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Landschaft im Grenzraum Nordostbelgiens
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Im Göhltal
ZEITSCHRIFT der
VEREINIGUNG
für
Kultur, Heimatkunde und Geschichte
im Göhltal
N739
August 1986
Veröffentlicht mit der Unterstützung des Kulturamtes der
deutschsprachigen Gemeinschaft
Vorsitzender: Herbert Lennertz, Stationstraße 3, 4721 Neu-Moresnet.
Sekretariat : Maxstraße 9, 4721 Neu-Moresnet, Tel. 087/65.97.67
Lektor : Alfred Bertha, Bahnhofstraße 33, 4728 Hergenrath.
Kassierer : Fritz Steinbeck, Hasardstraße 13, 4721 Neu-Moresnet.
Postscheckkonto N" 000-0191053-60
Die Beiträge verpflichten nur die Verfasser.
Alle Rechte vorbehalten.
Entwurf des Titelblattes : Frau Pauquet-Dorr, Kelmis.
Diese Skizze zeigt den Moresneter Göhlviadukt sowie die Hergenrather
Hammerbrücke in ihrer ursprünglichen Form.
Druck. Hubert Aldenhoff, Gemmenich.
Inhaltsverzeichnis
P. Zimmer, Astenet Das Katharinenstift 5
Leonie Wichert-Schmetz, Das Röslein 9
Bad-Driburg
A. Jansen, Die ehemaligen Getreidemühlen am
Moresnet-Kapelle Göhlbach in der Großgemeinde
Plombieres 20
H. Willems, Brüssel Un savant de la region des trois
frontieres : Henri Schrymecker 30
P. Zimmer, Astenet Bergmannslos (9. Fortsetzung) 42
M. Th. Weinert, Aachen Zeitloses 58
W. Meven, Hergenrath Die Aachener Kleinbahn kommt
nach Kelmis 59
M. Lennarts, Institution matrimoniale et vie
sexuelle dans une paroisse rurale :
Montzen au XVIII“ siecle 84
A. Bertha, Hergenrath Unter Denkmalschutz 97
A. Bertha, Hergenrath Ein Stück Vergangenheit 102
W. Palm, Bildchen Eine Verwechslung ? 104
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5
Das Katharinenstift von Astenet
(2. Fortsetzung)
von Peter Zimmer
Vor und nach dem Ersten Weltkrieg
In der vorigen Nummer dieser Zeitschrift (S. 88-102) haben wir
die Inneneinrichtung der 1899/1900 erbauten Stiftskapelle beschrie-
ben. Kurz nach Ausbruch des Ersten Weltkrieges, am 14. Oktober
1914, erhielt die Kapelle zwei Glocken, die in der Glockengießerei
Hemelingen in Bremen gegossen worden waren.
Wie wir früher schon dargelegt haben, (1) entstand das Katha-
rinenstift auf dem Gut ”Weide”, während der Stifter Gerhard Rehm
den Schwestern testamentarisch ein weiteres Gut, die Gypenhag
oder Geppenhaag genannt, vermachte. Das zum Stift gehörende
Gut wurde von den Schwestern selber, das Nachbargut Gypenhag
von einem Pächter bewirtschaftet.
Die Wasserversorgung des Stiftes geschah ursprünglich durch
stiftseigene Brunnen, doch mußte bald zur Deckung des steigenden
Wasserbedarfs eine Pumpe eingesetzt werden, die das Wasser aus
dem Groetbach in den hinter dem Wirtschaftsgebäude befindlichen
Wasserturm hochpumpte. 1906 ließ dann die Altenberger Berg-
werksgesellschaft, deren Zinkbergbau in der Fossey die sog. Dipelter
Quelle fast zum Versiegen gebracht hatte und die deshalb 1880 sich
bereit erklärt hatte, in Astenet eine öffentliche Wasserleitung mit
Zapfstellen anzulegen (2), durch eine besondere Leitung das Katha-
rinenstift ans Netz anschließen. Folgen wir nun der Stiftschronik in
den Kriegs- und Nachkriegsjahren.
Der Erste Weltkrieg war ins dritte Jahr gegangen. Von allen
Bevölkerungsschichten wurden Opfer verlangt und man appellierte
an die Frauen, ihren Schmuck zur Verteidigung des Vaterlandes
herzugeben. Für ihren Goldschmuck erhielten die Frauen ein
”Schmuckstück” aus Eisen gemäß dem Spruch : ”Gold gab ich zur
Wehr, Eisen erhielt ich zur Ehr.”
Aus dem Umstand, daß die Asteneter Schwestern am 4. De-
zember 1916 ihre Ringe abgaben, kann man auf die auch in den
Klöstern herrschende vaterländische Stimmung schließen.
(1) S. ”Im Göhltal” Nr. 37, S. 32 ff. (2) ”Im Göhtal” Nr. 34, S. 45 ff.
6
Einige Monate später, am 1. April 1917, konnte Rektor Fi-
schersworring im Katharinenstift sein silbernes Priesterjubiläum fei-
ern. Aus diesem Anlaß wurde ein Speisekelch aus vergoldetem Sil-
ber angeschafft.
Das Jahr 1918 vermerkt zunächst schwere Diebstähle im Stift.
Durch die Kriegswirren wurde schließlich die Haushaltsschule ge-
schlossen, was zu einer bedeutenden Verringerung der Einnahmen
führte.
Trotz dieser ungünstigen Lage bemühten sich die Schwestern,
ihre Pensionäre einwandfrei und gut zu betreuen.
Der am 28. Jüni 1919 in Versailles unterzeichnete Friedensver-
trag, durch den Astenet mit dem übrigen Kreis Eupen belgisch wur-
de, brachte schon am 4. Januar 1920 die ersten unangenehmen Fol-
gen für die Schwestern mit sich : es gab Paßschwierigkeiten für Rei-
sen nach Deutschland.
Im Mai desselben Jahres brach eine verheerende Maul- und
Klauenseuche und anschließend eine fürchterliche Rinderpest aus,
wodurch der gesamte Viehbestand verendete oder abgeschlachtet
werden mußte.
Durch Dekret vom 1. August 1921 wurden alle Vermögens-
werte, die am 10. Januar 1920 in den Kreisen Eupen-Malmedy
deutschen Staatsangehörigen mit Wohnsitz im Ausland gehört hat-
ten und am Tage der Veröffentlichung dieses Dekretes noch Eigen-
tum deutscher Staatsangehörigen waren, vom belgischen Staate be-
schlagnahmt.
So erhielt auch die Asteneter Oberin am 22. Juni 1922 vom
Lontzener Bürgermeister ein Schreiben folgenden Inhalts :
”Es wird Ihnen hierdurch mitgeteilt, daß das Ihnen gehörige, im
Banne der Gemeinde Lontzen und Walhorn gelegene Katharinen-
stift nach dem Dekret des Herrn Gouverneurs über die Gebiete von
Eupen und Malmedy vom 1. August 1921 von diesem Zeitpunkt ab
unter Sequester gestellt ist ...”
Diese Verfügung traf die Schwestern sehr hart und so wandten
sie sich vom Mutterhaus in Neuss aus an die interalliierte Besat-
zungskommission in Koblenz, die ihrerseits auf die Regierung Baltia
einwirkte, vorläufig nichts in dieser Angelegenheit zu unternehmen.
Die Schwestern wurden am 4. August 1922 in diesem Sinne unter-
richtet und eine Prüfung der Angelegenheit zugesagt. Diese Über-
prüfung erwies sich auch als notwendig, weil von offizieller Seite,
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Das Katharinenstift mit seinen Notausgängen und Treppen.
In dem Turm befand sich früher ein großer Wasserbehälter.
dem Bürgermeisteramt Walhorn, bescheinigt wurde, daß der gesam-
te Besitz des Katharinenstifts Astenet Eigentum der Schwester Al-
degundis sei, welche laut Versailler Vertrag die belgische Staatsan-
gehörigkeit erwerben konnte.
+ Infolgedessen blieb Schwester Aldegundis vom 15. April 1921
bis zum Tag der Gründung einer neuen Gesellschaft ohne Erwerbs-
zweck dem Papier nach Eigentümerin des Stiftes.
”Die Gesellschaft der Schwestern vom hl. Augustinus”
Dies war der Name der am 15. Oktober 1922 in Walhorn ge-
gründeten gemeinnützigen Gesellschaft, deren 13 Artikel umfassen-
8
de Satzungen am 23. Januar 1923 in Eupen gerichtlich eingetragen
und am 3. Februar 1923 im Staatsblatt veröffentlicht wurden.
Artikel 1 gibt neben dem Namen der Gesellschaft deren Sitz
- Walhorn - an und erlaubt es ihr, im In- und Ausland Niederlassun-
gen zu gründen.
Artikel 2 gibt Ziel und Zweck der neuen Gesellschaft und
zwar, gemäß der katholischen Lehre das gemeinschaftliche klösterli-
che Leben zu erhalten sowie sich der Erziehung junger Mädchen
anzunehmen. Ferner sich tatkräftig in der Krankenpflege einzuset-
zen und sich an anderen karitativen Werken zu beteiligen bzw.
selbst solche ins Leben zu rufen.
Die Anzahl der Mitglieder war unbegrenzt, sollte jedoch nie
unter drei fallen.
Die ersten Mitglieder und Gründer der Gesellschaft werden in
Artikel 4 genannt. Es waren :
Cloth Hubertine, Ordensschwester, wohnhaft zu Walhorn, u. Belgierin
Heini Marie, Ordensschwester, wohnhaft zu Neuss, u, Schweizerin
Kocka Wilhelmine, Ordensschwester, wohnhaft zu Walhorn, u. Belgierin
Stoffel Caroline, Ordensschwester, wohnhaft zu Roermond, u. Schweizerin
Wey Martha, Ordensschwester, wohnhaft zu Walhorn u. Belgierin
Witthoff Maria, Ordensschwester, wohnhaft zu Walhorn, u. Belgierin
Yserentant Cath., Ordensschwester, wohnhaft zu Walhorn, u. Belgierin
Die Artikel 5-13 regelten die Zusammensetzung des Verwal-
tungsrates, die Aufnahme neuer Mitglieder etc. Erwähnen wir noch
die im letzten Artikel genannten ersten Verwaltungsratsmitglieder.
Es waren die drei Schwestern Aldegundis (Witthof Maria) als Präsi-
dentin, Anastasia (Yserentant Cathar.) als Vizepräsidentin und Al-
fonsina (Wey Maria) als Schriftführerin und Kassiererin.
Nachdem so dem belgischen Gesetz Genüge getan war, wurde
die Beschlagnahmung aufgehoben. Die diesbezüglichen Kosten hat-
ten die Schwestern beim Gericht in Verviers zu zahlen.
Die Gründung der neuen Gesellschaft erlaubte es den Schwe-
stern, weiterhin ungestört im Dienste der Jugendlichen und alten
Menschen tätig zu bleiben.
Die Anerkennung der neuen Gesellschaft und die Aufhebung
des Sequesters ist höchstwahrscheinlich dadurch beschleunigt wor-
den, daß unter den sieben ersten Mitgliedern vier aus dem hiesigen
Gebiet stammende Schwestern waren, und zwar die Schwestern
Martina, Blandine, Alfonsina und Anastasia. Hinzu kam Schwester
9
Aldegundis, die am bestimmten Stichtag in Walhorn wohnhaft war
und keinen Einspruch dagegen erhoben hatte, Belgierin zu werden.
Die beiden restlichen Gründungsmitglieder, die Schwestern
Arimathäa und Hupperta, waren schweizerischer Nationalität.
Eine Ordensstatistik aus dem Jahre 1925 gibt die Anzahl der
Schwestern der Genossenschaft der Augustinerinnen (auch Cellitin-
nen genannt) mit 547 an; davon wirkten 12 in Astenet und zwei in
Roermond (Holl.).
Zwei der Asteneter Schwestern - Alfonsine und Eugenie Lens-
sen aus Lontzen - legten am 17. Juli 1927 erfolgreich ihr Examen als
landwirtschaftliche Haushaltslehrerin ab.
Rektor Heinrich Fischersworring, der 1897 das Amt des Rek-
tors im Katharinenstift übernommen hatte, starb am 19. Dezember
1927. Auf dem Friedhof in Walhorn fand er seine letzte Ruhestätte.
Sein Grab liegt gegenüber dem Pfarrhaus, direkt an der nördlichen
Kirchenmauer, und ist bis heute gut erhalten.
Zum neuen Rektor in Astenet wurde der 1862 in Burtscheid
geborene und am 19. Dez. 1885 zum Priester geweihte Jean Rosen
ernannt. Der Geistliche hatte als Deutschlehrer und Präfekt im
”College” von Herve gewirkt, war 1903 als Religionslehrer ans Ver-
vierser Athenäum gekommen und hatte nun, nach Erreichen der
Altersgrenze, in Astenet ein neues Wirkungsfeld gefunden. Er blieb
im Katharinenstift bis zu seinem Tode, am 28. Februar 1933. Auch
er wurde auf dem Walhorner Friedhof beigesetzt.
Der in Essen-Kray am 25.2.1884 geborene Rektor Theodor
Siepmanns hatte in Seelsorge, Schule und Krankenhaus Erfahrun-
gen gesammelt, ehe er 1933 nach Astenet kam, wo er jedoch nur
kurze Zeit wirkte. Er verließ das Stift i.J. 1934 und verzog nach Lu-
xemburg, wo er am 12.2.1943 verstarb. Sein Nachfolger in Astenet
wurde Rektor Joseph Casteels aus Wespelaar, geb. am 20. März
1884. Von 1909 bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges, den er
als freiwilliger Armeegeistlicher mitmachte, lehrte der Geistliche am
kleinen Seminar in Mecheln. Von 1920 bis 1929 war er als Vikar
erst in Duffel, dann in Asche tätig. Im Sanatorium von Mont
s/Meuse wirkte er von 1929 bis zur Übernahme des Rektorats in
Astenet als Hausgeistlicher,
Die Asteneter Niederlassung der Augustinerinnen blühte.
Am 5. April 1932 konnten drei Ordensschwestern zur Leitung des
10
Altersheimes in Pepinster abgestellt werden. Am 2. September 1935
übernahmen die Schwestern das Knabeninternat in Dolhain. Vier
Schwestern waren fortan dort tätig, unter ihnen Schwester Meinra-
da als Oberin.
In Astenet faßte man den Entschluß, eine landwirtschaftliche
Haushalttungsschule zu gründen, wozu die belgische Regierung im
Dezember 1935 die Genehmigung erteilte.
Ende August 1937 übernahmen die Asteneter Schwestern ein
Knabeninternat in Wandre bei Lüttich, wo die eingesetzten sechs
Schwestern beachtliche erzieherische Erfolge verzeichnen konnten.
Im folgenden Jahre konnten erneut sieben Schwestern auf ei-
nen Außenposten abgestellt werden. Es war das kleine Seminar von”
Huy, das fortan von den Augustinerinnen geleitet wurde. Am 9. De-
zember 1938 besuchte zum ersten Mal die Generaloberin der Ge-
nossenschaft in Begleitung ihrer Assistentin das Stift in Astenet und
die anderen belgischen Niederlassungen, Pepinster, Dolhain, Wan-
dre und Huy. Die Inspektionsreise wurde plötzlich durch den Tod
des Prälaten und Klosterkommissars Joseph Hecker in Neuss unter-
brochen, doch dann am 3. Januar 1939 wieder aufgenommen.
Die internationale Lage spitzte sich zu. Am 17. April 1940
wurden die Grenzen geschlossen und den Schwestern des Kathari-
nenstifts wurden die regelmäßigen Kontakte mit dem Mutterhaus in
Neuss unmöglich gemacht.
Im Mai 1940 verließ Rektor Casteels Astenet, um in Brüssel als
Militärgeistlicher zu arbeiten. Bis Juni 1940 wurde das Stift von den
Franziskanern aus dem Eupener Garnstock-Kloster betreut.
Das Stift in den Kriegsjahren
Der Einmarsch der deutschen Truppen am 10. Mai 1940 führ-
te zunächst dazu, daß alle Pensionäre das Stift verließen und in ihre
Heimat zurückkehrten. Dadurch entstanden mangels Einnahmen
erhebliche finanzielle Schwierigkeiten, die auch noch dadurch sich
verschlimmerten, daß nach der Geldentwertung auf Anweisung der
deutschen Behörden die Haushaltsschule am 5. Juni 1940 geschlos-
sen werden mußte.
Das einzig Erfreuliche in dieser Zeit war für die Schwestern die
Ernennung eines neuen Rektors. Es war der am 17.12.1907 in
Crombach geborene und 1934 in Lüttich zum Priester geweihte
Jean Lenfant.
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Rektor Jean Lenfant im Juli 1945
Eine freudige Überraschung gab es auch, als dank den Bemü-
hungen der Walhorner Gemeindeverwaltung die Generaloberin aus
Neuss, Schwester Winanda, eine Einreisegenehmigung zur Inspek-
tion ihrer Filialen in Belgien erhielt; diese Inspektion fand vom 17.
bis 26. Juli 1940 statt. Ein zweiter Antrag auf Besichtigung der bel-
gischen Häuser wurde Ende Oktober 1940 von den deutschen Be-
hörden abgelehnt.
1z
Am 18. Dezember 1940 trat eine neue vom Apostolischen Ad-
ministrator in Aachen genehmigte Gottesdienstordnung für das
Asteneter Stift in Kraft. Die neue Regelung lautete :
1. Der jeweilige Rektor des Stifts ist der Rektor der Schwe-
stern; mithin hält er daselbst für gewöhnlich die Gottesdienste ab.
2. Die Kapelle von Astenet gilt als öffentliche Kapelle, weil sie
seit 40 Jahren für öffentliche Gottesdienste freiwillig von den
Schwestern zur Verfügung gestellt wurde.
3. Der jeweilige Pfarrer von Walhorn, der auch Pfarrer von
Astenet ist, hat die Pflicht und das Recht, im Interesse der Seelsorge
alles zu tun, was für die Pfarrkinder von‘Astenet gut und praktisch
ist, damit sie in seelsorglicher Hinsicht gut betreut werden. .
4. In der Kapelle von Astenet darf der Hauptgottesdienst nicht
mit dem Hauptgottesdienst in der Pfarrkirche zusammenfallen. Dies
gilt für morgens und nachmittags.
5. Seelenämter und Jahrgedächtnisse sollen in der Pfarrkirche
gehalten werden, jedoch darf an den Festtagen der ORDENSHEI-
LIGEN und sonstigen hohen Festtagen der Kirche ein HOCHAMT
gehalten werden.
6. Es ist den Schwestern gestattet, die Tage des 40-stündigen
und ewigen Gebets zu halten. Diese Tage dürfen jedoch nicht mit
den Tagen, welche die Pfarrkirche als solche hält, zusammenfallen.
7. Die Bittprozessionen an den sogenannten BITTAGEN dür-
fen NUR in der Pfarrkirche abgehalten werden. Palmenweihe am
Palmsonntag sowie die Ceremonien in der Karwoche dürfen bei ge-
nügender Beteiligung im KATHARINENSTIFT stattfinden.
8. Trauungen und Taufen finden NUR in der Pfarrkirche statt.
9. Die Kranken von Astenet versieht der Herr Rektor; er möge
nach dem Versehgang den Pfarrer von Walhorn benachrichtigen.
10. Die Wöchnerinnen können, falls sie es wünschen, zur
AUSSEGNUNG nach Astenet kommen.
11. Für die Beerdigungen der Schwestern und der Hausinsas-
sen ist der Pfarrer zuständig; für die Exequien der Schwestern je-
doch der jeweilige Rektor, und zwar in der Pfarrkirche. Da Astenet
keinen FRIEDHOF besitzt, dürfen die Exequien NUR in der Pfarr-
kirche abgehalten werden.
12. Der jeweilige Rektor möge an den Hauptfeiertagen, soweit
es möglich ist, in der Pfarrkirche mithelfen.
13. Bezüglich der Residenzpflicht teilt der REKTOR dem
ORTSPFARRER mit, wenn er für mehrere Tage die Pfarrei
verläßt, damit stets ein Geistlicher für den Fall eines Versehganges
am Platze ist.
13
14. Die Schwestern des Stiftes werden es als eine EHREN-
PFLICHT betrachten, auch zuweilen an den Hauptfeiertagen dem
Gottesdienste in der Pfarrkirche beizuwohnen und so den Einwoh-
nern von ASTENET ein gutes Beispiel zu geben.
Bemerkenswert ist, daß infolge der damaligen Bestimmungen heute
noch die Gottesdienste in der Kapelle oder Johanneskirche zu Aste-
net eine halbe Stunde früher als in der Pfarrkirche beginnen.
Von dem Vorhaben, die Asteneter Gesellschaft der Augustine-
rinnen ohne Erwebszweck wieder mit dem Mutterhaus in Neuss
zusammenzuschließen, riet aber Dr. Lohmann, Justitiar beim Bis-
tum Aachen, im April 1941 ab.
=== „Selig die Barmhersigen, fie werden.
2 Bammberzigkeit erlangen,“ Matth. D.7
_nerinnen aus dem Mutterhaufe Immakulata zu
— Tieuß empfehlen dem Gebete aller die Seele ihrer
Schwefter Maria Blandina
geb, Wilhelmine oma.
‚Die liebe Derftorbene wurde geboren am 7. Jan.
— unfere Genoffenfchaft ein, wurde am 17. März
‚die zeitlichen Gelübde und am 15. September 1912
‚Sie ftarb nach langem, mit greßer Geduld er-
tragenem Leiden, fıill und gottergeben am Son“
leichnamstage, 4. Juni 1942, im Ratharinen lift
fer, gib ihr die ewige Kuhe und das ewige
Licht leuchte ihr, laß fie ruhen in $rieden. Amen.
Totenzettel der aus Hergenrath stammenden Schwester
Maria Blandina
14
Unter dem Naziregime hatten auch die Ordensgemeinschaften
zu leiden. Ganz besonders die Schwestern des Aachener Karmel-
Ordens waren dem Regime verdächtig und die Gestapo bezeichnete
sie als besonders staatsgefährlich! Infolgedessen versuchten diese
Schwestern, nach Möglichkeit in anderen Klöstern aufgenommen
zu werden. Die drei ältesten Schwestern des Aachener Karmels fan-
den in Astenet Aufnahme, wodurch zwischen den Augustinerinnen
des Katharinenstifts und der Aachener Karmel-Niederlassung eine
innige Verbundenheit entstand, die dazu führte, daß die schöne
Kanzel aus der Kapelle des Karmels, die aus den Jahren 1880/81
stammte und Kunstwert besaß, zum Asteneter Stift in Sicherheit ge-
bracht werden konnte. In der St. Johanniskapelle fand sie in der Nä-
he des rechten Seitenaltares einen Ehrenplatz. "
Auch 42 ältere Menschen, die aus dem Karin-Göring-Stift in
Aachen ins Kloster Maria-Hilf in Gemmenich evakuiert worden wa-
ren und dann dieses Kloster wieder verlassen mußten, wurden im
früheren Pensionat des Asteneter Stiftes herzlich aufgenommen
und den Zeitverhältnissen entsprechend betreut.
