Im Göhltal
ZEITSCHRIFT DER VEREINIGUNG
FÜR
KULTUR, HEIMATKUNDE UND GESCHICHTE
IM GÖHLTAL
Nr 41
August 1987
Veröffentlicht mit der Unterstützung des Kulturamtes der
deutschsprachigen Gemeinschaft
Vorsitzender: Herbert Lennertz, Stadionstraße 3, 4721 Neu-Moresnet.
Sekretariat: Maxstraße 9, 4721 Neu-Moresnet, Tel. 087/65.97.67
Lektor: Alfred Bertha, Bahnhofstraße 33, 4728 Hergenrath.
Kassierer: Fritz Steinbeck, Hasardstraße 13, 4721 Neu-Moresnet.
Postscheckkonto N" 000-0191053-60
Die Beiträge verpflichten nur die Verfasser.
Alle Rechte vorbehalten.
Entwurf des Titelblattes: Alfred Jansen, Moresnet-Kapelle.
Druck. Hubert Aldenhoff, Gemmenich.
3
Inhaltsverzeichnis
A. Jansen, Zum Umschlagbild 5
Moresnet-Kapelle
W. Promper, Bruder Maternus Laschet (1875-1966)
Münster Missionar der Aussätzigen
auf Molokai 8
Leonie Wichert-Schmetz Herbstfeier 43
Bad-Driburg
W. Meven, Hergenrath Die Aachener Kleinbahn kommt
nach Kelmis (Forts.) 44
M.-Th. Weinert, Aachen Der Puppenbrunnen 58
P. Zimmer, Astenet Das Katharinenstift (Schluß) 60
P. Claes, Brüssel Eine Kelmiser Institution:
die Patronage 43
A. Bertha Unter Denkmalschutz:
Burg Raaf in Eynatten 99
A. Bertha Auf dem Büchermarkt 101 ;
M.-Th. Weinert Uhledu 103
Hinweis an unsere Leser 104
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LS Lektor: Alfred Bertha, Bahnhofstraße 33, 4728 Hergenrach
Kaas: Fritz Steinbock, Hasardstraße | uBSld(Fcu Morsinet. Items W „AT-M
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Alle Rechte vorbehalten
Entwurf des Titelbleres Alfred Jansen, Maresnet-Kapeile = )
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Zum Umschlagbild
von Alfred Jansen
Vorbemerkung
Heute erscheint unsere Zeitschrift erstmals in einem ”neuen Kleid”. Das vertraute
Bild der beiden Göhltal-Brücken mußte einem Architektur-Bauwerk weichen.
Wir werden von nun an jeweils eine Abbildung aus den ”Delices du Duche de Lim-
bourg” von (*) Guy Poswick und dazu einen erläuternden Text bringen.
Für die freundliche Genehmigung des Abdrucks sind wir Frau Poswick (Limbourg)
sehr zu Dank verpflichtet.
Das ehemalige Kreuzherrenkloster Brandenburg
b. Raeren
Mit seinem mittelalterlichen und trutzigen Aussehen ist das al-
te Kloster Brandenburg im idyllischen Itertal bis auf den heutigen
Tag ein auffälliger Gebäudekomplex geblieben.
Vormals Bestandteil der Gemeinde Raeren, an der nordöstli-
chen Grenze des früheren Herzogtums Limburg gelegen, wurde der
Ortsteil Sief 1920 Belgien zugeschlagen, zwei Jahre später aber
Deutschland zurückgegeben.
Begründet wurde diese Rückgabe dadurch, daß eine Pumpsta-
tion der Aachener Trinkwasserversorgung auf Brandenburger Ge-
biet lag. Wahrscheinlich um die Mitte des 14. Jahrhunderts erbaut,
war die Brandenburg Eigentum der im Aachen-Limburger Raum
ansässigen Familie gleichen Namens, bestand zu der Zeit aber nur
aus einem viereckigen Wohnturm, vergleichbar mit Burg Raaf,
Weims oder Haus Raeren.
1444 wurde die Burg von Johann v.Eynatten umgebaut und
mit einem durch die Iter gespeisten Wassergraben umgeben.
Im Laufe der Jahrhunderte wurden dann die verschiedenen
Anbauten getätigt. So entstand der Baukomplex, den wir heute
noch vorfinden. Der obengenannte Joh. v.Eynatten überließ die
Burg i.J. 1452 Ritter Gilles v.Brandenburg. Dieser stand seit seiner
frühesten Jugend im Dienste des mächtigen Grafen Robert v.Virne-
burg. Als Gläubiger des Herzogs Johann IV. von Brabant und Lim-
burg besaß der Graf eine Zeitlang als Pfand und zur Nutznießung
das Herzogtum Limburg. Nach seinem Tode im Jahre 1459 heirate-
te die Witwe Gilles v.Brandenburg. Die Familie lebte fortan in Som-
breffe (Namür).
6
Da diese Ehe kinderlos blieb und Gilles v.Brandenburg der
Letzte seiner Familie war, beschloß das Ehepaar, Brandenburg mit
seinem Mobilar und Liegenschaften dem Orden der Kreuzbrüder zu
vermachen und ein Kloster für 12 Mitglieder dieses Ordens zu grün-
den. Die Schenkung wurde von der Lehnskammer des Aachener
Marienstiftes am 10. April 1477 beurkundet.
Die neue Bestimmung der Burg bedingte natürlich den Bau ei-
ner Kirche für die Klostergemeinschaft, wie in der Urkunde ver-
merkt war: ”eyne nuwe Kirche vuer eyn ewich Gotzhuisz zu Bran-
denburch op seynen Hoeve bynnen dem Kirspel van Walhorn gele-
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Dazu bedurfte es der Erlaubnis des Fürstbischofs von Lüttich.
Nachdem dieser dem Vorhaben zugestimmt hatte, wurde das Got-
teshaus auf Kosten des Stifters vor der Burg zur Südseite hin errich-
tet und am 17. September 1485 feierlich konsekriert.
Ständig bemüht, das Kloster zu unterstützen, ließ der Ritter
ebenfalls ein Gästehaus errichten und versah das Innere der Kirche
mit dem notwendigen Mobilar.
Wenn das Kloster auch mit ausgedehntem Grundbesitz ausge-
stattet war, so blieb es doch ohne große Ausstrahlung. Die in der
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Der Wappenstein der Klostergründer Gilles von Brandenburg
und Margarethe von Sombreffe, früher i.d. Brandenburg,
heute im Aachener Heimatmuseum
(Foto A. Jansen)
7
Nähe gelegene Benediktinerabtei Kornelimünster, die eigene isolier-
te Lage und die unruhigen Zeiten mögen dafür verantwortlich ge-
wesen sein, daß Brandenhurg nach einer anfänglichen kurzen Blüte-
zeit einen langsamen, aber unaufhaltsamen Rückgang erlebte.
Für die fünf in dem baulich und wirtschaftlich herunterge-
kommenen Kloster verbliebenen Kreuzherren mag es fast eine Erlö-
sung gewesen sein, als Kaiser Josef II. am 6.3.1784 u.a. die Aufhe-
bung des Klosters Brandenburg befahl, dessen Eigentum unter
staatliche Verwaltung gestellt wurde. Der mit der Verwaltung be-
auftragte Notar Joh. Vinzenz Franz Pelzer erwirkte i.J. 1789 die Er-
laubnis, den gesamten Besitz für 60.000 Lütticher, bzw. 40.205 Bra-
banter Gulden an Peter Breuls aus Eupen zu verkaufen.
Die landwirtschaftliche Nutzung der ehemaligen Klosterge-
bäude führte zu baulichen Veränderungen: die Kirche wurde zur
Scheune, der Turm niedergelegt, die Fenster vermauert. Der Fried-
hof fiel wüst, die Wassergräben wurden zugeschüttet, die Zug-
brücke entfernt, die Freitreppe machte einem Anbau Platz. Einige
sakrale Gegenstände waren nach Aufhebung des Klosters in die
Raerener Pfarrkirche gelangt.
Quellennachweis:
Poswick, G., Les Delices du Duche de Limbourg
Gielen, V., Raeren und die Raerener im Wandel der Zeiten, 2. Aufl. 1976
Quix, Ch., Beiträge zu einer historisch-topographischen Beschreibung des Kreises
Eupen, Aachen 1837
Buchet, Arsene, Notes d’Histoire Limbourgeoise - Le Prieure des Croisiers de Bran-
debourg ä Raeren (1477-1784)
9
Bruder Maternus Laschet (1875-1966)
Missionar der Aussätzigen auf Molokai
von Werner Promper
Gerhard Laschet gehört neben anderen Persönlichkeiten, die
im Lauf der Jahre in dieser Zeitschrift vorgestellt wurden, zu den
großen Söhnen des Göhltals. Da wahrscheinlich die meisten Leser
— wie bis vor kurzem auch der Verf. dieses Beitrags — wohl kaum
je von ihm gehört haben, dürften eine kurze Schilderung der
außergewöhnlichen Umstände, die mich auf seine Spur brachten,
sowie eine Lebensskizze nicht unwillkommen sein.
Vor einigen Jahren besuchte mich im Institut für Missionswis-
senschaft der Universität Münster in Westfalen, an dem ich (als
Priester der Diözese Lüttich) von 1964 bis 1984 tätig war, eine pen-
sionierte Lehrerin (Therese Bruns, geb. 1906), die einer Veröffentli-
chung unseres Instituts entnommen hatte, daß ich als Belgier vor-
dem am Lateinamerika-Kolleg der Universität Löwen gewirkt hatte.
Sie trug mir ihr Anliegen vor: eine Biographie ihres Großonkels her-
auszugeben. Der Bruder ihrer (1924 verstorbenen) Großmutter war
in der Tat kein anderer als Bischof Hermann Köckemann, von 1882
bis 1892 Apostolischer Vikar der Sandwich-Inseln (seit 1898 unter
dem Namen Hawaii-Inseln den USA angegliedert, seit 1959 fünfzig-
ster Bundesstaat der USA), zu denen auch die durch P. Damian De-
veuster allgemein bekannt gewordene Aussätzigeninsel Molokai ge-
hört. Köckemann (1828 in Ostbeveren bei Münster geboren) war
nach dem Abitur 1849 in das Noviziat der Picpus-Missionare (Pa-
tres von den Heiligsten Herzen) in Löwen eingetreten, da es damals
in Deutschland noch keine Missionsgesellschaft gab, bis der Mün-
steraner Diözesanpriester Arnold Janssen 1875 das erste deutsche
Missionshaus gründete (wegen des Kulturkampfes unter Bismarck in
Steijl, Niederlande). Bischof Köckemann wird in allen Lebensbe-
schreibungen Pater Damians (1840-1889) ausführlich erwähnt (vgl.
z.B. Wilhelm Hünermann: Priester der Verbannten).
Als ich später in Honolulu Archivstudien betrieb, entdeckte
ich insgesamt vierzig deutsche Missionare, die über das Löwener
- Missionshaus nach Hawaii ausgereist waren und dort zusammen
mit Franzosen und Belgiern gewirkt haben. So nennt das Personal-
register des Missionsarchivs in Honolulu unter Nr. 109 auch ”Bru-
der Maternus (Taufname Gerhard) Laschet, geb. zu Moresnet (Erz-
diözese Köln) am 11. Okt. 1875”.
11
Preußisch-Moresnet (seit dem Versailler Vertrag: Neu-
Moresnet) gehörte damals zur Pfarrei Hergenrath. Erst 1947 wurde
es der 1858 gegründeten Pfarrei Kelmis (1816-1919 Neutral-
Moresnet) eingegliedert. Aus dem Taufregister von Hergenrath
(Eintrag Nr. 50/1875) konnte ich die ersten Daten zur Familie von
Gerhard Martin Laschet erheben. Er erblickte das Licht der Welt
als drittes Kind der am 9. Mai 1867 in Preußisch-Moresnet getrau-
ten Eheleute Martin Nikolaus Laschet (geb. am 7. Juni 1837 in Her-
genrath) und Maria Theresia Jacquemin (geb. am 26. März 1844 in
Neutral-Moresnet). Am gleichen Tag wurde er in der Hergenrather
Pfarrkirche St. Martinus von Kaplan Karl Joseph Bienefeld (geb. zu
Neuß 1843, Kaplan, später Pfarrverweser von Hergenrath 1871 bis
1888, Rektor in Eupen 1888-1891, Pfarrer von Mackenbach bei St.
Vith 1891-1896, gestorben als Pfarrer von Rurich bei Hückelhoven
1912) getauft. Als Paten verzeichnet das Taufregister Gerhard Mül-
ler und Anna Barbara Wertz. Gerhard Müller (geb. 1841) war der
Ehegatte einer Schwester des Vaters von Gerhard Laschet: Anna
Maria Gertrud Laschet (geb. am 28. Okt. 1834 in Hergenrath). An-
na Barbara Wertz war (seit 15. Okt. 1889) die zweite Ehefrau des
aus Hergenrath gebürtigen, von Katharina Mattele (gest. 1888) mit
zehn Kindern verwitweten Christian Joseph Laschet (1847-1916).
Großmutter väterlicherseits von Gerhard Laschet war Anna Maria
Gertrud Wertz (geb. am 20. Aug. 1800 in Sippenaeken).
Damals besaß der aus Rötgen stammende Industrielle August
Kirschgens (1840-1909).im Göhltal zwei Mühlen: 1) die als Wollwä-
scherei betriebene (in Preußisch-Moresnet gelegene) sog. Kelmiser
Mühle (siehe Bild), in der Martin Nikolaus Laschet zunächst als Ma-
schinenwärter tätig war und bei der Geburt seines Sohnes Gerhard
auch noch wohnte; 2)die als Spinnerei betriebene Hergenra-
ther Mühle, zu der Gerhards Vater später überwechselte. Am 23.
Februar 1884 brachte das Korrespondenzblatt für den Kreis Eupen
folgende Nachricht: ”Mittwochabend [am 20. Februar] wurde die
Spinnerei des Herrn August Kirschgens in Hergenrath ein Raub der
Flammen. Gegen 8 Uhr traf die Altenberger Feuerwehr an der
Brandstätte ein. Dieselbe sah sich jedoch mit Rücksicht auf den
großen Umfang des Feuers genötigt, ihre Tätigkeit auf den Schutz
der benachbarten Gebäude (Wollwäsche und Lohmühle) zu be-
schränken, deren Rettung ihr auch gelang. Leider wurde bei dem
Brande das ganze Hab und Gut des in der Fabrik wohnenden, nicht
versicherten Heizers Martin Laschet vom Feuer vernichtet. Die
13
Steinebrück ist gegenwärtig der obere Teil der Eupener Straße, die
über Köpfchen an die belgische Grenze führt (Steinebrück 10 wurde
später Eupener Str. 195, jetzt Eupener Str. 200).
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Haus Metzgerei Knops, Steinebrück 10, heute Eupener Str. 200, Aachen
(Aufnahme aus dem Jahre 1928)
Auf dem Gelände der ehemaligen Fabrik wurde die Kirche der
seit 1934 etappenweise von St. Marien abgezweigten neuen Pfarrei
14
St. Gregorius errichtet. Die heutige Kirche entstand unter Pfarrer
Friedrich Boymanns (geb. 1915). Sie wurde am 11. Juni 1967 durch
Bischof Johannes Pohlschneider (1899-1975) eingeweiht.
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ST. GREGORIUS + AACHEN 1967
(Foto Ann Münchow)
Nach seinem Schulabschluß erlernte Gerhard in einer Aache-
ner Tuchfabrik das Weberhandwerk. Er strebte jedoch nach Höhe-
rem. Er wollte einem gleichaltrigen Vetter nacheifern und Priester
werden. Dieser Vetter war Joseph Peter Nyssen, geboren zu Gem-
menich am 6. Juli 1875. Eine Schwester von Gerhards Vater, Anna
Maria Hubertine Laschet (geb. am 24. Juli 1832 in Hergenrath), war
mit Johann Leonhard Nyssen aus Gemmenich verheiratet. Auch
Joseph Peter Nyssen hatte nach seiner Schulentlassung zunächst in
Aachen gearbeitet und war dann (von der überfüllten belgischen
Abtei Achel überwiesen) am 3. April 1892 in die Zisterzienserabtei
Sion in Diepenveen (bei Deventer, Niederlande) eingetreten. Die er-
hebenden Zeremonien der feierlichen Gelübde (am 14. März 1897)
sowie der Priesterweihe (am 27. November 1898) und der Primiz-
messe (am 28. November 1898), die Gerhard Laschet als Weberge-
selle miterleben durfte, hatten ihn nachhaltig beeindruckt und
5
drängten ihn innerlich zu einer Entscheidung. Er wollte Missions-
priester werden. Die Berichte über den belgischen Missionar Da-
mian Deveuster, der am 15. April 1889 mitten unter seinen ver-
bannten Schützlingen auf der Insel Molokai, wo er seit 1873 ge-
wirkt hatte, dem Aussatz erlegen war, taten im Plan der göttlichen
Vorsehung ein übriges, um den Seeleneifer des jungen Mannes in
konkrete Bahnen zu lenken. Die Patres von den Heiligsten Herzen,
denen Pater Damian ja angehörte, hatten 1893 in Simpelveld (Hol-
land), unweit von Aachen, ein Kloster gegründet, ähnlich wie die
Steyler Missionare, da ja während des Kulturkampfes in Deutsch-
land keine Klostergründungen möglich waren. Seit 1895 erschien in
Simpelveld die Zeitschrift Das Werk des Pater Damian, die in der
Ruelle’schen Accidenzdruckerei in Aachen gedruckt wurde und be-
sonders in der Aachener Gegend weite Verbreitung fand. Gerhard
Laschet war seit ihrem Erscheinen eifriger Leser dieser Zeitschrift,
in der es 1899 (S. 76) hieß: ”Es sei ausdrücklich darauf hingewiesen,
daß der freie Wille und der apostolische Liebeseifer den Pater Da-
mian unter die Aussätzigen getrieben haben. Auf einen solch
schwierigen Posten wird niemand entsendet, der nicht freiwillig sich
dazu bereit erklärt.” Im Dezember 1899 läutete Gerhard Laschet an
der Klosterpforte in Simpelveld. Er war gerade 24 Jahre alt gewor-
den. Er träumte vom Studium zur Vorbereitung auf das Priester-
tum. Die Vorsehung aber hatte einen anderen Plan. Bei einem Ge-
spräch zur Klärung der Berufsfrage bedeutete ihm der Superior, Pa-
ter Anselmus Löning (aus Lingen, 1863-1949), der auch Gründer
und Herausgeber der Zeitschrift war, daß er zum Priestertum nicht
zugelassen werden könnte, da ihm der rechte Zeigefinger fehlte, den
er durch einen Arbeitsunfall am Webstuhl verloren hatte. So
entschloß Gerhard Laschet sich, als Laienbruder-Postulant dem
Missionsorden beizutreten und sah sich vorausträumend schon un-
ter den Aussätzigen auf Molokai. Sein Traum sollte in Erfüllung ge-
hen. Am 12. Februar 1900 begann er sein Postulat in Kortrijk
(Westflandern), am 2. März 1900 wurde er eingekleidet. Am 10. Ju-
ni 1901 siedelte er zum Abschluß des Noviziats nach Löwen über,
wo er am 29. September 1901 als Bruder Maternus seine Gelübde
ablegte. Der hl. Maternus war der erste bekannte Bischof von Köln
(285-315). Bis zur Abreise in die Hawaiimission verblieb er als ”Bru-
der Koch” in Löwen.
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Nach der Gelübdeablegung am 29. September 1901 in Löwen
17
Ausreise nach Molokai
Am 5. Nov. 1904 schiffte Bruder Maternus sich zusammen mit
Pater Robert-Olivier Bogaert (aus Kortrijk, 1857-1905) und Bruder
Liborius Hengst (aus Paderborn, 1877-1954) in Antwerpen ein. Am
7. Dezember landete das Trio in der hawaiischen Hauptstadt Hono-
lulu. Bereits am 13. Dez. setzte Bruder Maternus über nach Molo-
kai, wo er in zwei Etappen (1904-1927 und 1935-1948) insgesamt 36
Jahre seines langen Lebens als Missionar der Aussätzigen verbrin-
gen sollte.
Für die Zeit von 1910 bis 1965 entdeckte ich bei seinen Fami-
lienangehörigen über achtzig Briefe. Der erste dieser mir vorliegen-
den Briefe war zur Erstkommunion zum Weißen Sonntag 1910 (in
Aachen, St. Marien) gerichtet an seine Nichte Philomena (geb.
1898), die älteste Tochter seiner Schwester Maria.
Eines der ältesten erhaltenen Poststücke ist eine Namenstags- .
karte an seinen Vater Martin (Aachen, Steinebrück 10). Obwohl die
Karte kein Datum trägt und die Briefmarke mit dem Poststempel
entfernt wurde, kann sie auf 1912 datiert werden, da Br. Maternus
schreibt: ”Die Festschrift der Generalversammlung würde mich
sehr freuen.” Es handelt sich um die 59. (seit 1848) ”Generalver-
sammlung der deutschen Katholiken” (später ”Katholikentage” ge-
nannt), die im August 1912 in Aachen stattfand.
Anläßlich des 25. Todestages von Pater Damian (15. April
1914) schrieb Br. Maternus an seine Nichte Philomena: ”Am 16.
April empfingen wir unseren Bischof von Honolulu [Libert Boey-
naems aus Antwerpen, 1857-1926], der am folgenden Tag ein feierli-
ches Pontifikalamt in der festlich geschmückten Kirche von Kala-
wao hielt, bei der auch Pater Damians Grab ist. Nach dem Hoch-
amt fand ein ’Luau’, ein kanakisches Festessen statt, also ein Kir-
mestag für die armen Aussätzigen. Ich will Dir erklären, wie ein.
Luau zubereitet wird. Gewiß wird Dein Appetit sich regen. Es wur-
den drei Schweine und ein Ochse geschlachtet, in Portionen geteilt
und in große harte Teeblätter eingebunden. Es wurde eine Grube
ausgehoben, Steine in Feuer glühend erhitzt und die Portionen da-
"zwischen gelegt und mit Blättern und Erde zugedeckt bis zum fol-
genden Tag. Solches Fleisch nach Kanakenart ist sehr schmackhaft.
Dazu wird roher Fisch und Poi serviert. Poi ist das Nationalgericht
der Kanaken. Es besteht aus einem Brei, der aus Turo, einer rüben-
ähnlichen Pflanze, zubereitet wird. Man steckt seine Finger in den
Topf und ißt nach Herzenslust. Dazu gibt es Sodawasser und andere
18
Leckerbissen.” Eine ähnliche Fleischzubereitung erlebte ich
anläßlich einer Hochzeit bei den Otomi-Indianern in Mexiko.
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Bruder Maternus bei Pater Damians Grab
Am Schluß dieses langen Briefes heißt es: ”Am Ostertag erhielt
ich einen Brief von Vetter Martin aus Gemmenich.” Dieser Vetter
war der älteste Bruder von Joseph Peter Nyssen, des Zisterzienser-
mönches Pater Aloysius (der 1937 als Prior der Abtei Sion in Die-
penveen starb). Einem Totengedenkbildchen entnehme ich, daß die-
ser Vetter Martin 1865 in Kelmis das Licht der Welt erblickte und
19
1926 als Ehegatte von Gertrud Volders (1867-1937) in Gemmenich
starb, seitdem er ”vor anderthalb Jahr vom harten Bergmannsfach
in den Ruhestand getreten war”. Von einem seiner Enkel konnte ich
erfahren, daß er in Kohlscheid auf der Zeche gearbeitet hat und lan-
ge Jahre, bis es erschwingliche Fahrräder gab, allwöchentlich den
Weg dorthin zu Fuß zurücklegte. Martin Nyssen war Präsident des
Katholischen Arbeitervereins. Er hat sich sehr eingesetzt ”für den
häuslichen Wohlstand sowie für das Wohl der Arbeiterklasse auf re-
ligiösem und materiellem Gebiet”. Der Text des Bildchens sagt wei-
ter: ”Er war voll Eifer für die Verschönerung des Herz-Jesu-
Denkmals. An seinem Grabe trauern die tiefbetrübte Gattin, sieben
Söhne, sechs Töchter ...” Damals verdienten viele Männer des Göhl-
tals den Lebensunterhalt für ihre großen Familien im Aachener
Kohlenrevier, bis sie mit der Zeit mehr und mehr bei der Eisenbahn
eine Beschäftigung fanden.
Der Bericht anläßlich der Feiern zum 25. Todestag des Pater
Damian ist das letzte vor dem Ersten Weltkrieg datierte Schreiben,
das mir vorliegt. Laut Auskunft seiner Nichte Philomena war die
Verbindung zu Br. Maternus für die ganze Dauer des Krieges unter-
brochen. Philomena verlor während des Krieges ihren Vater und ih-
ren Großvater. Bruder Materns Schwester Maria verlor ihren Gat-
ten auf recht tragische Weise. Darüber berichtet das Totengedenk-
bildchen: ”... Peter Graf, welcher am 5. Nov. 1916 in dem Militärla-
zarett zu Coblenz nach kurzem Krankenlager, versehen mit den hl.
Sterbesakramenten, infolge von Lungenentzündung sanft im Herrn
entschlafen ist. Geboren am 1. Juni 1871, lebte er seit dem 11. Juli
1897 mit Maria Therese Laschet in glücklicher Ehe, die mit sieben
Kindern gesegnet wurde. Am 25. Oktober 1916 als ungedienter
Landsturmmann zu den Waffen einberufen, erkrankte er schon
nach einigen Tagen ...” — Am 22. August 1917 starb Bruder Ma-
terns Vater ebenfalls an Lungenentzündung im Elisabeth-
Krankenhaus in Aachen. Wann und wie Br. Maternus die Todes-
nachrichten erhalten hat, ist nicht bekannt.
Über seine eigentliche Arbeit unter den Aussätzigen und in
welchem Gesamtrahmen sie sich abspielte, hat Br. Maternus nur
spärlich berichtet. So wird im Verlauf dieser Lebensskizze manches
ergänzt aus Personalregistern, Archivstücken und Publikationen
seines Ordens sowie mündlichen Mitteilungen von Verwandten und
zeitgenössischen jüngeren Mitbrüdern, um sein Wirken auf Molo-
kai in den globalen Bereich der Betreuung der Patienten einzuord-
nen. Die 676 qkm große Insel zählt etwas über fünftausend Einwoh-
21
Das erste aus der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg vorliegende
Poststück aus Molokai ist eine an Vetter Pater Aloysius Nyssen in
die Abtei Sion gerichtete Weihnachtskarte (mit eigenem Foto) vom
1. Dezember 1920. Zur Vervollständigung der Familiengeschichte
sei an einen Satz dieser Karte angeknüpft: "Hoffentlich wird Gott
unseren Vetter Joseph zum Priesterstand berufen!” Dieser Vetter
Joseph Müller (geb. am 16. April 1903) ist ein Enkel seines Paten
Gerhard Müller, der aus dem niederländischen Epen (unweit der
belgischen Grenze bei Sippenaeken), also aus.dem Göhltal stammte.
Josephs Vater, Nikolaus Hubert Müller (1871-1951), Sohn von Ger-
hard, verließ als junger Mann seine Heimat und zog, wie mancher
andere, ins Ruhrgebiet, um auf der Zeche seinen Lebensunterhalt
zu verdienen. Er ließ sich in Bottrop nieder. Dort vermählte er sich
am 1. September 1900 mit Anna Busch (gebürtig aus Mettmann bei
Düsseldorf). So kam Joseph in Bottrop zur Welt. Aufgewachsen ist
er jedoch in Schinnen, da sein Vater 1908 in das neu erschlossene
niederländisch-limburgische Kohlenrevier übersiedelte. Am 16.
