Im Söhltal
Landschaft im Grenzraum Nordostbelgiens
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ZEITSCHRIFT DER VEREINIGUNG FÜR
KULTUR, HEIMATKUNDE UND GESCHICHTE
IM GÖHLTAL
N" 42 — Februar 1988
Vereinigung für Kultur, Heimatkunde und Geschichte
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Im Göhltal
ZEITSCHRIFT DER VEREINIGUNG
FÜR
KULTUR, HEIMATKUNDE UND GESCHICHTE
IM GÖHLTAL
N" 42
. Februar 1988
Veröffentlicht mit der Unterstützung des Kulturamtes der
deutschsprachigen Gemeinschaft
Vorsitzender: Herbert Lennertz, Stadionstraße 3, 4721 Neu-Moresnet.
Sekretariat: Maxstraße 9, 4721 Neu-Moresnet, Tel. 087/65.75.04
Lektor: Alfred Bertha, Bahnhofstraße 33, 4728 Hergenrath.
Kassierer: Fritz Steinbeck, Hasardstraße 13, 4721 Neu-Moresnet.
Postscheckkonto N" 000-0191053-60
Die Beiträge verpflichten nur die Verfasser.
Alle Rechte vorbehalten.
Entwurf des Titelblattes: Alfred Jansen, Moresnet-Kapelle.
Druck. Hubert Aldenhoff, Gemmenich.
3
Inhaltsverzeichnis
A. Jansen, Zum Umschlagbild 5
Moresnet-Kapelle
W. Meven, Hergenrath Die Aachener Kleinbahn kommt
nach Kelmis (Schluß) 8
Leonie Wichert-Schmetz, Frühlingssturm 24
Bad-Driburg
P. Zimmer, Astenet Bergmannslos (Schluß) 25
A. Bertha, Hergenrath Ein Stück Vergangenheit 38
A. Jansen, Die Votivtafeln in der Gnadenkapelle
Moresnet-Kapelle am ”Eichschen” in Moresnet 55
A. Bertha, Hergenrath Unter Denkmalschutz 62
M.-Th. Weinert, Via Mansuerisca 66
Aachen-Forst
A. Bertha, Hergenrath Aus Walhorns Vergangenheit 68
W. Meven, Hergenrath ”Fern bei Sedan ...”
im Spiegel der Gemeindechronik
von Neu-Moresnet 78
P. Zimmer, Astenet Das Katharinenstift (Bildnachlese) 88
A. Bertha, Hergenrath Auf dem Büchermarkt 93
F. Nijns, Walhorn Tätigkeitsbericht 1987 103
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Hepscheit...”” Es ging um die Eigentumsabgrenzungen der Stadt Aa-
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Die Wappensteine Bock-Goldstein (1544) und Brachel-Hompesch (1736)
Das zweite Dokument stammt von Herzog Phillip dem Guten.
Es datiert vom 12. August 1431; der die Grenze betreffende Passus
lautet: ”dair ligt eenen steen, die scheyt dat lant von Lymborg ende
dat van Munster, ende is geheyten den oversteen, ende van danne in
7
den hove te Hebscheyt opten scorensteen...””
Die Liste der jeweiligen Eigentümer des Herrenhauses ist uns
leider nur unvollständig erhalten geblieben. Um 1544 gehörte es ei-
nem Colyn de Bock, Ehemann der N. Goldstein. Er ließ das Ein-
gangstor erbauen und im Schlußstein der bogenförmigen Durch-
fahrt sein Wappen und das seiner Gemahlin anbringen. Mit großer
Wahrscheinlichkeit ist er auch der Erbauer des jetzigen Hauses.
Von Vater auf Sohn vererbt fiel das Anwesen im Jahre 1651
an die Tochter Gertrud von Bock, die in erster Ehe Johann von
Crümmel von Nechtersheim und in zweiter Ehe einen N. von
Hanxler heiratete.
Im Jahre 1702 ist ein Baron Theodor-Egide von Brachel, Ehe-
mann von Anna Louise von Hompesch, Besitzer von Hebscheid. Er
ließ im Eingangsportal über dem schon vorhandenen Wappen sein
eigenes und das seiner Ehefrau anbringen.
Gegen 1770-1780 erbte seine Tochter, die Baronin Guillemine
von Brachel, erbberechtigte Witwe des Barons Kolff aus Düsseldorf,
den Hebscheider Hof. Kurze Zeit darauf erwarb ihn ein englischer
Graf, der aber seine Eigentumsrechte im Jahre 1788 dem Baron Jos.
Guillaume Ghysens abtrat und wegen dubioser Geschäfte das Land
fluchtartig verließ.
1789 und 1793 wurde das Rittergut öffentlich versteigert und
einem Johann Joseph Fell zugeschlagen, der es am 28. Februar
1803 einem Gothard Pastor vermachte. Derselbe starb unverheira-
tet am 9. Februar 1819 und vererbte Hebscheid seinem Neffen,
Heinrich Philipp Pastor. Dieser heiratete 1824 eine Johanna-
Guillaumine-Henriette Lindgens, die ihrem Manne sieben Kinder
gebar. Beim Tode des Vaters, im Jahre 1844, verkauften die Erbbe-
rechtigten das Eigentum an Herrn Robert Hasenclever, Gatte von
Emma Bölling. Die Eheleute Hasenclever-Bölling vermachten es ih-
rem Sohn Edwin Hasenclever. Bei dessen Tode im Jahre 1928 fiel
Hebscheid an die Witwe Irma Hasenclever geborene Prym.
Quellennachweis:
G. Poswick, Les Delices du Duche de Limbourg.
Diesem Werk ist auch das Umschlagbild entnommen.
8
Die Aachener Kleinbahn kommt nach
°
Kelmis
(2. Forts. u. Schluß)
von Walter Meven
Unterdessen legten interessierte Kelmiser Kreise der Perma-
nent-Deputation einen Antrag mit der Bitte vor, dem projek-
tierten Bau einer Kleinbahnverbindung Kelmis-Welkenraedt ”hilf-
reich” beizustehen. Ihr Zweck sollte die Umorientierung der Arbei-
terbevölkerung der annektierten Gebiete auf die Vervierser Region
sein, "anstatt daß dieselben Aachen den Vorzug geben”. Die diskre- ;
te Zurückhaltung der Kelmiser Gemeindevertreter bei den laufen-
den Verhandlungen mit der Kleinbahngesellschaft hatte nicht nur
einen währungspolitischen Hintergrund, sondern läßt auch die Ab-
kehr vom Aachener Arbeitsmarkt vermuten. Zu vermerken ist, daß
bei den späteren Besprechungen um die projektierte Bus-Linie, bei
denen der Gouverneur-Präsident auf die Umorientierung deutlich
hinwies, die Vertreter der neubelgischen Gemeinden nicht zugegen
waren. Im Hinblick auf die Stimmung der Kelmiser und Neu-
Moresneter Bevölkerung richtet der Bürgermeister von Neu-
Moresnet, Schlingensiepen, eine dringende Bitte an den Generalse-
kretär der Sequesterverwaltung in Malmedy, die Strecke Altenberg
baldmöglichst wieder in Betrieb nehmen zu lassen. Sie war ganz si-
cher mit dafür ausschlaggebend, daß sich die Kleinbahngesellschaft
mit dem Hinweis auf eine Rücksprache mit dem deutschen Überga-
bekommissar und dem Oberbürgermeister der Stadt Aachen bereit
erklärte, den Fahrbetrieb mit dem 15. Mai 1923 wieder aufzuneh-
men: ”...unter Vorbehalt aller unserer Rechte lediglich im öffentli-
chen Verkehrsinteresse und nach Freigabe des Wagens Nr. 417”. Ei-
ne diesbezügliche Anweisung der Sequesterverwaltung entnehmen
wir einer Aktennotiz des Zwangsverwalters des Eupener Netzes der
Aachener-Kleinbahngesellschaft in Eynatten: ”... Auf Grund des
Schreibens, welches vor einigen Tagen an die Zwangsverwaltung
der Aachener Kleinbahngesellschaft gesandt worden ist, teilte uns
Herr van Werweke mit, daß der beschlagnahmte Wagen freigege-
ben wäre, und die schriftliche Bestätigung im Sinne des Schreibens
der Direktion der Aachener-Kleinbahngesellschaft in einigen Tagen
erfolgt. Der Betrieb könnte auf der Strecke Altenberg wie früher
wieder aufgenommen werden. Die belgische Gendarmerie hat An-
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weisung erhalten, sobald Personal der Aachener Kleinbahngesell-
schaft dorthin kommt, den Wagen freizugeben und den Verkehr
aufnehmen zu lassen”.
Brachte die Grenzerleichterung eine vorübergehende Belebung
des Verkehrs und damit eine spürbare Verringerung der Verluste, so
war dies auch dadurch bedingt, daß der ”völlig unzureichende Fran-
kentarif” aufgegeben und der für das gesamte Netz gültige Markta-
rif eingeführt wurde. Die ständige Frage nach der Beteiligung an
den Verlusten harrte noch Jahre auf eine endgültige Regelung, die
dem Wechsel angedrohter Stillegung und dem kontinuierlichen Be-
trieb zu Gunsten des Letzteren ein Ende setzen sollte. Den damali-
gen Schöffen Willy Zartenaer von Kelmis und den Bürgermeister
Schlingensiepen von Neu-Moresnet betraute man mit den weiteren
Verhandlungen im Sinne dieser ”endgültigen Regelung”. Wegen der
Klärung der Rechtslage zogen sie den Aachener Rechtsanwalt Ju-
stizrat Hamacher hinzu. Gemeinsam mit ihm erreichten sie für die
von ihnen vertretenen Gemeinden eine Senkung des umstrittenen
Kostenanteils von 5000 Mark auf 2500 Mark. Hamacher hatte sich
von den Gemeinden Verhandlungsspielraum bei den deutschen Be-
hörden erbeten und damit erreicht, daß sich der Regierungspräsi-
dent und der Oberbürgermeister der Stadt Aachen bei der Klein-
bahngesellschaft erfolgreich verwendeten, nicht zuletzt im ”Interes-
se der deutschen Sache”, wie es an anderer Stelle heißt. In dieser An-
gelegenheit schreibt der Schöffe Zartenaer unter dem Datum des 3.
Juni 1927 dem Justizrat Hamacher u.a.: ”... Es freut mich
außerordentlich, soeben von Ihnen zu vernehmen, daß der Herr Re-
gierungspräsident Ihnen mitgeteilt hat, daß die Angelegenheit erle-
digt ist und bitte ich Sie, dem Herrn Regierungspräsidenten im Na-
men unserer beiden Gemeinden unseren aufrichtigen Dank auszu-
drücken. Er hat unseren Gemeinden, die sich in einer finanziell trau-
rigen Lage befinden, einen unbeschreiblichen Dienst erwiesen.”
Mit dem bisher Erreichten, gaben sich die Gemeinden immer
noch nicht zufrieden. Indem sie den Justizrat in einem späteren
Brief bitten, ”die Angelegenheit nicht aus den Augen zu verlieren”,
hofften sie auf eine weitere Beihilfe durch die Stadt Aachen.
Eine weltweite Krise, die alle Zweige der Wirtschaft erfaßte,
verringerte selbstredend auch das Steueraufkommen für die öffentli-
che Hand. Zuschüsse und Subventionen aller Art fielen rigoros dem
Sparstift zum Opfer. Sehr zum Nachteile der beiden Gemeinden, die
sich außerstande erklärten, die von der Aachener Kleinbahngesell-
schaft geforderten Beträge zu zahlen.
10
Immerhin widersetzten sich der Regierungspräsident und der
Oberbürgermeister der Stadt Aachen einer Stillegung der Altenber-
ger Linie. Sie erklärten einmütig, ”daß eine Stillegung im deutschen
Interesse nicht erwünscht sei”; die Strecke würde von 150.000 bis
200.000 Personen jährlich benutzt, hauptsächlich von Geschäfts-
leuten” also ein besonderes Interesse bei der Stadt Aachen”. Zur
weiteren Befriedigung ihrer Ansprüche stellt die Aachener Klein-
bahngesellschaft eine ultimative Forderung auf Anerkennung einer
Gesamtschuld von 10.000 Goldmark durch die Gemeinden. Sie
schlägt sogar die Aufnahme eines Darlehens von 12.500 Mark zu
Gunsten der Aachener Kleinbahngesellschaft vor. In Höhe dieses
Darlehens sollte eine Sicherungshypothek auf die in Deutschland
liegenden Gemeindewaldungen hinterlegt werden. Die Fronten ver- .
härteten sich zusehends, vor allem dadurch, daß die Gemeinden
neuerlich erklärten, die Sequesterverwaltung habe seiner Zeit die
Bahnanlagen bedingungslos an die Vicinalbahngesellschaft verkauft
und damit sei diese einzig und allein ihr Verhandlungspartner. Da
die Bahnanlagen auf belgischem Gebiet ein Sicherheitsrisiko dar-
stellten, wurde eine Überprüfung derselben durch die Vertreter der
Kleinbahngesellschaft vorgenommen. Ihr Ergebnis war, daß die An-
lagen mit einem hohen Kostenaufand repariert bzw. erneuert wer-
den müßten.
Dazu erklärt der Direktor der AKG am 4. November 1930 vor sei-
nem Aufsichtsrat: ”... Herr Simeon berichtet über eine am Vortage
mit Herrn Dr. Joerissen, der Direktion und der technischen Abtei-
lung vorgenommenen Ortsbesichtigung, bei welcher sich ergeben
hat, daß tatsächlich die Gleise auf neubelgischem Gebiet erneue-
rungsbedürftig sind. Bei dieser Gelegenheit wurde Fabrikant Dr. B.
besucht, der zum Ausdruck brachte, daß eine Stillegung der Linie
von schlimmster Bedeutung für die deutschfühlende Bevölkerung
sein werde.
Dr. B. will den Antrag der Gesellschaft auf Unterstützung aus
dem Westfonds durch Sammlung von Unterschriften unterstützen.
Die Ausschüsse sind mit vorläufigem Weiterbetrieb der Linie bis zur
Klärung der Frage mit der belgischen Gesellschaft, eventuell unter
Einschränkung des Betriebes einverstanden.”
Zur weiteren Behandlung der anstehenden Probleme fand am
23. Dezember 1930 eine Besprechung zwischen den Vertretern der
Gemeinden, der Vicinalbahngesellschaft, der belgischen Regierung,
der Kleinbahngesellschaft Aachen und Herrn de Walque statt. Man
11
einigte sich dahingehend, daß sich im Interesse der Aufrechterhal-
tung des Betriebes die Vicinalgesellschaft verpflichtete, die auf der
fraglichen Strecke notwendigen Reparaturen auszuführen und für
die der Aachener Kleinbahngesellschaft bis dahin entstandenen Un-
kosten eine einmalige Zahlung in Höhe von 13250.- Mark zu lei-
sten. Die Aachener Kleinbahngesellschaft verpflichtete sich ihrer-
seits, die Strecke auf weitere 20 Jahre zu betreiben und darauf die
Tarife anzuwenden, die für den Rest des Netzes maßgebend waren.
Krieg, Streik, Stromunterbrechung und dergleichen sollten sie von
dieser Verpflichtung entbinden. Im Fortgang der laufenden Ver-
handlungen stellten sich immer neue Schwierigkeiten ein: ”... Justiz-
rat Joerissen teilt mit, daß neue Schwierigkeiten eingetreten sind, in-
dem der Verwaltungsrat der Societe dem Abkommen kaum beitre-
ten wird, weil die Frage der Wiedervereinigung Eupens mit
Deutschland aufgeworfen ist, so daß das in die Altenberger Linie ge-
steckte Kapital alsdann für die Belgier verloren sein würde. Die
Entschließung belgischerseits soll abgewartet werden. Sollte es nicht
zu einem Abkommen führen, so wird nichts anderes übrig bleiben,
als das auf belgischem Gebiet liegende Stück außer Betrieb zu set-
zen, weil der Aachener Kleinbahngesellschaft nicht zugemutet wer-
den kann, für eine fremde Gleisstrecke erhebliche Erneuerungskapi-
talien aufzuwenden.”
Ein weiterer Aspekt war die von Belgien gewünschte Durch-
fahrtmöglichkeit von Eupen nach Aachen und umgekehrt. Im Prin-
zip waren die Kleinbahngesellschaft und gewisse Regierungskreise
mit dieser Möglichkeit einverstanden, doch erfordere dies wegen der
breiten Betriebsmittel eine kostspielige Verschiebung der Gleise zu
Lasten der belgischen Gesellschaft oder aber die Beschaffung neuer
Wagen in geringerer Breite. An den Kosten würde nicht nur die
Durchfahrt scheitern, sondern möglicherweise auch die im Casino
getroffenen Vereinbarungen für die Altenberger Linie. In diesem
Zusammenhang sei erwähnt, daß später, unmittelbar nach dem deut-
schen Einfall in Belgien, die breiten Wagen ohne Änderung der
Gleisanlagen durch die Stadt bis zum Theaterplatz fuhren.
Am 18. Mai 1931 erhielt Justizrat Joerissen wider alle Erwar-
tungen eine Nachricht seines belgischen Kollegen, wonach der Ver-
waltungsrat der belgischen Gesellschaft dem Abkommen hinsicht-
lich Altenberg und Eupen zugestimmt habe. Die Zahlung der Sum-
me von 13250.- Mark sollte sofort nach Unterzeichnung des Ab-
kommens erfolgen.
Die in Deutschland ihrem Höhepunkte zustrebende Krise zwang
13
Aachen, den 24. Juni 1931
Sehr geehrter Herr Abgeordneter!
Unserer Absprache gemäß übersende ich Ihnen einliegende
Darstellung der Gründe, die für die Aufrechterhaltung des Betriebes
auf der Altenberger Linie sprechen.
Ich möchte in diesem Briefe noch ein weiteres Moment geltend
machen. Es wäre immerhin nicht ausgeschlossen, daß unsere Geg-
ner, d.h. die Katholische Union in Eupen, die Anhänger der altbelgi-
schen katholischen Partei, sich der Angelegenheit bemächtigen, um
von belgischer Seite die Aufrechterhaltung des Betriebes zu errei-
chen. Einen Erfolg würden sie natürlich in dem Sinne ausbeuten,
daß wir, die Christliche Volkspartei oder die Heimattreuen, nichts
vermögen. Die Wirkung wäre dann dieselbe wie in der Anlage ange-
geben.
Indem ich Ihnen, zugleich im Namen meiner Freunde, für Ihre
freundlichen Bemühungen verbindlichst danke und denselben be-
sten Erfolg wünsche, verbleibe ich mit vorzüglicher Hochachtung
Ihr ergebener Joseph Kriescher
Die dem Begleitschreiben angefügte Darstellung hatte folgen-
den Wortlaut:
Aachen, den 24. Juni 1931
Sehr geehrter Herr Abgeordneter!
Unter Bezugnahme auf unsere Unterredung erlaube ich mir,
Ihnen nachstehend die Gründe aufzuführen, die gegen die Stille-
gung der Altenberger Linie der Aachener Kleinbahn geltend zu ma-
chen sind. Zunächst würde durch die Stillegung eine Anzahl von
Arbeitern und Angestellten des hiesigen Bezirks, die noch in Aa-
chen beschäftigt sind, ihres täglichen Verbindungsmittels beraubt.
Es handelt sich hierbei meistens um Personen, die seit vielen Jahren
in Aachen tätig sind, die auch in den Jahren der Inflation ihren
deutschen Arbeitgebern treu geblieben sind. Sie verdienen also in je-
der Beziehung gewisse Rücksichten. Aber abgesehen hiervon würde
die Stillegung der Strecke im ganzen Kreise Eupen und im ehemali-
ge Gebiet von Neutral Moresnet in dem ebenfalls etwa 2000 ehema-
lige deutsche Reichsbürger wohnen, einen recht unangenehmen
Eindruck machen. Es liegt tatsächlich ein nationales deutsches In-
teresse vor, die Stillegung, wenn möglich, zu verhindern. Die
Schwierigkeiten, denen wir als Vorkämpfer der deutschen Sache be-
14
gegnen, sind Ihnen nicht unbekannt. Ich darf wohl darauf hinwei-
sen, daß gerade Eupen der Herd der probelgischen Bewegung ist, in
Eupen sitzen die Leute, die um ihrer eigenen Interessen willen den
heutigen Zustand verewigen würden. Das Eingehen der Strecke wä-
re ihnen ein neuer willkommener Agitationsstoff, um zu beweisen,
daß Deutschland angeblich nichts für uns tun kann oder kein Inte-
resse für uns hat. Es ist dies ohnehin die Walze, die beispielsweise
von dem Grenz-Echo, dem Organ der probelgischen Bewegung, im-
mer abgerollt wird.
Die Stillegung würde tatsächlich eine Minderung des deut-
schen Ansehens in unseren Gebieten bedeuten. Da unsere Gegner
über ganz andere finanzielle Mittel verfügen und auch die Macht-
mittel des Staates für sie eingesetzt werden, würde das Eingehen der .
Strecke eine weitere fühlbare Erschwerung unserer Arbeit bedeu-
ten. Wir verkennen gewiß die Schwierigkeiten nicht, bitte Sie aber,
alles zu tun, was in Ihren Kräften steht, um das Unglück zu verhü-
ten.
Mit der Versicherung vorzüglicher
Hochachtung Ihr Sehr ergebener
DU.
Mit einem Brief an die AKG bittet Servais unter Beifügung
vorstehenden Schreibens um eine Stellungnahme und um sachdien-
liche Informationen: ”... Einwohner aus dem neubelgischen Gebiet
haben mir den anliegenden Antrag zugehen lassen. Ich wäre Ihnen
dankbar, wenn Sie mir die Gründe angeben könnten, die Sie
veranlaßten, die Strecke Bildchen-Altenberg stillzulegen.
Wenn es sich um eine rein finanzielle Frage handelt, würde ich
den Versuch machen, bei Berliner Stellen eventuell einen Zuschuß
zur Aufrechterhaltung der Strecke zu erreichen. Den anliegenden
Brief bitte ich mir wieder zurückzusenden.”
gez. Servais
Der Oberbürgermeister der Stadt Aachen teilt daraufhin in der
Sitzung des Finanzausschusses vom 23. Juli 1931 mit, daß die Aa-
chener Kleinbahngesellschaft nach einem Antrag bei Reich und
Staat die Strecke in Betrieb halten will. Der Betrieb sollte bis zur Än-
derung der Verhältnisse auf der Altenberger Linie durch Einmann-
wagen notdürftig ”mit Rücksicht auf das Deutschtum aufrechter-
halten werden, wenn auch die Einnahmen lediglich nur Löhne und
Stromkosten decken.” .
Bereits am 24. August 1931 teilt der Ministerialkanzleidirektor
15
des Innenministeriums auf den erwähnten Antrag der Kleinbahnge-
sellschaft mit, daß er die Angelegenheit mit dem Innenminister prü-
fen werde.
Ein wesentlich anderes Bild entwirft das Schreiben Krieschers
an den Bürgermeister Schlingensiepen von Neu-Moresnet. Er be-
schränkt sich darin auf die rein sachlichen Zusammenhänge seiner
Mission und läßt die politische Einlassung völlig vermissen:
Den 18. August 1931
Herrn
Bürgermeister Schlingensiepen
Neu-Moresnet
Sehr geehrter Herr Bürgermeister!
Das mir zugesandte Schreiben der Aachener Kleinbahngesell-
schaft reiche ich Ihnen hiermit wieder zurück.
Ich hatte inzwischen Gelegenheit, mit dem Bekannten vom
Aufsichtsrat der Kleinbahn zu sprechen. Es ergab sich dabei, daß
selbst bei Einführung des Einmannbetriebes noch eine jährliche Un-
terbilanz herauskommen würde. Sich von der Unrentabilität der
Strecke zu überzeugen, ist auch wirklich nicht schwer. Dazu kom-
men die Auslagen für die Wiederinstandsetzung der Strecke. Die
Gesellschaft wird sich einstweilen darauf beschränken, die Strecke
durchzureparieren, also von der vollständigen Erneuerung absehen.