Am 4.6.1942 starb im Asteneter Kloster Schwester Maria
Blandina, eine geborene Hergenratherin, mit weltlichem Namen Jo-
hanna Wilhelmine Kocka, Tochter von Leonard Kocka und Jose-
pha Emonts-Gast. In Astenet hatte sie das Amt der Geschäftsführe-
rin innegehabt. Ihr Tod wurde nicht nur von den Mitschwestern,
sondern von vielen Mitmenschen aus Astenet und Umgebung
schmerzlich empfunden, hatte sie doch die Verantwortung für die
ambulante Krankenpflege getragen und sich durch stete Hilfsbereit-
schaft und mütterliche Güte ausgezeichnet.
Die Verstorbene war die Tante des Hergenrather Alt-
Bürgermeisters Richard Voss, der uns auch den hier abgebildeten
Totenzettel zur Verfügung stellte.
Da es zu dieser Zeit immer dringlicher zu werden schien, die
Gesellschaft nach deutschem Recht in einen eingetragenen Verein
zu verwandeln, beschlossen die Schwestern, eine außerordentliche
Generalversammlung einzuberufen. Dieselbe fand am 20. Juli 1942
unter dem Vorsitz von Notar Trouet statt. Zweck derselben war, die
Statuten der Gesellschaft einem eingetragenen Verein entsprechend
zu ändern.
Gleichzeitig bestimmte man auch 12 Schwestern als Mitglieder
‚des neuen Vereins und wählte aus deren Reihen die Schwestern BA-
15
SILIANE (Schmitz Maria) JOHANNA-MATHA (Stitz Theres) so-
wie EUGENIE (Lenssen Maria) als Verwaltungsratsmitglieder.
Da aber in der Zwischenzeit seitens des Reichsministers der Ju-
stiz die Frist zur Umänderung der Gesellschaften bis zum 1. August
1944 verlängert wurde und man in Astenet den äußersten Termin
abwarten wollte, annullierte man den Beschluß der Generalver-
sammlung und nahm auch keine Eintragung desselben vor, wo-
durch alles bezüglich der Gesellschaft und der Verwaltungsratsmit-
glieder beim alten blieb.
Der 6. November 1942 war für die Schwestern und die Nach-
barn des Katharinenstiftes ein trauriger Tag. Es verstummten die
Glocken im Turm der Johanniskapelle; sie wurden zu Kriegs-
zwecken beschlagnahmt, aus dem Turm entfernt und an einen un-
bekannten Ort gebracht. Sie hatten ein Gewicht von 101 bzw. 70
kg. Da nur die Pfarrkirche eine Läuteglocke behalten durfte und die
beiden Asteneter Glocken auch keinen Kunstwert besaßen, ließ sich
ihre Verhüttung nicht verhindern.
Infolge der Bombenangriffe auf Aachen kam am 4. Juli 1943
eine völlig neue und ungewohnte Aufgabe auf die Asteneter Schwe-
stern zu. Das Säuglingsheim des Aachener Roten Kreuzes wurde
nach Astenet verlegt und zu diesem Zweck das Pensionat und die
St. Marien-Station beschlagnahmt. Dank der außergewöhnlichen
Hilfsbereitschaft der Schwestern konnten die Pensionäre auf der St.
Augustin-Station untergebracht werden. Schlimmer wurde es nach
dem schrecklichen Bombenangriff auf Aachen am 14. Juli 1943, als
derart viele bombengeschädigte und obdachlose Aachener nach
Astenet kamen, daß auch die kleinste Ecke im Stift belegt werden
mußte, um alle unterzubringen.
Zum Dank für diese großartigen Hilfeleistungen haben die
Schwestern (vermutlich am 6. Dezember 1943) als Geschenk für ih-
re Kapelle eine Ikone von der Immerwährenden Hilfe und eine Sta-
tue des hl. Antonius von Padua erhalten.
Das Kriegsende
Anfang September 1944 kamen auf dem Rückzug befindliche
SS-Verbände durch Astenet. Im Katharinenstift wollten sie sich
festsetzen, sahen aber angesichts des dort untergebrachten
Säuglingsheimes von ihrem Vorhaben ab.
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Ikone der Muttergottes von der immerwährenden Hilfe.
Die Kinder des Säuglingsheimes wurden vom 7. bis 9. Septem-
ber 44 mit Krankenwagen evakuiert. Die letzten von ihnen
verließen das Stift am 9. September gegen Mitternacht. Am 10. Sep-
tember erfolgte die Sprengung der Hammerbrücke und am darauf-
folgenden Tag kamen schon die ersten Amerikaner in Astenet an,
wo sie vorübergehend ein Lazarett im Stift einrichteten. Auch die
Zivilbevölkerung wurde, wenn nötig, durch die amerikanischen
Ärzte behandelt. Am 6. Februar 1945 verließen die letzten Ameri-
kaner wieder das Katharinenstift.
18
Wie wir uns erinnern, waren 1942 eine Gruppe aus Aachen
evakuierter alter Menschen über Gemmenich nach Astenet gekom-
men. Diese Gruppe verließ das Stift wieder am 29. Juli 1945 und
wurde in Immerath bei Erkelenz untergebracht.
Rektor Jean Lenfant wurde nach Kriegsende zum Pfarrer von
Meyerode ernannt. Er verstarb nach schwerer Krankheit i.J. 1969
in Eupen.
Sein Nachfolger im Katharinenstift wurde der aus Eupen stam-
mende Hubert Plumans. Der am 9. Dezember 1916 geborene Geist-
liche war am 15.2.1942 in Aachen zum Priester geweiht worden
und danach Hausgeistlicher am Marienhospital in Raeren gewesen.
Am 8. August 1945 trat er seinen Dienst in Astenet an. Acht Tage
später verließen die letzten deutschen Pensionäre für immer das
Katharinenstift und ca. 6 Wochen danach fand die Auflösung der
Ordensfiliale in Wandre statt. Durch Kriegseinwirkungen hatte das
dortige Kinderheim derartige Schäden erlitten, daß die Schwestern
mit ihren Zöglingen in Astenet aufgenommen werden mußten. Da-
mit begann im Katharinenstift eine neue rege Tätigkeit.
(Forts. folgt)
19
Das Röslein «
von Leonie Wichert-Schmetz
Du schenktest mir ein Röslein rot
Aus deiner Rosenlaube,
Ich gab ihm Wasser manch ein Lot
Und schützt’ es vor dem Staube.
Jetzt steht’s und duftet auf dem Tisch
Inmitten von Bücherbrettern.
Es ist so rosenrot und frisch
Mit seinen gezackten Blättern.
Ich freue mich und denk’ an dich.
Doch wird das Röslein vergehen,
Deine freundliche Botschaft von dir für mich,
Sie wird noch weiter bestehn.
(1) Aus dem Gedichtband ”Ein Hang von dunkelblauen Gundelreben”
20
Die ehemaligen Getreidemühlen am
Göhlbach in der Großgemeinde
Plombi@res
von Alfred Jansen
Die ”’Alte Mühle” von Sippenaeken
Wendet man sich von dem kleinen Dorfplatz vor der Kirche in.
Sippenaeken in nördliche Richtung, so führt ein alter Karrenweg di-
rekt hinunter ins Göhlbachtal. Er endet vor einem Anwesen, das
früher einmal die sogenannte ”alte Mühle” war. Zu unserer Linken
steht das eigentliche Mühlenhaus. Die Fassade ist zum größen Teil
durch eine Mauer aus Ziegelsteinen erneuert worden, die dem Haus
zwar viel von seinem rustikalen Aussehen wegnimmt, ihm aber zu
neuer Stabilität verhilft.
An der Giebelwand zur Nordseite hin war das mittelschlägige
Mühlenrad angebracht; Teile desselben sollen noch in der Erde ver-
graben sein. Die Westseite des Hauses dagegen weist noch Fach-
werk auf, das uns das respektable Alter der ehemaligen Mühle deut-
lich vor Augen führt. Zur rechten Seite des Hofes standen bis vor et-
lichen Jahren Stallungen, die, in Winkelform gebaut, mit ihrem
weißgetünchten Fachwerk der Landschaft ein reizvolles Bild boten.
Diese Bauten befanden sich in einem desolaten Zustand und sind ei-
nem Brand zum Opfer gefallen. An ihrer Stelle hat man einen neu-
zeitlichen Wohntrakt errichtet. Wasser bezog die Mühle von einem
Flutgraben, der von der Göhl abgeleitet wurde, wovon aber heute
nicht mehr die geringste Spur zu sehen ist. Dagegen ist der Graben
unterhalb der Mühle zwar verschlammt, aber noch sehr gut erkenn-
bar.
1869 hat das Mahlwerk aufgehört zu bestehen; seitdem ist die
”alte Mühlte” nur noch Bauernhof.
Das ganze Anwesen, in einer hügeligen, baumbestandenen
Landschaftsecke gelegen, mit dem eigenwilligen Flußbett als Vor-
dergrund, zog viele Maler an, die dieses schöne Bildmotiv auf Holz
oder Leinwand zu verewigen suchten.
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Die Mühle in Sippenaeken als Malerwinkel
7 Nachweislich bestand die Mühle schon 1770; da sie aber als
”oude moolen” bezeichnet wird, kann man sie getrost einer viel wei-
ter zurückliegenden Zeit zuordnen.
Seit wann sie Bestandteil der Domäne Beusdael war, ist schwer
nachzuweisen; immerhin führt das Katasteramt die jeweiligen Besit-
zer des Schlosses auch als Eigentümer der Mühle an.
So finden wir dort als erste Besitzer eingetragen die Gräfin
Francoise-Aloise De Mean, die im Jahre 1810 den Baron Constan-
tin De Copis heiratete. Die Tochter dieser Eheleute, die Baronin
Marie-Therese-Apolline De Copis, erbte die Mühle beim Tode ihrer
Eltern.
Diese Baronin heiratete 1837 den Grafen Theodore A.J. d’Oul-
tremont. Im Jahre 1875 fiel die Mühle wiederum durch Erbfolge an
den dritten Sohn dieser Eheleute, den Grafen Florent-Ferdinand
d’Oultremont. Derselbe starb unverheiratet und hinterließ die Müh-
le dem ältesten Sohn seines Bruders, dem Grafen Josef M.E.H.
23
Hendricks-Meertens. Man kann sagen, daß dieser Eigentümer wäh-
rend der drei Jahrzehnte, die er dort verbracht hat, viel zu dem jetzi-
gen Aussehen der alten Mühle beigetragen hat, mit Ausnahme aller-
dings des Neubaues an Stelle der vor etlichen Jahren abgebrannten
Stallungen.
So ist die Frontseite des Hauses, die aus Fachwerk bestand, wie
schon erwähnt, durch eine solide Mauer ersetzt worden. Ferner ist
der Mühlengraben bis zum Haus ganz zugeschüttet worden. Man
hat ebenfalls das eiserne Wasserrad abmontiert. In dem an der West-
seite angebauten Backofenhaus hat Hendricks noch Brot gebacken;
es ist jetzt vollständig verschwunden.
1947 übernahm die Tochter Hendricks, die einen Herrn Frans-
sen geheiratet hatte, den Hof. 1959 erwarb die Familie Schins den-
selben. Sie ist zur Zeit auch noch der Eigentümer, hat aber nie dort
gewohnt.
Von 1960 bis 1969 hat der Pächter Wimmer den Hof bewirt-
schaftet. Dann hat der Rentner Laschet von 1970 bis 1972 dort eine
Bleibe gefunden. Nach dessen Tod ist kein Dauermieter mehr in das
Haus eingezogen. Mal fand ich bei gelegentlichen Besuchen das
Haus leer, mal war es von Studenten belegt.
Die ”’Alte Mühle” am Braesberg
Geht man von der Kirche in Bleyberg in Richtung Gemme-
nich, so sieht man nach der ersten Rechtskurve zur linken die große
Villa der Familie Paquot; unmittelbar danach biegt ein Weg ab nach
Gensterhof. Diesem folgend stehen wir nach ungefähr 200 m in
dem sich vor unseren Augen weit ausbreitenden Göhltal, wo sich
der Bach im Laufe der Zeit durch eine Vielzahl Mäander ein tiefes
Bett gegraben hat. In dieser reizvollen Landschaft erkennt man in
einiger Entfernung eine Gebäudeansammlung unterschiedlicher
Größe, die im Volksmund ”Braesberger Mühle” genannt wird.
"Diese Bezeichnung stimmt nicht, denn auf allen Land- und Ka-
tasterkarten wird das Anwesen als ”Oude Moolen” bezeichnet.
Der Name ”Braesberg” hat sich nur deshalb eingebürgert, weil
die Mühle am Fuße des gleichnamigen Hügels liegt und der Name
dieser Anhöhe auf die Mühle übertragen worden ist. Der im runden
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Die Mühle am Braesberg (1985)
Torbogen trapezförmig eingefügte Stein mit den Initialen L.B. (=
Leonard Brouwers, 1754-1788), ist offensichtlich das letzte Zeichen
aus früherer Zeit. Mit großer Wahrscheinlichkeit haben wir es hier
mit der ältesten Mühle im Göhltal zu tun.
. Keilstein mit der Jahreszahl 1755 und den Initialen },B - MCG
25
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Ansicht der ”Oude Moolen”” am Braesberg
zu Ausgang des vorigen Jahres.
Erwähnt wird sie schon im Jahre 1271 und unterstand als
Lehen dem Limburger Lehnshof.
Pierre Xhonneux hat in seinem Buch ”Notes historiques de la
paroisse de Plombieres” die ganze Chronologie sowie die jeweiligen
Besitzer der Mühle erforscht. Da dieses Buch vergriffen ist, wäre es
doch vielleicht angebracht, die Liste der Besitzer hier anzuführen.
Sie umfaßt folgende Namen :
Maes van Holsit (1323); Guillaume de Holsit (1323-1355); Maes de
Holsit (1355-1395); Pontz de Welkenhuysen (1395-1418); Thierry
de Welkenhuysen (1418-1427); Pontz II. de Welkenhuysen (1427-
1477); Thierry II de Welkenhuysen (1477-1487); Pontz III. de Wel-
kenhuysen (1487-1495); Cath. und Marg. de Welkenhuysen (1495-
1500); Jean de Neufchateau (1501-1512); Jean van Seel
(1512-1513); Balthazar Moir van Walde (1513-1527); Frederic de
Sombreffe (1537-1557); Jean de Sombreffe (1557-1563); Guillaume
de Goldstein (1563-?); Jean de Schellart d’Obbendorf (keine Anga-
ben); Frederic Schellart (1616-1616; er behält sie nur zwei Monate).
26
Henri de Bergh dit Trips (1616-1654); Theodore de Bergh (1654-
1679); Adolphe de Bergh (1679-1686); Pierre Crousse (1676 - Dersel-
be veräußerte sie aber am selben Tag weiter an Laurent Thielen
(1686-1710) für dessen unmündigen Sohn Gerard Adolphe Thielen
(1710-1722). Nach dessen Tode gehörte die Mühle Francois Thie-
len, Arnold Thielen und deren Schwager Gerard Peters. Leonard
Brouwers (1754-1788); Henri Brouwers (1788 bis 1815).
Es war der letzte Verkaufsakt, der vor dem Lehnshof getätigt wur-
de, da die darauf folgende französische Revolution die alte Gerichts-
barkeit abschaffte.
Am 6. November 1816 erwarb der Aachener Rentner Paul
Adolphe Lampson in öffentlicher Versteigerung die Mühle sowie
das dazu gehörige Wiesenland. Die ”Compagnie des Mines et Fon- #
deries du Bleyberg”, die ab 1847 Zinkverhüttung in Bleyberg be-
trieb, erwarb das gesamte Gelände, um es nach kurzer Zeit an die
Familie Paquot, die seit 1859 führende Positionen im Bergwerk in-
nehatte, zu verkaufen.
Beim Tode des Herrn Paul Paquot erbte sein Sohn Jean das
ganze Areal, das er auch heute noch besitzt.
Als Verwalter bezog im Jahre 1920 Herr Antoine Bleezer mit
seiner Familie das Anwesen und verblieb dort bis 1951. Zuvor hatte
derselbe zwei Jahre lang die Schympermühle verwaltet. Renovie-
rungsarbeiten und Anbauten haben dem Bauerngut zu einem an-
sehnlichen und stattlichen Aussehen verholfen. Es wird zur Zeit
von der Familie Van Leendert bewirtschaftet.
Getreide ist dort schon lange nicht mehr gemahlen worden.
Der heute längst zugeschüttete Mühlengraben wird von Pott zwar
noch auf der Katasterkarte eingezeichnet, aber ob die ”Oude Moo-
len” damals noch Mühle war?
Die Mühle von Terbrüggen in Gemmenich
Wenn man von Gemmenich kommend auf Sippenaeken zu das
Göhltal erreicht, erkennt man nach der letzten Linkskurve, ehe man
den Bach überquert, zur Rechten in einer Entfernung von 150 m ei-
ne kleine Gebäudegruppe. Es ist die Mühle von Terbrüggen.
Das an der Giebelseite angebrachte und von weitem sichtbare
wuchtige Rad läßt keinen Zweifel über die Bestimmung des Gebäu-
des aufkommen. Ganz aus Eisen angefertigt ist es der Kategorie der
Ponceleträder zuzuordnen, d.h., daß das Wasser den Schaufeln des
Rades durch eine schräg verstellbare Stütze zwischen Axe und Bo-
den zugeleitet wird, um so die Wasserkraft möglichst gut auszunut-
ZeB:
27
Am 8. Februar 1984 brach das Unglück über die Mühle her-
ein. Seitdem fließt durch den Flutgraben nur noch ein unbedeuten-
des Rinnsal, viel zu wenig Wasser, um damit eine Mühle in Bewe-
gung zu setzen. (2)
An einer kostspieligen Reparatur hat der jetzige Eigentümer
kein Interesse. Die Rentabilität des Unternehmens wäre fraglich
und für den alten Müller, der dort sein Leben lang Korn und Hafer
gemahlen hat, ist auch kein Nachfolger in Sicht.
Regte in vergangenen Zeiten das sich munter drehende Was-
serrad einen Moment zum Verweilen an, so löst der jetzige Anblick
der Mühle ein wenig Melancholie aus, verschwindet doch hier wie-
der ein Stück Romantik aus unserer Heimat.
Die nicht genau zu bestimmende Bauzeit der Mühle liegt im
letzten Viertel des 18. Jahrhunderts. Eine Gemmenicher Steuerrolle
aus dem Jahre 1770 führt die Mühle noch nicht an, diese hat also zu
dem Zeitpunkt noch nicht bestanden. Dagegen zeichnet Tranchot
sie auf seiner Karte vom Jahre 1801-1803 ein. Man darf also daraus
schließen, daß die Mühle während dieses Zeitabschnittes gebaut
worden ist. Wer sie gebaut hat und wer sie in den ersten Jahrzehn-
ten des 19. Jh. betrieben hat, muß noch herausgefunden werden.
Der erste im Katasteramt eingetragene Besitzer ist ein Herr Dreesen
aus Gent (1847).
Im Jahre 1861 wurde die Bank Nagelmackers aus Lüttich aus
unbekanntem Grunde Eigentümer der Mühle, veräußerte sie dann
aber im Jahre 1865 an Herrn Antoine Tychon.
Sieben Jahre danach, 1872, erwirbt sie Herr Ignaz Vyghen,
dessen Sohn Godfroid sie nach dem Tode des Vaters, im Jahre
1892, erbt.
Im Jahre 1927 kommt die Familie Ahn-Brouwers in den Besitz
der Mühle. Die Tochter Anna-Maria Ahn erbte dieselbe beim Tode
ihres Vaters im Jahre 1933, bis dann 1955, bei deren Tod, der Sohn
Jean Hubert Eigentümer des Anwesens wurde. Nicht für lange,
denn drei Jahre später, 1958, erwirbt die Familie Schins-Speetgens
die Mühle und nennt sie bis auf den heutigen Tag ihr eigen.
Das Mahlwerk als solches ist im Augenblick noch so, wie es im
Februar 1984 nach dem Dammbruch stehen blieb. Streift man aber
durch das Innere, so mutet die Mühle ein wenig geisterhaft an,
da der Zahn der Zeit schon seine Spuren zu hinterlassen beginnt.
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Das weggespülte Erdreich war das Aus für die Mühle.
(Foto v. 8.2.1984)
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5 Die Mühle in Terbrüggen - Bauzeit 1770-1803
29
Anmerkungen :
(1) Wir verweisen auch auf unseren Aufsatz in Nr. 38 dieser Zeitschrift, S. 65-75, wo
wir die Mühle Schyns, die Pickertzmühle und die Schympermühle behandelt haben.
(2) Siehe dazu ”Im Göhltal”, Nr. 38, S. 65.
Quellennachweis (bezieht sich auch auf den ersten Teil unseres Aufsatzes über die
Mühlen von Moresnet in ”Im Göhltal”, Nr. 38, S. 65 ff.)
Archives du Cadastre a Liege.
Archives de l’Etat äa Liege, Matrices Theresiennes.
A. de Ryckel, Duche du Limbourg.
Pierre Xhonneux, Paroisse de Plombieres,
Renseignements fournis par la famille Schins.
Meyers Konversationslexikon.
Die Lehnsregister der Propsteilichen Mannkammer des Aachener Marienstiftes.
Aachener Stadtarchiv, Reichskammergerichtsakte, M-1098, Märken-von Meuthen.
Registre de la population de l’entite& de Plombieres.
Fotos und Reproduktionen vom Verfasser.
30
7 °
Un savant de la region des trois
x
frontieres :
Henri Schrymecker
Premier Directeur du College Patronne a Eupen
par Willems H.
Henri Schrymecker, ne ä la Calamine (Kelmis) le 23 juin 1883,
fut ordonne pretre a Liege par Monseigneur Rutten le 2 avril 1907.
Candidat en philosophie et lettres de l’universite de Liege, il fut pro- -
fesseur au college Saint-Hadelin de Vise de 1907 ä 1921. Premier
directeur du college patronne d’Eupen de 1921 a 1925, il sera cure
pres de Liege ä Liers de 1925 a 1944. Il est tue le 8 septembre 1944,
au moment de la liberation du village, dans un abri.
Apres la tourmente de 1914-1918, la Vieille Montagne et son
territoire deviennent belges sans discussion. Les proprietes, les usi-
nes, les entreprises allemandes tombent sous s&questre.
Les diff&rents journaux regionaux, dont ”Das Freie Wort” puis
”Die Freie Presse” (1920) edites a Dolhain-Limbourg et ”Die Flie-
gende Taube” €dite a Aubel reparaissent.
A Tinterieur du pays, la reconstruction et la restauration se
feront energiquement, pendant que le gouvernement belge defend
devant les Americains sa garantie de neutralit& et un retour ä la
situation de 1914 avec des compensations territoriales ä l’est.
Les ceuvres d’art, les archives seront reclamees. Les cloches
sont retrouvees. A Verviers, quelques proces de marchands de bes-
tiaux vendeurs de chevaux aux allemands ont lieu. Puis il y a la
fraude a la frontiere.
