen sind und uns eine Vollmacht (ein
Dekret) vorgelegt haben, woraus sich ergibt, daß unser Vetter, Kö-
nig Lothar, den neunten Teil aller Gefälle aus 43 Höfen, und zwar
zur größeren Ehre Gottes und der allerheiligsten Jungfrau Maria,
unserer Pfalzkapelle geschenkt hat.”
Überlieferung der Urkunde
Zu dieser Bestätigungsurkunde sei vermerkt, daß auch sie nicht
mehr im Original erhalten ist. Sie ist uns lediglich durch zwei Ab-
schriften bekannt geblieben. Die älteste, aus dem 12. Jahrhundert,
befindet sich auf Blatt 3 verso bis 5 verso eines Kopiars des Aache-
ner Marienstiftes, das laut Erich Meuthen kurz nach 1192 entstan-
den ist (4). Diese Handschrift ist am 10. Mai 1872 durch die
Preußische Königliche Bibliothek erworben worden und ist in den
18
Beständen der Staatsbibliothek Berlin, Stiftung Preußischer Kultur-
besitz, unter den lateinischen Manuskripten (Quarto 324) aufbe-
wahrt. Eine Photokopie befindet sich im Aachener Stadtarchiv. Aus
diesem Kartular, auch als ”Liber privilegiorum S. Mariae Aquensis”
bekannt, hat schon der Altmeister der limburgischen Historiker, der
Klosterather Regularchorherr Simon-Pierre Ernst (* 1744, + 1817),
für seine "Histoire du Limbourg” reichlich geschöpft. Im dazugehö-
rigen "Codex diplomaticus Limburgensis” hat er auch die Urkunde
von 888 erstmals ediert (5).
Eine zweite Abschrift der Urkunde befindet sich ebenfalls in ei-
nem jüngeren Kopiar des Aachener Marienstiftes aus dem 13. Jahr-
hundert, das im Aachener Stadtarchiv, K Sankt Marien 200, Hand-
schrift 333, aufbewahrt wird, und zwar auf den Seiten 3-4 (6). Diese
Handschrift wurde vom Aachener Historiker Christian Quix für sei-
nen ”Codex diplomaticus Aquensis” benutzt, in welchem er auch
die Arnulf’sche Urkunde edierte (7).
Spätere Bestätigungen
Im Laufe der Jahrhunderte ließ sich das Aachener Marienstift
mehrmals die Schenkung der Nona von den deutschen Königen und
Kaisern bestätigen, so am 5. Juni 930 von König Heinrich I. (7a) mit
Erweiterung auf drei weitere Orte, am 16. Februar 966 von Kaiser
Otto I. (8), ebenfalls mit Ausdehnung auf 7 zusätzliche Orte. Auch
diese beiden Bestätigungsurkunden sind nur durch Abschriften in
den beiden erwähnten Kopiaren bekannt (9). Die erste erhaltene Be-
stätigungsurkunde stammt von Kaiser Friedrich II. (* 1174, r. 1212,
+ 1250) und datiert vom Monat Juni 1226. Sie ist im Hauptstaatsar-
chiv Düsseldorf als Urkunde 47 des Bestandes Aachener Marienstift
aufbewahrt. Neben der Bestätigung der Neuntenschenkung enthält
sie auch Bestätigungen vieler anderer Schenkungen zugunsten des
Marienstiftes (10). Diese Urkunde wird dann regelmäßig als Trans-
sumpt, Urkunde, in die eine ältere Urkunde, deren Rechtskraft er-
neuert werden sollte, in vollem Wortlaut aufgenommen wurde, in
Bestätigungen der deutschen Herrscher übernommen, von Rudolf
I., am 24. Oktober 1275, bis Wenzel, am 8. Juni 1380 (11).
Gegenstand der Schenkung
Aus der Urkunde König Arnulfs vernehmen wir den Gegen-
; stand der Schenkung. ”Wir bestimmen, daß entsprechend der An-
ordnung des Königs Lothar von den Einkünften der 43 genannten
Höfe, sowohl aus dem Anteil unserer Domäne, wie auch aus den
19
zinspflichtigen Anteilen, der neunte Teil aller Bodenfrüchte sowie
aller Weide- und Zugtiere durch die Hofbeamten unserer königli-
chen Domäne oder anderer Personen, die Einkünfte einziehen, stets
pünktlich, ohne Nachlässigkeit, der Pfalzkapelle abgeliefert werde.
Weiter, daß der Vorsteher oder Verwalter der Kapelle nichts von
dem als sein oder der Brüder Eigentum betrachte und verwende,
sondern nur zum notwendigen Lebensbedarf und zur Bekleidung
und zwar so, daß er nicht mehr als die anderen Brüder (d.h. die
Stiftsmitglieder) beanspruche, sowie zur Unterhaltung der Kerzen-
beleuchtung (der Pfalzkapelle).”
Wie läßt sich nun die Schenkung gerade des neunten Teils der
Einkünfte (rerum pars nona) erklären? Wie Nolden in seiner hervor-
ragenden Studie über die Besitzungen und Einkünfte des Aachener
Marienstiftes darlegt (12), ist der Neunt ein zweiter Zehnt, der seit
dem 8. Jahrhundert belegt ist. Der Schenkung des Neunten müßte
also logischerweise auch eine Schenkung des Zehnten vorausgegan-
gen sein. Der Zehnt ist eine aus dem Alten Testament übernomme-
ne kirchliche Abgabe, die in Gallien durch das Konzil von Orleans
511 allgemein eingeführt wurde. Durch Kapitel 7 des Kapitulars
von Herstal wurde der Zehnt i.J. 779 auch staatlich im ganzen
Frankenreich geboten. Er sollte dazu dienen. die Bedürfnisse der
Pfarrkirche und der Pfarrgeistlichkeit zu decken. In den Königshö-
fen oder Fisci war die Kirche als Eigenkirche durch die Könige für
die Bedürfnisse ihrer Dienerschaft gebaut worden.
Aus einem Güterverzeichnis der Aachener Marienkirche, des-
sen Entstehung Meuthen vor dem Ende des 12. Jahrhunderts an-
setzt (13) und das auch ins schon erwähnte älteste Kopiar des Stiftes
aufgenommen wurde (14), vernehmen wir, daß um diese Zeit das
Marienstift noch den Neunt aus 12 der insgesamt 44 Orte des Ar-
nulfdiploms bezieht oder mindestens beansprucht, darunter die Aa-
chener Pfalz, Gemmenich (Giminiaco) und Jupille (15).
Vom Besitz des Neunten in anderen Ortschaften unserer Ge-
gend ist außerhalb der Urkundenbestätigungen keine Erwähnung
aus Baelen und Rechain festzustellen. Tatsächliche Einkünfte sind
wohl aus Meerssen im Jahre 1227 oder 1226 (16), aus Theux in ei-
nem vor 1172 entstandenen Zinsverzeichnis der Brüder von St. Ma-
rien (17), aus Konzen im Jahre 1166 (18) belegt. Aus Walhorn lassen
sich keine Einkünfte aus den Nonen nachweisen, jedoch Erträgnisse
aus anderem Besitz, wurde doch bekanntlich der Königshof Harne
von Heinrich IV. dem Marienstift am 27. April 1072 geschenkt (19).
20
Was nun speziell Gemmenich angeht, so lautet der Passus aus
dem Güterverzeichnis des ausgehenden 12. Jahrhunderts: "Zn Gimi-
niaco est cappella, ad quam pertinet decima et nona de labore domi-
nicali, insuper decima eiusdem predii.” Das heißt, daß der Gemmeni-
cher Kapelle (Pfarrkirche) der Zehnt im gesamten Pfarrsprengel zu-
gehört sowie der Neunte der Erträgnisse des Herrenlandes entgegen
der Vorschrift ‚in der Bestätigungsurkunde von 888, nach welcher
der Neunte von sämtlichen Erträgen zu liefern war. Diese Tatsache
entspricht nach Nolden einer verbreiteten Praxis der gewöhnlichen
Reduzierung der Pflicht auf Neuntzahlung auf einen Teilbereich
des Gutes, meistens auf das Herrenland, werden doch allgemein im
hohen Mittelalter die Königshöfe, wie die Villen oder Gutshöfe all-
gemein, nur teilweise selbst bewirtschaftet (Herren- oder Salland) "
und teilweise den Bauern in Zinspacht vergeben.
Weiter wird im Güterverzeichnis über Gemmenich mitgeteilt:
"In eodem predio sunt constructe II capelle ob commoditatem civi-
um. Ad unam pertinet I mansus et ad alliam v solidi. ” Im Gebiet des
Königshofes Giminiaco sind also inzwischen, um die Bedürfnisse
der Einwohner zu berücksichtigen, zwei weitere Kapellen gebaut
worden. Einer dieser Kapellen gehört eine Hufe, ein Bauernhof, der
anderen gehören Einkünfte im Gegenwert von 5 Schillingen. Ich
habe schon früher dargelegt, daß es sich dabei um die drei Pfarreien
der späteren limburgischen Bank Völkerich handelt (20): Gemme-
nich, Montzen und Moresnet, in welchen das Aachener Marienstift
oder einzelne ;Amtsträger desselben den Zehnt bis zum Ende des
Ancien Regime erhoben und auch den jeweiligen Pfarrer ernannt
haben. Entgegen meinen damaligen Erläuterungen bin ich heute der
Überzeugung, daß die Mutterpfarre dieser Bank bei der Moresneter
Remigiuskirche zu suchen ist und nicht bei der Montzener Stepha-
nuskirche, deren Patrozinium nicht Stephanus (Fest am 26. Dezem-
ber) sondern die Auffindung seiner Reliquien (Fest am 2. August) ist
(21). Die Beweisführung würde aber den Rahmen dieser Betrach-
tungen sprengen und gehört zu einem anderen Aufsatz. Ich möchte
nur darauf hinweisen, daß ich die Ansicht von Nolden, der die lim-
burgischen Quellen scheinbar nicht kennt, keinesfalls teilen kann,
nach welcher Vaals zum Königshofe Geminiacum gehöre und Mo-
resnet als eine spätere Filiale von Montzen anzusehen sei (22).
Für die späteren Jahrhunderte behielt die Neuntenschenkung
an das Marienstift und ihre Bestätigung im allgemeinen wenig Be-
deutung. Das Aachener Stift konnte sich nur da behaupten, wo es
auch durch weitere Schenkungen andere Rechte wie Loehnt,
21
Grundeigentum oder Gerichtsrechte erworben hatte. Dies war der
Fall in den beiden altlimburgischen Banken des Göhltals, Walhorn
und Völkerich-Montzen, wo der Aachener Einfluß auf kirchlicher
Ebene bis zum Ende des Ancien Regime fortdauerte. Die Tatsache,
daß das Marienstift im großen Ganzen in diesen beiden Mutterpfar-
ren und bei ihren entstandenen Filialkirchen Pfarrpatron blieb und
also die Pfarrer ernannte, war auch von sprachlicher Bedeutung.
Die Sprache der Kirche und der von der Kirche stark beeinflußten
Schule wurde so allmählich Neuhochdeutsch, ab dem Moment, wo
diese Hochsprache, von Köln ausgehend, im 17. Jh. nach und nach
auch den Aachener Raum beherrschte (23).
2. Der limburgische Erbfolgekrieg und die Schlacht
von Worringen (5. Juni 1288)
Von ganz anderer Bedeutung für die spätere geschichtliche
Entwicklung ist dagegen der Ausgang des limburgischen Erbfolge-
krieges beim brabantischen Sieg auf der Fühlinger Heide vor Wor-
ringen bei Köln. Anläßlich der Feier zum 700. Jahrestag dieses Er-
eignisses hat der Leiter des Kölnischen Stadtmuseums, Dr. Werner
Schäfke, ein bemerkenswertes Handbuch zur Wanderausstellung
”Worringen 1288 - Historische Entscheidung im europäischen
Nordwesten” herausgegeben, woraus ich manche Informationen zu
diesem Aufsatz schöpfen werde (24).
Obschon in diesem Jahr schon einige Aufsätze in hiesigen Zeit-
schriften und Zeitungen anläßlich dieser Feier erschienen sind,
scheint es mir doch angebracht, auch in dieser Zeitschrift einiges zu
diesem bedeutenden Ereignis für das obere Göhltal mitzuteilen (25).
Die älteste und wohl auch meist benutzte Quelle zum limburgi-
schen Erbfolgekrieg und zur Schlacht von Worringen ist die Reim-
Chronik des Jan van Heelu, die wenige Jahre nach dem Geschehen
entstanden ist. In mittelniederländischer, brabantischer Sprache ge-
schrieben, stellt sie einen Lobpreis ritterlicher Heldentaten dar. Sie
war der englischen Prinzessin Margarete von York (— m 1290,
+ 1333), Tochter des englischen Königs Eduard I. (* 1239, r. 1272,
+ 1307), Gemahlin Jans II. (* 1275, r. 1294, + 1312) und Schwieger-
tochter Jans I. (* 1253, r. 1267, + 1294) gewidmet und sollte unter
anderem dazu dienen, ihr die deutsche Sprache, ”dietsche tale”, bei-
zubringen (26). Im vorerwähnten Handbuch bringt der Herausgeber
erstmals eine deutsche Prosaübertragung von Frans W. Hellegers
(27), die es uns ermöglicht, die beschriebenen Ereignisse leichter zu
verstehen.
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De Yıoge Celup ente valger mei
€ rlonhes Ak ‚Deie
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VD an hanenbenze Labir In cer
& nr vundberge antdr iorthain
BD nen die Hayart aldas quam
X 6 bir boss vanden andy -
W on alle Gne ven
D € (eo Weder dagen
Van Heelu, Jan. Rymkronyk.
Auszug aus der Abschrift von Heinrich van den Damme, ca 1440;
Pergamentband, Folio 50 verso,
’s.’Gravenhage, Koninklijke Bibliotheek, Manuskript 76 E 23
23
Ursache des limburgischen Erbfolgekrieges (28)
Um diese Ereignisse zu verstehen, muß zuerst kurz auf die Ur-
sachen des limburgischen Erbfolgekrieges hingewiesen werden.
Noch vor dem Tode der letzten limburgischen Erbin, Herzogin Irm-
gard (1280-1283), wurde ihrem Gemahl, Graf Rainald I. von Geldern
{fi „r. 1271, + 1326), seitens des deutschen Königs Rudolf I.
von Habsburg (* 1218, r. 1273, + 1291) am 18. Juni 1282 der Besitz
von Limburg auf Lebenszeit zugesprochen. Der Vetter der verstor-
benen Herzogin, Graf Adolf V. von Berg, (* ; EA259 41290
beanspruchte aber spätestens am 3. August 1283 die Erbschaft als
nächster männlicher Verwandter. Andere Verwandte, vor allem die
aus dem Hause Limburg-Luxemburg, unterstützten dagegen Rai-
nald, der sich am 22. September 1283 mit dem mächtigen Erzbi-
schof von Köln, Siegfried von Westerburg, verbündete. Da Adolf
von Berg sich dieser Koalition nicht mächtig fühlte, verkaufte er
dem Herzog Jan I. von Brabant am selben Tag seine Anrechte und
rief die limburgischen Vasallen, Ministerialen und Burgmänner auf,
diesem zu huldigen. So wurde dem Brabanter die Möglichkeit gege-
ben, sein Herrschaftsgebiet im Lande zwischen Maas und Rhein
auszudehnen, nachdem sein Großvater, Heinrich IL. (r. 1235, +
1248), schon 1244 die Grafschaft Dalhem östlich der Maas erwor-
ben und er 1277 die Obervogtei über Aachen behauptet hatte.
Parteienbildung unter den limburgischen Großen
Wie van Heelu berichtet (29) ”geschah es, daß das Land von
Limburg zur gleichen Zeit in zwei sich befehdende Parteien geschie-
den war”: die Scavedriesche und die Mulrepas, aus dem Geschlechte
von Geilenkirchen.
Graf Rainald hatte den Ritter Heinrich Mulrepas, Herr zu
Rimburg, seines Amtes als Droste, d.h. Amtmann, oberster Verwal-
tungsbeamte, enthoben und Ritter Coene Snabbe, Herr zu Lontzen
und Haupt des Scavedrieschegeschlechtes, zu diesem Amt ernannt.
Da der Graf von Geldern auch einem Verwandten der Scavedrie-
sche, Hermann, Herr von Withem, Unrecht getan hatte, lief dersel-
be zur Partei Mulrepas’ über. Die Sippe Mulrepas und die Familie
Withem unterstützten die Ansprüche des Herzogs von Brabant, die
anderen Zweige des Geschlechtes Scavedriesche blieben dem Gra-
fen von Geldern treu.
24
Ablauf der Feindseligkeiten im Bereich des Göhltals
Die Feindseligkeiten begannen schon im Herbst 1283, nach-
dem die Mulrepas den Brabantern geraten hatten, das limburgische
Land einzunehmen. Die feindlichen Heere standen sich bald bei
Gülpen auf der Straße Maastricht-Aachen gegenüber. Die Schlacht
wurde aber vermieden, da es Gui von Dampierre, Graf von Flan-
dern und Namur, gelang, einen Waffenstillstand auszuhandeln (30).
Kurz danach fiel der limburgische Drost Coene Snabbe ins bra-
bantische Land von Dalhem ein, um es zu plündern und zu brand-
schatzen. Dabei wurde er vom Dalhemer Burgherr, Reiner von
Vise, gefangen genommen und in die brabantische Festung Genup-
pe östlich von Nivelles eingeliefert (31). .
Im folgenden Jahr 1284 lagen brabantische Truppen in der Nä-
he von Maastricht und Aachen, das sich auch mit Brabant verbün-
det hatte. Das Land von Dalhem wurde wieder von limburgischen
Verbänden aus der Feste Herve angegriffen. ”Das erzürnte Herzog
Jan derartig, daß er selbst nach Herve zog, überrannte im Sturm Ei-
chenumzäunungen und tiefe Gräben, daß die Verteidiger alle auf ei-
nen’ Kirchturm fliehen mußten. So ging damals Herve unter und
wurde bis auf die Grundmauern niedergebrannt.” (32)
Im Herbst standen sich die feindlichen Heere wieder in Gulpen
gegenüber. Diesmal handelte ein Abgeordneter König Philipps II.
von Frankreich (* 1245, r. 1270, + 1285), der ein Schwager des Bra-
banters war, eine Aussöhnung aus. Nachdem Herzog Jan aus einem
Feldzug der Franzosen in Aragon zurückgekehrt war, fing der
Krieg im Limburgischen (1286) wieder an. Heinrich, Sohn des ge-
fangenen limburgischen Drostes Conrad Snabbe, wollte die Freiheit
seines Vater durch die Übergabe der limburgischen Burgen Lontzen
(Lonsies), Herve, Sprimont und Libois an den Brabanter erkaufen.
Daraufhin belagerte der limburgische Kastellan Walram von La Ro-
che, aus dem Hause Luxemburg-Limburg, die Burg Lontzen. Der
gefangene Conrad Snabbe muß dies vernommen haben und rät den
herzöglichen Räten, Lontzen zu befreien. Dies wurde auch durchge-
führt: ”Der Herzog ... lagerte vor Lonsies mit seinen Leuten so lan-
ge, daß der Herzog und Herr Coene ein Versöhnungspaket verein-
barten, ehe sie schieden, in der Art, daß Herr Konrad Lonsijs, Herve
und Spremont, das Haus Lybois und alles, was sich in Herrn Coe-
nens Hand befand, dem Herzog von Brabant übergeben mußte.
Herr Coene und sein Sohn sollten Lehnsleute des Herzogs bleiben.
Als der Herzog diese Burgen in seine Hand bekommen hatte, hatte
25
er das halbe Limburger Land und noch mehr: denn Heinenberg hat-
te er schon ehedem und Rincberg und Witham.” (34)
Im selben Jahr zog später ein großes Heer der geldrischen Ver-
bündeten gegen Withem, das nicht eingenommen werden konnte,
und dann gegen Lontzen, ”das sie heftig angriffen und bekämpften.
Mit Sturmböcken und mit Ballisten und glaubten schon zu gewin-
nen, aber die Burg war im Innern wohl bemannt und bewehrt. Dar-
innen war Herr Gheraert Burggraf von Mueslinge, ... ; denn ohne
Versöhnung und ohne Frieden hielt er tapfer Lonsies gegen den An-
sturm und feindliche Attacken 40 Tage lang und noch mehr, ehe
Hilfe für ihn kam ... (bis) Herzog Jan Lonsies befreien half ... Genau-
so sah man sich von Lonsies abwenden all die hohen Herren, die da-
vor gelagert hatten”: der Graf von Geldern, der Erzbischof von
Köln, der Graf von Luxemburg und sein Bruder Walram von La
Roche, Statthalter von Limburg, der Graf Gui von Flandern, der
sich nun auch mit Geldern verbündet hatte, nachdem Rainald eine
seiner Töchter geheiratet hatte.
”Als er Lonsies befreit hatte, folgte der Herzog wacker und gut
und zog nach Rimersdale, ins Limburger Land lagern: Dort standen
Burgen, die oft dem Lande von Dalhem schaden wollten, die ließ
mit Feuer der Herzog allesamt zerstören. Zu Sinnich und zu Ri-
mersdale, zu Waude (Wau an der Grünstaße ?) und zu Wilgenru
(Veltjaeren bei Hombourg) und viele andere.” (36)
Im darauffolgenden Jahr 1287 vernehmen wir wenig über
Kriegsereignisse in unserer nächsten Umgebung, außer daß Herr
Hermann von Withem aus Maastricht ritt und ”begann bei Meersen
im Valkenburger Land Feuer zu legen, daß man den Rauch wohl
aufsteigen sah bis vor Dalhem, wo Herr Walram (von Falkenburg-
Montjoie) und seine Gefolgsleute lagerten”. Der Chronist berichtet
weiter: "Damals kam es oft im Land zu Raub, Mord und Brand, die
unerwähnt geblieben sind. Was ihm die Scavedrischen und Herr
Mulrepas antaten, während der Krieg im Gange war, ist so viel, daß
man ihr Brandschatzen und Morden nicht in Worte zu fassen mag.”
(37)
Teilnahme der limburgischen Geschlechter an der Schlacht von
Worringen
Im zweiten Buch seiner Chronik (Verse 3920 bis 8948) be-
schreibt von Heelu die Schlacht von Worringen. Auf geldrischer
Seite findet man die Scavedriesche im Mittelkorps des Grafen Hein-
rich V. von Luxemburg: ”Die Scavedriesche und ihr Geschlecht,
26
darunter Ritter und Knappen, kamen, um den Limburgern mit hun-
dertundzehn Mann zu dienen. Als man sich zum Kampfe anschick-
te, stießen sie allesamt schnell zum Grafen von Luxemburg und ba-
ten, ihnen zu gestatten, vorne gegen die Feinde reiten zu dürfen, de-
nen sie aufgrund alter Fehden gram waren: Es handelte sich um den
von Witham und Mulrepas mit seinem Verwandten, dem der Graf
von Luxemburg selbst sehr verhaßt war.” (38) Nachdem der Graf
von Luxemburg im Kampf mit Herzog Jan von einem Gefolgsmann
getötet und auch Walram von Falkenburg-Montjoie durch den Gra-
fen von Jülich verwundet worden war, kämpfte im luxemburgi-
schen Kontingent nur noch das Banner der Scavedriesche weiter.
”Die Scavedriesche ... die stammmen aus den Ardennen (ut Oesseni-
ne), diese griffen wie die Leoparden ihre Feinde im Gefecht ohne
Zaudern an, denn sie waren im Kampf sowohl die ersten wie auch
die letzten und noch die besten, die dort auf ihrer Seite waren. Sie
brachten von ihrem Geschlecht dort in den Kampf wohl 110 Män-
ner zu Pferd (darunter 10 Wallonen) unter einem Banner, von die-
sen kehrten insgesamt nur vier zurück, von allen diesen, und das
war, mit ihrer drei, Herr Coene Snabbe, der entfloh; denn um ihn
stand es so, daß er ob seiner Missetaten bei den Brabantern nicht um
Gnade zu bitten wagte”. (39) Der Chronist berichtet weiter, daß die
von Withem und die Mulrepas, ”an denen die Scavedriesche ihr
Leid gerne gerächt hätten, sich mit einem Mal seitlich hinter die
Brabanter drängten, so weit, daß niemand, der ihnen so zürnte, es je
an ihnen hätte rächen können, ohne die Reihe der Brabanter zu
durchbrechen”. Unter den Withem und Mulrepas zählt Jan van
Heelu folgende Ritter auf: Herman, Arnout und Symon von Wit-
ham, Herr Mulrepas und sein Bruder Ude, Sceivaert von Geilenker-
ke, Wilhelm von Mormensi, Wilhelm von der Kemenate, Herman
von Heimenberge (Eynenberg)” mit mehr als 100 Mann mit Helmen
zu Pferde sitzend”. Erst als die Mulrepas merkten, ”der Herzog ge-
wänne die Oberhand, gebärdeten sie sich wie Tobsüchtige und ga-
ben ihren Pferden die Sporen, um in den Kampf zu jagen. Die Sca-
vedriesche, die zuvor ehrenhaft gestritten hatten, mußten dann, da
sie sie zu Pferd angingen, durch sie sterben ohne Gnade”. (39) Unter
den erschlagenen Scavedriesche zählt van Heelu: Gobbelen und
Handewijn von Huckelbach (bei Henri-Chapelle) und ihre Neffen
Reysen und Heine Moreel; Heinrich van der Bueken (bei Henri-
Chapelle), Gielys von Huckelbach, Symoen Balge, Heinrich Snabbe,
der Rode von Sinke (Sinnich), Symon Frabbe und von Wilgenru
(Veltjaeren) der Kleine (40).
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Im ”Miroir des Nobles de Hasbaye” von Jacques de Hemricourt, Bruxelles, 1673, S.
321, finden sich auch die Wappen der Scavedriesche und derer von Witthem; Her-
mann, Arnold und Simon von Witthem gehörten zur Kompanie des Heinrich von
Mulrepas und waren mit ihren Verwandten, den Scavedriesche, verfeindet.
Scavedriesche und Witthem führten das gleiche Zackenkreuz im Wappen. Der Köl-
ner Ausstellungskatalog (S. 175) gibt die Farbe: Blau auf Silbergrund.
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Unter den Verbündeten des Herzogs von Brabant befand sich auch Hermann von Ey-
nenberg; sein Wappen zeigt einen goldenen Schrägbalken und goldene Schindeln auf
rotem Grund. (Ausstellungskatalog S. 176) Die Zahl der Schindeln weicht von der im
Wappenbuch von Hemricourt (links) wiedergegebenen ab.
28
Auf der Kölner Ausstellung und im Katalog sind dann auch
die Wappen dieser limburgischen Sippen vertreten, bzw. abgebildet
und beschrieben (41).
So werden unter den Vasallen von Luxemburg neben den bei-
den Brüdern des Grafen Heinrich V., Walram Graf von Ligny und
La Roche, Statthalter des Herzogtums Limburg, und Heinrich, Herr
von Houffalize und Bannerträger des Grafen, bei Worringen noch
folgende Ritter aus unserer Gegend angegeben: Walram der Rote
von Valkenburg (Fauquemont) und Montjoie, der das Monschauer
Banner führte, und der mehrmals erwähnte Konrad Snabbe bzw.
Kuno von Lontzen (Loncin), Sippenoberhaupt der Scavedriesche.
Unter den brabantischen Vasallen finden wir dann auch das
Wappen Mulrepas (Mulrepesch) und dasjenige der Herren Her-
mann, Arnold und Simon von Withem, die zur Kompanie des Hein-
rich von Mulrepas gehörten; es ist identisch mit dem ihrer feindli-
chen Familienangehörigen Scavedriesche. Bei den Verbündeten des
Herzogs von Brabant sehen wir Walram, Graf von Jülich (1278,
+ 1297) und Probst des Aachener Marienstiftes, Johan I. Scheiffart
von Merode (1280-1309), dessen Familie später in der limburgischen
und belgischen Geschichte noch eine bedeutende Rolle spielen wird,
sowie Hermann von Einenberg (Eynenberg, Heimenberg), der 1285
als Verwandter des Heinrich von Schinnen-Wijlre bezeugt ist. Das
abgebildete Wappen dieses Ritters, rot mit 12 goldenen Schindeln
und einem goldenen Balken, zeigt deutlich, daß es sich um das lim-
burgische Geschlecht handelt, dessen Stammburg an der Göhl in
der späteren Gemeinde Hergenrath steht. Daraus ist auch zu vermu-
ten, daß die bei Heelu angegebene Burg Heinenberg eher unser lim-
burgisches Eynenberg ist als das nicht zum damaligen Herzogtum
gehörige Heinsberg.