Trotzdem werden noch erhebliche Kosten entstehen.
Man kann verstehen, daß die Gesellschaft diese Unkosten ir-
gendwie wieder herausholen will, zumal sie nach dem Ergebnis der
seinerzeitigen Besprechungen im Kasino damit rechnen konnte.
Ich glaube annehmen zu dürfen, daß bei der Verwaltung der
Kleinbahn Verständnis dafür besteht, daß die Gemeinde keine we-
sentlichen Zuschüsse leisten kann. Man scheint aber zu erwarten,
daß wir uns bemühen, um eine Ordnung der Angelegenheit herbei-
zuführen, was ganz im Interesse der Gemeinde und der Bevölke-
rung liegt. Das Eingehen der Linie wäre sicher ein Nachteil. Der Ort
ist ohnehin schon reichlich tot geworden. Ein Ersatz durch einen
Omnibusdienst kann uns die Vorteile der Kleibahnlinie bei weitem
nicht ersetzen. Er würde sich zudem als gänzlich unrentabel erwei-
sen, und recht bald wieder eingestellt werden. Es wäre also nötig, an
die Vicinalbahngesellschaft heranzutreten, wobei Sie zweckmäßig
von der Aussprache im Kasino ausgehen würden. Sie könnten an-
führen, daß Sie damals der Ansicht gewesen seien, die Angelegen-
16
heit wäre vollkommen geordnet und daß sie über die neuen Schwie-
rigkeiten sehr erstaunt seien. Man kann auch gleich sagen, daß uns
mit einem Omnibusdienst nicht gedient ist. Im übrigen kennen Sie
‚ja die Rechtslage besser noch als ich und werden Sie nicht unterlas-
sen darauf hinzuweisen.
Der Aachener Kleinbahngesellschaft wäre mitzuteilen, daß wir
uns mit der Vicinalbahngesellschaft als unsere Vertragsnachfolgerin
in Verbindung gesetzt haben, um sie zur Innehaltung des Vertrages
zu veranlassen. Es kann nicht schaden, wenn Sie dabei auf die kata-
strophale Lage unserer Gemeindefinanzen hinweisen.
Ich bitte diesen Brief nur als rein informatorisch zu betrachten
und davon weiter keinen Gebrauch zu machen. Meine Unterredung
hat natürlich nur einen privaten Charakter gehabt.” ä
Mit besten Grüßen
Ihr Jos. Kriescher.
Einen Erfolg konnte Kriescher für sich verbuchen, indem die
Bemühungen seines ”Bekannten” Dr. Albert Servais in Berlin Ge-
hör fanden und die Reichsregierung in einem Schreiben vom
19.12.1931 mitteilte, daß sie für die auf belgischem Gebiete liegende
Strecke der Aachener Kleinbahngesellschaft 32.000.- Mark bewillig-
te.
Hiermit ergaben sich für die Kleinbahngesellschaft neue Mög-
lichkeiten, die Verhandlungen zum Weiterbetrieb der Linie wieder
aufleben zu lassen. Ihr erfolgreicher Abschluß sollte für die beiden
Gemeinden eine zwingende Notwendigkeit sein, um endlich von
den vertraglichen Verpflichtungen der Kleinbahn gegenüber ent-
bunden zu werden.
Es kam am 11. März 1931 zu einem Vertragsabschluß. zwi-
schen den Verhandlungspartnern, der in seinen wesentlichen Punk-
ten folgendes beinhaltete:
Die Verträge aus den Jahren 1906 und 1918 werden aufgeho-
ben. Die Kleinbahngesellschaft läßt auf ihre Kosten die Strecke er-
neuern. N
Sie erhält die Genehmigung, die Strecke vom 1. April 1932 an
für eine Dauer von 20 Jahren zu betreiben.
Der seinerzeit von der Sequesterverwaltung beschlagnahmte
Wagen geht in das volle Eigentum der Kleinbahngesellschaft zu-
rück.
Nach Ablauf der Frist von 20 Jahren erhält sie ein Options-
recht. Mit der Protokollnotiz des Aufsichtsrates der Kleinbahnge-
sellschaft vom 17. März 1932 wurde der Vertrag für die Gesell-
17
schaft in allen Punkten rechtskräftig.
17. März 1932. Protokoll:
”_.. Dem Betriebsvertrag mit der Societe nationale des chemins
de fer Vicinaux betreffend Altenberg wird zugestimmt, nachdem
Direktor Simeon darauf hingewiesen hat, daß dieser Betriebsver-
trag notwendig ist, um die in den Umbau der Strecke hineinzu-
steckenden Gelder, die von Preußen und dem Reich in Höhe von
70.000.- Mark gewährt werden, derart zu sichern, daß nicht die bel-
gische Gesellschaft nach der Erneuerung ohne weiteres den Betrieb
wieder aufheben kann. Direktor Simeon teilte weiter mit, daß nach
heute eingegangener Mitteilung des Landtagsabgeordneten Farwick
auch die letzte Rate von 18.000.- Mark für die Altenberger Linie
vom preußischen Innen- und Finanzministerium bewilligt wurde
und daß das Finanzministerium heute die bezügliche Anweisung
unterschreiben habe. Der Vorsitzende stellte allerdings noch fest,
daß durch den Betriebsvertrag jedwede Zuschüsse seitens der Ge-
meinden Altenberg und Moresnet aufhören. Im deutschen Interesse
und auch im Interesse der Stadt Aachen sei aber die Ausführung
notwendig. Es wird angeregt, die Stadt Aachen zu bitten, angesichts
entstehender Betriebsverluste auf der fraglichen Strecke, statt der
früheren Zuschüsse von 2000.- Mark entweder durch eine Senkung -
der Strompreise oder in anderer Weise eine Beihilfe zu geben. Die
Direktion wird einen entsprechenden Antrag stellen.”
Die Genehmigung des belgischen Staates erfolgte am 23. Ja-
nuar 1933 im Namen des Königs durch seinen Verkehrsminister F,
Forthomme.
Kleinbahnen Eupen und Umgebung.
Abtretung des Betriebes
Albert, König der Belgier,
Allen Gegenwärtigen und Zukünftigen, Heil!
... Auf den Vorschlag unseres Verkehrsministers, haben wir be-
. schlossen und verordnen:
Einziger Artikel: Die Aachener Kleinbahngesellschaft wird für
einen Zeitraum von 20 Jahren, beginnend am 1. April 1932, als Zes-
sionär anerkannt für den Unterhalt und den Betrieb der Fahrstrecke
”La Calamine nach der Grenze in Richtung Aachen”, der Vorort-
bahnen von Eupen, zu den Bestimmungen und Bedingungen des
Vorerwähnten allgemeinen Lastenheftes, die beide abgeändert und
ergänzt wurden in Ansehung der am 31. März 1932 zwischen dieser
Gesellschaft und der Nationalgesellschaft der Kleinbahnen abge-
18
schlossenen Übereinkunft in dem Maße, wie fragliche Übereinkunft
seitens der Regierung genehmigt wurde.
Unser Verkehrsminister wird mit der Durchführung der gegen-
wärtigen Verordnung beauftragt.
Gegeben zu Brüssel, den 23. Januar 1933.
Albert
V.K.W.
Der Verkehrsminister
F. Forthomme
Für die Zeit von 1933 bis zum Ausbruch des 2. Weltkrieges am
1. September 1939 fließen die Quellen recht spärlich. }
Luftangriffe und Verluste durch die im Herbst 1944 angeord-
nete Zwangsevakuierung der Direktion nach Wipperfürth rissen für
die spätere Geschichtsschreibung erhebliche Lücken.
Gelegentliche Berichte aus dieser Zeitspanne von noch leben-
den Zeitzeugen sprechen von strengen und lästigen Grenzkontrol-
len durch den SD — Sicherheitsdienst —, die nicht selten von Lei-
besvisitationen begleitet waren. Diese wenig reizvollen Umstände
beschränkten das Reisen hin- und herüber auf das zwingend Not-
wendigste.
Mit dem Ausbruch des 2. Weltkrieges wurde der Fahrbetrieb
auf den im Ausland befindlichen Streckenabschnitten Vaals-
Blumenthal und Bildchen-Kelmis von Amts wegen eingestellt. Am
Abend des 3. August 1939 wurden die Grenzübergänge von Köpf-
chen, Lichtenbusch u.s.w. von beiden Seiten geschlossen. Während
die Eisenbahn zwischen Herbesthal und Aachen weiterhin verkehr-
te und auch die Grenzübergangsstelle am Bildchen offen blieb, wur-
de der Straßenbahnverkehr über die Grenze vollkommen stillgelegt.
(Grenz-Echo, 1.9.1959). Eine noch strengere Überwachung der
Grenzen durch die eben erwähnten Aufsichtsbehörden der Gestapo
verhinderte von da ab jeglichen regelmäßigen Verkehr mit dem na-
hen Ausland. Das änderte sich recht bald nach dem erfolgten Ein-
marsch der deutschen Truppen in das nahe Aachen gelegene Aus-
land. Bereits am 18. Mai 1940 erlaubten die schnellen Vorstöße
nach Belgien und Holland hinein, den regelmäßigen Schienenver-
kehr wieder aufzunehmen; für die bereits von der Rationierung be-
troffene deutsche Grenzbevölkerung war dies eine willkommene
Gelegenheit, die belgischen Grenzorte zum Einkauf von dort noch
nicht bewirtschafteten Waren aufzusuchen.
Der fahrplanmäßige Linienverkehr erfuhr aber mit fortschrei-
tendem Krieg immer häufigere Unterbrechungen. Zahlreiche Luftan-
19
griffe auf die Stadt Aachen zerstörten besonders im innerstädtischen
Bereich die Bahnanlagen in einem solchen Ausmaße, daß sie meist
erst nach Wochen wieder befahren werden konnten. Für die In-
standsetzungstrupps war es ein recht schwieriges Unterfangen, die
durch Bombentreffer zerstörten Schienen, Fahrdrähte, Maste und
sonstigen Betriebseinrichtungen mit wenig Material und noch weni-
ger Arbeitskräften wieder fahrbereit zu machen. Sie arbeiteten Tag
und Nacht ohne Unterbrechung, zunächst an den Außenstrecken in
Richtung Aachen. Die Strecke von Kelmis nach Aachen wurde
meist als allererste wieder befahren.
Die Anfangshaltestelle befand sich während der weiteren In-
standsetzungsarbeiten an der Kreuzung Karlsgraben/Jakobstraße.
Zahlreiche Arbeiter aus den besetzten Gebieten, die man zur Arbeit
in Deutschland dienstverpflichtet hatte, aber auch ausgebombte
Bürger der Stadt Aachen, welche zwangsläufig ihren Wohnsitz im
nahen Grenzgebiet nehmen mußten, söllten von nun an die Mehr-
zahl der Fahrgäste sein. Dem Beispiel des Ersten Weltkrieges fol-
gend, schaltete man bei akuter Luftgefahr (L15 — Luftgefahr 15 —
bedeutete, die nächste Feindmaschine ist 15 Minuten von Aachen
entfernt) den Fahrstrom ab, so daß die Wagen häufig auf offener
Strecke einhalten mußten. Die Fahrgäste erhielten dann die Anwei-
sung, unverzüglich einen Schutzraum aufzusuchen. Die an der
Strecke befindlinchen Westwallbunker wurden zu diesem Zweck
freigegeben. Um größeren Verlusten des Fuhrparks vorzubeugen,
stellte man die Fahrzeuge nach der letzten planmäßigen Fahrt an
den Außenhaltestellen ab. Für die Kelmiser Wagen war der Hälte-
punkt am Osterweg vorgesehen. Das Fahrpersonal beförderte man
mit einem besonderen Personalwagen nach Aachen zurück. Auch
im letzten Weltkriege machte sich infolge der Einberufungen zur
Wehrmacht ein akuter Personalmangel bemerkbar. Auch hier folgte
man dem Beispiel des Ersten Weltkrieges und stellte Frauen als Er-
satz für die zur Fahne einberufenen Männer ein, zunächst allerdings
nur für den Schaffnerdienst, später, nach der Verkündigung des ”to-
talen Krieges”, auch in die Position der Wagenführer. Die Annähe-
rung der amerikanischen Truppen in der ersten Septemberdekade
1944 brachte für die Altenberger Linie 27 das endgültige ”Aus”. Am
10. September befuhr die letzte ”Tram” unter einsetzendem Artille-
riefeuer das letzte Mal ihre altbewährte Route. Die an der Wald-
schenke und in der Waldstrecke bei Maria im Tann abgestellten
Fahrzeuge bereiteten den Amerikanern ein besonderes Vergnügen.
Indem sie die am Osterweg abgestellten Wagen mit deutscher Fund-
20
munition beluden, ließen sie diese mit einem Zeitzünder versehen in
die Stadt rollen, um in der Nähe des Preusweges als ihre Version der
V-Waffe mit einem mächtigen Detonationsknall zu explodieren.
Die Kapitulation Aachens am 21. Oktober 1944 bedeutete nicht nur
für das gesamte städtische Leben, sondern auch für die Kleinbahn
die ”Stunde Null”. Zerstörte Strecken, große Verluste beim Wagen-
park, fehlendes Personal, keine Ersatzteile und eine nach Wipper-
fürth ausgelagerte Direktion gestalteten den Neubeginn recht
schwierig. Trotz alledem fanden sich einige Unentwegte, u.a. der all-
seits bekannte Kelmiser Straßenbahner Willi Prüß, zusammen, um
nach einer Bestandsaufnahme einen Neubeginn zu wagen. Interes-
sant ist-in diesem Zusammenhang, daß die amerikanische Komman-
dantur bereits im Dezember 1944 die Genehmigung zur Wiederin- -
betriebnahme der Straßenbahn erteilte, obschon es sich nur um Si-
cherungsarbeiten der Bestände handeln konnte, weil vor Beendi-
gung der Kriegshandlungen nicht an einen Fahrbetrieb zu denken
war. Wenige Straßenbahner hatten sich auch im Depotgelände an
der Scheibenstraße versteckt gehalten, um damit den Verfolgungen
durch Polizei und Gestapo zu entrinnen. Sie sammelten später Uni-
formteile, Zahltaschen u.s.w. und veranlaßten sogar die Rückfüh-
rung von Straßenbahnwagen auf dem Landwege. Während die
Fahrstrecke nach Brand am 25. August 1945 wieder befahren wer-
den konnte, war dies auf der Kelmiser Strecke wegen der an der
Schanz zerstörten Brückenbauwerke nicht möglich. Trotz schwie-
rigster Bemühungen konnte wenige Wochen vor der Währungsre-
form des Jahres 1948 die Strecke bis zur Schanz wieder in Betrieb
genommen werden. Nach der Erneuerung der äm 5. Oktober 1944
von deutschen Truppen gesprengten Brücke verlängerte man die
Strecke bis zum Grundhaus. Kurz darauf folgte der Streckenab-
schnitt bis zum Osterweg. Schließlich, im März 1949, wurde die
Teilstrecke bis zum Unterbackertsweg in den Fahrbetrieb einbezo-
gen. Ein weiterer Ausbau erfolgte nicht mehr, denn in diese Zeit
fällt die Unterstellung Bildchens unter belgische Verwaltung. Kurz
zuvor entfernte die Kleinbahngesellschaft in einer Nacht- und Ne-
belaktion das gesamte Streckenmaterial, um es an anderer Stelle ein-
zubauen. Die Erfahrungen des Ersten Weltkrieges mögen hier wohl
Pate gestanden haben. Am 8. August 1958 erfolgte die Umstellung
auf Busbetrieb bis zur neuen Bundesgrenze am Wasserwerk mit In-
krafttreten des Brüsseler Vertrages. Die nun folgenden Daten ent-
nehmen wir einer freudlichen Mitteilung der ASEAG.
21
”Am 19.12.1959 Eröffnung der Gemeinschaftslinie
ASEAG/SADAR von Aachen/Couvenstraße bis
Kelmis/Garage Pauly.
Bereits 1949 hatte die ASEAG ihre Bereitschaft hierzu der Fir-
ma SADAR mitgeteilt. 1950 einstweilige Erlaubnis für Schienener-
satzverkehr bis Bildchen/Grenze - Anschluß nach Altenberg an SA-
DAR. - 11.9.1950 Antrag an die Regierung für Gemeinschaftslinie
Aachen-Altenberg. - 9.3.1951 Koordinierungsausschuß einverstan-
den. - Verhandlungen ruhten und lebten erst mit dem Brüsseler Ver-
trag wieder auf. - 1.7.1958 Schreiben des Präsidenten der Industrie-
und Handelskammer Aachen, Hermann Heusch, an die Geschäfts-
führung der Deutsch/Belg./Luxemburgischen Handelskammer.
16.8.1958 erstes Gespräch SNCV/ASEAG/IHK. - 24.11.1958 Be-
sprechung Bürgermeister Kofferschläger, Konsul Schumacher, Ober-
stadtdirektor Dr. Kurze, Dr. Gutknecht. - 17.6.1959 Besprechung
beim Regierungspräsidenten. - 28.9.1959 Antrag auf Erteilung der
Genehmigung. - 19.12.1959 Eröffnung (Treffpunkt der beiden Ab-
ordnungen am gleichen Ort wie am 16.12.1959 - deutsch/belgische
Grenze) als vorweihnachtliche Überraschung für die Bevölkerung
von Aachen und Kelmis. Am 20.6.1965 übernimmt SADAR auch
die innerdeutsche und die ASEAG die innerbelgische Bedienung ne-
ben der Bedienung des internationalen Verkehrs. 28.5.1967 Verlän-
gerung der Linie bis Kelmis-Bruch.”
Einem Gutachten zufolge, das der Ordinarius für Verkehrswis-
senschaften der RWTH Aachen erstellte, wurde der Schienenver-
kehr in Aachen planmäßig aufgegeben.
War es ein Zufall, daß man als allerletzte die Linie 15 nach
Brand einstellte oder geschah dies im Hinblick auf ihre Denkwürdig-
keit als erste nach dem Kriege wieder eingesetzt worden zu sein?
Ein bekannter Aachener Mundartdichter hat der Kleinbahn ei-
nen Grabgesang gewidmet.
De leiste Tram es avjefahre.
Weä doe noch met wöi, küem ze spie.
De leiste Tram es avjefahre -
vür krijje se net mieh.
E Boch voll van Erenneronge,
wat os de Zitt jeschräve hat,
es met de jou au Tram verbonge
een Käiser Karel’s Stadt.
22
Lott een dat Boch mich jau ens blare:
Mi Vadder hat esue mäneche Kiehr
als Jong en Tram met Peeäd jefahre
at vör sing Schrineschliehr.
Ich - sätt der Jeck - fuhr dann völ spieder
döcks een deä Sommerwajel jeär -
”malektrisch” nun äm doeröm sieder -
bei schönnste Sommerweär. -
ÖM Mi A A a
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Eines der letzten Bilder der Straßenbahn Aachen-Kelmis:
Die ”Tram” am Schlagbaum auf Bildchen (Pitz-Braun)
(Repr. A. Jansen)
23
Drei Jeneratiune fuhre
met höhr, bau alles Öcher Lü.
Nun hant vür Jronk höhr noehzutruere -
et fährt jeng Tram mieh hü. -
De leiste Tram es avjefahre.
Weä doe noch met wöi, küem ze spie.
De leiste Tram es avjefahre -
die krijje vür net mieh.
(This Kluck)
xxx
Die im Jahre 1959 eingerichtete durchgehende Busverbindung
Aachen-Kelmis-Aachen. die von den Gesellschaften ASEAG und
SADAR im Verkehrsverbund betrieben‘ wird, besteht als be-
währte Einrichtung nun schon 28 Jahre, Das Silberjubiläum wurde
im Jahre 1984 besonders festlich begangen. Für die Fahrgäste, die
an diesem Tage die mit Grün geschmückten Busse benutzten, hielt
man eine besondere Überraschung bereit: Mit heimischen Speziali-
täten wie Printen auf der einen und Reisflädchen auf der anderen
Seite wartete man den Fahrgästen auf, um auch sie an den denk-
würdigen Tag des Jahres 1959 zu erinnern, der eine wesentliche Er-
leichterung für die vorher von Umsteigen und Zollkontrollen ge-
plagten Fahrgäste brachte. Die große Bedeutung dieser grenzüber-
schreitenden Linie wurde im Sinne einer europäischen Einigung von
allen Festrednern besonders hervorgehoben.
Mögen dieser Verbindung mehr als die 37. Jahre, die die gute
alte Tram zurücklegte, beschieden sein und der Verkehr ohne quä-
lende Verwaltungsakte weiterhin zum Wohle der Grenzbevölke-
rung ungehindert fließen.
Quellennachweis:
Primärquellen:
Stadtarchiv Aachen, Oberbürgermeister - Registratur, Handel und gewerblicher Ver-
ee ig 125 Lf. N" 19 I bis XXVII 1873 bis 1928, 19a, 19aa, 19ab, 19ac, 19ad,
Verwaltungsberichte der Stadt Aachen, Sitzungsprotokolle der Stadtverordnetenver-
sammlung
Archiv der Göhltalvereinigung, Kelmis/Belgien, Kleinbahnakten
Sekundärquellen;
A. Cremer-Chape: ASEAG 1880, 1900, 1950 (Festschrift der ASEAG zum 70. Jubi-
Jäumsjahr), 1950.
Krettek-Herberholz: Straßenbahnen im Aachener Dreiländereck.
Der ASEAG sei besonders für die Überlassung von Fotokopien gedankt, die sich auf
die Wiedereinrichtung der Linie nach Kelmis beziehen.
24
Frühlingssturm
von Leonie Wichert-Schmetz
Ich liebe den Sturm, den Frühlingssturm,
Der durch die knackenden Äste bricht,
Der zerrend den Schiefer löst vom Turm
Und überall hält ein strenges Gericht.
Ja, fallen muß alles, was morsch ist und krank,
Die letzten Blätter, der tote Ast. #
Und erst, wenn das letzte Blättlein sank,
Dann hält der wilde Geselle Rast.
Ich danke dem Sturm, der das Herz durchfuhr,
Der alles Eitle und Morsche zerstört,
Daß ich im tiefsten Herzen nur
Einen großen Gedanken mehr hört’.
(1) Aus dem Gedichtband ”Mein Jahr”
25
Bergmannslos (Schluß)
von Peter Zimmer
Daß die Tätigkeit der belgischen Grubenleute innerhalb der
Europäischen Vereinigung der Berg- und Hüttenmännischen Ver-
eine tatsächlich erfolgreich und verdienstvoll gewesen ist, konnte je-
der aufmerksame Beobachter erneut am Sonntag, dem 20. August
1983, im Kelmiser Gemeindepark feststellen.
Zahlreiche Abordnungen bergmännischer Vereine aus europä-
ischen Revieren, wo heute noch Kohle abgebaut wird, aber auch
aus solchen Gegenden, wo inzwischen die Fördertürme verschwun-
den sind, waren nach Kelmis gekommen, um gemeinsam mit den
Kelmiser ”Kohlengräbern” den neunzigsten Jahrestag der Grün-
dung des ersten Vereins der Erzbergleute der Altenberger Berg-
werksgesellschaft zu feiern.
Unter den Gästen waren mehrere Landesvorsitzende sowie der
Präsident der obengenannten Vereinigung, Dipl.-Ing. Robert Mayer
aus Esch/Alzette (Lux.).
Schon am Vormittag fand im Kelmiser Gemeindepark, in ei-
nem großen Festzelt, welches in der Nähe der zu Ehren der Vorfah-
ren vor 25 Jahren errichteten Gedenkstätte aufgebaut worden war,
ein feierlicher Wortgottesdienst für die in- und ausländischen Berg-
leute statt.