Le 15 septembre 1919, le parlement belge vote ä l’unanimite
V’institution d’un haut commissaire royal dans les ”Cercles” d’Eupen
et de Malmedy. Il sera place sous le contröle du premier ministre.
Organisation scolaire
Le 10 janvier 1920, le premier ministre Leon Delacroix
informa le lieutenant-general Herman Baltia qui se trouvait ä Aix-la
Chapelle qu’il pouvait entrer en fonction, vu que la Prusse venait de
signer le Traite de Versailles.
31
Le 11 janvier 1920, la proclamation du lieutenant-general etait
lue en allemand ä Eupen et en francais 4 Malmedy.
Le responsable pour l’'organisation de l’enseignement, Leon
Mallinger, pouvait prendre contact avec les responsables de l’ensei-
gnement primaire et avec ceux de l’enseignement secondaire.
A cette date, ä Eupen, l’enseignement secondaire etait repre-
sente par deux etablissements. Il y avait un etablissement secondaire
pour garcons et un autre pour filles.
Le Realgymnasium comptait 13 professeurs allemands. Avec
V’arrivee de Mallinger, les nominations, les confirmations et le main-
tien des instituteurs, institutrices et professeurs lui revinrent. Les
communes et les cures n’eurent plus droit de surveillance ou d’ins-
pection comme sous le regime prussien.
Graduellement le syste&me belge fut introduit, malgre l’opposi-
tion syst&matique dicte&e par l’abbe Pottgießer du Hildegardis-
Lyzeum d’Eupen. L’ensemble des rapports qu’il &crivit au cardinal
de Cologne temoigne d’un diplomate tres adroit.
Pour ne pas suivre l’exemple de l’Alsace-Lorraine, Mallinger
agira avec patience et calme et permettra une prolongation d’un an
du systeme prussien a Eupen, alors qu’a Malmedy l’athenee etait
immediatement institue.
Sous la conduite de Dr Pottgießer, tout un plan avait &t& mis en
place par les autorit&s communales et le Landrat von Kessel. La pro-
clamation du haut commissaire du roi surprit tout le monde et tous
les plans d’opposition durent &tre revus.
L’administration communale chercha ä conserver la surveil-
lance complete sur l’enseignement secondaire. Elle refusa l’interven-
tion financiere de l’Etat. Un serieux flottement semble se manifester
aux sujets des intentions.
Finalement, l’administration proposa un college patronne,
dependant de l’ev&que de Liege. Ce college comprendrait une sec-
tion greco-latine, s’accompagnant d’une section commerciale €1e-
mentaire et d’une section normale.
Ce plan cachait une immixtion indirecte et directe de l’inspec-
tion allemande sous forme de jurys.
La forme future n’etait pas fixee clairement selon les normes de
V’instruction belge preconisees par le Conseil de l’enseignement insti-
tue les 6 mars 1920.
32
Des le 1° octobre 1921, le programme belge fut instaure tant
au Realgymnasium qu’au Hildegardis-Lyzeum.
La nomination, en mai 1920, par l’ev&que de Liege, de l’abbe
Henri Schrymecker comme directeur du College patronne surprit
differents notables et industriels Eupenois.
En lancant l’idee d’un college patronne, certains avaient cru
creer une situation sans solution pour le haut commissaire du roi
Herman Baltia, Leon Mallinger et le conseil de l’enseignement.
Il n’en fut rien. Le pharmacien Wildt, conseiller communal
d’Eupen, ”äme de la resistance allemande” fut surpris et devra dans
V’avenir agir par une opposition et une critique cherchant a mobiliser
Topinion publique. .
Il est interessant de lire le resume que nous a laisse le haut com-
misaire du Roi, Herman Baltia dans ses Memoires concernant l’en-
seignement dans la region Eupenoise.
”... Certains esprits sectaires nous reprocheront peut-&tre d’avoir
fait selection s&vere parmi les candidats aux fonctions d’instituteur
et d’institutrice et d’avoir fait des &coles communales confessionnel-
les; ...;c’etait & la demande des parents. Nous n’avons pas accorde ce
droit aux colleges communaux, parce que nous pouvions craindre
que les pro-allemands n’imposent des maitres allemands; apres un
certain temps la nomination definitive par le conseil communal fut
jugee excellente ...
”...A Eupen existait une Realschule, centre d’instruction pro-
fessionnel, qui avait comme celui de Malmedy, une tendance pro-
germanique tres accusee. Il fallait prendre les me&mes mesures de
rigueur et renvoyer en Allemagne ces maitre recalcitrants.
Mais ici le probleme de leur remplacement presentait de gran-
des diffucultes, il fut me&me impossible de trouver en Belgique suffi-
samment de professeurs capables d’enseigner les sciences en alle-
mand. Et une autre difficulte : le ministre des sciences et des arts du
moment Etait un socialiste, Mr Destree, qui s’opposerait, je le
croyais, ä la creation d’un college Episcopal ou dirige par les Jesuites
ä Eupen; je savais que le clerge&, de meme que la Societe de Jesus,
pourraient fournir un corps professoral capable d’enseigner en alle-
mand.
Je ne vis qu’un moyen de r6soudre le probleme : /’invitai Des-
tree a venir faire un s&jour &4 Malmedy avec sa femme: Je pourrais,
33
s’il acceptait mon invitation, Iui montrer la situation de l’enseigne-
ment dans le pays et les progres accomplis.
”Le ministre accepta l’invitation; je lui fis visiter un certain
nombre d’&coles dans les villes et les campagnes et, un soir, apres
diner, je Iui exposai mon embarras au sujet de l’enseignement
moyen ä Eupen.
Quand je lui eus demande s’il pouvait me fournir des profes-
seurs pour toutes les classes d’humanites et les humanites modernes,
et qu’il m’eut repondu que cela lui paraissait impossible, je Iui dis
que je savais qu’en m’adressant ä l’eveque de Liege, celui-ci serait en
mesure de creer un college patronne oüU la majorite des professeurs
seraient des pretres, ce qui, a mon avis, serait plus facilement
accepte par la population tres catholique d’Eupen que des maitres
laiques belges, le ministre s’&cria :
”. Voyez-vous un ministre socialiste favorisant la creation d’un col-
lege episcopal!”
Puis apres un instant de reflexion, il ajouta :
”Dans ce cas-ci, l’interet patriotique doit primer toute autre consi-
deration. Vous pouvez aller chez l’&v&que.”
Des le lendemain, je me mis en rapport avec Monseigneur Rut-
ten qui accueillit ma proposition avec beaucoup de satisfaction et
me promit que pour la rentree d’octobre, un college complet fonc-
tionnerait ä Eupen.
”Jattendis avec une certaine impatience la rentrde, parce que
‚je savais que Ya propagande allemande avait travaille la population
pour lui annoncer que cet 6tablissement d’instruction serait infe-
rieur a sa mission, que /a langue allemande serait negligee et en tous
cas tres mal enseignee, que le changement de programme serait nui-
sible aux progres des etudiants, etc.
"Cependant, avant l’ouverture des cours, les inscriptions arri-
vaient en nombre inespere et l’administration communale avait vote
un subside important.
"Cette institution se de&veloppa normalement, malgr& quelques
recriminations des intraitables, qui se rendaient compte de l'action
puissante qu’exercait ce college sur la jeunesse.
"”Lors de ma visite officielle au college, j’eus la satisfaction de
voir toute cette jeunesse m’accueillir avec transport aux sons de la
”Brabanconne” et m’adresser des discours en francais, en flamand
34
et en allemand d’un excellent patriotisme. L’abbe ... (N.d.1.R : Le
nom n’est pas cite. Il s’agit probablement de l’abbe Pottgiesser) ne
voulait pas renoncer ä sa mission de germanisation, ni se plier aux
directives du chef de l’enseignement (Leon Mallinger). II fallut s’en
debarasser et le renvoyer en Allemagne ...””
Puis viendra la fixation du debut de l’annege scolaire. On sup-
prima les vacances de Pentecöte pour commencer l'annee scolaire
en automne. Comme il fallait s’y attendre, les ”criailleries des autori-
t6s eupenoises qui protestaient contre la perte d’une demi-ann&e sco-
laire ...”” se firent entendre ä nouveau.
Le conseil de l’enseignement permit que de Päques 1920 ä octo-
bre 1921, les deux etablissements secondaires eupenois puissent voir
le programme de deux annedes d’Etudes.
A la suite des pourparlers, les deux directeurs furent desap-
prouves par les enseignants. Un vote de mefiance fut emis.
Flamand-allemand-francais.
Comme le flamand avait te declare langue facultative pour les
6tablissements secondaires, des extremistes flamingants desapprou-
ves pendant la guerre par von Bissing se firent aussi entendre. Le
gouvernement transitoire voulait permettre aux jeunes gens d’entrer
dans les &coles militaires ou de briguer un emploi dans une adminis-
tration publique de l’Etat ou de la province. L’ignorance du fla-
mand ne devait pas les eliminer des places.
A la suite d’une r&clamation de l’Academie flamande, basee sur
les affirmations d’un ”philologue distingue” affirmant qu’Eupen
etait d’origine flamande, la langue administrative et d’enseignement
devait &tre le flamand, le premier ministre transmit le dossier au
haut commissaire du roi.
Baltia s’adressa ä un autre ”philologue distingue”. Celui-ci
demontra que son collegue etait dans l’erreur. Effectivement, des
ouvriers tisserands courtraisiens flamands avaient introduit des
mots flamands dans le patois d’Eupen au XVIII“ siecle. La langue
allemande fut toujours pour Eupen et sa region la langue litteraire;
elle fut enseignee ä l’ecole et on lutilisa a l’eglise. Le haut commis-
saire convoqua le Conseil Superieur et une enquete fut faite dans la
population. La reponse obtenue apres quinze jours 6tait claire et se
resumait ainsi : ”Nous voulons bien apprendre le francais, parce que
cela nous servira ä quelque chose, mais nous ne voulons pas appren-
dre le flamand qui ne nous servira jamais ä rien.”
35
La reponse fut transmise au premier ministre, qui la garda dans
son tiroir sans repondre a l’Academie.
Puis le ministre liberal Louis Franck, ministre des Colonies,
vint a son grand etonnement interroger le haut commissaire com-
ment la question des langues avait €te reglee. Baltia Iui repondit que
le flamand &tait facultatif dans les etablissements scolaires et ne ren-
contrait que tres peu de succ&s,
Le ministre le quitta, furieux.
Une seconde reclamation vint du bureau de l’administration
des chemins de fer. L’administration voulait savoir comment le pro-
bleme avait €t& solutionne pour les soldats flamands. ”Je trouve
qu’il füt legitime que les noms des gares et des bureaux de poste
soient inscrits en trois langues a conditions de respecter la priorite
du langage populaire.”
Telephone, telegraphe, chemin de fer, les inscriptions et directives
furent affichees en trois langues.
Institution communale
L’&v&que de Liege s’entoura de toutes les precautions legales et
communales. Un contrat fut sign& pour une duree de 5 ans.
”Tout en respectant l’instruction religieuse des enfants protes-
tants, le comite consultatif compose du bourgmestre et de deux con-
seillers”” &tait un conseiller et un arbitre en cas de conflit quelconque
d’interpretation. L’inventaire reprenait les details concernant l’entre-
tien des bätiments, - ä charge de la ville -, le chauffage, l’eau et l’elec-
tricite, - a charge du college -. La d&mocratisation du systeme fut
bien accueillie par l’ensemble de la population.
L’inspection du ministere sera tres attentive ä l’experience et ne
tarira pas d’eloges et d’encouragements.
Sans perdre de son ardeur de chercheur scientifique, l’abbe
Henri Schrymecker quitta certainement avec regret; le college de
Saint-Hadelin sur les bords de la Meuse.
Vise, a cette date, se relevait lentement de ses ruines et beaucoup
d’habitants vivaient encore dans des baraquements.
Pendant cette periode de pauvrete et de chömage, il n’y a pas
de doute, qu'il fut attentif a tous les problemes de la ville martyre
ainsi qu’ä tous les grands problemes qui se jouaient en Belgique et en
Allemagne.
36
Il laissa un bätiment de la fin du si&cle et incendie pour trouver
ä Eupen un 6tablissement scolaire heberge dans une maison de mai-
tre avec ses dependances. A la pauvrete succedait l’opulence de
jadis. Il retrouvait aussi la langue de son enfance.
Le corps professoral etait constitue par
les abbes Huppertz Charles (1921-1927)
Schweich J. (1921-1927)
Schoonbroodt Victor (1921-1926)
Wenders J. (1921-1928) ainsi que
Mr Boudot H. (1921-1925)
Mr Benzerath (1921-1928)
Mr Schreuer J. (1921-1923) .
Xhayet J. (1921-1923)
Le nouveau directeur Henri Schrymecker fut decide ä remplir sa
mission educative loin du bruit des agitateurs communaux. Le col-
lege patronne fut inaugure avec internat le 1° octobre 1921. Le 22
septembre precedent, l’Eveque de Liege etait venu personnellement
lui rendre visite avec les representants de la majorite communale
MM Thielen et Schaaf,
Le 30 septembre 1921, 40 Eleves etaient inscrits. Le 1° octobre
1924, le nombre est de 241, en 1925 il est de 249 Eleves.
Les etudes du soir etaient obligatoires de 17 a 19 h pour tous les
eleves.
La chapelle fut benite le 22 fevrier 1922. Elle fut amenagee
gräce ä une tombola organisee par le professeur Charles Huppertz,
aumönier des classes moyennes. A l’occasion de l’Ascension 1924,
22 eleves firent leur communion solennelle.
Le directeur
L’hostilite et la suspicion entretenues par deux membres du
conseil communal firent place a la fierte et a la satisfaction de la
majorit€ de la population. Neutralise quelque temps dans une expec-
tative silencieuse, le calme ne durera pas longtemps.
Le directeur veut la reussite de l’institution qui lui a &te confiee.
Dans le courant de 1922, le college patronne a la visite du haut
commissaire du Roi, le lieutenant general Herman Baltia, de l’&ve-
37
que de Liege, Mgr Martin Rutten, du nonce apostolique, Mgr Nico-
las Nicotra.
La distribution des prix en 1923 est presidee par Mgr Laminne
Jacques.
Lors de la visite de Baltia, il y eut un discours de bienvenue en
francais, en allemand et en flamand.
Le 24 mars 1924, le directeur Schrymecker, trois professeurs et
21 eleves de trois classes superieures se rendaient en excursion ä
Bruxelles.
A 10.30 h. Mr Mayence, conservateur de la section ”antiquite
greco-romaine” aux Musees Royaux d’Art et d’Histoire du Cinquen-
tenaire et professeur a l’universite de Louvain, accueillait le groupe.
L’excursion se prolongea par une promenade touristique en
ville : palais de justice, grand’ place, bourse, theätre de la Monnaie.
A V’occasion de la f&te patronale du directeur, le lundi 30 juin, il
y eut un apres-midi theätral. Une seconde representation eut lieu le
dimanche 6 juillet a 17 h. L’excursion scolaire eut lieu le mercredi 2
Juillet 1924. Le but de l’excursion fut Anvers, son port, son jardin
zoologique, ses particularites de ville portuaire.
Ces initiatives educatives et recreatives de la nouvelle direction
durent surprendre, car le journaliste termine son article en s’interro-
geant ”’oü ira-t-on l’an prochain?”
Mgr Leopold Deseille, vicaire general pour Eupen-Malmedy,
assiste le jeudi 31 juillet 1924 A la distribution des prix aux college.
Le lendemain, il preside celle de 1a Hildegardis-Schule. Dans les
deux cas, il entendit des chants en allemand, francais et flamand.
Pour les 75 ans de la confrerie de Saint-Vincent de Paul, le
19.10.1924, il decore le president Franz Lüchen de la decoration
pontificale ”Pro Ecclesia et Pontifice”. Le directeur Schrymecker
expliqua le sens de cette decoration donnee pour la premiere fois ä
Eupen.
Pour le pharmacien Willy Wildt, conseiller communal et ami
de von Korff, la solution du college patronne ne semblait pas la meil-
leure. Il chercha toutes les occasions pour mobiliser l’opinion publi-
que.
Au conseil communal du 17 octobre 1924, au moment de la
lecture du proces verbal de la seance precedente, il fit remarquer que
son intervention n’avait pas ete& mentionnee.
38
Le bourgmestre Jules de Grand Ry repondit qu’apres etude du
dossier on en parlerait prochainement.
Peut-E&tre Wildt n’acceptait-il pas que l’inspecteur cantonal
recoive les parents et instituteurs ä l’hötel de ville, chaque jeudi de
15:07h:
Lors du conseil communal du 10 novembre, commence ä 17 h,
vingt points furent traite&s en 2,30 heures.
Differents subsides furent attribues aux differentes &coles :
— cole professionnelle 16.731 Frs
— 6cole menagere 11.225 Frs
— 6cole de tissage 8.035 Frs ,
— 6€cole moyenne du Heidberg 12.000 Frs
Lors du point 19, le pharmacien Wildt demanda des de&marches
urgentes en faveur d’un etablissement scolaire superieur avec toutes
les classes. Il craignait que les eleves ne fussent pas admis ä l’univer-
site, car le transfert du regime prussien au regime belge avait cause
un tres grave prejudice scolaire. Effectivement, dans un systeme
l’annee scolaire debute a Päques, dans l’autre en septembre.
Le rapport detaille du directeur Henri Schrymecker aurait dü
calmer les plus scrupuleux. Pour le directeur, les €leves pouvaient
Etre admis dans toutes les Universites belges, sans examen d’entree.
Il existe des etablissements oülı un examen d’admission peut &Etre
exige. Puis le rapport affirme que depuis 1913, 85% d’enfants et
d’adolescents frequentent les &coles libres.
Pendant ce temps, les livres scolaites etaient traduits et adaptes.
Ce gros travail fut realise sous la direction du directeur et des inspec-
teurs cantonaux.
Ennemi des polemiques
Comme la direction du college etait continuellement perturbee
par les dissensions politiques, le directeur Henri Schrymecker
demanda de pouvoir donner sa demission.
D’un temperament tres calme, le ”savant latiniste et helleniste”
fut nomme cure d’une paroisse de 1000 habitants, a Liers, 4 7 km de
Liege.
Le 28 mai 1925, l’inspecteur J. Chot de l’enseignement moyen
pouvait manifester sa satisfaction.
”Tout est bien au college sauf en 4°, ol on se sert de l’allemand
pour le latin et du francais pour le grec. L’appreciaton generale est
bonne.”
39
Revenons quelque peu en arriere.
Le senateur socialiste vervietois Henri Picard, futur gouver-
neur de la provinve de Liege, fut conseille par quelques amis de la
region d’Eupen-Malmedy Saint-Vith.
Le 16 janvier 1923, il interpella le ministre de l’interieur et de
’hygiene, le vicomte Berryer.
Le senateur ne menagea personne, ni l’honneur personnel, ni
les decisions gouvernementales. Nominations, indemnites, conve-
nance personnelles, tout est battu en breche. Baltia, Mallinger,
V’athenee de Malmedy, tout est etale pele-mele.
Parlant de la ville d’Eupen il affirma :
”La ville d’Eupen avait depuis plus de cent ans une &cole supe-
rieure de garcons.
Depuis cinquante ans, elle etait sous le protectorat du gouver-
nement prussien et etait devenu un ”Realgymnasium” comprenant
neuf classes. La guerre, il est vrai, y avait porte une atteinte serieuse;
mais, enfin, il comptait encore, apres l’annexion, une centaine d’&1e-
ves, contre 235 precedemment. L’etablissement &tait dirig& par M.
Lummen, prötre Eclaire, qui, au vote, lorsqu’il s’est agi de la transfor-
mation de l’institut, a fait cause commune avec la minorite ...
On a, ä une seance du 1“ juin 1920, a laquelle assistaient un
commissaire civile nomme€ par le gouverneur general Baltia, le
bourgmestre d’Eupen et l’echevin de l’enseignement, d’une part,
Vechevin Mayer, l’abbe Lummen et le pasteur Hammer, d’autre
part, pose la question de la transformation de l’etablissement en un
college episcopal et, malgre les protestations des trois derniers, la
transformation fut decidee.
Savez-vous dans quelles conditions?
L’abbe Lummen lui-meme et ses deux collegues preferaient un
athenee communal ou un athenee de l’Etat, mais, au cours de la dis-
cussion, il parait que le commissaire et le bourgmestre declarerent
qu’en Belgique, dont ils connaissaient la situation, disaient-ils, mieux
que les opposants, le corps enseignant des athenees, Etait souvent
compose de libres penseurs, d’athees et de francs-macons et qu’un
catholique ne pouvait pas, en conscience, y envoyer ses enfants.
On vote, trois contre trois, sur la question de savoir si le gymna-
sium deviendrait un college episcopal ou un athenee; ce devait &tre,
40
semblait-il, le maintien du statu quo. Mais le bourgmestre allegua
que sa voix, en pareil cas, devait &tre preponderante.
On s’inclina et c’est ainsi que le ”Realgymnasium”d’Eupen est
devenu un college episcopal. Or, si respectable que soit cette institu-
tion, elle n’est pas celle que peuvent frequenter les jeunes gens de
confession protestante, et ils sont nombreux ä Eupen. Avant cela,
c’etait un etablissement neutre, accessible a tous; maintenant, c’est
un e€tablissement qui n’est plus accessible qu’aux croyants de reli-
gion catholique. Et cela dans quelles conditions?
Remarquez-le bien, gräce au vote d’un bourgmestre et d’un
commissaire civil nomme par le general Baltia, et c’est la voix pre-
ponderante du bourgmestre, qui a €te decisive. Voila comment on,
confisque un €tablissement public au profit d’une confession deter-
mine ...”
L’interpellation se termina par une intervention tres mesuree
du senateur Albert Renard et par des termes tres vifs du Flamand
Volckaert.
Le directeur du college partronne ne put apprecier les manoeu-
vres politiques. Malgre de nombreuses amities, dont celle du juge
Paul de Nys, de l’entrepreneur Peter Jerusalem, du negociant Her-
man Mennicken, membre de la commision royale des monuments et
des sites, du baron Paul von Scheibler, &poux de Berthe de Grand
Ry, des membres de la confrerie de Saint-Vincent de Paul, dont il
etait aumönier, l’abbe Henri Schrymecker, le savant directeur, avait
pris une decision qu'il allait soumettre ä l’appreciation de l’ancien
directeur et president du grand seminaire, le chanoine Kerkhofs
Louis-Joseph.
Les dernieres semaines de l’annee scolaire 1924-1925 furent
marquees par un accident grave d’un eleve ä Bethane et par une soi-
ree theätrale le 21 juin d’une piece du Dr Esser ”St Aloysius” soute-
nue par l’orchestre du soliste P. Köhler de Cologne.
Le 4 aoüt, Mgr Kerkhofs presidait la distribution des prix et
quelques jours plus tard le conseil des ministres permettait a quatre
eleves d’entrer dans une universite belge sans examen d’entree et
d’admission.