Ausgang der Schlacht (42) und Pariser Friedensschluß (43)
Von den führenden Teilnehmern an der Schlacht sind auf dem
Schlachtfeld gefallen: die luxemburgischen Ritter Graf Heinrich V.
und seine beiden Brüder Walram von Ligny und La Roche und
Heinrich von Houffalize. Gerieten in Gefangenschaft: Graf Rai-
nald I. von Geldern bei den Brabantern und der Kölner Erzbischof
Siegfried von Westerburg auf Schloß Burg an der Wupper beim
Grafen Adolf von Berg.
Um die Feindseligkeiten endgültig beizulegen, wurde zuerst der
Bischof von Cambrai, Wilhelm, im Oktober 1288 von beiden Partei-
en als Schiedsrichter angenommen, unter Einfluß des Grafen von
29
Flandern, Gui von Dampierre, Schwiegervater des Grafen von Gel-
dern. So wurden denn auch dem Bischof die Städte und Burgen
Limburg und Herzogenrath seitens des Grafen Gui, der dieselben
für Rainald damals hatte, im November 1288 übergeben. Der Her-
ZzOg weigerte sich aber seinerseits, seinen Gefangenen in die Hände
des Bischofs abzugeben.
Im Mai 1289 versöhnte sich der Erzbischof von Köln mit sei-
nen Feinden, den Grafen von Berg, von Jülich, von der Mark, dem
Herzog von Brabant und der Stadt Köln. Trotzdem wurde er erst
aus der Gefangenschaft entlassen, als Papst Nikolaus IV. sich im
August 1289 für ihn einsetzte und mit dem Kirchenbann drohte.
Am 15. Oktober 1289 einigten sich die Feinde zur Bestimmung
eines neuen Schiedsrichters: König Philipp IV., der Schöne, von
Frankreich (* 1268, r. 1285, + 1314). Neben der Festlegung der Be-
dingungen zur Freilassung des Grafen von Geldern wurden auch
die Ansprüche des Herzogs Jan auf Schadenersatz und auf die Bur-
gen Duisburg, Sprimont, Herve, die Länder von Wassenberg und
von Limburg sowie auf die Geldsummen, womit Rainald sie belastet
hatte, berücksichtigt. Diesmal wurde der Graf dem König sofort
ausgeliefert. Der Schiedsspruch wurde noch am selben Tage vom
französischen König ausgesprochen und ist als ”Pariser Frieden” be-
kannt. Rainald wurde freigelassen, erkannte die Rechte des Herzogs
auf Limburg an, trat die oben erwähnten Burgen ab und bezahlte
dem Herzog die Hälfte der auf die Burgen gelegten Pfänder. Auf
Schadenersatz wurde beiderseitig verzichtet. Der Graf von Flandern
bezahlte dem Herzog die Buße Walrams von Valkenburg und über-
gab ihm die Burgen Herve und Sprimont. Frieden war geschlossen
zwischen dem Herzog und seinen Verbündeten,darunter auch die
Leute von Köln und Aachen, einerseits, und den Grafen von Geldern
und den Herren von Valkenburg andererseits. Merkwürdig dabei
war, daß der Friede unter der Obhut des französischen Königs und
nicht des deutschen Kaisers Rudolf von Habsburg geschlossen
wurde, obschon die Teilnehmer, außer dem Grafen von Flandern,
Vasallen des Reiches waren und es sich um Territorien desselben
handelte. Sich seiner Schwäche bewußt, gab Rudolf auch in der An-
gelegenheit überhaupt kein Lebenszeichen von sich, obschon er am
18. Juni 1282 dem Grafen von Geldern Limburg auf Lebenszeit zu-
gesprochen hatte. Diese Ereignisse bezeugen auch den Zerfall der
Zentralgewalt im Reich, auch durch das große Interregnum (1247-
1272) und den immer größer werdenden Einfluß der französischen
Kapetinger in den Niederlanden bedingt.
30
Die Scavedriesche nach der Schlacht von Worringen
In der Zeit zwischen der Schlacht von Worringen und dem
Pariser Frieden, d.h. immerhin 16 Monate, haben die besiegten
Scavedriesche für die Zukunft ihrer limburgischen Besitzungen
Vorsichtsmaßnahmen treffen müssen. So verkauft Ritter Kuno am
29. Juni 1289 dem Grafen Gui von Flandern und Namur ”nostre
maison de Lonchin ke li dux de Brebant fist abatre” mit allem Zube-
hör sowie die Vogtei Lontzen, seine Güter in Simpelveld und Le-
miers in der limburgischen Herrschaft Herzogenrath, den limburgi-
schen Zoll zu Henri-Chapelle und das feste Haus. Herve. Sein Sohn
Heinrich verkauft demselben Grafen seine Burg Sprimont. (44)
Ritter Kuno von Lontzen erklärt am 26. Juni 1289, daß der
Junggraf Heinrich VII. von Luxemburg ihm für die in der Schlacht
erlittenen Schäden 700 Mark Brabanter Heller auf die Stadt Gre-
venmacher für sich, seinen Sohn Heinrich und elf weitere Gefolgs-
leute angewiesen hat. Die Namen der elf zu entschädigenden Mit-
streiter der Scavedriesche-Sippe sind in dieser Urkunde aufgeführt;
darunter Thibaud de Muchehais (Mutzhagen beim Weißen Haus),
Beuckins de la Breuiere (Van der Heyden in Montzen ?), Wauthier
der la Bruiere, Wynans de Nuenrobg (Neurop bei Teuven, Nereth
bei Baelen, oder Nöreth bei Eupen ?) Ansiaus de Willoirin (Veltjae-
ren bei Homburg). (45)
Die beiden Scavedriesche scheinen sich auch mindestens eine
Zeitlang im Luxemburgischen aufzuhalten. So dienen beide 1292
und 1293 einem Verbündeten des luxemburgischen Grafen, dem
Herzog Friedrich II. von Lothringen. Entsprechend dem Pariser
Frieden werden die Burgen Herve und Sprimont seitens des Grafen
von Flandern dem Vertreter des Herzogs von Brabant am 7. No-
vember 1289 übergeben. Von einer Übergabe der zerstörten Burg
Lontzen ist nicht die Rede. Die Ritter Thibaut de Sinnich, Gilles
Roussiaus, Guillaume de Hauset, Simon de Baelen und alle anderen
Scavedriesche erklären am 3. Oktober 1291, daß Graf Gui von
Flandern sie für ihre Dienste in der Feste Limburg vollständig ent-
schädigt hat. (47)
Obschon Heinrich von Lontzen im Jahre 1293 seine Stamm-
burg Lontzen vom Grafen von Flandern zurückerwirbt (46), scheint
er doch im Luxemburgischen geblieben zu sein, wo seine Söhne er-
wähnt werden. Durch die beibehaltenen Lehnsbande zum Grafen
von Flandern läßt sich auch seine Teilnahme an der Schlacht der
Goldenen Sporen auf flämischer Seite im Jahre 1302 erklären.
31
Mit der Zeit muß es doch zur Versöhnung der Scavedriesche
mit dem neuen Landesherrn gekommen sein. So wird die Lontzener
Stammburg seitens einer Yolande oder Julienne von Lontzen ihrem
Verwandten Thomas von Holsit übertragen, der das Gut 1385 von
Herzogin Johanna von Brabant als Lehen hält. (48)
Im ältesten Lehensregister der brabantischen Mannkammer
aus dem Jahre 1312-1350 (49) werden folgende Lehensmänner des
Herzogs Jan III. aus dem Geschlecht der Scavedriesche erwähnt:
1) Ritter Henricus de Lonchi für Güter in Zemplevoer (Simpelveld),
Lemmiers, Lonchi (Lontzen), Hardummal (Herbesthal), Henrici-
cappelle (Henri-Chapelle), Vilare (Villers);
2) Gerardus de Lonchi für Güter in Herdewensdal (Herbesthal);
3) Egidius de Reimersdale für die Fischerei in Ghemenich;
4) Thomas, Sohn des Willelmi de Holset, für die Mühle (zu Braders-
berch opte Goule by Bleyberg);
5) Symon de Treversdorp für ein Landgut bei Henri-Chapelle;
6) Winandus de Julemont für ein Gut bei Ruve (Henri-Chapelle);
7) Christianus de Montshaghe für das Gut Muyshage (Mützhagen
beim Weißen Haus); 6
8) Symon Bailge und Petrus Bailge für Einkünfte in Sinnich.
Konsequenzen der Schlacht von Worringen und des Pariser
Friedens
Der brabantische Sieg bei Worringen hat bedeutende und dau-
erhafte Folgen für die verschiedenen Teilnehmer gehabt. Der größte
Verlierer war bestimmt der Erzbischof von Köln, Siegfried von
Westerburg.
Bis dahin hatten die Erzbischöfe die führende Kraft im Nord-
westen des Reiches dargestellt. Mit Worringen wurde diese Kraft
gebrochen und die Bemühungen Siegfrieds von Westerburg, sie wei-
ter auszudehnen, waren nun endgültig gescheitert. Dadurch konn-
ten seine Gegner, u.a. die Grafen von Berg und Jülich, sich der Köl-
ner Vorherrschaft entledigen. Auch die Stadt Köln, deren Stadtherr
bis dahin der Erzbischof war, konnte einen wichtigen Schritt auf
dem Weg zum Statut einer freien Reichsstadt machen, das sie erst
1475 durch Kaiser Friedrich III. erhielt. Nach Worringen residier-
ten die Erzbischöfe nicht mehr in Köln. Bonn wurde seitdem Haupt-
und Residenzstadt des Erzstiftes. Geldern mußte seine Bestrebun-
gen einer Ausdehnung nach Süden abschreiben, aber die Konfliktsi-
tuation mit Brabant blieb noch Jahrzehnte im Norden bestehen. Die
Überlegungen der Luxemburger, die Stammlande ihrer Dynastie
32
wieder mit ihren südlichen Besitzungen zu vereinigen, schlugen
auch fehl.
Der größte Sieger blieb bestimmt der Herzog von Brabant, der
nun bedeutende Besitzungen östlich der Maas seinem Stammland
beifügen konnte, wenn auch die beiden niederlothringischen Her-
zogtümer nur in Personalunion vereinigt wurden. Das während
sechs schrecklichen Kriegsjahren verwüstete Limburger Land
mußte sich zuerst erholen, bevor die Brabanter ihre Verwaltung hier
aufbauen konnten. Durch den Anschluß an Brabant wurde auch
nach und nach die brabantische Schriftsprache in der limburgischen
Verwaltung eingeführt, wie Dr. Leo Wintgens bewiesen hat. (50)
Der Brabanter Sieg bei Worringen ist als bedeutender Schritt
auf dem Weg der Loslösung der Niederlande vom Reiche seitens der
belgischen Historiker gedeutet worden. Wenn die These Pirenne’s
durch die neuere Geschichtsforschung auch etwas abgeschwächt
werden muß, da die Brabanter Herzöge immerhin Reichsfürsten
blieben, ist doch der Trend unverkennbar. Spätere Schritte, die zur
fast vollen Loslösung führten, folgten.
Am 25. August 1349 erteilte Kaiser Karl IV. aus dem Hause
Limburg-Luxemburg (* 1316, r. 1346, + 1378) durch die berühmte
brabantische Goldene Bulle den Untertanen Herzog Jans III. von
Brabant-Limburg das Privileg ”de non evocando” vor den Gerich-
ten des Reiches. Damit erwarb Brabant-Limburg die absolute rich-
terliche Autonomie gegenüber dem Reiche. (51)
Die letzte brabantische Erbin, Herzogin Johanna (— ,
r. 1355, + 1404), entschloß sich im Einvernehmen mit der brabanti-
schen Ständevertretung, ihr Land ihrer Nichte Margarete von Mae-
le, Gräfin von Flandern, ( — ‚,r. 1384, + 1405) und deren Gatten,
Philipp dem Kühnen von Valois, Herzog von Burgund (* 1342,
r. 1363, + 1404), zu übertragen. -
Das war einer der wichtigsten Schritte zur Vereinigung der
Niederlande unter burgundischer Herrschaft. Kaiser Sigismunds
(— ‚r. 1410, + 1437) Bemühungen und Ansprüche, diese Übertra-
gung zu verhindern, schlugen alle fehl. (52)
Durch den Augsburger Vergleich von 26. Juni 1548 werden
die niederländischen Provinzen Kaiser Karls V. (* 1500, r. 1519,
+ 1558) im ”Burgundischen Kreis” des Reiches zusammengefaßt.
Bezüglich der Gerichtsbarkeit ist der Burgundische Kreis vom Reich
absolut unabhängig. Als einzige Verpflichtung dem Reich gegen-
über bleibt nur noch die Zahlung gewisser Reichssteuern, die aber in
Wirklichkeit bis zum Ende des Ancien Regime kaum noch erhoben
werden.
33
3. 100 Jahre Dekanat Montzen
3.1. Kirchliche Einteilung vor der Gründung des Dekanats
3.1.1. Die Lage im Ancien Regime (53)
Bis zum Anschluß des Herzogtums Limburg an die Französi-
sche Republik im Jahre 1794 ist die kirchliche Einteilung des Gebie-
tes des späteren Dekanates Montzen seit der Gründung der Pfar-
reien während Jahrhunderten unverändert geblieben. In der vorer-
wähnten Nonenschenkung aus dem Jahre 888 werden zwei Pfarrei-
en dieses Gebietes erwähnt: Bailus (Baelen) im Süden und Giminis
(Gemmenich) im Norden. Beide sind wohl als Eigenkirchen der je-
weiligen karolingischen Königshöfe zu betrachten und gehörten
zum Bistum Tongeren-Maastricht-Lüttich. Nach der aus pastoralen
Gründen erfolgten Unterteilung des riesiggroßen Bistums in Archi-
diakonate und Dekanate gehörte Baelen zum Dekanat Saint-
Remacle-au-Pont im Lütticher Vorort Amercosur und somit zum
Archidiakonat Condroz. Dagegen lag Gemmenich im Dekanat
Maastricht des Archidiakonats Hespengau (Hesbaye).
Mit der weiteren Entwicklung der Besiedlung und der damit
verbundenen Steigerung der Bevölkerungszahl wurde die Grün-
dung neuer Pfarreien unerläßlich, um die Bedürfnisse der Einwoh-
ner berücksichtigen zu können. Es wurden zuerst Kapellen in den
vom Pfarrzentrum zu weit entfernt liegenden Weilern gegründet.
Allmählich wurden diesen Kapellen immer mehr Rechte zuerkannt,
bis es endlich zur Gründung einer neuen Pfarre kam, die Filialkir-
che der alten Mutterkirche heißt. Entstand eine Filialkirche schon
sehr früh, so konnten sich die Ausgabee zur Mutterkirche lockern, bis
sie kaum noch im Bewußtsein der Pfarrkinder bestanden. Dies war
der Fall bei der Urpfarrei des Königshofes Geminiacum. Ich habe
anderswo erläutert, daß m.E. die Moresneter Remigiuskirche höchst-
wahrscheinlich die Mutterkirche der Gemmenicher Hubertuskirche
und der Montzener Kirche zur Auffindung der Reliquien des heili-
gen Stephanus ist. Diese drei Pfarrsprengel, deren Pfarrer vom Aa-
chener Marienstift, bzw. von Amtsträgern desselben ernannt wur-
den, bestanden schon als Kapellen am Ende des 12. Jahrhunderts.
Sie bildeten zusammen die limburgische Bank Völkerich, die später
nach dem größeren Ort Montzen benannt wurde. Seit dem 14. Jahr-
hundert spätestens unterstand diese Bank Völkerich mit der west-
lich angrenzenden Bank Sinnich einem gemeinsamen herzoglichen
34
Schöffengericht. Im westlichen Teil der Bank Sinnich und Völke-
rich (später ”Homburg und Montzen” und endlich ”Montzen” ge-
nannt) ist die ursprüngliche kirchliche Lage unklar. Es scheint wohl,
daß Teuven (St. Peter) als herzogliche Gründung vor 1200 anzuse-
hen ist, wozu die Kapelle des Schlosses Beusdal gehörte, die von der
St. Lambertuspfarre zu Sippenaeken (vor 1333) abgetrennt wurde.
Ob Homburg St. Briktius (vor 1338) mit ihrer Filiale Remers-
dael St. Heribert (vor 1290) auch aus Teuven entstanden oder eine
eigene Gründung des Lütticher Sankt Peter Stiftes ist, sei dahinge-
stellt. Im südlichen Teil des späteren Dekanates Montzen ist die La-
ge bedeutend einfacher. Zur Urpfarrei Baelen, dem Kern des Her-
zogtums Limburg, gehörten sowohl im Westen wie auch im Osten
Filialkirchen, die nicht zum Dekanat zählen werden. Die Eupener .
St. Nikolauskapelle (1263) wurde 1695 zur Pfarrkirche erhoben. Die
St. Lambertus Kirche zu Goe (Gülke) war selbst Mutterkirche für
St. Georg in Limburg (1460) und St. Salvator, später St. Rochus, in
Bilstain (1803). Im Bereich des Montzener Dekanats wurde St. Ge-
org in Henri-Chapelle vor 1445 eigene Pfarrkirche und die Kapellen
von Membach (St. Johann Baptist) 1722 und Welkenraedt (St. Jo-
hann Baptist) 1730 Vize-Pfarreien.
Da Herzog Heinrich III. (r. 1167, + 1221) sein Recht der Pfar-
rerernennung in Baelen der Abtei Rolduc (Klosterrade) kurz vor
1178 übertragen hatte, (54) blieb dieses Recht auch für alle Baelener
Filialkirchen und Kapellen bis zum Ende des Ancien Regime beste-
hen. Die Pfarrer, Vize-Pfarrer und Kapläne dieser Kirchen waren
stets Augustiner Chorherren aus Rolduc.
Die Ernennung der Pfarrer seitens des Marienstiftes in der
Bank Völkerich und seitens der Abtei Rolduc in der Bank Baelen
hat bestimmt auch einen großen Einfluß auf den Sprachgebrauch in
Kirche und Schule gehabt. Durch die geographische Lage bedingt,
war sowohl das Aachener Marienstift wie auch Rolduc dem Einfluß
der hochdeutschen Sprache ausgesetzt, nachdem diese über Köln im
früher ripuarischen Sprachgebiet dominierend geworden war.
3.1.2. Die Lage nach dem napoleonischen Konkordat (55)
Nach dem Anschluß an Fankreich im September 1794 und der
damit verbundenen großen Verwaltungsumgliederung, die noch
weitgehend bis heute besteht, kamen die Pfarreien des jetzigen De-
kanates Montzen zum Ourthedepartement. Nach mehreren vor-
übergehenden Abänderungen der Verwaltungsuntereinheiten ge-
hörten die nördlichen Pfarreien zum Gerichtskanton Aubel und die
36
südlichen zum Gerichtskanton Limburg. In den ersten Jahren der
französischen Herrschaft herrschte auch hier Unsicherheit auf-
grund der eingeführten Maßnahmen. Im Klerus kam es zur Spal-
tung zwischen den ”Assermentes”, die die verschiedenen von der
Zivilmacht verlangten Eide ablegten, und den ”Insermentes”, die
dieselben verweigerten. Auf Anraten des Lütticher Generalvikars
de Rougrave und ihres gelehrten Mitbruders Simon-Pierre Ernst ha-
ben die meisten Augustiner Chorherren den Eid geleistet.
In der Bank Monizen dagegen haben die meisten Priester die-
sen Eid verweigert und sind untergetaucht.
Nach der Machtübernahme durch Napoleon Bonaparte am 9.
November 1799 (18 Brumaire an VIII) bemühte sich derselbe um ei-
nen Ausgleich mit Rom. Das noch heute in Belgien gültige Konkor- I
dat wurde dann auch am 15. Juli 1801 unterschrieben. In Anwen-
dung desselben und der von der französischen Regierung beigefüg-
ten "articles organiques” gehörten unsere Pfarreien mit dem gesam-
ten Ourthe-Departement zum neu organisierten Bistum Lüttich, wo
der Straßburger Domherr Jean-Evangeliste Zaepfel (* 1735, 1802-
1808) zum Bischof ernannt wurde. Am 30. September 1804 veröf-
fentlichte Mgr. Zaepfel dann auch sein Dekret über die Organisa-
tion der Pfarreien, Sukkursalen und Hilfskirchen (chapelle auxiliai-
re) des Departements. (56) Als Pfarrsitz galten nur die Kantons-
hauptorte Aubel und Limburg. Zum ersten gehörten u.a. die Suk-
kursalen Homburg, Sippenaeken, Gemmenich, Montzen und Mo-
resnet und zum zweiten Baelen, Henri-Chapelle, Welkenraedt und
Membach.
3.1.3. Die Grenzziehung von 1816
Durch Unterzeichnung der Wiener Schlußakte vom 9. Juni
1815 wurde die vorspringende Spitze des Kantons Aubel südlich
von Aachen dem Königreich Preußen zugeordnet, während der
Kanton Limburg und der größte Teil des Kantons Aubel dem neu-
gegründeten Königreich der Niederlande angehörten. Beim Aache-
ner Grenzvertrag vom 26. Juni 1816 zwischen beiden Mächten
überließen die Niederlande durch Artikel 15 Preußen noch zusätzli-
che Teile der beiden Kantone Limburg und Aubel, die östlich der
Landstraße Eupen-Weißes Haus, bzw. südlich der Landstraße
Weißes Haus-Aachen lagen. In Artikel 17 wurde dann die vorsprin-
gende Spitze des Kantons Aubel definiert als die östlich des durch
den jetzigen Dreiländerpunkt laufenden Meridians liegenden, meist
bewaldeten Teile der Gemeinden Gemmenich und Moresnet. West-
37
lich derselben Linie blieb ein Dreieck von ca. 344 ha Oberfläche, in
dem sich die Galmeilagerstätte des Altenbergs oder Vieille-
Montagne befand, von beiden Königreichen beansprucht und provi-
sorisch einer gemeinsamen Verwaltung unterstellt: das streitige Ge-
biet von Moresnet, genannt Neutral-Moresnet. Im einzelnen bedeu-
teten diese Maßnahmen folgende Änderungen: Gemehret kam von
Baelen an Kettenis, Herbesthal von Welkenraedt an Lontzen,
Mützhagen von Henri-Chapelle an Lontzen, Eselbach (Grünstraße)
von Montzen an Lontzen. Die französische Bürgermeisterei Mores-
net wurde in drei geteilt: die südlichen und östlichen Teile bildeten
Preußisch-Moresnet, der mittlere Teil Neutral-Moresnet und der
nordwestliche Teil Belgisch-Moresnet.
Es dauerte noch einige Jahre, bis eine Anpassung der kirchli-
chen Einteilung an die neuen politischen Gegebenheiten stattfand.
Durch die Bulle ”De salute animarum” vom 16. Juli 1821 teilte
Papst Pius VII. nach Aufhebung des durch Napoleon gegründeten
Bistums Aachen die an Preußen abgetretenen Pfarreien und Gebie-
te dem wieder gegründeten Erzbistum Köln zu.
Der neue Erzbischof Ferdinand August Graf Spiegel zu De-
gensberg wurde aber erst am 20. Dezember 1824 eingeführt und die
erste Visitation des Eupener Dechanten in den nun vergrößerten
Pfarreien Lontzen und Hergenrath fand erst 1827 statt. Die Ge-
meinde Preußisch-Moresnet bildete nämlich einen einzigen Schul-
und Pfarrverband mit Hergenrath.
Für das streitige Gebiet von Moresnet blieb alles beim alten,
entsprechend der kirchlichen Tradition, endgültige politische Ent-
scheidungen abzuwarten, bevor kirchliche Zugehörigkeiten abgeän-
dert werden. Dies bedeutete, daß Neutral-Moresnet Bestandteil der
Pfarre (Belgisch)-Moresnet bis zur Pfarrerhebung 1858 blieb. Hatte
der Kölner Erzbischof am 24. Februar 1827 die alte kirchliche Be-
zeichnung ”Dekanate” für die in der Franzosenzeit gebrauchte Be-
zeichnung ”Cure primaire” (Kantonalpfarre) wieder eingeführt, so
folgte 1833 der Lütticher Bischof Corneille von Bommel (* 1790,
1829-1852) diesem Beispiel.
3.1.4. Neue Pfarrerhebungen und Änderungen der Pfarrgrenzen
Noch vor der Gründung des Dekanates Montzen fanden im
Bereich desselben, und zwar im Dekanat Aubel, zwei bedeutende
Pfarrerhebungen statt. Beide stellten eine pastorale Anpassung an
die Bevölkerungsentwicklung dar. Durch die industrielle Revolution
bedingt, haben sich in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts viele
38
Arbeiter in den alten Bergwerksorten Bleyberg und Kelmis angesie-
delt. Das Bleibergwerk bei Bradersberg unweit des Berührungspunk-
tes der drei Gemeinden Homburg, Montzen und Gemmenich wurde
1364 erstmals erwähnt. (57) Wegen der Verteilung der Bevölkerung
der Ortschaft auf drei verschiedene Gemeinden fehlen uns genaue
Angaben über die Entwicklung der Bevölkerung. Ein Hinweis ist
immerhin, daß in Montzen die Gesamtbevölkerung von 961 Seelen
im Jahre 1846 auf 1369 im Jahre 1856 und 1725 im Jahre 1866
stieg. (58) Für Kelmis ist die Lage einfacher, da die Ortschaft zum
größten Teil im streitigen Gebiet von Moresnet lag, wenn auch die
preußische Gemeinde Moresnet hinzuzuzählen war. Von 248 Ein-
wohnern in Neutral-Moresnet und 255 in Preußisch-Moresnet im
Jahre 1816 stieg die Bevölkerung auf 512 bzw. 402 im Jahre 1840, .
2472 bzw. 590 im Jahre 1856 und 2676 bzw. 593 im Jahre 1866. In
beiden Fällen kam die Initiative zur Pfarrerhebung von der Direk-
tion der jeweiligen Bergwerksgesellschaften. Ab dem 13. April 1845
las der Moresneter Pfarrer Peter Joseph Schmetz (* 1807, p. 1841-
1874) auf Anfrage des Direktors Billaudel sonntags eine heilige Mes-
se am Altenberg im Haus ”an jen Schell”. Da dieses Haus sich aber
bald als zu klein erwies, baute die Gesellschaft ”Vieille Montagne”
eine Kapelle in der jetzigen Kapellstraße, die am 4. September 1845
durch den Dechanten von Aubel eingeweiht wurde.
Auf Aufrage der Generaldirektion der Vieille-Montagne er-
nannte der Bischof von Lüttich am 15. Mai 1854 einen ansässigen
Kaplan in Neutral-Moresnet. Am 8. Juli 1858 reichte der Direktor
der Agence de Moresnet, Adolphe von Scherpenzeel-Thim, beim
Lütticher Bischof den Antrag zur Pfarrerhebung ein. Mgr. Theodo-
re de Montpellier (* 1807, ep. 1852-1879) unterzeichnete das Dekret
zur Pfarrerhebung von Neutral-Moresnet am 25. August 1858 ge-
gen den Widerstand des Moresneter Pfarrers. Bei dieser Gründung
sind die Zivilbehörden scheinbar nicht gefragt worden. So weit dies
festzustellen ist, haben sie aber auch keine Bedenken geäußert. Da-
durch wurde Neutral-Moresnet eine sogenannte bischöfliche Pfarre
im Dekanat Aubel, die nicht der im Konkordat vorgesehenen Ver-
waltung durch einen Kirchenfabrikrat unterstand. Als anläßlich des
Kirchenbaues in Neutral-Moresnet (1863-1865) der Bischof von
Lüttich die Anerkennung der Pfarre seitens der Zivilbehörden bean-
tragte, sprachen sich die preußische Königliche Regierung in Aa-
chen und das zuständige Ministerium in Berlin gegen diese Aner-
kennung aus. (60) Erst am 25. Juli 1865 äußerte die Aachener Re-
gierung Zweifel wegen der rechtlichen Zugehörigkeit des Neutralen
39
Gebietes zum Bistum Lüttich. (61)
Die Anerkennung seitens der Zivilbehörde wurde erst durch
den Königlichen Erlaß vom 24. Februar 1921 nach der Angliede-
rung an Belgien erreicht.