Pfarrer Erich Altdorf nutzte die Gelegenheit, durch den Vor-
sitzenden des Kelmiser Sankt Leonard Vereins das Gebet der ehe-
maligen Erzbergleute der Altenberger Gesellschaft beten zu lassen.
Dadurch wurde in Erinnerung gerufen, daß diese Erzbergleute, die
ersten Pfarrangehörigen des Neutralen Gebietes von Moresnet, das
im August 1858 durch Loslösung von der Pfarre Moresnet selbstän-
dige Pfarre wurde, tiefgläubige Christen waren.
Erwähnenswert ist, daß an diesem Festtag noch drei Vereins-
mitglieder lebten, die als Erzbergleute ehedem diesen schönen
Brauch gepflegt hatten.
Im Anschluß an die religiöse Feierstunde bereitete der Kelmi-
ser Bürgermeister Willy Schyns den Ehrengästen aus dem In- und
Ausland und den Vorstandsmitgliedern der Europäischen Vereini-
gung der Berg- und Hüttenmännischen Vereine einen herzlichen
Empfang im Gemeindehaus. 5
Am Nachmittag erlebte dann die Ortschaft Kelmis in ihren
Straßen eine großartige Bergparade, an der Hunderte Bergleute aus
verschiedenen Ländern teilnahmen.
26
Musikkapellen, Spielmanns- und Fanfarenzüge sowie das
Schalmeienkorps Glück-Auf aus Heerlerheide gaben dieser Parade
ein besonders eindrucksvolles Gepräge.
Nach derselben versammelten sich dann die Bergleute erneut
mit ihren Angehörigen im großen Festzelt, wo sie im Verlaufe der
folgenden Stunden durch Ansprachen verschiedener Persönlichkei-
ten, Überreichung von Geschenken seitens der in- und ausländi-
schen Vereine sowie durch musikalische Darbietungen eine volks-
tümliche Veranstaltung erlebten, die Zeugnis ablegte von der Kame-
radschaft und Brüderlichkeit, die unter den Bergleuten in Europa
herrscht.
Anläßlich dieser Veranstaltung, die bis zur Stunde der Heim-
fahrt dauerte, war festzustellen, daß diese Brüderlichkeit so tief und E
fest in den Bergmannsherzen verankert ist, daß sie allen Wirren und
Stürmen der Zeit standhalten und widerstehen konnte.
Unerwähnt dürfen auch die Wünsche nicht bleiben, die Bür-
germeister W. Schyns den Bergleuten gegenüber äußerte. Er legte
ihnen allen ans Herz, ihren Vereinen und Organisationen weiterhin
treu zu bleiben, auf daß es denselben gelinge, den gerechten Forde-
rungen der Bergleute Gehör zu verschaffen. Er drückte auch den
Wunsch aus, daß alle noch bestehenden Arbeitsplätze für die Berg-
leute in Europa erhalten bleiben.
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Die inzwischen stillgelegte Zeche von Jose/Battice
27
Auch die Dankesworte von Dipl.-Ing. Robert Mayer aus
Esch/Alzette erbrachten den Beweis, welch großen Wert dieser un-
ermüdliche und sympathische Präsident auf die europäische Zusam-
menarbeit legt und wie sehr er die Mitarbeit jedes einzelnen diesbe-
züglich zu schätzen weiß.
Trotz der vielen ehrenden Worte und der Dankbarkeitsbezeu-
gungen, die in Kelmis an diesem Festtag besonders bei den jüngeren
Vereinsmitgliedern große Freude hervorgerufen haben, hat dieser
Festtag anläßlich des 90-jährigen Bestehens des Vereins vor allem
bei jenen Bergleuten, die dem Verein schon 50 Jahre und mehr als
Mitglied angehören, statt Freude Wehmut hinterlassen, wurde ih-
nen doch als Goldjubilaren nicht die sonst übliche Aufmerksamkeit
erwiesen. .
Da ich aber nie vergessen werde, welche Verdienste sich diese
Vereinskameraden während der 50-jährigen Mitgliedschaft erwor-
ben haben, erachte ich es als meine Pflicht, an dieser Stelle nachträg-
lich darauf hinzuweisen und ihnen die gebührende Dankbarkeit zu
bekunden, denn es gab einmal eine große Anzahl jugendlicher und
erwachsener Arbeiter aus dem Göhltal, die, wie schon in dieser Zeit-
schrift Nr. 33, S. 53-54 dargelegt wurde, Anfang der zwanziger Jah-
re in den Steinkohlebergwerken des Herver Landes als Grubenarbei-
ter unter schwierigen Verhältnissen ihr Brot verdienen mußten.
Als fleißige und zuverlässige Arbeiter haben sie in den dortigen
Bergwerken, solange ihr Gesundheitszustand es erlaubte, diesen Be- .
ruf ausgeübt.
Die meisten dieser Schachtanlagen bestehen heute nicht mehr.
Aber durch die folgenden Aufnahmen können sie den Lesern unse-
rer Zeitschrift gezeigt werden mit der Bemerkung, daß die meisten
Göhltalbergleute und besonders die Jugendlichen dort anfänglich
als gläubige Christen vielfach Spott und Hohn erdulden mußten.
Später haben sie aber durch ihr Verhalten am Arbeitsplatz
nach und nach auch bei nichtgläubigen Arbeitskollegen und beim
Aufsichtspersonal Sympathie, Bewunderung und Verständnis für
ihre Standhaftigkeit im Glauben sowie für ihre treue Mitgliedschaft
in der christl. Bergarbeitergewerkschaft und Arbeiterbewegung ge-
funden.
Die jetzigen Alten waren es auch, die durch mutigen persönli-
chen Einsatz in allen diesen Betrieben, besonders aber als Delegierte
der christlichen Gewerkschaft, mit ihren wallonischen Arbeitskolle-
gen bezüglich der Rechte der Köhler Hand in Hand zusammenar-
28
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Grubenholz türmt sich vor der Schachtanlage von Werister
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Infolgedessen waren die christl. Bergleute gezwungen, sich ge-
gen ihren Willen einer bestimmten Gewerkschaft anzuschließen,
um ihren Arbeitsplatz nicht zu verlieren.
Die pflichtbewußtesten unter ihnen schlossen sich aber gleich-
zeitig als Christen heimlich der christl. Gewerkschaft an und scheu-
ten nicht davor zurück, ein großes finanzielles Opfer zu bringen, um
diese und andere christl. Organisationen zu unterstützen, indem sie
auch Beiträge an diese Organisation zahlten.
Viele dieser mutigen Bergleute zählen heute nicht mehr zu den
Lebenden wie auch zahlreiche Kelmiser, die eigenhändig mit zur Er-
richtung der Gedenkstätte zu Ehren der Toten im Gemeindepark
beigetragen haben.
Sicherlich wäre es für viele noch Lebende eine Freude gewe-
sen, wenn man am 20. August 1983 daran gedacht hätte, an dieser
Gedenkstätte allen diesen toten Kameraden ein ehrendes Gedenken
zu widmen.
*
«Kelmis, uralter Bergbauort,
grüßt mit ”Glück-auf”” dich immerfort!»
Im Jahre 1973 stellte die Vereinigung für Kultur, Heimatkun-
de und Geschichte im Göhltal eine alte Grubenlore zur Verfügung,
an der sich eine kleine Messingplatte mit der obigen Inschrift befin-
det.
Sie wurde vor der Gedenkstätte zu Ehren der verstorbenen
Bergleute im Gemeindepark aufgestellt zur Erinnerung an den ehe-
maligen Bergbau in Kelmis und Umgebung sowie an den sinnvollen
Gruß, mit dem sich einst die Bergleute im Göhltal kameradschaft-
lich begrüßten.
Ferner wird der aufmerksame Besucher, wenn er das Parkge-
lände durch den Haupteingang vor dem Park-Cafe betritt, neben
dem Weg, an der oberen Seite des Gebäudes, einen blauen Stein er-
blicken, worauf die Jahreszahlen ”1830 - 1955” zu lesen sind.
Zur Aufstellung dieses Steines beauftragte der 1960 verstorbe-
ne Bürgermeister und Abgeordnete Peter Kofferschläger i.J. 1959
seinen damaligen Schöffen für öffentliche Arbeiten, der dies durch
die Gemeindearbeiter ausführen ließ, zuvor aber dafür gesorgt hat-
te, daß die vom Bürgermeister gewünschten Jahreszahlen in diesen
33
Stein eingemeißelt wurden, wozu sich der inzwischen verstorbene
Steinmetz Hubert Mennicken aus Hergenrath gerne bereit erklärte.
Beide Jahreszahlen sollen die Bewohner der Ortschaft an zwei
Ereignisse erinnern, die für die Einwohner vorteilhaft waren: 1830
ist das Jahr der belgischen Revolution. Belgien übernahm an Stelle
der Niederlande die Schirmherrschaft über das damalige Neutrale
Gebiet von Moresnet, welches 1816 aus dem Weiler Kelmis entstan-
den war und erst durch den Versailler Vertrag (Art. 32), welcher am
10. Januar 1920 in Kraft trat, mit Belgien vereinigt wurde.
Die zweite Jahreszahl weist darauf hin, daß dieser Park, der bis
zu dieser Zeit Eigentum der Altenberger Bergwerksgesellschaft war,
am 31. August 1955 Eigentum der Gemeinde Kelmis geworden ist.
Seit dieser Zeit steht er allen Bewohnern der Gemeinde zur Er-
holung sowie den Vereinen für Veranstaltungen zur Verfügung.
In der Nähe der vorhin erwähnten Grubenlore steht noch ein
anderer Stein. Er erinnert daran, daß an dieser Stelle am 6. Septem-
ber 1944 ein Mensch auf grausame Weise getötet wurde von Men-
schen, die durch Völkerhaß zu Unmenschen geworden waren. Die-
ser Stein ist auch als Mahnmal zu bezeichnen, das jetzt und in der
Zukunft alle Menschen aufruft, Völkerhaß und Feindschaft zu mei-
den und die Völkerfreundschaft zu fördern.
Dazu haben im Jahre 1958 die Mitglieder des Köhlervereins
Sankt Leonard aus Kelmis beigetragen, indem sie die Initiative dazu
ergriffen, daß sich in der Nähe der Stelle, wo damals das brutale Ge-
schehen stattfand, Mitglieder Berg- und Hüttenmännischer Vereine
aus dem Göhltal sowie aus dem In- und Ausland als Zeichen der
Versöhnung und zum Aufbau einer wahren Völkerfreundschaft
brüderlich die Hand reichten.
Daß dazu auch heute noch viele Bergleute aus europäischen
Bergbaurevieren bereit sind, haben hauptverantwortliche Vor-
standsmitglieder der Europäischen Vereinigung bewiesen, als sie
sich erneut in Kelmis am 5. Mai 1984 zu diesem Zwecke versammel-
ten und sich genau an der Stelle, wo vor einem Vierteljahrhundert
die europäische Zusammenarbeit ins Leben gerufen wurde, dem Fo-
tographen des ”Grenz-Echo” stellten.
Begrüßenswert wäre sicherlich, wenn die Gedenkstätte zur Eh-
ren der toten und zur Freude der noch lebenden Bergleute
regelmäßig unterhalten und gepflegt würde.
Als Abschluß der Beiträge unter dem Titel ”Bergmannslos” sei
noch erwähnt, daß auch heute noch die Mitglieder der Bergmanns-
34
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Gedenkstein für den hier am 6. September 1944 durch SS-Angehörige
erschossenen Baudouin De Biolley
(Foto A. Jansen)
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1955 wurde der Park Gemeindeeigentum.
(Foto A. Jansen)
35
vereine ihren Vereinskameraden gegenüber die Kameradschaft treu
bis zum Tode bewahren, wie auf dem Bild zu erkennen ist.
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Hier geben Kelmiser Köhler einem verstorbenen Vereinskameraden das Geleit, wie
zu der Zeit, als sie noch berufstätig waren, wenn auch in anderer Form, wie aus dem
Text des alten nun folgenden Bergmannsliedes hervorgeht:
Zur letzten Fahrt ruft nun die Glocke, Zur letzten Fahrt ruft nun die Glocke,
dumpf klingt ihr Ton über das Land. Kumpel, vorbei war deine Zeit,
Es gilt ihr Klang dem alten Kumpel, beim letzten Gang geben die Freunde
der dort im Berg sein Schicksal fand: Dir, alter Kumpel, nochmal Geleit:
Lebe Wohl, lebe Wohl, alter Kumpel Lebe Wohl, lebe Wohl, alter Kumpel
Lebe Wohl! Lebe Wohl!
36
Bemerkenswert sind auch die Abschiedsworte, welche in Kel-
mis der Vereinspräsident jedem verstorbenen Vereinsmitgliede wid-
met, bevor der Betreffende seine letzte Fahrt in den Schoß der Erde
antritt.
Sie lauten wie folgt:
"Schon wieder ist der Augenblick gekommen, wo wir Bergleute von
einem treuen Vereinskameraden und pflichtbewußten Arbeitskolle-
gen Abschied nehmen müssen.
Als Mitglider der Sankt Leonardus Vereinigung der Bergleute und
Schaffenden wollen wir diese Ehrenpflicht erfüllen, indem wir Gott
den Allmächtigen an dieser Stelle bitten, unserem lieben Vereinska-
meraden und stets hilfsbereiten Arbeitskollegen ein gnädiger und
milder Richter zu sein und ihn zu belohnen für alles, was er als Berg-
mann zum Wohle der Seinen und der Allgemeinheit getan hat.
Als äußeres Zeichen der Dankbarkeit und der Trauer, wollen wir im
Lichterschein der Grubenlampen unsere Vereinsfahne über den
Sarg unseres verstorbenen Mitgliedes senken und ihm so als totem
Schaffer die letzte Ehre erweisen.
Möge er nach seiner heutigen letzten Einfahrt in den Schoß der Er-
de auffahren zur Halde des ewigen Lichtes!
Möge Gott der Herr seinen heiligen Engeln befehlen, unseren lieben
unvergeßlichen Freund einzuführen in sein himmlisches Reich, das
er uns allen geöffnet hat durch Christus unseren Herrn. Amen!”
Die Artikelfolge ”Bergmannslos”, die anhand von Büchern,
Schriften und anderen Veröffentlichungen verfaßt wurde, in die
aber auch persönlich Erlebtes mit eingeflossen ist. wird den Leser si-
cher davon überzeugt haben, daß die Bergleute keine minderwerti-
gen Menschen sind und daß sie für ihre schwere, gefahrvolle und oft
gesundheitsschädliche Arbeit unsere Anerkennung verdienen.
Wir haben auch auf den verdienstvollen karitativen Einsatz
der Bergmannsvereine hingewiesen und deren Wirken im sportli-
chen und kulturellen Bereich hervorgehoben.
Die Artikelserie ist auf die Arbeit von Erfindern, Ingenieuren
Technikern und Medizinern eingegangen, die den Beruf des Berg-
mannes wesentlich erleichtert und die gesundheitlichen Risiken ver-
minder hat. Zum Thema ”Gesundheit” muß gesagt werden,.daß im
Laufe der Zeit allerlei Krankheiten der Bergleute als typische Be-
rufskrankheiten anerkannt und dementsprechend entschädigt wor-
den sind.
Abschließend bleibt ein Wunsch auszudrücken: daß nämlich
die Nachkommen der Bergarbeiter und Köhler, besonders dort. wo
37
das Aussterben dieses Berufsstandes nicht mehr aufzuhalten ist, die
Pflege der bergmännischen Sitten und Bräuche als Erbe der Vorfah-
ren übernehmen und in Ehren halten mögen. Es braucht ja nie-
mand sich zu schämen, wenn seine Vorfahren in der Erz- oder Koh-
lengrube gearbeitet haben und er in einer Bergbauortschaft das
Licht der Welt erblickt hat!
Die Mitglieder der Bergmannsvereine haben dies in vielen Re-
vieren bewiesen, auch im Göhtal, in den Gemeinden Kelmis und
Bleiberg. Schon vor Jahrzehnten hat der Kelmiser Verein eine An-
stecknadel anfertigen lassen, die von den Mitgliedern getragen wird,
aber auch in anderen Revieren Europas zum Kauf angeboten wur-
de. Seitdem tragen dort viele Hunderte Bergleute diese Ansteckna-
del stolz auf ihrer Bergmannstracht, als Erinnerung an Kelmis, aber
auch als Zeichen dafür, daß sie die Saat der Brüderlichkeit, die in
Kelmis gelegt wurde, immer hochhalten und dafür sorgen wollen,
daß sie in immer mehr Menschenherzen zu keimen beginnt und gu-
te Früchte trägt.
Viele von denen, die das damalige Geschehen in Kelmis miter-
lebt und aktiv daran mitgearbeitet haben, daß es von Erfolg gekrönt
wurde, sind nicht mehr unter den Lebenden. Sie haben stolz die An-
stecknadel getragen und der Völkerfreundschaft gedient.
Um all dieser toten Kameraden zu gedenken, bringen wir zum
Schluß die Abbildung dieser Nadel aus dem einst so berühmten
Bergbauort Kelmis, die auch an die dortigen Kohlengräber erinnert,
denn sie haben zu Lebzeiten mitgeholfen, das Los der Bergleute zu
- verbessern und diesem Berufsstand Achtung und Wertschätzung in
der menschlichen Gesellschaft zu sichern.
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Ein Stück Vergangenheit
von Alfred Bertha
Auf der am 21. Oktober 1843 eröffneten Eisenbahnstrecke
Aachen-Herbesthal gab es Jahrzehnte lang nur einen einzigen Zwi-
schenbahnhof, nämlich Astenet. Eine Haltestelle in Hergenrath wä-
re jedoch nicht nur der dort immer stärker sich entwickelnden Indu-
strie förderlich gewesen; auch die zahlreichen in den Aachener Fa-
briken beschäftigten Hergenrather und Preußisch-Moresneter Ar-
beiter hätten dies sehr begrüßt.
Kırei
nat f Dh
a des Üıreiles Eupen. ==
Mic: 42, Freitag, den 20, October 1843,
Zst NE m ——
Verordnungen und Zekanntmadungen,
Um 21, DB, Mis, wird die Eijenbahn zwilden Antwerpen und Cöln dent Publikum
eröffnet. werden. Ä
Auf der Eifenbahn: Station zu Herbesthal wird dDiefelbe eintreffen: .
In der NRidreuna nad Berviers: In der Richtung nach Nachen:
7 Uhr 45 Minuten ) yoygong, 9 Uhr 45 Minuten Morgens,
11 br 30 Minuten | Org, 2 Uhr 15 Minuten } gdmietags.
Ä Ubr 30 Minuten Nachmittags, GO Mbr 125 Minuten | 98
Zum Unjchluß wird deshalb vom gedachten Tage ab, eine E:mal täaliche Zwännige Verfonen:
voft von bier nady Herbesthal abgehen, worin 18 Perfonen Plag finden, und zwar zu
folgenden Zeiten: 7 Wr f 1', Ubr )
9 Ubr Morgens, und 33, Uber K Nachmittags,
10% Wör \ 5%, Uhr)
Die YPoft, die in 30 Minuren befördert werden wird, Fchrr glei nady Ankunft jedes Zuges
zurüd, Das Verfonengeld für diefe Strecke beträgt 5 Sar. fur die Tours, ebenjoviel für die
HMetourzFahrt,
Eupen, den 20. Detober 1843. Königliches Grenz-Poft-Amt, deWilde,
Dieser im Korrespondenzblatt des Kreises Eupen veröffentlichte Fahrplan nennt die
Haltestelle Astenet noch nicht. Vermutlich gab es bei der Eröffnung der Linie
Aachen-Herbesthal keinen einzigen Zwischenbahnhof.
39
sep Rheinifche Sifenbahn.
va Be UM UN € MdL Nr
HSES SF Vom 1. Juli d, SI. an gerechnet
OS ea wird der Belgifche aus VBerviers biss
SZ per um 6% Uhr abgegangene Frübzug
nad Aachen, fehon um 51% von BervicrS, unt 63%,
von Herbesthal, um 7 Uhr von Aftenct abgehen und
gegen 8 Ubr in Aachen eintreffen.
Bon felbigem Tage an wird der Önterzug, wel
der um 71% Ubr Abends von Hacken nach Vers
vierg abgeht, auıh Perfonen der 2. und 3 Wagen-
FHaffe mitnehmen. Diefer Zug trifft gegen 8%, Uhr
Abends in Herbesthal und 97% Uhr in Verviers ein.
Cöln, den 26, Yuni 1846.
Die Direction.
1846 war Astenet schon Haltestation auf der Rheinischen Eisenbahn.
(Korrespondenz-Blatt v. 3.7.1846)
HEN Bekanntmachung.
EDS Nheinifche Griemokhn.
er il | Bom 10. d. Mies. an wers
E NA den für die Babhiiftrecke zwie
OA f {den Nachen und Aftenet
DE resp. Herbesthal, jedoch
IL nur für die IL und HI War
zZ ZZ genflaffe täg lich Perfonals
Karten, zur Hins und Rückfahrt auf Finen Tag
gültig, zum einfachen Tariffaße ausgegeben werden.
Die Preife find: für die Strecke
zwifden Aachen und Aftenet II, Klaffe I Fr,
lom 1 Aussen
„ Nachen und Heorbesthal IT. Klaffe 12 Fr,
JE ae SC
Köln, den 7, Februar 1848.
Die Direction,
Anzeige im Korrespondenz-Blatt vom 11.2.1848. Ob eine Fahrkartenausgabe auch in
Astenet stattfand, läßt sich nicht feststellen.
40
8 DAAD | 5, Nheinife Bahn. 6. BerlinStettiner Bahn.
I Entfernung | UM Entfernung Entfernung
Stationen, AZ Stationen. a | Stationen, ame
lm] Aa Zw
sein, |Obanıe || zen. Ganzen | zen. |WGenzen
LH
' F} i
Magbeburgae ht A SE | A
Vangenweddingen ...| 2 | 2 | Wüngerstorf.. ....| 1 Se Bee nr 13
Dilumderg....000.0] Va | 27, ] HUMOR INT E17, DEE] 11, | 4,
Satmersteben. .....| 1%, | 4 | Doris Ce Si | Yeustatt CE, W....| 1‘, | 6
(wr, Oidhersleden, | 1 | 5 | Hut.............| 1%; | 4 | Angermünde.......| 3‘, | 91%,
indagen,i..42. «11 ei Die N LYON et] 2%, IL,
Satternatt. 22. ....| 17, | 7% | Vangerwebe.......] 170 WG 4 N Tamomi......2 371140
| Gidwniler, 30550 Ch1m. [em za] 3 | 17,
Stolberg.......04.) | S | |
N U, DT .
Hergenrath :. „02... | 3, [10 | 7
V’Mchet.. „2.100. 1407, |
| Derbestahl 22... | XL! 1} |
3 1 HA
Das Amtsblatt der Regierung zu Aachen veröffentlichte am 26.9.1848 eine
Übersichts- und Entfernungstabelle der verschiedenen Bahnen.
Auf der ”Rheinischen Bahn’” wird neben Astenet auch
Hergenrath als Station genannt.
Von einer Haltestelle in Hergenrath vor 1884 ist jedoch ansonsten nichts bekannt.
A ——————
Bon 1. Marz an werden fur die Eis
jenbahnjtree von Yitenet nach Machen
X T und zurück, an dem betreffenden Straz
CE U? tionen Yocalbilletie Dritter Clame A
m 1 fe für jede Rahrr, ausgezchen,
wober man noch 40 Pfund BGepuck tree: hat.
Eine Fahrtpreisermäßigung von 30 % (von 5 Silbergroschen auf 3,5 Sgr)
für die Strecke Astenet-Aachen trat am 1.3.1851 in Kraft.