Pendant le sejour de Mgr Kerkhofs a Eupen et au college, le
directeur Schrymecker demanda d’&tre decharge de ses fonctions.
Discretement, le 18 septembre, la ”Eupener Nachrichten”
annoncait la nomination d’un nouveau directeur_ originaire de Wel-
41
kenraedt, le professeur Cordonnier, professeur de philosophie ä
Saint-Trond, et le depart du directeur Schrymecker pour la paroisse
de Liers. Le journaliste ne cache pas que le premier directeur, 6gale-
ment membre du conseil d’administration de l’ecole commerciale,
avait eu une mission tres difficile et delicate et qu’il fut homme de
grand cceur. Les €leves l’aimaient et le respectaient. Il fut toujours
attentif aux problemes des pauvres et conseiller de la confrerie de
Saint-Vincent.
Le 1° octobre 1925, l’annee scolaire commencait avec le nou-
veau directeur.
A Liers, le nouveau cure Schrymecker fut immediatement
admis par toute la population. A quelques kilometres de Liege, il
aura l’occasion d’aider de ses conseils les directeurs des colleges de
Herstal et de Vise. Il continua ä preparer la traduction de differents
livres scolaires.
Il fut un ami du professeur de musique du college de Herstal,
Mr Dupont J.N. Collaborateur benevole de la Gazette de Liege, il
entretint des rapports suivis avec Mr Demarteau, le directeur de ce
journal.
Dans sa paroisse de 1000 habitants, toutes les portes lui etaient
ouvertes et il s’interessa a la culture de la betterave aussi bien qu’au
developpement de la räperie.
La liberation, en septembre 1944, le surprendra. Il fut victime
de son devouement.
42
Bergmannslos 0. Fortsetzung)
von Peter Zimmer
Tausende Bergleute des Saarlandes verließen am 7. Februar
1962 zu früher Morgenstunde ihr trautes Heim, um in eine der zahl-
reichen Steinkohlengruben des Landes einzufahren. Dazu gehörten
auch die Knappen der Zeche Luisenthal in Völklingen/Altenkessel,
die, nachdem sie dort angekommen waren, und die Kleidung gewechselt
hatten, einander ”Glück-Auf” zuriefen und in die Förderkörbe zur
Fahrt ins Dunkle einstiegen.
Dort angekommen begab sich ein jeder zu seiner Arbeitsstelle in ei- ;
nem bestimmten Grubenfeld dieser Steinkohlengrube. Plötzlich und
unerwartet ereignete sich dann um 7,45 Uhr eine Schlagwetterex-
plosion, von der ein großer Teil des Alsbachfeldes schwer heimge-
sucht wurde. Sofort alarmierte man die Hauptrettungsstelle in Fried-
richstahl sowie die Grubenwehren der Saarbergwerke, die gemein-
sam in aller Eile die Rettungsarbeiten in Angriff nahmen. Ebenso
rasch waren die Ärzte, Sanitäter und freiwillige Helfer einsatzbereit.
Sie richteten auf dem Grubengelände ein Notlazarett ein, um Ver-
wundeten schleunigst erste Hilfe leisten zu können. Gleichzeitig
wurden auch Auffang-Krankenhäuser benachrichtigt und Kranken-
transportfahrzeuge angefordert. Auch Heilgehilfen der Saarberg-
werke, Hilfskräfte des Roten Kreuzes und der Bundeswehr, der be-
nachbarten Industriewerke sowie Helfer verschiedener anderer Or-
ganisationen waren schnell zur Stelle, um Hilfe zu leisten. Sogar die
Amerikanischen Armee-Lazarette von Landesstuhl/Pfalz und
Neubrücke/Nahe bekundeten sofort ihre Hilfsbereitschaft, indem
sie die Zusage machten, über 100 Betten, Militär-Sanitäts-
Transportfahrzeuge, Personal und sonstige Geräte sowie Medika-
mente zur Grube Luisenthal zu senden. Die sofort nach dem Be-
kanntwerden des Unglücks aus nah und fern gemachten Hilfeange-
bote waren so groß, daß sie nicht alle in Anspruch genommen wer-
den konnten.
Trotz aller großen Hilfeleistungen konnten aber leider nicht al-
le eingefahrenen Bergleute dem Tode entrissen werden. Nur diejeni-
gen, die im Südfeld, welches von der Explosion verschont geblieben
war, beschäftigt waren sowie ein Teil der 664 im Alsbachfeld tätigen
Bergleute konnten unverletzt und heil ans Tageslicht gelangen.
43
Die Anzahl der Todesopfer, die man um Mitternacht am 8. Fe-
bruar bereits geborgen hatte, bezifferte sich auf 275, später erhöhte
sie sich aber auf 298. Es war eine schreckliche und fast unglaubliche
Tatsache für den Saarländischen Bergbau, denn die Grube Luisen-
thal hatte in den verflossenen Jahren stets den saarländischen Wan-
derpreis für Grubensicherheit erhalten. Daß trotzdem in diesem
Bergwerk eine Katastrophe ausbrach, war ein Beweis dafür, wie we-
nig die Naturgewalten trotz aller kostspieligen Forschungsarbeiten
und der beachtlichen Fortschritte, die bezüglich der Sicherheit im
Bergbau erzielt wurden, durch Menschenwerk beherrscht werden
können. Alle Bevölkerungsschichten der gesamten Bundesrepublik
Deutschland waren bis zur Beisetzung der Todesopfer am 10. Fe-
bruar in großer Trauer. Im alten Park hinter der Grube Luisenthal
hatte man 287 mit Kränzen geschmückte Särge für die Trauerfeier
am 10. Februar aufgereiht. Während derselben hielten Bergleute
aus allen deutschen Bergbaurevieren in Paradeuniformen bei ihren
toten Kameraden die Ehrenwache. Zahlreiche Persönlichkeiten der
„kirchlichen und weltlichen Behörden nahmen an der Feier teil und
erwiesen dadurch den toten Bergleuten vor ihrer letzten Fahrt in
den Schoß der Erde die wohlverdiente Ehrenbezeugung. In allen
Traueransprachen wurden den Angehörigen das Beileid und Mitge-
fühl ausgesprochen und auf die gefahrvolle und für das gesamte
Wirtschaftsleben nützliche Arbeit der Bergleute hingewiesen. Die
meisten europäischen Funk- und Fernsehanstalten übertrugen diese
ergreifenden Trauerfeierlichkeiten. Als dieselben beendet waren,
transportierten Fahrzeuge der Bundeswehr die Särge in die 64 Hei-
matgemeinden der Todesopfer, wo sie am folgenden Tage mit berg-
männischen Ehrenbezeugungen zu Grabe getragen wurden.
Durch eine einzigartige Solidarität, die keine Grenzen kannte, hatte
man aber auch vom ersten Tage an allen Hinterbliebenen geholfen,
die materielle Not zu lindern. Außer der Bundesregierung, der Ho-
hen Behörde, Ländern, Kreisen, Städten, Gemeinden und Gewerk-
schaften, stellten auch Banken, Sparkassen sowie große und kleine
Firmen erhebliche Beträge zu diesem Zwecke zur Verfügung. Sogar
aus Frankreich, Italien, der Schweiz, den Vereinigten Staaten und
anderen Ländern wurden beachtliche Geldspenden überwiesen, um
die schwer geprüften Familien zu unterstützen. Ebenso wurden Fe-
rien und Kuraufenthalte für Kinder und Verletzte angeboten. Fer-
ner ließen saarländische und bundesdeutsche Firmen den Hinter-
bliebenen Lebensmittel, Kinderkleidung, Stoffe und andere Sach-
44
spenden zukommen. Erwähnenswert sind auch die ersten nicht ge-
rade leichten Besuche, welche schon am 7. Februar von den Fürsor-
gerinnen der Saarbergwerke, in Begleitung von Betriebsbeamten
und Betriebsratsmitgliedern, bei den Familien der tödlich verun-
glückten Bergleute gemacht wurden, um ihnen die erste Hilfe, eine
Spende von 400 DM, zu überbringen. Außerdem ist in diesem Zu-
sammenhang zu erwähnen, daß nach der Katastrophe, am 26. Fe-
bruar 1962, vom Saarland und der Aktiengesellschaft der Saarberg-
werke, die "Stiftung Bergmannshilfswerk Luisenthal” ins Leben ge-
rufen wurde.
In der Gründungsurkunde dieser Stiftung wurde bestimmt, daß
nicht nur die Hinterbliebenen der Opfer von Luisenthal durch dieses .
Hilfswerk unterstützt werden sollten, sondern auch die Unterstüt-
zungsbedürftigen aller anderen bergbaulichen Betriebsunfälle, so-
weit der Spenderwille dies zulasse.
In der Folgezeit konnte die Stiftung den Eltern, Witwen und
Waisen der verunglückten Bergleute erhebliche finanzielle Hilfen
gewähren. Dazu gehörten auch zinslose Baudarlehen.
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Bergleute halten in Luisenthal ihren toten Kameraden die Ehrenwache.
45
Ende 1967 verfügte die ”Stiftung Bergmannshilfswerk Luisen-
thal” über ein Vermögen von annähernd 5 Millionen DM, das sie
für die in der Gründungsurkunde festgesetzten Zwecke erfolgreich
einsetzte.
Belgische Bergleute verkauften Bausteine zur Errichtung des Denk-
mals für die Opfer von Luisenthal
Wenn auch immer unter den Bergleuten, besonders bei Kata-
strophen, eine internationale Kameradschaft und Hilfsbereitschaft
bestand, so war dieselbe doch anläßlich des Grubenunglücks in Lui-
senthal außergewönlich groß. Denn den Aufruf "Reicht euch brü-
derlich die Hand” der am 22. Juni 1958 in der alten Berghauort-
schaft Kelmis an deutsche, holländische und belgische Bergleute er-
gangen war, versuchte man seitdem in zahlreichen Bergbaurevieren
Europas zu verwirklichen. Der 13. und 14. Juli 1963 legte Zeugnis
davon ab, und zwar erneut in Kelmis, wo an diesen Tagen ein inter-
nationales Bergmannstreffen unter dem Motto ”Brüderlichkeit und
Solidarität” stattfand. Die damals dort anwesenden Vereine der
Berg- und Hüttenleute erklärten sich bereit, aus ihren Vereinen eine
Europäische Gemeinschaft der Brüderlichkeit zu bilden.
Dieses edle und noble Vorhaben führte dazu, daß schon bald
nach der Katastrophe in Völklingen/Altenkessel an der Saar die -
) ”Union der Europäischen Berg- und Hüttenleute” gegründet wer-
den konnte. Die Mitgliedsvereine dieser neugegründeten Organisa-
tion nahmen nicht nur regen Anteil an den Spendeaktionen und am
Verkauf von Bausteinen zur Errichtung des Ehrenmals für die töd-
lich verunglückten Bergleute in Luisenthal, sondern das Präsidium
dieser Union beschloß auch, in Verbindung mit der Enthüllung die-
ses Ehrenmals in dieser Ortschaft den ersten Europäischen Knap-
pentag zu veranstalten. Die Hauptfeierlichkeiten fanden am 25./26.
September 1965 statt. Sie begannen am 25. September mit einem
großen Festakt im Sendesaal des Saarländischen Rundfunks,
”Schloß Hallberg Saarbrücken”. Die Eröffnungsansprache wurde
vom Päsidenten der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und
Stahl, Dino-Del-Bo gehalten. Bergwerkskapellen und Trachtengrup-
pen aus verschiedenen Bergbaurevieren Europas unterhielten das
zahlreiche Publikum mit Volkstänzen und musikalischen Darbie-
tungen. Am Abend sprachen im Festzelt die Präsidenten der Län-
der, deren Berg- und Hüttenmännische Vereine Mitglied der Union
waren.
46
Für Belgien wurde die Festansprache vom Vorsitzenden
des Kelmiser Bergmannsvereins St. Leonard gehalten. Er
wies ganz besonders daraufhin, daß nur die Verbrüderung der Men-
schen ein friedliches Zusammenleben aller Völker herbeiführen
könne. Dies sei vor allem in der jetzigen Zeit von großer Wichtigkeit
und so wertvoll, wie nach dem 2. Weltkrieg die Kohle für das Wirt-
schaftsleben. Deshalb versuchten auch die Europäischen Bergleute
durch ihre Union gemeinsam über Tage durch die Finsternis des
Hasses und der Zwietracht zwischen den Völkern einen Stollen zu
graben, der zu einer wahren Völkerfreundschaft führe. Dieser Ver-
such könne aber erst dann gelingen, wenn jeder Mensch das eigene
Ich ablege und im Mitmenschan keinen Fremdling, sondern einen
Bruder oder eine Schwester sehe. )
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Im Sendesaal des Saarländischen Rundfunks. In der Mitte der vorderen Reihe der
Autor dieses Beitrages, der als Vorsitzender des Kelmiser Bergmannsvereins St. Leo-
nard am ersten europäischen Knappentag in Völklingen teilnahm.
Die Bergparade, an der Vereine aus 16 Nationen teilnahmen,
wurde am Sonntag, dem 26. September, abgehalten. Unter dem
Motto ”Wir sind alle Brüder” marschierten an diesem Sonntagnach-
47
mittag rund 5.200 Menschen Seite an Seite. Zehntausend andere
umsäumten die Straßen in Völklingen und Altenkessel. Sie erlebten
ein öffentliches und eindrucksvolles Bekenntnis vieler Bergleute aus
Europa zu ihrem Beruf und zur Zusammenarbeit über Landesgren-
zen hinaus, um eine echte und dauerhafte Völkerfreundschaft ins
Leben zu rufen. Es war das größte Bergfest in der Geschichte der
Knappenbewegungen !
Die belgischen und niederländischen Vereinsabordnungen aus
Basse-Sambre, Belgisch- und Niederländisch-Limburg sowie aus
dem Göhltal erhielten während des Festzuges in den Straßen großen
Beifall. Sie wurden von der Kgl. Harmonie St. Cecile, Gemmenich,
und vom Schalmeiencorps Glück-Auf, Heerlerheide, mit schneidi-
ger Marschmusik begleitet, wofür sie schon von den Zuschauern,
die am Straßenrand standen, bewundert wurden und Applaus er-
hielten. Der Festzug war einer der glanzvollsten Höhepunkte dieses
ersten Europäischen Knappentages.
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Gedenkstätte Luisenthal
48
Diese einmalige Großkundgebung fand ihren Abschluß durch
die Enthüllung des Denkmals zur Erinnerung an die Opfer von Lui-
senthal. Wie diese zum Wohle der Allgemeinheit in treuer Pflichter-
füllung in der Grube Luisenthal auf dem Felde der Arbeit den Tod
gefunden hatten, so standen dort nun zahlreiche Ehrengäste, viele
Bergleute aus europäischen Ländern sowie eine große Volksmenge
Seite an Seite, um den Helden der Arbeit ein würdiges Gedenken zu
widmen und der Enthüllung des Ehrenmals beizuwohnen.
Als der Ministerpräsident des Saarlandes, Dr. Röder, die Ent-
hüllung vornahm und das Ehrenmal der Öffentlichkeit übergab,
hielten Hunderte von Fahnenträgern mit den Fahnen der Berg- und
Hüttenmännischen Vereine die Ehrenwache rings um die Gedenk- .
stätte, auf der anschließend zahlreiche Abordnungen Kränze nieder-
legten.
Das Denkmal besteht aus einem hohen Sankt Barbara Stand-
bild von Lothar Messner. Innerhalb des Saarländischen Steinkoh-
lenreviers steht dieses Standbild der hl. Barbara zweimal. Eine ge-
nau gleiche Muschelkalk- Beton Plastik wurde schon im Jahre 1955
in Bexbach aufgestellt.
Daß der erste Europäische Knappentag gleichzeitig mit dem
Totengedenken in Luisenthal stattfinden konnte, war ein Zeichen
dafür, daß Bergleute aus Deutschland, Frankreich, Belgien und Hol-
land durch Taten mitgeholfen hatten, an diesen Tagen das zu verwirk-
lichen, was ihnen der Bergmannsdichter Heinrich Kämpchen durch
seine Gedichte ”International” und ”Mahnung der Toten” als Ver-
mächtnis hinterlassen hatte, nämlich, ein einig Volk von Brüdern zu
sein sowie die Zwietracht schwinden zu lassen, damit die Toten Ru-
he finden können. Deshalb kann man nur hoffen und wünschen,
daß die Saat, welche in Luisenthal von den Berg- und Hüttenleuten
und ihren Bewegungen, unterstützt von europäischen Organisatio-
nen, ausgestreut wurde, überall auf fruchtbaren Boden fällt und
weiterhin in den Herzen aller Menschen keimen wird, damit die To-
ten in Frieden ruhen und alle Menschen gleichwo auf der Welt in
Frieden leben können.
Eine der schwierigsten Rettungsaktionen in der
Geschichte des Bergbaus
Nach dem Bergwerksunglück in Luisenthal ereignete sich am
Abend des 24. Oktober 1963 in der Eisenerzgrube zu Lengede-
49
Broistedt, welche zu den Betrieben und Konzerngesellschaften der
Ilseder Hüttenwerke gehörte, eine Katastrophe, bei der Rettungsar- )
beiten wie nie zuvor in die Wege geleitet wurden.
In dieser Grube war bis Ende 1940 das Roherz aus den Lager-
stätten, die sich fast bis an die Erdoberfläche erstreckten, im Tage-
bau gewonnen und direkt, so wie es aus der Grube kam, im Hocho-
fen eingesetzt worden. Allmählich war man aber auch seit 1914
zum Tiefbau übergegangen und hatte zu diesem Zwecke mit dem
Abteufen eines Förderschachtes begonnen. Das auf diese Weise ab-
gebaute Erz mußte, bevor es dem Hochofen zugeführt werden
konnte, naß aufbereitet und von seinen Tonbestandteilen befreit
werden. Dazu waren im Laufe der Zeit immer mehr Klärteiche er-
forderlich, die in der Nähe der Aufbereitungsanlage durch Dämme
angelegt wurden. Ab 1942 benutzte man aber auch zum Anlegen
dieser Teiche verschiedene Tagebaumulden.
Als nun im Jahre 1963 der Förderschacht ”Mathilde” eine
Teufe hatte, die bis zur Hauptförderstrecke auf der 100-Meter-Sohle
reichte, entstand am 24. Oktober 1963 gegen 20 Uhr ein Bruch in ei-
nem Klärteich, der seit August 1962 betriebsbereit und bis zum 1.
Oktober 1963 nach einem Füllungsplan aufgefüllt worden war.
Dieser Bruch führte dazu, daß bis zum anderen Morgen gegen
4 Uhr zirka 460.000 cbm Schlammwasser in die Grube flossen, wo-
durch nach zwei Stunden schon die 60-Meter-Sohle in ihren tiefer
gelegenen Teilen voll von Schlamm und Wasser standen.
Zur Zeit, als dieses Unheil geschah, befanden sich 129 Bergleu-
te in der Grube. Während der Nacht zum 25.Oktober konnten 79
Mann zum Teil selbständig den Wasserfluten entfliehen oder auf
andere Weise gerettet werden. Unter ihnen befand sich auch ein
Steiger, der nachstehende Aussagen über das Geschehen machte.
”Wir hörten plötzlich einen Lärm, der den Eindruck machte,
die Grube würde zusammenbrechen. Ein heftiger Luftdruck folgte,
so daß wir vermuteten, eine Explosion sei entstanden. Dann schos-
sen uns aus Schächten und Stollen Wassermassen entgegen, deren
gewaltige Strudel alles mit sich rissen und jeden Fluchtweg versperr-
ten. Ich halte es für gänzlich ausgeschlossen, daß sich jemand von
der 90-Meter-Sohle aus retten konnte !”
Sofort nach dem Bekanntwerden des Wassereinbruchs hatte
man alle nur erdenklichen Katastrophenmaßnahmen ergriffen, Hilfs-
organisationen, Feuerwehren, Transport-, Bohr- und sonstige Fir-
50
men von nah und fern herbeigerufen. Ebenso schnell waren auch
Polizeimannschaften und Funktrupps zur Stelle, die mithalfen, daß
die alarmierten Transportfahrzeuge, Maschinen und Spezialgeräte
mit fachmännischem Personal auf schnellstem Wege die Unglücks-
grube erreichen konnten.
Mehr als 1500 Personen beteiligten sich an den Rettungsarbei-
ten. Presse, Funk, Fernsehen und Film entsandten insgesamt rund
500 Reporter nach Lengede, um die Öffentlichkeit genauestens über
sämtliche Rettungsaktionen zu informieren. Dieselben beteiligten
sich aber auch tatkräftig an den Rettungsarbeiten. Der Rundfunk
stellte Mikrophone zur Verfügung, das Fernsehen erleuchtete mit
starken Scheinwerfern die Bohrstellen und Bildreporter ließen Ka- »
meras durch die Bohrlöcher in die Tiefe hinab, wodurch den Fach-
leuten wertvolle Hinweise über den Zustand unter Tage vermittelt
werden konnten.
Unzählige Menschen in vielen Ländern haben damals durch
Presse, Funk und Fernsehen täglich mit Spannung die Rettungsar-
beiten in Lengede verfolgen und am Bildschirm miterleben können.
Da aber seit dieser Zeit schon mehr als 20 Jahre vergangen sind, ist
es wohl angebracht, der heutigen jüngeren Generation anhand der
damaligen Veröffentlichungen zu zeigen, daß auch bei dieser Kata-
strophe weder Gefahren, noch Kosten und Mühen gescheut wur-
den, um die 50 Vermißten aus dieser Grube zu retten und auch hier
die internationale Solidarität sich zeigte.
Eine der ersten Maßnahmen, die ergriffen wurden, war das
Einbruchloch am Klärteich in aller Eile zu verkippen, um zu verhin-
dern, daß die noch im Teich vorhandene Restmenge von rund
250.000 cbm Schlammwasser weiter in das Bergwerk eindringen
konnte. Der Zufluß dieser Wassermenge hätte die Grube bis zur Erd-
oberfläche gefüllt und die Rettung der Bergleute unmöglich ge-
macht. Die Firma, die dazu den Auftrag erhielt, begann am Un-
glücksabend um 23 Uhr mit diesen Arbeiten. Nachdem man ohne
Unterbrechung 40 Stunden lang gearbeitet und 12.500 cbm Mate-
rial in den Klärteich gekippt hatte, konnte die ermutigende Feststel-
lung gemacht werden, daß das Einbruchloch völlig dicht und ver-
schlossen war.