In Bleyberg verlief die Entwicklung ähnlich. Im Jahre 1862 be-
antragte die Direktion der ”Compagnie des Mines et Fonderies de
Bleyberg” beim Lütticher Bischof mit Erfolg die Anstellung eines
ansässigen Kaplans, der die Messe in einem von der Gesellschaft zur
Verfügung gestellten Gebäude lesen konnte. Am 31. März 1864
reichten verschiedene Einwohner eine Bittschrift zur Erhebung ei-
ner unabhängigen Pfarre ein. Trotz des Widerstandes des Montze-
ner Gemeinderates schritt Mgr. Theodore de Montpellier durch De-
kret vom 10. August 1866 zur Pfarrerhebung. Diese Urkunde be-
schreibt die Pfarrgrenzen gegen Gemmenich, Homburg und Mont-
zen. Auch die neu gegründete Pfarre Bleyberg erhielt damals nicht
die Anerkennung seitens der Zivilbehörde. Erst nach einer erneut
eingereichten Bittschrift vom 19. April 1921 wurde diese Anerken-
nung durch Königlichen Erlaß vom 9. Dezember 1926 erreicht. In-
zwischen war durch Königlichen Erlaß vom 20. September 1919 der
amtliche Name der Ortschaft unter Berücksichtigung einer Bitt-
schrift der Einwohner in ”Plombieres” umgeändert worden. (62)
Einige andere kleinere Änderungen der Pfarrgrenzen müssen
noch erwähnt werden. So wurde der Baelener Teil der Ortschaft
Dolhain schon 1807 der Pfarre Limburg angeschlossen, bevor durch
Kgl. Erlaß vom 8. April 1879 diese Umänderung auch für die Ge-
meindegrenzen durchgeführt wurde. Am 1. Juli 1874 wurde der
wallonische Teil der Pfarre Henri-Chapelle mit angrenzenden Ge-
bieten der Pfarre Clermont zur bischöflichen Pfarre El Saute erho-
ben. Obschon die Pfarre Sippenaeken schon in der Pfarrorganisa-
tion von 1803 als autonome Sukkursale erwähnt wurde, ist die Ge-
meinde Sippenaeken erst durch Kgl. Erlaß vom 30. September 1842
von Teuven abgetrennt worden.
3.2. Die Gründungsurkunde
Die Originalurkunde zur Gründung des Dekanates Montzen
ist bisher nicht wiedergefunden worden. Der damalige Montzener
Pfarrer hat sie aber ins Taufregister eingetragen, so daß ihr Wort-
laut uns bekannt geblieben ist:
”Anno Domini, 1888, die 29° mensis maii, in synodo dioecesano
R.R. Decanorum, Preside Ill. Episcopo Doutreloux, novus Decana-
40
tus pro parte germanica erecta fuit. Sunt enim quaedam parochiae
diocesis leodiensis, lingua germanica utentes, quae hucusque partim
ad decanatum Aubelensem, partim ad Limburgensem pertinebant.
Nempe: Baelen, Bleyberg, la Calamine, Gemmenich, Henri-
Chapelle, Hombourg, Membach, Montzen, Moresnet, Sippenaeken
et Welkenraedt. In quibus 11 parochiis, eodem idiomate utentes no-
vus Decanatus creatus fuit, cujus sedes est in Montzen.
Parochus loci de Montzen ad dignitatem Decani promotus fuit
per epistolam Illustrissimi Episcopi quae sic sonat ... ” (63)
Am 29. Mai 1888 ist in der Diozesansynode unter Vorsitz von
Bischof Doutreloux ein neues Dekanat für die deutschsprachigen
Gebiete gegründet worden. Zum selben gehören die Pfarreien der
Diözese Lüttich, in welchen die deutsche Sprache gebraucht wird
und die teilweise zum Dekanat Aubel und teilweise zum Dekanat
Limburg gehörten. Es folgen die Namen der elf Pfarreien. Merk-
würdigerweise wird nicht Neutral-Moresnet, sondern la Calamine,
die französische Benennung für die Pfarre Kelmis, angegeben.
Als Grund zur Errichtung des neuen Dekanates wurde aus-
drücklich der Gebrauch des Deutschen als Umgangssprache betont.
Es müssen also konkrete pastorale Überlegungen im Zusammen-
hang mit dem Sprachgebrauch im kirchlichen Bereich dazu geführt
haben. Predigt, Katechese und Beichte müssen wohl in dieser Hin-
sicht besonders erwähnt werden. Am Ende der Gründungsurkunde
bringt der neue Dechant Nicolas Lamberts (* 1832, r. 1858, + 1911)
noch die Kopie des in Französisch verfaßten Briefes vom 4. Juni,
mit welchem Bischof Victor-Joseph Doutreloux (* 1837, ep. 1879
-1901) ihm den Beschluß der Dekanatsgründung und seine Ernen-
nung zum Dechanten mitteilte.
Als Folge der Dekanatsgründung sollte die ”&glise succursale”
von Montzen zur eigentlichen ”cure” entsprechend den Bestimmun-
gen des Konkordats erhoben werden. Dazu benötigte man die Zu-
stimmung der Zivilbehörden. Diese wurde erst durch Kgl. Erlaß
vom 25. August 1903 erteilt, womit Montzen ”cure de 2° classe ”
wurde. (64)
3.3. Sprachliche Lage im Dekanat Montzen
3.3.1. Die Sprachgrenze
Bei der Errichtung des Dekanats werden dessen elf Pfarreien,
bzw. zehn Gemeinden, ausdrücklich als deutschsprachig angegeben.
Wie ist diese Angabe zu erklären? Nach der Landnahme durch die
Franken im 5. Jahrhundert hat sich die romanisch-germanische
41
Sprachgrenze in unserem Gebiet ungefähr so herauskristallisiert,
wie sie noch im 18. und 19. Jahrhundert verlief. Erstmalig wurde sie
durch den großen belgischen Historiker Gottfried, bzw. Godefroid
Kurth beschrieben. (65) Höchstwahrscheinlich hat es in den ersten
Jahrhunderten nach der Landnahme um Aachen herum noch eine
romanische Insel gegeben, ähnlich wie an der Mosel bei Trier. (66)
Die in unserem Gebiet gesprochene Sprache hat sich dann
auch unter den Einflüssen von draußen im Laufe der Jahrhunderte
zu den jetzigen hierzulande benutzten Mundarten, Dialekten, ent-
wickelt, die von der hiesigen Bevölkerung ”Plattdütsch” genannt
werden. Von den Philologen werden sie als niederfränkische Mund-
arten qualifiziert, die im Rahmen des sogenannten "Rheinischen Fä-
chers” eine Zwischenstellung zwischen den moselfränkischen und
ripuarischen Mundarten im Südosten einerseits und den niederlän-
dischen im Nordwesten andererseits einnehmen. (67) Aus politi-
schen Überlegungen entflammte vor allem nach dem Ersten Welt-
krieg ein Streit zwischen den beiden Montzener Philologen Heinrich
Bischoff (* 1867, + 1940) und Joseph Langohr (* 1875, + 1950). Der
erste behauptete, das ”Plattdütsch” gehöre zum deutschen Sprach-
raum, der zweite sah dessen Zugehörigkeit zum niederländischen
Sprachraum als erwiesen an. (68) Dies führte zu sehr emotional gela-
denen Äußerungen, die nichts mehr mit einer sachlichen wissen-
schaftlichen Studie der Materie zu tun hatten. In Wirklichkeit muß
unterschieden werden zwischen einerseits gesprochenen Mundar-
ten, die sich von Ort zu Ort leicht voneinander unterscheiden und
sich auch im Laufe der Zeit schneller entwickeln, und andererseits
der Schriftsprache, die eher konservativ ist und sich auch um allge-
mein gültige Kennzüge bemühen muß. Die Schriftsprache wird
auch mehr durch Institutionen von außen, wie höhere Verwal-
tungsinstanzen, Kirche und Schule beeinflußt, bzw. auferlegt.
3.3.2. Amtssprache und Kirchensprache im Ancien Regime
Wie die wissenschaftlichen Untersuchungen, die in den letzten
Jahren durch Leo Wintgens durchgeführt worden sind, zeigen, war
zuerst Ripuarisch die Schriftsprache der limburgischen Beamten,
nachdem die Volkssprache das Latein in den Urkunden und Akten
ersetzt hatte. Durch die Personalunion mit Brabant nach 1288 hat
sich auch die brabantische, niederländische Schriftsprache allmäh-
lich als Amtssprache im Herzogtum Limburg verbreitet. (69)
Im 18. Jahrhundert gewinnt auch Französisch mindestens in
der Oberschicht an Einfluß. Dies ist eine allgemeine Erscheinung in
42
ganz Europa, durch die politische und kulturelle Vorrangstellung
Frankreichs bedingt. Im kirchlichen und schulischen Bereich hat
sich das Hochdeutsche allmählich eingeschoben. Bei der Anstellung
des Küsters wird in Montzen unter anderem die Bedingung festge-
halten, daß dieser Küster in der Schule zu unterrichten hat. Am 4.
Oktober 1685 wird er z.B. verpflichtet ”ook school te houden”. Am
26. Juli 1729 aber wird präzisiert, ”sol hij gehouden sijn het geheel
jaer duytsche school te houden”. Nun muß wohl darauf geachtet
werden, daß wir nicht mehr aus diesem Passus ableiten dürfen, als
wirklich drin steckt: Damals empfand man noch nicht so klar wie
heute den Unterschied zwischen den beiden germanischen Hoch-
sprachen Niederländisch und Deutsch, wurde doch Niederländisch
noch oft Niederdeutsch genannt. Sicher haben die Ernennungen der Ö
Pfarrer durch das Aachener Marienstift, bzw. durch die Augustiner-
chorherrenabtei Rolduc, auch den Einzug des Hochdeutschen als
Kirchen- und Schulsprache erleichtert, aber es ist diesbezüglich
noch nichts bewiesen. Dafür müßte zuerst feststehen, woher die
Pfarrer kamen und wo sie studiert hatten. Eine solche systematische
Untersuchung wartet noch auf einen Forscher.
Die beiden Montzener Pfarrer Joannes Birven (* Montzen
1661, p. 1691-1725) und sein Neffe Joannes Henricus Birven
(* Montzen 1691, p. 1725-1741) gebrauchen in ihren Schriften eine
stark vom Hochdeutschen beeinflußte Sprache (70). Der ältere er-
klärt auch, daß er im Pfarrarchiv alte Urkunden aus dem Jahre
1328 entdeckt hat in ”alte hochdeutsche letteren”. Der aus Aachen
stammende Klosterather Abt Johannes Baptist Bock (* 1641, ab.
1683-1712) hat mehrere religiöse Schriften in deutscher Sprache ver-
öffentlicht, darunter auch 1687 eine deutsche Übertragung der Hei-
ligen Messe und 1700 ein ”Christliches Gebetbuch”. (71) Im Pfarr-
archiv Baelen sind noch die 1724 in Köln erschienenen Satzungen
der ”Bruderschaft von der Mutter der Barmherzigkeit und dem H.
Apostolo Paulo unseren Patronen” aufbewahrt. Diese Bruderschaft
wurde ”durch Wohlachtung und Authorität ihr Durchlaucht den al-
lergnädigsten Prinz und Bischoff von Lüttich in der Parochial-
Kirchen zu Baelen ... nach Laut der Bulle der papstlichen Heiligkeit
Gregor XV am 27. Januar 1623” aufgerichtet. Im selben Archiv fin-
det sich auch ein ”Catechismus für die kleineren Kinderen zu der
Erste Comunion”, der laut einem auf dem Buchdeckel handge-
schriebenen Vermerk um 1754 aufgestellt wurde. (72)
Im Jahre 1779 erschien bei Lejeune in Stembert ein ”kleiner
Catechismus oder kurzer Begriff der christlichen Lehr für die
Kleiner
Catechilmu$,
Dder
Kurzer
es ZA} Zi
Begriff
an
Chriftlichen Lehr,
Für die Sieben: Acht» Neun: Yährigen
Kinder.
(A
ee
Zu Stembert , 1779;
Bey Quirinus Francifeus Lejeune. -
Di Erlaubnig der Oberen.
44
sieben-. acht- und neunjährigen Kinder”, der höchstwahrscheinlich
im Herzogtum Limburg benutzt wurde. Ein Exemplar einer älteren
Ausgabe (um 1767) gehörte 1775 dem Montzener Nicolaus Ignatius
Schillings. Heinrich Bischoff macht auf einen 1793 erschienenen Ti-
tel aufmerksam ”Regelmäßiges a-b-c-Buch oder gründliche Anlei-
tung, wie der zarten Jugend im Buchstabieren und Lesen der nützli-
che Unterricht zu geben ist. Zum Gebrauch der Schulen im Herzog-
tum Limburg”. (73)
3.3.3 Amtssprache nach der französischen Revolution
Mit der französischen Besatzung im September 1794 und der
anschließenden Einverleibung in die französische Republik wird
Französisch Verwaltungssprache. Die seitdem bestehende Zugehö- *
rigkeit zum größtenteils französischsprachigen Ourthedepartement
(ab 1816 Provinz Lüttich) trägt natürlich noch dazu bei, die Stellung
des Französischen zu verstärken. .Ob sprachliche Schwierigkeiten
dadurch entstanden sind, ist noch nicht untersucht.worden. Bei der
Besetzung der Ämter muß berücksichtigt werden, daß die hiesige
Oberschicht weitgehend zwei-, bzw. dreisprachig war.
Während der Vereinigung mit den nördlichen Niederlanden
1815-1830 bleibt Französisch weiterhin Verwaltungssprache, wenn
auch König Wilhelm I. die ”Neerlandisierung” der Verwaltung auch
in den südlichen, wallonischen Provinzen vorantrieb. Nach der Re-
volution von 1830 schlägt dann das Pendel zugunsten des Französi-
schen zurück. Dazu kamen noch ganz andere Überlegurigen, wie sie
in den Begründungen des Erlasses der provisorischen Regierung
vom 16. Oktober 1830 aufgeführt werden:
1. ”In Anbetracht, daß der bereits verkündete Grundsatz der Frei-
heit für Sprache für jeden Bürger die Befugnis in sich'schließt, die
Sprache zu gebrauchen, die seinen Intressen und Gewohnheiten
am besten entspricht.”
2. ”in Anbetracht andererseits, daß die in gewissen Orten gebrauch-
te flämische und deutsche Sprache von Provinz zu Provinz und
öfters von.Kreis zu Kreis verschieden ist, so daß es unmöglich ist,
einen amtlichen Wortlaut der Gesetze und Beschlüsse in flämi-
scher und deutscher Sprache herzustellen”.
In Artikel 4 desselben Erlasses ist dann eine deutsche Überset-
zung für die ”Ankündigung durch Plakate” vorgesehen und Artikel
5 erlaubt es den Bürgern, ”sich in ihrem Verkehr mit den Verwal-
tungen gleichmäßig französischer, flämischer oder deutscher Spra-
che zu bedienen”. In Artikel 2 des Beschlusses des Nationalkongres-
ses vom 17. November 1830 wurde ”eine deutsche Übersetzung für
45
die Gemeinden, wo diese Sprache gesprochen wird”, vorgesehen.
Dasselbe gilt für das Gesetz vom 19. September 1831 (74) ”in Be-
treff der Bestätigung und der Verkündung der Gesetze ist eine deut-
sche Übersetzung für die Gemeinden, wo diese Sprache gesprochen
wird, vorgesehen”. Nach der Abtrennung des größten Teils der
deutschsprachigen Provinz Luxemburg (Großherzogtum) im Jahre
1839 sieht das Gesetz vom 28. Februar 1845 nur noch eine flämische
Übertragung der Gesetze vor. Jedenfalls bleibt Französisch die allei-
nige Amtssprache der Gemeinden im Montzener Dekanat. Nur in
einer der zehn Gemeinden des Dekanats Montzen verläuft die Ent-
wicklung anders, nämlich in Neutral-Moresnet. Bedingt durch die
gemeinsame Verwaltung der beiden Monarchen wird die örtliche
Verwaltung ab 1816 fast ausschließlich in deutscher Sprache ge-
führt. Der französische ”maire” Arnold de Lassaulx (* 1774, + 1863)
blieb 1816 Bürgermeister von Preußisch- und von Neutral-
Moresnet und führte seitdem die Gemeindeakten in deutscher Spra-
che.
Am 1. Februar 1850 verlangt der Moresneter Bürgermeister
Jean Nicolas Schmetz (1848-1858, + 1859) von der staatlichen
Straßenverwaltung, daß Plakate mit Vorschriften derselben wie in
den vorigen Jahren zweisprachig gedruckt werden, da nur ein oder
zwei Einwohner seiner Gemeinde Französisch lesen können. (75)
3.3.4. Beibehaltung der deutschen Sprache
in Kirche und Schule bis 1914
Daß Hochdeutsch aber die Sprache der Kirche am Anfang des
19. Jahrhunderts war, ist z.B. aus den 1848 gedruckten Satzungen
der Moresneter "Bruderschaft der Tod-Angst unseres am h. Kreuz
sterbenden Heilands Jesu Christi und seiner schmerzhaften Mutter
Maria zur Erhaltung einer glückseligen Sterbestunden” zu ersehen.
Die Bruderschaft wurde von Papst Innozenz XII. im Jahre 1694
bestätigt und in der Pfarrkirche von Moresnet errichtet. (76)
Die Herkunft der hiesigen Seelsorger kann eine Rolle bei der
Beibehaltung der deutschen Sprache im Kirchenraum gespielt ha-
ben. Diesbezüglich müßten wohl Untersuchungen durchgeführt
werden. Im Jahre der Dekanatserrichtung 1888 stammen von den
elf Pfarrern vier aus dem Dekanat selbst, sechs aus Deutschland und
einer aus dem Großherzogtum Luxemburg. Von den zehn bekann-
ten Kaplänen stammen zwei aus dem Dekanat und acht aus
Deutschland. (77) Auch die Ansiedlung verschiedener Klostergrün-
dungen seitens deutscher Orden, u.a. während des preußischen Kul-
46
turkampfes (1871-1879) in den angrenzenden belgischen Gemein-
den kann die sprachliche Lage beeinflußt haben.
Damit die Schriftsprache sich überhaupt verbreiten konnte,
war die Vorbedingung, daß sie gelesen werden konnte. Da in Bel-
gien die Schulpflicht erst durch das Gesetz vom 19. Mai 1914 einge-
führt wurde, stellt sich hier unter Umständen ein wirkliches Pro-
blem. Die Statistik der Volkszählung liefert uns dazu interessante
Erkenntnisse. Im Jahre 1866 schwankt der Prozentsatz der Anal-
phabeten in den neun belgischen Gemeinden zwischen 35% in
Membach und Montzen bis 55 % in Baelen. Im Jahre 1900 sind die-
se Zahlen auf 15% (Sippenaeken), bzw. 31 % (Montzen) zurückge-
gangen, so daß auch ohne Schulpflicht der Schulbesuch bestimmt
zugenommen hatte. (78) .
Bezüglich der Unterrichtssprache in den hiesigen Primarschu-
len in Anwendung der verschiedenen belgischen Gesetze über das
Primarschulwesen (30. August 1842, 10. Juli 1879, 30. August
1884, 19. Mai 1914) fehlen noch genaue Untersuchungen, u.a. über
Programme und Stundenpläne sowie über die Herkunft des Lehr-
personals.
Der Schulbesuch hat andererseits auch bestimmt zur Verbrei-
tung der französischen Sprache beigetragen. So kann z.B. festge-
stellt werden, daß in der Gemeindeschule Welkenraedt mehr Fran-
zösisch in den Jahren nach 1894 als zehn Jahre zuvor gelehrt wur-
de. In dieser Gemeinde spielt auch die durch den Ausbau des Grenz-
bahnhofes bedingte wallonische Einwanderung eine bedeutende
Rolle: die plötzliche Bevölkerungssteigerung von 884 Einwohnern
im Jahre 1866 auf 1923 im Jahre 1880 gibt hiervon ein Bild. Die im
Laufe der Zeit immer größer werdende Mobilität der Bevölkerung,
die teilweise in den angrenzenden wallonischen Zentren Beschäfti-
gung sucht, erklärt auch den Wunsch breiterer Schichten, Franzö-
sisch zu lernen. So empfahl das Moresneter Bürgermeister- und
Schöffenkollegium im September 1866 dem Lehrer, für die Erler-
nung der französischen Sprache zu sorgen, weil sie so notwendig im
Lande sei. Es wurde aber auch betont, daß der deutsche Unterricht
nicht zu vernachlässigen sei, da auch Deutsch notwendig sei. (79)
Nichtsdestoweniger bleibt Deutsch bis zum Ersten Weltkrieg
die meist benutzte Sprache, wie klar aus der Statistik der Volkszäh-
lungen hervorgeht. Bei der ersten Volkszählung von 1846 herrscht
eine gewisse Unsicherheit für die Einordnung der meistgebrauchten
Sprache. Scheinbar haben damals viele Einwohner ihr ”Plattdütsch”
als Flämisch empfunden und angegeben, wahrscheinlich wegen der
47
langjährigen Tradition der brabantischen Amtssprache in den ”duit-
schen”, bzw. flämischen Banken (bancs flamands) des ehemaligen
Herzogtums Limburg. Dies ist der Fall in Gemmenich (95 %), Hom-
burg (90%); Moresnet (80%), Baelen (59%) und Sippenaeken
(48 %). Dagegen wird Deutsch angegeben in Montzen (97 %), Mem-
bach (88 %) und Welkenraedt (70 %). Einen Sonderfall bildet Henri-
Chapelle mit 80% Französisch, das wohl bei der nächsten Volks-
zählung im Jahre 1866 auf 22 % zurückfällt und dann auch wäh-
rend Jahrzehnten bei dieser Größenordnung bleibt. Die Gründe die-
ser zweifelhaften Zahlen des Jahres 1846 müßten erforscht werden.
Merkwürdig ist auch, daß in den angrenzenden Gemeinden der ehe-
maligen limburgischen Bank Montzen, d.h. Teuven und das 1853
von Homburg abgetrennte Remersdael, die flämische Sprache sich
noch 1866 im Gegensatz zu Sippenaeken (1843 von Teuven abge*
trennt) und Homburg hält: Teuven 94% im Jahre 1846, 84 % im
Jahre 1866; Remersdael 58 %, 1866. In diesen beiden Ortschaften,
wie in der benachbarten ehemaligen Grafschaft Dalhem, wird
Deutsch kaum als meistgebrauchte Sprache angegeben: stets unter
10%, außer in Remersdael, wo 1910 ausnahmsweise 15% regi-
striert werden. Diese Angaben erklären auch, weshalb diese beiden
Pfarreien gelegentlich der Errichtung des Dekanats Montzen beim
Dekanat Aubel geblieben sind. Es würde sich lohnen, die tieferen
Gründe auch hiervon zu untersuchen, u.a. auch die Herkunft der in
diesen Ortschaften ernannten Kleriker.
In allen Gemeinden des Dekanats Montzen bleibt Deutsch bis
zum Ersten Weltkrieg die meistgebrauchte Sprache, wohlgemerkt,
daß Französisch allmählich an Boden gewinnt. Für das Französi-
sche sollen folgende Zahlen bei der letzten Vorkriegszählung 1910
genannt werden: Henri-Chapelle 34 %, Baelen 32 %, Welkenraedt
27%, Membach 20 %, Sippenaeken 18%, Montzen 11%, Mores-
net 7%, Homburg 7 %, Gemmenich 7 %. In Neutral-Moresnet, wo
1872 111 Einwohner, d.h. 4% der Bevölkerung als französischspra-
chig eingetragen sind, verlangen im Jahre 1909 100 Familien, die
560 Personen vertreten, daß eine sonntägliche Messe mit französi-
scher Predigt zelebiert wird, was ihnen auch Generalvikar Jean-
Martin Herzet im Namen des Bischofs am 5. Januar zugesteht. In
den anderen Messen mußte nun eine kurze Zusammenfassung der
Predigt in französischer Sprache gebracht werden. Die Antragsteller
stellten ca. 13,5 % der Gesamtbevölkerung (4.138) dar, wogegen die
Belgier (1.518) damals 36,7 % ausmachten.
In einem Schreiben vom 18. Mai 1906 an das damals in Wel-
kenraedt erscheinende ”Grenz-Echo” erkennt der Direktor der
48
”Agence de Moresnet” der ”Vieille-Montagne”, der Lütticher Inge-
nieur Charles Timmerhans, das Grundrecht der Deutschbelgier an,
in der bestehenden Lage in ihrer Sprache verwaltet und vor Gericht
behandelt zu werden, wenn er auch die Notwendigkeit der Erler-
nung der französischen Sprache in Kelmis betont.
Diese Zahlen sprechen für sich und erklären auch die pastorale
Entscheidung des Lütticher Bischofs.
3.3.5. Deutschsprachige Presse und Sprachpolitik
Von Bedeutung für die Verbreitung des Hochdeutschen ist na-
türlich auch die regionale Presse. In Aubel gab von 1848 bis 1951
die aus Membach stammende Familie Willems ”Die Fliegende Tau-
be” heraus. Ein Mitglied derselben Familie gründete in Dolhain -
1886 das Wochenblatt ”Das freie Wort”, später in ”Freie Presse”
umgetauft, das bis 1935 erschien. In Welkenraedt erschien 1903 bis
1914 das vom gebürtigen Ketteniser Fritz Königs herausgegebene
”Grenz-Echo”. Die hiesigen politischen Mandatare betrachteten
sich ganz ungehemmt als ”deutsche Belgier”. Anläßlich eines Besu-
ches des Lütticher Provinzialgouverneurs in Moresnet am 30. Mai
1889 äußerte sich der Bürgermeister- und Provinzialrat Jean-Michel
Schmetz (1859- ) wie folgt: ”Nos peres etaient fiers et heureux
d’&tre des Brabancons allemands, ils ont ete les fideles et loyaux su-
jets de la maison d’Autriche, de leur bien-aimee souveraine Marie-
Therese. Monsieur le Gouverneur, nous leurs fils, nous sommes fiers
et heureux d’&tre Belges, des Belges allemands, dans nos veines coule
le genereux sang allemand, mais, nos cceurs sont belges et resteront
belges a toute epreuve.” (80)
Die sich in den nördlichen flämischen Provinzen allmählich ab
1847 entwickelnde flämische Bewegung zugunsten der Anerken-
nung, bzw. der Gleichberechtigung der flämischen Sprache im öf-
fentlichen Leben hat auch einen indirekten Einfluß im deutschspra-
chigen Belgien ausgeübt. Merkwürdig ist, daß ihr Aufruf vom 6.
November 1847 noch vom ”niederdeutschen Volk” spricht. Wie der
dem Volke nahestehende flämische Klerus hat sich auch der
deutschsprachige Klerus bei uns sprachlich engagiert. Seine Begrün-
dung mag wohl dieselbe gewesen sein: damit die Seelsorge Früchte
trägt, muß sie sich der Volkssprache bedienen, bzw. einer Schrift-
und Hochsprache, die für breite Massen leicht verständlich ist. Im
Jahre 1896 veröffentlicht der aus Arlon stammende Lütticher Uni-
versitätsprofessor und Gründer der belgischen Historikerschule Go-
defroid Kurth (* 1847, + 1915) in Arlon und Aubel seine Studie
”Das Deutsche Belgien”. Godefroid Kurth war nicht nur ein Ge-
49
lehrter, sondern auch seit 1893 persönlich stark in der ”Union
democratique chretienne” des Lütticher Moraltheologen Mer.