März 1929 wurde Joseph Müller in Roermond zum Priester ge-
weiht. Am 31. März feierte er im Kreise seiner zahlreichen Ver-
wandten seine Primiz in Schinnen. Seine Kusine Philomena berich-
tete mir von der Feier und überließ mir ein Primizbildchen. Nach
zwanzigjähriger Seelsorgstätigkeit in seinem Heimatbistum Roer-
mond, zuletzt als Pfarrer von Asselt, ging er 1951 nach Brasilien, da
sein Arzt ihm zur Wiederherstellung seiner in deutschen Gefängnis-
sen stark angeschlagenen Gesundheit subtropisches Klima empfoh-
len hatte. Im Juli 1986 konnte ich ihn in Brasilien interviewen und
viele Einzelheiten über Familie, Charakter, Berufung und Wirken
von Bruder Maternus erfahren, mit dem er bis 1964 in regem Brief-
wechsel gestanden hatte. Die leider nur wenigen aufbewahrten
Stücke hat er mir bereitwillig überlassen. Dazu gehörte auch eine
Weihnachtskarte vom 1. Dez. 1920, also gleichen Datums wie die
an Pater Aloysius gerichtete. Eine große Überraschung war die Tat-
sache, daß ”Padre Jose Müller” mich 1961 im Löwener
Lateinamerika-Kolleg, wo ich damals tätig war, besucht und um
Vermittlung von Priestern für sein Bistum in Brasilien gebeten hat-
te. Unsere damalige Begegnung war allerdings nur kurz, da ich bei
seinem Eintreffen gerade eine Reise antrat und ihn an einen Kolle-
gen verweisen mußte. Bei der großen Zahl von Besuchern in unse-
rem Löwener Kolleg konnte ich mich an diese Begegnung nicht
mehr erinnern. So konnten wir uns erst ein Vierteljahrhundert spä-
ter in seinem gastfreundlichen Haus beim Sanatörio Säo Jose in La-
22
pa (Paranä), wo er zwar im Ruhestand lebt, aber (gemeinsam mit sei-
nem Nachfolger) noch in der Krankenseelsorge tätig ist, ausgiebig
unterhalten. Er betrachtete mich sogar als ”Vetter vierten Grades”
(tetara primo-irmäo, wie er gelehrt zu sagen pflegte), da er in seiner
Jugend in Moresnet von einer Urahne Promper gehört hatte. Mein
Vater (1890-1978) war gebürtig aus Welkenraedt.
Erster und einziger Heimaturlaub
Am 20. Feb. 1926 schrieb Br. Maternus aus Honolulu an seine
Schwester Maria: ”Ich habe am 16. Feb. Molokai verlassen und
werde am 24. von Honolulu abfahren, um die alte Heimat zu besu-
chen. Werde erst nach Belgien fahren zum Pater General [Flavien
Prat aus Frankreich, 1849-1940] und dort sehen, wann ich Euch be-
suchen werde. Macht keine Dummheiten und keine unnötigen Aus-
lagen für mich. Die Ferien werden wohl sechs Monate dauern.” Die-
sen Heimatbesuch haben alle sieben noch lebenden Kinder seiner
Schwestern Gertrud und Maria noch in bester Erinnerung. Seine
Ankunft am Aachener Hauptbahnhof hatte er von Löwen aus
rechtzeitig mitgeteilt. Besonders die Kinder und Jugendlichen waren
sehr gespannt auf den Onkel aus der fernen Mission, den sie bisher
fast alle nur vom Erzählen und aus Briefen kannten. Während die
Mütter sich für den ersten Empfang zum Bahnhof begeben hat-
ten, wartete die Jugend in der Wohnung seiner Schwester Maria
(Steinebrück 8, später Eupener Straße 193, über der Wirtschaft
Küpper, also im Haus neben dem der Metzgerei Knops, in das der
Großvater 1884 mit den drei Kindern gezogen war), wo ein Zimmer
für ihn hergerichtet war. Durch ein nicht aufklärbares
Mißverständnis ergab es sich jedoch, daß der heimkehrende Onkel,
als er am Bahnhof niemand erblickte, sich unverzüglich nach Steine-
brück begeben hatte, wo es also zunächst eine erste Begegnung mit
der Jugend gab und dann das erste Wiedersehehen mit seinen
Schwestern, die bald vom Bahnhof zurückkamen.
Als allgemeine Erinnerung an den Onkel-Missionar gelten die
wöchentlichen Spaziergänge mit Rosenkranzgebet durch den Aa-
Chener Wald zur Moresneter Kapelle, etwa 31/2 Stunden Fußwan-
derung. Auf diesen Wanderungen lauschte die Jugend den spannen-
den Erzählungen des Onkels.
Einen Teil seines Urlaubs verlebte Br. Maternus mit der Fami-
lie seines Vetters Nikola Jacquemin (1868-1961) in Weywertz. Ni-
kola war ein Sohn von Paul Kaspar (1828-1921), dem ältesten Bru-
23
der von Bruder Materns Mutter und dessen (aus Walhorn gebürti-
ger) Ehefrau Katharina Ahn (1825-1911). Nikola war verheiratet
mit Maria Katharina Assent aus Eupen (1865-1953). Vor dem Er-
sten Weltkrieg übersiedelte er von Eupen-Nispert (mit Zwischensta-
tionen in Deidenberg und Hünningen bei Büllingen) nach Wey-
wertz, wo zwei Töchter (geb. 1902 und 1905) und der jüngste Sohn
(geb. 1911) heute noch leben. Der älteste Sohn (geb. 1900) wohnt in
Faymonville. Joseph Jacquemin (1856-1948), der älteste Sohn von
Paul Kaspar, hat bis ins hohe Alter in Eupen (Judenstraße 58) eine
noch bestehende Gärtnerei betrieben. Von ihm liegt mir eine Neu-
jahrskarte an seinen Onkel Martin Laschet (Br. Materns Vater) mit
Poststempel vom 2. Jan. vor. Die Jahreszahl wurde mit der Brief-
marke entfernt. Da Martin Laschet 1917 starb, kann diese Karte
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Haus Jacquemin, Eupen, Heidberg 26 (heute 24)
24
spätestens auf 1917 datiert werden. Joseph Jacquemin schrieb da-
mals: ”Lieber Onkel! Wir erwidern herzlich Deine Segenswünsche
zum neuen Jahr für Dich und alle Lieben. Schwester Chrysologa
Jäßt auch vielmals grüßen. Bruder Maternus hat uns eine Karte ge-
schickt. Gruß von Vater und Joseph. Therese” (1865-1919, hat ei-
genhändig unterschrieben). Es ist eine Foto-Karte. Sie zeigt Therese
und Frau Bartholomäus Breuer geb. Therese Jacquemin (1883 bis
1932), Tochter von Johannes Gerhard, mit zwei Kindern vor dem
Haus Heidberg Nr. 26 (heute 24).
Schwester Chrysologa (Margarete Jacquemin, geb. am 4. Jan.
1871 in Eupen, gest. am 12. Dez. 1948) war eine Tochter von Paul
Kaspar. Sie war 1895 in den Orden der ”Armen Dienstmägde Jesu
Christi” eingetreten und hat in verschiedenen Klöstern (die meiste )
Zeit in Mönchengladbach), von 1906 bis 1943 als Oberin, gewirkt.
Sie starb im Generalmutterhaus in Dernbach bei Montabaur. Mit
dieser seiner Kusine hat Br. Maternus bis zu ihrem Tode in regem
Briefwechsel gestanden. Auch Therese wollte in den Orden eintre-
ten, ist aber auf Drängen der Eltern unverheiratet bei diesen geblie-
ben.
Während seines Ferienaufenthalts in Weywertz hat Br. Mater-
nus in verschiedenen Schulen dort und in den umliegenden Dörfern
Vorträge gehalten.
Wie ein Erinnerungsbildchen ausweist, konnte er im Juli 1926
an einer Wallfahrt nach Lourdes teilnehmen.
Höhepunkt der Urlaubszeit war ein mehrtägiges großes Fami-
lientreffen in der Abtei Sion bei Vetter Pater Aloysius Nyssen.
Auch Vetter Joseph Müller nahm (als Roermonder Seminarist) dar-
an teil. Bei meinem Besuch in Brasilien berichtete er mir ausführlich
darüber, besonders über den geistreichen Humor seines Vetters aus
der Mission. Es muß überaus lustig hergegangen sein bei diesem
”Familien-Konzil”, wie er es gern nannte. Auch Pater Ambrosius
(geb. 1903), damals noch Theologiestudent der Abtei und Schüler
von Pater Aloysius, erinnert sich bis heute noch lebhaft an dieses
außergewöhnliche Ereignis.
Die Urlaubsmonate in der Heimat — die einzigen seines langen
Lebens — haben nachhaltigen Eindruck auf Bruder Maternus ge-
macht. Am 24. August 1926 schrieb er vom Kloster Pottelberg aus
Kortrijk: "Meine lieben Angehörigen! Die schönen Tage, die ich un-
ter Euch verlebte, sind jetzt vorüber. Sie werden mir in meinem Le-
ben unvergeßlich bleiben. Ich danke Euch allen herzlich dafür, daß
Ihr so gut zu mir gewesen seid. Weil ich Euch alle so liebgewonnen
26
Am 31. August 1926 schrieb Br. Maternus auf bebildertem
Briefpapier der Canadian Pacific Steamships an seine Schwester
Maria: ”Vom Dampfer Melita auf hoher See ... Liebe Angehörige! ;
Da mir das liebe Öcher Platt noch in den Ohren klingt, will ich mal
anfangen, auf Platt zu schreiben. Die zwei ersten Tage hatten wir
schönes Wetter. Dann aber kam Nebel auf, so daß wir nicht fünf
Meter weit sehen konnten, und am Sonntag hat es ganz ’fleddig’ ge-
regnet. In Cherbourg sind noch acht Patres zugestiegen. Insgesamt
sind wir jetzt 1927 Personen auf dem Schiff. Am Sonntag hatten
wir um !/2 9 und um !/2 12 heilige Messen für die Passagiere. Ich
fühle mich wie David, als er Goliath geschlagen hat, wenn ich die
Leute bleich wie eine gekälkte Kammer sehe, wenn sie seekrank
sind und ich im Speisesaal mein Bäuchelchen auffüllen kann. Etwa .
morgen soll die kanadische Küste in Sicht kommen, und Freitag sol-
len wir in Montreal an Land gehen ...”
Die Fortsetzung dieses Reiseberichts entnehme ich einem
Schreiben an Vetter Nikola in Weywertz vom 21. Juni 1928: ”Vor
zwei Jahren war ich um diese Zeit bei Dir in Weywertz. Du fragst
nach meinen Reiseerlebnissen. Das zeigt, daß Ihr meinen früheren
Brief nicht erhalten habt ... Nach zehn Tagen landeten wir in Kana-
da. Wir fuhren dann einen Tag und eine Nacht den Sankt-Lorenz-
Strom hinauf bis Montreal. Wir waren an gewaltigen Eisbergen vor-
beigefahren, die überall im Meer herumtreiben und der Schiffahrt
sehr gefährlich sind. Von Montreal ging es per Eisenbahn nach Chi-
cago, einen Tag und eine Nacht. Nach einigen Ruhetagen ging es
wieder weiter mit der Eisenbahn fünf Tage und Nächte bis San
Francisco. Unsere Reisegesellschaft bestand aus einem Pater, mei-
ner Wenigkeit und zwei Schwestern für Hawaii. In San Francisco
logierten die beiden Schwestern bei den Armen Dienstmägden Jesu
Christi von Dernbach. Von San Francisco aus ging es wieder sechs
Tage mit dem Dampfer Maui nach Honolulu. Diese Fahrt war von
schönstem Wetter begünstigt und somit keine Ursache, um see-
krank zu werden.”
Silbernes Profeßjubiläum und erster Abschied von Molokai
Unmittelbar nach seiner Rückkehr feierte Br. Maternus am 29.
Sept. 1926 in Honolulu sein silbernes Profeßjubiläum und erneuerte
feierlich seine Gelübde. Am 1. November schrieb er an seine Schwe-
ster Maria: ”Ich habe Deinen Brief vor kurzem erhalten. Herzl.
Dank für die Glückwünsche. Der Brief von Philomena hat mich
28
sehr gefreut. Ich erhielt denselben am Jubiläumstage. An diesem Ta-
ge habe ich besonders an Euch gedacht, vor allem da die sinnreiche
Karte Euer aller Segenswünsche aussprach. Jetzt bin ich wieder in
meiner Arbeit. Diese ist durch die Krankheit des P. Maxime ver-
mehrt. Derselbe leidet an Blasenkrebs und bedarf besonderer Pflege.
Der Arzt wollte ihn nach Honolulu ins Spital schicken, aber der gu-
te alte Pater will nicht. Er sagt, er hätte bessere Pflege hier. Ich wer-
de, so gut ich kann, alles tun, um seine alten Tage zu erleichtern.”
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Bruder Maternus mit Pater Maxime Andre
P. Maxime Andre, 1844 in Frankreich geboren, war 1888 nach
Hawaii gekommen. Vom 2. Oktober 1902 bis zu seinem Tode am 1.
Jan. 1927 hat er auf Molokai gewirkt. Seit Br. Materns Ankunft am
13. Dez. 1904 war er dessen Vorgesetzter. Bereits vor unserem Tref-
fen in Brasilien hatte Pastor Joseph Müller mir am 9. Dez. 1985
29
über P. Maxime geschrieben: ”Durch intimen Umgang während sei-
nes Urlaubs 1926 lernte ich meinen Vetter hochschätzen als demüti-
gen, tief gläubigen Ordensmann. Rührend war sein Tick, um seine
verstümmelte rechte Hand stets unter seinem Skapulier zu verber-
gen, wie unser Foto in der Abtei Sion zeigt. Mit seiner Tätigkeit hat
er sich nie gebrüstet. Es schien mir, daß er über seinen Chef P. Ma-
xime nichts erzählen wollte, nichts Gutes und nichts Schlechtes. Er
war nicht sein Typ ...”
In seinem Brief vom 1. Nov. 1926 an seine Schwester Maria
fuhr Br. Maternus fort: ”Am 4. Oktober war ich wieder in Kalaupa-
pa. Der Empfang war recht herzlich. Die Musikkapelle und die
Streichmusik spielten ihre besten Stücke. Auch war für Erfrischun-
gen gesorgt. Unter Erzählen gingen die Stunden dahin. Es war rüh-
rend: zwei Jungen, die während meiner Abwesenheit gestorben wa-
ren, gaben auf dem Sterbebette den Auftrag, bei meiner Rückkehr
ihr ’Aloha’ an mich weiterzugeben. ’Aloha’ ist der schönste Gruß
auf Hawaii und bedeutet Liebe und Zuneigung ... Der Monat Okto-
ber war hier sehr heiß. Auch heute, am Allerheiligentage, habe ich
schon kräftig geschwitzt. Heute ist ein Tag, wo ich besonders an die
alte Heimat denke und für unsere lieben Verstorbenen bete ... Als
ich hier ankam, sagten alle, ich sei so dick geworden. Ich hatte unge-
fähr 20 Pfund zugenommen. Also ein feines Kompliment für Dich,
liebe Schwester, weil Du mich so gut gefüttert hast. Herzlichen
Dank an Fam. Jansen. Die Altarspitzen waren zu kurz und sind in
Honolulu bei den Schwestern, um zu verlängern. Die übrigen
Sachen habe ich heute in der Kirche zum Fest gebraucht. Auch
herzliche Grüße an Fam. Knops und Frau Lapp. Herzlich viele
Grüße an Gertrud, Johann und die Kinder ...”
Br. Materns älteste Schwester Gertrud war in erster Ehe ver-
heiratet mit Nikolaus Savelsberg (41898), der mit seinem Fuhrwerk
tödlich verunglückte. In zweiter Ehe war sie seit 27. Juni 1903 mit
Johann Fahrbüchel (1850-1930) verheiratet. Von ihren insgesamt
zehn Kindern lebt noch eine Tochter. Briefe von Br. Maternus an
seine Schwester Gertrud sind leider nicht erhalten.
Am 30. Nov. 1926 schrieb er an seinen Vetter Nikola nach
Weywertz: ”... Die armen Aussätzigen sind sehr anhänglich und so
Gott will werde ich noch lange mit Begeisterung für sie arbeiten ...”
Dem sollte nicht so sein! Im Anschluß an den an seinen Vetter
Nikola geschickten Reisebericht vom 21. Juni 1928 beendet Br. Ma-
ternus diesen Brief: ”Seit dem 8. Dezember vorigen Jahres bin ich an
der Kathedrale in Honolulu als Küster. Der Abschied von den ar-
30
men Aussätzigen war mir sehr hart. Diese zeigten ihre Zuneigung
durch eine schöne Abschiedsfeier. Als ich aus dem Urlaub zurück-
kam, wog ich 190 Pfund, so gut hatten meine Ferien getan. Aber
das zugewonnene Fett ist wieder verschwitzt und verschmolzen ...”
Die Annales des Sacres-Coeurs (Braine-le-Comte 1928, 554 s.)
brachten einen Bericht über die Abschiedsfeier des Br. Maternus
von Molokai, bei der selbst ein Nichtchrist ihm höchstes Lob gezollt
hat.
Neue Aufgaben in Honolulu
Am 9. April 1929 wurde ihm die Sorge für die Knaben des
Waisenhauses ”St. Anthony’s Orphanage” in Kalihi-Uka (Honolulu) s
anvertraut. Von dieser seiner neuen Arbeit liegen zwei Berichte an
seine Schwester Maria vor mit allerlei Einzelheiten über sein Wir-
ken bei den Jungen, über ”all die Mühen und Sorgen, die so eine
Ausgabee von Buben einem bereiten können. Gedenket meiner im Ge-
bet, damit Gott meine schwachen Kräfte unterstütze und ich meine
verantwortungsvolle Aufgabe treu erfüllen möge” (1.11.1929). ”Ge-
genwärtig habe ich 41 Buben unter meiner Aufsicht” (10.11.1931).
Dieser Posten scheint ihn in der Tat sehr mitgenommen zu haben,
da er die anstrengende Aufgabe sehr ernst nahm und mit großer Ge-
wissenhaftigkeit zu erfüllen bestrebt war. Das Personal-Register der
Hawaii-Mission verzeichnet dann auch: ”Erlitt im September 1932
einen Nervenzusammenbruch”. Er wurde zur Erholung in das Brü-
dernoviziat ”Our Lady of Bethany Monastery” nach Kaneohe,
nicht weit von Honolulu am Strand gelegen, gesandt. Dort scheint
er bis 1935 verblieben zu sein. Für diesen Zeitraum liegen weder Re-
gistereintragungen noch Briefe an irgendwelche Verwandten vor.
Da mir während meines Aufenthalts in Hawaii im Dezember 1980
eine detaillierte Biographie über Br. Maternus noch nicht vor-
schwebte, habe ich auch keine noch lebenden Brüder aus der Reihe
der damaligen Novizen interviewt. So kann ich über seine dortigen
Aufgaben nichts aussagen.
Wieder auf Molokai 1935-1948
Am 27. Nov. 1935 schrieb Br. Maternus an seine Verwandten
nach Weywertz: ”... Auf der Insel Hawaii ist der Vulkan Moanaloa
tätig, und die feurige Lava stürzt den Berg herunter. Viele Leute
fahren und fliegen dorthin, um dieses größte Naturereignis zu se-
hen. Ich bin wieder auf Molokai bei den Aussätzigen. Ich bin An-
31
fang Mai hierher geflogen. Das geht schneller als per Schiff, wo man
auch noch seekrank werden kann. Es ist großartig, über den Wolken
und über das Meer dahinzufliegen. In diesem Monat wurde auch
Flugverkehr zwischen dem amerikanischen Festland, den Philippi-
nen und China eröffnet. Jetzt fliegt man vom amerikanischen Kon-
tinent nach hier in zwanzig Stunden. Mit dem Schiff dauert es sie-
ben Tage ...”
Am 27. Juli 1936 an seine Nichte Philomena: ”... Ich rate Dir
an, Heft 7 des Apostel der heiligsten Herzen von der Missions-
druckerei in Aachen, Rütscherstr. 49 zu bestellen. Darin ist die
Überführung der Überreste des P. Damian von hier nach Löwen ge-
schildert und illustriert. Der 27. Januar dieses Jahres war ein
großartiger und zugleich wehmütiger Tag für die Aussätzigen von
Molokai. An diesem Tag wurde der Sarg mit den Gebeinen des P.
Damian ausgegraben und per Marinebombenflugzeug unter Beglei-
tung von acht Armeeflugzeugen und einem Passagierflugzeug nach
Honolulu überbracht. Dort wurde der Sarg drei Tage lang ausge-
stellt und dann nach einem Pontifikalrequiem unter militärischen
Ehren zum Kriegsschiff Republic gebracht. Alles weitere wirst Du
in dem genannten Heft 7 lesen. Ich hatte das Glück, die Gebeine des
P. Damian berühren zu dürfen und meinen Rosenkranz daran anzu-
rühren. Die Überfahrt nach Belgien war ein wahrer Triumphzug.
Hoffentlich werden diese Ehrungen dazu beitragen, daß P. Damian
in nicht allzuferner Zeit heiliggesprochen wird.”
An Nikola und Maria Jacquemin nach Weywertz am 5. April
1938: ”... Ich hatte mich schon darauf gefreut, Euch in diesem Jahr
zu besuchen; aber leider wird nichts daraus. Erst Ende dieses Jahres
werden neue Brüder kommen, und ich versehe die Stelle für zwei
schon übers Jahr, so daß ich keinen freien Tag habe. Aber Gott sei
Dank bin ich gesund und rüstig, um meiner Arbeit nachzukommen.
Vor einiger Zeit hatten wir ein starkes Erdbeben. Großer Schaden
ist nicht vorgekommen. Es ist traurig, was man von Deutschland
hört, wie die Priester und Ordensleute verleumdet werden. Wir müs-
sen beten, daß Gott sich der deutschen Katholiken erbarmen und
die Führer der Nation zur Besinnung bringen möge ...”
An seine Nichte Philomena am 24. Juli 1938: ”... Anfang Au-
gust werde ich nach Honolulu fliegen, um eine wohlverdiente Erho-
lung zu genießen. Die Schiffahrt zwischen den Hawaiischen Inseln
ist durch Streik gestört. Hier bei unserem Baldwin Home wird jetzt
eine Kapelle gebaut, und mir ist das Vergnügen zugefallen, diese mit
allem Nötigen zu versehen. So habe ich auch noch in meinem Alter
32
das Betteln erlernt. Wenn ich von hier nach Aachen fliegen könnte,
würde ich gern schon bald herüberkommen; aber das lange Reisen
per Schiff und Eisenbahn wird einem im Alter beschwerlich.”
An seine Nichte Philomena am 12. Nov. 1939: ”...Nach Neu-
jahr sollte ich auf Ferien in die alte Heimat fahren; aber wegen des
Krieges wird jetzt nichts daraus. Wegen unvorhergesehener Hinder-
nisse war meine Abreise auf nächstes Jahr verschoben. Also Gottes
heiliger Wille geschehe auch in dieser Sache!...”
. Der letzte vor dem Einmarsch der Deutschen in Belgien (am
10. Mai 1940) nach Weywertz adressierte Brief datiert vom 25. Feb.
1940: ”... Da ich wegen des unseligen Krieges in diesem Jahre nicht
in die Heimat kommen kann, so will ich Euch doch zu Ostern
schriftlich besuchen ... Hoffentlich werdet Ihr vom Kriege ver- )
schont bleiben!... Wir wollen das Beste hoffen, dann werden wir uns
auch noch mal wiedersehen ...”
Genau wie während des Ersten Weltkrieges, so wurde auch
während des Zweiten Weltkrieges die Korrespondenz mit der Hei-
mat vollständig unterbrochen. Zwei Söhne von Bruder Materns
Schwester Gertrud fielen als Soldaten: Jakob (geb. 1907) fiel 1939 in
Polen, Lambert (geb. 1908) fiel am 12. März 1945 in Jugoslawien.
Bei den zahlreichen in Weywertz erhaltenen Briefen fand ich auch
die Kladde eines Schreibens, das Vetter Nikola mit seiner Familie
am 28. Feb. 1946 nach Molokai schickte: ”... So lange haben wir
nichts von einander gehört. So will ich mal nachfragen, wie es Dir
geht. Der Krieg ist jetzt aus. Uns beiden geht es soweit gut, und wir
sind mit heiler Haut davongekommen. Es gibt hier Dörfer, die ganz
kaputt sind, wo die Leute alles verloren haben. Mit den Kindern
geht es auch soweit gut. Die sind alle verheiratet, zwei sind Witwe.
Die Männer sind vor ein paar Jahren gestorben, nicht durch den
Krieg. Ein Junge von uns war jetzt im Krieg, auch ein Schwieger-
sohn. Jetzt sind die beiden aber wieder zurück. Unser Sohn Josef ist
drei Jahre in Amerika in Gefangenschaft gewesen. Er hat es da aber
gut gehabt. Er war in Afrika gefangengenommen worden. Unsere
Schwester ist jetzt in Dernbach im Kloster, wo sie, wie sie meint,
auch bleibt. Sie ist jetzt 75 Jahre alt. Es geht ihr aber soweit noch
gut. Mit Josef in Eupen geht es auch noch gut bei seinem Alter, er
geht langsam auf die Neunzig zu. Von den Deinigen in Aachen wis-
sen wir nichts, denn von da bekommen wir keine Nachricht. Es wä-
re gut, wenn die Familien nochmals zusammenkämen. Der Krieg
hat viel Leid und Kummer gebracht. Wir müssen alles Gott anheim-
stellen, der wird alles zum Besten lenken.”
33
Auf diesen Brief antwortete Bruder Maternus am 6. April
1946: "Deinen lieben Brief vom 28.2. habe ich am 3. ds. Monats er-
halten. Es hat mich sehr gefreut, nach so langer Zeit nochmals et-
was von Euch zu hören. Es geht mir jetzt wieder besser, und seit
dem 1. ds. Mts. bin ich wieder auf meinem alten Posten. Am 2. Jan.
wurde ich nach Honolulu geflogen und habe im St. Francis Hospital
eine schwere Operation durchgemacht. Ich war dort zweieinhalb
Monate. Ich arbeite hier mit drei Brüdern, die in Hawaii geboren N
sind. Einer ist Chinese [Tharcisius Yap, 1909-1985]. Er spricht sehr
gut flämisch; denn er hat sein Noviziat in Belgien gemacht. Obwohl
der Krieg mit Japan hier in Hawaii angefangen hat durch den heim-
tückischen Angriff der Japaner auf Pearl Harbour [7. Dez. 1941],
wo die amerikanische Flotte lag, haben wir hier auf Molokai nichts
vom Kriege gespürt. Wir waren nur für zwei Jahre verdunkelt. Es
freut mich, daß es bei Euch nach so schweren Zeiten noch
verhältnismäßig gut geht. Wenn möglich, so gebt meine besten
Grüße an alle weiter. Vor kurzem erhielt ich einen Brief von Simpel-
veld mit einem Brief von Philomena, der ältesten Tochter von Ma-
ria. Die hat den Brief gewiß über die Grenze geschmuggelt; denn
kein Ort und kein Datum sind angegeben. Ich lege diesen Brief bei.
So wißt Ihr, wie es in Aachen zugeht. Hoffentlich wird die Grenze
bald wieder geöffnet, so daß wir bald den Hungernden in Deutsch-
land helfen können ...”