51
Die erste Verbindung mit Eingeschlossenen
Am Freitagvormittag gelang es dann auch einer Rettungs-
mannschaft, durch ein Bohrloch eine Verbindung mit sieben einge-
schlossenen Bergleuten herzustellen. Sie sandten von der Stelle aus,
wohin sie geflüchtet waren, eine Nachricht, die sie auf einen Zettel
gekritzelt hatten, den man von der Erdoberfläche aus zu ihnen hin-
abgelassen und wieder ans Tageslicht gezogen hatte. Aus derselben
ging hervor, daß dort, wo sie sich befanden, gute Atemluft herrschte
und keine unmittelbare Gefahr bestand. Daraufhin ließ man ihnen
an einem Seil drei Taschenlampen sowie ein Blatt Papier mit Fragen
zukommen mit der Bitte, dieselben zu beantworten. Am Nachmit-
tag konnte dann sogar zwischen den unter Tage Eingeschlossenen
und den Rettern über Tage eine Telephonverbindung hergestellt
werden. Schließlich gelang es 4 Steigern, die 7 Bergleute, die sich,
nachdem der Wasserspiegel in den Strecken durch das Überlaufen
des Wassers in Bruchgebiete etwas gesunken war, von der 60-Meter-
Sohle aus 20 m nach oben gearbeitet hatten, zu retten. Diese Ret-
tung mußte aber unter sehr schwierigen Umständen durchgeführt
werden. Sie erfogte, indem die mutigen Steiger im Pendelverkehr
mit einem Schlauchboot durch eine Strecke, die fast völlig unter
Wasser stand, bis zum Hauptbremsberg ruderten, um die 7 Bergleu-
te erreichen und retten zu können.
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Mit einem solchen Schlauchboot konnten die ersten 7 Bergleute in Lengede aus ihrer
Gefangenschaft im Schoße der Erde befreit werden.
52
Inzwischen hatte man auch bei der Hauptstelle des Grubenret-
tungsdienstes in Essen die bekannte Dahlbuschbombe, eine torpedo-
förmige Kapsel von 385 mm Durchmesser, angefordert sowie Tag
und Nacht Rettungstrupps mit Mikrofon-Sonden in dem zirka acht
Quadratkilometer großen Gelände über den unterirdischen Gruben-
revieren nach vermißten Bergleuten suchen lassen.
Durch eine Bohrung, die man etwa 3 Kilometer vom Un-
glücksschacht entfernt unternommen hatte, sackte plötzlich gegen
17 Uhr, am Samstag, dem 27. Oktober, die Bohrstange in eine Luft-
masse durch, die das Eindringen von Wasser an dieser Stelle verhin-
dert hatte. Einige Minuten später konnten durch diese Bohrung
Klopfzeichen gehört werden. Daraufhin ließ man zu den Einge-
schlossenen ein Mikrofon hinab. Kurz nach 19 Uhr, als eine Sprech-
verbindung mit ihnen hergestellt war, erfuhren die Retter, daß sich
dort unten drei Überlebende befanden. Sofort fand ein Gespräch
zwischen ihnen und einem Arzt statt. Dieser erkundigte sich nach
ihrem Befinden und versicherte ihnen, daß alles getan werde, um sie
so schnell wie möglich zu retten. Danach wurde ihnen die Gelegen-
heit gegeben, ein Gespräch mit ihren Ehefrauen zu führen, wodurch
sie sehr ermutigt und zum Ausharren angespornt wurden. Kurze
Zeit später ließ man ihnen auch durch eine etwa 15 cm dicke Lei-
tung Tee, Nahrungsmittel und Medikamente sowie eine Taschen-
lampe und Schreibzeug zukommen. Aus den Mitteilungen, welche
die Retter aus dem 78 m tiefer gelegenen feuchten Gefängnis der 3
Bergleute erhielten, ging hervor, daß sie bewunderenswerte Moral
besaßen, weder Angst hatten, noch die Hoffnung auf Rettung auf-
gaben.
Angesichts dieser Tatsache konnten die Retter ohne Überei-
lung und mit der größten Vorsicht die Rettungsaktion in die Wege
leiten und verhüten, daß dabei der kleinste Fehler gemacht wurde,
der eventuell den Tod der drei Eingeschlossenen mit sich gebracht
hätte.
Aus diesem Grunde gab ihnen auch die Bergleitung in der
Nacht zum Donnerstag, dem 31. Oktober, vorsichtshalber den Rat,
sich rund 50 m von der Stelle entfernt, wo der Durchbruch des Boh-
rers geplant war und wo die drei sich bereits einen Schutzraum aus-
gebaut hatten, zurückzuziehen. Ebenso sollten sie während des
Bohrvorgangs ständig über Mikrofon mit den Rettern im Gespräch
63
bleiben und diesen mitteilen, falls sich durch das Bohren im Gebirge
gefährliche Auswirkungen zeigten.
Am Freitag, dem 1. November, hatte man die Rettungsboh-
rung erfolgreich beendet und um die Mittagsstunde konnte einer der
Drei mit der sogenannten Dahlbuschbombe an das Tageslicht gelan-
gen. Zirka 25 Minuten später waren alle drei gerettet. Diese Ret-
tungsaktion, wodurch drei Bergleute nach 148-stündiger Gefangen-
schaft, 79 m tief, heil und ohne Gesundheitsschäden befreit werden
konnten, ist in die Geschichte des internationalen Bergbaus als Pio-
nierarbeit sondergleichen eingegangen.
An anderen Stellen gingen die Suchbohrungen mit zäher Aus-
dauer weiter. Ein Bohrmeißel von 65 cm Durchmesser drang am
Samstag, dem 2. November, weiter in die Tiefe, wo man vermutete,
daß sich im sogenannten ”Alten Mann”, im Abbaufeld der 90-
Meter-Sohle, noch vermißte Bergleute in einem Hohlraum aufhal-
ten könnten. (In der Bergmannssprache nennt man die Stellen, wo
das Erz oder die Kohle bereits abgebaut und die Stollen infolgedes-
sen zu Bruch gegangen sind, die aber trotzdem stellenweise Hohl-
räume aufweisen, den ”alten Mann”)
Als bei dieser Bohrung nun plötzlich das Bohrgestänge in 58 m
Tiefe im Gestein durchbrach, warteten die Bohrer ungefähr 10 Mi-
nuten lang auf Klopfzeichen aus dem Untergrund. Dann trat plötz-
lich das Langersehnte ein : am Bohrgestein konnten sie ganz deutlich
aus der Tiefe Schläge hören. Sofort zogen sie das Bohrgestänge hoch
und als dies geschehen war, ließen sie durch das Bohrloch einen lan-
gen Sondenkorb mit einer Taschenlampe sowie Papier und Bleistift
hinabgleiten.
Eine Weile nachdem dieser die Tiefe erreicht hatte, wo sich der
Durchbruch des Gestänges ereignete, hörten die Retter hintereinan-
der ganz deutlich 4 Hammerschläge, dann trat eine kurze Pause ein,
der erneut 2 Hammerschläge folgten. Welche Freude diese Ham-
merschläge bei den Rettern hervorrief, wird nur ein Bergmann ver-
stehen können, denn diese Schläge waren ein Signal zur Auffahrt
und bedeuteten : ”Seilfahrt, langsam auf !” Mit anderen Worten :
”Zieht den Sondenkorb wieder vorsichtig hoch !” Nachdem das ge-
schehen war, fanden die Retter über Tage im Sondenkorb einen Zet-
tel mit den Namen von 11 Männern, die nach 10 Tagen Gefangen-
schaft im finsteren Schoße der Erde noch lebten. Ohne lange zu
54
zögern, verordneten Ärzte, den Eingeschlossenen so schnell wie
möglich leichte Nahrung und Getränke zukommen zu lassen. Das
geschah zunächst in kleinen Plastikflaschen und danach in Rohrbe-
hältern, die in der Werkstatt angefertigt wurden. Später ließ man ih-
nen auch auf gleiche Art und Weise Kleidungsstücke, die man zu
dünnen Würsten zusammengerollt oder gedreht hatte, zukommen.
Diese 11 Überlebenden hatten sich zum Schutz vor Steinfall in
eine Höhlung zurückgezogen. Ein Zeitungsreporter sandte eine
Kleinbildkamera zu ihnen hinab um Aufnahmen von dieser Höh-
lung zu machen, damit man sich oberirdisch ein genaues Bild über
die Beschaffenheit dieser Höhle machen konnte.
Um einen Einsturz derselben zu verhüten, - sie hatte sich näm- .
lich aus herabgefallenem Gestein gebildet -, wurde so schnell wie
möglich Ausbaumaterial in Form von Gasrohren mit Verschrau-
bung sowie auch Winkeleisen, die sich wie ein Baukasten zusam-
menschrauben ließen, zur Verfügung gestellt, indem dieses Material
zu den Eingeschlossenen hinabgelassen wurde. Die dringlichste Sor-
ge der Retter war aber die Festlegung des Ansatzpunktes für die ei-
gentliche Rettungsbohrung, von der die Rettung der 11 Bergleute
abhing. Zu diesem Zwecke schickte man einen kleinen Kompaß so-
wie einen Zollstock nach unten. Diese Utensilien benutzten die Ein-
geschlossenen um, von der vorhandenen Bohrung ausgehend, die
ihnen im Untergrund am günstigsten erscheinende Ansatzstelle für
diese neue Bohrung der Mannschaft über Tage angeben zu können.
Am Morgen des elften Tages nach dem Unglück hatte die
Mannschaft die Arbeiten am Bohrloch weiter fortgesetzt. Dabei
machte aber die Verrohrung im zerstörten Gebirge derartige
Schwierigkeiten, daß man beschloß, eine zweite Versorgungsboh-
rung mit größerem Durchmesser auszuführen. Kurz vor der Mitter-
nachtsstunde zum 4. November wurde diese Bohrung angesetzt.
Plangemäß hätte der Durchbruch im Hohlraum in 55 m Tiefe erfol-
gen müssen. Als dann aber nach 27-stündiger Bohrzeit in zirka 62 m
Tiefe der Durchbruch ausblieb, gelangte man zu der Überzeugung,
daß die Bohrung vorbeigelaufen war. Nach einer Pause von etwa 28
Stunden, die gezwungenermaßen eingelegt wurde, konnte, 13 Tage
nach dem Unglück, gegen 23 Uhr, mit der eigentlichen Rettungs-
bohrung begonnen werden. Sie verlief so erfolgreich, daß am 7. No-
vember, einige Minuten vor 6 Uhr, in einer Tiefe von 55,9 m der
Durchschlag stattfand. Der Augenblick dieses langersehnten Ereig-
55
nisses wurde auf Tonband aufgenommen und später noch einmal
vom Rundfunk für die Hörer zum Miterleben übertragen.
Nachdem man die Verrohrung dieser Rettungsbohrung fertig-
gestellt hatte, konnte gegen 13.10 Uhr als erster ein Steiger der Gru-
benwehr und nach ihm ein Fahrsteiger in der Rettungsbombe durch
das Rettungsbohrloch hinunterfahren. Sie überreichten ihnen zu-
nächst nach der Begrüßung in dem feuchten Gefängnis, wo sie 14
Tage ausgeharrt hatten, zur Ablenkung und Erquickung als erste
kaufähige Nahrung belegte Brote. Danach wurde in der Reihenfol-
ge, wie die Ärzte über Tage es angeordnet hatten, damit begonnen,
einen Überlebenden nach dem anderen in der Dahlbuschbombe hin-
auf an das Tageslicht zu bringen. Gegen 14.20 Uhr war die Ausfahrt
der 11 Überlebenden erfolgreich beendet.
Zwei Wochen lang hatten Millionen Menschen in der ganzen
Welt dieses Ringen um Menschenleben dank Presse, Rundfunk und
Fernsehen voller Spannung verfolgen und miterleben können. Lei-
der wurde aber dieses glückliche und sozusagen wunderbare Ge-
schehnis von einer großen Trauer überschattet, denn 29 Bergleute
hatten, trotz all der großen Anstrengungen, die gemacht wurden,
bei dieser Katastrophe ihr Leben verloren. Zehn von ihnen mußten
sogar in 60 m Tiefe im Schoße der Erde zurückgelassen und begra-
ben bleiben, weil jeder weitere Versuch, sie zu bergen, nur unter
allergrößter Lebensgefahr für die Bergungsmannschaften möglich
gewesen wäre. Einzig und allein aus diesem Grunde haben damals
alle zuständigen Behörden sowie der Betriebsrat und die Gewerk-
schaften dieser schweren Entscheidung zugestimmt. Eine würdige
Gedenkstätte für diese 10 sowie die 19 anderen Todesopfer von
Lengede ist mit dem Rettungsrohr am Unglücksort errichtet wor-
den. Sie soll stets daran erinnern, daß der Mensch die Technik zu be-
herrschen sucht, aber nicht immer ihr Herr ist. Diese Worte waren
mit vielen anderen ausführlichen Berichten und Aussagen über die
Katastrophe in der Werkszeitschrift ”Ilseder Hütte”, die im Jahre
1964 für die Betriebsangehörigen herausgegeben wurde, zu lesen. In
derselben wurde auch darauf hingewiesen, daß die ganze Welt an
dem Rettungswerk regen Anteil nehmen konnte, weil Presse, Film,
Funk und Fernsehen fast zu jeder Stunde der Weltöffentlichkeit
Meldungen über die großartigen Rettungsaktionen brachten. Diese
begrüßenswerte Initiative hat auch bestimmt mit dazu beigetragen,
daß Menschen aus allen Ländern 1,2 Millionen DM zu Gunsten der
Hinterbliebenen spendeten. Unter der Überschrift ”Wir haben Tag
56
und Nacht gezittert,” veröffentlichte die Zeitschrift ebenfalls Aus-
züge aus über 8000 Briefen, welche der Verwaltung und zuständigen
Persönlichkeiten zugingen. Außer Parteien, Betriebsräten, Gewerk-
schaften, Wirtschaftsvereinigungen, Bergwerksgesellschaften u.s.w.,
waren es auch das Südafrikanische Institut für Bergwerke aus Jo-
hannesburg, ein Ingenieur aus der Türkei, der Sozialausschuß des
Europäischen Parlaments in Luxemburg, kirchliche sowie weltliche
Persönlichkeiten, die den Hinterbliebenen tiefes Mitgefühl bekunde-
ten, den Rettunsmannschaften für die hervorragenden bergmänni-
schen Leistungen dankten, allen Ärzten, Ingenieuren und Techni-
kern großes Lob für ihren unermüdlichen Einsatz und die
großartigen technischen Leistungen zollten. Bergleute und zahlrei- .
che Einzelpersonen aus allen Bevölkerungsschichten mehrerer Län-
der beglückwünschten die Retter und sprachen den Hinterbliebenen
ihr herzliches Beileid aus. Sogar Schuljungen und -mädchen waren
von dem Rettungswerk in Lengede beeindruckt und äußerten dies
in Briefen. So schrieb z.B. die dritte Klasse der Maria-Schule aus
a 2
Die Dahlbusch-Rettungsbombe und in Lengede benutzte Versorgungsbomben
57
Haarlem, Holland, unter anderem folgendes : ”Es ist sehr traurig,
daß die 29 anderen dem Unglück zum Opfer fielen. Es ist aber
schön, daß die Kapsel funktioniert hat. In Haarlem hatten die Leute
Angst um die Bergleute, die eingeschlossen waren. Wir haben viel
gebetet, das hat sehr geholfen !”
Aus einer belgischen Schule schrieben elf Kinder : ”In der
Schule haben wir noch kein Deutsch gelernt, wir hoffen, daß Sie un-
sere Sprache verstehen. Wir haben regelmäßig die Nachrichten über
Lengede im Radio gehört, das Radio hatte unser Lehrer mitge-
bracht, damit wir alle hören konnten, welche Schwierigkeiten und
Rückschläge es bei der Rettungsarbeit gab. Nun sind wir alle sehr
froh und wünschen den Rettern viel Glück, den Überlebenden bal-
dige Genesung und den Hinterbliebenen der Todesopfer sprechen
wir unsere innigste Teilnahme aus.”
Erwähnen wir noch die Schlußworte eines aus Warschau an
die Grubenarbeiter in Lengede gerichteten Briefes. Sie lauteten :
”GEGENSEITIGE SYMPATHIE ZWISCHEN MENSCHEN
KANN WUNDER ERZEUGEN UND MENSCHEN UNTER-
EINANDER WERDEN FREUNDE UND BRÜDER !”
Bei großen und kleinen Bergwerkskatastrophen und bei unzäh-
ligen Arbeitsunfällen haben sich diese Zeilen immer wieder bewahr-
heitet.
Zur Erinnerung an das Bergwerksunglück und zum ehrenden
Gedenken an die Todesopfer ist in Lengede eine eindrucksvolle Ge-
denkstätte, die auch das Rettungsrohr zeigt, errichtet worden.
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Gedenkstätte in Lengede
(Forts. folgt)
58
Zeitloses
von M. Th. Weinert
Kleine Häuser
um den alten Burgberg
zeigen steilen Gassen
ein helles Gesicht,
aber im Rücken
tragen sie dunkel .
die alte Ringmauer,
grobe Steine wehrhafter Zeit.
Im uralten Kirchlein
an einsamer Stelle
erzählen Fresken
von festlichen Tagen.
Bei Trommelschlägern
lobsingen Engel,
und Gottvater lächelt
vom Sternenhimmel ...
Doch am leeren Pfarrhaus
steht der Name eines Toten,
die Gartenbank unterm Fliederbusch
wartet auf einen, der nicht kommt.
Im tiefen Tal,
auf dem einzigen Hof,
wohnt der alte Bauer
mit stillem Gesicht.
Er hat keine Frau,
er hat keine Kinder,
er hat seine Arbeit,
er lebt zufrieden.
Im Berghang
über dem dunklen Fluß
singen Nachtigallen,
wenn der Tag erlischt.
59
Die Aachener Kleinbahn kommt
nach Kelmis
von Walter Meven
Bis zur Einführung der Dampfeisenbahn im ersten Drittel des
vergangenen Jahrhunderts diente vornehmlich das Pferdefuhrwerk
dem Transport von Waren und Gütern aller Art. Aber auch für den
Menschen selbst war das Reitpferd und der mit Pferden bespannte
Reisewagen seit unerdenklichen Zeiten das Fortbewegungsmittel
schlechthin.
Die Römer hatten schon eine große Mannigfaltigkeit von Wa-
gen und dieselben gehörten bereits zu den Luxusartikeln. So bedien-
ten sich die römischen Damen des Carpentum, die vornehmen Rö-
mer des Carruca. Jenes hatte zwei, dieses vier Räder. Das über Jahr-
hunderte gelegenheitsorientierte Beförderungswesen mit all’ seinen
Schwächen ließ schon früh den Wunsch nach einem regelmäßigen
und termingerechten Linienverkehr erkennen. Die gegen Ende des
16. Jahrhunderts vom Kaiser erfolgte. Belehnung der Fürsten von
Thurn und Taxis mit dem Postregal kam diesen Bestrebungen sehr
entgegen. Bereits in der letzten Hälfte des 15. Jahrhunderts unter-
hielt der Graf Roger I. von Thurn und Taxis ein privates, wenn-
gleich unvollkommenes, Postwesen. Sein Sohn Franz richtete auf
besonderes Verlangen des Kaisers Maximilian I. im Jahre 1516 eine
Post von Brüssel nach Wien ein. Dafür erhielt er vom Kaiser den Ti-
tel eines Generalpostmeisters. Die Türkenkriege waren der Anlaß
zur Einrichtung einer Reichspost von Wien nach Nürnberg, wo das
Reichsregiment versammelt war und später - 1542 - eine Feldpost
eingerichtet wurde, welche bald an Ausdehnung zunahm, indem die
Fürsten eine reitende Post über Lüttich, Trier, Speyer, durch das
Würtembergische über Augsburg bis Tirol und Italien herstellten.
Im Jahre 1543 erhielt Leonhard von Thurn und Taxis durch
Karl V. die Bestallung nicht nur als niederländischer Postmeister,
sondern auch als Oberpostmeister des Deutschen Reiches! Da die
Bestallungsurkunde nicht in der Reichs-, sondern in der niederländi-
schen Kanzlei, zudem in französischer Sprache ausgefertigt war,
hielten sich die Kurfürsten, Fürsten und übrigen Stände für nicht
daran gebunden. Kurpfalz, Württemberg, Braunschweig, Hessen
und andere Reichsstände richteten eigene Postanstalten ein.
60
Kaiser Rudolf II. ernannte daraufhin Leonhard von Thurn
und Taxis im Jahre 1595 nicht blos zum kaiserlichen Generalpost-
meister im Reiche, sondern erklärte das Postwesen für ein ”hochbe-
freites” kaiserliches Regal, dem kein Hindernis oder Nachteil wider-
fahren dürfe. Kaiser Matthias gab im Jahre 1615 dem Hause Thurn
und Taxis sogar das Postwesen im Reiche als ein von neuem einge-
setztes Regal zu Lehen, wobei diese sich u.a. verpflichten mußten,
neue Posten einzurichten und die bereits bestehenden ”ordinären
Posten” gehörig zu unterhalten. Obgleich ihnen diese kaiserliche Be-
lehnung das Postmonopol zugestand, konnte ein einheitliches Post-
wesen nur auf dem Wege einer gütlichen Einigung mit den
Reichsständen eingeführt werden. Die Thurn und Taxis-Postwagen
erfreuten sich bald des Rufes, weitaus schneller und bequemer zu .
sein als die üblichen Landkutschen. Da sie bald schon auch nach ei-
nem Fahrplan abfuhren und ankamen, wenn nicht der Zustand der
Wege jede Berechnung über den Haufen warf, ermöglichten sie zum
ersten Mal einen geordneten Reiseverkehr.
Gegen den Widerstand des Rates der freien Reichsstadt Aachen,
richtete der Generalpostmeister des ”Deutschen Reiches” im Jahre
1690 in Aachen ein ”Kaiserliches Postamt” ein. Wenige Jahre zuvor
hatte Kurfürst Johann Wilhelm - Jan Wellem -, eine Postkutschen-
verbindung zwischen seiner Residenz Düsseldorf und der Reichs-
stadt Aachen einrichten lassen. Er verpflichtete seinen Posthalter
”bey währender Sommerzeit und truckenem Wetter von April bis
Septembris inclusive einmahl in der Woche” nach Aachen zurück-
zufahren. Der Posthalter Schleiden aus Köln war um das Jahr 1720
gehalten, die täglich von Köln über Aachen nach Maastricht und
zurück verkehrende ”Personenchaise” an den Sommertagen in ei-
nem Zuge herüberzubringen. Verzögerungen durch ein Verschul-
den des Postillons oder durch die Verwendung schlechter Pferde
gingen zu Lasten des Unternehmers Schleiden, indem er den Reisen-
den die dadurch anfallenden Übernachtungs- und Verpflegungsko-
sten ersetzen mußte. Durch einen mehrmaligen Pferdewechsel ver-
suchte man die Fahrzeit zu verkürzen. Die Strecke Köln-Aachen-
Maastricht erlaubte dies wegen gar zu ”übler und schlimmer Wege”
nicht. Eine Station auf dem Wege nach Maastricht, die den Passa-
gieren eine Unterkunft bot und auch einen Pferdewechsel ermög-
lichte, ist uns mit dem Hause ”Barrier” an der Rathausstraße zu
Laurensberg erhalten geblieben. Noch heute zeugt der oberhalb der
Eingangstüre vorhandene kaiserliche Doppeladler von der einstigen
Nutzung dieses Hauses, Das Haus selbst liegt an einer damals wich-
tigen Fernverkehrsstraße nach Westen. Als ”oude Postweg” findet
61
sie heute noch auf dem Nachdruck der Tranchot-Karte Erwähnung.