Antoine-Denis Pottier (* 1849, + 1923) engagiert (81). Godefroid
Kurth verteidigte folgerichtig die Rechte der deutschen Sprache in
der Presse, so zuerst im ”Le Patriote”, dem damaligen Titel der heu-
tigen "Libre Belgique”, vom 2. - 3. Januar 1896. Der von Godefroid
Kurth 1892 in Arlon gegründete ”Verein zur Hebung und Pflege
der Muttersprache im deutschredenden Belgien” ist dann auch im
Zusammenhang mit der Vorbereitung zur Novellierung der Sprach-
gesetzgebung vom 18. April 1898 zu sehen.
Bei der Besprechung in den gesetzgebenden Kammern interve-
nierten die Volksvertreter Lorand und Graf Limburg-Stirum (beide
Arlon) zugunsten der Gleichstellung der deutschen Sprache. Sie er-
hielten die Unterstützung von 30 Kammermitgliedern, darunter ei-
nem einzigen Flamen. Der Antrag Lorand wurde wegen des Ein-
spruches der Flamen mehrheitlich am 18. März 1898 abgelehnt.
Nach dieser Ablehnung wurde eine Petition an den Senat aus vielen
deutschsprachigen Gemeinden der Provinzen Luxemburg und Lüt-
tich eingereicht, darunter aus allen Gemeinden des Dekanats Mont-
zen, außer Henri-Chapelle und dem nicht betroffenen Neutral-
Moresnet. Im Senat wurde der Antrag zur Gleichstellung der deut-
schen Sprache von den Senatoren Simonis (Verviers) und Nothomb
(Arlon) wieder eingereicht und von berühmten Juristen wie Ed-
mond Picard, Paul Janson (beide Brüssel) und Dupont (Lüttich) un-
terstützt. Jedoch vergebens.
Im Jahre 1905 wurde der ”Deutsche Verein für die Provinz
Lüttich” in Montzen gegründet. Die erste Vollversammlung fand
am 19. Oktober 1906 im Montzener Gemeindehaus statt; der aus A
Homburg stammende Gemmenicher Kaplan und spätere Bleyber-
ger Pfarrer Guillaume Dejalle (* 1863, + 1926) hielt hierbei eine feu-
rige Rede. (82) Anwesend waren neben dem Initiator, dem aus
Montzen’ gebürtigen Lütticher Universitätsprofessor Heinrich Bi-
schoff, dessen berühmter Kollege Godefroid Kurth, Bürgermeister
Nyssen, Dechant Lamberts und der aus Henri-Chapelle stammende
Montzener Kaplan Francois Scherrer, der spätere Pfarrer von Kel-
mis. Die Zusammenarbeit mit dem von Kurth gegründeten Areler
Verein wurde beschlossen, um gemeinsam für die gesetzliche Aner-
kennung der deutschen Sprache in der Verwaltung und im Gerichts-
wesen zu wirken. Godefroid Kurth griff wieder zur Feder in der
christlichen demokratischen Zeitung ”le XX: siecle” (1906, N" 225,
232, 239), um für diese Anliegen zu werben. Ende 1905 war das
50
Forderungsprogramm allen Parlamentariern zugesandt worden. Es
sah u.a. die Ausdehnung der Bestimmungen des Gesetzes vom 22.
Mai 1878 über den Gebrauch der flämischen Sprache in der Verwal-
tung und des Gesetzes vom 3. Mai 1889 über den Gebrauch der flä-
mischen Sprache im Gerichtswesen ”auf Deutsch-Belgien und auf
die deutsche Sprache” vor. Im Monat Mai 1907 richteten die beiden
Vereine eine Petition an die Regierung zur Anwendung des Artikels
2 des Gesetzes vom 19. September 1831 über die Veröffentlichung
einer deutschen Übersetzung der Gesetze, jedoch vergebens. Die
letzte von den beiden Vereinen durchgeführte Petition an den Senat
fand im Jahre 1913 statt, nachdem die Kammer 1913 ein Gesetz
über den Sprachgebrauch bei der Armee verabschiedet hatte, ohne
die Möglichkeit zu berücksichtigen, die Aufnahmeprüfung zur Kgl. )
Militärschule auch in deutscher Sprache abzulegen. Dieser Antrag
wurde dann auch vergebens seitens der Senatoren von Arlon und
Verviers unterstützt.
Der Kampf um die Anerkennung der deutschen Sprache wur-
de stark seitens der deutschsprachigen Presse und besonders der
”Fliegenden Taube” unterstützt. Dieser Einsatz zugunsten der deut-
schen Sprache ist aber gar nicht mit politischen Sympathien für
Preußen und das Deutsche Reich in Verbindung zu bringen, war die
”Fliegende Taube” doch vielmehr preußenfeindlich eingestellt.
Es scheint, daß sich der Klerus in den letzten Jahren weniger
im Deutschen Verein engagierte. Heinrich Bischoff behauptet in sei-
nem posthum erschienenen Werk (68), der flämische Diözesanbi-
schof von Lüttich, Mgr. Martin Hubert Rutten (* 1841, ep. 1901, +
1929) hätte Druck auf die Geistlichen ausgeübt, damit sie sich vom
Deutschen Verein distanzierten. Inwiefern dies stimmt, sei dahinge-
stellt.
3.3.6 Der erste Weltkrieg und seine Folgen
Man kann zu Recht behaupten, daß der deutsche Einfall vom
4. August 1914 den bis dahin so oft geäußerten Willen der Bevölke-
rung des Dekanates Montzen, und übrigens auch des Areler Landes,
den Gebrauch der deutschen Sprache in der belgischen Verwaltung
durchzusetzen, fast vollständig zum Erlahmen gebracht hat. Die
Enttäuschung über den Nachbarn, der sein Wort gebrochen hatte
und dann noch mit Greueltaten auf den Widerstand der belgischen
Armee antwortete, war zu groß. Für viele Bewohner des Dekanates
Montzen war Deutsch nur noch die Sprache des Feindes. Schon am
ersten. Morgen des Einmarsches wurde der Moresneter Bauer
51
Schmetz vom Jongenbusch erschossen. Er wohnte im ersten Bau-
ernhof auf belgischem Gebiet, rechts der Aachen-Lütticher
Landstraße, am Ortsausgang von Neutral-Moresnet. In der Nacht
vom 8. zum 9. August 1914 wurden drei Bauernhöfe im Baelener
Weiler Overoth und drei Häuser in der Rue Longue zu Baelen von
den deutschen Truppen eingeäschert. Siebzehn Einwohner, darun-
ter ein dreizehnjähriges Mädchen und zwei Frauen, wurden er-
schossen. (83)
Während des Ersten Weltkrieges mußten die ”plattdütschen”
Soldaten von ihrem geistlichen Betreuer, dem aus Montzen gebürti-
gen Feldgeistlichen Hubert Keufgens, (* 1888, + 1961), gegen
geäußerte Zweifel über ihre Treue zu Belgien heftig verteidigt wer-
den. In vier Frontbriefen vom 20. Juli, 25. August, 22. September
1917 und 7. März 1918 betonte er den Patriotismus der ”Plattdüt-
schen” und ihre Abneigung gegen alles Preußische. Dabei: unter-
strich er den sprachlichen Unterschied zwischen ”Plattdütsch” und
Hochdeutsch als Mittel zum Zweck. Diese im Kriege entstandenen
Schriften müssen natürlich in ihrem psychologischen Umfeld beur-
teilt werden und können nicht als eine sachliche Untersuchung der
sprachlichen Situation gewertet werden.
Im besetzten Lande glaubte die deutsche Militärregierung,
Sympathien der deutschsprachigen Belgier gewinnen zu können, in-
dem sie der Bevölkerung ein sprachliches Statut oktroyierte, das die-
selbe während Jahrzehnten vergebens von der eigenen Staatsregie-
rung verlangt hatte. Dieser Schritt erwies sich als eine absolute Fehl-
kalkulation. Was sie nicht von der politischen Mehrheit ihres Lan-
des erreichen konnten, haben die Deutschsprachigen von der Besat-
zungsmacht aus patriotischen Gründen abgelehnt. In Anwendung
des noch von den belgischen Kammern am 15. Juni 1914 verab-
schiedeten neuen Schulgesetzes erließ am 22. April 1916 der Ver-
waltungschef beim militärischen Generalgouverneur in Belgien eine
Verfügung, die das deutsche Sprachgebiet definierte und Deutsch
als Muttersprache in diesem Gebiet vorschrieb. Das gesamte Deka-
nat Montzen und der Aubeler Weiler ”La Clouse” gehörten dazu.
Am 2. September 1916 wurde auch die deutsche Sprache in der
Verwaltung durch eine weitere Dienstanweisung in Ausführung des
Gesetzes vom 22. Mai 1878 eingeführt. Am 18.-April ging der Ge-
neralgouverneur noch einen Schritt weiter, indem er durch Verord-
. nung Deutsch als ausschließliche Amtssprache‘ im deutschen
Sprachgebiet vorschrieb. Die Reaktion der. Bevölkerung des Deka-
nates Montzen entsprach derjenigen des großen Vorkämpfers für
52
die Anerkennung des Deutschen als dritter Landessprache, des am
4. Januar 1916 im Brüsseler Vorort Assche verstorbenen Godefroid
Kurth. Der Historiker hat seine Enttäuschung über Deutschland in
seinem posthum erschienenen Werk ”Le guet-apens prussien” kund-
getan. (85) Eine Polemik entbrannte in der Presse zwischen denjeni-
gen, die Deutsch aus Schule und Kirche verbannen wollten, z.B. der
während kurzer Zeit in Welkenraedt von Adrien Bertels herausge-
gebenen ”La Libre Frontiere” und der altansässigen deutschsprachi-
gen Aubeler Zeitung ”Die Fliegende Taube”, die Deutsch aus seel-
sorgerischen Gründen verteidigte und dabei betonte, auch ”Deutsch-
redende” hätten zur Genüge bewiesen, daß sie belgische Patrio-
ten seien. Aus einem Gemisch von sprachlichen und patriotischen
Überlegungen mischten sich auch Flamen als Verteidiger einer Wie- |
derbelebung des Niederländischen als belgische germanische Spra-
che ein. In diesen Jahren erschien das erste Werk von Joseph Lan-
gohr (86), der sich für Niederländisch einsetzte. Die flämische Pro-
paganda konnte nicht Fuß fassen, bedingt u.a. durch die geographi-
sche Lage, fern von jedem flämischen Kultur- und Wirtschaftszen-
trum: teilweise wurde die flämische Bewegung auch aus patrioti-
schen Gründen abgewiesen, da verschiedene Führer derselben wäh-
rend des Krieges mit der Besatzungsmacht gemeinsame Sache ge-
macht hatten. Um jede zukünftige Einmischung Deutschlands in ih-
re Angelegenheiten zu vermeiden, benutzte ein Teil der Bevölke-
rung die Sprachenerklärung bei der Volkszählung nun als Volksab-
stimmung für die gewünschte Zugehörigkeit zu einer Sprachgruppe,
und zwar zum Französischen, das für sie am besten mit der belgi-
schen Nation identifiziert wurde. Bei der ersten Volkszählung nach
dem Kriege im Jahre 1920 verlor Deutsch noch wenig an Boden als
meistgesprochene Sprache. In Welkenraedt erreichte Französisch
aber den ersten Rang mit 48 %. In den Schuleia wurde nun für eine
intensivere Erlernung des Französischen, das oft Hauptunter-
richtssprache wurde, gesorgt. Nur in der Kirche behielt Deutsch
noch eine Vorrangstellung aus seelsorgerischen Gründen, aber
Französisch setzte sich teilweise im Gottesdienst und vor allem in
der Jugendseelsorge durch. Im stark französischen Welkenraedt
blieb z.B. die gut besuchte 9 Uhr-Messe als ”deutsche Singmesse”
bestehen.
Mit der Volkszählung von 1930 kann dann der sprachliche
Umschwung in den meisten Gemeinden festgestellt werden. Als
meistgesprochene Sprache galt nun Französisch in Montzen
(75 %), Baelen (74 %), Homburg (72 %), Welkenraedt (66 %), Henri-
S3|
Chapelle (58 %) und Sippenaeken (40%). Deutsch blieb nur in Kel-
mis, dem 1919 belgisch gewordenen Neutral-Moresnet (89%),
Gemmenich (76 %) und Moresnet (71%) im Kanton Aubel sowie
Membach (77 %) im Kanton Limburg stärkste Sprache.
3.3.7 Die Sprachgesetzgebung von 1932 bzw. 1935
Auch in der Zwischenkriegszeit gab es wieder Versuche, trotz
der nun psychologisch belasteten Lage, die Anerkennung der deut-
schen Sprache im Gebiet des Dekanates Montzen zu erreichen. Der
Montzener Kollege von Godefroid Kurth, der Lütticher Universi-
tätsprofessor Heinrich Bischoff, setzte sich stark hierfür ein und ver-
suchte, den Montzener Deutschen Verein neu zu beleben. Da seine
persönliche Haltung während des Krieges nicht einwandfrei geblie-
ben war, war er 1920 frühzeitig im Alter von nur 51 Jahren emeri-
tiert worden. Unter diesen Umständen schienen seine Bemühungen
der Bevölkerung doch zweifelhaft. Der am 8. September 1931 im
Areler Land gegründete ”Bund der Deutschbelgier” konnte bei wei-
tem nicht die Resonanz der Deutschen Vereine der Vorkriegszeit er-
reichen. Im Jahie 1930 veröffentlichte Bischoff seine Broschüre
”Notre troisieme langue nationale” in Brüssel und im darauffolgen-
den Jahre in Eupen sein Werk über ”Die deutsche Sprache in Bel-
gien”. Die politische Entwicklung in Deutschland, vor allem seit der
Machtergreifung der Nazis 1933, brachte auch beim Klerus eine an-
dere Einstellung zur deutschen Sprache. Wenn dieselbe aus seelsor-
gerischen Überlegungen noch weitgehend beibehalten wurde, war
man sich doch einer möglichen moralischen Gefährdung bewußt.
In dieser Periode wurde ein erneuter Versuch der flämischen
Bewegung gestartet, das Dekanat Montzen für die andere germani-
sche Sprache zu gewinnen. Er fußte auf der Vorherrschaft der bra-
bantischen Amtssprache im 17. und 18. Jahrhundert. Der frühere
Schüler von Heinrich Bischoff, Joseph Langohr (* 1875, + 1950), in-
zwischen Lehrer am Kgl. Athenäum zu Tongeren, bemühte sich
wieder, den rein niederländischen Charakter der hiesigen Mund-
arten, des ”Plattdütschen” beweisen zu wollen. Es kam zum Philolo-
genstreit zwischen den Verfechtern der beiden Hochsprachen, in
den auch ein dritter Montzener einstieg: der Betreuer der plattdüt-
schen Soldaten an der Yserfront und nunmehrige Dechant von Eu-
pen, Hubert Keufgens. Letzterer war der Meinung, daß ”Deutsch
sich als Muttersprache der niederdeutschen Mundart übergestellt
hat und daß nie ein Eupener und Montzener der deutschen Sprache
zugunsten des Flämischen entsagen wird”. Weiter schreibt er: ”Zu-
54
gegeben, daß Deutsch-Limburg früher flämisch gewesen sein soll,
was mit gründlichen Argumenten bestritten wird, so hat es seinen
flämischen Ursprung ganz vergessen. Drei Jahrhunderte unterlag es
hochdeutschem Einfluß... Das Flämische hat bei uns kein Recht
mehr geltend zu machen, weder als erste, noch als zweite Sprache.
Letztere Stelle kommt eher dem Französischen zu”. (88) Kulisse zu
diesem Philologenstreit war ein Politikum, nämlich die Novellie-
rung der belgischen Sprachgesetzgebung, die vom damaligen Pre-
mierminister Henri Jaspar Anfang 1930 angekündigt worden war.
Wie die ”Deutschen Vereine” vor dem Ersten Weltkrieg, verlangte
nun der ”Bund der Deutsch-Belgier” in einer Bittschrift vom 24. No-
vember 1931 an die Kammer der Volksvertreter die gesetzliche An-
erkennung eines deutschen Sprachgebietes zusätzlich zu den auf der "
Grundlage des Versailler Vertrages ab dem 2. Januar angegliederten
Kantonen Eupen, Malmedy und St. Vith.
Das neue Gesetz vom 28. Juni 1932 sah Französisch als Ver-
waltungssprache in den Gemeinden der Provinz Lüttich (Art. 1, $
2), außer in den Kantonen Eupen, Malmedy und St. Vith vor, in
welchen das zweisprachige System des Eingliederungsgesetzes und
des Kgl. Erlasses vom 4. Oktober 1925 gültig blieb (Art. 12). Eine
Ausnahme zugunsten einer anderen Sprache wurde laut Art. 3, $ 1,
in den Gemeinden vorgesehen, in welchen bei der letzten Volkszäh-
lung eine Mehrheit der Einwohner erklärt hatte, diese Sprache mei-
stens zu benutzen.
In den Gemeinden, wo mindestens 30 % der Einwohner eine
andere nationale Sprache als die ihrer Provinz benutzten, wurden
zu ihren Gunsten Spracherleichterungen eingeführt. Da nur Nieder-
ländisch und Französisch als die beiden nationalen Sprachen aner-
kannt wurden, galten diese Spracherleichterungen nicht für
Deutsch. In Anwendung der Sprachgesetzgebung von 1932 habe
ich nur feststellen können, daß ab dem 3. August 1936 bis zum
Zweiten Weltkrieg die Protokolle der Gemeinderatssitzungen in
Kelmis in deutscher Sprache geführt wurden.
Die Bemühungen des Bundes der Deutsch-Belgier, der bei wei-
tem nicht die Unterstützung in der Bevölkerung und bei den Ver-
vierser Parlamentariern fand, wie sie der Deutsche Verein vor
1914 gefunden hatte, schlugen also fehl, nachdem Premierminister
Renkin einen Versuch gemacht hatte, denselben Rechnung zu tra-
gen. Der einzige Volksvertreter, der, laut Bischoff, für die Anerken-
nung der deutschen Sprache plädierte, war der sozialistische Abge-
ordnete von Verviers, Hoen. j
Ss
Im Schulgesetz vom 14. Juli 1932 wird festgehalten (Art. 1),
daß Deutsch nur Unterrichtssprache in den Gemeinden deutscher
Sprache ist, d.h., laut Kommentar, in den durch den Versailler Ver-
trag belgisch gewordenen Gemeinden, wo Deutsch Umgangsspra-
che ist. In den Gemeinden, in denen mehr als 20 % der Bevölkerung
eine andere Sprache anläßlich der letzten Volkszählung angegeben
haben, kann diese Sprache als zweite Sprache ab der dritten Klasse
unterrichtet werden. Zusätzlich können in den deutschsprachigen
Gemeinden Ausnahmebestimmungen erteilt werden.
Einige Jahre später stand auch die Novellierung des Gesetzes
über den Sprachengebrauch im Gerichtswesen zur Diskussion.
Nach Intervention des sozialistischen Volksvertreters des Bezirks
Verviers, Marc Sommerhausen, Vizepräsident des Bundes der
Deutsch-Belgier, dem sich die anderen Vervierser Parlamentarier
anschlossen, wurde der Gebrauch der deutschen Sprache im Gesetz
vom 15. Juni 1935 in den Gerichtskantonen Aubel und Limburg
(Art. 5, 11 und 17) sowie vor dem Gericht 1. Instanz und dem Han-
delsgericht von Verviers (Art. 5, $ 2) vorgesehen. Dies war eine Fol-
ge der Ergebnisse der letzten Volkszählung von 1930 (Art. 42). Der
Kgl. Erlaß vom 11. September 1935 stellte dann dementsprechend
die Liste der deutschsprachigen Gemeinden fest: im Gerichtsbezirk
Verviers wurden u.a. Gemmenich, La Calamine und Moresnet im
Kanton Aubel sowie Membach im Kanton Limburg aufgeführt.
Bei der Leitung des Bundes der Deutsch-Belgier wurde in die-
sen Jahren eine Änderung vorgenommen. Nachdem der Präsident
Heinrich Bischoff zurückgetreten war, übernahm Pater Edmond
Willems die Leitung, und es wurde eine gemäßigtere Linie einge-
schlagen, die mehr den Vorkriegsbemühungen entsprach. Im soge-
nannten katholischen Flügel des Bundes entwickelten sich nämlich
Zweifel an der Haltung von Bischoff gegenüber dem Dritten Reich.
Diejenigen, die sich noch für die Anerkennung der deutschen Spra-
che im Dekanat Montzen einsetzten, waren aber gegen eine Unter-
stützung aus Deutschland, vor allem seit der Machtergreifung der
Nazis. Hier mag wohl auch die Enzyklika ”Mit brennender Sorge”
Se. Heiligkeit Pius XI. (* 1857, p. 1922-1939) vom März 1937 eine
Rolle gespielt haben.
3.3.8. Die Annexion von 1940-1944 und ihre Folgen (89)
Die am 6. Juni 1940 vom Reichsminister des Innern beschlos-
sene Angliederung des Dekanats Montzen an das Dritte Reich sollte
nach dem Kriege zum endgültigen Rückschlag für die deutsche
Sprache führen.
56
Obwohl der Reichsminister für kirchliche Angelegenheiten die
Zugehörigkeit des annektierten Gebietes zum Bistum Lüttich als
”untragbar” darstellte und dem Regierungspräsidenten von Aachen
mitteilte, daß ”alle kirchlichen Einflüsse von belgischer Seite mög-
lichst sofort zu unterbinden sind”, und obwohl der Staatssekretär
im Auswärtigen Amt auch in dieser Hinsicht beim Apostolischen
Nuntius in Berlin intervenierte, ließ der Heilige Stuhl sich nicht da-
rauf ein. Weihbischof Sträter, Apostolischer Administrator des Bi-
stums Aachen, wurde wohl im Juli 1940 vom Nuntius zum Verwal-
ter von Eupen-Malmedy ernannt. Dazu gehörte das annektierte De-
kanat Montzen aber nicht. Wegen der bestehenden neuen Grenze
brachen die Beziehungen des Klerus mit dem Bistum weitgehend ab,
so daß vermutlich nach interner Absprache der beiden Bischöfe im )
Dekanat Montzen Mgr. Sträter als Generalvikar des Lütticher Bi-
schofs fungierte. (90) Im ”Directorium und Personal-Schematismus
für die Diözese Aachen” vom 30. November 1940 sowie im ”Kirch-
lichen Anzeiger für die Diözese Aachen” wird der Montzener Kle-
rus nicht, der Eupen-Malmedyer wohl aufgeführt. Im ”Elenchus
cleri Dioecesis Leodiensis” von 1941 erscheint dann auch das Deka-
nat Montzen, nicht aber die Dekanate Eupen, Malmedy und
St. Vith. Beim Gottesdienst wurde die französische Sprache im De-
kanat Montzen verboten, wogegen bis 1941 ein sonntäglicher fran-
zösischer Gottesdienst in der Malmedyer -.Wallonie geduldet wurde.
Daraufhin predigte der Welkenraedter Pfarrer Hubert Vaessen, den
Sourbrodter Pfarrer. Pietkin nachahmend, in ”Plattdütsch”, bis er
ausgewiesen wurde. Einem Bericht des Aachener Regierungspräsi-
denten an den Reichsminister des Innern vom 24. September 1940
(91) über ”die Verhältnisse in den eingegliederten altbelgischen Ge-
meinden” entnehmen wir, ”die probelgische Einstellung der. Bevöl-
kerung, ... die durch eine Unterschriftensammlung zum Ausdruck
kommt, die dem belgischen König am 21.07.1940, dem belgischen
Nationalfeiertag, überreicht. werden sollte. Sie enthält die Versiche-
rung, daß die Unterzeichneten sich nach wie vor als Belgier fühlten
und ihrem König treu bleiben wollten. Als der staatspolizeiliche Zu-
griff erfolgte, waren in wenigen Tagen bereits über 1.000 Unter-
schriften gesammelt worden. In der Gemeinde Montzen war sogar
eine Beteiligung von über 90 % zu verzeichnen”. Der Bericht meldet
weiter, daß ”die Hauptträger des Widerstandes in bestimmten Krei-
sen zu suchen sind: ehemalige belgische Beamte, Gemeindesekretä-
re, Eisenbahnbeamte, Schulleiter und Geistliche. Letztere leisten
57
zwar keinen offenen Widerstand, um so wirksamer ist jedoch ihr
Einfluß auf die Bevölkerung”.
Aus ihrem Hang zur deutschen Sprache heraus zeigten nur zwei
Geistliche einige Sympathien für die Deutschen. Laut Guillaume
Massenaux waren es der aus Gemmenich stammende Baelener Pfar-
rer Nicolas Nadenoen, der dementsprechend nach der Befreiung
1944 ersetzt wurde, (92) sowie der aus Baelen stammende Welken-
raedter Kaplan Leon Corman, der sich öffentlich als Anhänger der
Annexion bekannte, Streit mit seinem Pfarrer Hubert Vaessen und
seinem Konfrater Emile Brouwers suchte und vom allergrößten Teil
der Pfarrkinder abgelehnt wurde. Er wurde einige Wochen später
vom Bistum nach La Clouse im annektierten Teil der Gemeinde Au-
bel versetzt, nach der Befreiung festgenommen und 1945 verurteilt.
(93)
Diese beiden Geistlichen waren aber wirklich Ausnahmen. Die
allergrößte Mehrheit des Montzener Klerus zeigte sich im Gegenteil
durch seinen seelsorgerischen Einsatz zugunsten der an Ort und
Stelle gebliebenen belgischen Bevölkerung und durch seine patrioti-
sche Einstellung aus. Mehrere blieben auch nicht seitens der Nazis
unbehelligt. In Kelmis wurde der gesamte Pfarrklerus am 28. Sep-
tember 1942 verhaftet, da die Kapläne Nicolas Xhonneux und Pe-
ter Hendricks französischen Kriegsgefangenen, die auf der Flucht
waren, geholfen hatten und Pfarrer Franz Scherrer seine Kapläne
gedeckt hatte. Glücklicherweise konnten diese drei Priester nach
Kriegsende zurückkehren, nachdem sie aus dem Gefängnis, bzw.
Konzentrationslager befreit worden waren. Leider war das Los drei-
er anderer Montzener Priester ein anderes. Der Membacher Pfarrer
Jean Renardy wurde 1943 verhaftet und abtransportiert und starb
im März 1945 im Konzentrationslager von Bergen-Belsen. Der aus
Baelen gebürtige Pfarrer von Henri-Chapelle Leonard Cordonnier,
obschon gewarnt, predigte mutig weiter gegen die heidnische Nazi-
doktrin und ermutigte seine Pfarrkinder, die Treue zu Belgien hoch-
zuhalten nach dem Vorbild von Cardinal Desire Mercier im ersten
Weltkrieg. Er wurde dann auch am Fuße des Predigtstuhles verhaf-
tet und starb nach: furchtbarem Leiden nach 6 Monaten Inhaftie-
rung im Konzentrationslager Dachau am 9. Dezember 1942 im Al-
ter von 69 Jahren. Anläßlich der am 28. Februar 1945 in Henri-
Chapelle gefeierten Exequien beauftragte Bischof Kerckhoffs Kano-
nikus Keufgens, sein Mitleidschreiben vorzulesen. Der Diözesanbi-
schof schrieb: ”Le souvenir de l’abbe Cordonnier restera grave dans
NOs coeurs, comme celui d’un pretre d’Elite, tout devoue au bien des
58
Ämes, se consacrant ä sa täche de pasteur avec un zele ardent et un
desinteressement absolu, ayant une haute idee de sa mission et ne
transigeant pas avec le devoir. Il estimait a bon droit que le patriotis-
me est, lui aussi, une forme de devoir... En ce pretre d’elite, nous
venerons aussi un martyr de la Patrie.” Der ebenfalls aus Baelen
stammende Montzener Kaplan Jean Arnolds wurde im Juni 1943
wegen Hilfe an französische Kriegsgefangene von der Gestapo ver-
haftet. Nach 14 Monaten Gefängnis wurde er am 28. August 1944
in Berlin enthauptet. Auch von ihm schrieb Mgr. Kerckhoffs am
15. Juli 1945 anläßlich der Exequien in Montzen: ”Nous garderons
avec veneration le souvenir de ce saint pretre martyr de sa charite et
de son patriotisme.” Im Bericht der ”Federation de la Resistance des
10 communes” vom 22. Juni 1946 wird festgehalten, daß 7 der 18 .
im Dekanat Montzen tätigen Priester in Konzentrationslager einge-
liefert wurden. (94)
Diese Haltung der Seelsorger entsprach voll und ganz der Ein-
stellung der allergrößten Mehrheit ihrer Pfarrkinder. Im selben Be-
richt lesen wir, daß der Zweite Weltkrieg 92 Todesopfer in der Be-
völkerung des Dekanates forderte: 29 gefallene Soldaten, 16 zum To-
de Verurteilte, 8 gefallene Resistenzler und 39 in Haft Verstorbene.