Fahrkarten (”Billette”) 3. Klasse wurden dafür in Aachen und Astenet ausgegeben.
(Korr.-Blatt vom 19.3.1851)
Die Bedeutung des Bahnhofs Astenet geht klar aus einigen uns
vorliegenden statistischen Erhebungen aus den Jahren 1859-1861
hervor. Demnach zählte Astenet für die angegebene Zeit 52.397 an-
gekommene und 46.097 abgefahrene Personen!
RA
41
Am 22. Juni 1882 stattete Regierungspräsident Hoffmann aus
Aachen in Beleitung des Landrates Sternickel den beiden Bürger-
meistereien Hergenrath und Preußisch-Moresnet einen Besuch ab.
Dabei besichtigten die beiden Herren auch ”die Stelle der zu Her-
genrath projektierten Eisenbahnstation”. (Chronik d. Gemeinde
Hergenrath).
Am 25. Juli 1883 wurde das Projekt vom Kgl. Ministerium für
öffentliche Arbeiten genehmigt und das Korrespondenzblatt des
Kreises Eupen vom 15. März 1884 schließlich gab die Submission
der ”Arbeiten und Lieferungen” zum Bau des neuen Bahnhofs be-
kannt. Mit den Grundarbeiten hatte man schon am 8. Januar 1884
begonnen.
7 —> Die Arbeiten und Lieferun-
5 gen zur Heritelung eines
Stations-Gebändes auf ver neu zu
errichtenden Haltejtelle Hergenratb, zwijchen
Ronheide und Ajtenet follen zujammen an
einen Unternehmer vergeben werten.
Zeichnungen und Bedingungen liegen im
Bureau des Unterzeichneten, Cajfinoftraße 36,
zur Sinjicht offen. Offerten mit bezüglicher
MAufichrift find biz zum 29. März cr., Vor»
mittags 11 Mor einzureichen; Diejelben wers
ven in Gegenwart ver erfhienenen Subz
mittenten geöffnet.
MNachen, den 13. Mürz 188.
Der Königlide Eijenbahn-Bau- und
Betrieb8-Inipector, Mücker, et
Ausschreibung der ”’Arbeiten und Lieferungen” am neuen Bahnhofsgebäude
Über den Bau des Stationsgebäudes ist uns nichts bekannt.
Noch im gleichen Jahr, am 1. August, konnte der neue Bahnhof sei-
ner Bestimmung übergeben werden.
Das ”Echo der Gegenwart” hatte am 25. Juli auf die bevorste-
hende Eröffnung hingewiesen und den vom 1. August an gültigen
Fahrplan veröffentlicht: Ab ”Rheinischer Bahnhof” in Aachen
nach Hergenrath täglich um 7,10 Uhr; 9 Uhr; 12,21 Uhr; 14,13
Uhr; 16,54 Uhr und der sog. Arbeiterzug um 20,21 Uhr. Es fehlen
uns die Angaben für die andere-Fahrtrichtung.
In seiner Ausgabe vom 3. August 1884 geht das ”Echo” auf die
Eröffnungsfeierlichkeiten ein und schreibt:
42
"Nach Hergenrath”, so verkündete gestern der Portier des
Rheinischen Bahnhofs mit wahrer Stentorstimme dem reisenden
Publikum die Eröffnung dieser Station und mit laubbekrönter Lo-
komotive dampfte der erste Zug dahin. Sämtliche dort eintreffenden
Züge wurden Morgens früh bis Mittags von einem Musikkorps mit
heiteren Weisen begrüßt. Die Industriellen dortiger Gegend hatten
diese Ovation veranstaltet. Wohltuend war der Eindruck, welchen
die mit Flaggen geschmückten Häuser und das zwar etwas primitiv
angelegte Stationsgebäude, mehr aber noch die strahlenden Gesich-
ter der dortigen Anwohner auf die Eintreffenden machten.
Daß den Tag über viel zwischen hier und Hergenrath hin und
her gereist wurde, bedarf wohl nicht der Erwährung, ebensowenig
aber auch, daß manches Glas edien Nasses auf das Gedeihen der .
neuen Station geleert wurde. Möge denn die heute noch so un-
scheinbare Station den gehegten Erwartungen entsprechen und bald
zu einem die dortige Industrie hebenden Versandplatz erblühen.”
Aftenet, 20. Suli. Mit dem 1. Au- |
guft wird zwifchen hier und Ronheide ver
Bahnbof HergenruthH dem Verkehr fowohl
für Verfonen als Güter übergeben werben.
Nur 4 kurze Zeilen widmete das Korr.-Blatt (23.7.1884)
der neuen Bahnstation Hergenrath,
Eine kurze Notiz in der Hergenrather Gemeindechronik des
Jahres 1888 sagt, der Verkehr auf der 1884 eröffneten Eisenbahn-
haltestelle Hergenrath nehme ständig zu.
Schon 1886 wurde die Vergrößerung des Empfangsgebäudes
geplant, doch obschon es zur Ausschreibung der Arbeiten kam,
wurde der Erweiterungsbau erst 1894 ausgeführt.
Wir besitzen zwar keine Unterlagen über diese Arbeiten, doch
dürfen wir annehmen, daß man den bestehenden Bau damals um ei-
ne Achse nach Süden vergrößert hat. Alte Fotos zeigen eine unter-
schiedliche Dacheindeckung dieser Partie, die sich auch durch eine
Mauernaht sichtlich von dem älteren Bauteil abhebt.
43
Von der direkten Anbindung an Aachen profitierten an erster
Stelle die Hergenrather und Preußisch-Moresneter Industrien. Zu
den schon bestehenden Unternehmen (Hergenrather Mühle, Kelmi-
ser Mühle, Schleiftmühle, Tonwarenfabrik Carl Dick usw.) kam
1887 die Ziegelei und Tonwarenfabrik des Hergenrather Ingenieurs
Joseph Schmetz hinzu. Im folgenden Jahre siedelte sich in unmittel-
barer Nähe der Eisenbahn eine Eisengießerei an. 1902 schließlich
verlegte das Hauseter Sägewerk Peter Jos. Laschet seine Tätigkeit
nach Hergenrath. Auch dieser Betrieb arbeitete zuerst auf dem Ge-
lände hinter dem Bahnhof, ehe er im ”Pratt” ein größeres Werk er-
richtete.
1
„ I ME
8
Die älteste uns bekannte Ansicht des Hergenrather Bahnhofs.
Im Hintergrund links das Hotel-Restaurant Habes
(Foto Leo Mostert)
Um die Jahrhundertwende entwickelte sich Hergenrath zu ei-
nem der beliebtesten Ausflüge der Aachener, die vor allem an den
Wochenenden scharenweise aus den sog. Kaffeezügen in Hergen-
rath ausstiegen. Von Aachen bis Hergenrath kostete eine Fahrt nur
10 Pf.
Erhebliche Erleichterung brachte die neue’ Bahnstation den
vielen in Aachen beschäftigten Arbeitern aus Hergenrath,
Preußisch-und Neutral-Moresnet, brauchten sie doch jetzt den lan-
gen Weg zur Arbeit nicht mehr zu Fuß zurückzulegen. Bei der
Rückkehr von der Arbeit mit dem Spätzug bestand allerdings die
Versuchung, schnell ”auf ein Schnäpschen” ins Wirtshaus zu gehen,
hatten sich doch in unmittelbarer Nähe der Station mehrere Wirts-
häuser angesiedelt. Die Gemeindechronik berichtet auch von Aus-
46
Aftenef, 22, März. Anı heutigen Tage fand in den Warz
tefaalräumen der hiefigen Sijenbahnftation zur Erinnerung
an den 100jahrigen Geburtstag weiland Kaijer Wilhelm I.
eine Gedenkfeier ftatt. Sowohl das YMeukere wie aud) da3
Innere des Bahnhofagebäude8 Hatte hei diejer Gelegenheit
dur) die Thätigkeit gefhickter Hände gejdhmadvolen Feitz
Ihmuc erhalten. Arrangirt und eingeleitet dur den Herrn
Stations-Berwalter B au l, wurde die Verjammlung durch
Herrn Bürgermeifter ESrn ft aus Walhom präjfidirt. Nachdem
die ebenfal3® erjdjienene Walhorner Mufikfkapelle zur Cröff:
nung der Feier ein Mufikitüc vorgetragen Hatte, legte Herr
DBürgermeiiter Er n jt in einer auf die Feier Bezug haben-
den Rede dar, Wweld)” große Herrichertugenden der hHodı-
jelige Raijer Wilhelm 1, efefjen Habe, und bewies an ]
der Hand eines Beiipiel8 insSbefondere den einfachen und
{parfanıen Sinn diefe& großen Lodten. Medner forderte
die Unmwejenden auf, zum Ausdruck ihHrer Gefühle die Natio-
nal-HGymne zu fingen, was aud) nit großer Begeilterung
gejdhah. Im fyätern Verlauf der Teftlichkeit brachte Herr
Hermens jr. nad) wohldurhdachter Nede ein Lebehod
auf Ge. Majeität Kaijer Wilhelm I., jowie aud) fpäter
ein foldjeS auf die zahlreidy anıvefenden Veteranen aus.
Animirt durdy die frifd = fröhlichen Weijen, Wwelde die
Walhorner Mufik- Kapelle mit Vräzifion zum Vortrag
brachte, ftiegen bei frohem GSläferflang die Wogen der
Begeifterung inımer höher, Den Veranitalter des Feltes,
Herrn Stations-Verwalter Ba u I, wurde wegen des gelun:
genen Arrangement3 der Dank der Berfammelten in einem
Zoaft ausgejprochen, wa3 diejen Herrn zu der Bitte veranz
laßte, dieje Anerkennung aud) auf das ihır zur Seite ftehHende
Rerfonal der Station Wltenet zu übertragen. Sodann gedachte
Herr Paul der WalhHorner Mufikfapelle, weldhe durdy die
Annahme der Sinladung zu dem Gelingen des Felte3 beiz
getragen hatte, und Ließ feine Nede in cinem Hod) auf dieje
Kapelle ausklingen. Nicht unerwähnt feicın nody die von den
Herren B. und N. auf der Geige und von Herrn VB. auf
der Zither vorgetragenen Mufikduetke, weldje nicht wenig ZUr
Verichönermug des FefteS heitrugen. Bei {old angenehmer
Unterhaltung verflofjen die Stunden der würdigen Feier
nur allzu fAnell. Diefelbe fegte Zeugniz ab von der patrio:
tiichen und pietätvollen Sefinnung ihrer zahlreichen Zheil«
nehmer und bewies gleichzeitig, wie bei Sinigkeit und gutem
Wilken au in HMeinern Verhältnifjen Schönes erreicht Wwer-
den kann.
Das Korrespondenz-Blatt vom 27.3.1897 berichtete über eine
patriotische Feier in den Wartesaalräumen des Asteneter Bahnhofs,
wo man des 100. Geburtstags Kaiser Wilhelms I. gedachte.
®°
vum 1. Mini 1904
Löwen- Lüttich — Verviers : 5,38 6,35 7,3 7,27 9,5$ 10,27
11,39 13,52 14,13 17,30 17,43 18,27 18356 1923 20,13
21,56 23 57-
Herbesthal Aachen: 3.55 6.28 5.57 6.43 825 8.50 10.22
12.45; 2.36 255 4.49 6.1 (7.31 S. u. Festtage) 7.43 (9.02
nur an Sonr- unu Festtage) 9.29 9.50 10.25.
Astenet -- Aachen ;: 6.06 6.59 8.59 12.53; 3.04 4,57 (7.42
Sonn- v, Festtage) 7.56 (9.11 Sonn: u. Fıstt.)
Hergenrath Asrchen : 6.12 7.11 9.06 12.59 3.12 5.03 (7.49
nur Sonn- und Festtage) 8.02 (9.18 Sonn- u. Festtage)
Aachen— Herbesthal : 5.31 7.36 9.1 9.22 9.32 10 31 ; 12.43
2.42 3.30 5.14 5.36 7.23 7.37 (8.08 Sonn- u. Festtage) 9.02
1033 12.11 12.32 E
HergenratÄ—Astenet ; 7.54 9.51 1.02 3.00 5.33 5.55 7.55 (8.28
Sonn- u. Festtage) 9 22 10.52.
Astenet—Herbesthal : 8.00 9 57 1.08 3.06 5.40 6.0r 80x (8.35
Sonn- v. Vesttage). 9 29 10.59.
Herbesthal Eupen: 5.58 (6.31 Montags) 8.00 8.46 9.56
1047 1240; 2.30 4-44 555 7-38 9.24 (857 Sonn- und
Festtage).
Eupen—Raeren: 9.44 ; 4-32 5:43 9:12
Raeren— Eupen: 7.11; 2.02 4.25 8.10
Eupen— Herbesthal: 648 (6.11 Montags) 8.24 10.20 10.22
„ 11.10} 1,32 3.47 5 .£ 6.25 8.10 8,25 9 55 (tt.24 Sonn- ‚und
Festtage).
Dieser in ”Das Freie Wort” veröffentlichte Fahrplan gibt 7 Zugverbindungen täglich
zwischen Astenet bzw. Hergenrath und Aachen, während der Zug Aachen-
Herbesthal neunmal täglich in den beiden Zwischenbahnhöfen anhielt.
49
"nen . > Br FR PER
| Aunsmeis |
zur Erlangung der Fahrpreisermäßigung für Angehörige zum Befuch
| franfer oder verwundeter deutfeher Krieger.
| 5
für (ame) WS
zur einmaligen Fahrt in IL, II. oder IV. Wagenklafje
| Mindeft: [90m (Station) Milerıcd TED AAN
| entfernung = 5
| 50km | nad) (Station) Bllerez: fertabechelen. und zurüc
| über BÜNDE NE
|
' DAN. Dbengenannte it Angehörige... (vgl. die Beftinmung 2 auf der
| Müctfeite) des Zonen Gafllimennuns Bean (Zar a
der fh nach vorgelegten Schriftftücken in ärztliher Pflege in Pöflingd |
| Anger fe fenbeelife seinen. |
Yıalbım.. den..cZ. des nf
Sıempel der Fahrkarten» (Drtspolizeipehörde)
A IBRo«ben. A Zg EEE
| A ON (Unterfrit) AZ. Lewis tr.
SAT 7
SA x We
= Wish CC > S aß ZZ
On RA
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Bon 27 BRIAN
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a ran
Der Ausweis ift bei Beendigung der Fahrt mit der Fahrkarte an den Zug:
| oder Bahniteigichaffner abzugeben.
Eine Erinnerung an die ”’Station Astenet”.
Man beachte v.a. den Stempel der Fahrkartenausgabe:
”Kgl. Preuß. Eisenb.-Verw. Station Astenet”.
Die Bahnhöfe Hergenrath und Astenet hatten in den Jahren
nach dem Ersten Weltkrieg eine ”Westorientierung”, d.h. eine Um-
stellung auf die neue politische Situation, mitzumachen. Die vielen
Grenzarbeiter aus Hergenrath und Walhorn-Astenet wurden aufge-
fordert, sich so schnell wie möglich eine Arbeit diesseits der neuen
Grenze zu suchen. Der Personenverkehr in Richtung Aachen nahm
rapide ab. N
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Hergenrath. Bahnhof von SO gesehen
(Foto: Vlg. Vilvoye-Solheid, um 1930?)
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Astenet in den fünfziger Jahren. Das Bild zeigt den Bahnhofsverladeplatz.
Vorne links das Haus Vict. Heuschen (-früher Köttgen-);
von Jan. 1945 bis Ende 1976 führte Fam. Heuschen-Drouven
hier einen Gemischtwarenladen.
51
Eine totale Stillegung der beiden Bahnhöfe gab es sowohl 1940
wie 1944 nach der Sprengung der Hammerbrücke. Erst am 7. Ja-
nuar 1946 konnte die Strecke Herbestahl-Hergenrath wieder für
den Personen- und Güterverkehr eröffnet werden. Es ist uns nicht
bekannt, wann die Zugverbindung auch nach Aachen wieder aufge-
nommen wurde. Die Hammerbrücke war vorerst nur ein-
gleisig befahrbar und stand, wie schon vor 1940, wieder unter Mili-
tärbewachung.
EEE PEN
MO | “| Claus Doum *
Küpper=Laschet | | SEN ES = ; M
Rue d’Aix 21 En En oucherie ‘
Hersencaiß A la population d’Hergenrath Men d
1. 6- 10600 et des environs. } R. 6. 11870
Denrees - Coloniales Sn | {| Rue de la gare 35 4
ee | ie a N Hergenrath
Direction de 1a S. N. C.F.B. a döcide ‚EEE EPEENRNE 75
[——————[—_» |, +61 {€ trafic des trains de voyageurs | a
FABRIQUE || zus HerbenislerHesentah äpanr * | Vve, U. Solheid-Kocka ;
IUBES |SOLANTS | sem. | 9, Vi VOYE-SOIhEId |
777 50006 Aroma | | Herbesthal ab 82 145° 17.25, Rue deMaugel3Sttrgenrain
HERGENRATH |{ Astenet „89 1412 17.22 5
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Tubes isolanis sous tarplomb&, BE an 819 1422 17.42 | 7uer“ Chaos Ohamelles |
Mn Kisotee ar" | { Hergenrath ab 834 1633 18.00, | Cavews; Sense mem |
a | Ästenet £ 8:44 10.43 18.10‘ mir emmmmserumgn“
Pierre Jos. Laschet! | Herbesthal an_851 16.50 1847 | | Madame Veuve 1
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Chaufourneries de Hergenrath . $
Societe Anonyme {
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# Chaux en roches }
{ S Chaux hydrate en poudre ki
X Chaux bruler 8
ERS A OT EEE
TTACO Hergenrath
Mit einem Werbeblatt der Hergenrather Geschäftsleute machte die Nationale Eisen-
bahngesellschaft auf die Wiederaufnahme des Personen- und Güterverkehrs auf der
Strecke Hergenrath-Herbesthal am 7. Januar 1946 aufmerksam. Dreimal täglich ver-
kehrten die Züge in beiden Richtungen.
53
Am 21.2.1982 konnte die Zeitung den vom 31. Mai 1981 an
gültigen Fahrplan der zusätzlichen Zugverbindung veröffentlichen,
war jedoch erstaunt darüber, daß die ursprünglich vorgesehenen
Haltestellen in Astenet und Hergenrath wieder gestrichen worden
waren. i
Es war zu erwarten, daß eine Verbindung Welkenraedt-
Aachen ohne Zwischenhalt kaum ‚auf Resonanz beim Publikum
stoßen würde. So kam, was kommen mußte: die Eisenbahnverwal-
tung stellte schon am 23.5.1982 diese Zugverbindung wieder ein.
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) ICAO
x MA aD PL N
Der Schienenbus Welkenraedt-Aachen
(Foto: A. Bertha, Okt. 1986)
Nachdem Welkenraedt Anfang Juni 1984 als Haltebahnhof in-
ternationaler Züge ausgefallen war, ergab sich eine neue Lage. Um
den Grenzbahnhof nun doch auf dem Schienenweg mit Aachen zu
verbinden, wurde der 1982 eingestellte Triebwagenverkehr wieder
aufgenommen, allerdings nach wie vor ohne Zwischenhalt in Aste-
net und Hergenrath. Daß man in diesen beiden Orten ein großes In-
teresse an einer Wiedereröffnung der dortigen Haltestellen habe,
legte ein interessierter Hergenrather Bürger in einer Eingabe an den
Verkehrsminister Herman De Croo vom 25.1.1981 mit den dafür
sprechenden Argumenten folgendermaßen dar:
54
1) Der Grenzraum in Hergenrath und Astenet wird immer dichter
besiedelt. (1)
2) Der Trend zum Energiesparen ist unübersehbar. Daß die Eisen-
bahn als Alternative angesehen wird, beweisen die vollen Park-
plätze vor den kleineren Bahnhöfen.
3) Die sprichwörtliche Unabhängikeit vom Wetter macht den Schie-
nenweg zusätzlich attraktiv. Das hügelige Gelände im deutsch-
belgischen Grenzgebiet verursacht besonders im Winter Schwie-
rigkeiten im Straßenverkehr.
4) Verbesserungen im Schienennahverkehr beleben auch sicherlich
den Tourismus.
Auch Bürgermeister Willy Schyns unterstützte das Bestre- -
ben, die Strecke Welkenraedt-Aachen durch zusätzliche Halte-
stellen in Astenet und Hergenrath attraktiver zu machen und
wies. in einem Schreiben an den Verkehrsminister (27.1.82) da-
rauf hin, daß die Triebwagenverbindung ohne Zusteigemöglich-
keiten in den Zwischenbahnhöfen keinen Nutzen bringen könne.
In politischen Kreisen Ostbelgiens fand das genannte Vorha-
ben überall zumindest verbale Unterstützung. Doch dabei blieb
es bisher. So wird der alte Diesel-Schienenbus wohl weiterhin
sechsmal täglich so gut wie leer hin- und herpendeln; ein überzeu-
genderes Beispiel unrationellen Materialeinsatzes bei der Eisen-
bahngesellschaft ist kaum vorstellbar. (2)
(1) Laut AVZ/AN vom 19.1.1985 wohnen 6000 Bundesbürger im belgischen
Grenzraum.
(2) Nach neuesten Plänen wird die Eisenbahngesellschaft am 1.6.1988 eine
größere Anzahl von Strecken und Bahnhöfen stillegen. Auch die Schienenbus-
Mn Welkenraedt-Aachen soll dann aus dem Fahrplan gestrichen wer-
35
° ° .
Die Votivtafeln in der Gnadenkapelle
Ki OO
am ”Eichschen’”” in Moresnet
von Alfred Jansen
Wenn der Besucher die Gnadenkapelle am ”Eichschen” in Mo-
resnet betritt, so zieht der Marienaltar mit der Statue der Muttergot-
tes, angestrahlt von einer Vielzahl Opferkerzen, ganz besonders die
Aufmerksamkeit auf sich. Richtet er nun seinen Blick weiter auf das
Innere der Kirche, so fällt ihm auf, daß die Wände rings-
um mit Votivtafeln bekleidet sind. In übermannsgroßen Paneelen
sind diese Marmorplatten maßgerecht aufgereiht; im Kirchenfond
reichen sie teilweise sogar bis unter die Orgelbühne: ein untrügliches
Zeichen dafür, daß wir uns in einer Wallfahrtskirche befinden.
Salut de Moresnet belge Franziskanerkloster und Kapelle
U rer A TEN
| ET, Sn
| aa 7 LE 1 a
1 8 1 M A N
| ; < Alba SE &
Der Gnadenort Moresnet vor rund 80 Jahren
Wallfahrten hat es schon in vorchristlicher Zeit in vielen Län-
dern der Erde gegeben. Mesopotamische, islamische, griechische
und römische Völker bekannten sich zu diesem Brauchtum; demzu-
56
folge ist das Pilgern zu heiligen Stätten keinesweges als eine Eigen-
heit der katholischen Länder anzusehen. In Letzteren waren die
Wallfahrten im Laufe der Jahrhunderte gewissen Wandlungen un-
terworfen. An Stelle der mittelalterlichen Bußwallfahrt trat die Bitt-
wallfahrt, die auch den großen Aufschwung des Votivkults mit sich
brachte.
Das Entstehen zahlreicher Wallfahrtsorte mit manchmal sehr
begrenzter Ausstrahlung führte dazu, daß die Bevölkerung sich neu-
en Formen der Frömmigkeit zuwandte, die sich sowohl im Brauch-
tum als auch in der religiösen Kunst äußerte.
Im engeren Sinn ist die Wallfahrt meistens ein versprochener
Gang — allein oder in Prozession — zu einem sog. Gnaden- oder
Wunderort.
Die Wallfahrtstätte hat im Zentrum ihres Kults ein Gnaden-
bild, dem eine wunderbare Wirkungskraft zugesprochen wird und
deretwillen man die Wallfahrt macht. Auf das engste damit verbun-
den ist das Votivbrauchtum, das:in unterschiedlichsten Formen
Ausdruck erhält.