Teilweise verläuft sie als tief ausgefahrene Gracht über Laurens-
berg, Orsbach, Nijswiller, Gülpen, Martinsvoeren, Berneau, Vise
und Herstal nach Lüttich. Verschiedenartiges Blasen auf dem Post-
horn kündete übrigens dem Posthalter auf der Station die Annähe-
rung des Postwagens an. Aber auch um was für eine Post es sich
handelte, zum Beispiel, ob es eine Eil-, Brief-, oder Extrapost war, ja
sogar, wieviel Pferde man zum Wechsel benötigte. Vor der Ankunft
konnten also die nötigen Vorbereitungen getroffen werden.
Wie es mit den damaligen Wegeverhältnissen bestzllt war, schildert
ein Brief des päpstlichen Nuntius Fabio Chigi, der am 20. Septem-
ber 1649, von Münster kommend, in Aachen eintraf : ”Am ersten
Tage wurde ein Karren im Wasser umgeworfen und blieb zwei Tage
dann stecken. Kleidungsstücke und Leinwand, Stoffe und Schrift-
stücke blieben bis hierher starr von Eis, und jetzt sucht man mittels
der Ofenwärme irgend etwas davon zu retten. Straßen, durch wel-
che zwölf Pferde uns mühsam zogen, Wirtshäuser, wo Kälte und
Rauch einander die Herrschaft streitig machten, Eis, auf welchem
der Fuß kaum Halt fand, und tausend andere Genüsse begleiteten
uns.”
Johanna Schopenhauer, die Mutter des berühmten Philosophen,
berichtet von einem Ausflug des Jahres 1828 an den Niederrhein
und nach Belgien, schildert die Fahrt in einer Mietkutsche, ”deren
Lenker, taub gegen alle Bitten, Versprechungen und Ermahnungen,
seinen Klepper in langsamem Trott durch die flache, öde, baumlose
und langweilige Gegend schlendern ließ, die man freilich schneller
mit dem Postomnibus, der Dilligence, hätte zurücklegen können ...
Schon graute der Abend, als wir auf fast grundlosem Wege einen
steilen Weg hinabfuhren; einige Male fürchteten wir umgeworfen
zu werden, kamen aber doch glücklich hinunter und fanden uns
plötzlich fast vor den Toren von Aachen.”
In Aachen lag die Posthalterei seit 1751 bei dem Weinhändler J.A.
Heuckens und seinen Nachkommen. Er hatte im Jahr des ”zweiten
Aachener Friedens” (1748) das Haus ”Der Cola” in der Peterstraße
gekauft, richtete es nunmehr zum Post- und Gasthof ein und
schmückte es mit dem doppelköpfigen Adler. Der ”Kaiserliche
Hof”, wie das Anwesen nunmehr hieß, stand an der Stelle des heuti-
gen Parkplatzes zwischen Peter- und Couvenstraße. Die Unterbrin-
gung der zahlreichen Postwagen und der bald auf 60 gestiegenen
Bespannung, der entsprechend großen Menge von Futtermitteln
und einer eigenen Hufschmiede erforderte viel Raum. Der Fürst
62
von Thurn und Taxis schaffte ihn 1757 durch Bereitstellung eines
größeren Anwesens vor Kölntor, an das in späterer Zeit nur noch
der Name einer Wirtschaft auf der Jülicher Straße, ”Zum alten Post-
haus”, erinnerte. Da J.A. Heuckens’ ältester Sohn auch noch die
Poststrecke nach Lüttich zufiel, mußte der Bestand an Pferden und
Wagen fast verdoppelt werden.
Der Einmarsch der Franzosen brachte zunächst den Postdienst zum
Erliegen. Sie spannten dem Posthalter auf offener Straße 14 Pferde
aus, fuhren seine schönste Glaskutsche in Trümmer und holten ihm
auch noch seine Postkasse weg. Im Jahre 1795 übernahm der Aa-
chener Journalist Franz Dautzenberg das Amt des französischen
Generalinspektors für das Postwesen im Rheinland. Er beauftragte
noch im gleichen Jahr den ehemaligen kaiserlichen Posthalter mit
der Übernahme einer neuen Personen-Postverbingung, die von Aa-
chen über Jülich, Neuss und Krefeld zum Niederrhein führte.
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Der alte Postweg in Sint-Martins-Voeren
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Nach dem Frieden von Campo Formio und dem Übergang des lin-
ken Rheinufers an Frankreich übernahm F.A. Heuckens noch die
Posthalterei für den Verkehr auf den Eifelstrecken nach Monschau,
Eupen und Malmedy.
Nach der Einverleibung des Rheinlandes an Preußen richtete die
Berliner Regierung auch in Aachen eine königliche Oberpostdirek-
tion ein, die den Gebrüdern Heuckens hinsichtlich ihrer Posthalte-
rei eine ähnliche Stellung einräumte, wie sie sie bis dahin besessen
hatten. Aus praktischen Gründen wurde ein Teil des Unterneh-
mens, dem die Bereitstellung der Pferde und Reisewagen oblag, in
das Nachbarhaus des königlich preußischen Postamtes, genannt
”Der Papagei” (Jakobstraße 23), verlegt. In den Jahren 1820-1830
verkehrten noch täglich Personenposten
— Von Aachen über Jülich nach Köln
— Von Aachen über Düren nach Köln
— Von Aachen über Henri-Chapelle nach Lüttich
— Von Aachen über Vaals nach Maastricht.
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Haus ”Barrier” in Laurensberg, Relais-Station der
Thurn- und Taxischen Post. HR Es
Über der Tür der kaiserliche Doppeladler.
64
Dreimal wöchentlich verkehrte die Personenpost von Aachen über
Eupen nach Verviers.
Im Jahre 1848 übernahm die Post den Heuckenschen Wagen- und
Güterverkehr ganz. Der letzte Heuckensche Postwagen stellte im
Jahre 1859 seine Fahrten nach Maastricht ein. Die Eröffnung der
Aachen-Maastrichter Eisenbahn (1855) hatte ihn überflüssig ge-
macht.
Mit der Zunahme des Schienenverkehrs glaubte man zunächst, daß
die Landstraßen ihre einstige Bedeutung einbüßen müßten. Bald
mußte man jedoch erkennen, daß sie als wichtige Zubringer für den
Bahnverkehr eine neue Aufgabe gewonnen hatten. Der innerstädti-
sche Güter- und Personentransport blieb weiterhin den bespannten .
Fahrzeugen vorbehalten. So gab es bereits 1853 Pferdeomnibusse,
die die Reiselustigen in die nähere Umgebung der Stadt beförderten.
Ein in jenem Jahre in französischer Sprache verfaßter Reiseführer
”Guide dans Aix-la-Chapelle, Borcette et leurs environs”, berichtet
von einem solchen Pferdeomnibus, der die Fahrgäste in die Gegend
des Altenbergs mit der nahegelegenen Emmaburg und dem Orte
Bleiberg zur Besichtigung einlädt.
Die technische Entwicklung nach 1870 und die damit einhergehen-
de Industrialisierung lösten als Begleiterscheinung eine Spekula-
tionswelle aus, die sich auch auf den Sektor der Personenbeförde-
rung ausdehnte. Wirtschaftsmanager suchten sich gewisse Monopo-
le in der Personenbeförderung zu sichern. Als erstes Unternehmen
richtete die belgische Firma F. van de Velde einen Konzessionsan-
trag an die Stadt Aachen, in der sie bis ins Detail die Vorzüge einer
Pferdebahn darlegte. Eine Stadt von der Bedeutung Aachens, Zen-
trum des Handels und der Bäder, könne kaum außerhalb des Fort-
schrittes bleiben. Vorgeschlagen wurde eine vom Elisenbrunnen
ausgehende Linie bis zum Kurgarten und zur Rheinischen Bahnsta-
tion mit einer Verlängerung bis Kölntor sowie möglicherweise eine
spätere Ausdehnung auf auswärtige Orte. Die Anfrage fand bei den
Bürgern und dem Rat der Stadt eine wohlwollende Resonanz und
weckte das allgemeine Interesse an der Durchführung des Projektes.
Es meldeten sich daraufhin eine Anzahl von Unternehmern, denen
es aber ebenso wie der Firma van de Velde an einer gesicherten Fi-
nanzierung mangelte.
Der Generaldirektor der Banque de Bruxelles, ein Herr Urban, war
ebenfalls bestrebt, von der Stadt Aachen ein Zugeständnis in dieser
65
Hinsicht zu erreichen. Am 20. Februar 1875 ersuchte die Stadt
ihrerseits die königliche Regierung um eine Genehmigung zur Ein-
richtung einer Pferdebahn. Ein belgischer Ingenieur mit Namen De-
pret reiste eigens von Brüssel nach Aachen, um die technischen und
vor allem die topographischen Verhältnisse an Ort und Stelle zu klä-
ren beziehungsweise in Augenschein zu nehmen. Wegen der bedeu-
tenden Steigungen, so meinte er, sollte man eher ”der in Paris circu-
lierenden Dampfbahn” der Vorzug geben. Diese sei als maschinen-
getriebene in jedem Falle rentabler als eine mit Pferden betriebene
Bahn.
Wegen der nun stockenden Verhandlungen schlug die Regierung ei-
ne öffentliche Ausschreibung vor. Bei allen konkurrierenden Unter-
nehmern zeigte sich wegen der vorhandenen Steigungen eine scheue
Zurückhaltung. Man verhandelte dann vorwiegend weiter mit den
ausländischen Firmen, die bereits in Köln, Düsseldorf, Frankfurt
am Main und Mannheim Pferdebahnen errichtet hatten, jedoch oh-
ne konkrete Ergebnisse. Zu Beginn des Jahres 1880 beauftragte
der Pferdebahn-Ausschuß den Notar Cornely, Verhandlungen mit
dem königlichen Kommissionsrat Carl Limann, einem Berliner Un-
ternehmer, zu führen. Am 13. April 1880 kam es zwischen der Stadt
Aachen und Limann zu einem Vertrag, dem ein Angebot der engli-
schen Firma Joh. Howard aus London zugrundelag. Der königliche
Polizeipräsident Hirsch erteilte am 4. September 1880 die Genehmi-
gung zum Bau und Betrieb einer Pferdebahn. Die Überschreitung
der Gemeindegrenze zwischen Aachen und Burtscheid durch die
projektierte Bahn führte schließlich am 25. September 1880 zur
Gründung der ”Aachen-Burtscheider-Pferdebahngesellschaft”. Die-
se Gesellschaft erwarb - sicherlich nicht ohne gehörigen Spekula-
tionsgewinn - von dem Berliner Kommissionsrat Carl Limann alle
von ihm erworbenen Rechte auf den Bau und den Betrieb einer
Bahn in Aachen. Sogleich wurde mit dem Bau der Bahn begonnen,
so daß bereits am 16. Dezember 1880 die Teilstrecke Hotmannspief
bis zum Nordbahnhof an der Jülicher Straße eröffnet werden konn-
te. Noch im gleichen Jahr konnten 4,7 km Strecke befahren werden.
Zur Heiligtumsfahrt des Jahres 1881 waren die Baumaßnahmen so
weit fortgeschritten, daß 22 Wagen mit 159 Pferden eine Strecke
von 10,7 km befahren konnten. Da die erhofften Gewinne hinter
den gestellten Erwartungen zurückblieben, mußte man doch erken-
nen, daß die seinerzeit von den Konkurrenten geäußerten Bedenken
für Aachen nicht unbegründet waren. Krankheiten der Pferde infol-
ge einer Überforderung und eine Influenza, die nach 8 Monaten
66
den gesamten Pferdebestand befiel, waren für die Zukunft wenig
verheißungsvoll.
Die Entwicklung der Elektrizität ließ die Techniker nicht ruhen, ei-
ne neue Antriebsform für die Bahnen zu entwickeln. Bereits 1879
stellte Werner von Siemens mit gutem Erfolg Versuche mit einem
elektrisch betriebenen Schienenfahrzeug an. 1881 baute er schon in
Berlin-Lichterfelde eine solche Bahn für den allgemeinen Verkehr.
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Kaiserplatz mit Pferdebahnen 1893
Das Aufkommen der schienengebundenen Fahrzeuge, namentlich
im Stadtverkehr, betrachteten die privaten Droschkenkutscher mit
einigem Argwohn. Dabei schied die dampfbetriebene Straßenbahn
aus den bekannten Gründen aus. Doch die mit Pferden bespannten
Fahrzeuge entwickelten sich schon wegen der niedrigen Preise all-
mählich zu ernstzunehmenden Rivalen. Schon im Jahre 1880 traten
sie gegen dieses billigere und schnellere Verkehrsmittel auf, welches
ihre Existenz gefährdete. 120 Hauderer und Fuhrunternehmer
wandten sich mit einer Botschaft an die zuständige Behörde : die
Pferdeeisenbahn dürfe nicht genehmigt werden, da sie ihre Leute
68
Der Ausbau des Streckennetzes machte aufgrund des steigen-
den Zuspruchs durch die Fahrgäste einen relativ guten Fortschritt
und hatte bereits gegen Ende des Jahres 1881 eine Länge von 20 km
erreicht. Die Bevölkerung hatte das neue Verkehrsmittel also ange-
nommen und die schienengebundenen, von Muskelkraft gezogenen
”Tramwagen” waren bald akustisch und optisch zu einem festen Be-
standteil des städtischen Lebens geworden. Es mangelte auch nicht
an Anregungen von privater und Öffentlicher Seite zur
verkehrsmäßigen Erschließung weiterer Stadtteile, um damit eine
Anbindung an das übrige Streckennetz zu finden. Die ”Sieben Hü-
gel” Aachens setzten jedoch nicht nur wegen der topographischen
Gegebenheiten natürliche Grenzen, sondern es zeigten sich bereits X
durch den Betrieb der vorhandenen Strecken erhebliche Abnut-
zungserscheinungen bei den Zugtieren. Die daraus resultierende
Folge war eine über 10 Jahre eher schleppend als zügig fortschrei-
tende Ergänzung des Netzes. Dennoch stellte das Baukomitee der
Pferdeeisenbahngesellschaft am 13. April 1880 bei der Stadtverwal-
tung den Antrag, vom Venn aus, als Nebenstraße der Jakobstraße,
eine weitere Bahnstrecke einrichten zu dürfen. An die Bewilligung
knüpfte die Stadt ihrerseits die Bedingung, die Strecke innerhalb
von 2 Jahren bis zur Einmündung der Stromgasse über die
Jakobstraße weiterzuführen, womit sich die Bahngesellschaft ein-
verstanden erklärte. Außerdem hatte sie bereits einige Zeit vorher
einen Plan vorgelegt, wonach die Strecke von Haaren über Kölntor
und den Markt bis zum Jakobstor durchgezogen werden sollte. Die
Teilstrecke vom Hansemannplatz bis zum Markt wurde bereits am
8. Mai 1881 mit geladenen Gästen zum ersten Male befahren. Am
22. des gleichen Monates sollte sie dann der breiten Öffentlichkeit
festlich übergeben werden. Der am 9. September 1881 an der Strom-
gasse eingerichtete Haltepunkt sollte für die nahe Zukunft die am
weitesten nach Westen in Richtung Kelmis vorgelagerte Verbin-
dung bleiben.
Proteste wegen Tierquälerei blieben infolge der von den Pfer-
den zu bewältigenden Steigungen, und das namentlich durch die
Überbesetzung der Fahrzeuge an besonderen Feiertagen, wie Kir-
mes, Pferderennen u.s.w., nicht aus, so daß der Polizeipräsident die
Kutscher auffordern mußte, die Zahl der aufgenommenen Fahrgä-
ste wie vorgeschrieben zu beschränken und bei Vollzähligkeit ein
Schild mit der Aufschrift ”Besetzt” an den Wagen zu heften. Widri-
genfalls drohte er mit dem Entzuge des ”Fahrscheines”, was dem
Entzuge der uns heute bekannten Fahrerlaubnis gleichkam.
69
Der Pferdebetrieb erwies sich mit der Zeit als umständlich und
sehr aufwendig. Somit mangelte es nicht an Versuchen, die tierische
Kraft durch einen Maschinenantrieb zu ersetzen. Der Stromschie-
nenwagen, der im Jahre 1879 von Werner von Siemens erstmalig
betrieben wurde, und die von Honigmann entwickelte dampflose
Natronlokomotive ließen die Bahngesellschaften nicht ruhen, Ver-
suche mit diesen Alternativantrieben durchzuführen. Am 1. Juli
1881 wurde auch in Aachen ein solcher Versuch gestartet. Die
Dampfmaschine sollte dabei ebenfalls einem Versuch und einem
Probebetrieb auf der Strecke Aachen-Haaren unterzogen werden,
die allerdings aus den bereits früher dargelegten Gründen keine
Aussicht auf den Einsatz in geschlossenen Bauzonen finden konnte.
Auch die Schienen sollten sich den privaten Droschkenkutschern zu
einem bleibenden Ärgernis entwickeln - so glaubten diese jedenfalls.
Sie führten beim Polizeipräsidenten bewegte Klage darüber, daß ih-
re Pferde mit dem Hufbeschlag in den Schienen hängenblieben. Die-
ser erklärte ihnen auf seine vorherigen Erkundigungen bei der
Bahngesellschaft hin, die Beschläge ihrer Pferde seien zu leicht und
es könne hier nur durch einen geeigneten Ersatz Abhilfe geschaffen
werden.
Die vorausschauenden Planungen des Komitees der Aachen-
Burtscheider-Pferdebahngesellschaft scheinen dem für die damalige
Zeit recht fortschrittlich eingestellten Bürgermeister von Preußisch-
und Neutral-Moresnet, Hubert Schmetz, nicht verborgen geblieben
zu sein. Seinem Weitblick und seiner Innovationsfreudigkeit ist es
übrigens auch zu verdanken, daß seine Gemeinde an das elektrische
Versorgungsnetz angeschlossen ‚wurde und gleichfalls eine eigene,
zentrale Wasserversorgung erhielt. Seinem regen Schriftverkehr mit
der Bahngesellschaft und den Honoratioren der Stadt Aachen kön-
nen wir entnehmen, daß er auch ein leidenschaftlicher Verfechter
einer Anbindung der von ihm vertretenen Gemeinden an das Aa-
chener Nahverkehrsnetz war. Seine Argumente hinsichtlich der
Rentabilität dieser Strecke spiegeln jedoch eine Überschätzung wi-
der, die nach der Fertigstellung- und bis zu ihrer zwangsweisen Ein-
stellung im Herbst 1944 - alljährlich Gegenstand von Erörterungen
über die mit einem erheblichen Defizit abschließenden Bilanz war.
Mit einem Schreiben vom 11. Juni 1890, in dem der Bürgermei-
ster die Gründe seines Begehrens detailliert darlegt, knüpfte er dies-
bezüglich die ersten konkreten Kontakte mit der Bahngesellschaft.
70
Preußisch-Moresnet, den 11. Juni 1890
An die Direktion
der Aachen-Burtscheider-Pferdebahngesellschaft
zu Aachen !
In Folge der dem Vernehmen nach beabsichtigten Anlage einer
Pferdebahn von Aachen nach Grundhaus ist hier der Gedanke auf-
getaucht, daß es sehr zweckmäßig und rentabel wäre, diese Bahn
nach hier, dem bedeutenden Orte Altenberg (welcher 4000 Seelen
zählt) weiterzuführen.
Der hiesige Ort, welcher ausschließlich mit Aachen verkehrt, liegt
sowohl von der Station Hergenrath als auch von der belgischen Sta-
tion Montzen-Moresnet über eine halbe Stunde entfernt und wird
als Vergnügungs- und Luftkurort sehr stark besucht, außerdem sind
viele von hier in Aachen beschäftigt oder besuchen dort die Schule,
welche den Weg täglich hin und zurück zu machen haben. Zur Ver-
wirklichung dieses Projektes glaube ich wohl, daß die hiesige Ge-
meinde sowie die besonders Interessierten bereit sein werden, einen
bescheidenen Zuschuß zu den Anlagekosten beizutragen und erlau-
be mir daher, der p. Direktion dieses Projekt zur geneigten Prüfung
zu unterbreiten.
Einem gefälligen Bescheid entgegensehend
zeichnet mit Hochachtung
Der Bürgermeister
gez. Schmetz
Die Stellungnahme der Pferdebahngesellschaft dazu hatte mit
dem Schreiben vom 23. Juni 1890 den folgenden Wortlaut :
Herrn Bürgermeister Schmetz
Preußisch-Moresnet
In Beantwortung der gefälligen Zuschrift vom 11.d.M., erlau-
ben wir uns Ihnen ergebenst mitzuteilen, daß wir nicht verfehlen
werden Erhebungen anzustellen, um zu prüfen, ob der Betrieb einer
Bahn Aachen-Altenberg die Anlagekosten, wenn auch nur in be-
scheidenem Maße, zu verzinsen im Stande ist. Wir bemerken schon
jetzt, daß auf eine kräftige Beteiligung der Gemeinden und Interes-
senten jedenfalls gerechnet werden muß. Die Verhandlungen über
A
das gedachte Projekt sind im Gange und werden wir uns erlauben,
z.ZT. von unseren Entscheidungen Mitteilung zu machen.
Hochachtungsvoll
Aachen-Burtscheider-
Pferdeeisenbahngesellschaft
gez. Haselmann
Ganze drei Jahre sollten die weiteren Planungen in Anspruch
nehmen, in denen man dem Problem der Streckenführung einen
breiten Raum einräumte. Auf ein Schreiben der Bahngesellschaft an
den Stadtbaumeister Heuser bezüglich des Ausbaues weiterer
Strecken, empfielt dieser in seinem Antwortschreiben, das Baukomi-
tee schlage vor, die Linie Altenberg auszubauen, wobei die Steigun-
gen am Grundhaus durch Serpentinen zu bewältigen wären. Das da-
zu benötigte Waldgelände könne für die Dauer der Konzession, bis
zum 1. April 1933, kostenlos benutzt werden. In der Tat sollte die
Steigung am Grundhaus ein schwer zu bewältigendes Hindernis
sein, das mit Muskelkraft kaum zu bewältigen war. In einem Plan
sah man die Linienführung durch das Gelände des Herrn von Hal-
fern vor, die unweit des im Kriege zerstörten Restaurants ”Karlshö-
he” vorbeiführen sollte. Auch der Oberbürgermeister der Stadt
schaltete sich in das Planungsverfahren ein und bat nun seinerseits
den Stadtbaumeister um Prüfung des Projektes und welche Mög-
lichkeiten vorhanden seien, die Strecke nach Altenberg weiterzu-
führen. Heuser berichtet ihm am 2. Oktober 1891, die Linie nach
Altenberg sei in diesem Plan noch offen. Nach Auskunft des Direk-
tors Haselmann sei die Bahnlinie nur aufgrund einer ersten Besichti-
gung, nach Augenmaß, eingezeichnet worden. Es müßten also Ver-
messungen vorgenomen werden, doch sollte die Stadt der projektier-
ten Linienführung im Prinzip zustimmen. Es wäre sicherlich auch
besser, wenn die Stadt ihrerseits eine diesbezügliche Anfrage zur Be-
nutzung des Privatgeländes an Herrn von Halfern richten würde.