Der von Simpelveld abgeschickte Brief seiner Nichte Philome-
na lautet: ”Mit Gottes Hilfe haben wir die schweren Jahre überstan-
den und werden auch durch Ihn das weitere überstehen. Mutter
und Tante sind noch wohlauf und die anderen auch. Zwar sind die
Männer noch nicht alle zu Hause, aber hoffen wir das Beste. Der ei-
ne und andere von uns hat mehr oder weniger alles verloren. Aber
es wird sich untereinander geholfen. Tinni [Tochter von Maria, geb.
1910] war jetzt schwer krank, hat sich aber wieder soweit erholt. Ihr
Mann ist vermißt. Lieber Onkel, wir freuen uns, daß es Dir gut geht.
Ob wir uns nocheinmal wiedersehen, liegt in Gottes Hand. Wir
empfehlen uns alle in Dein Gebet. Mutter wird am 26. Feb. 75 Jah-
re. Ich hatte schon mal geplant, daß ich an diesem Tage eine hl.
Messe lesen lasse und wir an diesem hl. Opfer alle teilnehmen. Das
wäre doch eine Freude für Mutter. Die Notkirche ist neben Knops
in der Fabrik ...” Obwohl dieser Brief kein Datum trägt, kann er auf
Dezember 1945 datiert werden; denn der damalige Hausobere von
Simpelveld, Pater Gabriel Scholten (von 1920 bis 1938 erster Pro-
vinzialsuperior der neu gegründeten deutschen Ordensprovinz, gest.
34
1955 in Kohlscheid) entbot in einem Zusatz ”die besten Wünsche
zum neuen Jahr und der heiligsten Herzen reichsten Segen.”
Am 2. Juni 1946 schrieb Br. Maternus seiner Nichte Philome-
na: ”... Dein Ib. Brief hat mir recht viel Freude gemacht ... Hoffent-
lich werden die Vermißten auch recht bald in die Heimat zurück-
kehren. Ob Deine Mutter wohl meinen Brief erhalten hat? Ich bin
von der Operation fast wiederhergestellt und kann meinen Berufs-
pflichten wieder nachkommen. Hoffentlich werde ich bald Nach-
richt von Schwester Chrysologa erhalten, so daß ich sie zur Feier
des goldenen Profeßjubiläums beglückwünschen kann. Deinen frü-
heren Brief hatte ich durch Pater Gabriel erhalten. Es war eine
Überraschung, nach so langer Zeit wieder etwas aus der alten Hei-
mat zu hören ... Möge Gott Euch allen beistehen in diesen schweren ’
Zeiten. Sobald es möglich ist, will ich mein bestes tun, um Euch zu
helfen ...”
Am 8. Dez. 1946 ging ein Weihnachtsbrief an seine Nichte
Philomena: ”... Den Brief, den Deine Ib. Mutter am 13. Okt. ge-
schrieben hatte, habe ich am 2. Dez. erhalten. Ich nehme recht herz-
lich Anteil an Euren Leiden und Entbehrungen und gedenke Euer
bei der hl. Messe... Mir geht es Gott sei Dank wieder recht gut. Ich
hatte nicht erwartet, nach der Operation noch für etwas tauglich zu
sein. Zwar fängt das Alter an, sich bemerkbar zu machen. Ich habe
an Schwester Chrysologa geschrieben, aber bis jetzt noch keine Ant-
_ wort erhalten. Die Pakete, die Deine Mutter und Tante Gertrud er-
halten haben, hat unser Pater Provinzial bestellt. Es würde mich
freuen, wenn einer ihm schreiben und danken würde: Very Rev.
Father Jules Verhaeghe [1883-1965] ... Er ist Flame [aus Aveka-
pelle] und versteht Deutsch ...
Im November 1947 Namenstagsbrief an Vetter Nikola nach
Weywertz: ”... Gesundheitlich geht es mir gut. Wegen Alters erhalte
ich jetzt eine kleine Pension von der Regierung für jahrelange Dien-
ste. Wie traurig es in Deutschland ist, werdet Ihr wohl wissen. Mei-
ne lieben Angehörigen leiden Not. Daß meine Schwester Gertrud
am 29. Jan. gestorben ist, werdet Ihr wohl wissen. Ich habe heute
auch an Schwester Chrysologa geschrieben ...”
Am 30. Nov. 1947 an seine Nichte Therese (Tochter von Ma-
ria, geb. 1903) und ihren Gatten Franz: ”... Es freut mich, daß Ihr
nach so langer Trennung wieder vereinigt seid. Wir können Gott
nicht genug danken für diese Gabe, da in manchen Familien so viele
zurückgeblieben sind ...”
Am 20. Feb. 1948 an seine Nichte Philomena und ihren Gat-
ten Mathias: ”Teile Euch hierdurch mit, daß ich ein Paket mit 21
35
verschiedenen Sorten Gemüsesamen bestellt habe... Besonders herz-
liche Grüße an meine liebe Schwester, Eure gute Mutter auf Steine-
brück ...” Am 1. Aug. 1948: ”... Gewiß erntet Mathias jetzt, was er
im Frühjahr gesät hat ... Mir geht es noch ziemlich gut, bloß mein
Rücken wird alt und brummig, das Herz ist aber noch jung ...”
Abschied von Molokai und letzte Lebensjahre
Im gleichen Jahr 1948 nahm Bruder Maternus endgültig Ab-
schied von Molokai, wo er insgesamt 36 Jahre gewirkt hatte. Er war
inzwischen 73 Jahre alt geworden. Er wurde zum Küster der
St.-Patricks-Kirche in Honolulu bestellt. Während meines Aufent-
halts in dieser Pfarrei, bei der sich auch ein großes Kloster für die im
Ruhestand lebenden Missionare befindet, sagte mir der ehemalige
Provinzialobere (1950-1955) P. Laurentius Mampaey (geb. 1903 in
Boom bei Antwerpen), daß Br. Maternus immer ein ganz vorbildli-
cher Ordensmann gewesen ist, der sich stets durch seine Pünktlich-
keit ausgezeichnet hat. Als Küster oblag ihm die Aufgabe, allmor-
gendlich um 5 Uhr die Glocke zu läuten.
Am 13. März 1949 schrieb er nach Weywertz: ...”Ich nehme re-
gen Anteil an dem großen Verlust, den Ihr durch den Tod [12.12.1948]
unserer guten Schwester Chrysologa erlitten habt ...” Die Vernich-
tung sämtlicher aus Molokai erhaltenen Briefe durch die Dernba-
cher Ordenoberen bedeutet einen unersetzlichen Verlust für die mis-
sionsgeschichtliche Forschung.
Am 2. August 1949 an seine Nichte Philomena: ”... Wir wollen
besonders beten zum Unbefleckten Herzen Mariens, dessen Fest
wir am 22. feiern, damit der Max [Sohn von Maria, geb. 1908] wie-
der zurückkehren kann”. Er kehrte am 4. Okt. 1949 aus Sibirien zu-
rück. In seiner Familie ruhte der ganze Nachlaß seiner Mutter, aus
dem er mir bereitwillig alle Briefe und sonstigen wichtigen Stücke
für diese Lebensskizze seines Onkels überließ.
Am 23. April 1950 an seine Nichte Philomena: ”... Es geht mir
noch recht gut. Ich habe sechs Tage auf Molokai zugebracht als
kleine Erholung. Ich bin hin und zurück geflogen. Ich war so glück-
lich, meinen alten Platz wiederzusehen und meine alten Freunde
dort ... Der alte Bruder Aloysius Leisen [geb. 1868 in Wiersdorf, Di-
özese Trier], der Euch 1925 auf Steinebrück besucht hat, ist gestern
gestorben. Wir haben beide viele Jahre zusammen gearbeitet auf
Molokai.”
Am 6. Juni 1950 an seine Nichte Maria (Tochter von Gertrud,
geb. 1910): ”... Ich nehme herzlichen Anteil an dem harten Los, das
36
Dir beschieden ist. Aber, liebe Maria, wir müssen uns in den heilig-
sten Willen Gottes ergeben. Gott leitet alles zum Besten, wenn wir
es auch in unserer menschlichen Schwachheit nicht verstehen. Ich
gedenke Deiner Anliegen im täglichen Gebet, damit es Dir gelingt,
die Kinder gut und brav zu erziehen. Meine innigsten Glückwün-
sche an Käthe und Annemie zur ersten hl. Kommunion. Ich hoffe,
daß auch Jakob seiner Ib. Mutter recht viel Freude macht ... Mir
geht es für mein Alter noch ziemlich gut, und ich kann meiner Ar-
beit als Küster noch gut nachkommen. Von den 46 Jahren, die ich
auf Hawaii verlebt habe, habe ich 36 unter den Aussätzigen auf Mo-
Jokai zugebracht. Dazu bin ich jetzt zu alt. Liebe Maria, hab starkes
Gottvertrauen und guten Mut. Gott wird Dich und die Kinder seg-
nen. Auch ich füge mein schwaches Gebet dem Euren bei, damit es
Dir nochmals vergönnt sei, Deinen lieben Joseph wiederzusehen ...
Ich habe heute morgen ein Paket für Euch bestellt. Ich hoffe, es
wird gut ankommen und Euch eine kleine Freude machen ...”
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Bruder Aloysius Leisen (1868-1950)
{Lebensskizze in Vorbereitung)
37
Am 11. Nov. 1950 an seine Nichte Philomena: ”...Schon viele
brave Soldaten hier von Hawaii haben ihr Leben im Kampf gegen
die Kommunisten in Korea gelassen ...”
Am 30. Jan. 1951 an seine Nichte Philomena: ”... Jetzt weiß
ich, wie es um meine liebe Schwester steht. Hoffentlich geht es wie-
der aufwärts ... Bitte grüße besonders Tinni und schicke mir ihre
Adresse, damit ich an Mutter schreiben kann, wenn sie bei Tinni ist.
Ich schicke 20 Dollar für Mutter. So kann sie kaufen, was für ihre
Gesundheit am besten ist ...” E
Am 1. Juli 1951 an seine Nichte Philomena: ”... Ich schicke
durch meinen Oberen 50 $ an Deine Mutter, damit Ihr zu meinem
goldenen Jubiläum am 29. Sept. ein Hochamt halten könnt und ein
Familienfest. Mutter darf sich aber für nichts Sorgen machen. Ich
möchte gern, daß Du und Tinna Mohren [1891-1974, älteste Toch-
ter von Gertrud aus erster Ehe] als die ältesten alles übernehmt und
die übrigen lieben Angehörigen dazu einladet ... Wie wäre es, wenn
Ihr den Herrn Pastor Joseph Müller für das Hochamt einladen wür-
det?”
An dieses Jubiläum und das große Familienfest erinnern sich
alle noch lebenden Verwandten mit Begeisterung. Das Hochamt
wurde im Kloster der Missionare von den Heiligsten Herzen am
Eberburgweg gehalten.
Vetter Joseph Müller hatte in Brasilien noch einen Ausschnitt
aus dem Hawaii Catholic Herald, den er mir bereitwillig überließ. In
einem Artikel mit Foto wird der Jubilar eingehend gewürdigt.
An seinen Vetter in Brasilien schrieb Br. Maternus am 30.
Sept. 1951 : ”... Ich hatte meinen Verwandten vorgeschlagen, Dich
einzuladen, um am 29. Sept. auf Steinebrück das Hochamt zu hal-
ten. Da war ich sehr erstaunt zu lesen, daß der Herr Pastor nach
Brasilien ausgeflogen ist. Mein Jubiläum war ein Tag größter Freu-
de für mich. Feierliches Hochamt in der St.-Patricks-Kirche mit
Festpredigt von Pater Hubert Winthagen [1903-1958] aus Aachen,
Erneuerung der Gelübde und Te Deum ...”
Am 31. Dez. 1951 an seine Nichte Philomena zum Tod ihres
Gatten am 19. Dez.: ”... Deine Weihnachtsfreude war getrübt. Für
Mathias war es gewiß ein glückseliges Weihnachtsfest im Himmel.
Ich beneide ihn. Ich hatte mir als Weihnachtsgeschenk gewünscht,
Weihnachten im Himmel zu feiern. An den drei ersten Tagen des
neuen Jahres werden hier hl. Messen für Mathias gelesen, und ich
werde diese Messen selbst dienen. Herzlich viele Grüße an Dein lie-
bes Mütterlein ...”
38
Am 26. Aug. 1953 an seine Nichte Philomena: ”Dein Brief war
keine Trauernachricht, sondern eine Freudenbotschaft, daß meine
liebe Schwester am 16. Aug. so friedlich heimgegangen ist. Mehrere
hl. Messen wurden hier für ihre Seelenruhe dargebracht. Auch un-
ser Bischof [James J. Sweeney aus San Francisco, 1898-1968] hat
mir sein Beileid ausgesprochen und die hl. Messe für sie gelesen ...”
Im Alter von 82 Jahren übersiedelte Br. Maternus wieder ins
Brüdernoviziat nach Kaneohe, wo er nach einem Nervenzusam-
menbruch früher bereits drei Jahre (1932-1935) verbracht hatte.
Von dort schrieb er am 1. Aug. 1957 an seine Nichte Philomena: ”...
Ich bin hier zur Erholung. Es geht langsam bergab. Meine Beine
werden schlapp. Der Arzt sagt, es sei ein leichter Schlaganfall. Hof-
fentlich geht es wieder besser. Zum Monatsende werde ich wieder V
auf meinen alten Posten zurückkehren ...” Dieser Wunsch sollte
sich nicht mehr erfüllen. In seinen weiteren Briefen an seine Nichte
spricht er mehr und mehr von seinen Altersbeschwerden: ”Meine
Beine werden schwach ...” (16.12.1957), ”... meine Hände zittern ...
Ich danke Gott, daß ich die Beschwerden des Alters mit Geduld er-
tragen kann ...” (1.4.1958), ”Du mußt mein schlechtes Schreiben
entschuldigen; denn meine Hände zittern. Das Alter macht sich
fühlbar, und zum Arbeiten bin ich nicht mehr viel wert ...”
(24.6.1958), ”... Meine Hände zittern ...” (4.8.1958)
Am 29. Juni 1959 schickte er Meßstipendien an Vetter Joseph
nach Brasilien als Beihilfe für eine Reise nach Europa. Am 6. April
1960 schrieb er an seine Nichte Philomena: ”... Hoffentlich werden
meine lieben Verwandten bald den Besuch von unserem lieben Pa-
dre Jose Müller erhalten. Im Geiste bin ich auch dabei und wünsche
Euch allen ein frohes Wiedersehen ...”
Am 20. Mai 1961 schrieb er an seine Nichte Philomena: ”’Am
29. Sept. werde ich mein diamantenes Profeßjubiläum feiern, wenn
ich dann noch lebe ...” Im August 1961 dasselbe. Später dankte er
für die von allen Verwandten empfangenen Glückwünsche. Auch
die Aachener Kirchenzeitung würdigte den Jubilar in der Ausgabe
der letzten Septemberwoche 1961.
Am 6. Mai 1964 an seine Nichte Philomena: ”... Wir sind am
15. April zum. 75. Todestag Pater Damians nach Molokai geflogen.
Dort war feierliches Hochamt. Die Einwohner hatten alles schön
geschmückt. Wir müssen für die Heiligsprechung des Pater Damian
beten ...”
Am 14. Sept. 1964 an seine Nichte Philomena: ”... Ich habe
vor ein paar Wochen anderthalbe Woche im St.-Francis Hospital
39
zugebracht. Danke dem lieben Gott, daß ich noch einhergehen kann
und. viel Zeit zum Beten habe ...”
Am 23. Sept. 1964 nach München an seine Nichte Philomene
(1899-1979, Tochter seiner Schwester Gertrud) und deren Gatten
Max Stützle: ”Es freut mich zu hören, daß es Euch noch gut geht.
Mit mir geht es langsam bergab. Ich habe anderthalbe Woche im
St.-Francis Hospital zugebracht, aber alles in Gottes heiligem Na-
men. Wenn ich auch nicht oft schreibe, so gedenke ich Euer täglich
im Gebet. Am 11. Okt. werde ich 89 Jahre alt, wenn ich noch lebe.
Die Beschwerden des Alters sind ein Akt der Buße für begangene
Fehler? 5
Am 20. April 1965 an seine Nichte Philomene nach München:
”Herzlichen Dank für die Ostergrüße. Meine besten Segenswünsche
an alle. Hoffentlich geht es Max auch wieder besser. Wir müssen
unser Kreuz tragen und dem Herrn nachfolgen. Wenn der gute Pa-
dre Jose Müller Euch besucht, dann möchte ich ihm ein herzliches
Willkommen geben. Ich habe schon lange nichts mehr von ihm ge-
hört. Meine besten Grüße an Hans [ältester Sohn, geb. 1928, Stadt-
rat in München] und Hanna [dessen Gattin] und die übrigen in der
Familie. Wir wollen einander im Gebete gedenken, damit wir alle se-
lig werden. Entschuldigt mein schlechtes Schreiben: meine Hände
zittern ...”
Der letzte vorliegende Brief, vom 26. Sept. 1965 datiert, war
ebenfalls an seine Nichte Philomene und deren Gatten Max gerich-
tet: ”... Dank dem lieben Gott, daß ich trotz meines Alters täglich
der hl. Messe beiwohnen kann. Am 11. Okt. werde ich 90 Jahre alt,
wenn ich noch lebe. Mein Augenlicht wird schwach, meine Hände
zittern. In der Liebe Gottes sind.wir vereint. Wenn möglich, so sen-
det meine besten Grüße an unseren Padre Jose Müller ...”
Am 13. April 1966 schrieb der Krankenhauspfarrer Pater Ilde-
fons Heibges (aus Salm, Diözese Trier, 1881-1971) an Familie Max
Stützle: ”Die freundlichen Grüße aus München zum hohen Oster-
fest haben unseren lieben Mitbruder Matern sehr erfreut. Er dankt
jedem von Euch für Eure Segenswünsche zum Feste der Auferste-
hung unseres Herrn und Erlösers. Er wünscht allen Mitgliedern sei-
ner Familie den tiefsten Frieden und die unaussprechliche Freude in
der Auferstehung unseres Herrn und Seligmachers. Unser lieber
Bruder Matern ist für einige Wochen im Krankenhaus: ein Fuß
quälte ihn. Doch jetzt soll er wieder nach Hause kommen. Seit ei-
nem Monat ist er nicht mehr in unserem Hause in. Kaneohe, son-
dern im großen Pfarrhaus St. Patrick in Honolulu.”
40
Am 18. Juli 1966 schrieb Pater Ildefons Heibges erneut an Fa-
milie Stützle nach München: ”Ihr guter Onkel, unser Bruder Ma-
ternus ist jetzt im St. Francis Hospital, Honolulu, schon seit
einigen Wochen. Er leidet an einem Fuß und ist sehr schwach. Als
er noch bei uns in St. Patrick im Kloster war und im Rollstuhl zum
Speisesaal kam, aß er noch gut, doch nach einiger Zeit fielen ihm die
Augen zu, so daß er kaum noch essen konnte vor lauter Müdigkeit.
Er konnte kaum noch gehen, da ein Fuß nicht mehr mitmachte. So
hat unser Oberer ihn ins Krankenhaus gebracht, wo ihm die beste
Pflege zuteil wird, Er ist sehr schwach, über 90 Jahre alt. Wie lange
Bruder Matern noch leiden muß, bleibt Gott anheimgestellt. Täg-
lich kann er die hl Kommunion empfangen. Unsere Patres haben
die Seelsorge im Hospital. An Leib und Seele wird unser Bruder Ma- .
tern sehr gut versorgt. Doch sollen wir ihn nicht vergessen in unse-
ren Gebeten. Der liebe Gott behüte Sie alle im alten Vaterland und
führe uns alle ins ewige Vaterland, wo wir uns alle wiedersehen wer-
den vor dem Angesichte des Herrn.”
Am 30. Sept. 1966 brachte der Hawaii Catholic Herald einen
Beitrag mit Foto anläßlich seines 65jährigen Profeßjubiläums. Der
Artikel schloß: ”Brother is 90 years old and is presently confined at
St. Francis Hospital.”
Am 17. Nov. 1966 ging in München um 11 Uhr 49 ein Tele-
gramm ein aus Honolulu: ”Brother Matern died Wednesday [= 16.
Nov.] after long illness. Fathers and Brothers Hawaii extend sym-
pathy. Assurance prayers. Brendan Furtado, Provincial.”
Auf dieses Telegramm antwortete Familie Stützle mit einem
englischen Brief am 22. Nov., und Pater Provinzial Furtado (aus
Hawaii, 1919-1973) antwortete seinerseits ohne Verzug am 28. No-
vember: "Vielen Dank für Ihren lieben Brief vom 22. November. Ich
bin sehr erfreut, daß jemand in Ihrer Familie Englisch schreibt. So
kann ich Ihnen Einzelheiten über unseren lieben Br. Maternus be-
richten. Ich hatte einen älteren deutschen Pater gebeten, der Familie
zu schreiben. Er aber ist auch schon recht alt und wird dafür Zeit brau-
chen. — Am 1. Juli mußte Br. Maternus ins Krankenhaus. Sein Lei-
den war eine Komplikation all jener Beschwerden, die in diesem Al-
ter aufzutreten pflegen. Er war, wie Sie wohl wissen, schwer zucker-
krank und litt an Herzerweiterung. Er war aber die meiste Zeit mun-
ter, wenn auch bisweilen etwas vergeßlich. Während seines Kran-
kenhausaufenthalts war er sehr geduldig und trug sein Kreuz mit
Hingabe. Während des letzten Monats schien er nicht zu große
Schmerzen zu haben. Sein Ende kam ruhig und friedlich. Sie werden
41
stolz darauf sein zu vernehmen, daß Bruder Maternus sich stets als
hervorragender Ordensmann ausgezeichnet hat. Sein Leben ist
wahrhaft bewunderns- und nachahmenswert. Er war immer zuvor-
kommend anderen gegenüber und begegnete allen mit großer Hoch-
achtung. Seine Beobachtung der Ordensregel war jederzeit vollkom-
men. Wir werden ihn sehr vermissen; denn er war immer so liebens-
wert und darauf bedacht, anderen zu helfen, solange ihm dies in An-
betracht seines hohen Alters möglich war. Ich hatte Bruder Mater-
nus am Tag vor seinem Tod noch besucht. Er sah unverändert aus,
und ich wurde nicht gewahr, daß sein Ende bevorstand, wenn auch
der Arzt uns sagte, daß seine Kräfte ihn rapide verließen. Mittwoch,
am 16. November, erhielt ich während einer Versammlung einen
Anruf und hörte, daß Br. Maternus gegen 13 Uhr gestorben war.
Bruder hatte ein sehr schönes Begräbnis. Zahlreiche Priester und
Ordensleute nahmen teil. Er wurde in unserem Revier auf dem Dia-
mond Head Cemetery unter seinen Ordensbrüdern bestattet, die alle
wie er aus Liebe zu Gott gearbeitet haben. Ich füge einige Aus-
schnitte aus dem Hawaii Catholic Herald und einige Gedenkbild-
chen bei. Wir können uns glücklich wähnen, einen Mann wie Bru-
der Maternus hier in Hawaii unter uns gehabt zu haben, und ich
weiß, daß er jetzt seinen ewigen Lohn erhält von den Heiligsten
Herzen, denen er so treu gedient hat durch sein Leben des Gebetes
und der Nächstenliebe sowie die gewissenhafte Erfüllung seiner
Pflichten als Ordensbruder. Während wir seiner in unseren Gebeten
eingedenk bleiben, sind wir sicher, daß er unser aller Fürsprecher
sein wird, so wie er stets für uns gebetet hat, während er unter uns
weilte.”
Im Hawaii Catholic Herald waren am 25. Nov. 1966 zwei Spal-
ten mit Foto auf der Titelseite erschienen. Der Nachruf schildert die
verschiedenen Stationen seines langen Lebens im Dienst der Mis- il
sion. Dann heißt es u.a.: ”Bruder Maternus hinterläßt einen Vetter,
der als Priester in Brasilien wirkt, sowie eine Anzahl Neffen und
Nichten ... Es sei hervorgehoben, daß Br. Maternus der letzte Bru-
der der Hawaiimission aus Europa war. Gegenwärtig sind alle hier
tätigen Brüder auf den Inseln geboren.” Der Beitrag schließt: ”Pro-
vinzialsuperior Brendan Furtado hob in seiner Leichenrede die per-
sönliche Heiligkeit des Bruders hervor. Er sagte: ’Wenn wir rück-
blickend sein Leben betrachten, müssen wir zugeben, daß er seine
Berufung und seine ganze Hingabe als eine Gelegenheit zur Heilig-
keit ansah. Seine Gelübde stellten ihn in eine Umgebung des Gebe-
tes und der Vereinigung mit Gott. Die durch die Regel vorgeschrie-
benen Frömmigkeitsübungen genügten ihm jedoch nicht. Jeden
42
Tag fand er Zeit, noch einige Übungen hinzuzufügen. Er arbeitete
mit Fleiß und gewissenhaft. Sein einziger Beweggrund war die Liebe
zu Gott.’ ”
Nachwort
Diese Lebensskizze eines bedeutenden Missionars, der still und bescheiden und
bisher kaum bekannt in der Nachfolge von Pater Damian Deveuster unter den Aus-
sätzigen auf Molokai gewirkt hat, erscheint im Vorblick auf den 100. Todestag dieses
Märtyrers der Nächstenliebe, der am 15. April 1989 gefeiert wird.
Direkter Nachfolger P. Damians war (gemeinsam mit dem aus der Diözese
Münster stammenden P. Wendelin Möllers SSCC, 1850-1914) der Lütticher Di-
özesanpriester Lambert Louis Conrardy, der ihm auch die Sterbesakramente gespen-
det hat. Eine Biographie Conrardys möchte ich zum Damian-Jubiläum 1989 fertig-
stellen. 1841 in Lüttich geboren, ging Conrardy, der gemeinsam mit dem späteren
Diözesanbischof Martin Rutten (1841-1927) 1867 in Lüttich zum Priester geweiht v
worden war, nach Kaplansjahren in Stavelot, 1872 nach Indien. 1874 kehrte er
krank zurück. Sein Missionseifer war ungebrochen, und im gleichen Jahre begab er
sich über das Löwener American College in die Indianermission nach Nordamerika,
wo das Klima ihm weniger zu schaffen machte. Er stand in brieflichem Kontakt mit
Pater Damian und eilte ihm auf dessen Drängen 1888 zu Hilfe. Nach sieben Jahren
auf Molokai begab er sich 1895 nach Südchina, von wo der Aussatz nach Hawaii ein-
geschleppt worden war. Dort stieß er auf schier unüberwindliche Schwierigkeiten,
besonders vonseiten der Regierung, die die Aussätzigen nach einem berauschenden
Festmahl in einer Grube mit Benzin übergießen und verbrennen ließ. Nur Ärzte wa-
ren dort zugelassen, nicht aber Missionare. So erwarb Conrardy nach anstrengenden
Studienjahren an der Universität Portland in Oregon 59jährig sein medizinisches
Doktordiplom. Anschließend studierte er Tropenmedizin in Lüttich, sammelte Geld
in Europa, USA und Kanada. In Shek Lung bei Kanton kaufte er zwei Inseln, auf de-
nen er nach dem Muster von Molokai Aussätzigenkolonien gründete, die bei seinem
Tod.(durch Lungenentzündung) am 26. August 1914 über siebenhundert Patienten
zählten.