Bis auf den heutigen Tag bildet die Wallfahrt ein besonderes
Phänomen des religiösen. Lebens, das sich leider in unserer neuen
Zeit vielerorts in Form 'von Kommerzialisiertem Wallfahrtstouris-
mus ausdrückt.
Doch zurück zu unseren Votivbildern in der Kapelle von Mo-
resnet.
Wie kommt es zu dieser Geste, daß fromme Menschen, aus
welchem Anlaß auch immer, durch eine beschriebene Marmorplatte
ein gegebenes Versprechen oder ihren Dank so zum Ausdruck brin-
gen?
Zu lesen steht, daß schon die Römer diesen Brauch kannten
und infolge eines Gelübdes (ex voto) irgendeiner Gottheit, die sie
verehrten, eine geweihte Tafel spendeten. Schiffer, die die Meere be-
fuhren, waren zu der damaligen Zeit besonders von dem Brauch an-
getan. Wenn sie bei Sturm auf See in Gefahr gerieten, machten sie
dem Meeresgott Neptun ein Gelöbnis, das dann nach erfolgter Ret-
tung auf einer Tafel geschrieben im Tempel des Gottes aufgehängt
wurde.
Der fromme Mensch macht ein Gelübde, er gelobt etwas. Da-
runter versteht man im allgemeinen jedes mit einer gewissen Feier-
lichkeit, im besondern aber ein der Gottheit gegebenes Versprechen,
die Zusage einer Leistung, z.B. einer Votivtafel, für den Fall der Ge-
währung einer Bitte.
57
Doch hat sich mit der Zeit der Brauch eingebürgert, daß nicht
allein das Gelübde für die Opfergabe in Betracht kommt, sondern
gespendet wird auch aus Dank, was ja wörtlich auf vielen Tafeln
zum Ausdruck gebracht wird. Denn nur so ist es zu verstehen, daß
eine ganze Dorfgemeinschaft eine große Tafel gestiftet hat zum
Dank für Beschützung während des Krieges vor Unheil, wobei es
unvorstellbar ist, daß seitens der ganzen Bevölkerung ein diesbe-
zügliches Gelöbnis hätte im voraus gemacht werden können.
Wenn wir aber diese Votivtafeln ein wenig näher in Augen-
schein nehmen, wenn wir die meist lapidaren Sätze lesen, die diese
Tafeln aufweisen, so ist eines gewiß: jede einzelne hat ihre Geschich-
te, jede einzelne hat ihren Grund da zu hängen, jede kann von Sor-
ge, Leid und Hoffnung berichten, und mancher Leidensweg verbirgt
sich hinter diesen Tafeln.
Was für ein Schicksal steht wohl hinter dem Satz ”Maria hat
geholfen, Maria wird weiterhelfen”? Was für ein grenzenloses Ver-
trauen haben doch Menschen, die in ihrer Not so zu ihrem Glauben
stehen!
Allerdings finden wir auch Tafeln, die nicht unmittelbar auf
äußerste Notlagen hinweisen.
Da sind z.B. einige Tafeln vorhanden mit der Inschrift ”MA-
GNIFICAT”, also dem Lobgesang Mariens. Auf anderen steht das
schlichte Wort ”DANK” oder ”DANK u. HILFE”. Der Votant be-
dankt sich — und bittet um neue Hilfe.
Aus Bleiberg kommt eine Tafel mit der Inschrift: ”Für bestan-
denes Examen, BLENBERG 1916”. N
Zu Beginn des Ersten Weltkrieges sorgten sich die Bräute um
den Verlobten. Es steht zu lesen: ”Liebe Muttergottes beschütze
meinen Bräutigam im Felde.” Hier steht die Bitte an erster Stelle.
Eine andere Tafel trägt die Inschrift: ”Errettung aus sicherer
Todesgefahr”. Es ist schon manchem passiert, daß er in letzter Mi-
nute nach dem Strohhalm, dem Gelübde, griff. In diesem Falle ist es
gehalten worden. Wir lesen weiter: ”Zum Danke für Genesung ei-
nes Kindes”. Die Schwestern von armen Kinde Jesu (Buschhausen)
stifteten diese Tafel.
Dann irgendwo die Inschrift: ”Aus Dankbarkeit für auffallende
Hilfe”. Das vorletzte Wort gibt Rätsel auf!
Mitten im Quadrat mit den Tafeln aus dem Jahre 1913 zieht ei-
ne eigenartige Inschrift unsere Aufmerksamkeit auf sich: ”Aus
Dank für glückliche Standeswahl”. Was für eine Geschichte mag
sich wohl hinter diesem Satz verbergen?
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Mußte hier die Gottesmutter dem noch zu Anfang des Jahr-
hunderts sehr ausgeprägten Standesdünkel zu Hilfe kommen?
Standen hier materielle Interessen auf dem Spiel? Und wenn,
vereinbart sich weltliche Anschauung mit religiösem Gefühl?
Beim Studium der Tafeln fällt auch die zu Beginn unseres Jahr-
hunderts übliche Orthographie auf: ”Maria hülfe”, ”Cöln”, ”Henry-
Chapelle”, ”Bleijberg”: eine Fundgrube für den interessierten Beob-
achter.
5 . [93
VA I 3
7 | A
Beeindruckend ist die Zahl der Votivtafeln in Moresnet,
Beachtung verdient ebenfalls die Scala der Städte und Orte,
woher die gestifteten Votivtafeln zum Teil kommen.
Verständlicherweise kommen die meisten aus der engeren Um-
gebung, aber Städte wie Lüttich, Aachen, Köln, Düsseldorf, Trier,
Coblenz, Fulda, Berlin, Darmstadt, Dortmund, Luxembourg und
Salzburg-Wien bekunden doch, daß der Wallfahrtsort weit über die
Grenzen des Landes hinaus bekannt ist. Mehr noch, bis in die Verei-
nigten Staaten von Nordamerika ist der Ruf unseres Gnadenortes
gedrungen, wie zwei Tafeln in der Kapelle beweisen.
Im ersten Quadrat neben dem Marienaltar befindet sich eine
Platte aus Californien, Jahreszahl 1901, und in dem Quadrat links
60
te. Das hatte vielleicht auch zur Folge, daß die gestifteten Tafeln aus
dem benachbarten holländischen Grenzland meistens in deutscher
Sprache gehalten sind.
Der fromme Brauch, Votivtafeln zu spenden, lebt auch noch in
unserer Zeit, nur geschieht dies nicht mehr in dem Maße, wie in den
vergangenen Jahrzehnten. Um fünf bis sieben Stück vergrößert sich
die Sammlung Jahr um Jahr.
Nur findet man in letzter Zeit Platten in den unterschiedlich-
sten Dimensionen, was der Harmonie des Ganzen nicht gerade zu-
träglich ist.
Eine Entwicklung, die von der Kirche nicht gerne gesehen
wurde, die sie aber nicht verhindern konnte, war die im Mittelalter
einsetzende Bildverehrung, wobei die Reliquie durch ein Bild des ,
Heiligen ersetzt wird. Die ungeheure Bildfreudigkeit des späten Mit-
telalters führte dazu, daß sich im Bereich der abendländisch-
christlichen Kirche das Votivbild als eigenständiger Typus der
brauchmäßig gebundenen religiösen Volkskunst ausbildete.
Votivbilder, die oft in bunten Farben den Votanten und den
angerufenen Heiligen darstellen oder auch — dreiteilig — noch den
Anlaß des Gelöbnisses ausführlich schildern, finden sich vor allem
im süddeutschen Raum, wo sie den Schmuck so mancher Wall-
fahrtskirche bilden. Die künstlerische Qualität der Bilder hängt häu-
fig von der sozialen Stellung und der Vermögenslage des Auftragge-
bers ab. War dieser begütert und konnte er einen entsprechend qua-
lifizierten Maler mit der Anfertigung des Votivbildes beauftragen,
so besitzt dieses durchaus hohe Qualitäten. War der Auftraggeber
”der Mann mit dem kleinen Geldbeutel”, so wandte er sich an einen
sog. Taferlmaler. Letzterer versuchte dann, ohne Kenntnis der Ge-
setze der Perspektive und ohne das Spiel mit Licht und Schatten zu
beherrschen, seinen Auftrag auszuführen. Die Mannigfaltigkeit der
Bildmotive, die sich so im Laufe der Jahrhunderte in den Wall-
fahrtskirchen angesammelt haben, ist nicht zu beschreiben. Diese
Bilder bieten einen tiefen Einblick in die Volksfrömmigkeit und stel-
len ein unschätzbares Kulturgut dar.
Im Laufe der Zeiten haben die unwahrscheinlichsten Gegen-
stände als Votivgaben gedient. Manchmal gibt es Dankesbekundun-
gen, über deren Form man streiten kann. So sah ich unlängst in ei-
ner Reportage aus Kolumbien ein auf einer unwegsamen Strecke in
einer Felsennische aufgestelltes Madonnenbild, wo vorbeikommen-
de Lkw-Fahrer Autolampen als Dank für Überwindung gefährli-
cher Situationen zurücklassen. Eine stattliche Reihe von Lampen
rahmte schon das Bild ein...
61
Wenn in der Moresneter Kapelle auch nur schlichte, doch des-
halb nicht weniger eindrucksvolle Votivtafeln von der Dankbarkeit
und dem Gottvertrauen christlicher Wallfahrer zeugen, so heißt das
keineswegs, daß nicht auch andere Votivgaben bestanden haben. In
einem Zeitungsbericht aus dem Jahre 1900, dem Jubeljahr der Mo-
resneter Wallfahrten, lesen wir nämlich folgende Zeilen:
"Dafür, daß Maria ”die Hülfe der Christen” auch in den letzten
Jahren recht viele außergewöhnliche Gnaden von ihrem göttlichen
Sohne erlangt und hier am ”Eichschen”, wo sie ihren Gnadenthron
aufgeschlagen, an die zu ihr flehenden Kinder ausgeteilt hat, dafür
spricht zur Genüge das vermehrte Vertrauen, welches ihr entgegen-
gebracht wurde. Dieses Vertrauen zeigte sich zunächst in einer
großen Anzahl von Votiv-Geschenken, welche für Erhörung in ver-
schiedenen Nöten und Anliegen der Gottesmuter gewidmet wur-
den. Sie schmücken an höheren Festen den Gnadenaltar und er-
muntern die Pilger zu immer größerem Vertrauen...”
Wo diese Votivgaben geblieben sind, ist uns nicht bekannt. Als
kulturhistorisches Zeugnis wären sie heute von unbestreitbarem
Wert, so wie andernorts die Votivbilder.
Quellennachweis:
Juliana Roh, Votivbilder,
Klaus Beitl, Votivbilder,
Manfred Brauneck, Religiöse Volkskunst,
Edgar Harvolk, Votivtafeln,
Meyers Konversations Lexikon
Fotos vom Verfasser
62
Unter Denkmalschutz
von Alfred Bertha
Durch Dekret der Exekutive der Deutschsprachigen Gemein-
schaft vom 16. Jan. 1986 wurde die St. Nikolaus-Pfarrkirche in Rae-
ren unter Denkmalschutz gestellt. Zuvor hatten das Raerener
Bürgermeister- und Schöffenkollegium sowie die Lütticher Provin-
zialregierung ein günstiges Gutachten in diesem Sinne abgegeben.
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Die Raerener Kirche von Nordwesten gesehen
Foto Rheinisches Museum, Köln, Bildarchiv,
Kunstdenkmäler-Aufnahme der Rheinprovinz, EM 303
Eine Kirche zu Raeren wird erstmalig 1415 in den Walhorner
Gudungsbüchern genannt. Der Ort gehörte ursprünglich zur Mutter-
pfarre Walhorn, hatte jedoch schon im frühen 17. Jh. eine gewisse
pfarrliche Selbständigkeit erlangt, die im Tauf- und Beerdigungs-
recht ihren Ausdruck fand. Die Loslösung von Walhorn, die um
1670 als abgeschlossen betrachtet werden kann, wurde durch die
Entfernung zur Mutterkirche begünstigt. Auch mag der Umstand
63
mitgespielt haben, daß die Raerener selbst die Kollation ausübten,
d.h., daß sie (ähnlich wie in Hergenrath) selbst darüber bestimmten,
wem sie das Seelsorgeamt in ihrem Orte anvertrauten.
Die genannte Kirche, wohl nur eine Kapelle, stand an der Stel-
le, wo sich früher die Burg Titfeld befunden hatte. Als nach einem
Brand i.J. 1600 Wiederherstellungsarbeiten notwendig geworden
waren, gab Johann von Lomont die Reste der Burg Titfeld und den
Raum vor dem Lehnshofe zu einem Kapellenneubau her, der 1616
begonnen und 1628 abgeschlossen wurde.
1719 wurde diese inzwischen zu klein und baufällig gewordene
Kapelle abgerissen; der berühmte Aachener Architekt Laurenz Mef-
ferdatis fertigte noch in demselben Jahre die Pläne zu einem Neu-
bau an, der 1723 teilweise im Rohbau fertiggestellt wurde. Das
Chronogramm über dem Hauptportal weist auf das Jahr der Erbau-
ung hin. 1728 wurde das neue Gotteshaus benediziert, 1770 konse-
kriert.
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Innenansicht der Raerener Kirche
Foto Herbert Crott, Raeren
Eine bedeutende bauliche Umgestaltung erfuhr die St. Niko-
laus-Kirche i.J. 1847, als der an der Neudorfer Seite stehende Turm
abgebrochen, zwei Westjoche an das Langhaus angefügt und ein
neuer Turm errichtet wurde.
66
Via Mansuerisca y
von Maria Therese Weinert
Die Straßen der Römer
durch’s Venn
sind noch da.
Unbewegt
liegen Eichenbalken
im Sumpf,
seit die Soldaten
auf ihren Märschen
ans Moor geraten. .
Als sich der große Tribun verirrte,
der kalte Nebel den Sinn verwirrte.
Manch einer wurde umgebracht,
der zuviel der Heimat gedacht,
als er aufgemuckt,
hat das Moor ihn verschluckt.
Römer und Ruhm
wurden aufgerieben,
Eichenbalken im Venn
sind geblieben.
Auf ihnen zogen,
jahrhundertelang,
Reiche und Arme
mühselige Wege,
daß Gott sich erbarme!
Die Pilger kamen,
mit Muschel und Stab,
hungernd und dürstend,
nach Pilger Art,
von Eifel und Mosel
zur Heiligtumsfahrt.
Vor ihren Augen,
in Ängsten, in Stürmen
leuchtet das Ziel:
AACHEN, die Stadt
mit den Mauern und Türmen.
Andere Pilger
mit brennenden Herzen
67
trugen die Krankheit,
die Plagen und Schmerzen
von Maastricht nach Trier,
und flehten,
als sie das Venn überquerten,
zum Heiligen,
den sie so sehr verehrten:
«Heiliger Matthias, steh uns bei!
Hilf uns aus der Wüstenei!»
Wär nicht St. Reinart’s Pilgerhaus,
einsam im Venn
am Wege gelegen,
von all den Frommen
wären nicht viele
zum Ziele gekommen.
Doch auch die Diebe, die Bösewichter,
die Händler und das Galgengelichter,
die Vagabunden, die Pfaffen, Scholaren,
alles wandernde Volk,
das daher gefahren,
auf Schusters Rappen,
mit Karren, zu Pferd,
ist «im Reinart»
damals eingekehrt.
Bis Räuber
die Pilger und Mönche vertrieben...
nur die römischen Eichenbalken,
die blieben.
(1) Aus dem Gedichtband ”Im Grenzland zuhause”,
Grenz-Echo Verlag, Eupen, 1982.
68
ö
Aus Walhorns Vergangenheit
von Alfred Bertha
Wiederherstellung der ”öffentlichen Ordnung ”in der Bank
Walhorn i.J. 1730 (1)
Man ist sich allgemein darüber einig, daß jedes Gemeinwesen,
will es sich harmonisch entfalten, ein Mindestmaß an Recht und
Ordnung benötigt und daß der Einzelne auf gewisse Freiheiten zum
Nutzen der Allgemeinheit verzichten muß.
Was bedeutet jedoch ”öffentliche Ordnung”? Unsere
Großeltern sahen sie auf das schwerste gestört durch Sonntagsar-
beit, während wir uns nicht mehr vorschreiben lassen wollen, wie
wir den Sonntag verbringen. Der Ordnungsbegriff ist elastisch und
wandelbar. Er ist dem Wandel der Zeit und des Empfindens der
Menschen unterworfen, so wie die Begriffe von ”Recht” oder ”gu-
ten Sitten”. Was frühere Generationen als grobe Verstöße gegen die
guten Sitten betrachtet haben, findet heute keine Beachtung mehr...
So mag auch das eine oder andere Detail eines i.J. 1730 in der
Bank Walhorn in Kraft getretenen Verbotskatalogs, ”Reglement
Politique” genannt, uns ein Lächeln oder Schmunzeln abnötigen. Es
ist dennoch ein Stück Kulturgeschichte, das sich darin offenbart,
und als solches wohl von Interesse.
Der Walhorner Drossard Johann Stephan Heyendal ”sowie die
Herren dieser Bank” hatten beim obersten Brabanter Gerichtshof
darauf hingewiesen, daß durch den häufigen Wechsel der Amtsträ-
ger in der Bank Walhorn (in 20 Jahren war das Amt des Drossards
neunmal umbesetzt worden!) eine Reihe von Auswüchsen entstanden
waren, die direkt gegen die Ehre Gottes, die gute Ordnung und das
Allgemeinwohl gerichtet waren. So unterstanden sich einige Er-
wachsene und Kinder, ”statt sonn- und feiertags, wie es sich für ei-
nen guten Katholiken geziemt, in die Messe, zum Katechismus und
zur Vesper zu gehen, auf dem Friedhof oder in der Nähe desselben
herumzustehen, zu sitzen oder zu liegen, um sich zu unterhalten, zu
spielen, zu schnupfen oder zu rauchen”. Dadurch versäumten sie
nicht nur die notwendige Unterweisung, sondern gaben auch ande-
ren das schlechte Beispiel und Anstoß. Auch störten sie den Geistli-
chen und andere gottesfürchtige Menschen in ihrer Andacht.
Einige bösgesinnte Bürger hatten die Kühnheit, Bekanntma-
chungen, Ordonnanzen, Hinweise und ähnliche Plakate sofort nach
(1) Stadtarchiv Aachen, Hochbank Walhorn, ohne AZ.
70
deren Anbringung herunterzureißen, und dies noch ehe die Bevöl-
kerung sich informiert hatte.
Skrupellose Bankbewohner stahlen auf anderer Leute Besitz
”Apfel, Birnen, Pflaumen, Kirschen, Eicheln und andere Baum-
früchte, wie auch Erbsen, Bohnen, Möhren und Klee aus Gärten
und Feldern; als Entschuldigung führten sie an, daß unser Herr die-
se Früchte nicht für einen einzelnen Menschen habe wachsen las-
sen.
Es gab auch einige, die sich erkühnten, in der Erntezeit mit ih-
ren Kühen, Rindern, Schweinen oder Schafen über anderer Leute
Land und Stoppelfelder zu ziehen und ihre Tiere dort weiden zu las-
sen, ehe die Ernte weggebracht war. Dadurch wurde der Ernte
großer Schaden zugefügt. Großen Schaden hatten auch einige da- -
durch erlitten, daß man Gänse und Schweine auf den Gemeinde-
gründen hatte weiden lassen, die Gänse aber ohne Bügel, wie man
sagte, am Halse und die Schweine ohne Nasenring liefen.
Schlechte Menschen hatten in der Winterzeit die Zäune ande-
rer Grundstücke abgebrochen. Andere hatten ihre an die Straße
stoßenden Grundstücke nicht eingezäunt. Auch war es vorgekom-
men, daß sowohl zur Winter- wie sur Sommerzeit über Privatgrund-
stücke gefahren wurde.
Außerdem hatte es in der Bank Walhorn Fälle von Leuten ge-
geben, die so unbesonnen waren, das an mehreren Stellen aus der
Erde quellende Brunnenwasser durch das Waschen von allerhand
schmutzigen Tüchern, Pansen, Därmen, Wolle, Garn und anderen
schmutzigen Dingen zu verunreinigen, wo doch viele arme Leute
dieses Brunnenwasser zum Trinken nehmen mußten.
Schließlich hatte sich noch ein großer Mißbrauch in der Bank
gezeigt, und zwar bei der Bearbeitung des ”Kemp”, d.h. des Flachses.
Das ”Brechen” oder ”Schwingen” des Flachses geschah gewöhnlich
unter freiem Himmel auf der Straße. Es war dies eine Frauen- und
vor allem Jungmädchenarbeit; diese Frauen und Mädchen meinten
nun, sich das Recht ausnehmen zu dürfen, Vorübergehenden die
Schuhe zu wichsen und um ein Trinkgeld zu bitten. Statt ihnen
Trinkgeld zu geben, kam es vor, daß Passanten sie ungebührlich
anfaßten oder auf andere skandalöse Art behandelten. Dann hatte
sich der Brauch oder besser, der Mißbrauch breitgemacht, daß Jung-
männer des Abends in die Häuser der Mädchen gingen, die den
”Kemp” gebrochen oder geschwungen hatten, dann dort "allerhand
niedrige und skandalöse Spiele durchführten und andere Unanstän-
N
digkeiten betrieben bis in die halbe Nacht hinein”. Anschließend be-
gleiteten die Jungmänner die Mädchen nach Hause...
Drossard Johann Stephan Heyendal war der Ansicht, daß sol-
ches nicht geduldet werden könne. Sein Amtseid verpflichte ihn,
dergleichen Mißbräuche abzustellen. So bat er den Hohen Gerichts-
hof, eine Verordnung oder ein Reglement zu erlassen, das es ihm er-
laube, gegen die genannten Mißstände vorzugehen.
Der Gerichtshof konsultierte den Finanzrat und erließ dann
”zum Wohl der öffentlichen Ordnung und um vorgenannten Exzes-
sen vorzubeugen” am 15. Juli 1730 folgendes "Reglement Politi-
que”:
1. Während der Gottesdienste darf an Sonn- und Festtagen nie-
mand auf dem Friedhof oder in der Nähe desselben sitzen, stehen
oder liegen um sich zu unterhalten, zu spielen oder zu rauchen.
Zuwiderhandelnde werden mit einem Goldgulden bestraft.
2. Niemand darf die an der Kirchentüre angeschlagenen öffentli-
chen Bekanntmachungen abreißen oder beschädigen. Die Strafe
für Zuwiderhandelnde wird jeweils der Schwere des Falles
angepaßt. 9
3. Niemand darf auf anderer Leute Grund Feld- oder Baumfrüchte,
gleich welcher Art sie auch seien, wegnehmen, will er sich nicht
einer Strafe von 3 Goldgulden aussetzen und dazu noch laut
Erlaß Sr. Majestät als öffentlicher Dieb bestraft werden.
4. Während der Erntezeit darf auch niemand sein Vieh auf anderer
Leute Felder, Land oder Stoppeln weiden lassen, solange die Ern-
te nicht eingebracht ist. Alle Bankeinwohner müssen ihren Gän-
sen und Schweinen, wenn diese auf Gemeindegrund weiden, ei-
nen Bügel um den Hals legen bzw. einen Ring durch die Schnau-
ze ziehen. Die Strafe für Zuwiderhandelnde ist 10 Stüber für ein
Pferd oder Hornvieh und 2 Stüber für jedes Schaf, jedes Schwein
und jede Gans.
5. Zu Beginn des Sommers mul jeder Straßenanrainer einen Zaun
längs der Straße anbringen. Es ist verboten, im Winter die Zäune
anderer Grundstücke zu seinem eigenen Vorteil abzubrechen.