Ferner zählen wir 624 Wehrdienstverweigerer, die teils im nicht an-
nektierten Belgien, teils an Ort und Stelle untertauchten, und 265
politische Gefangene. Nun wurde in breiten Massen der Bevölke-
rung Deutsch endgültig als die Sprache des Feindes empfunden, mit
der man nichts Gemeinsames mehr haben wollte. Die Zahlen der
Volkszählung von 1947 zeugen hiervon. In den schon 1930 mehr-
heitlich Französisch sprechenden Gemeinden fällt Deutsch unter
10% als meist gesprochene Sprache. In den anderen, außer Kelmis,
gibt es eine gewaltige Steigerung des Französischen: Gemmenich
von 16% auf 60%, Moresnet von 22% auf 75% und Membach
von 19% auf 75 %. Auch diesmal blieb der Vorstoß des flämischen
Davidsfonds, der ”Plattdütsch” als Niederländisch betrachtet, ohne
jedwelchen Erfolg. Nach der Befreiung verschwindet Deutsch vom
Lehrplan aller Primarschulen, außer Kelmis, wo der Gemeinderat
beschließt, Deutsch als Unterrichtssprache in den beiden ersten
Schulklassen beizubehalten, Französisch aber den Vorrang ab der
dritten Klasse zu geben.
Der von den Nazis schwer betroffene Klerus des Dekanates
Montzen, der sich während Jahrzehnten für die Rechte der deut-
schen Sprache eingesetzt hatte, wirkte nun auch nicht mehr mit Be-
geisterung im selben Sinne. Aus seelsorgerischer Überlegung wur-
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Jean Renardy Jean Arnolds
Sie starben im K.Z.
60
den noch vereinzelt Predigten in Deutsch, bzw. in ”Plattdütsch” ge-
halten oder mindestens kurze Mitteilungen, vor allem zugunsten der
älteren Pfarrkinder, die ungenügend Französisch verstanden. Auch
dies wurde manchmal von der Bevölkerung übel verstanden, so z.B.
in Welkenraedt, wo Kaplan Joseph Hilligsmann, als er kurz auf
Deutsch in der Sonntagsmesse predigen wollte, von lärmenden An-
wesenden gestört wurde.
3.3.9. Die Sprachgesetzgebung von 1963
und die Gemeindefusionen von 1976
Als dann die Regierung im Jahre 1961 bei der Novellierung der
Sprachgesetzgebung die Einführung des Deutschen oder des Nieder-
ländischen als zweite Verwaltungssprache in den Gemeinden des
Dekanates Montzen vorsah, verursachte sie eine große Empörung,
die fast zur Rebellion führte. Die Gemeinderäte, die Ortsgruppen
der Parteien und vor allem die patriotischen Vereinigungen prote-
stierten lautstark, so daß dieses Projekt zum größten Teil ins Wasser
fiel. Es blieb nur die Bestimmung, daß der König nach Anhören des
zuständigen Gemeinderates Sondermaßnahmen in der Verwaltung
einführen kann. (Gesetz vom 2. August 1963, Art. 56).
Dagegen wurde das neue Schulgesetz vom 30. Juli 1963 ohne
ähnliche Proteste angenommen. Dieses Gesetz (Art. 3, 4°) sieht u.a.
vor, daß Deutsch, bzw. Niederländisch, als zweite Sprache in den
Grundschulen ab der 3. Klasse unterrichtet werden muß (Art. 10)
und daß deutschsprachige Klassen organisiert werden müssen, falls
eine genügende Anzahl Eltern dies beantragen. (Art. 6) Diese letzte
Bestimmung blieb übrigens überall ohne Wirkung. Anläßlich der
Diskussion der neuen Sprachengesetzgebung wurde auch die amtli-
che Sprachgrenze endgültig durch das Gesetz vom 9. August 1963
festgelegt. Dabei schied die Gemeinde Kelmis - La Calamine aus
dem Gerichtskanton Aubel aus und wurde dem Gerichtskanton Eu-
pen zugewiesen. Bis zu den Gemeindefusionen von 1976 blieb Kel-
mis aber im Wahlkonton Aubel, um dann durch Kgl. Erlaß vom
10. März 1977 zum Wahlkanton Eupen im neugebildeten deutsch-
sprachigen Wahldistrikt Eupen geschlagen zu werden. Der ehemali-
ge deutschsprachige Charakier der Gemeinden des Dekanates
Montzen hatte noch bei den Gemeindefusionen Folgen. Da diese
Gemeinden laut dem Gesetz vom 2. August 1963 als Gemeinden
mit Möglichkeit der Einrichtung von Spracherleichterungen gelten,
durfte: keine derselben mit einer rein französischsprachigen oder
deutschsprachigen Gemeinde zusammengelegt werden: z.B. Baelen
61
mit Limburg, Homburg mit Aubel oder Moresnet mit Kelmis. Be-
züglich der Entwicklung der Sprachzugehörigkeit kann festgehalten
werden, daß hundert Jahre nach Gründung des deutschsprachigen
Dekanates Montzen Deutsch als Kultursprache nach den beiden
Weltkriegen fast verschwunden ist und bestimmt vom allergrößten
Teil der Bevölkerung nicht mehr erwünscht wird. Einzige Ausnah-
me ist die Pfarre Kelmis, das einstige Neutrale Gebiet von Mores-
net. Schuld: daran sind weitgehend der preußische Einmarsch von
1914, das Verhalten der deutschen Militärregierung 1914-1918 und
die völkerrechtlich ungültige Annexion durch die Nazis 1940-1944.
3.4. Änderung der Dekanats- und Pfarrgrenzen
im Laufe eines Jahrhunderts
Bis zum Zweiten Weltkrieg blieben die Dekanatsgrenzen der
Gründungszeit beibehalten. Auf Antrag der Einwohner von Neu-
Moresnet beschloß der Diözesanbischof Mgr. Louis-Joseph Kerck-
hoffs (* 1878, ep. 1925, + 1962) am 5. April 1946 diese ehemalige
preußische Gemeinde von der. Pfarre Hergenrath zu trennen und
mit der Pfarre Kelmis, deren Pfarrkirche viel näher liegt, zu ver-
einen. Dies ging nicht ohne Proteste des Kirchenfabrikates und des
Gemeinderates von Hergenrath, entsprach aber durchaus einer be-
stehenden Praxis und seelsorgerischen Notwendigkeiten. Es dauerte
noch bis zum 27. Oktober 1951, bevor diese Änderung durch Kgl.
Erlaß entsprechend dem Konkordat und dem Gesetz vom 18. Ger-
minal Jahr X bestätigt wurde.
Aus seelsorgerischen Überlegungen wurden auch verschiedene
Weiler oder Einzelhöfe von der einen zu einer anderen Pfarrei des
Dekanates geschlagen. Dies geschah meistens durch einfache Ab-
kommen zwischen den zuständigen Pfarrern und wurde manchmal,
aber nicht immer, durch den Diözesanbischof gutgeheißen. Soweit
festgestellt werden konnte, sind solche Änderungen nicht von den
Zivilbehörden bestätigt worden, da sie ja auch meistens die den
Pfarrkirchen zugehörende Vermögensverwaltung nicht berührten.
(95)
Als solche Änderungen der Pfarrsprengel seien erwähnt:
- der Weiler Graet von Henri-Chapelle nach Montzen unter De-
chant Ferbeck;
- der Weiler Gulpen von Montzen nach Henri-Chapelle;
- der Weiler Hoof von Baelen nach Welkenraedt, in einer unbe-
stimmten Zeit;
- der Weiler Terbruggen von Gemmenich nach Sippenaeken, am 1.
62
August 1911 (18 Familien und 90 Einwohner);
- die Weiler Tersaessen und Terstraeten mit Mergelhof von Gemme-
nich nach Sippenaeken im Oktober 1916;
- der Weiler Beusdael von Teuven (Dekanat Aubel) nach Sippenae-
ken am 9. Januar 1964 (8 Familien mit 39 Einwohnern). Dieser
Weiler gehörte schon zur Gemeinde Sippenaeken, also auch der
Zivilpfarre, seit ihrer Gründung durch Kgl. Erlaß vom 30. Septem-
ber 1842.
3.5. Bevölkerungsentwicklung
Auf der Grundlage der verschiedenen Volkszählungen kann
folgende Bevölkerungsentwicklung festgehalten werden. Es werden ;
nicht bloß die Zahlen seit der Dekanatsgründung angegeben, son-
dern seit dem Ende des Ancien Regime für die Pfarreien, die das
spätere Dekanat bilden werden.
Jahrgang Gesamt- Bevölkerung
Bevölkerung 1888 = 100
1784 9.675 60
1806 9.562 59
1831 9.013 56
1846 10.461 65
1856 12.742 79
1866 13.900 86
1880 15.269 95
1890 16.106 100
1900 18.093 112
1910 21.650 134
1920 21.162 131
1930 22.496 140
1947 22.152 138
1961 22.940 142
1970 24.463 152
1981 26.228 163
Die angegebenen Einwohnerzahlen beziehen sich eigentlich
auf die Gemeinden und nicht auf die Pfarreien. Es müßten also eini-
ge geringfügige Korrekturen vorgenommen werden. Das ändert
aber nichts an der allgemeinen Entwicklung. Die Zahlen von 1784
und 1806 enthalten z.B. das spätere Neu-Moresnet (ca. 250 Einwoh-
ner i.J. 1816). Alle Zahlen enthalten den wailonischen Teil von
63
Henri-Chapelle in der Pfarre El Saute. 1806-1830 ist Sippenaeken
nicht berücksichtigt, da es mit Teuven eine einzige Gemeinde bilde-
te, und zwar bis 1842, dagegen wird Remersdael bei Homburg ge-
zählt (bis 1852). Der Limburger Vorort Dolhain-Baelen gehört noch
zur Gemeinde Baelen bis 1879, dagegen nicht zur Pfarre.
Aus diesen Bevölkerungszahlen ist ersichtlich, daß seit der bel-
gischen Unabhängigkeit die Gesamtbevölkerung der hiesigen Pfar-
reien sich bis zur Gründung des Dekanates ungefähr verdoppelte,
entsprechend der allgemeinen Entwicklung in Belgien. In den zwan-
zig ersten Jahren nach der Gründung stieg sie um ein Drittel, um
sich dann bis 1961, während 50 Jahren, zu stabilisieren. In den
zwanzig letzten Jahren ist dann wieder eine leichte Steigerung (ca
15%) festzustellen. Natürlich sind sehr verschiedene Entwicklun-
gen von Pfarre zu Pfarre festzustellen, wobei sich vor allem zwei
Ortschaften seit der Dekanatsgründung als Anziehungspole heraus-
heben: Welkenraedt und Kelmis.
3.6. Kirchenbauten (96)
Mit der Steigerung der Bevölkerung in den verschiedenen Pfar-
reien hängen auch die Kirchenneubauten, bzw. Erweiterungen der
bestehenden Kirchen, im Laufe des 19. Jahrhunderts zusammen.
Als älteste Kirchen des Dekanates sind die St. Pauluskirche in
Baelen und die St. Georgkirche zu Henri-Chapelle anzusehen. Beide
besitzen einen schweren mittelalterlichen Turm (12.-13. Jh.). Die
Baelener Kirche wurde Mitte des 16. Jahrhunderts im gotischen Stil
wiederaufgebaut. (97) Im Laufe der drei letzten Jahrhunderte wur-
den nur Renovierungsarbeiten und kleine Erweiterungen (Sakristei
und Taufkapelle) durchgeführt. In Henri-Chapelle wurde 1630 das
gotische Querschiff gebaut, 1718 wurden die Seitenschiffe angefügt.
Die drei ältesten mittleren Joche der Moresneter St. Remigius
Kirche stammen aus dem Jahre 1645. Die Kirche wurde 1864 um
ein Joch und den Turm nach Westen erweitert; 1904 wurde das
Mittelschiff erhöht.
Aus dem Jahre 1717 stammen die ältesten mittleren Joche der
Homburger St. Briktius-Kirche, die 1838-1839 um ein Joch und das
Chor erweitert wurde. Der Vorbau mit Turm ist in denselben Jah-
ren angebaut worden.
Die Kirchen von Gemmenich und Montzen sind beide im aus-
gehenden 18. Jahrhundert, nämlich 1774, bzw. 1780-1781, neuge-
baut worden. Ihre Pläne stammen vom berühmten Aachener Archi-
tekten italienischer Abstammung Josef Moretti. Der Vorbau mit
64
Turm der Montzener St. Stephanus Kirche wurde erst 1865 errich-
tet. Die Gemmenicher St. Hubertus-Kirche erfuhr im Jahre 1906 ei-
ne bedeutende, nicht sehr glückliche, neugotische Erweiterung, be-
stehend aus Querschiff mit Chor. Die Membacher St. Johann-
Baptist Kirche aus dem Jahre 1721 wurde 1768 umgebaut und 1884
um Chor und Turm erweitert.
In Sippenaeken wurde die St. Lambertus Kirche nach klassi-
schem Modell 1840-1841 neugebaut. Die neugotische Kelmiser Ma-
riä Himmelfahrtskirche wurde 1863-1865 gebaut und die Welken-
raedter neuromanische St. Johannes-Baptist Kirche 1878. Der jüng-
ste Kirchenbau ist die Bleyberger Mariä Himmelfahrtskirche, die
erst 1935 errichtet wurde. Als einzige Kirche der Gegend stellt sie
nach dem Muster der Aachener Pfalzkapelle einen achteckigen Zen-
tralbau dar.
3.7. Die Dechanten
3.7.1. Die Rolle der Dechanten
Der Dechant ist der Vertreter des Bischofs außerhalb der Bi-
schofsstadt auf dem Lande. Er ist also das Bindeglied zwischen Bi-
schof einerseits, Pfarrklerus und Pfarrgemeinden andererseits.
Er unterstützt die Pfarrer, Kapläne und Diakone in ihren eige-
nen Aufgaben, wertet regelmäßig ihre seelsorgerische Tätigkeit mit
ihnen aus. Anläßlich der kanonischen Visitation der Pfarren seines
Dekanates überprüft er die vorschriftsmäßige Haltung der Bücher
und Register, den Zustand des Pastorats und der Kirche. Seine für
die Außenwelt sichtbarste Rolle ist die Einführung eines vom Bi-
schof neuernannten Pastors in seine Pfarre. Der Dechant hat für
die Koordinierung der Seelsorge in seinem Sprengel zu sorgen, u.a.
durch überpfarrliche Treffen in den verschiedenen Seelsorgeberei-
chen und durch die Priesterversammlungen seines Dekanates. Die
Aufgaben der Dechanten werden neuerdings auf regionaler Ebene
gemeistert, nachdem verschiedene Dekanate in Seelsorgebezirke
zusammengefaßt wurden. So bildet Montzen mit Aubel und Herve
den Seelsorgebezirk des Herver Landes.
3.7.2. Liste der Montzener Dechanten (98)
Nicolas Lamberts:
geboren in Homburg am 9. Mai 1832.
Geweiht am 1. November 1858, anschließend Lehrer am kleinen Se-
minar in Sint-Truiden bis 1862, dann Kaplan am Val Saint-Lambert
65
bis 1865 und in Henri-Chapelle bis 1871. Anschließend Pfarrer von
Montzen 1871 und erster Dechant 1888 bis zu seinem Tode am
27. März 1911.
Clement Auguste Janclaes: }
geboren in Overoth-Baelen am 13. September 1856.
Zum Priester geweiht am 11. Juni 1881 und anschließend Kaplan in
Lüttich Sainte Marguerite, dann Lize Notre-Dame 1884.
Pfarrer in Lize Saint-Joseph 1887, Lize Notre-Dame 1893 und Wel-
kenraedt 1899.
Dechant von Montzen von 1911 bis 1919. Ehrendomherr 1919.
Gestorben am 25. Oktober 1920.
Guillaume Ferbeck: ;
geboren zu Aachen-Brand am 21. Oktober 1864.
Studierte am Herver College Marie-Therese, am kleinen Seminar in
Sint-Truiden und am großen Seminar zu Lüttich.
Am 17. Dezember 1887 in Lüttich zum Priester geweiht. Kaplan in
Verviers St.-Roch bis 1892 und Verviers St. Remacle bis 1897. Rek-
tor an der Mädchenschule Seroule von 1898 bis 1919. Dechant von
Montzen von 1919 bis zu seinem Tode am 23. Mai 1943. Dechant
Ferbeck veröffentlichte einen bekannten Katechismus und ließ die
St. Rochus Hilfskapelle am Montzener Bahnhof in seiner Pfarre er-
richten. Nach dem Tode von Dechant Ferbeck wurde das Dekanat
bis Kriegsende durch den Homburger Pfarrer Cratzborn verwaltet.
Victor Schoonbroodt:
geboren zu Homburg am 1. September 1898.
Am 17. April 1922 zum Priester geweiht und schon 1921 Lehrer am
Eupener College Patronne; Sonntagskaplan in Membach von 1924
bis 1926.
Kaplan in Membach bis 1930 und in Eupen St. Nikolaus bis 1933.
Direktor des College Patronne bis 1940. Ausgewiesen während des
Krieges und Religionslehrer am Kgl. Athenäum zu Verviers.
Dechant von Montzen von 1944 bis 1966. Rektor in Montzen-
Pannesheydt bis zu seinem Tode am 29. September 1986.
Joseph Hilligsmann:
geboren zu Neutral-Moresnet am 25. Juni 1910.
Zum Priester geweiht am 4. Juli 1937 und anschließend Lehrer am
Eupener College Patronne bis 1940.
66
Kaplan in Welkenraedt bis 1945.
Direktor der Sozialen Werke in Eupen bis 1956 und anschließend
Pfarrer von Eupen St. Joseph.
Dechant von Montzen 1966 bis 1968. Aus Gesundheitsgründen zu-
rückgetreten und Pfarrer in Hergenrath bis zu seinem Tode am
24. November 1971.
Hubert Houbben:
geboren zu Gemmenich-Bleyberg am 10. Dezember 1921.
Zum Priester geweiht am 30. Juni 1946.
Kaplan in Baelen und dann in Henri-Chapelle von 1947 bis 1961.
Pfarrer von Bleyberg ab 1961. %
Dechant von Montzen von 1968 bis zu seinem Tode in Löwen am
23. September 1977.
Guillaume Voncken:
geboren zu Homburg am 22. April 1920.
Zum Priester geweiht am 2. Juli 1944.
Nach Kriegsende Kaplan in Montzen bis zum 1. November 1957.
Feldgeistlicher bis November 1972.
Pfarrer von Kelmis bis 1977 und Dechant von Montzen bis zum
1. Mai 1982.
Seitdem Rektor am Pilgerort Banneux Notre-Dame.
Alphonse Van Melsen:
geboren zu Maastricht-Heer am 2. Februar 1926, er verlebte seine
Jugend in Homburg.
Am 17. Juli 1954 zum Priester geweiht und anschließend Kaplan in
Gemmenich bis 1956 und Eupen St. Joseph bis 1968.
Pfarrer in Bleyberg bis 1972 und Eupen St. Joseph bis 1982.
Seitdem Dechant von Montzen.
Auffallend ist, daß Montzen während der ersten 80 Jahre nur
von 4 Dechanten geleitet wurde, aber auch 4 Dechanten sich in den
letzten 20 Jahren aufeinander folgten. Außer Dechant Ferbeck
stammen alle Dechanten aus dem eigenen Dekanat, darunter die
Hälfte (4) aus der Pfarre Homburg. Auffallend ist auch, daß nach
dem Zweiten Weltkrieg die Montzener Dechanten vorwiegend in
den beiden Dekanaten Montzen und Eupen, also in Orten des ehe-
maligen Herzogtums Limburg, seelsorgerische Aufgaben ausübten.
67
3.8. Das religiöse Leben
Ein Dekanat ist vor allem eine territoriale Untereinheit des Bi-
stums mit seelsorgerischen Aufgaben. Deswegen ist es auch wichtig
festzustellen, welche besonderen Merkmale das Dekanat Montzen
in dieser Hinsicht aufzuweisen hat.
3.8.1. Auf Dekanatsebene gebildete Einrichtungen und Verbände
Die natürliche Grundzelle des religiösen Lebens im Bistum ist
von alters her die Pfarre. Deswegen sind auch zuerst alle kirchlichen
und seelsorgerischen Einrichtungen, Vereine und Gruppen auf
Pfarrebene entstanden. Auf Dekanatsebene ergibt sich dann im Zu-
sammenhang mit der Koordinationsrolle des Dechanten und je
nach Bereich mehr oder weniger Zusammenarbeit der verschiede-
nen Pfarreinrichtungen, - vereine und - gruppen.
Der Verband der gregorianischen Chöre
Auf Initiative des Baelener Kirchenchores fand am Samstag,
dem 25. September 1910, nachmittags, also immerhin 22 Jahre nach
der Dekanatserrichtung, die erste Bezirksversammlung des Cäcilien-
vereins des Dekanats Montzen statt. Nach einer kurzen Andacht in
der Kirche wurde ein Konzert der sechs erschienenen Kirchenchöre
dargeboten: Baelen, Gemmenich, Moresnet (Maria Hilf), wohl Mo-
resnet-Kapelle, Montzen, Welkenraedt und Membach. Im ersten
Teil wurden lateinische Kirchenlieder und im zweiten Teil weltliche
Lieder in deutscher und französischer (Montzen, Welkenraedt)
Sprache vorgetragen. (99)
Nach Unterbrechung während der Kriegsjahre 1914 bis 1918
wurde die 5. Bezirksversammlung des nun Gregorius-Verein be-
nannten Verbandes, am Sonntag, dem 28. September 1919, in Mo-
resnet (Maria Hilf) durchgeführt. Zu den oben genannten Chören
hatten sich nun noch Bleyberg, Kelmis und Moresnet (Pfarre) einge-
funden. Der erste Programmteil bestand aus einem durch das Los
bestimmten Choralsatz und einem lateinischen Kirchenlied. Im
zweiten Teil wurde nach einer gemeinschaftlichen Aufführung wie-
der jeweils ein weltliches Lied gesungen. Die Chöre aus Membach,
Kelmis und Moresnet (Pfarre) sangen auf Deutsch, die anderen auf
Französisch. Die Tradition der Montzener Kirchenchöre ist dann
auch bis heute beibehalten worden. Am Sonntag, dem 26. Septem-
ber 1987, z.B., fand das 66. Sängertreffen des ”Verbandes der grego-
rianischen Chöre des Dekanates Montzen” im Kulturzentrum zu
71
Welkenraedt statt. Aus dem zweisprachigen Programm erfährt
man, daß der Verband nun 15 angeschlossene Chöre zählt; darunter
sind drei Kelmiser mit deutschen Liedern aufgetreten; neben diesen
drei Kelmiser Chören singen nur noch der Klosterchor von Herbes-
thalbaum und der Gemmenicher Kirchenchor Lieder in deutscher
Sprache.
Aus den Jugendbewegungen
Der aus Aubel gebürtige frühere Gemmenicher Kaplan (1908-
1923) und Direktor der sozialen Werke von Verviers (1923-1937),
Hubert Vaessen (* 1881, sac. 1906, + 1966), hat sich sehr für die
Gründung von J.O.C.-Abteilungen im Dekanat Montzen einge-
setzt, kurz nachdem der Initiator der ”Christlichen Arbeiterjugend”,
der spätere Kardinal Joseph Cardijn (1882-1967), dazu von Papst
Pius XI. 1924 ermächtigt worden war. Eine der ersten örtlichen
Gruppen wurde dann auch von Kaplan Joseph Wenders (* 1891
Gemmenich, + 1981 Henri-Chapelle) am 11. Oktober 1925 unter
Mitwirkung von Direktor Vaessen in Kelmis gegründet. Der zweite
Präsident der Kelmiser J.O.C., der spätere Kelmiser Bürgermeister
(ab 1939) und Mitglied der Kammer der Volksvertreter (ab 1946),
Peter Kofferschläger (* 1910, + 1960), sorgte ab 1934 als Propagan-
dist des Vervierser Bezirksverbandes für die Belebung der
J.O0.C.-Sektionen von Bleyberg, Gemmenich, Moresnet und Mem-
bach. (100)
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde für die Kinderbetreuung
die Jugendbewegung Patro in mehreren Pfarreien ansässig, so in
Henri-Chapelle, Gemmenich, Bleyberg, Montzen, Moresnet, Kel-
mis. Seit einigen Jahren treffen sich die Patro-Gruppen der Pfarrei-
en auf Dekanatsebene alljährlich zu einem Spiel ohne Grenzen.
3.8.2. Die geistlichen Berufungen (101)
In der beigefügten graphischen Darstellung sind die Anzahl der
Priesterweihen für das gesamte Dekanat und jeweils pro Jahrzehnt
dargestellt. Einbegriffen sind alle Priesterweihen, auch der Ordens-
geistlichen, aber nicht die Berufungen der nicht zum Priester ge-
weihten Ordensleute, d.h. Brüder und Schwestern. Die erste Periode
nach dem Kondordat hat eine Dauer von 5 Jahren und die letzte Pe-
riode bis 1988 eine Dauer von 8 Jahren.
Auffallend sind die plötzliche Erhöhung 1880-1890, die noch
stärkere Erhöhung 1930-1940 und der plötzliche Rückgang 1970-
1980. Bei dieser Darstellung ist zu berücksichtigen, daß das Jahr der
‚Zahl der Priesterberufe von 1805-1988 35
Jahrzehnten ) 2 N
15 DD A
AND
m T
DT ZA
RE) 2
Henri: Chapele VZZZZZTTTZZIZT 50 vemummmmnumunn 35
Gemmenich ZZ 38 z———— 21
Hombourg ZZ 35 ——— 2}
Montzen ZZ Val HE
Baelen 25 am 13
La Cala mine ZZ 1 mm 6,9
Welkenraedt ZZ 49 N
Moresnet 43 zum A
/Membach ZA 0 m 1,5
Plombieres ZA 9
Sippenaeken ZZ + AS
73
Priesterweihe eigentlich ca. 4 Jahre nach Anfang der Theologiestu-
dien im großen Seminar und 6 Jahre nach Anfang der Philosophie-
studien im kleinen Seminar liegt.
Für eine Untersuchung der Gründe der Berufungen muß dies
berücksichtigt werden. Vielleicht ist die starke Erhöhung des Jahr-
zehntes 1880-1890 mit den damaligen politisch-religiösen Auseinan-
dersetzungen der Jahre 1879-1884, dem sogenannten Schulkrieg, in
Zusammenhang zu bringen, da diese Ereignisse eine starke Sensibili-
sierung der religiösen Bildung der Jugend bei den belgischen Katho-
liken hervorbrachte.
Bei der Periode 1930-1940 muß der Nachholbedarf des Ersten
Weltkrieges 1914-1918 einkalkuliert werden und eventuell die Ein-
stellung beim katholischen Volk, Gott danken zu müssen für die
Überwindung des Krieges.