An dieser Stelle sei all denen aufrichtig gedankt, ohne deren bereitwillige und
tatkräftige Mithilfe das Lebensbild des Br. Maternus nicht hätte geschrieben werden
können. Es war eine glückliche Fügung, daß Pater Anton Wiesemes aus dem Orden
der Picpus-Missionare, mein ehemaliger Schüler des Bischöflichen Gymnasiums in
St. Vith, der sich bereits als Pfarrer von Hergenrath (1972-1981) für meine Arbeit
über seinen Ordensbruder interessiert hatte, 1981 Pfarrer von Weywertz wurde und
von seinem Küster Ludwig Willems, einem Enkel von Nikola Jacquemin, erfuhr, daß
dieser ein Verwandter von Br. Maternus war und um dessen aus Molokai erhaltene
Briefe wußte, die mir dann von seiner Tante Agnes Reuter (geb. 1902) bereitwillig
zur Verfügung gestellt wurden. Allen Verwandten väterlicher- und mütterlicherseits
des Br. Maternus sei hiermit herzlich gedankt. Weiterer Dank gilt Pfarrer Ferdinand
Hecker von Hergenrath (seit 1981) und den Archivaren der Picpus-Missionare in
‚Rom (P. Amerigo Cools), Honolulu (P. Arseen Daenen und P. Mathieu Lochs), Lö-
wen (P. Telesfoor Bosquet) sowie dem Provinzialsuperior der deutschen Ordenpro-
vinz P, Dr. Gabriel Simon (Aachen) und — last not least — Studienrat Alfred Bertha,
meinem ehemaligen St. Vither Schüler und verdienten Mitbegründer dieser Zeit-
schrift, für wertvolle Erhebungen im Archiv der Gemeinde Kelmis, in die Hergen-
rath 1977 eingegliedert wurde, sowie die Aufnahme dieses Beitrags in die von ihm so
sachkundig betreuten Spalten {m Göhltal.
43
Herbstfeier
von Leonie Wichert-Schmetz
Nun legen die Bäume ihr Festgewand
Zu ihren Füßen hin.
Bescheidene Kräuter von niederm Stand,
Die kleiden sich darin.
Der lieben Birke grünseidenes Kleid
Ist gelb geworden, fahl.
Der Wind verstreut die Fetzen weit
Zum Weiher hin ins Tal.
Des Sommers Fest ist nun vorbei,
Mit Sonnenstäubchen Tanz.
Der Amsel Lied, des Birkhahns Schrei,
Und aller Blumen Glanz.
Der Sonne Antlitz ist verhüllt.
Und Nebel wallt ins Tal,
Von weißen Schwaden ist’s erfüllt.
Die Berge stehen kahl.
Das schlichte Veilchen, warm und gut,
Im Heckensaum versteckt,
Im braunen Wams des Weißdorns ruht,
Ganz mollig zugedeckt.
Die Buche hat zu ihrer Zeit
Den Pilzen Reichtum ausgestreut,
Sie wachsen weit und breit,
Von der Buche genährt und betreut.
Unter dem kahlen Haselstock,
Still-selig wie die Kleinen all,
Strahlt der Fliegenpilz mit rotem Rock,
Ihn bringt der Sturmwind nicht zu Fall.
Und darben die Großen lange schon,
Freu’n die Kleinen des Lebens sich mehr,
Zeigen Farben aller Variation,
Während die Äste der Bäume leer.
44
Die Aachener Kleinbahn kommt
nach Kelmis (Forts,
von Walter Neven
Die ”Fliegende Taube” von 28. März 1907 entwarf ein wesent-
lich lebendigeres Bild des Geschehens, in dem sie u. a. die Vorteile
für die Ortschaft selbst und die durchaus positive und freudige Auf-
nahme der neuen Nahverkehrsverbindung durch die Bevölkerung
zum Ausdruck bringt
”...Der letzte Dienstag bedeutete einen Markstein in der Ent-
wicklung unseres Ortes, denn mit der Inbetriebnahme der Klein-
bahnverbindung nach Aachen ist das neutrale Gebiet von Moresnet
dem Weltverkehr ein gutes Stück näher gekommen. Die Einwohner
von Kelmis waren sich dessen augenscheinlich wohlbewußt. Fast
kein Haus fand sich an der Hauptstraße, das nicht reichen Flag-
genschmuck getragen hätte. Noch größer war natürlich die persönli-
che Anteilnahme. Als der Zeiger der Turmuhr die vierte Nachmit-
tagsstunde wies, da war die Hauptstraße so dicht mit geduldig dem
Erscheinen des ersten Kleinbahnwagens entgegenharrendem Publi-
kum besetzt, daß man wohl sagen darf, ganz Kelmis war auf den
Beinen; eine Jugendvereinigung, die unter den Klängen einer Mu-
sikkapelle durch den Ort zog, sorgte für die nötige Unterhaltung, bis
gegen 4 1/2 Uhr ein allgemeines Hurra das Nahen der mit Grün, Blu-
men und Fähnchen bekränzten Wagen mit der Abnahmekommis-
sion ankündigte, die am Eingange des Dorfes von einem kräftigen
Tusch der genannten Kapelle begrüßt wurde. Alles strömte der End-
stelle der Kleinbahn zu, wo ein zweites Musikkorps, die Feuerwehr-
kapelle, Aufstellung genommen hatte und die Kommission ebenfalls
mit ihren Weisen begrüßte. Man gruppierte sich alsbald um die Mo-
torwagen, denn es ist begreiflich, daß der geschichtliche Moment
der Bahneröffnung durch den Photographen festgehalten werden
mußte.
Unter dem Vorantritt der Feuerwehrkapelle begab man sich
dann zum Hotel Bergerhof, wo das amtliche Protokoll über die Ab-
nahme der Bahnlinie aufgenommen wurde, Im Anschluß daran ver-
anstaltete die Kleinbahngesellschaft einen kleinen Festakt, bei dem
auf ein gutes Gedeihen getoastet wurde.”
Bei allem Optimismus, den der Bürgermeister dem Projekt bei-
gemessen hatte, wissen wir bereits, daß die Rentabilität der Strecke
45
ein ständiger Anlaß zu Mißhelligkeiten zwischen den Vertragspart-
nern blieb. So wies bereits die Rechnungsstellung für das Jahr 1907
einen erheblichen Betriebsverlust auf.
Die Summe von 5936,75 Mark, die für die betreffenden Ge-
meinden fast unerschwinglich war und fast das ganze Steuerauf-
kommen ausmachte, mußte laut Vertrag vom 14. Juli 1905 von
Neutral- und Preußisch-Moresnet getragen werden. Indem der Bür-
germeister die Stadt Aachen um die Überweisung des vereinbarten
Barzuschusses von 2000.- Mark bittet, unterrichtet er den Oberbür-
germeister gleichzeitig darüber, daß der Gemeinderat einstimmig die
Bitte ausgesprochen habe, die Stadt Aachen möge eine Prüfung der
Baukostenrechnung und der Betriebsrechnung durch ihre Beamten
vornehmen lassen. Da der Rechtsweg, wie ebenfalls vereinbart, aus-
geschlossen war, wurde ein Schlichter zum Gutachter bestellt. Der
hierfür vorgesehene Geheime Kommerzienrat Delius konnte nach
Prüfung des Sachverhaltes nur die Empfehlung an den Bürgermei-
ster geben, die Stadt Aachen in irgendeiner Form um einen
Zuschuß anzugehen. Auch die Tagespresse nahm sich bald der man-
gelnden Wirtschaftlichkeit dieser Strecke an und berichtete unter
dem 18. August 1908. ”... Die seit dem 27. März 1907 eröffnete
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Der Endpunkt der Straßenbahnlinie war kurz hinter der Kapellstraße,
am Hotel P. Barth.
46
Kleinbahnlinie Aachen-Altenberg, für welche die beteiligten Ge-
meinden eine finanzielle Garantie übernommen haben, hat im er-
sten Betriebsjahre nicht nur keinen Verdienst, sondern ein erhebli-
ches Defizit ergeben. Leider hat der diesjährige Sommer die auf ihn
gesetzten Erwartungen auch nicht erfüllt und es ist zu befürchten,
daß das Erträgnis in diesem Jahre noch schlechter ausfallen wird.
Um nun die Unkosten zu vermindern, will die Direktion der Klein-
bahn, so verlautet wenigstens, für den Winter eine ganze Menge
Fahrten ausfallen lassen. Ob von einer Verminderung der Fahrgele-
genheiten ein besseres Ergebnis zu erwarten ist, dies zu entscheiden,
kann der Direktion der Aachener Kleinbahn überlassen bleiben. Die
Verwaltung sollte aber dafür sorgen, daß mindestens um 12 oder 1
Uhr von Altenberg aus halbstündige Fahrgelegenheit ist, da gerade s
hierin der Vorzug der Kleinbahnverbindung gesehen wird. Die Al-
tenberger Strecke ist die teuerste aller Außenstrecken und dies dürf-
te der wesentliche Grund für den geringen Verkehr auf derselben
sein. Sollte es nicht möglich sein, auf dieser Linie Durchgangsfahr-
scheine zu ermäßigtem Preise, etwa 35 Pfennig, auszugeben? Der
Versuch dürfte sich immerhin lohnen.”
Alle geplanten Maßnahmen konnten nicht verhindern, daß im
Jahre 1909 bereits ein Verlust von 13.383,75 Mark eingefahren
wurde. Somit bestand für die Gemeinden Preußisch- und Neutral-
Moresnet die Verpfllichtung, die Summe von 10.000 Mark anteilig
aufzubringen. Der Bürgermeister versuchte, der Aachener Klein-
bahngesellschaft glaubhaft den Nachweis zu erbringen, daß bei
Übernahme dieses Betrages durch die AKG immer noch ein Ge-
winn zu verzeichnen wäre. Letztere erklärte sich aber nur zu einer
einmaligen Übernahme von 2000.- Mark bereit. Auch die Einfüh-
rung von Arbeiterfahrkarten führte zu keiner wesentlichen Verbes-
serung der Rentabilität. Im Gegenteil, die Beschränkung der 80 in-
teressierten Arbeiter auf bestimmte Fahrzeiten brachte neue Un-
stimmigkeiten zwischen einem Komitee der Arbeiter, vertreten
durch einen Herrn M. Hennes, Hagenfeuer, einerseits und der
Kleinbahn andererseits. Herr Michael Hennes lud durch einen öf-
fentlichen Plakatanschlag die Arbeiterschaft zu einer Versammlung
ein, um in den strittigen Fragen zwischen der Aachener Kleinbahn-
gesellschaft, dem Bürgermeister und der ”in Massen” erschienenen
Arbeiterschaft, eine Einigung herbeizuführen.
Es ging im wesentlichen darum, daß
1.) ”Ein Teil der Arbeiter, die vom 1. Januar 1912 ab mit dem Früh-
wagen ab Altenberg fahren wollen, wünscht, wegen früheren Ar-
47
beitsschlusses die frühere Fahrgelegenheit 5.20 oder 5.30 h nachmit-
tags zu benutzen.
2.) Ein anderer Teil der Arbeiter, welche um 7.05 h vormittags ab
Altenberg fahren würden, wünscht, mit dem späteren Wagen 7.20 h
nachmittags ab Aachen zurückzufahren.
3.) Die Gesamtheit der Arbeiter wünscht die Abfahrt des Frühwa-
gens von Altenberg 10 Minuten früher, also auf 5.55 h vormittags
gelegt, was bei allseitigem Einverständnis der Arbeiter erfolgen
kann.
4.) Montags soll die Abfahrt ab Altenberg anstatt 7.05 h auch 5.55 h
erfolgen, womit die jetzt 7.05 h fahrenden Arbeiter einverstanden
sind.
Arbeiterschaft v. Altenberg!
———————————
Sonntag, den 10. Dezember 1911, nachmittags
5 Uhr findet im Lokale bL. Franzen eine
statt.
Tages-Ordnung:
I. Warum ist die Beteiligung seit I. Dezember I9I1 an der Kleinbahn-
fahrt Altenberg-Aachen seitens der Arbeiter so schwach?
2. Zwanglose Benutzung der Wagen morgens 6 und 7 Uhr sowie
nachmittags '/26 Uhr und ’/28 Uhr, Einlegung eines Wagens
Montag morgens 6 Uhr.
Arbeiter erscheint in Massen, es handelt sich darum das
Errungene festzuhalten.
Der Einberufer.
48
5.) Die jugendlichen Arbeiter, die gezwungen sind, die Pflichtfortbil-
dungsschule in Aachen abends bis 9 Uhr zu besuchen, können die
Rückfahrt an zwei oder drei Tagen der Woche mit dem Arbeiterwa-
gen 7.20 h nicht benutzen.
Für diese wird eine spätere Fahrgelegenheit mit dem Touren-
wagen gewünscht. 7
Da es sich hierbei nur um 4 Arbeiter handelt, soll versucht wer-
den, ob dies angängig ist, andernfalls müßten diese Lehrlingskarten
nehmen, die circa 21.- Mark pro Vierteljahr kosten.
Zu den vorstehenden Wünschen wurde den Arbeitervertretern
bedeutet, daß es sich bei der Ausgabe weiterer Arbeiterkarten stets
um vollbesetzte Wagen handeln müsse, da andernfalls die Zubußen
zu groß werden würden. Die Zustimmung der Gemeinde Altenberg |
wurde ausdrücklich vorbehalten. Den Arbeitervertretern wurde
aufgegeben, sich über die Ausgabe weiterer Karten an den Herrn
Bürgermeister von Altenberg zu wenden.
Die Arbeiter sagten zu, die zu I und 2 erforderlichen Feststel-
lungen über die Anzahl der Arbeiter bis zum 20.12.1911 zu machen
und dem Herrn Bürgermeister von Altenberg mitzuteilen.
Zu den unter 1 und 3 aufgeführten Wünschen gab die Aache-
ner Kleinbahngesellschaft ihr Einverständnis, für den unter 2 fallen-
den Personenkreis, — es handelte sich meist um Arbeiter des Hüt-
tenwerkes Rothe-Erde, die am Karlsgraben umsteigen wollten —
gab es aus grundsätzlichen Erwägungen heraus keine Billigung.
Auch die defizitäre Lage dieser Strecke konnte weite Teile des
Landkreises Eupen nicht davon abhalten, beim Landrat die Weiter-
führung des Netzes mit entsprechenden Querverbindungen anzure-
gen. Vom Abschluß von Einzelverträgen, wie dies in dem hier be-
handelten Beispiel geschehen ist, sollte man zugunsten eines gemein-
samen Vertrages, bei Beteiligung der Landkreise, Abstand nehmen.
Dieser Auffassung schloß sich auch der Bürgermeister von
Preußisch-Moresnet an:
”... würde zweifellos zur Hebung des Verkehrs in den einzelnen Ge-
meinden beitragen und von der hiesigen Gemeinde ganz gewiß mit
Freuden begrüßt werden. Der Verkehr auf der Strecke Osterweg-
Altenberg hebt sich zusehends, so daß das im vorigen Jahre 6000.-
Mark betragende Defizit für das laufende Jahr voraussichtlich be-
deutend herabsinken wird und die Gemeinden ihr angelegtes Geld
zurückerhalten mit 50% vom Reingewinn. Dieser Vorteil müßte bei
der hiesigen Gemeinde Berücksichtigung finden.”
49
Alle weiteren Bemühungen der Gesellschaft wurden durch den
Ausbruch des Ersten Weltkrieges jäh unterbrochen. Die Bahn wur-
de von nun an vorrangig für militärische Zwecke eingesetzt; Solda-
ten wurden in Richtung Front transportiert, Verwundete in eigens
dafür umgerüsteten Wagen in die Stadt zu den Lazaretten beför-
dert; Materialien wurden im innerstädtischen Verkehr mit besonde-
ren Transportwagen befördert, weil es an anderen Transportmitteln
mangelte und durch die Einberufungen zum Heeresdienst zu einer
ganz erheblichen Personalknappheit kam. Wie in den Fabriken, so
griff man auch bei der Kleinbahn verstärkt auf weibliches Personal
zurück.
”... Die AKG hat sich in erheblicher Weise mit ihren Betriebs-
mitteln im militärischen Interesse betätigen müssen. Schon in den
ersten Tagen der Mobilmachung beförderte sie die ganze Nacht hin-
durch aus Belgien ausgewiesene, über Holland nach Deutschland
flüchtende deutsche Reichsangehörige von dem Grenzorte Vaals
nach Aachen. Hinzu kamen wochenlang die von der Heeresleitung
verlangten Truppentransporte an die Grenze. Für den Transport
von verwundeten Kriegern, deren ständige Zahl in Aachen etwa
3500 beträgt, hat sie außer Zügen für Leichtverwundete, auch Sani-
tätszüge, in die man Tragen in Längsrichtung an Gasrohren, die an
den Ecksäulen durch die vorhandenen Kopfstreben gesteckt sind,
einhängen kann. Nachdem die Tragbahren eingehoben sind, was in
6 Minuten geschehen ist, wird der offene Wagen durch Segeltuch
rundherum geschlossen.”
Im Hinblick auf die herrschende Kriegslage teilt die AKG be-
züglich der Fehlbeträge dem Bürgermeister unter dem 16. Oktober
1917 mit: ”... Die aus den Abrechnungen früherer Jahre über die
Strecke Osterweg-Altenberg bestehenden Verluste hat die Gesell-
schaft vorgelegt. Dieselben sollen jedoch von den Gemeinden nicht
eingefordert werden. Aus den Überschüssen der beiden letzten Jah-
re wurden 378,99 Mark zur Abtragung auf die ursprünglichen Fehl-
beträge von insgesamt 18.482,72 Mark verwandt, sodaß heute noch
18.103,73 Mark auf diese Weise zu decken sind.” Eine trügerische
Hoffnung, wie wir wissen. Der Krieg sollte für die Zukunft zu einer
erheblichen Beeinträchtigung des Fahrbetriebes führen. Da bereits
800 Personen zum Heeresdienst einberufen waren, bemühte man
sich um die Anwerbung von belgischen Arbeitskräften. Daraufhin
erklärte am 26. März 1915 der Regierungspräsident der AKG ge-
genüber, daß ei: ”gegen die Anwerbung von 60 belgischen Arbeitern
für den Betriebsdienst keine Bedenken” habe. Eine namentliche
50
Aufstellung und die Personenüberprüfung machten die Vorlage
eines Führungszeugnisses erforderlich sowie — aus Überwa-
chungsgründen — eine gemeinsame Unterbringung in einer Un-
terkunft.
Der akute Materialmangel erlaubte es der Aachener Klein-
bahngesellschaft kaum, die notwendigen Reparaturen auszuführen.
Im Gegenteil, die Heeresleitung forderte sogar die Ablieferung von
Metallen aller Art. Sogar die aus Kupfer bestehenden Fahrdrähte
forderte man, gegen solche aus Eisen auszutauschen. Fahrplanein-
schränkungen waren an der Tagesordnung. Eine im Jahre 1917
grassierende Grippe, die auch infolge der Unterernährung der Be-
völkerung viele Opfer forderte, brachte den Fahrverkehr fast völlig
zum Erliegen. Der Krankenstand, namentlich des weiblichen Perso- )
nals, stieg bis auf 120 am Tage an!
Mit einem Brief vom 10. Februar 1917 klagt der evangelische
Pfarrer von Preußisch-Moresnet:
”... Andauernde, wochenlange traurige Zustände, Verspätun-
gen des Abends, Rundfahrten durch die Stadt, daher Verspätungen,
stundenlanges Warten auf den Wagen bei Regen und einer Kälte
von 15° - 17° C. Man sollte die Wagen nur bis zum Markt laufen
lassen... Unmögliche Verhältnisse auf der AKG, Frechheit, Mangel
an Pflichtgefühl und Pünktlichkeit besonders des weiblichen Perso-
nals überschreiten beinahe die Grenzen der Möglichkeit. Die unflä-
tige Unterhaltung an den Endstationen spottet oft jeder Vorstel-
lung.”
Für den Inhalt des Briefes von Pfarrer List hatte man nur eine
Randnotiz übrig: ”... Seine Ansprüche sind in der Kriegszeit nicht
berechtigt.”
Wenn auch durch die Sonderfahrten für die Militärverwaltung
die Rentabilität stieg und damit die Defizite vorübergehend geringer
wurden, wurde die Diskussion um ihren Abbau ständig weiterge-
führt. Im Hinblick auf die Kriegsverhältnisse hatte man die Zuzah-
lungen vorbehaltlich einer späteren Regelung ausgesetzt.
Noch am 7. November 1918 wurde zwischen der Gesellschaft
und dem Nachfolger des zwischenzeitlich verstorbenen Bürgermei-
sters Schmetz, Kyll, die von den Gemeinden zu leistende Garantie-
summe von 10.000.- Mark auf 5.000.- Mark reduziert.
Alle weiteren Vertragsvereinbahrungen des Jahres 1905 blie-
ben im Wesentlichen davon unberührt und weiterhin in Kraft.
Der Krieg trieb häßliche Blüten, von denen auch die einst fried-
lich in Freud und Leid miteinander lebenden Preußen, Belgier und
51
Neutralen betroffen wurden. Ein Brief des Sohnes des heute noch
allbekannten Geheimen Sanitätsrats Dr. Molly bringt dies, wenn
auch heute für uns unverständlich, so recht zum Ausdruck:
Sehr geehrter Herr Direktor!
Mit Gegenwärtigem gestatte ich mir, Sie auf einen Übelstand
hinzuweisen, den ich in Altenberg festgestellt habe. Die Monatskar-
ten für die Arbeiter werden daselbst bei dem Wirt F. Schönauen
ausgegeben. Derselbe ist Belgier und sehr deutschfeindlich gesinnt.
Da wir nun aber an der Hauptstraße mehrere deutsche Wirtschaf-
ten haben, z.B. an der Endhaltestelle die Wirtschaft P. Barth und
Ww. Reinartz, so möchte ich Sie ergebenst bitten, in einer von die-
sen beiden Wirtschaften die Karten zur Verteilung kommen zu las-
sen. Desgleichen möchte ich Sie bitten, das Personal darauf auf-
merksam zu machen, daß dasselbe in Zukunft den Kaffee nicht
mehr bei Schönauen holt.
Es würde mich sehr freuen, wenn Sie meinen Anregungen Ge-
hör schenken wollten, zumal es bei der gegenwärtigen Zeitlage auch
angebracht wäre, wenn deutsche statt belgische Geschäftsleute un-
terstützt würden.
Mit aller Hochachtung
gez. Erich Molly
Pr. Moresnet.
8. Januar 1915.
Bereits am 12. Dezember 1914 hatte die Gesellschaft ein nicht
namentlich unterzeichnetes Schreiben (”Einige Einwohner und Kar-
teninhaber Altenbergs”) etwa gleichen Inhalts erhalten:
An die Direktion der Aachener Kleinbahn-Gesellschaft!
Es wird vielfach darüber Klage geführt, daß die hiesige Kar-
tenausgabe einem Belgier zugestellt ist. Eigentlich macht es ja nichts
zur Sache, wer die Karten ausgibt, jedoch hat sich der bisherige
Ausgeber gerade den Deutschen gegenüber auf einen Standpunkt
gestellt, welcher auf die Dauer nicht auszuhalten ist.
Von verschiedenen Seiten wird nunmehr gewünscht, daß die
Karten in einem deutschen Lokale zur Ausgabe gelangen und
möchten wir höflichst um gefl. Berücksichtigung dieses Gesuches
bitten.
Einige Einwohner und Karteninhaber Altenbergs.
52
Die Stellungnahme des Bürgermeisters Schmetz wollen wir
kommentarlos hinzufügen:
An die Aachener Kleinbahn-Gesellschaft
Auf die Zuschrift vom 11. d.M. Nr. 653.
Der Wirt Schönauen ist bei der Einrichtung der Arbeiterbeför-
derung mit der Einziehung der Beträge von mir beauftragt worden,
da dieses für die hiesige Stelle unmöglich ist, und hat dieses bis jetzt
tadellos zu Ihrer und meiner Befriedigung ausgeführt. Die Zeit der
Anstellung liegt mehrere Jahre vor dem Kriege und dachte damals
gewiß niemand daran, daß er als Belgier dazu nicht geeignet sein
soll. Ob für diese gewiß mühevolle, zeitraubende und verantwor-
tungsvolle Beschäftigung die beiden genannten Personen (Barth .
steht im Felde und Reinartz ist Witwe) ohne Vergütung in dersel-
ben tadellosen Weise auszuführen im Stande sind, muß bezweifelt
werden. Wenn jedoch E. Molly oder sonst jemand dem Schönauen
deutschfeindliche Gesinnungen nachweisen kann, würde seine Ent-
lassung in Erwägung zu ziehen sein.
Hochachtungsvoll
gez. Schmetz
Der 1. Weltkrieg neigte sich zu Gunsten der Entente seinem
Ende zu. Der militärische Druck auf den deutschen Linien infolge
der personellen und materiellen Überlegenheit verstärkte sich zuse-
hends, vor allem nachdem Amerika aktiv in das Kriegsgeschehen
eingegriffen hatte. Gutgenährte, ausgeruhte und gut ausgebildete
Truppen standen den Deutschen nun gegenüber, während die man-
gelnde Versorgung der kaiserlichen Armee nicht nur bei dieser, son-
dern auch bei der hungernden Bevölkerung in der Heimat eine
wachsende Kriegsmüdigkeit heraufbeschwor. Meuternde Matrosen
verweigerten in Kiel den Gehorsam und beschleunigten damit den
Auflösungsprozeß der Armee; Kaiser Wilhelm II. wurde zur Abdan-
kung gezwungen.
Der Krieg war für Deutschland endgültig verloren. Wie so oft
in der Vergangenheit, so veränderte auch dieses Mal der Ausgang
des Krieges das Bild der europäischen Landkarte. Der Versailler
Vertrag bestimmte, daß u. a. in unserer Region die Gebiete um Eu-
pen, Malmedy und St. Vith unter die Hoheit der belgischen Krone
fielen. Die über hundert Jahre währende Frage des ”Neutralen Ge-
bietes” wurde durch die Angliederung an Belgien endgültig geregelt.
Die komplizierten. Vermögenverhältnisse deutschen Eigentums fan-
53
den in der angeordneten “Sequestrierung” eine schnelle Klärung.
Davon betroffen war natürlich auch das gesamte in diesem Gebiete
befindliche Eigentum der Aachener-Straßenbahngesellschaft.
Die Besitzverhältnisse am Eigentum der Aachener Kleinbahn-
gesellschaft in den jetzt belgischen Gebieten sollten neben dem auf-
gelaufenen Defizit, das inzwischen 103.340,51 Mark betrug, für die
Zukunft noch weitere 10 Jahre die Vertragspartner ernsthaft be-
schäftigen. Dabei war die Position der Aachener Kleinbahngesell-
schaft infolge der eben erwähnten Angliederung an Belgien auch da-
durch ungünstiger geworden, daß die Gemeinden ehemals
Preußisch-Moresnet — nun Neu-Moresnet — und Kelmis nun
verwaltungsmäßig weniger stark als in den Vorkriegsjahren mitein-
ander verbunden waren.
Die Umstellung von der Kriegswirtschaft auf .normale Frie-
densverhältnisse ging nur schleppend voran. Eine Neuorientierung
auf verlorene Märkte, die Beschaffung von Rohstoffen, für die kei-
ne Devisen vorhanden waren, die zerrütteten Staatsfinanzen, die
veränderten Grenzverhältnisse und natürlich auch die verhärteten
politischen Positionen der beteiligten Nachbarstaaten belasteten
den hiesigen Arbeitsmarkt ganz erheblich. Trotzdem mangelte es
nicht an bilateralen Bemühungen, die Arbeitsplätze im Aachener
Raum zurückzugewinnen. Eine Grundvoraussetzung dazu war na-
türlich die Wiederinbetriebnahme der Nahverkehrsmittel, die die
Verbindung zu den Arbeitsstätten möglich machten.