Wer dies dennoch tut, wird mit einer Strafe von 2 Goldgulden be-
legt und muß den Zaun wiederherstellen.
6. Niemand darf zur Sommer- oder Winterzeit über anderer Leute
Grund fahren, gehen oder reiten. Zuwiderhandlung wird mit 1
Goldgulden für jedes Pferd und 2 Goldgulden für jedes Gespann
bestraft.
7. Niemand darf in öffentlichen Brunnen schmutzige Stoffe, Pan-
72
sen, Därme, Wolle, Garn und anderen Schmutz waschen. Zuwi-
derhandlung wird beim ersten Male mit 3 Goldgulden, beim
zweiten Male mit dem Doppelten und beim dritten Male willkür-
lich geahndet.
8. Den Frauen und Mädchen wird es untersagt, beim ”Kemp” den
Passanten die Schuhe zu wichsen. Es wird ihnen befohlen, sich
wie ehrliche und tugendhafte Menschen aufzuführen. Den Jung-
männern verbieten Wir, des Abends zu den Mädchen in die Häu-
ser, wo der Flachs gebrochen oder geschwungen worden ist, zu
gehen, dort unschöne und skandalöse Spiele zu spielen, dort bis in
die Nacht hinein zu bleiben und dann die jungen Mädchen nach
Hause zu geleiten. Wer gegen einen Punkt dieser Bestimmung
verstößt, setzt sich einer Strafe von 3 Goldgulden aus und wird
zudem gemäß den Verordnungen Sr. Majestät bestraft.
Die Eltern werden zur Zahlung der Geldbußen ihrer minder-
jährigen Kinder verpflichtet.
Soweit diese Verordnung, durch die die nach Ansicht J. St.
Heyendals in mancherlei Hinsicht gestörte Ordnung wiederherge-
stellt werden sollte. Der kgl. Notar Mathias Wilhelm Lamberts
machte den Erlaß in Eynatten am 17.9.1730 nach der Frühmesse
und in Raeren am gleichen Tage nach Ausgang des Hochamtes be-
kannt. In Hergenrath geschah dies nach dem Hochamte am 15.
Okt. 1730, in Walhorn und Kettenis ”nach der Frühmesse, auf dem
Kirchhof, in Anwesenheit vieler Menschen, am Lambertustag, dem
17:9.17307,
Die von Johann Stephan Heyendal aufgeführten Mißstände
scheinen weiter bestanden zu haben, denn der Verbotskatalog wur-
de 1736 durch Gerichtsvollzieher P. Bounie erneut auf den 5 Fried-
höfen der Bank ”öffentlich und deutlich verlesen” und eine Ab-
schrift davon an das Kirchenportal geheftet. In Eynatten wurde der
Erlaß nochmals am 28. Juli 1737 ”in Anwesenheit vieler Eynattener
und Hauseter” durch Notar Mathias Wilhelm Lamberts nach dem
Hochamt auf dem Friedhof bekanntgemacht.
* x
Es fällt auf, daß der Brüsseler Gerichtshof fast wortwörtlich die
Formulierungen Heyendals übernommen hat, mit dem Zusatz:
”Niemand darf...” Es überrascht uns zu sehen, daß die Walhorner
Ortsbehörde sich wegen solcher Kleinigkeiten an die höchsten Stel-
len des Landes wandte. Man könnte erwarten, daß der Drossard
73
selbst bzw. die Bürgermeister und das Schöffengericht in Walhorn
darüber zu befinden hatten, wie die nach ihrer Ansicht gestörte öf-
fentliche Ordnung wiederhergestellt werden konnte.
Daneben gibt das Dokument einen kleinen Einblick in das
dörfliche Leben in der Bank Walhorn vor rund 250 Jahren. Wir se-
hen, daß dem Ackerbau noch eine große Bedeutung zukommt. Die
einzelnen Orte besitzen noch große Flächen Gemeindeland, wo je-
der Schafe, Schweine oder Gänse hintreiben darf. Die ärmeren Leu-
te haben nicht immer einen eigenen Hausbrunnen, müssen deshalb
das Wasser an öffentlichen Wasserstellen holen. Flachs wird ange-
baut und zu Leinen gesponnen. Und beim Brechen des Flachses
kommt es zu allerhand ausgelassenen Scherzen und Spielen, die den
sittenstrengen Hütern der Ordnung ein Stein des Anstoßes sind.
Man wird an die in der belgischen Eifel bis zum Ersten Weltkrieg
bei gleicher Gelegenheit abgehaltene ”Schwungkirmes” erinnert. Bei
den aus Feldern und Gärten entwendeten Früchten fehlt die Kar-
toffel. Sie wurde erst später, etwa um 1750, hier heimisch.
* x
Schon am 30. Juli 1728 hatte der Brabanter Gerichtshof auf
Antrag des Drossards Joh. Steph. Heyendal versucht, den Alkohol-
ausschank zu beschränken. ”Auf die untertänigste Bitte des Antrag-
stellers”, so heißt es in dem Gerichtsbeschluß, ”hat das Gericht un-
tersagt und es untersagt hiermit allen und jeglichen Einwohnern der
Bank Walhorn (ausgenommen sind Passagiere und reisende Frem-
de), während der festgesetzten gewöhnlichen Gottesdienstzeiten wie
auch nach neun Uhr abends zu trinken in den Lokalen (Herbergen),
Wo man gewöhnlich Bier, Wein, Branntwein und andere Liköre ver-
kauft; den Wirten verbietet das Gericht, dergleichen Getränke aus-
zuschenken (”te tappen”), bei Strafe von 2 Goldgulden für jeden Zu-
widerhandelnden...”
Drossard Heyendal ließ den Gerichtsbeschluß in den einzelnen
Bankorten öffentlich anschlagen. Die Formulierungen des Gerich-
tes ließen jedoch verschiedene Interpretationen zu und so mußte
Heyendal das Gericht ersuchen, unklare Stellen zu erläutern. Auf
dieses Ersuchen gab das Gericht am 23. Juli 1729 folgende Erklä-
rungen:
”...daß die Ordonnanz vom 30. Juli 1728 über das Trinken sich
auf diejenigen bezieht, die in den Herbergen zu verbotener Stunde
angetroffen werden, ob sie nun dort trinken oder getrunken haben.”
74
Ferner erklärt das Gericht, daß die Bewohner der weniger als
1 Stunde entfernten Orte nicht als ”Passagiere oder fremde Reisen:
de” anzusehen seien. ;
Außerdem gilt das Verbot, sich an Sonn- und Feiertagen nach
neun Uhr abends in den Wirtshäusern aufzuhalten, auch für die
Werktage.
”Der Wirt oder die Wirtin muß auf Verlangen des Drossards
oder einer von ihm benannten Person die Namen der zu verbotener
Stunde bei ihm bzw. ihr angetroffenen Trinker angeben, da sie sonst
zusätzlich zu der Strafe, die sie für das Zapfen von Getränken und
Zurückhalten solcher Trinker gewärtigen müssen, persönlich sich
dafür (d.h. für das Trinken) zu verantworten haben.”
Johann Stephan Heyendal ersuchte den ”deurwarder” (Ge- *
richtsvollzieher, Schultheißen), die Ordonnanz vom 30. Juli 1728 so-
wie diejenige vom 30. Juli 1729 nach einer Sonn- oder Feiertagsmes-
se auf den fünf Kirchhöfen der Bank zu verlesen und an der Kirch-
türe auszuhängen. Peter Bounie tat dies in Walhorn am 7. Oktober
und in Hergenrath am 21. Oktober 1731.
***
Wälderteilung Astenet-Hergenrath i.J. 1768 (1)
Die gewiß interessante Frage der Waldnutzung im Bereich der
Bank Walhorn ist unseres Wissens bisher nicht eingehend unter-
sucht worden. Es scheint jedoch festzustehen, daß bis zum Jahre
1705 alle Wälder der Bank durch die dazugehörenden Quartiere
„ (Orte) gemeinsam genutzt wurden. Die dann erfolgte allgemeine
Aufteilung der Wälder (”generaele boschdelingh”) sprach den Orten
Astenet und Hergenrath gewissen Waldparzellen gemeinsam (”indi-
vis”) zu. (2)
Es handelte sich um Mischwald, der neben Bau- und Brenn-
holz auch Lohe und Streu lieferte. Darüber hinaus dienten die Wäl-
der als Weidegründe für das Vieh, das besonders in jungen Bestän-
den großen Schaden anrichten konnte. Anpflanzungen nach heuti-
ger Art waren unbekannt; für die Erneuerung des alle 15-20 Jahre
abgeschlagenen Waldes sorgten Stock- und Wurzelausschläge. Meist
(1) Protokollbuch der Hergenrather Bürgerversammlungen, ”Naebuer-
Vergaederings-Boek” genannt.
(2).Eine vorläufige Teilung gewisser Wald- und Weideparzellen hatte schon 1627
stattgefunden. 1637 beschloß man eine Reihe von Maßnahmen zum Schutz des
Waldes. (Siehe V. Gielen, "Zwischen Aachener Wald und Münsterwald”, S. 84).
VE
ließ man beim Fällen dieses Niederwaldes einzelne schön gewachse-
ne Stämme stehen.
Die gemeinsame Nutzung gewisser Waldparzellen hatte im
Laufe der Jahrzehnte immer wieder zu Meinungsverschiedenheiten
zwischen Hergenrath und Astenet geführt. 1764 machte Astenet
den Vorschlag, eine förmliche Teilung vorzunehmen, und die Her-
genrather Bürger, von ihren Bürgermeistern über dieses Vorhaben
informiert, bestellten den Notar, Einnehmer und Forstmeister Niko-
laus Bounie zu ihrem Bevollmächtigten in der mit Astenet anstehen-
den Verhandlungsrunde.
Die Verhandlungen zwischen beiden Quartieren scheinen
recht schwierig gewesen zu sein, denn erst am Sonntag, dem
21.12.1768, konnte Nikolaus Bounie den im Hause des Claes Jong
versammelten Mitbürgern die mit Astenet getroffene Übereinkunft
zur Abstimmung vorlegen. Man hatte sich geeinigt und ein 16
Punkte umfassendes Protokoll ausgearbeitet. Die Vereinbarung sah
in großen Zügen folgende Regelung vor:
1. Die ”doecoulen”, der Lindengraben und der Hellemsplatz
(= Himmelsplatz) gehen an Astenet. Das ”Berghsgen” und der
”Kalkofen” sollen jedoch wie bisher den Hergenrathern gehören.
2. Der über der Göhl liegende Wald bis inklusive Wolfspfuhl sowie
von dort an aller Buchenwald gelegen im Asteneter Graben und
genannt Eecherbusch bis Tiffes einschließlich geht an Hergen-
rath.
3. Im Gippenhag bekommt Hergenrath auf Lontzener Seite zu, und
zwar von der Landstraße bis an die Wälder der Eyneburg, 27
Morgen Wald. Im selben Revier Gippenhag gehen 22 Morgen
Busch und 3 Morgen Heide an Astenet. Sollte sich beim Vermes-
sen herausstellen, daß das Gippenhag-Waldstück größer ist als an-
genommen, so sollen beide Parteien so teilen, daß Hergenrath 3/5
und Astenet 2/5 erhält. .
4. Der Schlagwald gelegen auf Fülkersberg und Bernhag soll
folgendermaßen aufgeteilt werden: Der ”Fülkersberg” geht an
Astenet. Die Grenze verläuft dann weiter in Richtung Osten quer
durch die Bernhag bis zur Grenze des Wasenplatzes des vertorbe-
nen Schöffen Windtmeulen.
Der in genanntem Bereich liegende sog. Steinberg soll gemein-
samer Besitz bleiben. Die Hergenrather dürfen dort weiterhin Steine
brechen für den Häuser- und Straßenbau. Wenn für den weiteren
Bau der ”Chaussee” oder deren Reparatur dort Steine gebrochen
werden sollten, so wird der Erlös daraus beiden Quartieren zur Hälf-
76
te zukommen. Das auf dem Steinberg wachsende Holz bleibt Eigen-
tum Astenets. ä .
Weiter vereinbarten Astenet und Hergenrath, daß bisher beste-
hende Gerechtsame weiterhin bestehen bleiben sollten. Die beiden
Quartiere beschließen auch, ihre Wälder durch einen Graben von-
einander zu scheiden und diesen Graben gemeinsam und je. zur
Hälfte auszuheben. Keiner solle dem anderen Vorschriften machen
können bezüglich der Nutzung seines Waldes. Wasser und Weide
soll jeder in seinem Wald getrennt besitzen.
Kühe und Pferde des einen Quartiers, die in den Wäldern des
anderen angetroffen werden, bringen dem Besitzer eine Strafe von 6
Stüber pro Tier ein. Der Forstmeiser des betretenen Gebietes kann
und darf die Tiere einfangen. Im Wiederholungsfalle kann der -
Forstmeister so vorgehen, wie es die Sache und die Buschordnung
erheischen.
Da Astenet gegen Hergenrath einen Prozeß angestrengt hatte
und dieser noch vor dem Walhorner Gericht anhängig war,
beschloß man, denselben nicht weiterzuführen. Für die Hergenrath
bislang entstandenen Unkosten mußte Astenet jedoch aufkommen.
Die Versammlung hatte gegen die getroffene Vereinbarung
nichts einzuwenden. Man räumte jedoch den Astenetern zusätzlich
das Recht ein, im ”Berghsgen” Stein zum Kalkbrennen zu gewin-
nen.
Wir finden folgende Unterschriften unter dem Protokoll:
D.G.J. Freyherr van Dobbelstein; de Beelen Bf. (= Bertolff); W.J.F.
Birven; H. Hennen, Regleur (= Bürgermeister); J. Steutgen idem;
Handzeichen von: Gerard Lamberts, Anthon Bonnie, Peeter Kittel,
Peeter Moresnet, Hendr. Schreul, Hendr. Fredrighs, Peeter Thoma,
Joes Laschet, Jacobus Laeschet, Matthijs Schriever, Gillis Foeber-
jan, Joes Laeschet, Toussaint Misere, Joes Roetheudt, Christian
Timmerman; Palm Pauly, Leonardt Magher, Andries Langhohr, Jo-
hannes Berners, J.H. Foberjans, P.H. Bart, Jan Schyns, Casper
Hennen, A. Hennen, Mattes Mager, Claes Frederich, Winandus
Paulus, Andries Renerken und N. Bounie.
77
Walhorns Bürgermeister beklagt sich über das Automobil (1)
Wir sind mit dem Auto groß geworden. Es ist von unseren
Straßen nicht mehr wegzudenken. Ein ganz eigenartiges Gefühl war
es für uns, in der Ölversorgungskrise 1973 bei Sonntagsfahrverbot
als Fußgänger oder Radfahrer ungefährdet auf die Straße zu dürfen.
Wie aber war das, als im ersten Jahrzehnt unseres Jahrhunderts die
ersten Automobile auf unseren Straßen zu sehen waren? Dazu ein
Brief des Walhorner Bürgermeisters Karl Ernst vom 12.9.1907 an
den Landrat in Eupen.
Betrifft: Belästigung durch die Automobile.
"Durch die Automobile wird”, so schreibt der Bürgermeister,
"entgegen des Par. 2 Abs. 1 der Polizei-Verordnung betr. den Ver-
kehr mit Kraftfahrzeugen, stets eine starke Staubentwickelung ver-
ursacht; dies liegt hauptsächlich daran, daß nach Feststellung auf
den offenen Landstraßen und in der Nähe der Ortschaften und auch
in denselben die Automobile noch zu rasch dahin sausen. Daher ist
es sehr schwer, mitunter gar nicht möglich, das Erkennungszeichen
zu sehen. Durch das sehr rasche Fahren und das minutenlange An-
dauern der Staubaufwirbelung leidet das Publikum ohne allen Zwei-
fel sehr stark an den Atmungsorganen, wodurch das leidende, zur
Erholung ausgehende Publikum noch mehr in seiner Gesundheit ge-
schädigt wird.
Nicht allein dieses ruft eine große Belästigung des Publikums,
sowie hörbare Klagen hervor, sondern auch die übelriechenden Öl-
dämpfe, welche bei der Durchfahrt im Orte auch abgelassen wer-
den.
Gegen die Automobilbesitzer ist sehr schwer auzugehen bezw.
läßt sich trotz der bestehenden Bestimmungen kaum etwas machen,
wenn nicht auf eine Änderung der Polizei-Verordnung mit ver-
schärften Maßnahmen hingewirkt wird.”
Das Problem der Staubaufwirbelung haben wir durch Asphal-
tierung der Straßen gelöst. Die Motoren sind auch sauberer und lei-
ser geworden. Doch ist das Automobil an sich zu einem Problem für
unsere Zeit geworden und wenn wir uns auf verstopften Straßen
mühsam vorwärts quälen, denken wir etwas wehmütig an die nun
etwa 80 Jahre zurückliegende Zeit und beim Lesen der Klagen des
Bürgermeisters kommt uns ein Schmunzeln.
(1) SAL, Kreisakten Eupen
78
”Fern bei Sedan ...’” im Spiegel der
Gemeindechronik von Neu-Moresnet
von Walter Meven
In einer von der Regierung zu Aachen am 8. April 1825 an die
Bürgermeistereien des Regierungsbezirks ergangenen ”Instruction
zur Anlegung und Fortführung der Gemeinde-Chroniken im Regie-
rungsbezirk Aachen” heißt es u.a.: ”Die Landräthe werden bei ihrer
Anwesenheit in den Gemeinden die Chronik sich vorlegen lassen,
um zu sehen, ob solche ordentlich und vorschriftsmäßig geführt und ‚,
gut aufbewahrt werden. Beim Auffinden von Mängeln oder Feh-
lern derselben werden sie das Nöthige veranlassen, solche künftig
vermeiden zu sehen ...” N
Trotz mehrmaligen Mahnungen von Seiten des königlichen
Landrates von Eupen, hatte der Bürgermeister von Preußisch-
Moresnet, Arnold von Lasaulx, Mitte 1847 noch nicht mit der An-
legung der Chronik begonnen. Auf eine erneute diesbezügliche
landrätliche Aufforderung antwortete der Bürgermeister wie folgt :
”Schon damals, als die Chroniken eingeführt wurden, berichte-
te ich an den Herrn Landrat von Scheibler, daß für das Stückchen
der Gemeinde Moresnet, welches an Preußen kam, eine eigene
Chronik anzulegen, eigentlich eine Lächerlichkeit wäre, und wirk-
lich ist ja hier weder Kirche noch Schule, weder eigenes Einkommen
noch Ausgaben, weder Gemeinde-Empfänger noch sonst etwas, was
zu auch nur einigermaßen interessanten Vorkommnissen Gelegen-
heit geben könnte. Wozu eine Chronik, da, wo nichts Merkwürdi-
ges geschehen kann? Allenfalls kann ich, wenn die königliche Regie-
rung es gegen Erwarten verlangen, die Einleitung zur Chronik
schreiben, wie ich für Hergenrath gethan habe, aber von dem Tage
ab, wo der Gränzregulierungstraktat ausgeführt und Moresnet in
drei Teile zerrissen wurde, ist nichts mehr zu sagen, bis etwa zur
Einführung der neuen Kommunalordnung.”(1)
Dennoch bietet uns heute die damals begonnene Chronik - al-
lein wegen der anfänglichen Verwaltungseinheit mit dem ”Neutra-
len Gebiete” - viele Merkmale des Tagesgeschehens in dem von der
Teilung beklagten und betroffenen Gemeinwesen. Die Bevölke-
rungsbewegung nach Religionszugehörigkeit und eine alljährlich er-
80
stellte Statistik des Standesamtes, erlauben namentlich für den neu-
tralen Teil, einen Rückschluß auf die meist positive Entwicklung
des Galmei-Bergbaues, der in dieser Zeit unzählige Arbeitsuchende
aus Nah und Fern anlockte. Der Viehbestand, das Klima, die Ernte
und der Gang der Geschäfte sind immer ein fester Bestandteil dieser
Niederschriften gewesen. Außergewöhnliche Ereignisse, wie Feuer,
Unfälle und ein jäher Tod, aber auch die ”hohe Politik”, sofern sie
mit Kriegsereignissen verbunden war, fanden ebenfalls eine gebüh-
rende Erwähnung. Stellvertretend für die kriegerischen Ereignisse
dieser Zeit, soll im Folgenden die bewaffnete Auseinandersetzung
des Jahres 1870/71 zwischen Preußen und Frankreich auszugsweise
behandelt werden.
Der Entwurf einer Chronik für das Jahr 1870/71, aus der Fe-
der des Bürgermeisters Joseph Kohl von preußisch-Moresnet, da-
tiert in die Zeit der Bismark-Ära, die durch dessen ”Blut- und Eisen-
politik” zur Stärkung Preußens und der deutschen Einigung unter
der Vorherrschaft Preußens gekennzeichnet ist.
Ein Verfassungskonflikt hatte den aus einem alten preußischen
Adelsgeschlecht stammenden Grafen Otto von Bismarck im Jahre
1862 in das Amt des preußischen Ministerpräsidenten geführt. Zu
dem Konflikt kam es, als der Nachfolger König Friedrich-Wilhelm
IV., Wilhelm I., eine Reform des gesamten Heerwesens anstrebte,
die die Modernisierung der Ausrüstung, die Verbesserung der Aus-
bildung und die Erhöhung der Truppenstärke des stehenden Heeres,
die seit 1820 nicht mehr erhöht worden war, zum Ziele hatte. Die
Sollstärke der Armee müßte der Verdoppelung der Gesamtbevölke-
rung angepaßt werden, so war man der Ansicht. Die engere Bin-
dung des Offiziers- und Unteroffizierskorps an den König, stimmten
die Abgeordneten von vornherein mißtrauisch gegenüber der Sache
desselben. Sie wollten ein Volks-, aber kein ”Fürstenheer”. Die
Geldmittel wurden zwar bewilligt, man bestand aber darauf, daß da-
für wieder die zweijährige Dienstzeit eingeführt werde. Der König
seinerseits verweigerte dieser Forderung seine Zustimmung und lö-
ste kurzer Hand den Landtag auf. Nicht kalkulierbar war jedoch für
ihn, daß der nun gewählte Landtag die gesamte Heeresreform ab-
lehnte und sich daraus eine Staatskrise entwickelte. Die Minister
reichten ihren Rücktritt ein. Nur der Vorschlag des Kriegsministers,
den Grafen Otto von Bismarck zum Ministerpräsidenten zu ernen-
nen, zerstreuten die. Abdankungspläne des Königs. Mit der im Jahre
1862 erfolgten Ernennung kam ein Mann an die Spitze der Regie-
81
rung, der durch seine Persönlichkeit, seine Pläne und nicht zuletzt
durch seine erfolgreiche Arbeit die Entwicklung Preußens und
Deutschlands und damit auch die europäische Politik während sei-
ner fast 30-jährigen Amtszeit entscheidend beeinflußte. Das ihm die
Mehrheit des Volkes und auch der Landtag selbst mit Mißtrauen be-
gegnete, kümmerte ihn wenig. Als getreuer Diener seines Herrn
stellte er sich auf die Seite des Königs und unterstützte nach besten
Kräften die Sache seines Monarchen.
Bei der Verabschiedung des Staatshaushaltes verweigerte das
preußische Abgeordnetenhaus die zur Heeresreform notwendigen
Mittel. Bismarck erklärte daraufhin, daß er seine Pflicht auch gegen
den Willen des Parlamentes tun werde. Nun geschah etwas, das für
die ”Wilhelminische Zeit” charakteristisch ist : Man rebellierte nicht
und gab sich zufrieden mit den verfassungswidrigen Entscheidun-
gen. Obrigkeitsfurcht und Untertanengeist des preußischen Volkes,
die man ihm anerzogen hatte, waren kalkulierbar und hinderten da-
mit keine für das Volk noch so schwerwiegenden Entscheidungen.