Der Rückgang der letzten Jahre ist eine allgemeine Erschei-
nung der belgischen, ja sogar der westeuropäischen Kirche.
Die Entwicklung der geistlichen Berufungen im Dekanat
Montzen kann natürlich nur im Rahmen der allgemeinen Entwick-
lung im Bistum Lüttich gesehen werden.
Das zweite Diagramm stellt die Verteilung der Priesterweihen
nach Pfarren für die gesamte Zeitspanne 1805-1988, also 183 Jahre
dar. Um diese Zahlen aber vergleichen zu können, müßten sie im
Verhältnis zur jeweiligen Bevölkerungszahl berechnet werden, da
sonst selbstverständlich Sippenaeken mit ca. 200 Einwohnern
(1970) nicht ohne weiteres mit Welkenraedt (5434 Einwohner) oder
Kelmis (5479 Einwohner) zu vergleichen ist. Dies ist aber schwierig,
da gerade bei einigen Gemeinden eine große Einwohnersteigerung
im Laufe dieser Periode stattgefunden hat. Um der Realität näher
zu kommen, habe ich eine Art Durchschnittsbevölkerung pro Ge-
meinde gerechnet, und zwar auf der Grundlage der Bevölkerungs-
zahlen von 1846 und 1970. Im ersten Jahr wurde die erste belgische
Vokszählung durchgeführt und für dieses Jahr besitze ich auch eine
Schätzung für Neutral-Moresnet, die vom damaligen Bürgermeister
Arnold von Lassaulx dem Kgl. Kommissar für die Verwaltung des
streitigen Gebietes mitgeteilt wurde. Das letzte Jahr entspricht der
letzten Volkszählung vor den Gemeindefusionen. Im Falle Bleyberg
fehlen mir die Zahlen, da diese Pfarre sich auf Gebiete der Gemein-
den Gemmenich, Homburg und Montzen ausdehnt.
Unter den Priesterberufungen befinden sich auch viele Ordens-
geistliche, vor allem aber Missionare. Als prominenter Missionar sei
hier nur der ”plattdütsche” Bischof Jean Fryns exemplarisch er-
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Bischof Jean Frings in Audienz bei Papst Pius XII. (April 1958)
75
wähnt. In einer tiefgläubigen Arbeiterfamilie am 5. Juli 1910 in
Neutral-Moresnet geboren, besuchte Jean Fryns zuerst die Gemein-
degrundschule in seiner wieder belgisch gewordenen Heimatgemein-
de. Mit 13 Jahren schon folgte er seiner Berufung und trat in die
Apostolische Schule der Väter vom Heiligen Geist in Gentinnes ein.
Nach dem Studium der Philosophie an der Katholischen Universität
Löwen zog er nach Rom, um an der berühmten Gregorianischen
Universität Theologie zu studieren. Dort wurde er am 12. Juli 1936
zum Priester geweiht. Kelmis feierte großartig seine Primiz am
19. Juli 1936.
Im Jahre 1946 wurde der 36-jährige zum Ordensprovinzial be-
rufen. Nach neun Jahren stimmte der Generalsuperior seinem drin-
gend geäußerten Wunsch zu, nunmehr in den Missionen arbeiten zu
dürfen. Zwar übernahm er zuerst noch die Leitung des Internatio-
nalen Missionsseminars seines Ordens in Freiburg (Schweiz), doch
im November 1956 ging dann sein Wunsch in Erfüllung und er
konnte zuerst in Kongolo, dann in Lubunda im damaligen Belgisch-
Kongo missionarisch wirken. Zum Titularbischof von Ariasso und
erstem Apostolischen Vikar von Kindu im Mai 1957 von Papst Pi-
us XII. ernannt, wurde er am 7. Juli in Kindu zum Bischof geweiht.
Nach der Unabhängigkeitserklärung breitete sich in Kindu wie im
ganzen Maniema eine furchtbare Rebellion aus, während welcher
viele Missionsstationen zerstört wurden. Viele Missionare waren
Opfer dieses Aufstandes. Dadurch wurde auch die Gesundheit des
Bischofs stark in Mitleidenschaft gezogen. Anläßlich seines
anschließenden Urlaubes in der Heimat zeigte sich Bischof Jean
Fryns trotz der vernichteten materiellen Güter doch optimistisch
für die Zukunft. ”Was macht es, daß wir nichts mehr haben, wir sind
ja noch da. Das ist die Hauptsache. Wir werden wieder von vorne
beginnen”, so sein damaliger Kommentar im Grenz-Echo vom 2.
Dezember 1964. Nach der Rückkehr in sein Missionsgebiet setzte
sich Mgr. Fryns für den Wiederaufbau ein. Kurz vor seiner vorgese-
henen Rückreise nach Belgien starb er plötzlich am Freitag, dem 2.
Juli 1965, in seiner Bischofsstadt, wo er auch begraben wurde.
3.8.3. Die ansässigen Ordensgemeinschaften
Im Laufe der Zeit haben verschiedene Ordensgemeinschaften
sich im Dekanat niedergelassen. Die ersten wurden von den beiden
Bergwerksgesellschaften, Vieille-Montagen und Bleyberg, bzw. vom
Pfarrklerus gerufen, um die Schulbildung der Jugend im christlichen
Sinn zu übernehmen. Während des preußischen Kulturkampfes (ab
76
1872) haben viele aus Deutschland vertriebene Orden, vor allem aus
den benachbarten Städten Aachen und Eupen, Klöster im Dekanat
Montzen, in einer ihr durch die Nähe bekannten Umgebung, ge-
gründet. Die folgende Aufstellung verdanke ich der Mitwirkung
von Pfarrer i.R. Louis Schmetz, Herbesthalerbaum. Die Kloster-
gründungen sind chronologisch geordnet, mit Angabe der Ordens-
gemeinschaft, des Niederlassungsortes und gegebenenfalls des Wir-
kungsbereiches.
1858- Soeurs de Notre Kelmis Mädchenschule der
1940 Dame (de Namur) ”Vieille Montagne”,
dann der Gemeinde
1861 Franziskanerinnen Henri-Chapelle Schule, .
der Barmherzigkeit - Beloeil dann Altersheim
von Luxemburg
1862 Franziskanerinnen Baelen-Forges Pensionat,
der Barmherzigkeit dann Waisenheim
von Luxemburg
1862- Franziskanerinnen Bleyberg Schule der ”Societe
1956 der Heiligen Familie (Homburg) des Mines du Bley-
(aus Mayen, berg” bis 1919
Deutschland) und Krankenpflege
1872 Schwestern vom Moresnet- Pensionat und
Armen Kinde Jesu Boschhausen Schule
aus Aachen (D) dann Gem-
menich
Maria Hilf
1875- Franziskaner (D) Moresnet- _—
1887 Eyksken
dann 1894
1874- Rekollektinnen Welkenraedt Pensionat und
1961 aus Eupen (D) Schule St. Joseph
1875 Alexianerbrüder Henri-Chapelle/ Psychiatrische Klinik
aus Aachen (D) Welkenraedt-
Ruyff
1876 Rekollektinnen Membach Pensionat und
aus Eupen (D) Schule,
dann Altersheim
77
1877 Franziskanerinnen Homburg- Altersheim
der Heiligen Familie Gensterbloem St. Antoine
aus Mayen (D)
1887 Franziskanerinnen Moresnet- Pensionat dann
der Barmherzigkeit Sier Erholungsheim,
aus Luxemburg Klinik 1947
1888- Jesuiten Moresnet- _—
1894 aus Aachen (D) Eyksken
1898 Lazaristen der Henri-Chapelle Erholungsheim
deutschen Provinz Ruyff
aus Theux
kommend (D)
1898 Franziskaner- Gemmenich- Schule, dann
Brüder (D) Völkerich Waisenhaus, später
Sonderschule bis 1975
1900- Salvatorianer Welkenraedt —
1984 aus Steinfeld (D) Herbesthalerbaum
1901- Dominikanerinnen Kelmis . Knabenschule
1924 1909-1921
1912 Augustinerinnen Montzen- Pensionat und
aus Meaux (F) Pannesheydt Schule, ab 1955
Altersheim
1913- Verehrer des Heil. Baelen- _—
1922 Sakramentes (D) Garnstock
1922- Franziskaner (D) Baelen- _—
1977 Garnstock
1922 Minoriten Kelmis _—
1930- Franziskanerinnen Welkenraedt- Altersheim
1945 Heide
1946- Augustinerinnen Kelmis Krankenpflege
1956 aus St. Vith
1950 Oblaten der Gemmenich Noviziat, dann
Mutter Gottes Sekundarschule
mit Internat
3.8.4. Beteiligung der Bevölkerung am kirchlichen Leben
Der Rückgang der Beteiligung breiter Schichten der Bevölke-
rung am kirchlichen Leben hat sich in den letzten Jahrzehnten auch
im Dekanat Montzen gezeigt.
78
Eine im Jahre 1957 durchgeführte sozio-religiöse Untersu-
chung (102) erbrachte folgende Ergebnisse für die Sonntags- bzw.
Osterpflicht.
1. Sonntagspflicht 2. Osterpflicht
Männer Frauen Männer Frauen
Landwirte 97% 97,5% 99% 98,6 %
Arbeiter 65,7% 72,2% 81,4% 86%
Angestellte 73% 83,4% 79,3% 89,5%
Mittelstand 72% 85% 78,4% 89,4% .
Das Nichteinhalten der Osterpflicht wurde höher als der höch-
ste Dekanatsdurchschnitt (Arbeiter - Männer: 18,6 %) in Welken-
raedt und Bleyberg eingeschätzt.
Im Bericht des Brüsseler ”Centre Interdiocesain” wird festge-
halten, daß am dritten Oktobersonntag 1972 im Dekanat Montzen
63% der Einwohner von 5 bis 69 Jahren ihre Sonntagspflicht erfüllt
haben. Diese Zahl bleibt eine der höchsten in der gesamten belgi-
schen Kirchenprovinz. Übertroffen wird sie im Bistum Lüttich nur
vom benachbarten Dekanat Aubel (71 %), von den Eifeler Dekana-
ten Büllingen (89 %) und St. Vith (91 %) und vom Ardenner Deka-
nat Aywaille (64 %). Außerhalb des Bistums Lüttich werden höhere
Zahlen nur in den Ardennerdekanaten des Bistums Namur und den
südlichen und nordöstlichen Dekanaten des Bistums Hasselt ange-
troffen.
Schlußwort .
Nach der Darstellung der drei Ereignisse, die zu diesem dreifa-
chen Jubeljahr 1988 im Göhltal geführt haben, scheint es mir ange-
bracht, eine knappe Schlußfolgerung zu ziehen.
Die Nonenschenkung 888 ist deswegen von Bedeutung, weil
sie für mehrere Ortschaften des alten Herzogtums Limburg die
Ersterwähnung in einer Urkunde darstellt, so für Baelen, Gemme-
nich und Walhorn, drei der Urpfarreien und ”duytschen” Banken
des Herzogtums. Die in dieser Urkunde älteste bezeugte Verbun-
denheit mit dem Aachener Marienstift bleibt aber nur in den Fällen
bestehen, wo noch andere Schenkungen, vor allem Zehnt- und Pa-
tronatsrecht, diese Ausgabee bekräftigen, so in Walhorn mit der älteren
79
Filiale Lontzen und den späteren Hergenrath, Eynatten, Raeren,
Kettenis sowie in der schon früh aufgeteilten Urpfarre Moresnet-
Gemmenich-Montzen, die der limburgischen Bank Völkerich ent-
spricht. Baelen dagegen geht schon früh an die limburgischen Gra-
fen, später Herzöge, verloren, die das Patronat vor 1178 an ihr Fa-
milienkloster, die 1104 gegründete Augustinerchorherren-Abtei
Rolduc-Klosterrade übertragen.
Von viel größerer Bedeutung ist der Sieg des Brabanter Her-
zogs Jan I. bei Worringen, da dieser Sieg die Personalunion des Her-
zogtums Limburg mit Brabant für fünf Jahrhunderte besiegelte.
Durch diese Personalunion kam Limburg dann ein Jahrhundert spä-
ter an Burgund und dann an Habsburg und wurde somit sehr früh
ein Bestandteil des heutigen Belgien. Nur der östliche Teil, die Bank
Walhorn und Eupen aus der Bank Baelen, wurde während eines
Jahrhunderts (1816-1919) der preußischen Rheinprovinz einverleibt
und dadurch wieder nach Osten orientiert. Die weitgehende politi-
sche Autonomie der habsburgischen Niederlande, als Burgundi-
scher Kreis des Reiches, brachte in Limburg eine immer stärkere
Beeinflussung aus dem Westen mit sich. Brabantisch (Niederlän-
disch) wurde Amtssprache und Französisch gewann auch an
Einfluß als Kultursprache bei der Oberschicht, auch der ”duyt-
schen” oder flämischen Banken, wenn auch das Neuhochdeutsche
die alte ansässige ripuarische Schriftsprache in Kirche und Schule
ersetzen konnte. Mit dem Anschluß an Frankreich vor ungefähr
zwei Jahrhunderten verdrängte Französisch das Brabantische aus
der Verwaltung.
Die Gründung des deutschsprachigen Dekanates Montzen und
die danach parallel zur flämischen Bewegung einsetzende
Bewußtseinsbildung der Deutschsprachigen hätte zur Anerkennung
des Deutschen als dritte Landessprache in Belgien auch gegen den
Widerstand der Flamen führen können, wäre nicht ein Jahrzehnt
später der preußisch-deutsche Angriff vom 4. August 1914 gesche-
hen. Die darauffolgende psychologische Reaktion, noch durch die
völkerrechtlich ungültige Annexion von 1940-1944 gestärkt, brach-
te dann 1963 die gesetzliche Festlegung der Sprachgrenze entlang
der Staatsgrenze von 1816-1919, so daß die alten ”duytschen” Ban-
ken des Herzogtums Limburg dreigeteilt wurden: Teuven und Re-
mersdael zum niederländischen Sprachraum, die Gemeinde Voeren-
Fouron mit Erleichterungen zugunsten der Französischsprachigen;
der größte Teil des Dekanates Montzen, zum französischen Sprach-
raum mit der eventuellen Möglichkeit, eine Erleichterung zugun-
80
sten der Deutsch- und Niederländischsprachigen einzuführen; die
Pfarre Kelmis des Dekanates Montzen, die gesamte frühere Bank
Walhorn und die Stadt Eupen in der ehemaligen Bank Baelen zum
deutschen Sprachraum mit Erleichterungen zugunsten der Franzö-
sischsprachigen. Diese 1963 eingeführte sprachliche Einteilung
mußte dann 1977 bei den Gemeindefusionen berücksichtigt wer-
den.
Die besondere Situation der Pfarrgemeinde Kelmis, die einer-
seits weiter zum Dekanat Montzen und andererseits zur deutsch-
sprachigen Gemeinschaft mit einem eigenen Wahldistrikt und Ge-
richtsbezirk gehört, muß dabei hervorgehoben werden. Dies mag als
Wiederholung des früheren eigenen Statuts als streitiges, von Bel-
gien und Preußen gemeinsam verwaltetes und militärisch als neutral
erklärtes Gebiet (16. Juni 1816 - 10. Januar 1920), erscheinen.
Quellen und Anmerkungen
(1) WISPLINGHOFF, Erich: Rheinisches Urkundenbuch. Ältere Urkunden bis
1100. Erste Lieferung: Aachen-Deutz. Bonn, Hanstein, 1972. Publikationen
der Gesellschaft für Rheinische Geschichtskunde. LVII. Nr. 16, Seite 25; Nr.
18, S. 27-29.
(2) Siehe (1) Nr. 18, Seite 27.
Auch JOSSE, Micheline: Le diplöme d’Arnoul de Carinthie du 13 juin 888 in
BAILUS, 888-1988, Melanges, LAC, Baelen, 1988. S. 9-14.
(3) ORTMANNS, A.: Der fränkische Königshof Büllingen.
Aachen, 1904.
THELEN L6on: Französische Übersetzung der Urkunde in Bailus - Baelen 888
- 1988. Katalog der Ausstellung, S. 13-14.
(4) MEUTHEN, Erich: Aachener Urkunden 1101-1250. Bonn, Hanstein, 1972.
Publikationen der Gesellschaft für Rheinische Geschichtskunde LVIIL. S. 59-
60, M2 sowie S. 153, 4
WISPLINGHOFF, Erich (Siehe 1), S. 16.
(5) ERNST, Simon-Pierre: Histoire du Limbourg suivie de celle des comtes de
Daelhem et de Fauquemont, des Annales de l’abbaye de Rolduc. 7 Bände. Her-
ausgeber Edouard Lavalleye. Liege. Collardin 1837-1847. Ausgabe 6, S. 87-88. Nr.
IV mit dem Vermerk: ”Ex chartulario regalis ecclesiae Beatae Mariae Aquis-
grani quod meum communicavit adm. res. et ampliss. D. Cornely ejusdem
ecclesiae canonicus, presbiter cardinalis.”
Dazu auch MEUTHEN, Erich (Siehe 4), S. 59, 64-66.
(6) MEUTHEN, Erich (Siehe 4), S. 60-61, M3
WISPLINGHOFF, Erich - Siehe (1), S. 16.
(7) QUIX, Christian: Codex diplomaticus Aquensis. Aachen 1839-1840.
(7a) WISPLINGHOFF, Erich (Siehe 1), Nr. 21, S. 31-32.
(8) IDEM, Nr. 24, S. 36-38.
(9) Im Kopiar des 12. Jahrhunderts auf den Blättern 7v bis 9v, bzw. 1v bis 3v und
im Kopiar des 13. Jahrhunderts auf den Seiten 7f, bzw. 1 bis 3.
(10) MEUTHEN, Erich (Siehe 4), Nr. 92, S. 294-302.
81
(11) IDEM. Erhaltene Urkunden im Bestand Aachener Marienstift des Haupt-
staatsarchives Düsseldorf. 115, 129, 136, 152, 168, 205, 250.
(12) NOLDEN, Reiner: Besitzungen und Einkünfte des Aachener Marienstiftes
von seinen Anfängen bis zum Ende des Ancien Regime. ZAGV, 86/87. Aa-
chen, 1981. S. 1-455. Insbesondere S. 252-271 und S. 343-349,
(13) MEUTHEN, Erich (Siehe 4), Nr. 47, S. 232-237.
(14) Liber Privilegiorum S. Mariae Aquensis. Staatsbibliothek Berlin.‘ Stiftung
Preußischer Kulturbesitz. Manuskript Quarto 324, f° 71 recto - 74 verso.
(15) NOLDEN, Reiner (Siehe 12), S. 346.
(16) MEUTHEN, Erich (Siehe 4), Nr. 98, S. 313-319.
(17) IDEM, Nr. 33, S. 203-204.
(18) IDEM, Nr. 32, S. 198-203.
(19) WISPLINGHOFF, Erich (Siehe 1), Nr. 41, S. 58-60.
(20) PAUQUET, Firmin: Der Königshof Geminiacum. Sein Ursprung und seine
Geschichte bis ins 14. Jahrhundert. In Eupen, Malmedy, St. Vith. Jahrbuch für
Geschichte, Wirtschaft und Kultur, I. Godesberg, Wissenschaftliches Archiv,
1966, S. 163-181.
(21) MEESSEN, Francois: Les paroisses du pays de Herve aux XVII“ et XVIII®
siecles. Olne, Pirotte, 1975, 127 S., Siehe S. 51.
(22) NOLDEN, Reiner (Siehe 12), S. 108 bzw. 105 und 107.
(23) WINTGENS, Dr. Leo: Grundlagen der Sprachgeschichte im Bereich des Her-
zogtums Limburg. Beitrag zum Studium der Sprachlandschaft zwischen Maas
und Rhein. Ostbelgische Studien I, Eupen, Grenz-Echo, 1982. 524 S. Siehe S.
146-148,
(24) SCHÄFKE, Dr. Werner (Herausgeber): Der Name der Freiheit 1288-1988,
Aspekte Kölner Geschichte von Worringen bis heute. Handbuch zur Ausstel-
lung des Kölnischen Stadtmuseums in der Josef-Haubisch-Kunsthalle zu Köln.
Kölnisches Stadtmuseum. 1988. 677 S.
(25) BOCKEMÜHL, Justus: Worringen 5.6.1288: Strategie einer Ritterschlacht in
Geschichtliches Eupen XXII. S. 27-43. Eupen, Grenz-Echo, 1988, 152 S.
LOUP, Gottfried: Die Schlacht bei Worringen entschied Limburgs Schicksal.
Geschichtliches Eupen XXII. S. 5-21.
(26) WILLEMS, J.F. (Herausgeber): Rijmchronijk van Jan van Heelu betreffende
den Slag van Woeringen, van het jaar 1288. Brussel, 1836.
(27) SCHÄFKE, Dr. Werner: Siehe (24). S. 105-153.
(28) Siehe auch SCHOPPMANN, Dr. Werner: La formation et le developpement
territorial du Duche€ de Limbourg du XI“ siecle jusqu’en 1288. Trad. Pauquet,
Firmin. Bulletin de la Societe Vervietoise d’Archeologie et d’Histoire. Bd. 51.
Dison, 1964. S. 149-159.
BUCHET, Arsene: Le duche€ de Limbourg sous les ducs de la maison de Bra-
bant 1288-1404. I. Jean 1° de Brabant dit le Victorieux 1288-1294. Bulletin de
la Societe Vervietoise d’Archeologie et d’Histoire. Bd. 52. Dison 1965. S. 1-64.
(29) Reimchronik. Verse 1500-1535. Übertragung S. 112.
(30) Idem. Verse 1700 ff. Übertragung S. 113.
(31) Idem. Verse 1820-1859. Übertragung S. 113.
(32) Idem. Verse 2062-2083. Übertragung S. 114.
(33) Idem. Verse 2400 ff. Übertragung S. 116.
(34) Idem. Verse 2737-2800. Übertragung S. 117.
Frans Hellegers setzt Heinenberg mit Heinsberg gleich. Das kann wohl nicht
stimmen, da Heinsberg nie zu Limburg gehörte. Ich neige dazu, Eynenberg
hierbei anzunehmen, das später limburgisch-brabantisches Lehngut ist.
(35) Idem. Verse 3134-3187. Übertragung S. 119.
3210-3240.
(36) Idem. Verse 3293-3305. Übertragung S. 119-120.
82
(37) Idem. Verse 3850 ff. Übertragung S. 122.
(38) Idem. Verse 5110-5125. Übertragung S. 128.
(39) Idem. Verse 7155-7253. Übertragung S. 145.
(40) Idem. Verse 7254-7255, 7264, 7274, 7280. Übertragung S. 145-146.
(41) LEHNART, Ulrich: Die Wappen der Teilnehmer der Schlacht bei Worringen.
Katalog S. 179-193.
(42) SALPETEUR, Colonel Jean: La bataille de Worringen (5 juin 1288) in Bulletin
de la Societe Vervietoise d’Archeologie et d’Histoire. Bd. 51. S. 161-197. Dison,
Lelotte, 1964.
(43) Urkundehregesten in chronologischer Folge: 1276 November 29-1299 Oktober
6, im Katalog S. 62-82.
(44) BUCHET, Arsene: Jean I. Siehe (28) S. 54.
ERNST, Simon-Pierre. Siehe (5). Bd. VI. Nr. CCXCIX. S. 377-379.
(45) Idem. S. 53,
Idem. Nr. CCXCVIIL S. 375-377.
(46) DE WALQUE, Pierre: Notices historiques sur le chäteau et l’avouerie de Lont- I
zen. Braine-le-Comte, Zech, 1960.
(47) BUCHET, Arsene: Jean I. Siehe (28). S. 56. Note 17,
VERKOOREN, A.: Inventaire des chartes et cartulaires du Luxembourg. To-
me I. Bruxelles, 1914. S. 113-114, Nr. 149.
(48) DE WALQUE, Pierre: Lontzen. Siehe (46). S. 32.
(49) GALESLOOT, L.: Le livre des feudataires de Jean III, duc de Brabant. Bruxel-
les, 1865. S. 96, 108, 40, 257, 243.
(50) WINTGENS, Dr. Leo. Siehe (23).
(51) ERNST, Simon-Pierre. Limbourg. Siehe (5). Bd. V. S. 77-78.
(52) LAURENT, Henri et QUICKE, Fritz: Les origines de l’etat bourguignon. L’ac-
cession de la Maison de Bourgogne aux duches de Brabant et de Limbourg
(1383-1407). Bruxelles. Academie. 1939. 507 S.
(53) MEESSEN, Francois. Siehe (21).
(54) ERNST, Simon-Pierre. Siehe (5). Bd. VI. Codex diplomaticus Limburgensis.
Nr. LXVII, S. 156-157.
(55) MINKE, Alfred: Die Neuordnung der kirchlichen Verhältnisse im Göhltal
nach dem Konkordat von 1801. Im Göhltal Nr. 29. S. 4-20. Gemmenich, Al-
denhoff, 1981.
(56) Organisation generale des paroisses, succursales et chapelles auxiliaires du
departement de l’Ourthe. Liege, Bourguignon, An XII (1803-1804), p. 22-24.
(57) XHONNEUX, Pierre: La paroisse de Plombieres in Societe d’Histoire et d’Ar-
cheologie du plateau de Herve. Compte-rendu n° 38.1977.139 S. Siehe S. 57.
(58) Institut National de Statistiques.
(59) Gemeindearchiv Kelmis.
(60) PAUQUET, Firmin: 1858/1958: Hundert Jahre Pfarre Kelmis. Notizen zur
Pfarrgeschichte. Eupen, Braun, 1958. 32 S.
(61) Staatsarchiv Lüttich. Gemeindebestände La Calamine, eh. Neutral-Moresnet
Nr. 109. Korrespondenz des Kgl. Kommissars Cremer.
(62) XHONNEUX, Pierre: Siehe (57).
(63) Pfarrarchiv Montzen. Taufregister. Siehe auch Centenaire du Doyenne de
Montzen, Quelques traits d’Histoire. Hombourg, Stassen, 1988. S. 18.
(64) Moniteur Belge, 30 aoüt 1903.
Centenaire. Siehe (63). S. 19.
(65) KURTH, Godefroid: La frontiere linguistique en Belgique et dans le Nord de la
France. Bruxelles, Societe Belge de Librairie, 1896-1898.
2 Bde, 588 bzw. 155 S., 1. Karte.
(66) TUMMERS, P.L.: Romaans in Limburgs aardrijkskundige namen. Assen.
1962.
83
GYSSELING, Mauritius: Aken-Vaals. Romaanstaaleiland. Handelingen van
de Koninklijke Zuidnederlandse Maatschappij voor Taal en Letterkunde en
Geschiedenis. Oudenaarde-Langemark XII, 1958. S. 107-109.
(67) BOILEAU, Armand: Enquöte dialectale sur la toponymie germanique du
Nord-Est de la province de Liege. '
Liege, Gothier. Bd. I, 1954, 473 S., 1 Karte, Bd. II, 1971, 462 S. - Insbesondere
Bd. I. S. 40-87. en
WELTER, Wilhelm: Die niederfränkischen Mundarten im Nordosten der Pro-
vinz Lüttich. S’ Gravenhage, Nijhoff, 1933, 206 S.
(68) BISCHOFF, Heinrich: Die deutsche Sprache in Belgien. Ihre Geschichte und
ihre Rechte. Eupen, von Esch, 1931. 167 S.
Id. Geschichte der Volksdeutschen in Belgien. Aachen, Heimat-Verlag, 1941,
2215.
LANGOHR, Joseph: Le Nord-Est de la province de Liege et le Canton d’Eu-
pen, terre belge, flamande, superficiellement allemandisee et romanisee. Bru-
ges, 0.J.
(69) WINTGENS, Leo Dr. Siehe (23). S. 146-160.
Id. Weistümer und Rechtstexte im Bereich des Herzogtums Limburg. Quellen
zur Regionalgeschichte 14.-18. Jahrhundert,
Ostbelgische Studien III. Eupen, Grenz-Echo, 1988. XXXII + 449 S.
Siehe S, XVII-XXV.