Erschwerend kamen die Verbote der Besatzungsmächte hinzu.
So mußten, zum Beispiel, alle zum Fahrpersonal gehörenden Perso-
nen um 22 Uhr in ihrer Wohnung sein. Ein Straßenbahnerstreik
wirkte sich außerdem sehr nachteilig aus.
Wegen der bereits erwähnten Abtrennung der Kommunalver-
waltung von Neutral-Moresnet und Preußisch- (Neu)- Moresnet,
entstanden hinsichtlich der gemeinschaftlichen Interessen besonde-
re Schwierigkeiten, die nur dadurch aufgehoben werden konnten,
daß die gesetzlichen Vertreter der beiden Gemeinden miteinander in
persönliche Verhandlungen traten. Gemeinschaftlich waren die In-
teressen an dem Wasserwerk, an den Elektrizitätsleitungen, der
Straßenbahn und Gemeindewaldungen. Außerdem waren aus der
früheren Verwaltung Entschädigungsfragen übernommen worden.
Aus diesem Grunde bat der Bürgermeister von Hergenrath - Neu-
Moresnet, Kyll, den Verwaltungskontrolleur zu Eupen, für die Ge-
meinde Neutral-Moresnet eine mit weitgehenden Vollmachten aus-
gestattete Deputation zu bestimmen, die mit ihm gemeinsam die an-
54
stehenden Probleme behandeln könnte. Es sollte u.a. eine Einigung
darüber erzielt werden, wie hoch die Beteiligung der Gemeinden an
der mit der Kleinbahngesellschaft vereinbarten Garantiesumme sein
sollte. Man«rechnete natürlich mit einer weiteren Unterstützung
durch die Stadt Aachen. Der Verwaltungskontrolleur Leonard Xha-
flaire versprach die ganze Angelegenheit zwecks weiterer Bearbei-
tung an den zuständigen ”belgischen Chef” in Aachen weiterzulei-
ten. Tatsächlich aber brachte dies eher eine Verzögerung als eine
schnelle endgültige Regelung der berechtigten Forderungen der
Kleinbahngesellschaft. Zwischenzeitlich bemühte sich der katholi-
sche Arbeiterverein zu Altenberg wegen der Einführung des
8-Stunden Tages um eine Bewilligung zur Benutzung der vor 16.40
Uhr ab Aachen verkehrenden Wagen für die von ihm vertretenen .
Arbeitskräfte.
Die Kleinbahngesellschaft wollte dieser Bitte keinesfalls ent-
sprechen und entgegnete im Wortlaut:
Herrn Johannes Reul
stellvertretender Vorsitzender
des Arbeitervereins zu Altenberg
... Auf Ihre Eingabe von 11. d.M. teilen wir Ihnen mit, daß wir an-
gesichts der gegenwärtig ganz außerordentlichen Betriebsverteue-
rung leider nicht in der Lage sind, Ihrem Antrage auf Erlaß der Zu-
zahlung für die außerfahrplanmäßigen Fahrten auf Grund der
Arbeiter-Monatskarten zu entsprechen. Die Arbeiterkarten kosten
nur Mk 9,40 bzw. 11,75 gegenüber Mk 18,30 für die sonstigen Mo-
natskarten. Sie haben also eine 40 - 50 % Ermäßigung gegenüber
anderen Zeitkarten ... Es wird vielmehr in Erwägung zu ziehen sein,
ob nicht die ermäßigten Arbeiterkarten überhaupt aufzuheben sein
werden.
Aachener Kleinbahngesellschaft
Aachen, den 11.6.1919 gez. Petersen
Mit der Androhung der Aufhebung der Arbeiterkarten kann man
ein mögliches Druckmittel auf Regulierung der längst fälligen Zah-
lungen erkennen, das leider zum Nachteile der sozial Schwachen
empfindliche Folgen zeitigen würde. In der Tat beschloß man die
eben erwähnte Aufhebung mit dem 1. September 1919.
Zu einem weiteren Nachteile der ganzen Angelegenheit ge-
reichte die Anordnung des Verwaltungskommissars Xhaflaire, wo-
nach keine Zahlungen mehr an die Aachener Kleinbahngesellschaft
55
zu leisten seien. Diese Entscheidung läßt im nachhinein ohne weite-
res erkennen, daß Xhaflaire im Hinblick auf eine bevorstehende Se-
questrierung eine hinhaltende Taktik einschlug.
In einem Brief vom 19. Oktober 1922 weist der jetzt amtieren-
de Bürgermeister von Neu-Moresnet, Schlingensiepen, auf die be-
sonderen Härten für die Arbeiterschaft hin, die durch die ungerecht-
fertigt hohen Fahrpreise in Franken entstanden. Man solle ganz ein-
fach auf Grund der Tatsache, daß der Gesellschaft keine Auslagen
in belgischer Währung entstünden, das Fahrgeld erheblich reduzie-
ren”... Zu berücksichtigen ist, daß die Bevölkerung in der Hauptsa-
che aus Arbeiterfamilien besteht, von welchen ein großer Prozent-
satz für Deutschland tätig ist, und infolgedessen nur deutsches Geld
verdienen. Diese Leute können unmöglich beim geltenden Fahrprei-
se die Kleinbahn benutzen. Bei einigermaßen gutem Willen dürfte
die Direktion zu der vorgeschlagenen Ermäßigung sehr wohl im-
stande sein, zumal ich überzeugt bin, daß Sie bei hiesiger Strecke
mehr wie auf Ihre Kosten kommen respektive einen guten Gewinn
erzielen, welchen Sie ja auch haben müssen.
Die ganze hiesige Bevölkerung wird Ihnen Dank wissen.”
Die Bahngesellschaft wußte wohl um die Schwierigkeiten der
damaligen ”Pendler” und reduzierte die Fahrpreise für die Monats-
karten von 15,30 Franken für die Folge auf 6,40 Franken.
”... Wir wiederholen, daß es uns nur mit den größten finanziel-
len Opfern möglich ist, den Betrieb auf Deutschem Gebiet aufrecht
zu erhalten, sodaß es zur Vermeidung der Stillegung unmöglich ist,
weitere Ermäßigungen eintreten zu lassen. Bei vollständiger Stille-
gung würde die dortige Arbeiterschaft noch bedeutend mehr ge-
schadet werden.”
Neue Schwierigkeiten brachte die Sequestrierung der gesamten
Kleinbahnanlagen im Kreise Eupen. Unter dem 31. März 1923 er-
hielt die Direktion in Aachen von der Sequesterverwaltung nachfol-
gendes Schreiben:
"Meine Herren !
Wir haben die Ehre, Ihnen zur Kenntnis zu bringen, daß in Verfolg
einer Ordonnanz des Tribunalspräsidenten der I. Instanz von Ver-
viers, datiert vom 29. März, die Kleinbahnanlagen Ihrer Gesell-
schaft im Kreise Eupen unter Sequester gestellt und von uns als un-
ter Sequester gestellt betrachtet werden.
56
Infolgedessen ist jede Verbindung zwischen Ihrer Direktion und der
Lokaldirektion des Depots Eynatten untersagt.
Gleichwohl werden wir uns zu verständigen haben über den Fahr-
plan, vielleicht auch über den Betrieb des Abschnittes Altenberg-
Grenze. Herr Püttgens ist vorläufig mit der Führung dieser neuen
belgischen Anlagen betraut.
Genehmigen Sie, meine Herren, die Versicherung unserer ausge-
zeichneten Hochachtung.
Die Sequesterverwältung
gez. Unterschrift
Inwieweit die Kleinbahngesellschaft auf eine solche
Zwangsmaßnahme vorbereitet war, vermögen wir heute nicht mehr .
festzustellen. Jedenfalls konterte die Gesellschaft mit einer rigorosen
Einstellung des Fahrbetriebes auf den von der ”Ordonnanz” betrof-
fenen Strecken. Wie wir gesehen haben, signalisierte die Sequester-
verwaltung in ihrem Schreiben vom 31. März 1923 die Verhand-
lungsbereitschaft zur Weiterführung des Fahrbetriebes. Angesichts
der Tatsache, daß die Aufrechterhaltung der Fahrgelegenheit eine
zwingende Notwendigkeit war und im öffentlichen Interesse lag,
richtete der von der Zwangsverwaltung eingesetzte Direktor unter
der neuen Firmierung folgendes Schreiben an die Aachener Klein-
bahngesellschaft: C
”Eupener Netz der Aachener Kleinbahngesellschaft unter Zwangs-
verwaltung.
Eynatten, den 13. April 1923
Meine Herren!
Mit Gegenwärtigem haben wir die Ehre, Ihnen die Vorschläge zu
bestätigen, die Ihnen in unserem Namen durch den Herrn Püttgens,
Direktor des Eupener Bezirks, gemacht wurden in betreff des Betrie-
bes der Linie Altenberg-Deutsche Grenze.
Der Betrieb kann auf zwei Arten weitergeführt werden: Wenn Sie
sich schriftlich einverstanden erklären, den Wagen 417 oder irgend
einen anderen derselben Art in gutem Zustande als beschlagnahmt
zu betrachten, als zugehörig zu dem belgischen Stück der Linie
Altenberg-Deutsche Grenze und ihn uns bei jeder Requisition zu-
rückgeben, kann der beschlagnahmte Wagen Ihnen anvertraut und
der normale Verkehr wieder aufgenommen werden. Oder aber wir
bringen den beschlagnahmten Wagen bis zum Endpunkte der Linie
zurück und wir verpflichten uns daß, wenn Sie den normalen Ver-
57
kehr wieder aufnehmen, kein anderer Wagen beschlagnahmt wer-
den soll. Teilen Sie uns gefl. mit, welches Ihre Entscheidung in die-
seim Punkte ist. Endlich müssen wir Ihnen mitteilen, daß wir die un-
seren Kontrolleuren in Mark bezahlten Beträge für die Zeitkarten
der Strecke Köpfchen-Aachen zurückhalten. Wir sind bereit, Ihnen
diese Beträge unter dem Vorbehalt der Generalabrechnung mit Ih-
rer Gesellschaft zurückzuerstatten.
Genehmigen Sie, meine Herren, die Versicherung unserer aus-
gezeichneten Hochachtung
Die Zwangsverwalter
gez. Unterschrift.
In ihrer Stellungnahme teilt die Kleinbahngesellschaft der
Zwangsverwaltung mit, daß sie die Angelegenheit dem deutschen
Übergabekommissar zur weiteren Regelung übergeben habe und
versäumt nicht darauf hinzuweisen; ”.. daß die Strecke Altenberg
niemals zum Eupener Netz, bzw. dem Kreisnetz gehört hat, sondern
zum Aachener Stadtnetz. Sie gehört auch heute nicht zum Gouver-
nement Eupen-Malmedy, sondern nach Altbelgien, sie liegt auch
auf der Seite der Straße die nach Altbelgien gehört. Die Linie ist auf
Grund eines Vertrages mit der Gemeinde Moresnet erbaut worden
und hat die Gemeinde vertragliche Verpflichtungen uns gegenüber
und wir ihr gegenüber übernommen. Bevor an eine Wiedereröff-
nung zu denken ist, müßte die Erfüllung der vertraglichen Ver-
pflichtungen gegenseitig gewährleistet werden.”
War die Kleinbahngesellschaft der Ansicht, es seien nur die
Anlagen im Gouvernement Eupen-Malmedy von der Zwangsver-
waltung betroffen, so mußte sie sich mit aller Härte darüber auf-
klären lassen, daß alle in Alt- oder Neubelgien befindlichen Anlagen
und Liegenschaften ohne Einschränkung der Zwangsverwaltung
unterlagen.
(Schluß folgt)
59
Der Puppenbrunnen
von Maria-Therese Weinert
Ein Brunnenrand aus Bronze und ein breiter Ring,
an denen Masken hängen, eins, zwei, drei,
so mancher Mensch erkennt sein Konterfei.
Da ist der Harlekin, verbreitet Lebenslust,
der Richter hat die Würde wohl gepachtet,
die Marktfrau zeigt sich redlich, selbstbewußt,
der Pfaff, ein wenig müd, scheint wohlgeachtet.
Sie alle sind beredt mit Köpfen, Armen, Beinen,
verdrehn sich knarrend, ob auch sie denn meinen,
nur an ihrem Wesen könnt die Welt genesen?
Doch über ihnen schwebt auf seinem Roß
der Krieger. Glaubt der sich im Recht,
macht er die andern all’ zu seinem Knecht.
Zuoberst über diesem Welttheater,
in dem die Puppen sich verbiegen,
sträubt sein Gefieder unser Wetterhahn,
als wollt’ er fliegen.
Und wenn er auch nicht krähen kann,
er gibt zuletzt den Ton doch an:
Wenn’s regnet, tropft’s auf jedes Menschen Kleid
und plätschert in die Brunnen aller Zeit.
(1) Aus dem Gedichtband ”Im Grenzland zuhause”, Grenz-Echo Vlg, Eupen, 1982,
mit Illustrationen von Gabriela De Ridder, 116 S., 254 F.
60
Das Katharinenstift zu Astenet (Schluß)
von Peter Zimmer
Wie wir gesehen haben (”Im Göhltal”, Nr. 40, S. 51) haben die
letzten Ausgustiner-Schwestern das Asteneter Stift Anfang August
1965 verlassen, nachdem die Übernahme des Hauses durch die Ge-
sellschaft ”Ozanam” aus Wegnez vertraglich geregelt worden war.
Auf das Wirken dieser Gesellschaft in Astenet soll hier näher einge-
gangen werden.
Wie vereinbart, sorgte die Gesellschaft ”Ozanam” dafür, daß
das Katharinenstift nach dem Willen der Stifter Gerhard Rehm und
dessen Gattin Katharina Ervens als Wohltätigkeitsanstalt erhalten $
blieb. Zu diesem Zwecke hat ”’Ozanam” Schwestern aus Italien zur
Betreuung der Betagten gewinnen können. Diese Ordensfrauen, die
den Namen ”Töchter des hl. Josef von Oristano” tragen, sind nun
schon seit August 1965 in Astenet tätig. Ihr unermüdliches Schaf-
fen für die Betagten ist für die alten Menschen wie die Strahlen ei-
ner wärmenden Sonne und jeder, der das Glück hat, in Astenet oder
auch anderswo den Lebensabend unter der Obhut dieser Schwe-
stern verbringen zu können, wird deren mütterliche Betreuung zu
schätzen wissen, haben sie doch ein liebevolles Herz für jeden ein-
zelnen Heiminsassen. Und obschon ihre Muttersprache eine ganz
andere ist als die der ihnen anvertrauten alten Menschen; verstehen
sie doch sehr gut deren Sorgen und Nöten.
Unermüdlich ist das Schaffen der Schwestern von morgens
früh bis abends spät und ohne Murren und Klagen vollbringen sie
ihr Werk. Mit einem stets fröhlichen Herzen dienen sie Tag für Tag
Gott und den hilfsbedürftigen Menschen, denn ihr Leben steht un-
ter dem Motto: ”Ora et labora - bete und arbeite”.
Zu bestimmten Tageszeiten wird die Arbeit kurz unterbro-
chen. Dann treffen sich die Schwestern in der Kapelle zu Gesang
und Gebet, wodurch sie immer wieder erneut Kraft und Mut schöp-
fen, ihrer Berufung treu zu bleiben.
In Astenet nahmen drei Schwestern aus dem Orden der ”Töch-
ter des hl. Josef von Oristano” am 1. August 1965 ihre Tätigkeit auf.
Die Klosternamen dieser Schwestern sind Ambrogina, Adalgisa und
Marcella. Die beiden Erstgenannten sind heute noch im Kathari-
nenstift tätig. Auch in Stavelot und Wegnez widmen sich die Schwe-
stern dieses Ordens der Altenpflege, während sie andernorts — in
Zaire, in Indien, der Schweiz und Italien — Leprakranke betreuen
62
polytechnischen Institut in Turin und erhielt schon im akademi-
schen Jahr 1863-1864 das Ingenieurdiplom.
Auch in der Armee zeichnete er sich aus und wurde am 19. Ju-
ni 1866 zum Kapitän befördert. Er erhielt den Auftrag, die königli-
che Pulvermühle von Fossano (südl. von Turin) zu leiten.
Der Besuch einer birmanischen Delegation i.J. 1873, die in Be-
gleitung eines in Birma tätigen Oblatenmissionars war, sollte Felice
Prinettis Leben verändern. Der erwähnte Missionar wollte Prinetti
nach Birma einladen, um in diesem hinterindischen Königreich die
Armee zu reorganisieren.
Auf diese Einladung antwortete Kapitän Prinetti: ”Ja, ich
komme, aber als Missionar!”
SON
Der Gründer des Ordens der italienischen Schwestern, die heute im Stift tätig sind,
Felice Prinetti, links als Kapitän der Artillerie aus dem, wie rechts zu sehen ist,
ein einsatzfreudiger Kapitän für Christus wurde
Am 27. November 1873 verließ er die Armee und trat in den
Orden der Oblaten der Jungfrau Maria ein. Es folgte ein mit großem
Fleiß betriebenes theologisches Studium, das ihm erlaubte, schon
am 23. Dez. 1876 zum Priester geweiht zu werden.
Von seinen Vorgesetzten erhielt er nun einen Lehrauftrag für
naturwissenschaftliche Fragen am Kolleg von Nizza, wo er bis 1881
blieb. Als Rektor des bischöflichen Seminars von Cagliari (ab 1884)
kam ihm der Gedanke einer Ordensgründung, deren ursprünglicher
Zweck Hilfe und Beistand für die Seminaristen sein sollte.
63
Als dann aber später in Sardinien wie auch anderswo das sozia-
le Apostolat eine dringende Notwendigkeit wurde, spornte er die
Schwesternschaft an, sich auch zusätzlich diesem Apostolat zu wid-
men, d.h. armen Mitmenschen, verlassenen Waisen, alten Frauen
und Männern, Kranken und Behinderten ein menschenwürdiges
Dasein zu sichern. 1893 betrauten die Vorgesetzten den frommen
Ordensmann mit der Leitung des Kollegs von Giaveno und 1904
wandte sich der Erzbischof von Pisa an ihn mit der Bitte, ein Haus
zur Priesterausbildung zu gründen. So entstand in der Nähe der an-
tiken Kirche von San Iacopo eine Gemeinschaft der Oblatenpatres,
an deren Spitze Pater Felice Prinetti stand.
Sogleich nach seiner Ankunft in Pisa bildete er auch noch ei-
nen sogenannten ”pastoralen Vortrupp”, der die Pionierarbeit über-
nahm, verschiedene Gemeinschaften zu bilden und Einrichtungen
zu schaffen. So z.B. eine Bibliothek, eine Spar- und Rentenkasse für
Arbeiter, die ”Union” für landwirtschaftliche Pächter, die ”Konfe-
renz vom heiligen Vinzenz” für das Armenviertel sowie eine Be-
rufsschule für Mädchen.
Außerdem legte er auch großen Wert darauf, für Priester und
Ordensleute Einrichtungen zu schaffen, wo dieselben durch Exerzi-
tien und andere Übungen den Mut, die Kraft und die Standhaftig-
keit erlangten, ihre Aufgaben jederzeit beharrlich zu erfüllen. So eif-
rig, wie er die Mitglieder zahlreicher Gemeinschaften und Organi-
sationen anspornte, Wohltätigkeitswerke zu verrichten, war er auch
stets selbst zur Stelle, um mit eigenen Händen Almosen unter die
Armen zu verteilen sowie die Würde jedes einzelnen Menschen zu
schützen. Nachdem er mit frommem Eifer jahrelang beispielhaft
dieses Apostolat der Nächstenliebe ausgeübt hatte und kränklich ge-
worden war, wurde er am 5. Mai 1916 aus diesem Leben abberufen.
Durch seinen Tod kamen jedoch die Wertschätzung und Ver-
ehrung, die man ihm schon während seiner Lebzeit bekundet hatte,
erneut spontan zum Ausbruch, besonders bei den Pfarrangehörigen
des Viertels von San Jacoba und zahlreichen Persönlichkeiten in
ganz Sardinien, Cagliari und Genoni. Mit diesen Gläubigen hatten
sich auch kirchliche Würdenträger sofort eingesetzt, um einen Selig-
und Heiligsprechungsprozeß für den Gründer des Ordens dieser
Schwestern in die Wege zu leiten.
Durch die beiden Weltkriege sowie die Unsicherheit, in der sich
der Orden während dieser Zeiten befand, traten derartige Verzöge-
rungen in diesem Prozeß ein, daß die Selig- und Heiligsprechung
von Felice Prinetti nur ein Traum für die Schwestern zu bleiben
schien.
64
Als seiner aber 1966, fünfzig Jahre nach seinem Tode, in Pisa
und Oristano durch eindrucksvolle Feiern gedacht und zum
Abschluß derselben seine sterblichen Überreste vom Friedhof von
Cisanello zum Eingang der Kirche von San Jacoba überführt wur-
den, um dort beerdigt zu werden, und als ebenfalls zu dieser Zeit die
juristische Festigung des Ordens erfolgt war, faßten Erzbischof und
andere einflußreiche Persönlichkeiten Italiens und anderer Länder
den Beschluß, eine Dokumentation über das Leben und die Tugen-
den von Prinetti herauszugeben und auf diese Weise den Prozeß zu
beschleunigen. Einige Jahre später, 1971, wurde dann ein Pater als
Prozeßführer bestimmt und damit beauftragt, die erforderlichen
Schritte zur Durchführung des Prozesses zu unternehmen. Darauf-
hin konnte am 25. Februar 1982 Kardinal Pietro Palazzina, Präfekt
der Kongregation für Selig- und Heiligsprechungen, persönlich
Papst Johannes Paul II. Bericht über den Beschluß dieser Versamm-
lung bezüglich Pater Prinetti erstatten. Nachdem der hl. Vater die-
sen Bericht bekräftigt und gebilligt hatte, veröffentlichte Erzbischof
Benvenuto Matteucci von Pisa am 5. Mai 1982 ein Dekret über die
bisherigen Ergebnisse des Heiligsprechungsprozesses von Pater Pri-
netti. Das in französischer Sprache abgefaßte Dokument ist in Aste-
net unten in der Kapelle sowie im Stift hinter dem Haupteingang
ausgehängt.
In demselben wird den Gläubigen außer dem bisher schon Er-
wähnten noch mitgeteilt, daß zu einem späteren Datum die Benen-
nung und Einberufung eines Gerichtes erfolgen werde, welches
gemäß den Vorschriften von Papst Pius XI. vom 4. Januar 1939
den Prozeß einzuleiten habe.
Neben diesem Dekret kündigt unten in der Kapelle ein Schrei-
ben, auf dem Pater Prinetti abgebildet ist, in deutscher und französi-
scher Sprache an:
”Unsere lieben Schwestern freuen sich sehr,
daß Papst Johannes Paul II.
der Eröffnung eines Untersuchungsprozesses
über Leben und Tugenden ihres Gründers
1842 — Don Felice Prinetti — 1916
zugestimmt hat.
Es steht also nichts im Wege, daß der Erzbischof von Pisa, Mgr.
Benvenuto Matteucci, ein Dekret erläßt zur Eröffnung des Verfah-
rens. für den Diener Gottes Felice Prinetti und den
Untersuchungsprozeß über Leben und Tugenden Eeinleitet.
65
Mit unseren lieben Schwestern wollen wir Gott danken und
IHN bitten, ER möge uns einen neuen Heiligen geben, den wir ver-
ehren und den wir nachahmen dürfen!
x
Kommen wir nun zurück zum Stift. Die Gesellschaft ”Oza-
nam” verkaufte das Gut Gippenhaag und verpachtete den Stiftshof
an Herrn Leo Counen aus Retinne. Sodann wurden nach und nach
alle erforderlichen Arbeiten im Haus ausgeführt, wodurch das Heim
wohnlicher wurde und die Betagten sich dort heimischer fühlen.
Zu diesen Arbeiten gehörte der Einbau eines Aufzugs sowie
die Anlage von Wasser, Heizung und elektrischen Klingeln in allen
Räumen. Später (1970) folgten noch einige Brandschutz-
maßnahmen.
Auch Rektor Begond, der noch eine Zeitlang mit den
Augustiner-Schwestern zusammengearbeitet hatte, hat immer
großen Wert darauf gelegt, daß sich alle Heimbewohner wohl und
zufrieden fühlen. Der Rektor, der besonders um erbauende Gottes-
dienste in der Kapelle bemüht ist, konnte Herrn Willi Palm
(Tülje/Neu-Moresnet) als Organisten für den Sonntagsgottesdienst
sowie die Messe am Donnerstagabend gewinnen. Seit dem 12. Sep-
tember 1965 versieht Herr Palm unermüdlich diesen Dienst.
Auch zur Asteneter Jugend hat Rektor Begond. einen guten
Kontakt gefunden, so daß zur Freude der Betagten, der Schwestern
und vieler Asteneter Gottesdienstbesucher sowohl sonntags wie an
den Wochentagen zahlreiche Meßdiener und Meßdienerinnen zur
Stelle sind, um den Gottesdiensten in der Stiftskapelle ein feierliches
Gepräge zu geben. Um diesen Jugendlichen Freude und Erholung
zu verschaffen, organisierte der Rektor, solange es seine Gesundheit
erlaubte, in Steffeshausen, Xhoffraix und Lommersweiler Ferienla-
ger, die zu einem unvergeßlichen Erlebnis wurden.
Aus der Stiftschronik und anderen Unterlagen heben wir für
die Folgezeit einige Einzelheiten hervor.
Zum Gedenken an Pater Felice Prinetti fand anläßlich seines
50-jährigen Todestages im Katharinenstift vom 3. bis 5. Mai 1966
ein Triduum statt.
Im September des gleichen Jahres wurde Schwester Clelia Obe-
rin im Stift; die Schwestern Maria-Theresia und Marcella verließen
Astenet, um ihre Tätigkeit in Stavelot fortzusetzen.
Im Mai 1967 erhielt die Kapelle einen zum Volk hin errichte-
ten Altar sowie Halogenlampen als Beleuchtung und eine Verstär-
keranlage mit 2 Mikrophonen. Die Kosten dieser Anlage wurden je
66
zur Hälfte durch eine besondere Kollekte und durch den Rektor
persönlich gedeckt.
Am Samstag, dem 26. August 1967, wurde zum erstenmal im
Stift das heilige Meßopfer abends dargebracht, welches für alle Teil-
nehmer als Sonntagsmesse galt.
Die Firma Dethier aus Wegnez führte vom 7. Januar bis zum
23. Februar 1969 zur Renovierung der Kapelle Anstreicherarbeiten
aus. Zu diesem Zweck war eine Summe von 100.000 Franken erfor-
derlich. Zur gleichen Zeit bekleidete der Herr Baibai, ebenfalls aus
Wegnez, die Heizung in der Kapelle mit Brettern. Am Ende dessel-
ben Monats ergriffen auch Freunde und Gönner des Katharinen-
stifts eine lobens- und begrüßenswerte Initiative: sie gründeten in
Astenet zugunsten der Insassen des Stifts die unermüdliche Gruppe
”Jugend erfreut die Betagten”, welche seit dieser Zeit mehrmals im
Jahre beweist, daß sie es sehr ernst nimmt mit diesem Namen und
Großartiges leistet.