Der weiter unten folgende Bericht des Bürgermeisters Kohl, im
Wortlaut, spiegelt auch etwas von dieser Haltung der preußischen
Untertanen wieder. Sie sind eine Glorifizierung von Tugenden, die
man geschickt in den Dienst der Sache zu stellen verstand.
Die akuten Spannungen des Jahres 1866 zwischen dem Fran-
zosenkaiser Napoleon III. und Bismarck, die durch Ansprüche Na-
poleons auf linksrheinische Gebiete, auf Luxemburg und Belgien
entstanden, wurden durch Bismarck frühzeitig aufgedeckt und einer
breiten Öffentlichkeit entsprechend dargelegt. Durch den geschei-
terten Versuch, in Mexiko Fuß zu fassen, hatte Napoleon u.a. in sei-
nem Lande mit großen Schwierigkeiten zu kämpfen. Er bemühte
sich um einen militärischen Erfolg, den er durch eine bewaffnete
Auseinandersetzung zwischen Preußen und Frankreich zu erlangen
glaubte.
Eigentlich brauchte Bismarck ihn in der Verfolgung seiner ehr-
geizigen Ziele genauso.
Die mögliche Nachfolge auf den spanischen Thron durch einen
Hohenzollernprinzen führte in Frankreich zu hitzigen Debatten,
weil man einer vermeintlichen Einkreisungspolitik Hohenzollern-
Preußen entgegentreten wollte. König Wilhelm I. veranlaßte seinen
Verwandten der katholischen Linie, auf die spanische Krone zu ver-
zichten. Napoleon verlangte jedoch vom preußischen König eine
82
feierliche Verpflichtung, für alle Zukunft von einer solchen Bewer-
bung Abstand zu nehmen. In Bad Ems, wo König Wilhelm zur Kur
weilte, ersuchte der französische Gesandte Graf Benedetti ihn hin-
sichtlich der Verzichterklärung um das von seinem Kaiser ge-
wünschte Zugeständnis. Der so Angesprochene lehnte das Ansin-
nen brüsk ab und fühlte sich kompromittiert. Wenig später unter-
richtete er auf telegrafischem Wege seinen Ministerpräsidenten Otto
von Bismarck über die stattgehabte Unterredung mit Benedetti.
Beim Mittagstisch, wo auch Kriegsminister Roon und Moltke zuge-
gen waren, erreichte Bismarck die Depesche seines Königs, die übri-
gens als sogenannte ”Emser-Depesche” ihren Eingang in die Ge-
schichtsschreibung gefunden hat. Bismarck gab sie seiner Tischge-
sellschaft in verschärfter Form wieder, worauf Moltke die”
Äußerung : ”Das ist das Signal” von sich gab. Die Kriegserklärung
Frankreichs an Preußen erfolgte wegen der für den französischen
Kaiser unbefriedigenden Haltung des preußischen Königs auf dem
Fuß. Mann hatte seinen Krieg! Die Stelle auf der Emser-
Kurpromenade, an der Graf Benedetti den König zur Rede stellte,
ist heute noch durch den sogenannten Benedetti-Stein besonders ge-
kennzeichnet.
Bürgermeister Joseph Kohl von Preußisch-Moresnet geht mit
nachstehenden Worten auf den Kriegsausbruch und das darauf fol-
gende Geschehen ein :
.... ”Ganz unerwartet brach im Juli 1870 zwischen Frankreich und
Deutschland Krieg aus. Im Juli erklärte nämlich Frankreich dem
preußischen Volke in der frevelhaftigsten Weise den Krieg. Ganz
Deutschland erhob sich wie ein Mann um den Erbfeind zurückzu-
weisen. Auch von Preußisch- und Neutral-Moresnet nahmen 60
Mann an demselben teil. Dem allen Erwartungen übertreffenden
günstigen Verlauf dieses Krieges für Deutschland folgte man hier
mit dem spannendsten Interesse. Große Opfer wurden während der
Kriegszeit durch die Gesellschaft des Altenberges sowohl als auch
durch die Gemeinde zur Unterstützung der Familien der Einberufe-
nen gebracht. Die Beamten der Gesellschaft vereinigten sich mit
dem Bürgermeister und den Notabelsten der Gemeinde zu einem
Comite, welches allmonatlich mehr als 500 Mark zur Unterstützung
der Zurückgebliebenen sowie der Krieger im Felde aufbrachte. (2)
Die Gemeinde hatte zum Parkdienste 5 zweispännige Fuhren ge-
stellt, welche auch wieder mit Ausnahme von 3 Karren zurückge-
kehrt sind. Der Parkfuhrmann Mathias Schönauen starb am 24./25.
83
Oktober zu Dugny bei Verdun an Typhus. Nach der Schlacht von
Sedan war das Resultat der weiteren Kriegsführung entschieden. (3)
Elsaß-Lothringen sollte bei Deutschland bleiben und es wurde
von nun ab die Verwaltung in deutsche Hände genommen. Auch
der hiesige Kreis stellte zu den Verwaltungsbeamten ein Contingent
in der Person des Landrates Herrn Gülcher und des Bürgermeisters
der hiesigen Gemeinde Herrn Kohl. Leider war es dem ersten nicht
mehr vergönnt, seine Heimat wiederzusehen. Er erlebte einen klei-
nen Unfall (4) und erkrankte dann in Hagenau an Typhus. Nach
Carlsruhe gebracht, starb er dort an Typhus am 24. Oktober 1870.
Erst seit 3 Jahren als Landrat thätig, hatte er sich durch seine Leut-
seligkeit und Rechtschaffenheit bereits allgemein beliebt gemacht;
fußend auf einer vortrefflichen Erziehung, die ihm früher zu teil ge-
worden, hatte er sich in der kurzen Zeit der Verwaltung großen
Scharfblick in Amtsgeschäften angeeignet, was wohl auch die Ver-
anlassung gewesen sein mag, daß ihm die vorgesetzte Behörde nach
Ausbruch der Feindseligkeiten mit Frankreich zur Reorganisation
der zurückerworbenen Provinzen Elsaß-Lothringen mit einberief.
Seine untergeordneten Beamten verloren in ihm einen sorgenden
Vorgesetzten und der ganze Kreis trauerte um den Hingeschiede-
nen, was sich bei der am 27. Oktober stattfindenden Beerdigung des-
selben deutlich kund gab. Sein Andenken wird in Segen bleiben.
Möge der jetzt schon ungewöhnlich lange andauernde Krieg,
der so bedeutende Opfer von Blut und Gut kostet, zum Heile
Deutschlands mit der vollständigen Unterwerfung des Feindes endi-
gen und zu einem den schweren Opfern entsprechenden Frieden
führen.
Das walte Gott !
1871
Nach 7-monatlichen heißen Kämpfen, wurde der Erbfeind
Deutschlands von den deutschen Heeren vollständig zu Boden ge-
worfen, und kam am 2. März der lang ersehnte Friede zu Versailles
zu Stande. Mit dem Frieden kehrte auch der Bürgermeister wieder
zurück, welcher als erster deutscher Steuerempfänger Elsaß-
Lothringens den Empfang in Hagenau-Richweiler geregelt und
dann auf ausdrücklichen Wunsch der Oberbehörde noch die Rege-
lung der schwierigen Percepturen (5) Ober- und Unterehnheim über-
nommen hatte. In der Stadt Ober-Ehnheim wurde derselbe am 7.
Dezember 1870 bei einem Aufstande 5fach, jedoch nicht gefährlich,
84
verwundet. Eine definitive Anstellung im Elsaß hat derselbe abge-
lehnt, obgleich ihm die Bürgermeisterstelle einer größeren Stadt an-
geboten wurde. Während seiner 6-monatlichen Abwesenheit, war er
als Bürgermeister von Preußisch-Moresnet durch Herrn Bergrath
Braun, für das Neutrale-Gebiet durch seinen Bruder Hubert Joseph
Kohl vertreten.
Zum Andenken an den glorreichen Frieden wurde am 22.
März (Kaisers Geburtstag) eine Kaiserlinde mit entsprechenden Ce-
remonien gepflanzt und später mit einer hübschen Anlage verse-
hen”. (6)
In der endgültigen Fassung der Gemeindechronik geht Bürger-
meister Kohl ausführlich auf die für die aus dem Felde heimgekehr- -
ten Krieger veranstalteten Feiern ein :
”Durch die allmähliche Rückkehr der einberufen gewesenen
Landwehrleute waren auch wieder allmählich normale Verhältnisse
eingetreten. Man feierte die Rückkehr der hiesigen Krieger am 17.
September durch ein großartiges Fest. Um 3 Uhr nachmittags ver-
sammelten sich sämmtliche Krieger, 63 an der Zahl, vor dem Ge-
meindehaus zu Preußisch-Moresnet. Dort wurden sie von den Al-
tenberger Schützen und der Musik, so wie von den notabelsten Bür-
gern abgeholt und zur Friedenslinde geführt. Am Casino erwartete
ein schöner Kranz weißgekleideter Jungfrauen die Krieger; und sie
sangen die ”Wacht am Rhein” (7) und schmückten sodann die
Heimgekehrten mit Kränzen und Eichenlaub.
An der Friedenslinde hielt der Bürgermeister eine patriotische
Ansprache mit einem Willkommen an die Krieger; der erste Beige-
ordnete Herr Braun las eine Rede mit einem Hoch auf den deut-
schen Kaiser. Der Zug begab sich nunmehr in das reichbeflaggte
neutrale Gebiet, durchzog dort die Hauptstraßen und gelangte als-
dann zum Schützenlokale, wo dinirt wurde. Es nahmen im ganzen
103 Personen an diesem Diner teil. Die Kosten der Bewirtung der
Krieger, von welchen jeder außer dem Mittagessen 2 Flaschen Wein
erhielt, wurden theils durch Subscriptionen, theils durch einen
Zuschuß aus dem Altenberger-Kirmesfonds, theils aus Gemeinde-
mitteln bestritten.”
Eine später zugefügte Randnotiz zur Gemeindechronik des
Jahres 1871 gibt noch folgende Einzelheiten zum Denkmalbau :
”Die Kosten der Marmorplatte am Kriegerdenkmal hat Herr Pfar-
rer Vielhaber durch freiwillige Beiträge aufgebracht. Die Herrich-
86
tung des Platzes hat durch Herrn Ferdinand Hartwig stattgefunden,
die Dolomitsteine hat der Bürgermeister Kohl zum Denkmal cedirt
(8), und zwar nur für das Denkmal, die Linde wurde dem Casinogar-
ten entnommen. Als Ende der 70er Jahre der Platz in anderer Weise
verschönert werden sollte, machte die evangelische Gemeinde ihre
Eigentums-Ansprüche geltend, und zwar nicht nur für Grund und
Boden, sondern auch für die dort befindlichen Anlagen, weshalb
weitere Kosten für das Denkmal unterblieben. Vor dem Bau der
evangelischen Kirche gehörte die Parzelle der Civilgemeinde, die sie
zum Bau der Kirche der evangelischen Gemeinde geschenkt hat.”
Auf Anfrage der Kommission für Denkmal- und Landschafts-
schutz erstellte die Gemeinde Neu-Moresnet i.J. 1922 ein Verzeich-
nis der auf ihrem Gebiete befindlichen Kreuze, Wappensteine etc. ”
Bei der Gelegenheit gibt der 1. Schöffe Hermann Bruch auch die
vollständige Inschrift des Kriegerdenkmales wieder. Sie lautete:
”Zum Andenken an den ruhmvollen Krieg von 1870-71 und seine
tapferen Streiter aus Preuß.- und Neutral-Moresnet. Errichtet am
22.3.1871. Es ist Frühling geworden im deutschen Vaterlande.”
Schon 1867 hatte die Gemeinde eine ähnliche Feier für die Sie-
ger von Königgrätz (9) veranstaltet. Dazu Bürgermeister Kohl in der
Gemeindechronik: ”Die Gemeinde hatte zu derselben nicht nur ih-
re eigenen Landwehrleute und Combattanten, sondern auch die
von Moresnet Neutral eingeladen, im Ganzen 28 Mann. Die Mann-
schaften wurden am Gemeindehause mit Musik abgeholt und zum
Schützenlokale geführt, wo ein Concert gegeben wurde. Nach dem
Concert fand auf Kosten der Gemeinde ein Souper mit nachfolgen-
dem Ball statt. Jedem Landwehrmann wurden daneben auf Ge-
meindekosten zwei Flaschen Wein verabreicht. Die sämmtlichen
Kosten betrugen 30 Reichstaler. Der Herr Landrat von der Heydt
hatte das Fest mit seinem Besuch beehrt.” (10)
(1) Gemeinde Preußisch-Moresnet, Acta Chronik und Zeitungsberichte betreffend.
(2) Eine öffentliche Unterhaltszahlung für die in der Heimat zurückgebliebenen
Angehörigen gab es nicht.
(3) Die Meldung aus dem Kaiserlichen Hauptquartier, bei Sedan sei eine kriegsent-
scheidende Schlacht gewonnen worden, traf an einem Sonntagmorgen zu einer
Zeit ein, als sich die meisten Menschen beim Gottesdienst in der Kirche befan-
den. Organisten sollen daraufhin spontan die Nationalhymne intonisiert haben.
Eine bischöfliche Circularverfügung untersagte daraufhin, den Gottesdienst
mit profanen Melodien zu untermalen.
(4) : ”Durch den Sturz aus einem Wägelchen”, sagt die Gemeindechrohik.
87
(5) Percepturen : Einnahmeverfahren der Gemeinde
(6) Die Anlage befindet sich heute noch - allerdings in veränderter Form - an der
Casinostraße in Neu-Moresnet.
(7) Die Wacht am Rhein : Es braust ein Ruf wie Donnerhall,
wie Schwertgeklirr und Wogenprall :
”Zum Rhein, zum Rhein zum deutschen Rhein,
wer will des Stromes Hüter sein ?”
Text: 1841, Max Schneckenburger, Melodie: C. Wilhelm.
Noch bis in das Jahr 1918 hinein wurde dieses Lied alljährlich am ”Sedanstag”
- 2. September - in den Schulen angestimmt.
(8) cedirt : abgetreten
(9) Schlacht bei Königgrätz, Krieg Preußen-Österreich. Heute Tschechoslowakei,
Hradec Krälove
(10) Bestimmte Redewendungen aus dieser Zeit haben sich bis heute erhalten : Als
Kaiser Napoleon III. bei Sedan gefangengenommen wurde und seinen Degen
an Bismarck überreichte, wies man ihn ins Exil nach Kassel-Wilhelmshöhe.
Will man heute noch jemanden unsanft hinauskomplimentieren, so hört man
gelegentlich noch : ”Ab nach Kassel”! 8
Bei seiner Reise nach Kassel ist übrigens der gefangene Kaiser über Herbesthal
nach Deutschland eingereist. Verhangene Abteilfenster schützten ihn vor neu-
gierigen Blicken.
Treibt man zur Eile an, so heißt es ebenfalls noch : ”Raus aus Metz - Paris ist
größer!”
88
Das Katharinenstift zu Astenet
— Bildnachlese —
von Peter Zimmer
Die Konsekration der Asteneter Stiftskapelle nahm der Kölner
Weihbischof Joseph Müller am 3. Juni 1910 vor und fertigte darü-
ber folgende Urkunde an: (Übers. v. Rektor J. Begon)
| Tosephus Ma Ik Fr ; '
7 DA apentiiene Sir mlia nn .
Eptnipaee Ulicharis Soredona: ıt Saroganrıce Cclnierlas
Z 0 mer has Alleman class VW
0 | Sohlen un Domina 2 8
Astenel, censterzsse Ecclesiam comenfus momalium a 5 Äugustian
(Celitanum) eiusque, altarı sunmum in honorem Beats Catlan
ze \M atque tüchısisse altarı praediclo Reliquias Sanctorim
Martin Rufisi M'el’o zuizinte S Gprmas MM. ef 0 weiche S Hızale
AM Mengur singe Chr Kalbe Dane scan fodin Mindachbn
man name prague die axmaersarie cmsteratiens hncsmadı quor
iagınto. dies de vorm Induigemlin 1 forma Erckeine vonsuda
Se
Inquorem Fdem has Iittems Abstya mu signatas
Aalagı Mate man aan
Oh
Urkunde der Kapellen- und Altarweihe in Astenet
(Foto A. Jansen)
”Joseph Müller... an alle Leser dieser Urkunde Heil und Gruß
im Herrn!
Wir geben kund und bezeugen, daß Wir heute im Orte Astenet
die Klosterkirche der Ordensfrauen des hl. Augustinus (Cellitinnen)
sowie ihren Hauptaltar zu Ehren der seligen Jungfrau und Märtyrin
93
Auf dem Büchermarkt
von Alfred Bertha
Für viele Alt-Kelmiser ist der Name Dovifat heute. noch mit
der gleichnamigen Apotheke an der Ecke Kirchstraße-Albertstraße
verbunden (der heutigen Apotheke Cornely) oder mit der Herausga-
be eigener Freimarken für das neutrale Gebiet von Moresnet durch
die 1886 gegründete ”Kelmiser Verkehrs-Anstalt zu Neutral-
Moresnet”, wobei der Apotheker Emil Dovifat neben dem Geh. Sa-
nitätsrat Dr. Molly eine maßgebliche Rolle spielte.
Leser unserer Zeitschrift erinnern sich vielleicht noch des in
Nr. 7 (Juni 1970) erschienenen Nachrufs auf Prof. Dr. Emil Dovi-
fat, dem aus Neutral-Moresnet stammenden Zeitungswissenschaft-
ler, der am 8. Oktober 1969 in Berlin verstarb. Seit dem Tode des be-
rühmten Publizisten war es merklich still um ihn geworden. Wenn
wir heute auf Leben und Werk dieses großen Sohnes unserer Hei-
mat zurückkommen, dann aus aktuellem Grunde, liegt doch jetzt
die erste ausführliche Biographie Dovifats vor. Es handelt sich um
Klaus-Ulrich Benedikt, Emil Dovifat, Ein katholischer Hochschul-
lehrer und Publizist, Mathias-Grünewald-Verlag, Mainz, 1986,
LXV + 258 S., DM 68,- Bd. 42 der Veröffentlichungen der Kom-
mission für Zeitgeschichte, Reihe B, Forschungen.
Angeregt wurde die Arbeit — eine Dissertation an der Ludwig-
Maximilians-Universität in München — durch Prof. Dr. Otto B.
Roegele, der Benedikt das Thema aufgab. Und es sei vorweg gesagt:
die Aufgabe wurde akkurat gelöst. Dabei kam Benedikt der Um-
stand zu Hilfe, daß die Quellenlage im Falle Dovifat äußerst günstig
ist. Ungezählte Zeitungsaufsätze und andere Schriften Dovifats ge-
ben Einblick in dessen publizistisches Wirken; viele Zeitzeugen hal-
fen, das Lebensbild des Menschen und Hochschullehrers zu zeich-
nen.
Geboren wurde Emil Dovifat am 27.12.1890 im damals noch
neutralen Gebiet von Moresnet (dem heutigen Kelmis) als Sohn des
gleichnamigen aus Malmedy/Preaix stammenden Apothekers und
dessen Ehefrau Antonia geb. Greek. Als der junge Emil Dovifat
fünf Jahre alt war, verließen die Eltern Kelmis, um sich in Köln in
der Schildergasse niederzulassen, wo der Vater die traditionsreiche
Apotheke ”Zum Golden Kopf” gekauft hatte.
Die von Klaus-Ulrich Benedikt zu Kindheit und Jugend Dovi-
fats gegebenen Einzelheiten lassen sich durch die Aufzeichnungen
94
der um ein Jahr älteren Schwester, Maria Dovifat, ergänzen. Sie trat
1912 in den Orden der Ursulinen ein und nahm den Klosternamen
Angeline an. In ihren Lebenserinnerungen (”Mein Leben”), die uns
vom Generalat der Schwestern in Ahrweiler/Calvarienberg freundli-
cherweise zur Verfügung gestellt wurden, schreibt Sr. Dovifat:
”Am 25.10.1899 wurde ich geboren als erstes Kind meiner El-
tern, Apotheker Emil Dovifat und Antonia geb. de Greek in Alten-
berg bei Aachen, - damals neutrales Gebiet. Da der Vater früh von
Malmedy weggegangen ist und in Deutschland studiert hat, war sei-
ne Familie deutscher Staatsangehörigkeit. Die Familie meines Va-
ters in Malmedy blieb aber belgisch und hat sehr darauf gehalten (1).
So gingen später mein Bruder und ich in allen großen Ferien zur
Großmutter nach Malmedy. So lernten wir als Kinder französisch,
sprechen. Bis zum 6. Lebensjahre blieben wir in Altenberg, wo mein
Vater eine Apotheke hatte... Mein Vater war ein überaus gütiger,
® La Calamine Rus ga CEgie
i x & AS A A -
1 0 SIE + Al » 60
3 | NM MEETS N m
ZB 41 EN
BE EN
Links im Bild die Apotheke Cornely, die frühere Apotheke Dovifat,
Geburtshaus des Publizisten Emil Dovifat
(1) Hier irrt Sr. Dovifat. Malmedy gehörte zur sog. preußischen Wallonie. Die Be-
wohner dieses Gebietes waren von 1815 bis zum Versailler Vertrag Untertanen
Preußens bzw. des Deutschen Reiches. Belgisch wurden sie erst nach der Abtre-
tung Eupen-Malmedys.
95
leutseliger Mann und hatte viele Freunde. Allen, gleich welchen
Standes, half er in der Apotheke, und viele kamen zu ihm und klag-
ten ihm ihr Leid. Auch die Franziskaner aus Moresnet. Wenige Ta-
ge nach meiner Geburt erzählte er einem der Patres strahlend, er ha-
be jetzt eine Tochter bekommen, worauf der Pater sogleich zur Ant-
wort gab, dann behalten Sie das Kind, bis es sich im Ordensstande
Gott zum Opfer bringt. Das erzählte er gleich meiner Mutter mit der
Bemerkung, - das kommt wohl nicht in Frage!! Er hat es später
mehrmals erzählt, immer in der Hoffnung, er brauche sein Kind
nicht herzugeben! Nach 14 Monaten kam mein Bruder zur Welt.
Leider ging der Wunsch der Mutter, viele Kinder zu haben, nicht in
Erfüllung. Die Mutter war kränklich und hat doch stets all ihre
Pflichten mit großer Treue erfüllt. Als die Zeit kam, daß wir zur
Schule mußten, zogen wir nach Köln. Dort kaufte der Vater die
Apotheke in der Schildergasse...
1905 im Herbst kam ich nach Bauffe ins Pensionat. M. Mathil-
de de Greek, meine Tante, war dort Oberin... Winter 1908 mußte
ich ein Tanzkränzchen mitmachen und Sommer 1909 erlitt mein
Vater einen schweren Schlaganfall und nun folgten bis zum Sterbe-
tag, 1. Nov. 1911, schwere Jahre! Was unsere kleine Familie an Op-
fer, Not und Schwierigkeiten durchmachte, weiß Gott allein. Mein
Bruder ging zur Universität, ich sollte doch einige Bälle und Ausflü-
ge mit Herren mitmachen usw...
1910, als meine Eltern zur Erholung weg waren und ich sie
aufsuchte, nahm ich mir ein Herz und teilte meiner Mutter den
Entschluß, ins Kloster einzutreten mit. Sie nahm alles ruhig an, zu-
mal ich ihr versprach zu bleiben, bis Gott den Vater erlöste... Sie
wußte, daß sie dann allein blieb, weil mein einziger Bruder studierte
und dann ganz sicher eine Familie gründen wollte. Eine tief from-
me, starke Frau!
1911 starb im Mai die Mutter meines Vaters. Sein Zustand
wurde immer trauriger. Die Pflege übernahm zuerst ein Alexianer-
bruder, dann ein weltlicher Krankenpfleger...