Id. Grundlegung einer Geschichte der Literatur in Ostbelgien. Bild der sprachli-
chen Wechselwirkungen im Zwischenland. Ostbelgische Studien II.
Eupen, Grenz-Echo, 1986. 383 S.
(70) Pfarrarchiv Montzen. Lagerbücher der Pastoralrenten.
(71) DE CLERGQ, Charles: Rolduc. Son abbaye. Ses religieux. Son seminaire. (1661-
1860). Kerkrade, 1975. 312 + 160 S.
Siehe S. 6-67, insbesondere S. 13, 35.
(72) BAILUS-BAELEN 888-1988.
Ausstellungskatalog S. 47. Nr. 121; S. 45 Nr. 119.
(73) BISCHOFF, Heinrich: Siehe (68). Volksdeutschen: S. 24.
(74) Moniteur beige. 1831. Nr. 225. S. 1099-1101.
(75) Staatsarchiv Lüttich. Gemeindebestände. Moresnet, 5.
(76) Centenaire. Siehe (63) S. 45.
(77) Centenaire. Siehe (63), S. 39. Aufstellung der Pfarrer 1888, 1938 und 1988
nach der Kartei des Herrn Pfarrers i.R. Louis Schmetz.
(78) Institut National de Statistiques.
Siehe auch graphische Darstellung von Albert Stassen im Centenaire. Siehe
(63), S. 31.
(79) Staatsarchiv Lüttich. Gemeindebestände. Moresnet, 6.
(80) Staatsarchiv Lüttich. Gemeindebestände. Moresnet Nr. 6. Beschlüsse des
Bürgermeister- und Schöffenkollegiums 1858-1889.
Auch Journal d’Aubel, 9 juin 1889.
(81) NEURAY, Fernand: Une grande figure nationale. Godefroid Kurth. Un demi-
siecle de vie belge. Bruxelles-Paris, Librairie Nationale, 1931. 242 S.
BRAUN, Thomas; HANQUET, Karl; TSCHOFFEN, Paul; CARDUN,
Abbe, Joseph: Godefroid Kurth. Le Poete, l’Historien, Le Democrate, Le Chre-
tien. Bruxelles-Paris, Librairie Nationale.
(82) DEJALLE, Guillaume geboren in Homburg am 10. Februar 1863, wurde am
19. Dezember 1885 in Lüttich zum Priester geweiht. Zuerst Lehrer am kleinen
Seminar in St. Roch-Ferrieres, wurde er 1889 Direktor des ”Institut Saint
Joseph” zu Dolhain. Im Jahre 1893 zog er als Missionar nach Wisconsin
(USA). Nach seiner Rückkehr 1904 wurde er zuerst Kaplan in Gemmenich,
dann 1908 bis 1919 Pfarrer in Rotheux-Rimiere. Im Ruhestand in Homburg
84
von 1919 bis 1921. Am 23. September 1921 wurde er Pfarrer in Bleyberg, wo er
am 9. Mai 1926 verstarb und begraben wurde.
(83) MASSENAUX, Guillaume. Baelen-sur-Vesdre. Village aux marches de la
Francite. Temoignages de son evolution au cours du dernier siecle. L’expansion
de la langue francaise, suite aux deux guerres. Baelen, Administration commu-
nale, 1981. 125 S. Siehe S. 55.
(84) DELVOYE, Xavier: Welkenraedt, son histoire, ses origines, son dialecte (bas
allemand), son annexion arbitraire au Reich le 18 mai 1940, sa resistance aux
nazis, son attachement a la Belgique. Henri-Chapelle, son nom, son passe, son
domaine. Ohne Ort, ohne Jahr. 320 S. Siehe S. 298-303.
Hubert Keufgens, geboren am 13. Oktober 1888 in Montzen, wurde am 17.
Mai 1913 in Lüttich zum Priester geweiht. Zuerst Kaplan in Lüttich-St. Chris-
tophe, dann nach dem Kriege 1923 Pfarrer von Recht und 1929 Dechant von
Eupen. Durch die Nazis ausgewiesen, wurde Hubert Keufgens 1940 Dechant
in Lüttich St. Barthelemy und 1944 Titularkanonikus der St. Lambertus Kathe-
drale. Er verstarb am 18. Juli 1961 in Bois-de-Breux.
(85) KURTH, Godefroid: Le Guet-apens prussien en Belgique. a
(86) LANGOHR, Joseph: Notre frontiere de l’Est. Moresnet. Eupen. Malmedy.
Saint-Vith. Liege. Demarteau 1920. 11 S.
Autour de Montzen-Welkenraedt. 1921.
(87) BISCHOFF, Heinrich. Siehe (68)
LANGOHR, Joseph. Siehe (68), sowie
- Autour de Limbourg sur Vesdre. Tongeren 1930.
- Le probleme linguistique dans le doyenne de Montzen. Reponse a M. l’Abbe
Keufgen. Revue Catholique des idees et des faits. 3. Juni 1932.
- Het zuitnederlandsche dialectgebied van Overmaas. Kon. Vlaamsche Acade-
mie. Salmonsfonds Nr. 3. Löwen, 1936.
- Het Land van Overmaas, zijn volkstaal, zijn cultuurtalen. Verslagen en Me-
dedelinge van de Koninklijke Vlaamse Academie van Taal- en Letterkunde.
Gent 1913, S. 113-161.
LESPINEUX: Vieux-Limbourg. Revue catholique des idees et des faits.
14. August 1931.
- La Belgique Alemanique. Id. Nr. 12. Februar 1932.
Siehe auch ”Die Fliegende Taube” 10., 18., 21. Juli, 4. August 1934; 19., 22.,
26. Januar, 2., 6., 16., 20., 23. Februar 1935.
(88) KEUFGENS, Hubert: Le probleme linguistique dans le doyenne de Montzen.
revue Catholique des idees et des faits. 19. März 1932. Reponse a Monsieur Jo-
seph Langohr. Id. 3. Juni 1932.
(89) XHONNEUX, Pierre: L’Annexion en 1940, des Communes du Nord-Est de la
Province de Liege. Verviers, Lens, 1950. 24 S.
SCHÄRER, Martin R.: Deutsche Annexionspolitik im Westen. Die Wiederein-
gliederung Eupen-Malmedys im Zweiten Weltkrieg.
Bern-Frankfurt, Lang, 1975. 359 + 40 5.
(90) SCHÄRER, Martin R.: Siehe (89).
(91) SCHÄRER, Martin R.: Siehe (89). S. 321-324.
(92) MASSENAUX, Guillaume: Baelen-sur-Vesdre, Village aux marches de la
Francite. Baelen. Administration Communale, 1981, 125 S. Siehe S. 96.
(93) Grenz-Echo. ... 1947.
(94) SCHÄRER, Martin R.: Siehe (89). S. 329.
(95) STASSEN, Albert: Le territoire du doyenne€ depuis 1988 in Centenaire. S. 27.
(96) - Le patrimoine monumental de Ja Belgique. Wallonie. Volume 12. Province de
Liege. Arrondissement de Verviers.
Ministere de la Communaute francaise. Administration du Patrimoine cultu-
rel. Liege. Mardaga. 1984-1985, 1784 p; T1 p. 148, p. 153; T2 p. 543; T3
85
pP. 1101, p. 1105, p. 1116, p. 1141, p. 1153, p. 1154; T4 p. 1678, 1700.
- Repertoire photographique du mobilier des sanctuaires de Belgique.
Province de Liege: BOLLY Jean-Jacques: Canton d’Aubel, 55 p. - 1976.
Canton de Limbourg, 55 p. - 1972
Institut Royal du Patrimoine Artistique, Bruxelles.
(97) HOFFSUMMER, Patrick: Les charpentes de l’eglise Saint Paul a Baelen et
leur analyse dendrochronologique. In BAILUS 888-1988. Melanges. Baelen,
LAC, 1988. S. 91-108.
(98) STASSEN, Albert: Les doyens successifs de Montzen, in Centenaire S. 32-33.
(99) MASSENAUX, Guillaume: Siehe (83). S. 39.
(100) PAUQUET Firmin, ZIMMER Peter, CLAES Peter, KLÖCKER Eddy, RU-
LAND Herbert: Arbeit, Kampf und Glaube. Ein Beitrag zur Sozialgeschichte
und zum Werdegang der Christlichen Arbeiterbewegung im Kelmiser Raum,
anläßlich der Hundertjahrfeier der CSC im Jahre 1986. Verviers, CSC, 1987.
2515. S. 168, 241.
(101) Die Zahlen der Berufungen wurden mir freundlicherweise pro Pfarre vom
Herrn Pfarrer i.R. Louis Schmetz, Herbesthalerbaum, mitgeteilt.
(102) Etude socio-religieuse du doyenne de Montzen,
Bruxelles, Centre de recherches socio-religieuses, 1959. 119 S., 1 Karte.
86
Goldene Tage
von M.Th. Weinert
Goldene Tage leuchten,
ehe der herbst verloht,
Wälder, die nebelfeuchten,
färbten sich gelb und rot
Nachts rauschen starke Schwingen,
unter dem Mond vorbei
braust es wie Orgelklingen, .
seltsam im Vogelschrei.
Rastloses Flügelschlagen
schwarz vor dem Abendrot,
uralte Sehnsucht zu tragen,
ehe der Herbst verloht.
87
Alte und zugewanderte Familien
von A. Schumacher (7)
Vorbemerkung
Auf Anregung des Direktors des Aachener Stadtarchivs, Prof.
Dr. Phil. Albert Huyskens, wurde zu Beginn des letzten Weltkrieges
eine Autorengruppe mit einer Arbeit über ein Teilgebiet des ostbel-
gischen Grenzraumes betraut. Die unselige politische Entwicklung
verhinderte jedoch deren Fertigstellung. Materialmangel und die
Zerstörung der Druck- und Verlagshäuser trugen selbstredend dazu
bei, daß nur noch dringend notwendige Druckerzeugnisse herge-
stellt werden konnten.
Freundlicherweise hat uns der ”Aachener Geschichtsverein
1879” die zu einem Teil erhalten gebliebenen Manuskripte übereig-
net und zur Veröffentlichung in unserer Zeitschrift freigegeben.
Dem Verein und auch dem derzeitigen Archivdirektor, Dr. Phil.
Herbert Lepper, gilt hierfür an dieser Stelle ein besonderer Dank.
In loser Folge werden wir eine Auswahl dieser Aufsätze in der
Originalfassung abdrucken. Die Entstehungszeit fordert natürlich
vom Leser eine gewisse Nachsicht und manche Textstelle würde
man gerne mit einem Fragezeichen versehen. Der Leser möge urtei-
len! Beginnen wollen wir mit einer Arbeit des Sonderschullehrers
August Schumacher (7) mit dem Titel ”Alte und zugewanderte Fa-
milien”.
W. Meven
Alte und zugewanderte Familien
Die Geschichte jeder Landschaft ist eng verknüpft mit den Ge-
schicken und der Entwicklung ihres Volkstums, d.h. der hier boden-
ständigen Sippen, Familien und Geschlechter. Im ehemaligen Her-
zogtum Limburg mit seinen verschiedenen Sprachgebieten spiegelt
sich der wechselvolle Werdegang dieses Ländchens in den Familien-
namen deutlich wider. Obwohl seine wallonischen, flämischen und
deutschen Bezirke Jahrhunderte hindurch eine politische Einheit
bilden, wo enge verwandtschaftliche Beziegungen zwischen zahlrei-
chen Familien verschiedenen Volkstums entstehen, so haben sich
dennoch Sprache und Brauchtum der Wallonen und auch der Deut-
schen in ihren Gebieten unverändert erhalten. Nach der walloni-
schen Seite abwandernde Deutsche werden Wallonen; ebenso ha-
88
ben die auf der deutschen Seite sich niederlassenden Wallonen deut-
sche Sprache und Sitten restlos angenommen. Sehr zahlreich und in
allen Gesellschaftsschichten finden wir jenseits der Sprachgrenze
Wallonen mit deutschen Familiennamen, und diesseits kommen
wallonische’ Namen unter der deutschen Bevölkerung bis weit ins
rheinische Land hinein in ähnlicher Häufigkeit vor. Bis um 1815
sind die Beziehungen der Wallonen zum deutschen Volksteil, auch
weiter östlich über die limburgischen Grenzen hinaus, auffallend
eng. Mit Vorliebe schicken die Familien im Herzogtum Limburg
und auch des Fürstbistums Lüttich ihre studierenden Söhne auf das
Aachener Gymnasium, dessen Schülerlisten aus dem 17. und 18.
Jahrhundert über 40 Prozent Besucher wallonischen Namens aus
den genannten Gebieten nachweisen. ”
Die ältesten Familiennamen unseres Ländchens sind als soge-
nannte Heimatnamen oder Herkunftsbezeichnungen nur deutsch-
sprachig. Sie erscheinen in Urkunden des 13., 14. und 15. Jahrhun-
derts und sind die Namen der nach ihren Wohnsitzen benannten ad-
ligen Familien von Alensberg, von Belderbusch, von Beusdal, von
dem Broiche, von der Capellen, von Chimper, von Eyneberg, von
der Elsen, von Fülkerich, von Gymmenich, von der Heyden, von
Höckelbach, von Homburg, von Streversdorf, von Remersdal, von
Viljaeren u.a. An diese längst ausgestorbenen Familien erinnern
heute noch ihre Burgen, soweit sie überhaupt noch vorhanden sind.
Verhältnismäßig spät erscheint um 1635 im Homburger Kirchen-
buch noch der Name einer Familie von Berlieren. Mutmaßlich han-
delt es sich um einen Übernamen für den auf diesem adligen Hause
wohnenden Pächter.
Meist viel später, im 15., 16. und 17. Jahrhundert, werden
auch viele Einwohner aus der bäuerlichen Bevölkerung nach ihren
Heimatorten, Gemarkungen und Gehöften benannt. Diese Benen-
nungen erfolgen zunächst als Übernamen mit der Präposition
”von”, z.B. Jan van Gensterblom. Sobald sich der Übername zum
Familiennamen gefestigt hat, verschwindet in den meisten Fällen
das Vorwort. So lassen die Namen Beuken, Bücken, Birven, Brand,
Couven, Heyendal, Laschet, Moresnet, van der Heyden, Genster-
blom, Gülpen, Hagelstein, van Elsen, Homburg, Merkhoff, Quod-
bach, van Remersdal, van Werst, Weyher, Windmeulen, van den
Wyer und viele andere auf den ersten Blick die Herkunft ihrer Trä-
ger erkennen und bezeichnen sie als zu den alteingesessenen Fami-
lien gehörig.
Aus Urkunden, Lehensregistern und Kirchenbüchern des 15.,
89
16. und 17. Jahrhunderts sind die nachfolgenden Namen entnom-
men. Vorwiegend sind es solche, deren häufiges Vorkommen auf
lange Bodenständigkeit ihrer Träger schließen läßt. Die vielen unter-
schiedlichen Schreibweisen sind nicht berücksichtigt. Oft genug
werden deutsche Namen durch wallonische und wallonische Na-
men durch deutsche Schreibweise entstellt. Auch mundartlich nie-
dergeschriebene Namen sind durchaus nicht selten. So erscheint bei-
spielsweise der Name der bekannten Montzener Familie Henriquet,
der auch der rheinische Geschichtsschreiber Martin Henriquet von
Streversdorff entstammt, im 17. und 18. Jahrhundert in der mun-
dartlichen Form Hendrix. Aus dem großen Heer der in den genann-
ten Quellen erscheinenden Namen haben wir nur jene ausgewählt,
deren häufiges Vorkommen unsere Vermutung, daß ihre Träger
schon vor 1600 im Gebiete zwischen Aachen und Aubel ansässig
gewesen sind, wesentlich stützt. Es wäre aber verfehlt, die seltener
oder nur vereinzelt in Registern oder Urkunden vor 1750 anzutref-
fenden Namen in jedem Falle als zugewanderten Familien angehö-
rig zu betrachten. Um die vermutlich altansässigen Familien sämt-
lich aufzuzählen, reicht der Raum nicht aus.
Baelen - Membach - Welkenraedt: Aldenhoven, Arends, Ar-
nolds, Ashewer, Baltus, Bastin, Becker, Bertrand, Battra, Bon, Bour-
bou, Bragard, Brewer, Breuer (Brouwers u. a.), Claes (Claessen u.a.)
Clocker, Closset, Coninck, Coll (Coolen u.a.), Coopman, Corman,
Crott, Cüpper, Dael (Daelen u.a.), Daniels, Deblanc, Deutz, Eisern-
tant, Elengast, Emonds, Engelberts, Ernst, Fey, Filansif, Flam (Fla-
men), Förster, Fraipont, Frederich, Freitz (Fritz, Fritsch u.al), Gei-
len (Geelen u.a.), Gilet, Gillis, Ginsterblum, Göbbels, Goers (Goor),
Hagelstein, Hamel, Hansen, Hausman, Haeren, Hick (Heck,
Hique), Hennen, Heyendal, Hinckelman, Hoen, Hompesch, Hoube,
Huppertz, Jacobs, Jäger, Janclaes, Jansen, Jardon, Jegers, Jerusa-
lem, Jungbluth, Kessels, Kever, Keyser, Kisteman, Klinkenberg,
Klöcker, König, Kouff, Krein, Kuck, Lacroix, Larondell, Langer,
Laurent, Lausberg, Lauterman, Leblanc, Lejeune, Lentzen, Li-
nardt, Lindelauff, Lohe, Loop, Lynar, Mertens, Michels, Mostert,
Mommer, More, Moren, Müllender, Muyn, Necken, No€, Noel,
Nyss (Nyssen), Paquet, Palm, Pauls, Pelser, Piper, Ploumans, Pleu-
nis, Pomme, Pontzen, Pötgens, Radermacher, Rahier, Reiss, Reul,
Römer, Scheen, Scheins, Schilz, Schmitz, Schop, Schomecher,
Schüffel, Stickelman, Steffens, Staes, Stassen, Teller, Thielen, Thy-
mus, Timmerman, Toussaint, Urlichs, Vercken, Voess, Wehrme-
ster, Wintgens.
90
Laten des Cortenbacher Hofes zu Membach um 1719:
Thomas de Blanc, Dries Fuschter, Willem Lousbergh, Stoppert
Wermeester, Jan Thyssen, Bastian Vilvörder, Johann Hennen, Pe-
ter Wintgens, Lennert Cool, Johann Joncker, Daniel Müllers, Theu-
nis Müllender, Crintchen Moree, Krin Pommee, Joes Ashewer, Jan
Teller, Lenert Corman, Lenert Becker, Lenert Breuwer, Jan Schüel,
Claes Hamel, Lendert Baltus, Matis Paquay (Pauquay!), Coon
Schyn, Andries Cohey, Jöris Göbel, Neiles Crott, Johann Cremer,
Jan Houbie, Noye Lemoine, Thoussaint Tossaint, Andries Corman,
Johann Vlaes, Clemens Jerusalem, Christian Klinkenberg, Hendrik
Filansif, Jan Plunes, Krin Arnolds, Franz Goeders, Cornelius
Schmitz, Catherine Bragard, Wilhelmus Goor, Joannes Kever.
Heinrichs-Kapelle: Aldenhoff, Baltus, Barvaux, Bastin, Baur,
Beyer, Begasse, Birven, Born, Bourbau, Brandt, Brasseur, Breuer,
Brouwers, Chantraine, a Campo, Cloot, Claessen, Closset, Collard,
Conrard, Cool, Corman, Cornelis, Counhaye, Coureaux, Cremer,
Crouquet, Crützen, Cruyder, Cüpper, Dael, Daelen, Dantz, Deby,
Dechamps, Decouve, Derichs, Desonay, de Tiege, Dobbelstein, El-
sen, Ernst, Ervens, Esser, Franck, Franssen, Frederiks, Genster-
blom, Geron, Gielen, Gillis, Gillet, Goer, Goor, Grandjean, Gring-
nard, Grooteclaes, Hagelstein, Hanled, Hannot, Hans, Hausman,
Henry, Hermans, Herney, Herzet, de Hesselle, Heusch, Heck, Hick,
Hompesch, Jacobs, Jaquemin, Jaques, Jaminet, Janssen, Jeghers,
Jonas, Jonen, Kairis, Kever, Klein, Klinkenberg, Knops, Königs,
Krischer, Langohr, Larondelle, Laurent, Lawens, Lejeune, Lekeu,
Loop, Lousberg, Louvens, Malmendier, Martin, Masson, Meessen,
Merkhoff, Mommer, Nols, Nyssen, Palm, Pelser, Petithomme, Phi-
lipps, Piron, Plaire, Radermacher, Reul, Rumpen, Scheen, Schirvel,
Schmitz, Schonmacher, Schonbrod, Soglet, Thymister, Tychon,
Toussaint, Vanderheyden, Vequerey, Veusquen, Veuskens, Vil-
voye, Voss, Wertz, Windtmeulen, Xhonneux.
Lehensleute der Herrschaft Beucken zu Heinrichs-
Kapelle: Johan le Moulny 1553, Simon Herman 1553, Leonard filz
Krin de Huckelbach 1563, Wilhelm Lambier le clauty le jeusne
1563, Cleen Johan de Vivyr 1565, Pierre filz Lambrecht de Viler
1565, Johann Reinert 1575, Mathys Zybene 1575-1578, Leonard le
couvly 1575-1588, Henry Johan Ydon 1575-1586, Wilhem Ghier-
kene Ghilis 1577-1579, Mayeur de Villers 1577-1629, Mathye Tis-
kene 1578-1586, Franchois le moulneaye 1579, Andry Thiry 1579,
Heinchenne le fevre 1579-1611, Jauqmin le fias Reinart 1579-1607,
Lambie Lauwenhoff alias Aldenhoff 1579-1607, Henry le couvly
91
1579-1596, Tysken le bresseur 1579-1592, Henry Lambiez 1579 bis
1613, Jaucqmin le corbuzy 1579-1589, Henry Collet 1579-1597,
Gillez Maheaux 1579-1581, Thomas Johan Hanlet 1579-1588, Dres
Andry 1580 bis 1581, Johan Counot 1581, Johan le Borboux 1582-
1613, Dres le boucheux 1583-1585, Johan lemarischal 1584-1892,
Johan Lambiet homme de Neuberg 1585-1614, Johan Colla 1585-
1612, Henry Jacquinet alias le grand Jacqmin 1585-1599, Warny
Tisken alias Laeroenneux 1586-1596, Johan Geron 1586-1587, Le-
nert von Ruff 1586-1629, le jeune Henri Johan Ydon 1586-1614,
Willem del Saet 1587, Thiry Gilet Maheay 1587, Jaepkene Poest,
home de Neuberg 1587, Voes Panhuys, home de Neuberg 1593,
Francheux le filz Rena Francheux 1590-1617, Ghilis, filz du mair de
villers 1591-1639, le petit Lamibe de Villeir 1591-1614, Johann von
Schwartzenberg 1592-1629, Johan Tisken 1594-1629, Closset fils
Henry de Stocky 1594, Henry Gile Kaission 1594-1599, Closse le
Marichal 1595-1613, Henry de Bois alias de boy de Dison 1596, le
jeune Piet Jupkenne 1599-1629, Jehan le Conte 1601, Piet Tisken
1601, Sande Johan Franck de Sorozeit 1601-1628, le jeune Ghilket
1602, Johan Housman 1604-1622, Jacamyn Tolmont 1608-1636,
Johan del Court 1607-1613, Johan le charly 1609, Klas de Smet
alias Claes Smiet 1610-1618, Closset filz Joiris Closset 1610 bis
1618, Jaquet Idon 1614, Johan de bouxhon, mayeur de Neuberg
1614, Henry Taryon 1615-1629, Gyllet le Soldat 1616, Robert de
Drack, seigneur de Teuven 1617, Lambert Henry Lambert 1617-
1637, Jacqmin Renty 1617, Dres Willems 1617, Winant Idon 1617,
Henry fils Henry Idon de bois 1618 bis 1654, Jean Collart Jardin
1622, Johan filz Johan delle Court 1623-1629, Derich Lyonart
1623-1629, Henry Marychall 1625-1629, Gyllet Idon Lambret
1625-1628, Jean Xhoqua le Jeusne 1628-1629, Johan Veckre 1629,
Piedt le filz Davydt piet de Lohirville 1629, Damoyseaulx Johan
Swartzemborch 1629, Closset filz Closset Lawureulx 1629, Ger-
hardt Goyr gendre Lienardt flyp de Ruyff 1629-1649, Loren Alden-
hoff 1629, Jacqmen Idon 1629, Johan Charlyr et Johan son filz
pour la marquise de Malespine 1629, Jean Birven eschevin de
Henri-Chapelle 1629-1674, Henry Grandt Piedt de bieffve 1629, Jil-
let Johan Lambret 1629-1649, Renardt Laroneulx 1629, Thisken
Mathieu 1629-1632, Etienne Crouquet 1629, Francheux Renart
d’Eupen 1629, Henry Lawireulx bourguemaitre de Limbourg 1629-
1652, Dres delle voie 1629, Arnold Tolmont 1629, Jacob Tolmont
1636, Wylhelmus Swartzemborch 1639, Davyt Colla 1641-1652,
Martin Wertz 1644-1657, Thomas Lynardt Couvellyr 1645-1671,
92
Jean Piet 1646, Piet Lambert Bourbou 1648-1680, Franssieu le filz
Johan delle Court 1649, Jaspar Swartzemborch 1649, Closset La-
wureux 1649, Closset filz Thoma Wynant, Jean Guylyaem Pettur-
ken 1650, Jean Pasqueaux Collon 1651, Derich Goyr van Ruyff
1652 bis 1666, Lambert Butbach 1653, Mathieu Xhoka de Viller
1654-1679, Jean Quolin Brolyr 1654, Lambert Le Gro 1654-1665,
Matthy Tiquen 1656-1666, Jacque Piet 1656, Steven Crouquet
1656-1673, Peterquen Tramp 1656 bis 1692, Jean del chieff, esche-
vin de Clermont 1657-1666, Jean Guilaume Hinckens 1658, Domi-
nique Bucher, mayeur de Remersdael, forestier de Clermont 1658- ?
1673, Jaspar Poswick 1660-1669, Wernerus de Broeck 1661, Char-
les de Quertaymont 1661-1671, Lambert Aldenhoff 1661-1664,
Pierre Basaille 1662-1684, Jacque le Gros Piet 1662-1684, Arnold .