Der 1. August 1969 bescherte dem Stift einen. außer-
gewöhnlichen Freudentag, nämlich den hundertsten Geburtstag
von Frau Adele Schroer, die nach diesem schönen Festtag noch 4
Jahre und 8 Monate lebte.
Der 27. April 1970 wurde für die italienischen Schwestern und
für die Insassen des Stifts zu einem besonderen Freudentag, hatte
doch der Erzbischof von Cagliari, Kardinal Baggia, seinen Besuch
angekündigt. Derselbe wollte in unserem Lande den rund 250.000
christlichen Arbeitern aus Italien, darunter ca. 30.000 aus Sardinien
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Der Kardinal Baggia vor der Eingangstür des Katharinenstiftes inmitten
der Schwestern aus Sardinien, die weiße Kleidung tragen.
Die schwarzgekleideten Schwestern kamen aus W&gnez und Stavelot,
Links im Bild sind Pfarrer Alard (Walhorn), Dechant Ledur (Eupen)
sowie andere Ehrengäste, die am Empfang teilnahmen, zu sehen.
67
stammenden, einen Besuch abstatten. Da auch die Schwestern vom
Orden der Töchter des hl. Josef zu den Auswanderern gehören, kam
das Katharinenstift auf das Besuchsprogramm des Kardinals. In Be-
gleitung der für die Immigrantenseelsorge verantwortlichen Msgr..De-
jardin und Rektor Clerens traf der hohe Gast kurz vor Mittag in
Astenet ein, wo er von Dechant Ledur, Pfarrer Alard (Walhorn)
und Schifflers (Kettenis) begrüßt wurde und von den sieben Schwe-
stern, die zu dieser Zeit in Astenet tätig waren, sowie mehreren an-
deren aus den Heimen von Stavelot und Wegnez überaus herzlich
empfangen wurde. Der Kardinal beglückwünschte die Schwestern
zu ihrer vorbildlichen Arbeit und brachte zum Abschluß seines Be-
suches in der Stiftskapelle das hl. Meßopfer dar.
1970 erhielt auch das Rektorat eine neue Heizung und Ende
1971 begann eine völlige Renovierung des Glockenturmes; dabei
wurde der Turmhahn vergoldet. 4
Im März 1973 wurde durch den Schreiner Baibai aus Wegnez
die Kommunionbank zum Altar umgestaltet. Der alte Altar wurde
dem Vervierser Gefängnis überlassen.
Schließlich beauftragte die Trägergesellschaft ”Ozanam” im
September 1973 die Fa Xhonneux aus Welkenraedt, vor dem Ge-
bäude an der Straßenseite Wasserrinnen aus Beton anzulegen und
gleichzeitig Weg und Parkplatz vor den Gebäuden sowie die
Stiftstraße zu teeren.
Am 2. Weihnachtstag 1974, kurz vor der hl. Messe, tobte ein
Wirbelsturm über Astenet. Die am Chordach verursachten Schäden
konnten jedoch innerhalb vier Tagen behoben werden.
Am 1. Oktober 1975 konnte Schwester Luciana ihr silbernes
Klosterjubiläum feiern. 10 Monate später, am 1. August 1976, feier-
te Rektor Begond sein 25-jähriges Priesterjubiläum. Aus diesem
Anlaß erhielt er als Geschenk 5 Chorsitze aus Eiche für die Kapelle.
Im selben Jahre, am 15. Oktober, konnte auch Schwester Ade-
le auf 25 Jahre als Ordensschwester zurückblicken, was wiederum
gebührend gefeiert wurde.
Zur weiteren Verschönerung des Kapellenchores ließ Rektor
Begond 1977 fünf weitere Chorstühle beim Schreiner Baibai anferti-
gen. In Aachen erstand er bei der Fa Willems eine neue elektrische
Orgel.
Für den Rektor, die Schwestern, die vielen betagten Heimin-
sassen und die gesamte Asteneter Dorfgemeinschaft war der 14.
März 1979 ein besonderer Ehrentag: der Bischof von Lüttich, Wil-
68
helm Maria van Zuylen, stattete dem Katharinenstift einen Besuch
ab und würdigte auf diese Weise die Arbeit der Schwestern.
Das Jahr 1980 war von weiteren Ordensjubiläen geprägt:
Schwester Oberin Carmelia und Sr. Remedia konnten am 19.3. bzw.
6.10. auf 25 Jahre Klosterleben zurückblicken.
Größere Arbeiten verzeichnet die Chronik im Jahre 1981:
neue Fenster an der westlichen Kapellenseite, Notausgänge und
Außentreppen, Feueralarmanlage, Neuputz der Fassade rechts
vom Haupteingang und Erneuerung der alten Inschrift.
Aus all dem geht hervor, daß in den vergangenen zwei Jahr-
zehnten weder Mühen noch Kosten gescheut wurden, um das Stift
sowohl außen wie innen sauber und einladend zu gestalten.
Besondere Verdienste hat sich dabei auch Herr Rektor Begond .
erworben, der während all dieser Zeit sich als stets hilfsbereiter Seel-
sorger erwiesen hat. Als Priester legt er großen Wert darauf, die Ort-
schaft Astenet in seine seelsorgliche Arbeit einzubeziehen, so daß
die Stiftskapelle für zahlreiche Asteneter zu ihrem Gotteshaus ge-
worden ist, wo nicht nur täglich die hl. Messe gefeiert wird, sondern
auch Tauffeiern stattfinden, Ehen geschlossen und Exequien gehal-
ten werden. Zahlreiche Vereine und Gruppen aus der Gemeinde
stellen sich zur festlichen Gestaltung der Gottesdienste zur Verfü-
gung. Diese Gruppen und Vereine sind auch dann zur Stelle, wenn
es gilt, den Betagten im Stift, besonders jenen, die ihr Zimmer nicht
mehr verlassen können, eine kleine Freude zu bereiten. Dadurch
wird nicht nur von Zeit zu Zeit der trübe Alltag erhellt, sondern es
wird durch manches schöne Lied aus der Heimat auch bewiesen,
daß die Heiminsassen von der Außenwelt nicht ganz vergessen sind.
In diesem Zusammenhang ist besonders hervorzuheben, daß
allwöchentlich an einem Nachmittag drei liebenswerte Damen aus
Walhorn mehrere Stunden für die Betagten im Stift opfern, sie an-
spornen, die Zimmer zu verlassen, ihnen helfen, sich zum Spielsaal
zu begeben, um dort mit zahlreichen anderen einen erholsamen
Nachmittag zu verbringen und ihren Geist durch Spiele zu betäti-
gen sowie mit Gesang den Lebensmut neu aufzufrischen.
Erwähnt werden muß auch, daß mehrere Damen aus Walhorn
und Umgebung als freiwillige Helferinnen an verschiedenen Sonn-
tagnachmittagen den Schwestern zur Seite stehen, um den Betagten
des Hauses das Essen zu servieren, abzuräumen und zu spülen.
Damit unter den Betagten der volkstümliche Humor nicht in
Vergessenheit gerät, hält auch Prinz Karneval alljährlich im Katha-
rinenstift mit seinem Gefolge aus Welkenraedt/Lontzen seinen Ein-
70
Auch in der Kaiserstadt Aachen ist dafür gesorgt worden, daß
der Name Gerhard Rehm, der in Weisweiler am 13. Oktober 1816
das Licht der Welt erblickte und später in Aachen als Bauunterneh-
mer eine rege Tätigkeit entwickelte, nicht in Vergessenheit gerät:
man hat dem Platz inmitten des von ihm erbauten Wohnviertels,
der vom Hansemannplatz durch die Ottostraße zu erreichen ist, den
Namen ”Rehmplatz” gegeben.
Aus Unterlagen im Aachener Stadtarchiv geht hervor, daß
Gerhard Rehm 1879, anläßlich der goldenen Hochzeit des Kaiser-
paares, den Brunnen auf dem Kaiserplatz stiftete. Auch ließ er auf
dem nach ihm benannten Platz die Mariensäule errichten und er
stiftete die Kanzel der St. Adalbert Kirche. Die Totenzettel von Ger-
hard Rehm und seiner Ehefrau Katharina Ervens sind ebenfalls im "0
Stadtarchiv enthalten. Sie bieten weitere biographische Einzelhei-
ten.
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= Ihn erretten der Herr.“ Ps 4,1
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‘= Herr gib ihr die ewige Ruhe |
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| Exequien werden Donnerstag, den 28. April,
| Vormittags 10 Uhr in EA rkirche zum
| 7 A Adalbert abgehalten.
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71
Katharina Ervens, geboren zu Aachen am 12. Oktober 1818,
schloß am 8. September 1844 mit dem Bauunternehmer Gerhard
Rehm den Ehebund.
Die beiden lebten kinderlos 43 Jahre lang in glücklicher Ehe
miteinander. Von den Glücksgütern, womit sie von Gott gesegnet
wurden, machte Frau Rehm hochherzigen Gebrauch, indem sie
stets bereit war, durch Wohltaten die Notleidenden großzügig zu
unterstützen, bis sie nach schwerer Krankheit am 23. April 1887 in
einem Krankenhaus zu Neuß verstarb. 4 Tage später fand sie in
Aachen ihre letzte Ruhestätte.
In ihrem Testament bestimmte sie, daß von ihrem Vermögen
die beachtliche Summe von 100.000 Talern für wohltätige Zwecke
ausgegeben werden sollte, was, wie bereits erwähnt, zur Folge hat-
te, daß in Astenet das Katharinenstift entstand.
| — Jesus! Maria! Joseph! Adalbert!
| „Selig sind die Todten, die im Herrn
sterben! Von nan an, spricht der
Geist, sollen sie ruhen von ihren
Miülhen: denn ihre Werke fülzen
ilnen nach,“ Ob. 4, 0.
CM
0
Zum frommen Andenken
An den wöhlachtbaren Herrn
Gerhard Rehm,
Rentner,
‚weicher am 1, October 1892, Vormittags 112 Uhr,
wiederholt gestärkt durch andächtigen Yanlane der
heiligen Sakramente, in Astenet bei Aachen; nach
kurzen aber schweren, mit Geduld ertragenen Leiden,
gottergeben dem Herrn entschlief. .
Geboren zu Weissweiler am 13, October 1S16,
lebte er seit dem 3, September 1814 in glleckliehster
Ehe mit Catharina, geb, Ervens, weiche ihn
Am 23, April 1887 in das bessere Leben voransglimnr.
Von den reichen ihm zur Verfügung stehenden :
Giückselitern, welche ungewöhnliches Geschick an 4
yastloser Fleiss ihm eingetragen, machte er den hoch-
herzizsten Gebrauch, Für kirchliche und gemein
nützize Zwecke hatte er eine stets offene Hand, Zenge
dessen das grossartige Katharinenstift in Astenet, das
schönste Denkmal der Eheleute Rehm: ferner die
prächtige Kanzel in St, Adalbert, die Mariensäule auf
dem nach ihm benannten Platze und zahllose reiche
Geschenke für alle möglichen edien Zwecke, Vielen
Armen and Bedrängten war er ein freigebiger Wohl-
thäter und Helfer
Seine lebe Serie wird In das bh. Opfer und ia das
Gebet der Gläubigen angelegentlichst empfohlen.
Er ruhe im Frieden!
Die feierliche Exequlen werden halten am
Mittwoch 5 Br Oct rn Ma A Oo #} n % HR
fi vom h}, Sakyameste wird noch näßer augezoiet
73
Gerhard Rehm starb in Astenet am 1. Oktober 1892. Am da-
rauffolgenden 5. Oktober fanden die Exequien in St. Adalbert statt.
Der Totenzettel würdigt das wohltätige Wirken der Eheleute Rehm
mit den Worten: ”Zeuge dessen das großartige Katharinenstift in
Astenet, das schönste Denkmal der Eheleute Rehm ...”
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An der rechten Seite des Grabmals befindet sich das Bild von Frau Rehm,
geb. Katharina Ervens.
Diese damals dem Ehepaar Rehm gewidmeten Zeilen werden
sicherlich heute für viele Menschen der Großgemeinde Lontzen und
über die Grenzen dieser Ortschaften hinaus Ansporn sein, um in ir-
gendeiner Weise dazu beizutragen, daß das Katharinenstift auch
74
weiterhin als Heimstätte für betagte und hilfsbedürftige Mitmen-
schen erhalten bleibt.
Aus diesem Grunde, und damit noch mehr Menschen in unse-
rer Gegend das Katharinenstift näher kennenlernen, ist dieser Bei-
trag für unsere Zeitschrift geschrieben und veröffentlicht worden.
Möge er dazu beitragen, daß für alle Menschen, die im Katharinen-
stift aus- und eingehen, der fromme Spruch, welcher über der Haupt-
eingangstür in Holz geschnitzt wurde, verwirklicht, was er verkün-
det:
” ”Der Ausgang und der Eingang mein
soll Dir, o Gott, empfohlen sein!”
** *
Benutzte Literatur:
Schriftstücke und Chronik des Katharinenstiftes, die Rektor Jean Begond sorgfältig
aufbewahrt und zu diesem Zweck bereitwillig zur Verfügung gestellt hat;
Helden und Heilige, erweiterte Neuausgabe von Hans Hümmler.
Heiligenlegende von P. Alfons Zimmermann, O.S.B., bearbeitet von Lorenz Beer.
Lebensbeschreibungen der Heiligen Gottes, von P. Matthäus Vogel, S.J., neubear-
beitet von Pfarrer W. Cramer.
Ferner sei an dieser Stelle für das zur Vefügung gestellte Bildmaterial und sonstige
Auskünfte herzlich gedankt: Rektor Jean Begond, der Schwester Oberin, Robert
Küppens, Lehrer i.R., Frl. Johanna Heuschen, Frau Viktor Heuschen, Gemein-
desekr. i.R. Joseph Heuschen, Heinz Keutgen (sen.), dem Stadtarchiv Aachen, Wit-
we Franz Schreul und Frl. Emilie Louys.
*..
Nachwort
In der nächsten Nummer dieser Zeitschrift werden wir zu der Artikelfolge über das
Katharinenstift ("Im Göhltal” Nr. 37-41) noch eine Bildnachlese bringen.
75
Eine Kelmiser Institution :
die Patronage
Rückblick auf Entstehung und Werdegang
; von Peter Claes
Vorbemerkung
Als das Kelmiser Pfarrheim St. Louis, die sog. Patronage, im
Jahre 1936 sein 25-jähriges Bestehen feierte, war das für mich als
damaligen Vortsitzenden der CAJ die Gelegenheit, in den Berichtebü-
chern dieser Pfarreinrichtung zu blättern und Rückschau auf die er-
sten 2 1/2 Jahrzehnte ihrer Tätigkeit zu halten. Den Text des damals
gehaltenen Vortrages brachte das ”Grenz-Echo” vom 2. Dezember
1936.
1986 konnte die ”Patronage” auf eine 75-jährige Existenz zu-
rückblicken. Doch eigentlich begann die ganze Geschichte schon
1907, also vor 80 Jahren. Ein Grund gewiß, den vor mehr als 50
Jahren im Grenz-Echo erschienenen Beitrag wieder einem größeren
Leserkreis zugänglich zu machen.
Eine verwahrloste Jugend
Vor 26 Jahren starb in Kelmis der hochw. Herr Kaplan Bosch,
jener Mann, dem wir das Werk der Patronage zu verdanken haben.
Er ist der Urheber unermeßlichen Segens für die Pfarre Kelmis ge-
wesen. (1)
Am vergangenen 26. Juni waren es 120 Jahre her, daß Kelmis
durch den preußisch-niederländischen Grenzvertrag neutrales Ge-
biet wurde und die amtliche Ortsbezeichnung ”Neutral-Moresnet”
erhielt. Zu der Zeit zählte man 256 Einwohner.
Etwa 20 Jahre später, 1837, gründete sich die ”Vieille Monta-
gne”, die dermaßen blühte und sich entwickelte, daß die Einwohner-
zahl Neutral-Moresnets um 1900 ungefähr 4000 betrug. Dieser Zu-
wachs an Einwohnern ist vor allen Dingen der Einwanderung vieler
Fremden zuzuschreiben. Da nun Kelmis keine eigene Gesetzgebung
hatte, wurde es bald zum Paradies der Trinker. In Büchern, die über
Kelmis berichten, stellt man nämlich allgemein fest, daß die Auto-
ren sehr erstaunt sind über die außergewöhnlich hohe Zahl der
Wirtschaften. €
(1) Für die im Text vorkommenden Zeitangaben muß das Jahr 1936 als Referenzjahr
genommen werden.
76
Andererseits war die Schulbildung damals sehr mangelhaft.
Dies alles trug dazu bei, daß die Jugend entartete und sich von der
Religion abwandte. Diese traurige Feststellung machte anfangs die-
ses Jahrhunderts der den meisten von uns bekannte Pfarrer Kept.
Doch bald schickte die göttliche Vorsehung in der Person des Herrn
Kaplans Bosch jenen Mann, der hier eine Änderung bringen sollte.
Eine Idee reift heran
Gar bald nach seiner Ankunft in Kelmis hatte er die kritische
Lage erkannt. Hier war das richtige Feld für seine Jugendliebe und
Unternehmungslust. Und bald stand sein Plan fest, einen Jugend-
verein zu gründen, in welchem die Jünglinge sonntags ehrbare Ver-
gnügungen und zugleich Anleitung und Belehrung zum Guten fin- ;
den könnten.
Am 18. Oktober 1907 fand eine Zusammenkunft des Herrn
Kaplans Bosch in dessen Haus mit den Herren Jean Brandt und Fer-
nand Kept statt, bei welcher die Gründung eines Jünglingsvereins
beschlossen wurde. Diese drei Herren sind somit die Gründer des
Jünglingsvereins St. Aloysius. Herr Brandt, später Bürgermeister
von Kelmis, war zum Präsidenten ernannt worden.
Man fragte sich dann gleich zu Beginn : ”’Wo die Jungen unter-
bringen? Wie ihnen die notwendigsten Möbel verschaffen? Einst-
weilen stellte der Herr Kaplan zwei Zimmer seines Hauses und seine
eigenen Möbel zur Verfügung.
Auf der Suche nach einer passenden Bleibe
15 Jungens fanden sich am 20. Oktober 1907 bei ihm ein. An
den darauffolgenden Sonntagen stieg die Zahl auf 50. Da die Anfra-
gen immer zahlreicher wurden, war die Lage unhaltbar. Sollte das
Werk fortbestehen und Früchte tragen, dann mußten geräumigere
Lokale zur Verfügung gestellt werden. Das bestgeeignete Haus war
ein in der Kirchstraße gelegenes, doch leider war es verrufen und da-
bei schwer in Miete zu bekommen. Im Vertrauen auf den hl. Joseph
griff unser Herr Kaplan Bosch zu einem originellen Mittel : Er ließ
eine Medaille des hl. Joseph durch ein Kellerloch des betreffenden
Hauses gleiten mit der Drohung, den Heiligen aus dieser Gefangen-
schaft erst zu befreien, wenn er mit seinen Jungens dort Unterkunft
finde.Wider alles Erwarten zog er am 2. Februar 1908 mit 75 Jüng-
lingen in das Haus des Herrn Wiertz, heute Hack, ein. Bei dieser Ge-
. legenheit fand eine offizielle Eröffnungsfeier statt, deren besonderer
Anziehungspunkt eine Kinovorstellung durch den damaligen Apo-
theker Kahlau, einen eifrigen Mitarbeiter, war.
(A.d.R.: Im Hause Hack ist heute der Gemeindekredit untergebracht.)
77
Nunmehr begann die eigentliche Arbeit der Patronage. Der
Herr Kaplan erfand für jeden Sonntag neue Vergnügungen und
neue Mittel, um auf die Jünglinge einzuwirken und sie im Guten zu
bekräftigen. Konferenzen, Lichtbildervorträge, Lesestudien wurden
veranstaltet zur geistigen Bildung. Der Herr Kaplan, die Seele des
Ganzen, wollte die Jünglinge zu Mäßigkeit und Enthaltsamkeit an-
spornen, indem er mit Wort und Tat gegen die Trunksucht kämpfte
und sich selbst als Beispiel anbot, indem er jedem geistigen Getränke
„ entsagte, ja sogar die unschuldige Pfeife, die er doch so sehr liebte,
verbannte und unter Siegel verschloß.
Gelegentlich des ersten Stiftungsfestes 1908 wurde die erste
Nummer einer speziell für die Mitglieder der Patronage herausgege-
benen Zeitschrift verteilt. Der ”Altenberger Jugendfreund”, so hieß
dieselbe, erschien monatlich und hatte einen großen Mitarbeiter-
stab ‘bestehend aus Intellektuellen, alles Bekannte und Freunde des
Herrn Kaplans Bosch, ehemaliger Rektor des katholischen Knaben-
instituts zu Völkerich. Dank dieser guten Beziehungen wurde die
Zeitschrift anfänglich durch das Kloster Bleyerheyde unentgeltlich
gedruckt.
V MA
er \
Heinrich Nikolaus Hubert Bosch,
Pfarrkaplan in Kelmis (Neutral-Moresnet)
Mitglied des 3. Ordens.
Geboren am 14. Mai 1876 zu Hombourg in Belgien,
gestorben in der Nacht vom 15. zum 16. November 1910.
78
Ein Neubau wird notwendig
Inzwischen entwickelte sich das Werk immer mehr, die Schar
wuchs von Sonntag zu Sonntag. Bald erwies sich auch dieses Haus
als ungenügend. Zu enge Räume, kein Spielplatz, in allem vom Ei-
gentümer abhängig: dies alles behinderte die richtige Entfaltung des
Werkes. Gleichzeitig wurde die Lösung der Schulfrage immer
dringlicher.
Die Gemeindeverwaltung konnte nicht kurzfristig neue Schu-
len bauen. Die Neutralität von Kelmis war stark durch deutsch - bel-
gische Verhandlungen gefährdet. Die Patronage hatte schon teilwei-
se Abhilfe geschafft, indem sie den Dominikanerschwestern ihre
Räume zu Schulzwecken zur Verfügung gestellt hatte. .
Die Säle mußten natürlich jeden Samstag für die Sonntagsver-
sammlungen geräumt werden.
Die Unzulänglichkeit seiner Patronage und die bedauerlichen
Schulumstände brachten nun Herrn Kaplan Bosch zu dem kühnen
Entschluß, ein eigenes Haus mit großen Sälen für seine Jugend und
Schulbänken für seine Kinder zu bauen. Das war nun sein Ziel, dem
seine ganze Tätigkeit untergeordnet, mit dessen Verwirklichung so-
fort begonnen wurde. Da den Kelmisern ihre Neutralität als höch-
stes Gut galt, ist die tatkrätfige Unterstützung, die auf den nachste-
henden Aufruf folgte, begreiflich.
Aufruf
Allzu häufig hat die Öffentlichkeit Veranlassung genommen,
sich mit den Verhältnissen des neutralen Gebietes von Moresnet zu
befassen. In einer Weise, die mehr oder minder den Wunsch hervor-
treten läßt, die Neutralität von Altenberg aus der Welt geschafft zu
sehen, hat man die Lage der Einwohnerschaft in ungünstigstem
Lichte darzustellen versucht. Auch sind zu verschiedenen Malen
Ungeziemlichkeiten von außen her in das grenzstreitige Gebiet hin-
eingetragen worden, die ganz danach angetan waren, die Verhält-
nisse in Altenberg als unerträglich erscheinen zu lassen und so auf
eine Beseitigung der bisherigen Verhältnisse zu drängen. Ganz be-
sonders aber wurde die hiesige Schule angegriffen, und in Wirklich-
keit liegt hier der einzige wunde Punkt, der für die Bevölkerung von
Altenberg und damit wohl auch für das gesamte Gebiet verhängnis-
voll zu werden droht. Hier auf Abhilfe zu sinnen und energisch
Hand ans Werk zu legen, ist eine Pflicht der Selbsterhaltung, und
zur Erfüllung dieser Pflicht ist ohne Zweifel die ganze Einwohner-
schaft bereit. Was die Opfergesinnung der Gemeinde aus eigenen
78
Mitteln nicht zustande bringen kann, wird Gottes Macht ergänzen,
denn hier gilt das Wort : Hilf dir selbst, so hilft dir Gott !
Mit dem festen Vertrauen auf die hochherzige Gesinnung der
Bevölkerung hat daher die hochw. Geistlichkeit und der Aloysius-
Jünglingsverein von Neutral-Moresnet es in die Hand genommen,
den Bau und die Errichtung einer Zentral-Bildungsanstalt zur Tat
werden zu lassen. Diese soll der Heranbildung unserer gesamten Ju-
gend, sowie der Sammlung und Einigung unserer ganzen Gemeinde
dienen in der Weise, daß der geplante Bau gleichzeitig eine öffentli-
che Schule und ein allgemeines Vereinshaus für Altenberg in sich
vereinigen soll.
Der hochw. Pfarrer von Altenberg, Herr Kept, hat diese Ab-
sicht und die bereits entworfenen Skizzen dem hochw. Diözesanbi-
schof unterbreitet. Das Unternehmen fand in allen Einzelheiten die
volle Billigung des hohen Herrn und S. Gnaden haben sich sogar be-
wogen gefunden, folgendes Empfehlungsschreiben eigenhändig aus-
zufertigen :
”Wir können den hochw. Pfarrer von Kelmis nur ermutigen in dem
notwendigen Unternehmen, eine katholische Schule für die hunder-
te von Kindern seiner Pfarre sowie ein gleichfalls notwendiges Pa-
tronat zu bauen. Wir empfehlen dieses Werk der Liebe der Christen,
und Wir zeichnen selbst für die Summe von fünfhundert Franken.
Lüttich, den 29. April 1910.
Martin - Hubert, Bischof von Lüttich”.
Nun ist es an Euch, Einwohner von Kelmis, der Öffentlichkeit
zu zeigen, daß Ihr für die wichtigsten Interessen Eures Vaterortes
opferwillig einzutreten vermöget, daß nicht nationale Gegensätze
Euch trennen, sondern daß Ihr es versteht, Eure Einigung in Liebe
zum abgestammten neutralen Heimatlande auch nach außen zu be-
kunden.
Die neue Schule und das neue Vereinshaus sollen ein Wahrzei-
chen dieser Liebe sein.
Aber auch die Nachbargemeinden mögen sich ihrer neutralen
Schwester eifrig annehmen und ihr Unternehmen kräftigst unter-
stützen, damit in der ganzen Gegend das Gefühl der engen Zusam-
mengehörigkeit würdigen Ausdruck finde.
Zum Wohle des Volkes und seiner Jugend
Der Vorstand des Altenberger Aloysius - Jünglingsvereins.
80
Dieser Aufruf, der in dem eben besprochenen Organ des Jüng-
lingsvereins erschienen war, wurde, auf Flugblättern gedruckt, in
Kelmis verteilt. Er hatte aber durch seinen Inhalt eine unangeneh-
me Zeitungspolemik heraufgeschworen, die den ”Altenberger Ju-
gendfreund” den Titel kostete, d.h. er erschien infolge des Zwischen-
falles nicht mehr als privates Blatt des Jünglingsvereins, sondern als
öffentliche Jugendzeitschrift unter dem Titel ”Froher Jugend-
freund”.>0)
Nach der Veröffentlichung dieses umstrittenen Aufrufes be-
gann Kaplan Bosch sein Heldenleben. Mit einem Gottvertrauen,
das manchmal an Heilige erinnert, nahm er die Verwirklichung sei-
nes Zieles im Angriff. Sich selbst vergessend bis auf die notwendig-
ste Nahrung und Sorge für seine Gesundheit, lief er nun von früh
bis spät, trotz Regen und Sturm, von einer Ortschaft zur anderen,
von einem Bauernhofe zum anderen, manchmal so ermüdet, daß er
am Wege sich setzen oder in einem Hause sich zu Bett legen mußte.