Vor Ostern 1911 zogen wir nach Aachen, Kupferstraße 20. Er-
stens lag das Haus viel schöner als die Wohnung in Köln, hatte ei-
nen Garten und der Vater konnte dort noch sitzen, später im Fahr-
stuhl leichter gefahren werden als mitten in der Stadt. Ich drängte
selbst auf den Umzug, da Mutter noch 2 Schwestern in Aachen hat-
te und so nicht allein blieb, wenn ich eintrat. Ende Oktober kam ein
neuer Schlaganfall, Vater verlor das Bewußtsein, mein Bruder, der
in München studierte, wurde schnell gerufen, die hl. Ölung gespen-
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det und wir sahen die letzte Stunde unseres geliebten Vaters kom-
men. Die Nacht zum Allerheiligenfeste beteten wir lange an seinem
Lager, bis wir nach 11 Uhr, der Mutter wegen, heraufgingen. Kurz
vor 12 Uhr rief der Wärter uns eilig! Als wir ankamen, hatte der Va-
ter den letzten Atemzug getan. Seine Seele war bei Gott!...
Ich möchte noch erwähnen, wie erregt mein einziger Bruder
war, als ich ihm auch endlich meinen Entschluß mitteilte. Er liebte
meine Mutter sehr und da ich sie nun allein ließ, war sein Schmerz
sehr groß. Er hat aber bald alles verstanden, besonders nach der Ein-
kleidung, der er beiwohnte...
Endlich legte der Bischof Korum den Termin für die hl. Profeß
fest: 21. Okt. 1914... Meine Mutter und manche Verwandte kamen,
zur Feier, mein Bruder in Uniform. Er war eingezogen worden und
in Ausbildung. Ein ernster Gedanke...”
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Schw. Angeline - Schw. Aquilina - Schw. M. Consolatrix
Mutter Angeline Dovifat, geb. Maria Dovifat, legte ihre ewigen Gelübde am
21.10.1917 ab. Die wichtigsten Stationen ihres Ordenslebens waren Ahrweiler, Kre-
feld, Aachen, Koblenz. 1952-1953 war sie Oberin in Seroule (Heusy), wo auch das Fo-
to mit den Schw. Aquilina und M. Consolatrix entstand. S. Dovifat starb in
Ahrweiler-Calvarienberg am 28. Juli 1974,
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Die Wege der Geschwister Dovifat gehen von nun an weit aus-
einander. In ihren Aufzeichnungen erwähnt Schwester Angeline
geb. Maria Dovifat ihren Bruder nur noch ein einziges Mal, und
zwar gelegentlich eines Besuches im Ministerium in Berlin i.J. 1940.
”Bei der Gelegenheit, so schreibt sie, wohnte ich einen Tag bei mei-
nem Bruder und sah meinen ältesten Neffen zum letzten Mal, er fiel
1941 in Rußland mit 20 Jahren und liegt dort begraben.”
Kommen wir zurück zu Klaus-Ulrich Benedikts Arbeit und
verfolgen wir mit dem Autor den Lebensweg des späteren Hoch-
schullehrers.
In der Domstadt verlebte Emil Dovifat seine weitere Kindheit
und Jugend; hier erhielt er im März 1911 das Reifezeugnis. Sein Be-
rufswunsch: ”Journalistik, Geschichte, Nationalökonomie”. Die
Umsiedlung der Eltern von Köln zum Aachener Marienplatz führte
ihn wieder häufiger in die Nähe seines Geburtsortes zurück.
1912 wechselte der junge Student nach Leipzig. Das Studium
wurde jäh durch den Ausbruch des Ersten Weltkrieges unterbro-
chen. Mit deutschnationaler Begeisterung meldete sich Dovifat frei-
willig zum Heer. In Langemarck und an der Somme machte er bitte-
re Kriegserfahrungen, wurde Leutnant der Reserve und erlitt im
Winter 1916-17 eine sehr schwere Verwundung, der die Rückkehr
in die Heimat und die Wiederaufnahme des Studiums folgten.
Schon im November 1918 legte Emil Dovifat sein Doktorexamen
mit einer Arbeit über die öffentliche Meinung in Sachsen i.J. 1848
ab.
Es folgten erste Berufserfahrungen als Journalist bei verschie-
denen Zeitungen, doch recht bald begann auch Dovifats Lehrtätig-
keit, erst an der Volkshochschule in Stettin, dann ab 1925 in Berlin
am Deutschen Institut für Zeitungskunde, dessen Leitung er 1928
übernahm. Gleichzeitig wurde er außerordentlicher Professor für
Zeitungswissenschaft.
Das Zentrumsmitglied Dovifat konnte dem Dritten Reich
nicht passiv gegenüberstehen. Sein starkes Engagement in der Ka-
tholischen Union, das beim Märkischen Katholikentag zum Aus-
druck kam, wo er am 24.6.1934 das Schlußwort sprach und es wag-
te, sich unzweideutig gegen den Haß zu stellen und ein Bekenntnis
zur christlichen Nächstenliebe abzulegen, zog ihm die Feindschaft
der braunen Machthaber zu. Nur mit Mühe entging Dovifat der
Verhaftung; einen Monat später wurde er in den Ruhestand ver-
setzt. Dem Nazi-Regime galt der Professor als politisch unzuverläs-
sig. Auf mannigfaltigen Druck hin nahm das Kultusministerium im
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Oktober 1934 die Entscheidung bzgl. der Versetzung in den Ruhe-
stand zurück. Emil Dovifat durfte seinen Lehrstuhl behalten, wo er
nun zwischen den Zeilen ”Dinge sagte, die es sonst nicht zu hören
gab”.
Es galt jedoch, Vorsicht walten zu lassen und Material im Hin-
blick auf die Nach-Hitler-Zeit zu sammeln, auch wenn dabei manch-
mal der Eindruck entstehen mußte, der Professor sei dem Regime
nicht ungünstig gesonnen...
Seine Vorsicht äußerte sich auch darin, daß er darauf achtete,
daß ”verdächtigen” Forschungsarbeiten an seinem Institut entspre-
chend ”linientreue” Vorhaben entgegengestellt wurden...
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Emil Dovifat,
”der Professor aus Moresnet. Er lehrte die Kunst, eine Zeitung zu machen”.
(Aachener Volkszeitung, 10. Okt. 1969)
Die ersten Nachkriegsjahre sehen Emil Dovifat stark politisch
engagiert. Mit gleichgesinnten Freunden bemüht er sich um die
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Gründung eines neuen ”Zentrums”, das einem ”christlichen Sozia-
lismus” verpflichtet sein sollte. Daraus entstand die ”Christlich-
Demokratische-Union Deutschlands”(CDU). Dovifat wurde Chefre-
dakteur der von dieser Partei herausgegebenen Tageszeitung "Neue
Zeit” und war maßgeblich an der Gründung von Ortsgruppen der
Partei in Groß-Berlin und Umgebung beteiligt.
Schwierigketen mit der Sowjetischen Militärverwaltung in Ber-
lin führten zu immer stärkerer Einschränkung der publizistischen
Arbeit Dovifats. Aus Protest gegen die Einmischung der Sowjets in
die Parteiarbeit verließen 10 der 12 Referenten die Ostberliner Par-
teizentrale, unter ihnen auch Emil Dovifat, der wesentlichen Anteil
an der Kozeption der neuen, in West-Berlin erscheinenden Tageszei-
tung ”Der Tag” hatte.
Nebenher war Emil Dovifat Verwaltungsratsmitglied des
NWDR; nach der Dezentralisierung dieser Anstalt war er Mitglied
des Rundfunkrates des Senders Freies Berlin. ”In diesen beiden Gre-
mien hat Dovifat die Entwicklung des deutschen Rundfunks nach
dem Kriege mitgeprägt.”
Zwar gehörte Prof. Dovifat nicht zu den Gründern der Freien
Universität Berlin, doch leitete er von Anfang an dessen "Institut
für Publizistik”.
Der CDU blieb er weiterhin verbunden und trat nicht nur in
Wahlkämpfen für sie auf.
Auch nach seiner Emeritierung i.J. 1959 blieb Emil Dovifat
publizistisch tätig. Er gab .das ”Handbuch der Publizistik” heraus,
dessen ersten Ausgabeer er selbst verfaßte und dessen dritter Ausgabe kurz
vor seinem Tode erschien. Emil Dovifat starb in Berlin am 8. Okto-
ber 1969 im Alter von 78 Jahren an den Spätfolgen der im Ersten
Weltkrieg erlittenen Verwundung. Er ruht auf dem Friedhof von
Berlin-Zehlendorf.
Nachdem K.-U. Benedikt so das ”biographische Gerüst” er-
stellt hat, untersucht er eingehend die journalistische Arbeit Dovi-
fats bei den verschiedenen Zeitungen, in Frankfurt/O., Stettin und
Berlin. Der spätere Hochschullehrer erscheint uns als ein sozialpoli-
tisch engagierter Mann, der sich vergebens der Gleichschaltung
der Presse durch die Nazis widersetzte. und den Ausschluß von
Juden und Marxisten aus dem Reichsbund Deutscher Presse (DRP)
zu kritisieren wagte. Benedikt geht in diesem Zusammenhang sehr
ausführlich auf die Medienpolitik und Medienkritik im Dritten
Reich ein und zeigt anhand von Textstellen, daß sich Dovifat immer
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für eine an sich unabhängige Presse ausgesprochen, doch auch die
Zeitung als "Mittel der Staatsführung” anerkannt hat. Den Willen
der Führung solle die Zeitung dem Leser vermitteln, aber auch ”auf
die Meinungsbildung von unten her” lauschen. So entstehe ein ”auf-
und absteigender Strom des Vertrauens”, der schließlich allein geeig-
net sei, "dem Führer die Herzen zu erobern und sie zu behalten
auch dann, wenn Krisen, Rückschläge und Enttäuschungen kom-
men”.
Aus solchen und ähnlichen Äußerungen ist leicht ersichtlich,
wie schmal der Grat war, auf dem Professor Dovifat in den Jahren
der Naziherrschaft wanderte... Die Frage, ob Dovifat manches nur
zu Tarnzwecken gesagt hat, im Grunde aber dem Widerstand gegen
Hitler zuzurechnen sei, ist schwer zu beantworten. S 5
In einem weiteren, dem ausführlichsten Kapitel, geht Benedikt
auf den Wissenschaftler Dovifat ein, auf dessen Veröffentlichungen
sowie dessen Arbeit als Hochschullehrer. Hier wird erneut auf die
Gratwanderung des Publizisten hingewiesen, der sich so auszu-
drücken wußte, ”daß Leute, die hören konnten, wußten, was ge-
meint war”, der aber auch bereit war, ”in Sprache und Inhalt” Kom-
promisse einzugehen.
Der Autor untersucht, wie Dovifat den engen Rahmen der Zei-
tungswissenschaft sprengt und die Publizistik definiert als ”jede öf-
fentlich bedingte und öffentlich bewirkte geistige Beeinflussung und
Leitung, die auf dem Wege der Gesinnung durch freie Überzeugung
das Handeln der Menschen zu lenken und zu bestimmen sucht”.
Dieser Definition entsprechend bezog Dovifat alle Massenmedien
wie Rundfunk, Film etc. in seine Untersuchungen ein. Dabei beton-
te er bis zuletzt die Rolle der Geisteswissenschaft und der Gesin-
nung, die die Grundlagen der Publizistik darstellten, und er wehrte
sich gegen die ”eintrocknende mathematische Empirie”.
Benedikts Arbeit geht auch auf Dovifat als ”Förderer der Aus-
und Fortbildung der Journalisten” ein und widmet schließlich ein
abschließendes Kapitel dem Engagement Dovifats als Katholik.
Klaus-Ulrich Benedikts Arbeit über Emil Dovifat ist weit mehr
als eine Biographie. Es ist ein großes Stück deutscher und europäi-
scher Zeitgeschichte, das vor unseren Augen abrollt. Der Name
Emil Dovifats bleibt unlösbar mit der Lehre von der Publizistik ver-
bunden. Daß die Wiege dieses großen Mannes in Kelmis gestanden
hat, sollte dort nicht vergessen werden.
MM
101
”Ich bin mir persönlich völlig im klaren darüber, daß das Ge-
meindeleben und das Pfarrleben von Kelmis nie zudem geworden
wären, was sie heute noch sind, ohne die Präsenz und das Wirken
der christlich-sozialen Organisationen, welche sich in der Christli-
chen Arbeiterbewegung (CAB) zusammengefunden und deren le-
bendige und führende Kraft die CSC geworden ist. Diese Organisa-
tionen haben das kulturelle, soziale, politische und auch religiöse Le-
ben von Kelmis zutiefst geprägt...”
So schreibt Victor Franssen, ehemals Kaplan in Kelmis und
geistlicher Berater der Kelmiser CAB, im Vorwort einer aus Anlaß
der Hunderjahrfeier des Christlichen Gewerkschaftsverbandes
(CSC) durch die Autorengruppe Firmin Pauquet, Peter Zimmer, Pe-
ter Claes, Eddy Klöcker und Herbert Ruland unter dem Titel Ar-
beit, Kampf und Glaube-herausgegebenen sozialgeschichtlichen Un-
tersuchung zum Werdegang der christlichen Arbeiterbewegung im
Kelmiser Raum. (1)
In drei historisch sehr fundierten und auf langjähriger For-
schungsarbeit beruhenden Kapiteln steckt Firmin Pauquet erst den
politischen und wirtschaftlichen Rahmen ab, um alsdann näher auf
die Lage der Altenberger Arbeiterschaft im Ancien Regime und in
der neutralen Zeit einzugehen. Er stellt besonders die vielen von der
Gesellschaft der ”Vieille Montagne” zugunsten ihrer Arbeiterschaft
ergriffenen Sozialmaßnahmen vor. Erinnert sei nur an die schon
1839 gegründete Arbeiterkasse, die Errichtung einer Krankenpfle-
gestation sowie einer Betriebsapotheke, den Bau der ersten Sozial-
wohnungen in Kelmis, den verbilligten Bezug von Lebensmitteln,
die Erhebung des Ortes zur selbständigen Pfarre, die Eröffnung ei-
ner Schule usw.
Die paternalistische Haltung des Arbeitgebers ließ der Entfal-
tung gewerkschaftlicher Aktivitäten keinen Raum. Bei Aufmüpfig-
keit der Arbeiter hat die Gesellschaft nie gezögert, hart durchzugrei-
fen und die Uhruhen durch fristlose Entlassungen im Keime zu er-
sticken.
Der Autor geht auch auf die zahlreichen in Kelmis bestehen-
den Unterstützungs- und Bildungsvereine ein, die als Vorstufen ei-
ner christlichen Arbeiterbewegung angesehen werden können.
(1) Selbstverlag der Autoren. 251 S., 600 F. Bezugsadresse: CSC, Rue Laoureux, 28,
B-4800 Verviers.
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Herbert Ruland, der an der Volkshochschule in Eupen lehrt,
veröffentlicht interessante Daten, Fakten und Zahlen zur Entwick-
lung der Gewerkschaften auf dem Gebiet von Kelmis-Hergenrath.
Anhand von bisher unveröffentlichtem Quellenmaterial zeigt auch
er, wie schwierig es für die Altenberger Zinkarbeiter war, sich ge-
werkschaftlich zu organisieren, wobei die Ortspresse (”Das Freie
Wort”) ganz auf Seiten der Arbeitgeber stand und dieselben sogar
aufforderte, gegen unbotmäßige Arbeiter ”ohne jede Rücksicht zu
handeln”.
Als der Erste Weltkrieg ausbrach, war Neutral-Moresnet ge-
werkschaftlich gesehen noch Brachland. In den Jahren 1920-22
geht der Aufbau einer christlichen Gewerkschaftsbewegung im
nunmehr belgischen Kelmis jedoch zügig vonstatten. Als erste grün- *
den die Eisenbahner und Postbeamte eine eigene Sektion; die
”Francs Mineurs”, die Bergarbeitergewerkschaft, faßt Fuß in Kel-
mis und die Gewerkschaftspresse ”Das Neue Leben” hat im August
1920 schon mehr als 500 Abnehmer.
Der 1914 gegründete Katholische Arbeiterverein, der ur-
sprünglich keine politischen, sondern religiös-Kulturelle Zielsetzun-
gen hatte, trat bei den Gemeinderatswahlen 1923 mit einer eigenen
Liste an.
In den Kapiteln über die JOC (Christliche Jungarbeiter-
Bewegung) die christliche Gewerkschaft der Francs-Mineurs, den
Katholischen Arbeiterverein, werden ausführliche Rückgriffe auf in
dieser Zeitschrift aus der Feder von Peter Zimmer bzw. Peter Claes
erschienenen Beiträgen getätigt. Ausführlich beschrieben wird auch
der nach dem Zweiten Weltkrieg durchgeführte Wiederaufbau der
christlichen Arbeiterorganisationen und deren immer stärkerer poli-
tischer Einsatz. Von hohem dokumentarischem Wert sind dabei die
vielen eingestreuten Fotos, Wahlplakate und Wahlaufrufe.
In einem ”Ausblick” definiert Bezirkssekretär Eddy Klöcker
die Rolle der Gewerkschaften in einem gewandelten wirtschaftli-
chen Umfeld. Die christliche Gewerkschaft wolle auch in Zukunft
ein Mitstreiter sein, der Vorschläge mache und lehne es ab, in dieser
schwierigen Zeit einfach zu schweigen...
Arbeit, Kampf und Glaube: eine verdienstvolle Arbeit, die ein
breites Leserpublikum anspricht. Die zahlreichen Stil- und Druck-
fehler wären in einer Neuauflage zu verbessern.
103
.... ° °
Tätigkeitsbericht 1987
von Freddy Nijns
Auch im vergangenen Jahre konnte ein reichhaltiges und abwechslungsreiches
Programm angeboten/werden.
Am 25, Jan. fand die Jahreshauptversammlung im Kulturzentrum ”Select”
statt. Nach Erledigung der üblichen Tagesordnungspunkte (Tätigkeitsbericht, Kas-
senbericht etc.) gingen die zahlreich erschienenen Mitglieder auf eine Reise rund um
den Globus. Reiseleiter und Kommentator der vielen außergewöhnlichen Dias war
Herr Jean-Marie Frings aus Hergenrath.
Der für den 19. Februar vorgesehene Vortrag von Dipl. Ing. Lutz-Henning
Meyer, Aachen, über die einstige und heutige Nutzung von Industriebauten mußte
wegen besonderer Umstände verlegt werden.
Am 21. März fand die erste Ausfahrt des Jahres statt. Sie führte die Teilnehmer
nach Monschau, wo u.a. die Glashütte besichtigt wurde und jeder sich selbst im
Gilasblasen versuchen konnte. Vom 28. März bis zum 3. April boten wir im Museum
eine Ausstellung über ”Biersorten aus aller Welt und ihre Geschichte” an. Diese
Ausstellung stieß beim Publikum auf ein sehr reges Interesse,
Nach den Werksbesichtigungen der früheren Jahre — Kabelwerk Eupen und
Molkerei Walhorn — fanden sich am 8. April mehr als hundert Interessenten zu ei-
ner Besichtigung der Ketteniser Filztuchfabrick von Asten ein.
Ebenfalls im April stellte der Aachener Hobbymaler Hans Jansen eine Auswahl
seiner Aquarelle im Museum aus. Für seine Arbeiten, u.a. viele Motive aus dem
Göhltal, erntete der Künstler viel Lob und Beifall.
Als letztes Teilstück der Wanderung entlang der Göhl von der Quelle bis zur
Mündung gingen die Wanderfreunde unserer Vereinigung am 3. Mai von Valken-
burg bis zur Göhlmündung bei Iter.
Die Besichtigung der Mergelgruben bei Valkenburg war dabei eine besondere
Attraktion.
Am 10. Mai führte eine weitere Wanderung rund um die Emmaburg. Beide
Wanderungen erfreuten sich regen Zuspruchs. Am Treffen der Geschichtsvereine
(30.5.), dieses Mal ausgerichtet vom Geschichtsverein "Zwischen Venn und Schnei-
fel”, nahm auch eine Delegation unserer Vereinigung teil. Diese Treffen dienen ei-
nem besseren Kennenlernen und der freundschaftlichen Zusammenarbeit der daran
teilnehmenden Vereine aus Belgien, Deutschland und Luxemburg.
Im Laufe der letzten Jahre hat die Exekutive der Deutschsprachiden Gemein-
schaft mit öffentlichen Mitteln eine größere Anzahl von Kunstwerken heimischer
Künstler angekauft. Einen Teil dieser Werke stellte sie vom 31. Mai bis 21. Juni im
Museum an der Maxstraße aus. Auch diese Ausstellung zog viele Besucher an.
Eine Woche lang, vom 31.5. bis 28.6., lief dann im Museum eine Ausstellung
über das historische Schützenwesen im Kelmiser Raum.
Eine Tageswanderung um die ”’Hohe Mark” (ein Venngebiet bei Kalterherberg)
stand am 21. Juni auf dem Programm.
Eine weitere Facette des Kelmiser Vereinswesens wurde in Zusammenarbeit
mit dem Cercle Musical, Kelmis, vom 1.-9. August in den Museumsräumen vorge-
stellt. Fotos und Vereinsobjekte dokumentierten mehr als 40 Jahre Vereinsleben des
aus der Altenberger Bergwerkskapelle hervorgegangenen traditionsreichen Musik-
vereins, Das im Museumspark stattfindende Sommernachtsfest trug wesentlich zum
regen Besucherfluß dieser Ausstellung bei.
Höhepunkt der diesjährigen Veranstaltungen war zweifellos die unter der Füh-
rung des Präsidenten, Herrn Herbert Lennertz, angebotene Studienfahrt nach Berlin
vom 19.-23. August. Ein umfangreiches Besichtigungsprogramm dieser Weltstadt
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zwischen Ost und West hinterließ bei allen Teilnehmern bleibende Eindrücke.
Nach Linnich, eine der ältesten Städte an der Rur, führte eine Ausfahrt am
5. September, während am 16. desselben Monats eine Besichtigung der Eupener
Kabel- und Gummiwerke auf dem Programm stand.
Die Zollämter unserer Gegend und deren Geschichte dokumentierte eine Serie
von Zeichnungen des niederländischen Zollbeamten Alb, Bastings, die vom 19.-27.
September im Museum ausgestellt waren.
Einen großen Erfolg verbuchte die aus Anlaß des 150-jährigen Bestehens der So-
ciet€ de la-Vieille Montagne am 2. Oktober eröffnete Ausstellung über die Geschich-
te dieser eng mit Kelmis verbundenen Gesellschaft und die verschiedensten Anwen-
dungsbereiche von Zink in Kunst und gewerblicher Wirtschaft.
Die letzte Ausfahrt des Jahres führte am 18. Oktober in die Edelsteinstadt Idar-
Oberstein a.d. Nahe, die Weltmetropole von Juwelen und Diamanten.
In der ersten Novemberwoche wurde unser Museum wiederum durch eine Aus-
stellung zum Anziehungspunkt vieler Besucher: Frau Marg. Wahl zeigte eine Aus-
wahl von Aquarellen, Ölgemälden und Collagen. Natur- und Reiseeindrücke hatte
die Künstlerin in dieser vielbeachteten Schau mehrjährigen Schaffens in kluger Do:
sierung zusammengestellt.
Das ”Beginenwesen zwischen Maas und Rhein”: dies war das Thema eines Re-
ferats von Frau Fischer-Holz, Aachen, im Versammlungsraum des Museums am 20.
November.
Damit schloß das Veranstaltungsprogramm für 1987. Die Mitgliederzahl konn-
ten wir konstant bei rund 800 halten. Allen unseren Mitgliedern wurden die beiden
im Laufe des Jahres erschienenen Nummern 40 und 41 unserer Zeitschrift zugestellt.