Die an ihm gerichtete Frage, ob er dem Vorhaben zustimme
und welche Bedingungen er im Einwilligungsfalle stelle, beantworte-
te von Halfern grundsätzlich positiv, doch muten seine Auflagen
recht seltsam an :
... Die Linienführung über sein Landgut brächten ihm zwar aller-
hand Unbequemlichkeiten, doch im Interesse der Sache und zum Er-
reichen des Waldes würde er unter folgenden Bedingungen im Prin-
zip einwilligen : Die Schienen dürften ohne Weichen durch die Wie-
72
sen Flur F 233, 234, 235 und 239 verlegt werden. Dabei wollte er
die Rechte an dem dafür benutzten Grund nicht aufgeben. Die Ge-
sellschaft dürfte aber nur in Absprache mit ihm und nach einem von
ihm genehmigten Plan die Gleise verlegen. Für Schäden an ihm und
seinem Pächter müsse die Gesellschaft aufkommen und die Ver-
tragsdauer würde von 6 zu 6 Jahren verlängert. Als Pacht fordere er
jährlich 100 Mark, die jeweils bis zum 31. Dezember eines jeden
Jahres zu zahlen seien. Bei Übereinkommen müßten die Arbeiten
bis zum 1. Mai 1892 abgeschlossen sein, da später wegen der Ernte
u.s.w. keine Arbeiten möglich wären. Die Gesellschaft habe die bei-
den Einfahrten mit einem Tor zu versehen, das mit einem Schlüssel
geöffnet werden könne. Die Pfosten hierzu stelle er selbst. (Noch
heute kann man auf seinem ehemaligen Besitz solche gußeisernen
Pfähle sehen, die in erhabenen Buchstaben seine Initialen, v.H., zei-
sen.
Ferner solle man an den Eingängen Schilder mit der Auf-
schrift : ”Privatweg, verbotener Eingang, Absteigen streng verbo-
ten” anbringen. Bei starkem Verkehr, namentlich an den Kirmesta-
gen, seien ständig Beamte an den Toren aufzustellen. Falls doch je-
mand auf seinem Gelände angetroffen werde, so behalte er sich eine
Konventionalstrafe von 3 Mark vor, die die Bahngesellschaft an die
Kasse des Verschönerungsvereins zu zahlen habe.
Auf eine Empfehlung des Oberbürgermeisters an die Gesell-
schaft, man könne auf die Bedingungen des Herrn von Halfern ein-
gehen oder eine andere Linie über den Preusweg wählen, entgegnete
die Verwaltung der Bahngesellschaft, man gebe dem Preusweg den
Vorzug, dazu müsse aber dort ein 1 Meter breiter Streifen erworben
werden, die Bäume versetzt und der Graben für den Bahndamm zu-
geschüttet werden. Die Ausführung diesseits Adamshäuschen
müßte sich in einer Kurve nach links direkt zur Karlshöhe wenden.
Die Weiterführung nach Altenberg dürfte erst in Frage kommen,
wenn dieser Ort bestimmte Stellung zur Sache genommen hätte.
Am 23. Dezember 1891 erklärte der Oberbürgermeister dem
Stadtbauamt gegenüber, daß auch er der Auffassung sei, den Preus-
weg zu benutzen, weil bei Herrn von Halfern ein dauernder Bestand
der Anlage nicht gesichert sei.
Obwohl die neue Waldlinie für die Gesellschaft erhebliche Op-
fer forderte, befürwortete auch das Baukomitee, den Preusweg bis
zu einem Kreuz im Walde zu benutzen. Mit den Verhandlungen für
73
die benötigten Grundabsplisse solle man aber erst nach einem Ver-
trag über die Errichtung einer Bahn nach Altenberg beginnen. Bei
den Verhandlungen mit der Bahngesellschaft solle man aber von ei-
ner Beteiligung an den Kosten für den erforderlichen Grunderwerb
absehen. Das Finanzkomitee der Stadt erklärte sich ebenfalls mit
der Linienführung und dem gegebenenfalls zu erwerbenden Terrain
einverstanden. Die finanzielle Absicherung hierzu war also gegeben.
” Der schleppende Fortgang der Verhandlungen veranlaßte
den Oberbürgermeister zu einer erneuten Anfrage an die Adresse
der Bahngesellschaft. Er bat darin um Mitteilung, welche Art des
Antriebes an Stelle des mündlich mitgeteilten unmöglichen Pferde-
betriebs gewählt werden könne. Die Bahngesellschaft erklärte am
26. September 1892 dazu, daß solange keine andere Betriebsart Ge-
nehmigung gefunden hätte, man auf die Verwendung von Pferden
nicht verzichten könne. Es sei für die Waldstrecke eine Doppelbe-
spannung mit einem zusätzlichen Vorspann erforderlich.
Weitere Verzögerung enstanden neuerlich, weil die Stadt einer
von der Bahngesellschaft gewünschten Verlängerung der Konzes-
sion zunächst nicht entsprechen wollte. Sie verzögerte im Prinzip
den Ausbau unrentablerer Strecken sowie die Kapitalaufnahme von
außerhalb, auch um dem elektrischen Betrieb nähertreten zu kön-
nen.
Die Stadt mußte daraufhin ihre Haltung ändern und konnte ei-
ne Verlängerung der Konzession im Hinblick auf den weiteren Aus-
bau nicht verweigern. Mit der so erfolgten Einwilligung erklärte sich
die Bahngesellschaft bereit, von der Stromgasse aus zum Stadtwalde
über die Lütticher Straße bis zu dem Punkte, wo die Fahrwege nach
Karlshöhe und Ronheide sich trennen, eine Bahnlinie zu bauen.
Der Betrieb dieser Strecke, so erklärte die Gesellschaft weiter,
würde sich den Verhältnissen leicht anpassen lassen, wenn sie in die
Lage versetzt würde, den Fuhrpark der Stadt Aachen zu überneh-
men. Es würde dadurch die Möglichkeit geschaffen, zu gegebenen
Zeiten die Zahl der auf der Strecke laufenden Wagen beliebig zu
vermehren. Der elektrische Betrieb dieser Linie würde diese Mög-
lichkeit ebenfalls schaffen. Weitere Verhandlungen mit dem Ober-
bürgermeister ergaben, daß mit der Möglichkeit der Kapitalbeschaf-
fung die Herstellung neuer Linien und auch die Errichtung des elek-
trischen Betriebes eröffnet würden. Hierzu seien aber nach dem
Kleinbahngesetz die erforderlichen Genehmigungen durch den Re-
gierungspräsidenten zwingend vorgeschrieben. Nach diesem Gesetz
74
empfielt der Bauausschuß, die Konzession für alle Linien unter der
Bedingung zu verlängern, daß die Gesellschaft bereit ist, die Strecke
Stromgasse bis zum Aachener Wald tatsächlich durchzuführen. Die
Genehmigung zur Anwendung des elektrischen Betriebes, soweit
die Stadt dabei in Frage kommt, unter näher zu vereinbarenden Ein-
zelbestimmungen für die Außenlinien Kaiserplatz-Forst, Zoologi-
scher Garten-Vaals, Stromgasse-Aachener Wald, in Aussicht zu stel-
len, falls dies mit der Leistungsfähigkeit und dem sonstigen finan-
ziellen Interesse der städtischen elektr. Zentrale vereinbar sein soll-
te. Diese Auflagen erklärte die Bahngesellschaft für unannehmbar,
womit verständlicherweise eine weitere Verzögerung des Ausbaues
gegeben war. Der Oberbürgermeister bittet am 22. Februar 1893
seinen Stadtbaumeister um einen geeigneten Vorschlag, wie die seit
Jahren von der Bürgerschaft geforderte Linie zum Stadtwald, sei es
mit Dampfbetrieb oder mit elektrischem Betrieb, zu eröffnen sei
und wie man dem Wunsch der Bevölkerung am zweckmäßigsten
werde entsprechen können, nachdem die Bahngesellschaft jetzt alle
diesbezüglichen Anträge abgelehnt und die Verhandlungen abge-
brochen habe. Zu der Frage der Linienführung sei er der Ansicht,
daß die Strecke über die Lütticher Straße gegenüber dem Preusweg
leichter zu verwirklichen sei. Der Maschinenbetrieb hatte also we-
gen der bisher gefürchteten Steigungen neue Möglichkeiten der
Streckenführung eröffnet und damit stand einem Ausbau entlang
der Lütticher Straße nichts mehr im Wege.
Der Stadtbaumeister erklärte darauf, die Linie Lütticher Straße
sei günstiger. Der Preusweg sei seinerseits nur in Erwägung ge-
bracht worden, weil die Gesellschaft erklärte, die erwähnte Steigung
Lütticher Straße nicht mit Pferden überwinden zu können. Später
hätte sie selbst dann die Linie über den Preusweg fallen lassen und
für den Betrieb auf der Linie zunächst Dampf-, dann elektrischen
Betrieb in Aussicht genommen. Beide Arten seien seines Erachtens
geeignet, die erwähnte Steigung zu überwinden. Man solle dem elek-
trischen Betrieb den Vorzug geben, auch weil dem Elektrizitätswer-
ke eine zusätzliche Einnahmequelle zugeführt werde. Diesbezügli-
che Verhandlungen solle man mit der Firma Schuckert führen. Vor
allem, ob sie bereit sein würde, die Bahn unter Entnahme des Stro-
mes aus der städtischen Zentrale für eigene Rechnung zu bauen und
zu betreiben, oder etwa die Anlage für städtische Rechnung in ähn-
licher Weise wie das Elektrizitätswerk zu bauen. Auf einem erneu-
ten Beschluß der Stadtverordnetenversammlung, die nun auf Anre-
gung der Gesellschaft und der Bürgerschaft erfolgte, verpflichtet
TS
diese die Gesellschaft, die Waldlinie über die Lütticher Straße zu
bauen. Die Genehmigung zur Einrichtung des elektrischen Betrie-
bes sowie zu den Datailplänen, insbesondere wegen der für die Glei-
se zu erwählenden Situationen und die Spurweite der Gleise, wegen
des Aufstellungsortes der Masten, Lage der Speisekabel, Fahrdraht-
höhe sowie der Modelle der Wagen, behielt sich der Bauausschuß
mit einem Schreiben vom 9. August 1893 ausdrücklich vor.
Auf einer weiteren Sitzung der Stadtverordnetenversammlung,
am 22. August 1893, wurde der Beschluß gefaßt, die Einwilligung
zum elektrischen Betrieb für alle Linien zu erteilen, auch für die
Lütticher Straße bis zur Abzweigung Ronheide-Karlshöhe.
In diese Zeit fallen übrigens auch die Beschlüsse, eine elektrische
Bahn von Aachen nach Eupen zu führen. (4. Sept. 1893.)
Mit dem Beschluß, ihre Firmierung von ”Aachen-Burtschei-
der Pferdebahngesellschaft” in ”Aachener-Kleinbahngesellschaft” zu
ändern, ging die Ära der Pferdebahnen in Aachen dem Ende entge-
gen. Durch die Umstellung erfuhr das Unternehmen einen ungeahn-
ten Auftrieb, doch sollte sie für die Strecke Aachen-Altenberg die
Ursache zu neuen Verzögerungen sein.
In einem Artikel über die Bahn Aachen-Burtscheid beschäftigt
sich die Elektrotechnische Zeitschrift vom 10. Mai 1894 mit den er-
sten Erfahrungen elektrisch betriebener Stadtbahnen :
... ”Die Erkenntnis der hohen Bedeutung des elektrischen Betriebes
der Straßenbahnen durch die Elektrizitätswerke, welche die Energie
für Beleuchtung liefern, bricht sich allenthalben mehr Bahn. In
Hamburg beträgt der Konsum der Straßenbahnen bereits ein Viertel
des Gesamtaufkommens und auch Aachen hat beschlossen, die
Straßenbahn elektrisch zu betreiben und deren Elektrizitätswerk,
welches die Elektrizitätsgesellschaft vormals Schuckert & Co. Nürn-
berg ausgeführt hat, zu übernehmen.
Die Länge der als erste in Betrieb kommenden Linie beträgt 24
Km. Sobald, wie vorgesehen, die Vorortslinien hinzukommen, wird
der Durchmesser des Netzes 30 Km betragen. Das bestehende Ge-
leise wird durch ein doppelgleisiges ersetzt werden. Das hügelige
Terrain ist dem Betrieb ungünstig, Steigungen von 5% sind häufig
und die Maximalsteigung beträgt 8%. Das System ist das oberirdi-
sche mit Rollenausführung. Von den 34 Wagen werden neunzehn
Motoren von 15 PS, um Anhängerwagen mitnehmen zu können,
die übrigen solche von 10 PS haben.
76
Nicht überall fand die neue Art der Personenbeförderung und
die damit verbundene Vertechnisierung des Stadtbildes eine unge-
teilte Anerkennung. Ein damaliger Zeitgenosse orakelt in einem
Schreiben an den Oberbürgermeister über die bevorstehende Ver-
schandelung des Stadtbildes durch die elektrisch getriebene Bahn :
Lieber Herr Stadtpapa!
Die ganze Stadt jammert über die schreckliche Anlage der elektri-
schen Bahn, daß unsere schönsten Straßen und Plätze jetzt so unge-
heuerlich verhunzt werden. Denkt man sich die prachtvollen
Straßen Elisenbrunnen, Theaterplatz, Theaterstraße, und
Wilhelmstraße mit Maststangen und Rollenstangen, kreuz und quer
überzogen ganze Alleen von Pfeilern u.s.w., was bleibt dann noch
von den schönen Straßen, den Prachtvollen Alleen? Lassen Sie die .
Sache nur einmal fertig sein, o, schreckliches Aachen, wozu bist du
mit deinen paar Straßen gekommen und wie grauenvoll wird jetzt
das Viertel Elisenbrunnen, wenn die Anlagen fertig sind, ohne elek-
trische Bahn, man darf nicht daran denken, wenn die Sache einmal
fertig ist.
Es wird ein Jammer für unsere Kurstadt Aachen.
Die Carnevals-Session rüstet sich jetzt schon auf Material, daß
den Bürgern auch die Carnevalszüge benommen worden sind. Trau-
rig, traurig, immer trauriger geht es in Aachen zu, Millionen und
wofür, Ungnade!
Hochachtend
Tausende Bürger
Diese und viele andere Vorbehalte sollten den Bürgermeister
Hubert Schmetz in der Verfolgung seines sich selbst gestellten Zieles
nicht abhalten können, mit noch mehr Energie und Ausdauer den
Ausbau der Strecke Aachen-Altenberg voranzutreiben. Nach 3 Jah-
ren, am 2. Mai 1893, nimmt er mit einem Schreiben an die Bahnge-
sellschaft die Verhandlungen wieder auf :
An die Direktion der Aachen-Burtscheider-
Pferdeeisenbahn Gesellschaft
Herrn Haselmann Wohlgeboren zu Aachen
Mit Bezug auf die geehrte Zuschrift vom 23. Juni 1890 und die
verschiedenen seitdem gepflogenen mündlichen Verhandlungen wä-
re es mir sehr erwünscht, über den Stand der Angelegenheit betref-
fend die Verlängerung der nunmehr genehmigten Linie ”Aachen-
CR
Karlshöhe” bis Altenberg etwas Näheres zu erfahren. Die Rentabili-
tät dieser Strecke steht außer Zweifel.
Hochachtungsvoll
Der Bürgermeister
gez. Schmetz
Im Antwortschreiben vom 3. Mai 1893 klagt die Bahngesell-
schaft über mangelnde Zeit, sich dem Altenberger Projekt widmen
zu können, doch bittet sie zur Darlegung näherer Einzelheiten um
ein persönliches Gespräch. Die Planungskapazität erschöpfte sich
zu diesem Zeitpunkt in den Überlegungen zu einer zwingend erfor-
derlichen Umstellung des Fuhrparkes auf motorischen Betrieb und
der notwendigerweise damit verbundenen technischen Umrüstung
des Streckennetzes. Das zwischen dem Vertreter der Direktion und
+ dem Bürgermeister verabredete Gespräch fand am 10. Juni des glei-
chen Jahres im Karlshause statt. Das Karlshaus, früher am Kapuzi-
nergraben links neben der Hauptpost gelegen, war ein vielseits be-
liebtes Hotel und Restaurant für alle Gelegenheiten. Das Resultat
dieser Unterredung scheint für den Bürgermeister keine kurzfristige
Lösung gezeitigt zu haben, denn auch der spätere Schriftverkehr
Jäßt seitens der Bahngesellschaft ein hinhaltendes Taktieren erken-
nen. Diese Vermutung findet sich gleichermaßen darin bestätigt,
daß der Bürgermeister sich nach einem weiteren Jahr, nämlich am
23. Juli 1894, erneut mit dem Hinweis auf das Schreiben vom 23.
Juni 1890 und die zwischenzeitlich gemachten Zusagen, die eine Be-
reitschaft zum Ausbau seiner Strecke signalisierten, nach dem Stand
der Überlegungen erkundigt. In der Entgegnung läßt die Gesell-
schaft wiederum ihr Interesse erkennen, bemerkt aber, ”daß wir, so-
lange die gegenwärtig schwebenden Projekte nicht zur Ausführung
gelangt sind, sonstige Abschlüsse wegen des Baues neuer Strecken
nicht zu tätigen gesinnt sind.” Der Fortgang der Arbeiten zur Um-
stellung und zur Erweiterung der Fahrstrecken war gekennzeichnet
durch umfangreiche Straßenaufbrüche, die einmal den Übergang
von der Normalspur auf die Meterspur, die Verlegung von Doppel-
gleisen und die Einrichtung der elektrischen Voraussetzungen erfor-
derten, zum anderen waren sie begleitet von den Seite an Seite
durchzuführenden Kanalisierungsmaßnahmen in den Stadtstraßen.
Die Verkabelung des Elektrizitäts- und Fernsprechnetzes darf in
diesem Zusammenhang nicht unerwähnt bleiben. Um so verständli-
cher muß die Kritik der Bürger erscheinen, die sich trotz des techni-
schen Fortschrittes nicht mit einer solch nachhaltigen Veränderung
78
ihres vertrauten Straßenbildes abfinden wollten. Der Gedanke an
den technischen Fortschritt ließ aber auch bald die schärfsten Geg-
ner des Stadtbahnprojektes verstummen. Sie mußten schließlich ein-
sehen, daß die Bahn der Stadt und ihren Bürgern nicht nur einen
wirtschaftlichen Nutzen brachte, sondern auch Möglichkeiten er-
öffnete, für wenig Geld Ausflugsfahrten in die Naherholungsgebiete
zu machen. Der nahe Stadtwald wurde eigentlich erst jetzt breite-
ren Bevölkerungsschichten durch die Straßenbahn erschlossen. Eine
wichtige Vorbedingung hierzu sollte der am 25. Oktober 1893 zwi-
schen der Stadt und der Bahngesellschaft abgeschlossene Vertrag
sein, der gestattete, ab sofort alle Linien ”elektrisch’ zu betreiben. Ei-
ne weitere wichtige Voraussetzung war die von der Firma Siemens
zugesagte Bereitstellung von ”Strom in ausreichender Menge”, für ‘
den ein Kilowatstundenpreis von 12 Pfennigen bei einer Mindestab-
nahme von 500 000 Kilowattstunden vereinbart wurde. ”Wenn we-
niger, sei für den Rest bis 500 000 Kilowattstunden vierfünftel des
Preises zu zahlen.” Die Kosten für den weiteren Ausbau des Elektri-
zitätswerkes an der Borngasse werden in diesem Vertrag mit
238 500 Mark erwähnt. Obwohl man für die im Ausbau befindli-
che ”Waldbahn” nur einen Sommerbetrieb plante, hatte man die
Gileisbauarbeiten bis zum Ende des Jahres 1894 zum Abschluß ge-
bracht, und mit dem Ziel, den Pferdebetrieb durch einen ”elektri-
schen” zu ersetzen, drängte man auf eine schnelle Installation des
Oberleitungsnetzes. Früher als erwartet bittet die Firma Siemens
den Oberbürgermeister, ob nicht vor Eintreffen der Konzession die
Masten gesetzt werden dürften, denn der später eintretende Frost
erlaube keine Betonierarbeiten.
Bereits einen Monat später, am 8. November 1894, erhielt die Ge-
sellschaft die Konzession, die auszugsweise folgenden Wortlaut hat-
te: ”Der Aachener-Kleinbahngesellschaft wird auf Grund des Ge-
setzes vom 28. Juli 1892 im Einvernehmen mit dem Herrn Minister
der öffentlichen Arbeiten beziehungsweise königlichen Eisenbahn-
betriebsamt zu Aachen die Genehmigung erteilt, auf den Strecken,
wie sie in den beiliegenden, mit Feststellungsvermerk versehenen
Plänen näher bezeichnet, und in Gemäßheit dieser Pläne eine Klein-
bahn für die Beförderung von Personen und Gütern mittelst Elektri-
zität herzustellen und unter nachstehenden Bedingungen zu betrei-
ben : Keine Störung des posteigenen Fernsprechnetzes, keine unzu-
mutbaren Verkehrsstörungen und das Personal soll eine hohe tech-
nische Zuverlässigkeit haben, von gesundem Gesichts- und Hörver-
mögen und nicht mit auffallenden Gebrechen behaftet sein, und mit
79
der Bedienung der elektrischen und mechanischen Bremseinrichtun-
gen vertraut sein. Schließlich müsse die Befähigung bei einer unter
Aufsicht zu erfolgenden Probefahrt festgestellt werden.”
Die Anbringung der Rosetten und die Aufstellung der Maste
riefen erneut die Anwohner der Lütticher Straße auf den Plan. Sie
behaupteten, die Bürgersteige seien ihr Eigentum und die Anbrin-
gung von Rosetten an ihren Häusern würden sie auf keinen Falle
dulden. Auch der Schwerverkehr erführe durch die Oberleitungen
eine starke Behinderung.
” Weiter klagte man, auf der Haarener-Strecke hätte man be-
obachtet, daß die Pferde beim Herannahen der rumpelnden
Straßenbahn scheuten und man dort von den Wagenführern ein
ständiges Läuten erwarte, was von den Anwohnern als sehr störend
empfunden werde.
Auf die mögliche Korrosion der in den Straßen verlegten Ver-
sorgungsleitungen durch die von Gleichstrom durchflossenen Schie-
nen wurde ebenfalls wiederholt hingewiesen. In der Tat mußten ei-
nige Rosetten und Maste infolge der Schwingungen, die sich über
die Spanndrähte auf die Häuser übertrugen, entfernt werden.