Closse Brandt 1664, Closse Joirys 1664, Jean le Vecquereau 1665-
1669, Querin Oirchet 1665, David Piet 1665-1706, H. Smits 1665,
Gerard Goyr 1665-1680, Jean Aldenhoff 1665-1671, Mathis Birven
1665-1678, F. Raedermecker 1666, Andre Piet, bourgm. de Henri-
Chapelle 1666-1690, Piet David grand Henry 1667-1679, Francois
Lambert Le Gro 1669-1670, Colla Davidt 1669-1673, Jacque de
Landre 1669-1670, G. del Chieff 1670-1680, Christian Aldenhoff
1670-1693, Gille Hanlet 1670, Mathy Tlisquen 1671-1681, Jacque-
min Closset Hauszeur 1672, Jean le Vecquereau fils 1672-1675,
Pierre Peralia 1673 bis 1683, Pierre Francq 1676-1677, Mathias
Schouwerjans 1676-1685, Jan Veusken 1677, Thomas Hanlet ju-
nior 1679-1680, Hubert Hennaux 1680, Jean Bragard 1681, Jean
Grauweheid 1681, Massin Xhoka de Soroze 1681, P. del Chief,
eschevin de Clermont 1681-1689, Olivier de Tiege, drossard de
Henri-Chapelle, eschevin de Clermont et greffier de Hombourg
1681 bis 1702, Wilhem Birven, forestier du ban de Montzen 1685,
Loop 1685, Francois Closse Gilis 1685, Walraf Reul, notaire, esche-
vin de Henri-Chapelle 1689-1710, M. C. Reul receveur de la Dame
del Beuck 1689-1702, CLosse Hanot 1691, Piet Lambert Borbou
1691-1695, Jean Warnier Jacob 1692 bis 1696, G. de Battice, esche-
vin de Clermont 1693-1697, Mathy Hannot jeune 1694-1735, Mat-
thy de Hodiamont 1694, Matthieu Xhoca 1694, Servais de l’Ab-
beye 1695, W. Daelen 1696-1701, Henry Borboux 1696, Nicolas
Grosjean 1696, Guillaume Vaume 1696-1719, Pasquay Desonay
1697, Pasquay Jacob le jeune 1697, Guil. Bragard, receveur du vi-
comte de Thisquen 1698 bis 1730, Pierre de Soroux 1700, Cloes
Hannot 1701, Jaspar Bragard 1702, Jean Louys du Bois 1705, Jac-
que del Hougne 1705-1710, Piette Vecqueray 1706, Piette Henry
93
Matthy 1706, Jean Kessin 1706, Jacob Pauquay Desonay 1706-
1720, Lambert Le Rut 1707, Jean Philippe de Limbourg, eschevin
et greff. de Theux 1707-1720, Andre Jean Piette 1708, L. Henrote
1720, Piet Vaume 1720, Le sr. Poswick, eschevin de Clermont
1720-1742, Henry de Forny 1720, Franc de Tiege, notaire 1720,
Leonard Wilhem Biryen, eschevin de Montzen 1720, Frederick Bra-
gard 1720-1722, Hubert Nyssen 1720, Gerard Goor, echevin de
Clermont 1720-1771, Jean Werts 1720, Jean Royon 1720, Emma-
nuel Hannot 1730-1738, J. L. Legro, &chevin de Clermont 1732 bis
1753, S. J. Jaeghers 1738-1763, J. Coninghs 1753, N. de Tiege 1745
bis 1754, R. Brandt 1748, J. L. Legro jr. procureur de Clermont
1757-1781, Pierre Touwaide 1761, Vincent Conrard boursier et ex-
ploiteur de la cour fonciere de Beucken 1761-1789, Everard Scheen
1763, J. Becker 1763-1775, Jean Everad Herzet 1763-1775, J. J.
Ernst, avocat, mayeur de Fouron St. Martin, &chevin de la Haute-
Cour de Limbourg, greffier de Cloermont 1766-1771, G. Vaume du
Haut-Vent 1767, N. Rykal, fieve exploiteur 1775 bis 1780, J. B.
Cornet 1780, G. B. Le Keux 1782, Christman, notaire 1782, L. J.
Jacob 1789, Chaineux, &chevin d’Olne 1789.
Die Lehrensregister lassen erkennen, daß sie bald von deut-
schen, bald von wallonischen Schreibern geführt worden sind. Auf-
fallend sind die häufigen deutschen Vornamen vor wallonischen Fa-
miliennamen. Nach der Herrschaft Beucken und einzelnen Splissen
ihres Gebietes sind mehrere Familiennamen entstanden: Delbeuck,
Beucken, Bücken, van de Beucken,. van de Bücken, Counhaye,
Thisquen, Delsaut und Aldenhoff. Die alten Register nennen fol-
gende im Gebiete des adligen Hauses Beucken ansässiggewe-
sene Familien:
16. Jahrhundert: Gillis, Lambiet (Lambret), Idon, Veuskens,
Housman, Borboux, Jacqmin, Jaucquinet, Closset, Magin, Lefebv-
re, Le Couvly, Le Marichal, Kiessin, Le Jeune, Vincent, Hanlet,
Xhoka, Heins, Jupken, Peterken, Franck.
17. Jahrhundert: Laoureux, Buchet, Bragard, Gillet, Poswick,
Pasqueau, delle Court, Werts, Tramp, Hinckens, Quoitbach, Waut-
hy, Wyaime, Leonard, Welter, Hannot, Hans, Brandt, Goor, Reul,
Desonay, Delhougne, Pelser, David, Ernot, Legro, de Bibaux, de
Thisquen.
18. Jahrhundert: Vaume, de Thiege, Herzet, Jardon, Royon,
Begasse, Loop, Grandjean, Petitjean, Grosjean, Radermecker, Vec-
queray, Nyssen, Jaeghers, Crouquet, Chantraine, Jaminet, Bastin,
Scheen, Derousseaux.
94
Zur Herrschaft Beucken gehören die Mannlehen Teuven und
Groules, ferner auch zahlreiche Splisse als Zins- und Kurmutgüter,
die in Kriegszeiten sämtlich dienstpflichtig sind. Es war durchaus
nicht notwendig, daß die Lehensinhaber auf dem Grund und Boden
ihres Lehens wohnten, wir finden sie sowohl jenseits der Sprach-
grenze, als auch in den deutschsprachigen Ortschaften Homburg,
Montzen, Lontzen, Baelen usw. ansässig. Viele im Gebiete Ostlim-
burgs und in der Aachener Gegend wohnende Träger wallonischer
Namen leiten ihre Herkunft von Lehensleuten der Herrschaft
Beucken ab.
Südlich von Heinrichs-Kapelle liegt in der Gemarkung Klein-
kapell das adlige Gut Zelderdrisch, in alten Zeiten auch Schaf-
drisch genannt. Die nach dem um 1280 erfolgten Tode des Herzogs
Walram IV. im limburgischen Lande eine gewichtige Rolle spielende
Adelspartei der ”Schafdrisch” soll nach den Inhabern dieses ehema-
ligen Rittersitzes ihren Namen erhalten haben. Vermutlich besteht
sie überwiegend aus Angehörigen der ostlimburgischen Ritterschaft,
die meist mit den Schafdrisch versippt sind. Zur Familie Schafdrisch
gehört auch der Herr zu Lontzen, Ritter Konrad Snabbe. An ihrer
Spitze steht der Herr von Julemont bei Aubel. Sie halten es mit dem
Grafen von Geldern. Von der auf Seiten des Herzogs von Brabant
stehenden Ritterpartei der Mulrepas werden sie heftig bekämpft. Im
Jahre 1288 kommt es bei Worringen zur Entscheidungsschlacht.
Um 1292, also nur wenige Jahre später, schildert Jan van Heelu in
seiner Reimchronik den Verlauf des Kampfes 1). Bei der Heerschar
des Grafen von Geldern befinden sich die Schafdrisch unter eige-
nem Banner als geschlossene Gruppe von 110 Rittern und reisigen
Knechten, darunter zehn Wallonen. Unter den Knechten sind je-
denfalls Bauern zu verstehen, die als Leheninhaber dienstpflichtig
sind. Gegen Ende des Kampfes werden die Schafdrisch von den
1. Van Heelu: DEN SLAG VAN WOERINGEN. Brüssel 1836. (Ausgabe von J. F.
Willems):
Vers 5110. Die Scavedriesche end haer geschlechte,
Onder ridderen ende knechten,
Quamen den Limborcheren dienen,
Met hondert helmen ende met tienen.
Vers 7165. Van haren geslechte bi gestale
Hondert mans ende X wale.
Ghemonteert onder ene baniere,
Diere en keerde maer viere.
Vers 60. Die Schavedriesche. Koenrad de Lonsies, bygenaemd Snabbe, hy be-
hoorde tot de familie Schaefdriesch. (Schlichtenhorst II. bl. 102 noemt
hem Guno Snabbe, de edelste doen der tyd oder de Limburgers).
95
Mulrepas überraschend angegriffen und nach erbitterter Gegen-
wehr aufgerieben. Ihr Anführer Konrad Snabbe von Lontzen rettet
sich mit drei Mitkämpfern durch die Flucht. Unter den Gefallenen
sind Gobbelin Adwin und Gilles von Höckelbach, Heinrich von der
Beucken, Smale von Wilgenru (Viljaeren bei Homburg), Konrad
Snabbes Sohn Heinrich und wohl noch viele Söhne Ostlimburgs, de-
ren Namen uns nicht überliefert sind. Damals sind die Wallonen in
unserem Gebiete jedenfalls noch schwach vertreten, wie aus ihrer
kleinen Zahl unter den Schafdrisch zu ersehen ist.
Wie bei den adligen Familien unserer Landschaft dauert auch
bei den bürgerlichen und bäuerlichen Inhabern von Lehengütern
die Seßhaftigkeit selten länger als ein Jahrhundert. Zu den wenigen
Ausnahmen gehört die Familie Vercken auf Vreuschemen bei
Membach, die seit dem 17. Jahrhundert dieses Gut heute noch be-
wohnt. Auf dem Lehengute Völkerich bei Gemmenich wohnt um
1447 Johann Hoisch (Heusch). Im 18. Jahrhundert sind seine Nach-
fahren als Lehensleute in Gemmenich noch ansässig.
Montzen: Ahn, Arets, Baltus, Beckers, Begasse, de Beaure-
gard, Birksigel, Birven, Born, Brandt, a Campo, Claessen, Cloot, Ca-
poune, Cranshoff, Daelen, Duykarts, Ernst, Franssen, Gouders,
Grooteclaes, Gülpen, Gensterblom, Cheneux, Hagelstein, Hansen,
Hausman, Hermans, Heyendal, Hody, Henriquet, Hendrix,
Hondts, Hoven, Jacobs, Janssen, Jennes, Jungbluth, Klinkenberg,
Loop, Kockarts, Malmendier, Misero, Mommers, Moresnet, Mül-
lender, Mürer, Nadenau, Nicolay, Nyssen, Opre, Palm, Pelser,
Thome, Radermacher, Rasquin, Schauerjans, Schillings, Scheins,
Schoonbrodt, Smeets, Soiron, Thielens, Timmerman, Toussaint, Ty-
chon, Vaessen, Vanderheyden, Wallraff, Wenders, Wertz.
Hombourg: An der Heyden (Vanderheyden!), Arnold, Baltus,
Banckert, Bauwens, Beckers, Begasse, Beuven, Boffenradt, Born,
Braham (Abraham), Brandt, Breuer, Claessen, Clein, Clott, Coe-
madt, Coenen, Collet, Cremer, Creutzen, Crützen, Cryns, Deckers,
Delhey, Derichs, Duyckarts, Driessen, Elsen, Emonds, Ernst,
Franck, Franssen, Gerckens, Geron, Gehlen, Gobelet, Gouders,
Gülpen, Hagelstein, Hagens, Hahn, Hannot, Heusch, Heyendal,
Hick, Heck, Hinckelman, Hompesch, Hons, Jacobs, Janssen, Jen-
nes, Jungbluth, Kerres, Kever, Kinet, Klinckenberg, Knops, La-
schet, Lahaye, Lamberts, Lammersdorff, Langhor, Larbalet, Laus-
berg, Leujeune, Lenoir, Loop, Loffs, Louven, Mager, Malmendier,
Mathy, Merckelbach, Mertens, Michaelis, Mommer, Moor, Mo-
reaux, Mostert, Maur, Müllender, Nadenau, Nicolay, Nols, Nyssen,
96
Obrie, Aubry, Op den Keuk, Ortmans, Otten, Palm, Pauli, Pelser,
Pomme, Pütters, Radermecher, Reusch, Remy, Reinartz, Reul,
Rompen, Roumens, Schaa, Scheen, Schillings, Schmets, Schon-
brodt, Schreinmecher, Schyns, Simons, Steinfels, Stevens, Stoelman,
Straet, Tater, Thielens, Tychon, Toussaint, Timmerman, Urlichs,
van Berlieren, Vandegaer, Warrimont, Wenders, Werners, Werts,
Weyenberg, Windtmeulen, Wintgens.
Sippenaeken: Allelein, Beuten, Blomen, Born, Brandt, Breuer,
Klinkenberg, Coenen, Cloot, Comaedt, Colin, Coris, Creutzen,
Deckers, Duykarts, Ernst, Ervens, Franck, Franssen, Geurden, ;
Gülpen, Hagelstein, Hagen, Hammers, Heyendael, Hondts, Keu-
ken, Kerres, Kirchhoff, Klinkenberg, Laschet, Lausberg, Loop, Mei-
sters, Michels, Mengelbier, Moll, Möllender, Obert, Otten, Pessers, |
Prömper, Quodbach, Radermacher, Rompen, Scheins, Schepers,
Scherer, Schyns, Schlotmacher, Schmets, Stommen, Straet, Tattas,
Thielen, Timmermans, Vaessen, van Elsen, van Werst, van Laer,
Van Homburg, van Eynatten.
Gemmenich: Die um 1686 beginnenden Gemmenicher Kir-
chenregister enthalten ein Verzeichnis aus dem Jahre 1709, das die
zur Pfarre gehörenden Familien und ihre Angehörigen genau be-
nennt. Auch das Alter und der Beruf der einzelnen Personen wird
mitgeteilt. Bei den Bauern ist die Zahl der Pferde angegeben, so daß
sich der Umfang des beackerten Bodens ungefähr berechnen läßt.
Auch wegen der zahlreichen Haus-, Flur- und Gemarkungsnamen
ist diese Liste bemerkenswert.
Aldenhoff, Baltus, Beckers, Beye, Bex, Bloomen, Brandt, Bau-
wens, Brockhans, a Campo, Charlier, Colins, Derichs, Dobbelstein,
Doolen, von den Elsen, Franck, Fortemps, Gielens, Goblet, Gül-
pen, Gouders, Hackens, Hagelstein, Hannotte, Hermans, Heusch,
Hirtz, Hilgers, Hundts, Honger, Jansen, Jaspers, Jeuckens, Josten,
Kaemaths, Keutgen, Kerff, Klinkenberg, Kreins, Kool, Kutgen,
Lausberg, Lennarts, Matthy, Mengelbier, Mertzenich, Mohr, Mo-
ree, Müllender, Nicolay, Nothborn, Nyssen, Otten, Palm,
Panckerts, Pelser, Peill, Piet, Prömper, Quamaet, Radermecher,
Rompen, Reull, Rütten, Remy, Schillings, Schlotmecher, Schyns,
Steffens, Schreinmecher, Schmets, Staess, Speth, Simons, von den
Stein, Tasset, Thaeter, Vlaes, Vroegop, des Wilden, Zincken.
Moresnet: Arets, Birven, Born, Brandt, Breuer, Chantraine,
Claessen, Klinkenberg, Cloot, Cool, Daelen, von Dobbelstein, Dob-
belstein, de Lassaulx, Ernst, Franck, Franssen, Gast, Gouders de
Beauregard, Gillessen, Hermans, Heyendael, Hendrix, Hissel, Hons,
97
Jacobs, Janssen, Kolin, Langohr, Laschet, Lausberg, Loop, Mal-
mendier, Mathy, Melcher, Mostert, Nicolay, Palm, Pelser, Rader-
mecher, Scheins, Schlotmecher, Seger, Smets, Speet, Stevens, Tim-
mermans, Toussaint, Vaessen, Vanderheyden, van Werst.
Der von altersher in Ostlimburg betriebene Bergbau gelangt
nach 1815 zu wachsender Bedeutung. Deutsche, belgische und hol-
ländische Arbeiter finden lohnende Beschäftigung und lassen sich
mit ihrer Familie nieder. Insbesonders hat die zunehmende Erzeu-
gung auf den Hüttenwerken in Altenberg und Bleyberg die Entste-
hung ansehnlicher Arbeitersiedlungen zur Folge. Altenberg und
Welkenraedt haben um 1815 nur wenige hundert Einwohner; im
Jahre 1940 zählt Altenberg 4800 und Welkenraedt 5900 Bewohner.
Viele Berg- und Hüttenarbeiter haben sich auch in den umliegenden
Ortschaften (Gemmenich, Moresnet, Montzen usw.) angesiedelt.
Nicht übersehen dürfen wir die beträchtliche Zahl der aus den flä-
mischen und wallonischen Provinzen stammenden Beamten der bel-
gischen Verwaltungsbehörden, insbesonders der Eisenbahn und des
Zolls, die oft mit ihren Familien ansässig geworden sind.
Handschriftliche Quellen:
Kirchenbücher der Pfarren Baelen. Heinrichs-Kapelle, Montzen, Hombourg, Sippe-
naeken, Gemmenich und Moresnet. Rent- und Lagerbücher der Pfarren Montzen
und Hombourg. Pfarrarchiv Sippenaeken.
Schrifttum:
Body (J 61), Brixius (H 1), Buchet (H 21), Jan van Heelu (G 16), Quix (H 57),
Vercken de Vreuschemen (H 28).
98
Unter Denkmalschutz
von Alfred Bertha
Die jüngste belgische Staatsreform hat die seit 1983 bei der
Deutschsprachigen Gemeinschaft liegenden Befugnisse in Sachen
Denkmalschutz der wallonischen Region übertragen.
In den wenigen Jahren, wo an der Eupener Klötzerbahn über
den Denkmalschutz entschieden wurde, konnten eine Reihe von hi-
storisch, bzw. architektonisch bedeutenden Bauwerken unter Schutz
gestellt werden. Dazu gehört auch das Amstenrather Haus in Ey-
natten.
Nach entsprechenden Gutachten der Raerener Gemeindever- ‚
waltung und der Lütticher Provinzialregierung unterbreitete die
Kgl. Denkmal- und Landschaftsschutzkommission am 28.4.1987 ei-
nen Vorschlag, dem sich die Exekutive der Deutschsprachigen Ge-
: meinschaft am 3. Juni 1987 anschloß und der zu dem Erlaß führte,
"die Fassaden und das Dach des Hauses Amstenrath, seiner Wirt-
schaftsgebäude sowie den gepflasterten Hof in Eynatten, Gemeinde
Raeren ... als Denkmal unter Schutz zu stellen.”
Bis ins Jahr 1431 läßt sich die Geschichte des Amstenrather
Hauses zurückverfolgen. 1501 kam dasselbe durch Kauf an Vaes
(Servatius) von Eynatten, dessen Tochter Agnes wenige Jahre spä-
ter Jacob von Reuschenberg heiratete. (1) An Letzteren erinnert
noch der Name ”Reuschenberger Haus”, der sich häufig in der
Fachliteratur findet. Wiederum durch Heirat fiel das Amstenrather
Haus an die Freiherrenfamilie von Harff und schließlich zur Ablö-
sung einer Schuldforderung an den Freiherrn Arnold Huyn von
Amstenrath, dessen Tochter Clara Anna Gerhard von Dieden, ge-
nannt Malatesta, heiratete.
Der hochverschuldete Johann Arnold von Dieden Malatesta
konnte 1667 den Verkauf des Hauses durch den Gläubiger, den
Grafen von Hoensbroich, nicht verhindern (2). Wohl kam das ”klei-
ne Haus”, wie: man das Amstenrather Haus im Gegensatz zum
”großen”, dem Vlattenhaus, auch nennt, nach Bezahlung der Schul-
den an die Familie Dieden Malatesta zurück, die es 1704 an Nico-
laus Moeren verkaufte. Durch Heirat der Tochter Johanna mit Jo-
hann Kaspar Deltour aus Aachen kam das Haus an diese Familie.
Johann Kaspar Deltour soll dem Schloß sein heutiges Aussehen ge-
geben haben.
Nächste Besitzer wurden in der 2. Hälfte des 18. Jh. erst die
Familie Römer, dann, 1788, die aus Maastricht stammende Familie
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Eine alte Bruchsteinbrücke führt von Osten zu einem vorspringenden Torbau,
hinter dem ein kleiner Binnenhof liegt.
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Im Binnenhof ein Wappenstein der Familie von Amstenrath
(Foto A. Jansen)
100
Franssen, deren Nachkommen, Familie Sutor-Franssen von Corten-
bach, das Haus noch heute besitzen. (3)
Das Amstenrather Haus ”ist eine vierflügelige Bruchsteinanla-
ge des 16.-18. Jhs., bestehend aus Hauptburg und dreiflügeliger Vor-
burg”. (Reiners, Kunstdenkmäler) Das Herrenhaus ist dreiflügelig.
Eine doppelbogige alte Bruchsteinbrücke führt von Osten über den
Wassergraben zu einem kleinen vorspringenden Torbau aus dem
17. Jh. Der äußere rechteckige Rahmen des rundbogigen Eingangs
hat allem Anschein nach in früherer Zeit eine Zugbrücke gehalten.
In dem kleinen Binnenhof sieht man verputzte Fachwerkwän-
de. Die Eingänge sind rundbogig und in Haustein gearbeitet.
Die Fensteröffnungen gehören zum großen Teil dem 19. Jh.
an; Spuren der früheren Öffnungen, auch von Schießscharten, sind .
deutlich auszumachen.
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Südansicht des ”’kleinen Hauses”, das sich im Schloßteich spiegelt
101
Die dreiflügelige Vorburg aus dem 17.-18. Jh. ist im 19. Jh.
stark verändert worden. Maueranker aus den Jahren 1826 und
1828 zeugen von den damals vorgenommenen Umbauten.
Anmerkungen:
1) Die Angaben in der Fachliteratur sind z.T. sehr widersprüchlich. Unsere Daten
sind die der ”"Kunstdenkmäler”.
Nach G. Grondal (Les Delices du Duche de Limbourg, S. 308), dem sich die
Herausgeber des ”Patrimoine Momumental de la Belgique”, Wallonie, 123, S.
1166-67, anschließen, wurde das ”kleine Haus Eynatten” in der 2. Hälfte des 15.
Jhs. durch Johann von Eynatten errichtet. Grondal vermutet, daß das Haus vom
Erbauer an dessen gleichnamigen Sohn gegangen sei. Dieser habe 1398 (!) Johan-
na von Neuburg geheiratet. Über deren Sohn Thibaut oder Theobald sei die Burg
an Servatius (Vaes) von Eynatten gekommen.
2) Nach Grondal (op. cit. S. 311) starb Gerhard von Dieden Malatesta Ende des
17. Jh. Das Haus Amstenrath sei gegen den Einspruch der Witwe 1701 verkauft
worden.
3) Der älteste Sohn Deltours, Kaspar-Gottfried, erbte den Besitz i.J. 1733; nach sei-
nem Tod, 1743, fiel das Haus Amstenrath an den jüngeren Bruder, Johann-Jacob
Joseph Deltour, der den Besitz an seine Kusine Anna-Maria-Theresia Deltour ab-
trat. Letztere heiratete 1746 Nicolas-Leonard Charlier, gewesener Oberst in öster-
reichischen Diensten, der das Schloß 1780 an Arnold Römer-Lambertz verkaufte,
dessen Tochter Andreas Joseph Franssen aus Maastricht heiratete.
Seit 1938 darf sich die Familie Franssen ”von Cortenbach” nennen.
102
Auf dem Büchermarkt
von Alfred Bertha
Unter den 44 Königshöfen, deren Nona König Arnulf von
Kärnten 888 dem Aachener Marienstift schenkte, befand sich auch
Baelen. Der Ort nahm den 1.100. Jahrestag der Ersterwähnung zum
Anlaß, in einem Sammelband einige der interessantesten Aspekte
der Geschichte dieses alten karolingischen Königshofes vorzustel-
len.
Baelen war wohl ursprünglich das eigentliche Kernland des
späteren Herzogtums Limburg. Aus der Pfarre Baelen, deren Gren-
zen sich vermutlich mit denjenigen des Königshofes deckten, ent-
standen neben Eupen und Limburg auch die Pfarren von Mem-
bach, Welkenraedt, Henri-Chapelle, Bilstain und Dolhain.
Die Herausgeber von Bailus-Baelen, 888-1988, Möelanges,
Hrsg. Loisir, Art et Culture (L.A.C.), Baelen, 1988, 232 S. konnten
hervorragende Kenner der Materie zur Mitarbeit an diesen Miszel-
len gewinnen.
Micheline Josse stellt die Urkunde von 888 mit dem histori-
schen Umfeld vor. Olaf Bodem berichtet über die jahrzehntelangen
Auseinandersetzungen zwischen Katholiken und Reformierten im
16. Jh. Arsene Buchet zeichnet ein Bild der Textilindustrie in Baelen
im 18. Jh. und geht in zwei weiteren Kurzbeiträgen auf die Ursprün-
ge der Herrschaft Groules in Dolhain sowie die Fischteiche der Her-
zöge von Limburg in Baelen ein.
Besondere Beachtung verdient der Beitrag des Historikers Bru-
no Dumont, der die Entwicklung der dörflichen Verwaltung nach-
zeichnet. Schöffen- und Grundgericht, Steuern und Abgaben, Ein-
wohnerversammlung und Bürgermeisterwahl, Zuständigkeiten der
beiden Bürgermeister und das manchmal recht schwierige Zusam-
menleben zweier Kulturgemeinschaften: das sind einige der The-
men, auf die Bruno Dumont in seinem Beitrag eingeht.
Der durch seine Korkenzieherform auffallende Helm des Baele-
ner Kirchturms ist das Thema des Aufsatzes von Patrick Hoffsum-
mer. Es gelingt ihm, den Bau dieses Helmes auf die Jahre 1548-1550
zu datieren.
Daß die ländliche Architektur in Baelen und seinen Weilern
Beachtung verdient, geht aus dem Beitrag von Martine Jaway-
Marchal hervor, während Jean Levaux die Industriellenfamilie Sühs
(Schouss, Schuss) vorstellt, die 1761 eine Papierfabrik in
103
Forges/Baelen gründete und im 19. Jh. zu den begütertsten Fami-
lien der Gemeinde zählte.
Über Baelen um die Jahrhundertwende schreibt Guillaume
Massenaux, und Firmin Pauquet konnte anhand der Unterlagen
des Brabanter Rechnungshofes sowie neuzeitlicher Quellen die Be-
völkerungsentwicklung der Bank und der Pfarre Baelen vom 15. Jh.
bis heute verfolgen. Daß Baelen auch grubengeschichtlich von Be-
deutung war, zeigt derselbe Autor in einem sehr fundierten Beitrag
über den Erzabbau auf Gemeindegebiet vom 14. bis 20. Jh.
Leo Wintgens schließlich geht auf die sprachliche Entwicklung
im ”Zwischenland” des Herzogtums Limburg ein. Er zeigt, wie die
frühe ripuarische Schriftsprache zu Beginn des 17. Jh. als
Verwaltungs- und Gerichtssprache durch das ”Brabantische”, selte-
ner das Hochdeutsche, und das Französische verdrängt wird, wäh-
rend Deutsch als Kirchen- und Schulsprache sich in den Banken von
Montzen, Baelen und Walhorn durchsetzt. Seine Darlegungen un-
termauert der Autor durch einige Textbeispiele des 16.-17. Jh.
Die Miszellen ”Bailus-Baelen” sprengen vielfach den engen
Ortsrahmen und verdienten es deshalb, einem geschichtlich interes-
sierten Publikum auch außerhalb Baelens vorgestellt und empfohlen
zu werden.
*
Keine ”romantisierende fotographische Gestaltung”, wie sie in
der gängigen Burgenliteratur üblich sei, solle der Leser erwarten. So
schreibt Dr. Reinhold Weitz im Vorwort zu
Harald Herzog, Burgen und Schlösser, Geschichte und Typologie
der Adelssitze im Kreis Euskirchen, Rheinland-Verlag GmbH,
Köln, 1989, 546 S., 68 DM.
Bevor der Autor ausführlich auf Architektur und Geschichte
der einzelnen Burgen und Adelssitze eingeht, gibt er einleitend die
notwendige zeitgeschichtliche Einführung in die mittelalterliche
und neuzeitliche Rolle des Adels, die Wohnkultur, die Typologie
und die Baugeschichte rheinischer Adelssitze, die er anhand von
Beispielen aus dem Kreis Euskirchen erläutert.
Das vom "Verein der Geschichts- und Heimatfreunde des Krei-
ses Euskirchen” herausgegebene Buch will an erster Stelle Sachin-
formationen vermitteln, wobei Familien-, Politik- und Baugeschichte
gleichermaßen berücksichtigt werden. Ein kurzer Blick ins Namens-
104
register läßt viele Verbindungen adliger Familien des Euskirchener
Landes zum Göhltalraum erkennen. Spies von Büllesheim, Berghe
von Trips, Vlatten, Krümmel, Eynenburg, Belderbusch, Palandt,
Zievel: das sind einige der Familien, die auch bei uns eine Rolle
gespielt haben.
”Burgen und Schlösser” ist reich illustriert und in jeder Hin-
sicht empfehlenswert. Ein Buch zum Lesen, zum Nachschlagen,
zum Verschenken...
* * *
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