In seiner Tasche trug er eine Anzahl Photographien seiner Jugend-
schar, ein paar Zeitungen, welche über sein Werk geschrieben, und
ein Notizbüchlein mit den Empfehlungen des Herrn Bischofs, in
welches sich die hochherzigen Spender eintrugen. Dasselbe wird
heute noch in den Pfarrarchiven aufbewahrt. Und wenn er spät am
Abend zum Hw. Herrn Pastor zurückkehrte und seine Taschen leer-
te, dann jubelte sein ganzes Wesen in kindlicher Freude. In drei Mo-
naten sammelte er 21.250 Franken. Dafür wurde er aber auch nicht
von Kummer und Leid verschont. Selbst die Verfolgung, die der
göttl. Heiland seinen Jüngern vorausgesagt hat, blieb nicht aus. Wer
hätte es gedacht, daß der gutmütige Herr Kaplan Bosch, welcher
nur für Gott und den Nächsten lebte, vor die Gerichte geschleppt
werden würde ?
Unterdessen wuchs das Gebäude aus der Erde empor. Ein jun-
ger Architekt, Joseph Krützen aus Aachen, entwarf den Plan der
jetzigen Patronage und löste nach damaliger Auffassung die ihm ge-
stellte Aufgabe in bester Weise.
Jedoch entspricht das gegenwärtige Gebäude nicht vollends
der entworfenen Skizze, dafür werden wohl finanzielle und bautech-
nische Gründe ausschlaggebend gewesen sein. Der Bau war dem
Kelmiser Unternehmer Nikolaus Emonts anvertraut worden mit
der schwierigen Bedingung, Gutes mit wenig Geld herzustellen.
Dank der tatkräftigen Unterstützung durch Herrn Adam Schuma-
cher ist ihm das in den Grenzen des Möglichen gelungen.
81
Wie mag unser Jugendfreund jubiliert haben, als er sah, wie
der große Bau Form annahm; wie mag er sich gefreut haben, bald
mit seinen Jungens ins eigene Heim einziehen zu können ! Sein Ei-
fer vermehrte sich, je näher es dem Ziele zuging. Schon überschritt
er die Grenzen seiner Heimat, um in den Hauptstädten Belgiens für
sein Werk zu sammeln. Doch ”der Mensch denkt und Gott lenkt”
— in der Nacht des 15. November 1910 starb der Jugendapostel in-
- folge einer tückischen Blutvergiftung. Inmitten seiner Leiden und
Freuden, seiner Arbeiten und Pläne, seiner Hoffnungen und Erwar-
tungen, war er gefallen wie der Soldat in der Schlacht, als Opfer sei-
ner Liebe für Gott und den Nächsten, aber besonders als Opfer sei-
ner Liebe für die Jugend.
”Die fliegende Taube” berichtete über die Begräbnisfeierlich-
keiten u.a. folgendes :
”... Nach Ausgang des Leichendienstes, wobei der Opfergang
nicht nachlassen wollte, begleitete der lange Zug die Leiche bis zur
Grenze der Gemeinde, und beim letzten Abschied, da konnte kein
Auge mehr trocken bleiben : groß und klein, alt und jung, weinte
und schluchzte, und nur mit Schmerz sah man die teure Leiche in
der Ferne auf Moresnet zu verschwinden. Die allgemeine Teilnah-
me des ganzen Ortes bewies, wie beliebt Kaplan Bosch in Kelmis ge-
worden war und wie er durch seinen unermüdlcihen Eifer die Her-
zen an sich zu ziehen wußte. Gott seinerseits möge ihm gnädig sein
und seine Bemühungen ewig belohnen.”
Die neue Patronage : ein Mehrzweckbau
Was der Herr Kaplan nicht schauen durfte, das erlebten seine
Mitarbeiter, die, von seinem Geiste beseelt, das Werk mutig fortsetz-
ten. Am 1. Sonntag des Monats Mai 1911 verließ der Jüng-
lingsverein im Festzuge sein Haus in der Kirchstraße, um seinen
Einzug in die neue Patronage ”St. Louis” zu halten. Fröhlich sangen
sie beim Abschied :
So leb denn wohl, du altes Haus.
Wir ziehn vergnügt von hier hinaus,
Wir strömen hin zum neuen Heim,
Dort fühlen wir uns stets daheim.”
Da die nun fertiggestellte Patronage gleichzeitig als Schule
diente, blieb der Jugend nur der gegenwärtige große Saal übrig. Die-
ser wurde nun für die verschiedenen Abteilungen durch Bretterwän-
de unterteilt. Bei Festlichkeiten wurden dieselben beseitigt. Im Ok-
tober 1911 veranstaltete man eine großartige Kundgebung in dank-
barer Erinnerung an den Urheber und Gründer der Patronage.
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[10/0] LE [19/0]
Altenberger. Iugendfreund.
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; 13% Monatsblatt für die Jugend des neutralen Gebietes, 44 |
VW Berausgegeben vom Worfande des Aloysius-Jünglings= Wereins W .
zu Meufral=Qoresnef.
Mr, 1011, Bweiter Jahrgang. Oktober | Noventber 1910.
GESEHEN T ENFEMENINO
- N E EZ
Unerwarteie ZZ a Trauerkunde. |
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Soeben trifft bei der Redaktion des „Altenberger Jugendfreundes“ die be-
wegende Nachricht ein, daß es dem Herrn über Leben und Tod gefallen hat,
den Gründer und eifrigen Förderer unserer Zeitschrift, den Vor-
sitzenden des Redaktionskomitees,
{ den hochwürdigen Herrn 5
Heinrich Bosch
AEINTICH DOSC
Pfarrkaplan zu Kelmis, Neutral-Moresnet,
nach dreitägiger Krankheit zu sich in die ewige Heimat abzurufen, am Dienstag,
ER ES NOVEBER IR den Abendmtihden: |]
Der nunmehr Verewigte hat sein Leben geopfert einzig im Dienste seiner
Priesterpflicht und seines Eifers für die Beförderung des Unternehmens, das er nicht
mehr in seiner Vollendung schauen sollte. Indem wir in tiefer Trauer um seinen
Verlust uns der Ehrenpflicht schuldiger Liebe und Dankbarkeit unterziehen, das Ab-
leben dieses Priesters nach dem Herzen Gottes zur Kenntnis zu geben, kündigen
wir an, daß wir in der nächsten Nummer ein ausführliches Lebensbild des Ver-
blichenen veröffentlichen werden.
Dem Gebete unserer verehrlichen Leser empfehlen wir die liebe Seele des
Heimgegangenen, damit sie, wenn noch irdische Fehle sie zurückhalten solle am Orte
der Läuterung, doch recht bald eingehe in das himmlische Jerusalem.
Ehre dem Andenken dieses Priesters!
Er ruhe in Frieden!
‚OEEEENNERENNSESEN EEE EIN EEE | ESS
KAP EEESSEENSDN
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Don 18,000 Franken zujammenzubrinz { u
gen. Dur feine Demut und Frömmigfeit | m BB, oem gtetter
erbaute er alle und dur feine aufrich» | | OD oe
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Andenken wird ein gejegnete8 bleiben | or Aifer: pre ein in men
im den Herzen aller Hriftlih-gefinnten ° ES 74 Fre mangreeger ober)
Pfarrinfajjen. Früh vollendet hat er “9
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morben. Doch empfehlen die tiejbetrübte °{ 4 240 Sn BE
Mutter, Jowie 4 Brüder, 3 Schweitern N | Zieh una tiefem Malteie
u.5 der hodjw. Klerus die liebe Seele Ri Tem an
dem heil. Opfer der Prieiter und der gi | erfeen, wus Bon vom
frommen Fürbitte der Gläubigen damit fs but Ange hd
Ddiejelde defto jicherer ruhe ne nrw
in Gottes Heiligem Frieden. | EEE ae meine swneme Danen
Ö | EP Sir weine
Mein Zejus, Barmherzigkeit ! | EL —
(100 Tage Ablaß.) il 5 hs
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MESSE
Mubel, Druck von Jojeph Willem,
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Jejus! Maria! Jofeph! Amtsbrüder, im Alter von 34 Jahren,
+ + + gottfelig int Fricden des Herrur entjhla:
„Grüß vollendet hat er diele KM
Dabre erreicht, denn genebhm war
Üott deifen Seele, deshalb nahın Der Verblihene war geboren zu Home
ee re el Burg am 14. Mai 1876 und wurde nad
EEE Na6, IV. 18.14. rühmliger BoNendung der theolog. Stu
dien am 9. April 1901 zu LüttigH zum
GC) Prieiter geweigt. Mit jrommenı qlühendem
) DE | Gier mwirfte er 2 Jahre alz Meftor bei
den Franziskanerbrüdern in Mölferih und
o | dann 7 Sahre als Kaplan in der ausger
} a | dehnten Wfarre von Kelmis, Den Ob-
4 Tiegenheiten feines hl. Berufes kan er nad
A mit großer Sreudigkeit, Treue und Sorg-
Zum frommen Andenken alt ; ffet8 mar er bereit der Sache Gotres
an den hohwürdigen Herrn VO Kirche On dem DEE der Sees
a3 $ fen feine ganze Kraft zu widmen, gerne
Heinrich Nikolaus Hubert nerfündele’er das Wort Gottes, vermal
BOSCH tete mit GFijer das Heil, Sakrament der
, Buße, beförd:tte mit allen Kräjten die
Kapları in Kelmis (Neutral-Moresnet) | IB CN N freute Va
itgli ranfen und Notleidensen zu befuchen
Mitglied: 468: 9:sOrddnai 3. Eine Herzensfache war ihın die Sorge
| eier in der Nacht vom 15. auf den 16, um die Jugend. Zur Gründung eines
November 1910, nad Furzem Kranken VereinsHaufes für den von ihm in’s Leben
Tager und nach andächigem Empjange gerufenen Jünglingsverein und zur Ve:
der Hk. Sterbefakramente unter dem Se» x Tehafiung weiterer Schulfäle hatte er e8 ver-
bete und dem BVeijtande feiner gerllihen jtauden, in wenigen Monaten die Summe
84
Da man nun endlich das notwendige Heim hatte, das den An-
sprüchen einer lebensfrohen Jugend entsprach, konnten sich ein
normales Leben und eine rege Tätigkeit des Jünglingsvereins ent-
wickeln. Nach dem Vorbilde der damaligen belgischen Einrichtung
nannte man die Vereinigung gemeinhin ”Patronage”.
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Das neue Vereinhaus zu Kelmis-Altenberg,
gezeichnet vom Architekten Jos. Krützen.
(aus dem ”Altenberger Jugendfreund”, Okt.-Nov. 1910)
Die derzeitige Führung lag in den bewährten Händen des Hw.
Kaplans Simons, dem der Hw. H.-Kaplan Fis, Nachfolger des Herrn
Kaplans Bosch, zur Seite stand. Nicht zu vergessen ist hier der
Hw. H. Pastor Kept, der, wenn auch nicht direkt in Erscheinung
tretend, sich doch in sehr hohem Grade um dieses gigantische Werk
verdient gemacht hat. -
86
tung des Herrn Lovenberg stand, wurde alles andere durch Mitglie-
der ausgeführt. Zur Ehre der Musiker sei gesagt, daß dieselben frü-
her, wie auch heute, sich unter der Leitung des unermüdlichen Herrn
Jos. Conrath meistenteils in uneigennütziger Weise zur Verfügung
stellten.
Doch bald wurden die Bretterwände im großen Saale zum Ver-
hängnis. Dieselben vermochten nicht den Lärm zu dämmen, den
das junge Volk verursachte. Die Gefahr lag nahe, daß die älteren
Mitglieder aus diesem Grunde den Abendunterhaltungen fernblie-
ben und so der Patronage verlorengingen. Man beschloß daher,
diese älteren Jungen in einer selbständigen Abteilung zusam-
menzuschließen und derselben einen besonderen Raum anzu-
weisen. Doch dieser Raum fehlte, alles war in Anspruch genommen.
So sah man sich gezwungen, die Jungfrauenkongregation zu veran-
lassen, ihren Saal zu räumen. Dieselbe hatte nämlich als Belohnung
für ihre anerkennenswerte Sammeltätigkeit zugunsten der Patrona-
ge vom H. Kaplan Bosch ein Plätzchen in derselben versprochen be-
kommen. Diese Räumung wird wohl nicht ganz reibungslos von-
statten gegangen sein, was natürlich leicht begreiflich ist. Doch an-
dererseits war diese Maßnahme zu begrüßen, da dieses gemein-
schaftliche Heim schwerlich zum Segen der Jugend beigetragen hät-
te.
So wurde dann Anfang 1912 der ”Cercle St. Paul” gegründet,
der auch heute noch in der Höhe, d.h. im 2. Stockwerk wohnt. Die
Leitung übernahm Kaplan Simons. }
Für die männliche Jugend war nun gesorgt. Doch war es ange-
sichts der Zeitumstände ein Gebot der Stunde, daß auch die im har-
ten Daseinskampfe, im Streit der Weltanschauung stehenden Män-
ner, besonders die Arbeiter, sich zur Wahrung des Glaubens und zur
gemeinsamen Förderung ihrer Interessen zusammenschlossen.
Das hatte der Kaplan Fis klar erkannt; folgerichtig gründete er
im März 1914 den ”Katholischen Arbeiterverein St. Joseph”. Der-
selbe bestimmte logischerweise die Patronage zu seinem Vereins-
haus, dessen zahlenmäßig stärkster Verein er bis zum heutigen Tage
geblieben ist. Er hat sich während all diesen Jahren sehr verdient ge-
macht, nicht nur durch die Verteidigung der religiösen und sozialen
Belange der Arbeiter, sondern auch durch tatkräftige Unterstützung
unserer Jugendwerke.
Kommen wir nun zurück zu unserer Patronage. Auf der Vor-
standssitzung des Monats Juli 1914 wurde das Errichten eines Ge-
denksteins auf dem Grabe des Herrn Kaplans Bosch beschlossen.
87
Doch anstatt beim Weiterlesen der Berichtehefte von einer schlich-
ten Trauerfeier zu vernehmen, ist folgendes eingetragen:
August 1914
Eine Vorstandssitzung fand nicht statt. Die traurigen Ereignis-
se erlaubten es nicht. Am 4. August morgens 8 Uhr kamen die er-
sten deutschen Soldaten durch die Ortschaft, der Krieg war ausge-
brochen. Die Patronage wurde in ein Lazarett umgewandelt. 67 Bet-
ten, welche die Einwohner bereitwilligst zur Verfügung gestellt hat-
ten, wurden in dem großen Saal aufgeschlagen und während den
Monaten August und September war die Patronage in eine Kaserne
umgewandelt.
Die ehrw. Dominikanerschwestern, besonders Schwester Jose-
phina, und einige Damen widmeten sich der Krankenpflege.
Die Kranken waren meistens Soldaten, welche vor Hitze und
Müdigkeit zusammengebrochen waren. Die Betten wurden jedoch
wohl noch mehr benutzt für die durchziehenden Truppen, die in der
Patronage ein weiches, höchst erwünschtes Lager fanden. Der Hof
war öfters angefüllt mit Pferden, Kanonen, Proviantwagen, Feldkü-
chen. Auf dem Dache flatterte die weiße Fahne mit dem roten
Kreuz.
Oktober
Am Sonntag, dem 4. Oktober, ist die Patronage wieder eröff-
net. Die Jünglinge finden sich bald wieder vollzählig ein und das ge-
wöhnliche fröhliche Patronageleben kommt wieder in Gang, sogar
die gewöhnlichen Beiträge für die Sparkasse werden meistens bezahlt
wie vor dem Kriege. Sonst nichts besonderes zu bemerken.
Soweit der Bericht. Doch das ”gewöhnliche, fröhliche Patrona-
geleben”, von dem die Rede war, fand bald durch eine Bagatelle sein
Ende. Bis vor dem Kriege lebte die Kelmiser Bevölkerung in einem
in der Tat beneideten Frieden, wußte doch kaum der eine vom
anderen, ob er Belgier oder Deutscher war. Begreiflicherweise
schuf der Weltkrieg Änderungen, so daß sich selbst die Gemü-
ter der einst so friedlichen und geeinigten Kelmiser aufregten.
Selbstverständlich übertrug sich das auch auf die Jugend und an ei-
nem schönen Sonntag brach das Spektakel los. Die Deutschen fin-
gen an, ihr "Deutschland über alles” zu singen, auf welches die Bel-
gier mit belgischen Liedern antworteten. Alle Ermahnungen blieben
erfolglos, so daß der. Herr Kaplan das Singen überhaupt verbot.
88
Nach mehrmaliger hartnäckiger Weigerung, diesem Verbot nachzu-
kommen, wurden 2 Jünglinge ausgewiesen. Doch kaum war die
Versammlung zu Ende, als zwei deutsche Soldaten in den Saal tra-
ten und den Präsidenten, Herrn Jakob Dahlen, unter der Beschuldi-
gung abführten, er habe verboten, deutsche Nationallieder zu sin-
gen. Die anwesenden Herren folgten jedoch ihrem Präsidenten, um
ihn gegebenenfalls zu verteidigen. Herr Kaplan Simons verlangte
Einlaß ins Gemeindehaus, wo das Verhör stattfand. Nachdem der-
selbe die Sachlage erklärt und betont hatte, daß der Festgenommene
keineswegs der Schuldige sei, fiel denn auch der Urteilspruch zugun-
sten der Autorität aus. Doch als die Herren entlassen wurden, er-
wartete sie vor der Tür ein Höllenlärm von Geschrei, Geschimpfe
und Hohngelächter von Seiten der gekränkten Sippe.‘ Das zeigt uns ;
wiederum einmal - nebenbei bemerkt - wie sich der Mensch erniedri-
gen kann, wenn seine Leidenschaften durch Aufwiegler entfacht
und geschürt werden. Dieses Ereignis hatte die Schließung der Pa-
tronage zur Folge. Der ”Cercle St. Joseph” sollte versuchsweise und
unter besonderem Vorbehalte geöffnet bleiben.
Lesen wir nun weiter im Berichteheft über das Los der Patro-
nage während des Krieges.
Februar 1915
Die traurige Kriegszeit dauert noch immer fort, die Militärbe-
hörde beschlagnahmt die Patronage. Sie soll etwa 300 Landstürmer
beherbergen, welche die Grenze in der Umgegend bewachen. Der
große Saal erhält eine neue Umwandlung : er wird angefüllt mit Mi-
litärbetten, je zwei und zwei aneinander und übereinander. Die
Bühne, der Korridor werden mit solchen Lagerstätten versehen. Der
untere Schulsaal wird als Eßzimmer und Kantine verwendet. Auf
dem zweiten hält der gestrenge Kommandant Residenz. Die Kegel-
bahn ist in Küche, Vorratskammer und Wachstube eingeteilt. Vor
dem großen Saal verwehrt eine Wache Unberufenen den Eintritt.
Wir retten nicht ohne Mühe den kleinen Bibliotheksaal auf dem er-
sten Stock mit einigen Tischen und Stühlen. Vorstandsmitglieder
und Jünglinge des Cercle versammeln sich dort jeden Sonntagabend
zu einem stillen Kartenspiel, das einzige, was uns noch bleibt, bis um
9 Uhr die Trommel gebieterisch zum Schlafengehen auffordert. Mit
gedrückten Herzen schleichen wir hinaus an der Wache vorbei, sin-
nend, was aus unserer teuren Patronage geworden und wohl noch
werden wird.
89
Die gemeinschaftliche Kommunion vom 14. Februar war gut
besucht, besonders waren die Jünglinge des Cercle beinahe vollstän-
dig erschienen. Auch die Versammlungen des Cercle dauerten nicht
mehr lange; da die Jugend viel Geld verdiente, sollte auch um
schweres Geld gespielt werden; mehrere Male wurde es energisch
und drohend untersagt, aber heimlich ließ es sich nicht verhüten, so
daß der Kaplan sich gezwungen sah, die Versammlungen gänzlich
aufzuheben.
Die Jünglinge wurden allmählich eingezogen, wenigstens dieje-
nigen deutscher Abstammung. Als erstes Opfer des Krieges wurde
der gute Hubert Kohl am 25. September 1915 vermißt und man er-
langte immer mehr die Gewißheit, daß er auf französischem Boden
beim Vorstoß in der Champagne sein junges Leben hergegeben, be-
trauert von seinen Freunden und Mitarbeitern und besonders vom
Vorstand der Patronage, die in ihm ein treues Mitglied und einen
Mitgründer verliert. Möge der allgütige Gott ihm die Krone des ewi-
gen Lebens verleihen für das Gute, das er inmitten der Seinigen ge-
wirkt und das schöne Beispiel religiösen Sinnes, wodurch er man-
chen seiner Kameraden zum Guten antrieb und allen durch seinen
Ernst imponierte. Auch-hielten wir in Anerkennung ein feierliches
Seelenamt für seine Seelenruhe.
Mittlerweile wird die Patronage uns immer mehr entfremdet,
im Winter 15-16 wurden gegen 5 Uhr die Vinzensversammlungen
dort abgehalten, dieses dauerte bis Ostern; auch fanden wir uns
nochmals von Zeit zu Zeit zu einem Spielchen zusammen. Auch
diese Gewohnheit schwand allmählich, denn man sah nur seinen
Unwillen dort. Stühle zerbrochen, Tische verschleppt und durch
Nässe ganz verdorben, es blieb nur mehr die Bibliothek geöffnet, die
besonders viel von der Jugend in Anspruch genommen wird.
Endlich erhielten wir die Mietentschädigung, die dann auch be-
nutzt wurde, unsere noch rückständigen Schulden teilweise zu
decken. So wurden im April 1916 2000 Mark verlost und für Fe-
bruar 1917 weitere 1000 Mark zum Verlosen versprochen.
Hiermit endigt der Kriegsbericht der Patronage, die zur Kaser-
ne geworden war und 1500 Mann beherbergte. Der Waffenstill-
stand 1918 bedeutete jedoch keineswegs die Stunde der Erlösung,
sondern nur eine Änderung. Nach Abzug der deutschen Truppen
besetzte belgisches Militär das Haus.
Ehe wir fortfahren, die Nachkriegszeit zu schildern, sei noch
das Hinscheiden eines sehr verdienstvollen Meisters, Herrn Lorenz
Fryns, erwähnt. Er war langjähriges eifriges Vorstandsmitglied und
90
war in dieser Eigenschaft jeden Sonntag zur Stelle, die jüngere Ab-
teilung der Patronage zu betreuen. Er starb am 20. März 1918 und
vergrößerte so die Lücke, die der Krieg in den Mitarbeiterstab des
Werkes und dessen Mitglieder gerissen hatte.
Im Frühjahr 1919 wurden jedoch der Jugend die Pforten wie-
der geöffnet. Neue Aufbauarbeit mußte geleistet werden. Ein jun-
ger, von Eifer für die Jugend beseelter Priester, Kaplan Wenders,
nahm an dem neuen Aufstieg regen Anteil. Derselbe wurde an Stel-
le des nach Verviers versetzten, ganz besonders um die Arbeiterbe-
lange, aber auch um unsere Patronage hochverdienten Herrn Ka-
plan Fis ernannt.
In dieser Zeit gründete man eine Turnabteilung. Ebenso be-
gann man wieder, die Theaterkunst zu pflegen. Diese trieb bis zur
heutigen Zeit immer schönere Blüten, um heute ihren Höhepunkt
zu erreichen.
Die Konzerte der Patronage sind immer der Forderung gerecht
geworden, den Einwohnern und besonders den Mitgliedern ehrbare
und erbauende Vergnügen zu verschaffen. Sie sind nicht zuletzt we-
gen der Leistungen immer rege besucht worden. Manchmal war der
Erfolg ein derartiger, daß die Darbietung wiederholt werden mußte.
Dies war besonders der Fall für die ausgezeichneten Konzerte gele-
gentlich der Namenstagsfeiern des jeweiligen Pfarrers.
1920 wurde der damalige Pfarrer Kept nach Baelen versetzt.
Er war zweifelsohne der Mann, der nach Kaplan Bosch die meisten
Sorgen um unsere Patronage gehabt und dessen tatkräftige Unter-
stützung das Werk überhaupt ermöglicht hat. Er war seit Beginn
der Ehrenpräsident des Werkes, legte aber sehr wenig Wert auf die-
sen Titel, da er sich weitaus mehr aktiv und praktisch betätigte und
deswegen hohen Anspruch an unsere Dankbarkeit stellen kann. Die
Abschiedsfeier, die ihm zu Ehren nach seiner 25-jährigen priesterli-
chen Tätigkeit in Kelmis hier veranstaltet wurde, stellte dies unter
Beweis, war doch der Saal bis auf den letzten Platz gefüllt und der
Verlauf ein sehr ergreifender.
Sein Amt als Verwalter der Pfarre und als Ehrenpräsident der
Patronage übernahm dann unser jetziger allverehrter Herr Pfarrer
Scherrer.
Wiederum herrschte intensives Leben in der Patronage, das
ganz besonders Ausdruck in der Tätigkeit der Turnabteilung fand.
Auch hat — aber nur für kurze Zeit — eine Pfadfindergruppe, allge-
mein ”Boy-Scout” genannt, hier getagt.
Doch den Wechselfällen des Lebens entsprechend, traf die Pa-
91
tronage mitten in ihrem Gedeihen ein neuer Schlag. Im Frühjahr
1924 verließ der Hw. Herr Kaplan Simons, der einstige Konfrater
des Herrn Kaplans Bosch und dessen rechtmäßiger Nachfolger als
Leiter der Patronage, die Pfarre. Der Hw. Herr Bischof hatte ihn
zum Pfarrer im benachbarten La Clouse ernannt. Er nahm Ab-
schied von seiner Jünglingsschar, in dem festen Bewußtsein, sich
sehr um sie und ihre Patronage verdient gemacht zu haben. Den
Geist des Urhebers hatte er dem Werke zu wahren gewußt und des-
sen Willen verwirklicht.
Alsdann wurde der Hw. Herr Boutsen zum Kaplan in Kelmis
ernannt. Gleich seinen Vorgängern betätigte auch er sich aktiv in
unserem Jünglingsheim.
Ende 1924, Anfang 1925 wurde der große Saal umgebaut. Es
wurden die jetzige Decke ausgeführt, die Fenster angebracht sowie
der Holzfußboden angelegt. Der Saal verlor dadurch sein fremdes,
kaltes, hallenartiges Aussehen und gestaltete sich zu einem angeneh-
men, freundlichen Festraum.
Inmitten einer eifrigen Vorbereitung für die Namenstagsfeier
des Herrn Kaplans Wenders starb am 19. März, also am Fest des
Patrons desjenigen, den er ehren wollte, Peter Herff. In ihm verlor
die Patronage einen eifrigen Mitarbeiter. Seit Anbeginn hatte er im-
mer zur Gestaltung der Unterhaltungs- und Konzertabende beige-
tragen. Von 1912 bis zu seinem Tode war er Regisseur der Theater-
gruppe gewesen.
Zudem war er seit Bestehen dieser Gebäulichkeiten ihr Verwal-
ter. Und somit kann denn auch seine ehrenwerte Familie das 25-
jährige Jubiläum ihres Wohnsitzes in der Patronage feiern. Aus die-
sem Anlaß sei es wohl erlaubt, der Frau Herff einige Worte des Dan-
kes und der Abbitte im Namen der jugendlichen Insassen der Patro-
nage auszusprechen. Jahrein, jahraus hat sie unser Haus in Ord-
nung gehalten, im Winter für wohlig durchwärmte Räume gesorgt.
Hinter der Bühne hat sie während vieler Jahre unsere Jungend zu
Königen und Grafen, zu Bettlern und Greisen, ja selbst zu schönen
Mädchen gemacht. Doch um der Wahrheit zu dienen, sei auch ge-
sagt, daß sie manchen Ärger und Verdruß mit der unbändigen Ju-
gend gehabt hat. Doch das sind kleine Schatten, die allüberall zu fin-
den sind, wo Licht ist. Dessen ungeachtet hat Frau Herff aber stets
Freud und Leid mit der Patronage geteilt. Darum sei ihr an dieser
Stelle herzlich gedankt für die langjährige, pünktliche Pflichterfül-
lung, diese Treue im Kleinen und dieses Wirken im Stillen, im Ver- >
borgenen.
93
Am 11. Oktober 1925 fand in dem heutigen Restaurantsaal
nach fast einjähriger Vorbereitung unter dem Vorsitz des Kaplans
Wenders die Gründungsversammlung der Kelmiser J.O.C. (Christli-
che Arbeiterjugend) statt. Der Redner dieser Versammlung war der
Herr Vaessen aus Verviers, der als Direktor der ”Sozialen Werke”
noch heute die besten Beziehungen zu unserer Patronage und insbe-
sondere zu ihren Arbeiterorganisationen hat.
Die J.O.C. entwickelte sich verhältnismäßig rasch, nicht zuletzt we-
gen der freundlichen Aufnahme und Beherbergung in der Patrona-
ge. In den Anfängen war sie mit ihren anderen Mitgliedern als de-
nen der Patronage eine zweite Jugendorganisation im Hause. Da na-
türlich beide Vereine ihre Propaganda entfalteten, war es eine logi-
sche und begrüßungswerte Folge, daß bald die Mehrzahl der Mit-
glieder beiden angehörten. Da die J.O.C. eine Schöpfung der jünge-
ren Zeit ist und demnach besser den Erfordernissen von heute ent-
spricht, stand naturgemäß die Patronage in den folgenden Jahren
überwiegend in ihrem Zeichen.
Und so sind denn uns Jüngeren all die großen Ereignisse und
schönen Stunden der letzten Jahre noch in frischer Erinnerung. Eine
ganz andere Tätigkeit belebte nun die Patronage. Regelmäßig fan-
den wöchentlich zwei bis drei Versammlungen zur religiösen und
sozialen Bildung der Jungarbeiter statt. Wichtige Daten waren auch
die jährlichen Aufnahmefeiern, an denen die Eltern der ”Jocisten”
immer regen Anteil nahmen. Einmal hatten wir sogar die Ehre, den
Gründer der J.O.C., den hochw. Herrn Kanonikus Cardyn, als Gast
bei dieser Aufnahmefeier der Schulentlassenen zu haben.
Zusätzlich zu den Sonntagsunterhaltungen fanden anläßlich
besonderer Gelegenheiten wie Silvester, Christus-König, Abschied
der Militärdienstpflichtigen, Karneval usw. Unterhaltungsabende
statt. Im Sommer wurde wochentags Sport getrieben, dessen Lei-
stungen dann in einem Sportfeste ihren Ausklang und ihre Beloh-
nung fanden.
Inzwischen wurde im Jahre 1927 durch Abbruch der baufälli-
gen Kegelbahn der Hof erweitert. Zwei Jahre später wurde der
große Saal wesentlich renoviert, eine Instandsetzung, die ihn zum
derzeit schönsten des Ortes machte. Bei dieser Gelegenheit wurde
auch das ”kleine Zimmer” im großen Saal eingerichtet, das den ver-
schiedenen Sitzungen dienen sollte, zu welchen die anderen Räume
sich nicht eigneten. Seit einigen Monaten ist es auch der Sitz des
”Volkssekretariats”.
94
Am 1. Juni 1930 feierte die J.O.C. ihre Fahnenweihe. Die Pa-
tronage hatte ein bis heute noch nicht überbotenes Festgewand an-
gelegt, fand doch bei dieser Gelegenheit die erste Zusammenkunft
der katholischen Jugend des gesamten deutschsprachigen Gebietes
statt.
Als unsere Gemeinde im Juli desselben Jahres die Jahrhundert-
feier Belgiens beging, war die Patronage durch eine imposante Wa-
gengruppe, wohl eine der schönsten im Festzuge, vertreten. Sie stell-
te die Eroberung des Heiligen Landes durch den Kreuzritter Gott-
fried von Bouillon dar. Die Freude bei dieser Gelegenheit schlug ho-
he Wogen in der Kelmiser Bevölkerung. Doch den Angehörigen der
Patronage war es eigentümlich und traurig zu Mute, war doch eini-
ge Tage vorher ihr Vater gestorben. Ja, Vater kann man den dahin-
geschiedenen Herrn Jean Hendricks nennen. Die Patronage war
ihm sein zweites ”Zuhause”; hier war er Sonntag für Sonntag bei
den Jungens. In der Woche kam er dann, hier um zu hämmern, dort
zu reparieren, jenes vorzubereiten, anderes neu zu machen. Gleich
einem sorgenden Hausvater war er stets und ständig um die Ord-
nung im Hause bemüht. Seiner schier unentbehrlichen Hilfe ver-
dankt die Patronage einen großen Teil ihrer Entwicklung.
Noch nicht ein Jahr später folgte ihm, fern der Heimat, in den
Schweizer Bergen, der dort auf Genesung hoffende Herr Kaplan
Boutsen in die Ewigkeit. Ihm war es nicht lange vergönnt gewesen,
im Kreise der Kelmiser Jugend zu verweilen. Jedenfalls werden die-
jenigen, die mit ihm in enge Berührung gekommen sind, sich stets
seiner großen Seele dankbar erinnern.
Kurz nach diesem Hinscheiden wurde der Herr Pennings, Pro-
fessor in Eupen, zum zweiten Kaplan unserer Pfarre ernannt. Doch
schon einige Monate später rückte er in der Rangordnung hinauf,
und zwar durch der Fortgang unseres lieben Kaplans Wenders. Es
erübrigt sich wohl zu erwähnen, wie schmerzlich dieser Abschied
war. Unser hochw. Herr Bischof hatte ihn zum Seelsorger der Pfar-
re Homburg ernannt. So trösteten wir uns dann in dem Gedanken,
dieser Pfarre gegenüber eine Dankespflicht zu erfüllen. Vor 33 Jah-
ren schenkte die Pfarre Homburg uns einen ihrer Besten in der Per-
son des Kaplans Bosch. Und nun überließen wir Kelmiser ihr aus An-
erkennung einen unserer Besten, einen seiner Nachfolger. Ja, in ihm,
in Kaplan Wenders, verloren wir einen wahren Jugendfreund und vor
allen Dingen einen Jugendkenner im wahren Sinne des Wortes. Wie nur
einer hatte er es verstanden. Jugendherzen zu erobern und zu füh-
95
ren. In der Kelmiser J.O.C., die den Arbeiterorganisationen schon
mehrere ständige Führer schenkte, hat er sich ein würdiges Denk-
mal seines unermüdlichen Schaffens zum Segen der Arbeiterjugend
” gesetzt. Um ihn zu ersetzten, mußte wiederum Homburg herhalten.
Wir erhielten dessen Vikar, unseren jetzigen Herrn Kaplan Darcis.
Inzwischen trug die J.O.C. ihre ersten greifbaren Früchte. Die
älteren Mitglieder begannen, sich in den anderen Organisationen zu
betätigen, ja selbst neue Vereinigungen ins Leben zu rufen. Dies gilt
insbesondere von dem Verband der Grubenarbeiter, der sich rasch
entwickelte. 1933 feierte derselbe sein Fahnenweihfest, welches sich
zu einer grandiosen Arbeiterkundgebung gestaltete, wie Kelmis sie
noch nie erlebt hatte. | -
Im Juli 1934 wollte der Herr Kaplan Pennings die Patronage
um eine bedeutungsvolle Einrichtung bereichern. Doch er sollte die-
sen Plan nicht verwirklichen können. Mitten in seinen Entwürfen
fiel eine Entscheidung, mit der er nicht gerechnet hatte. Er wurde
zum Kaplan an der Sankt Josephskirche in Eupen ernannt. Die
J.O.C., deren geistlicher Ratgeber er während zwei Jahren gewesen
war, veranstaltete ihm zu Ehren eine Dankes- und Abschiedsfeier.
Diesmal wurde uns nun in der Personn des Herrn Xhonneux
ein junger Neupriester beschert, der bis zum heutigen Tage der
geistliche Ratgeber unserer J.O.C. ist.
Das von Kaplan Pennings begonnene Werk wurde durch den
Herrn Kaplan Darcis vollendet. Der gegenwärtige Saal wurde zum
Kino umgebaut, büßte aber dadurch an Größe ein. Von dieser Zeit
datiert auch der Restaurationssaal. An den Kirmestagen 1934 fand
die Eröffnung statt. Nur wenige Monate hat’s gedauert und der
stumme Film... verstummte. Das Können stand im entgegengesetz-
ten Verhältnis zu unserem Wollen; wir waren nicht zeitgemäß, und
das bedingte unser Fiasko.
Gelengtlich der Namenstagsfeier unseres jetzigen Pastors wur-
de demselben im vorigen Jahre ein interessantes Bild überreicht.
Dasselbe wurde von einem Freund unserer Patronage, Herrn Jo-
seph Fellin, der sich zur Zeit wiederum hervorragend für die Pas-
sionsspiele betätigt, hergestellt.
Dieses Dokument enthält neben der Abbildung unseres Got-
teshauses und der Patronage die Porträts unserer hochwürdigen
Geistlichkeit. Ihnen vorauf unser Herr Pfarrer Scherrer. Ja, diesem
unserem Ehrenpräsidenten gebührt höchste Anerkennung. Stets ist er
um die Belange aller hier tagenden Vereine, besonders um die der
96
Jugend bemüht gewesen. Immer ist er bereit, uns zu helfen. Jede
Gelegenheit nimmt er wahr, um uns mit dem Geiste des katholi-
schen Laienapostolats zu durchdringen.
Ist nicht das sogenannte Schlußwort des hochwürdigen Herrn
Pastors, das in kurzen, aber kernigen Worten, die Lehren und
Schlußfolgerungen gleich welcher Veranstaltung klar und deutlich
zum Ausdruck bringt, sprichwörtlich geworden? Nichtsdestoweniger
teilt der hochwürdige Herr auch gern finanzielle und sonstige Sor-
gen mit uns. Ja wahrlich, nur ein Hochgefühl der Zufriedenheit und
des Stolzes kann uns erfüllen bei dem Gedanken an unseren all-
verehrten Herrn Pastor Scherrer!
Ihm zur Seite stehen unsere hochwürdigen Herren Kapläne
Darcis und Xhonneux. Für den ersten erübrigt es sich wohl, lange >
zu erwähnen, was er der Patronage ist. Stets besorgt um unser
Werk, ist es von Anfang an sein Bestreben gewesen, der religiösen
Schauspielkunst einen Ehrenplatz hier einzuräumen. Er ist daher
der Urheber und Anreger des Passionsspiels, das diese Jubelfeier
krönen soll. Außerhalb seiner seelsorglichen Tätigkeit ist er von früh
bis spät mit der Organisation desselben beschäftigt, ungeachtet sei-
ner Gesundheit. Tatsächlich kann man hier von einem entschlosse-
nen, keine Schwierigkeiten scheuenden Mann sprechen, dessen Mü-
hen wir hoffentlich sehr bald belohnt sehen werden.
Der andere ist einer, der im Stillen wirkt und dabei doch eine
intensive Tätigkeit entfaltet, nämlich Herr Kaplan Xhonneux. Als
geistlicher Ratgeber der J.O.C. und als Vorsteher der Pfarrbiblio-
thek hat er zwei wichtige Hebel zur Förderung des religiösen und
kulturellen Lebens in seinen Händen. Das sind die beiden Abteilun-
gen, in denen unser Herr Kaplan sich unbeachtet Verdienste um die
Patronage und das Wohl der Jugend erwirbt.
Außer diesen drei Persönlichkeiten sind auf dem erwähnten
Dokument die Namen der Vortstandsmitglieder aller hier tagenden
Vereine eingetragen. Dies sind : die Patronage, der Arbeiterverein,
der Kirchenchor, der Grubenarbeiterverband, die Christlichen Ge-
werkschaften, die Eisenbahner, der Bund der kinderreichen Fami-
lien, die Christliche Arbeiterjugend, der Theaterverein und die Bi-
bliothek.
Heute sind dem noch die Christliche Frauenliga sowie der
Bund der Deutsch-Belgier zuzufügen. Desgleichen benutzen die
Kongregation und die J.O.C.F. bei festlichen Anlässen die Patrona-
ge. Aus dieser Übersicht geht klar hervor, daß das Vereinsleben hier
97
ein sehr reges ist. Da in nicht allzu ferner Zeit nach Fertigstellung
der Gemeindeschule uns wieder zwei neue Säle zur Verfügung ste-
hen werden, kann sich das Gebäude noch besser als bisher in den
Dienst der Vereine stellen.
Am 15. Dezember 1935 feierte die Kelmiser Abteilung der
Christlichen Arbeiterjugend ihr 10-jähriges Bestehen. Ein herrlicher
Festtag, an dem wiederum der Gründer und Führer der
Welt-J.O.C., Kanonikus Cardyn, teilnahm, ist doch unsere Abtei-
lung die stärkste Belgiens.
Das Jahr 1936 hatte begonnen, verlief aber ohne besonderes
Ereignis, bis im Monat April der Präsident der Patronage, Herr Ja-
kob Dahlen, unerwartet ins Jenseits abberufen wurde. Mit seinem
Tode endigte ein Leben, reich an Verdiensten, an Mühen und Sor-
gen, an Aufopferung und Selbstlosigkeit. Wie schon eingangs er-
wähnt, war er der Nachfolger des ersten Vorsitzenden, Herrn Jean
Brandt.
Seit dieser Zeit, also über 25 Jahre, hatte er die Geschicke der
Patronage in seinen Händen gehabt. Darum bedarf es nicht vieler
Worte um seine Verdienste zu würdigen. Ist nicht alles bisher Ge-
sagte ein Loblied seines Wirkens zum Segen der Kelmiser Jugend?
Der Bericht ist zu Ende, doch nicht die Geschichte der Patro-
nage. Jetzt ist sie wiederum um ein wichtiges Ereignis bereichert
worden, nämlich diese Jubelfeier. Seit ihrem Bestehen ist es das erste
Mal, daß ein Bischof ihr die hohe Ehre seines Besuches erwiesen
hat. Darum sei Seiner Exzellenz nochmals der aufrichtigste Dank
ausgesprochen für diese Ehrung.
Die Jubelfeier ist der würdige Abschluß eines Vierteljahrhun-
derts segensreicher Tätigkeit. Ja, unermeßlich ist der Segen, der von
diesem Hause ausgegangen ist, für den Einzelnen, für die Familien,
für die Stände, für die Pfarre in religiöser Hinsicht, wie in sozialer.
Die Patronage ist für Kelmis das Zentrum der ”Katholischen Ak-
tion” geworden, sie ist das Haus, in welchem die Kämpfer der neuen
Zeit herangebildet und geistig bewaffnet werden. Ja, Wolken
dräuen am Himmel! Kampf steht bevor, für oder gegen Christus.
Kelmis, sei auf der Hut! Mancher Sturm hat die Patronage umtobt,
aber nichts vermochte sie zu erschüttern.
Laßt uns daher eingedenk sein des heldenmütigen Priesters, der
allen Schwierigkeiten zum Trotz, unter Einsatz seines Lebens, dieses
schier unmöglich scheinende Werk schuf, jener Männer, die ihm tap-
fer und mutig zur Seite standen. Aber auch jener Priester, Männer
98
und Jünglinge, bekannt oder unbekannt, die sich im Laufe der Zeit
abwechselten und sich in uneigennütziger Weise in den Dienst die-
ser edlen Sache stellten. Mögen uns ihr Mut, ihre Selbstlosigkeit, ih-
re Beharrlichkeit und ihr Gottvertrauen stets begleiten, dann wird
das nächtste Vierteljahrhundert sich würdig an das erste anreihen.
Vielleicht wird es kampfreicher, vielleicht fruchtbarer und se-
gensreicher. Das legen wir in Gottes Hand. ”An Gottes Segen ist al-
les gelegen”; das hat glänzend die Geschichte bewiesen.
Te Deum laudamus!
Ak
Nachtrag 1987
Während der Kriegsjahre 1940-45 konnten die verschiedenen
katholischen Vereinigungen ihre Tätigkeit nicht weiterführen. Bis
zu dem Zeitpunkt, wo die Kelmiser Geistlichen inhaftiert wurden,
fanden in der Patronage religiöse Stunden (”Glaubensstunden”)
statt. Kaplan Hendricks soll sogar aus einer solchen Glaubensstunde
heraus verhaftet worden sein. Hauswart war zu der Zeit der heute
97-jährige Herr Heuschen, der sich erinnert, daß einige ausgebomb-
te Aachener Familien ihre Möbel in der Patronage untergestellt hat-
ten. In der Winteroffensive 1944-45 haben die Amerikaner aus den
vorhandenen Holzvorräten Schlitten angefertigt.
Nach dem Kriege wurde die Patronage wieder Zentrum der
katholisch geprägten Vereins- und Verbandsarbeit. Die Geschichte
der seitdem verflossenen Jahrzehnte bleibt noch zu schreiben ...
99
Unter Denkmalschutz
Burg Raaf in Eynatten
von Alfred Bertha
In Ergänzung des der Burgruine Raaf gewidmeten Beitrages in
N", 40 dieser Zeitschrift (”Unter Denkmalschutz”, S. 70-71) erhiel-
ten wir ein bauliches Gutachten, das im Oktober 1940 durch Herrn
Dipl.-Ing. Hans Königs (Aachen) für den Provinzialkonservator der
Rheinprovinz erstellt wurde.
Die detaillierte Beschreibung des in Denkmalschutzfragen er-
fahrenen späteren Stadtkonservators von Aachen erlaubt uns fest-
zustellen, in welchem Zustand sich die Ruine Raaf vor rund einem
halben Jahrhundert befand und welche baulichen Schäden inzwi-
schen hinzugekommen sind.
Das Gutachten hat folgenden Wortlaut:
Auf Veranlassung von Herrn Dombaumeister Prof. Buchkre-
mer habe ich Haus Raaff bei Eynatten einer Besichtigung unterzo-
gen. Die charakteristische alte Wasserburg ist in den letzten Jahr-
zehnten weiter verfallen. Immerhin ist ihr Mauerkern noch durch-
aus gesund und fest.
Die Wiederherstellung des etwa 13 m breiten, 9 m tiefen und
etwa 20 m hohen, aus dem 15. Jahrhundert stammenden 4-stöcki-
gen Wohnturmes ist geboten. Zur Sicherung des vorhandenen Zu-
standes sind vordringlich:
Ausbesserungsarbeiten an den unteren Partien der Turmecken
und Untermauerung des aus dem 18. Jahrhundert stammenden fein
profilierten Portals an der Ostseite oberhalb der verschwundenen
früheren Bogenbrücke. Das Blausteingewände der Türe hängt z.Zt.
fast frei in der Luft und hält nur durch die Verspannung. Diese Ar-
beiten sind mit verhältnismäßig geringen Mitteln vorzunehmen. Die
Kosten sind noch zu ermitteln. Wünschenswert wäre ferner die
Wiederherstellung der an 4 Fenstern der Ostseite fehlenden Blau-
steingewände.
Zur Prüfung der weiteren Schäden und zur Abdeckung der
Mauerkrone ist eine Einrüstung des Turmes notwendig. Im augen-
blicklichen Zustande ist er nicht betretbar und in den oberen Teilen
unzugänglich. Auf der Westseite ist ein großer Teil des erdgeschossi-
gen Mauerwerks herausgebrochen. Die das Dach flankierenden aus-
gekragten Ecktürmchen sind im oberen Teil zerfallen.
100
Haus Raaff ist eine der wenigen im Aachener Gebiet noch vor-
handenen mittelalterlichen Wohnturmanlagen. Es liegt im Weiler
Berlotte bei Eynatten inmitten einer weiten Wiesenlandschaft und
in der Nachbarschaft des Aachener Stadtwaldes. Der Besitzer, Bau-
er Nikolaus Jennes, hat das Gut nach dem Weltkrieg von dem frühe-
ren Aachener Besitzer erworben. Er erklärt sich finanziell
außerstande, etwas für die Erhaltung der Ruine zu tun.
Für die Zukunft könnte m.E. eine Verwendung des Turmes als
Jugendherberge o.ä. in Frage kommen. Sollte eine Wiederherstel-
lung in absehbarer Zeit nicht möglich sein, so wäre das Verlegen ei-
nes Notdaches zu erwägen.
Eine Sicherung und spätere Wiederherstellung von Haus Raaff
dürfte in Aachen allseits Zustimmung und Förderung erfahren. .
AA
} Burg Raaf (1940)
(Foto H. Königs)
101
Auf dem Büchermarkt
von Alfred Bertha
Nicht weniger als 3.650 Titel zum Bereich der Volksfrömmig-
keit (Geschichte der Wallfahrten und Wallfahrtsorte usw.) weist die
im Jahre 1982 durch das Amt für rheinische Landeskunde in Zu-
sammenarbeit mit dem Volkskunderat Rhein-Maas herausgegebene
Wallfahrtsbibliographie auf.
I Inzwischen sind zahlreiche weitere Veröffentlichungen zu die-
sem Thema hinzugekommen. Auf eine dieser Veröffentlichungen
möchten wir besonders hinweisen, weil sie auch für den interessier-
ten Heimatforscher unseres Raumes von besonderer Bedeutung ist.
Gemeint ist ;
Dieter P. J. Wynands, Geschichte der Wallfahrten im
Bistum Aachen (Veröffentlichungen des Bischöflichen
Diözesanarchivs Aachen Ausgabe 41), zirka 500 Seiten,
100 Schwarz-Weiß-Abbildungen, 10 Karten, Ganzlei-
neneinband mit aufgeprägter Vignette, farbiger Schut-
zumschlag, Aachen, Einhard-Verlag, 1986, ISBN
3-920 284-21-6, Ladenpreis DM 48,-.
Schon kurz nach 1930 kam der Wunsch nach einer zusammen-
stellung aller Wallfahrtsorte der Diözese Aachen auf. Doch erst
1982 wurden mit einer entsprechenden Fragebogenaktion in den
549 Seelsorgebezirken des Bistums erste konkrete Schritte dazu un-
ternommen. Als Ergebnis dieser Erhebung finden wir 113 Wall-
fahrtsorte im Bistum Aachen dargestellt, wovon allerdings etwa
zwei Drittel als erloschen anzusehen sind.
Der Autor hat die Wallfahrtsorte nach den acht Regionen des
Bistums und nach Dekanaten alphabetisch geordnet und auch An-
gaben zur Zivilgemeinde und Kreiszugehörigkeit beigefügt. Die
”kulturelle Bedeutung der Kathedrale und der Stellenwert der Aa-
chener Heiligtumsfahrt sowie deren Verflechtung zum lokalen
Karls-und Marienkult” rechtfertigen ein sehr ausführliches Einge-
hen auf das Münster, den Karlskult und .die Entwicklung, der Aa-
chener Heiligtumsfahrt, wobei der Autor auch auf die ”archivari-
schen Unzulänglichkeiten” hinweist.
Unter den 48 von Aachener Diözesanen besuchten Wallfahrts-
orten außerhalb des Bistums befinden sich neben Nivelles (Sainte-
Gertrude) und Saint-Hubert auch sechs belgische Marienorte, dar-
unter Moresnet und Banneux. Jedem Text zu den Wallfahrtsorten,
102
wo Entstehung und Art der Heiligenverehrung ausführlich be-
schrieben werden und wo auch Kurioses Erwähnung findet (”Ban-
neux gilt als der einzige Ort der Wallonie, wo laut in flämischer
Sprache gebetet werden kann...”) folgen wertvolle bibliographische
Hinweise. ZA
In einem weiteren Kapitel werden die Ergebnisse der Fragebo-
genaktion tabellarisch vorgestellt. Wir sehen, welche Pfarren zu
welchen Wallfahrtsorten pilger(te)n und als Anhang finden sich in-
teressante historische Dokumente, so z.B. die Heiligtumsfahrt des
Philipp von Vigneulles i.J. 1510 oder ein Bericht über die Lenders-
dorfer Wallfahrt nach Saint-Hubert i.J. 1936, als die Wallfahrer in
St. Vith mit der Bitte empfangen wurden, das alte Hubertuslied zu
singen, Crombach die ”Kölner” Pilger am Ortseingang empfing und . &
nach 22 Jahren wieder gemeinsam mit ihnen betete und in Maldin-
gen jede Familie gerne einem Pilger Nachtruhe und Erquickung ge-
geben hätte...
Abgerundet wird diese wertvolle Arbeit durch ein umfangrei-
ches Literaturverzeichnis, ein vollständiges Ortsregister (von Aa-
chen bis Zweifall) und ein ”Verzeichnis der Verehrten”. Die ”Ge-
schichte der Wallfahrten im Bistum Aachen” dürfte als Standart-
werk in keiner Heimatblibliothek fehlen.
* ok
”Für Kinder und Leute, die Kinder lieben” stellte unsere Mitar-
beiterin Maria-Therese Weinert eine Anzahl von ursprünglich für
die Kindersendung des BRF Verfaßten Gedichten und Geschichten
unter dem Titel ” Zwischen Traum und Wirklichkeit”” zusammen.
Das von Gabriela Radermacher-De Ridder sehr einfühlsam il-
lustrierte Büchlein erschien im Grenz-Echo Verlag, Eupen, ist 140
Seiten stark und kostet 450 F. bzw. 22.- DM.
Das Buch ist ein hübsches Geschenk für Eltern (zum Vorlesen)
und für Kinder im lesefähigen Alter. Das Gedicht auf der folgen-
den Seite mag als Kostprobe dienen.
103
Uhledu
Die kluge Eule Uhledu
die macht die Augen auf und zu,
sie schläft im alten Turm versteckt
und wird am Abend erst geweckt.
Wenn in dem Turm die Glocke klingt,
die Sonne hinter’m Wald versinkt, s
dann breitet sie die Flügel weit,
die Dämmerung ist ihre Zeit.
Die gelben Augen funkeln
wie Lichter in dem Dunkeln.
Lautlos schwebt sie dem Walde zu.
Auch Adula und Iddeldu,
die Eulenschwestern, fliegen schon,
»Uhuh« jetzt klingt der Eulenton. :
»Uhuh« ruft’s hier und da und dort,
da laufen schnell die Mäuse fort.
Und Adula und Iddeldu
treffen die Eule Uhledu
in mancher Nacht am stillen Teich,
und wenn der Mond scheint, rund und bleich,
dann spiegeln sie sich in dem Teich,
sie seh’n sich zum Verwechseln gleich.
Doch was sie schwatzen an dem Ort,
. davon versteht kein Mensch ein Wort,
Man hört nur ab und zu »Uhuh«
von Adula und Uhledu.
104
Hinweis an unsere Leser
Der Beitrag von W. Promper (Bruder Maternus Laschet, S. 8-42) ist auch als Sontler-
druck erhältlich.
Preis: 100 FB /5.- DM
Bestelladressen: Göhltalvereinigung, Maxstr. 9, 4721 Neu-Moresnet.
Provinzialat SSCC, Eberburgweg 4, D-5100 Aachen.
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