Erklärte man noch im Herbst 1894, die Strecken könnten bis
zur Heiligtumsfahrt im Sommer des Jahres 1895 nicht fertiggestellt
werden, so wurde dennoch mit Hochdruck weitergebaut, auch der
vielen zu erwartenden Fahrgäste wegen, die aus diesem Anlaß die
Stadt besuchten. "Alles ist jetzt fix und fertig und steht dem jeden
Tag zu erwartenden Betrieb der Waldstrecke nach dieser Richtung
hin nichts mehr im Wege. Schiefgezogene Maste, am israelitischen
Friedhof, am Kriegerhäuschen und am Preusweg müßten allerdings
ersetzt werden. Die ersten Probefahrten mit den angelieferten Mo-
torwagen wurden am 1. Juli mit Erfolg durchgeführt, so daß die Ab-
nahme durch den Baukommissar der Regierung, in der Person des
Polizeipräsidenten, erfolgen kann.” Unter dem 4. Juli 1895 teilt die
Kleinbahngesellschaft dem Oberbürgermeister mit, daß die gemach-
ten Probefahrten mit einer Geschwindigkeit von 15 km/h und ver-
schiedenen Bremsversuchen ohne Beanstandung verlaufen seien.
Das Personal auf dieser bisher mit Pferden betriebenen Strecke sei
allerdings noch nicht geschult.
Die Besichtigung durch den Beauftragten des Regierungspräsi-
denten erfolgte am 9. Juli 1895. "Obwohl die polizeiliche Abnahme
auf der Vaalser- und der Waldlinie erhebliche Mängel auf der Wald-
80
linie ergaben und der Ausbildung der Fahrer eine besondere Beach-
tung geschenkt werden muß, vermag ich dem Antrag auf Geneh-
migung zur Inbetriebnahme der Strecken nach dem Aachener Wald
und nach Vaals keine Folge zu geben, weil sich bei der örtlichen Be-
sichtigung erhebliche Anstände ergeben haben.”
In diesen Wochen erreichten den Oberbürgermeister der Stadt
Aachen zahlreiche Anfragen, die den Ausbau des Netzes und die
Umstellung auf den motorischen Betrieb zum Inhalt hatten. Hin-
sichtlich dieser Umbaumaßnahmen erkundigt sich sogar ein Beauf-
tragter der Stadt Budapest nach den Vertragsmodalitäten, die bei
der Vergabe der Baukonzession an die auszuführenden Firmen zur
Anwendung gekommen waren. Gleich nach der Inbetriebnahme
kam es auf der Waldbahnlinie zu einem folgenschweren *
Zusammenstoß, der nach einer Pressemitteilung den Bürgermeister
der Gemeinde Styrum (Mülheim-Ruhr) zu einer Erkundigung nach
den Ursachen veranlaßte, ... : ”Laut Zeitungsbericht hat am 2. Mai
1896 ein Zusammenstoß zweier Motorwagen der elektrischen
Kleinbahn auf der Linie zum Stadtwald unter Verletzung von Per-
sonen stattgefunden.” Der Fragesteller wollte ergänzend wissen, ob
oberirdischer Betrieb gefährlich sei und wie er sich gegenüber dem
Akkubetrieb bewährt hätte. Den Unfall entschuldigt die Aachener-
Kleinbahngesellschaft mit einem menschlichen Versagen, der Wa-
genführer sei noch nicht genügend geschult und habe die Geistesge-
genwart verloren. Problemlos war der Verkehr in der Anfangsphase
nicht. Gerissene Fahrdrähte und Spannseile gefährdeten nicht nur
die Passanten, vielmehr wurden durch die Berührung der herabstür-
zenden Fahrdrähte mit den Feuermelde- und Telefonleitungen die
Meldeapparaturen erheblich beschädigt und damit ihre Funktion
beeinträchtigt.
Zu weiteren Verhandlungen mit dem Vertreter der Gemeinden
Preußisch- und Neutral-Moresnet hatte sich die Gesellschaft inso-
fern bereit erklärt, als sie die Beteiligung an den Baukosten einer nä-
heren Betrachtung unterziehen wollte.
; Mit einer Kostenabschätzung in Höhe von 125 000 Mark für
die 5 Km lange Strecke von Osterweg bis zum vorgeshenen Halte-
punkt in Altenberg und selbstverständlich mit elektrischem Betrieb
läßt sich erkennen, daß man den Pferdebetrieb für diese Linie end-
gültig ausgeklammert hatte. Unbeeindruckt von diesen hohen Ko-
sten schreibt der Bürgermeister unter dem 18. August 1894 an die
Bahngesellschaft : ... ”Im Besitze Ihrer geehrten Zuschrift vom 7. d.
81
M. freut es mich sehr, daß in Betreff der Linie nach Altenberg, spe-
zielle Vorlagen gemacht worden sind und danke ich hiermit für Ihre
desfallsigen Bemühungen. Was den Kostenpunkt anbetrifft, so wer-
den wir hoffentlich nicht auf unüberwindliche Schwierigkeiten
stoßen und werden Sie die Güte haben, Ihre diesbezüglichen Vor-
schläge zu machen.
Hochachtungsvoll
Der Bürgermeister
gez. Schmetz
Zu den weiteren Verhandlungen bediente sich Herr Schmetz
des Rates eines in seiner Gemeinde lebenden Fabrikanten nämlich
Dr. Reinhard Bruch, der ihm als selbständiger Unternehmer als ge-
eigneter Partner erschien. Ein Einladungschreiben der Bahngesell-
schaft zu weiteren Unterhandlungen gibt er diesem dann mit der
Bitte um Teilnahme zur Kenntnis. Dr. Bruch hatte sich zwischen-
zeitlich beim Aachener-Hütten-Aktienverein Rothe Erde nach den
Preisen der für die Verlegung in Aussicht genommenen Rillenschie-
nen erkundigt. Der vom Hüttenwerk offerierte Preis belief sich für
den laufenden Meter auf 6 Mark: ... "Dieser Preis umfaßt nur die
Kosten des Materials, Schienen, Schwellen, Befestigungsmaterial,
ohne Verlegungskosten, und würde für das Material zur Anlage der
elektrischen Bahn auf der Aachen-Lütticher Sraße von Station 4,00
bis 9,00 Kilometer = 5000 laufende Meter zu je 6 Mark die Summe
von 6 x 5000 = 30.000 Mark beanspruchen. Rechne ich nun dar-
auf, daß die Direktion von diesen 30 000 Mark etwa 10jährige Zins-
garantie von den beiden Gemeinden Preußisch- und Neutral-
Moresnet verlangen wird, so würden jährlich M. 1200. - zu 4% auf-
zubringen sein, was meiner Ansicht nach nicht zu schwer fallen
dürfte.
Nehme ich ferner an, daß zu dem Eisenmaterial auf 5000 Me-
ter noch 30 000 M für Verlegungsarbeiten nötig sind, so würde die
ganze Strecke von Km 4,00 bis 9,00 circa M. 60 000 Kosten. Die
starke Steigung am Buschtunnel bis Osterweg, glaube ich, wird bei
der elektrischen Bahnanlage keine besonderen Schwierigkeiten ver-
ursachen. Bevor wir dem Projekt weiter näher treten, wollte ich Ih-
nen von vorstehender Aufstellung Kenntnis geben und zeichne in-
zwischen mit aller Hochachtung.”
25. November 1884
gez. Reinhard Bruch
82
Die Verhandlungen der beiden Herren in Aachen führten zu
einem Vertragsentwurf, der dem Antrage zur Bereitstellung des
Baukapitals durch die landrätliche Behörde beigefügt wurde.
Dieses Ersuchen wurde aber durch den Landrat selbst mit fol-
gender Begründung abgelehnt : ”... weil eine Veranlassung für die
Kreiskommunalverwaltung nicht vorliegt, ein Unternehmen, wel-
ches lediglich für den lokalen Verkehr zwischen Aachen und Mores-
net von Bedeutung ist, durch Kreismittel zu unterstützen. Es muß
daher der Gemeindeverwaltung von Preußisch-Moresnet überlassen
bleiben, die zur Ausführung dieses Projektes erforderlichen Mittel
auf Gemeindefonds zu übernehmen; wobei aber nicht außer Acht
zu lassen ist, daß die Gemeinde Neutral-Moresnet und die benach-
barten belgischen Gemeinden ebenfalls an der projektierten Klein-
bahn interessiert sind, ob und wie weit dieselben sich bereit erklären,
einen Theil der Bausumme zu übernehmen. Schließlich sind wir der
Ansicht, daß der von der Aachener Kleinbahngesellschaft vorgeleg-
te Vertragsentwurf eine genügende Verzinsung des von der Ge-
meinde zu leistenden Baukapitals nicht bietet und die in Einnahme
gestellten Summen 'aus der Personenbeförderung in Wirklichkeit
nicht werden erzielt werden.” Mit der Ablehnung wurde deutlich,
daß sich die vorgetzte Behörde in der Einschätzung der Rentabilität
dieser Strecke den von der Bahngesellschaft seit langem gehegten
Bedenken anschloß.
Die knappe Kapitaldecke, verbunden mit den wirtschaftlichen
Erwägungen, deren Aussage, wie bereits erwähnt, eine wenig ge-
winnbringende Ertragslage prognostizierte, sollten dann auch der
Grund zu einer etwa 9 Jahre währenden Pause in den Bemühungen
um das Anliegen des Bürgermeisters sein.
Der Bau der Lungenheilstätte, später Genesungsheim genannt,
ließ bei der Stadt den Wunsch reifen, die Strecke bis zum Osterweg
durchzuziehen. Am 8. Januar 1901 erhielt die Bahngesellschaft die
Genehmigung, das zur Verlegung der Endweiche notwendige Ge-
lände durch Verlagerung der Böschung zu gewinnen.
Die Bahngesellschaft erwartete ihrerseits von der Stadt, daß die
Forstverwaltung durch Ausästung der Strecke das erforderliche
Lichtraumprofil schaffe. Die Rentabilität dieses Streckenabschnittes
scheint für die Gesellschaft schon einigermaßen ertragreich gewesen
zu sein, denn bald führte man Versuche mit größeren Motorwagen
83
durch, die wegen ihres höheren Energiebedarfs und der beim Elek-
trizitätswerk nicht nachgesuchten Genehmigung zu Differenzen
führten, die allerdings durch die Einwilligung in den Zehnminuten-
verkehr bald beigelegt wurden.
(Schluß folgt)
Bildnachweis :
S. 62 u. 63: Alfr. Janssen
S. 66 u. 67 : Stadtarchiv Aachen
84
INSTITUTION MATRIMONIALE ET VIE SEXUELLE
DANS UNE PAROISSE RURALE : MONTZEN AU
XVIII® SIECLE
par
Marc LENNARTS,
Licencie en Histoire
"0 jeunesse aveugle...,
il faut vivre en chastete
avant Le mariage"
Jean-Baptiste Probst,
cur6 de Montzen, 1752 (1)
En qu@te de saisir les structures du quotidien .
sous l'ancien r6&gime, 1l'historien recourt notamment, et
depuis deux d&cennies surtout, aux techniques de la d&mo-
graphie historique. L'engouement pour cette discipline,
forge&e essentiellement par 1l'historiographie frangaise,
a rapidement gagne les rangs de tous les chercheurs euro-
pe&ens et Etrangers. C'est que, plus que toute autre sans
doute, elle permet de descendre au niveau des r&alit&s
v6&cues et d’observer, mais toujours par le biais de la
lecture de documents, le sujet - ici en l'occurrence le
chretien quelconque. Naitre, vivre, aimer, mourir. N'est-
ce pas la, en effet, ce qui scande toute existence hu-
maine ?
Dans la foul&e de ces travaux de d&mographie r&-
trospective, la conmnaissance de nos populations de jadis
passe d'abord par 1'&tude de petites communaut&s. Car,
lorsqu'il se limite ä embrasser dans son nobservation une
entite&, un groupe relativement restreint, l'historien peut
pousser en profondeur l'analyse. Mais la täche est exi-
geante. Il ne peut se contenter "d'&tre d&mographe. Il doit
se faire juriste, sociologue, ethnologue, voire psychana-
lyste, et pour cela, utiliser les moyens d'’approche les
plus varies" (2). Travail passionnant. Par ailleurs,
(1) Archives de 1'&tat ä Liege, fonds de la cure de Montzen,
n“ 2, p. 166-168. Texte original, difficile a rendre
c orrectement en traduction frangcaise : "5 blinde ju-
gent, spiegle dich in diesem stück, vor dem Ehestand
keusch zu leben...".
(2) F. LEBRUN, La vie conjugale sous l'ancien r6gime, Paris
1975, coll. ("U Prisme") n° 51, pP: 7-8.
85
l’histoire n'a-t-elle pas l'ambition de dresser 1l'inven-
taire des diff&rences ? Au sein m&me de nos Pays-Bas au-
trichiens, les attitudes adopt&es face ä la vie, l1'amour
et la mort peuvent varier beaucoup d'une region ä l'autre,
voire d'un village a l'autre.
Les quelques pages qui suivent rendent compte des
principaux rEsultats d'une recherche menge sur le mariage
et la vie sexuelle dans une patoisse de l'ancien duche de
Limbourg. Montzen, qui compte 1 241 ämes en 1784, rel&ve
du diocese de Liege (3). Le village, situ6& en pays de bo-
cage hervien, dans la r6&gion des "trois frontieres", fait
partie actuellement de la commune de Plombi&res. Aix-la-
Chapelle est ä quinze kilometres et la Cit€ Ardente ä une
dizaine de lieues. L'activite€ &conomique, essentiellement
agricole, y est presqu'exclusivement vouge a 1'&1levage
bovin (4).
Avant de d&gager les &El&ments essentiels des r6-
sultats de la recherche (surtout au niveau de la formation
du couple et du d&but de la vie sexuelle), il importe de
citer bri&vement les diffe&rentes sources exploit&es et
d’attirer l'attention sur le travail critique n&cessaire.
Les donn&ges statistiques furent &tablies surtout
par le d&pouillement des registres paroissiaux aux mariages.
Ceux-ci enregistrent, sans solution de continuit&, les
noces c6l6brees ä Montzen de 1696 ä 1795, soit un total
de 765 unions (premiers mariages et remariages). Si la
regularite et l'exhaustivite€ de l'enregistrement des actes
semblent assurges tout au long du si&cle, la valeur des
informations fournies sur le compte des &poux varie beau-
coup. Cela tient äa la fois a 1'&volution et au respect de
la l&gislation promulguge sur la tenue des registres ainsi
qu'äa la formation et a la personnalite des cur&s successifs.
(3) La paroisse relevait bien du dioc&se et non de la
principaute.
(4) Voir M. LENNARTS, op.cit., p. V-VI et 3-4.
86
Les nombreuses sources normatives, civiles ou
eccl&siastiques sont d'acc&es facile puisqu'elles furent
publiges sous l'ancien regime m&me, ou Edit&es par la
suite. Mais, leur interpretation, elle, ne m&nage pas les
difficult6&s. Par exemple, 1l'une d'elles, et non la moindre,
tient a ce qu'en matiere matrimoniale deux puissances dif-
fe&rentes ont l&gife&re : 1'Eglise et 1'Etat (5). Enfin, et
c'est le plus important, il faut mettre en Evidence le
depouillement d'une masse consid&rable d'archives nota-
riales (environ 15 000 documents), &mang&es principalement
des tabellions montzennois. Les minutes ont apport& Le)
sentiel de 1'information qualitative concernant la pra-
tique matrimoniale et elles furent me&me prE&cieuses pour
la critique des registres paroissiaux. A cöte d'une serie
de contrats de mariage, les protocoles ont livre€ notamment
des conventions de rupture de "fiangailles", des d&clara-
tions de naissances ill&gitimes, souvent accompagn&es de
t6&moignages connexes directement relatifs aux pratiques
sexuelles. A d&faut d'archives judiciaires civiles ou
eccl&siastiques bien conserv6es, les actes notari6s furent
indispensables pour interpreter valablement les donn&es
6tablies par l'exploitation des registres paroissiaux.
Ceci dit, venons-en aux principaux r&sultats de 1l'enquäte,
qui concernent surtout la formation du couple et le d&but
de la vie sexuelle ainsi que les formes d'unions d&viantes
et marginales.
1. "Avoir un commerce charnel sous _promesse de mariage".
La formation des alliances (du moins d'une partie
d'’entre elles) peut &tre &voquee ä partir de cette donn&ge
essentielle et sans doute surprenante : la proportion des
conceptions prEnuptiales atteint ä Montzen plus de 35 %
(il s'agit d'une valeur moyenne, calcul&ge pour 1l'ensemble
(5) Sur cet aspect particulier, voir le travail remar-
quable de J.L. MOREAU, La "guerre matrimoniale'. La
s6cularisation du mariage au XVIIIe si@&cle dans les
Pays-Bas_autrichiens, 2 vol., Louvain-la-Neuve, 1983
(U.C.L., m6&moire in6&dit de licence en histoire).
87
du siecle sur base d’un E&chantillon d'un tiers des cou-
ples (6). La fr&quence de ce ph&nomene des conceptions
prenuptiales dans le cas de Montzen est une des plus Ele-
vees qu'on ait enregistreEes pour le si&cle des Lumi@res,
que ce soit dans nos Pays-Bas autrichiens ou ä 1'&tran-
ger (7):
Faut-il y voir une forme particuli&rement marquee de
libertinage ? Ou plutöt un &chec de la contre-r&forme dans
un pays de rustres impies ? Il me semble trop rapide et
trop simpliste de parler de d&gradation morale. Car, si
les "conceptions prenuptiales constituent un baromötre
int&ressant pour appreEcier 1'importance des relations
sexuelles ante&rieures au mariage' (8), il reste a com-
prendre pourquoi un tiers des jeunes couples ont des rap-
ports sexuels avant la c6&16bration de leurs noces. A cet
effet, un examen des dureges de 1l'intervalle protog&n&sique
(c'est-a-dire le temps &coul& entre la date de c&16bration
du mariage et celle de la premiere naissance survenue)
peut &tre Eclairant. A Montzen, les naissances de rang I
se repartissent de mani&re &gale sur les neuf premiers
mois suivant le mariage. On pourrait penser, reprenant
(6) Soit 228 parmi 1'ensemble des couples constitu&s de
conjoints mari6s pour la premiere fois. Seuls les
couples effectivement f&conds durant les trois pre-
mieres annges de mariage peuvent Etfe retenus.
(7) Chr. VAN DEN BROEKE, Het seksueel gedrag der jongeren
in _Vlaanderen sinds _de late XVIe eeuw, in Bijdragen
tot _de geschiedenis, t. LXXII, 1979, p. 209, fait 6tat
de 20,07 % pour la Flandre (1700-1800). Dans la prin-
cipaute€ de Neuchätel, en Suisse, le taux est d'environ
30 % (voir P. CASPARD, Conceptions_preEnuptiales et
de&veloppement du _ capitalisme dans la principaute€ de
Neuchätel (1678-1820), in Annales. Economies_- Soci&-
t£ = ,CLVilisations, €. XXIX,.. 1974. pn. 982). Le, plus
souvent, les monographies mentionnent des taux inf6&-
rieurs a 20 %.
(8) J. SOLE, L'amour en Occident ä 1'&poque moderne, Paris
1976, cit& par Chr. VAN DEN BROEKE, op. cit. p. 197.
88
en cela une hypothese formul&ge d&jä par plusieurs histo-
riens, que les relations sexuelles du couple de&butaient
au moment m6&me des fiangailles (9). En fait, l1'usage de
c6lebrer des fiangailles ä 1'&glise (comme cela est le
cans dans plusieurs dioc&ses, et dans la plupart des pa-
roisses sous la crosse‘de 1'&v&que de Li@ge) n'est pas
Etabli a Montzen. N&anmoins, il ressort des t&moignages
recueillis dans les archives notariales qu'une promesse
de mariage est Etroitement associge aux premiers rapports
sexuels. La formule gen6&ralement utilis&e pour d&signer
cette pratique est "yleeschelijk _converseren onder be-
loofde van trouwe', c'est-ä-dire "avoir un commerce char-‘
nel sous promesse de mariage'". Cet usage nous est connu
gräce aux t&moignages de filles enceintes ou d&jä accou- S
chees et abandonnges par le pere naturel de leur enfant.
Le sc6nario est toujours le m&me : la fille, tromp6&e par
la promesse de mariage, accepte d'avoir des relations.
Dans le souci constant de saisir au mieux la
realit& vE&cue, examinons cette de&position, dictG&e a la
reque&te de Jeanne Connot (une montzennoise) par l'un de
ses voisins directs (Nicolas Wenders) au notaire Birven
(10). Il ya environ huit mois, soit en janvier 1753, il
a vu de nuit, le long de la maison de Jeanne Connot,
Pierre Ernens. Le d&posant a formellement reconnu ce der-
nier, frappant ä la fen@&tre de la chambre ä coucher de
Jeanne. Quelques instants plus tard, la porte de 1'&table
s'est ouverte et il y a vu entrer Ernens. En tant que voi-
sin direct des Connot, Nicolas sait fort bien qu'il y a
moyen d'acc&der ä la chambre ä coucher de Jeanne par une
porte de cette Etable. Wenders ajoute encore qu'il y a
un an, il a vu Pierre Ernens couch€ sur le lit de Jeanne.
Ce r6&cit, qui n'est pas le seul du genre a figu-
rer dans les fiches de d&pouillement des archives nota-
riales, n'apporte pas de preuve formelle qu'il y a eu
commerce charnel. Il le laisse cependant pr&sumer forte-
(9) Voir, par exemple, P. CASPARD, op.cit., p. 999-1000.
(10) Archives de 1'&tat a Li&ge, notaire L.W. BIRVEN,
Montzen, 31 aoüt 1753. Il a paru inutile de publier
ici le texte original de ce t&moignage d&pose en
'h6erlandais" (dialecte local).
89
ment, puisque ce t&moignage est d&pos€ pour prouver la
paternite€ naturelle. En 1782, Catherine Lacroix, une autre
paroissienne, enceinte sous promesse de mariage par Lambert
Nijssen, charge un notaire de se rendre aupr@s du pere de
son enfant. Elle voudrait savoir clairement si son parte-
naire veut 1'&pouser, selon la promesse qu'il lui a faite.
Pour toute r6ponse, 1'homme a d&clare€ n'avoir eu "aucune
affaire avec Catherine Lacroix' (11).
Les archives &voquent donc cette habitude assez
courante des relations sexuelles prenuptiales sous promesse
de mariage ä l'occasion de d&viances, c'est-ä-dire quand
l'usage 6Etabli n'est pas respecte€. En 1l'occurence, elles
nous montrent des hommes qui violent leur engagement et
reculent devant leurs responsabilite&s. De tous ceux qui
resterent fideles a leur promesse, les sources ne disent
naturellement rien ! Quoiqu'il en soit, nous tenons ici
un Element important pour la comprehension du phE&nomene
des conceptions prenuptiales : la plupart d'entre elles
sont sürement imputables ä cet usage que nous venons de
d&couvrir. Mais il est tout-ä-fait possible qu'un certain
nombre de ces conceptions "soient le r&sultat de relations
sexuelles bre&ves, non exclusives, n&es d'une rencontre
dans un endroit propice, ä un äge oü l'abstinence sexuelle
devient trop pressante'" (12).
Avant d’examiner plus precis6&ment les situations
de relations de&viantes ou contraires a la normalit&, on
peut chercher a savoir comment Etait _ pergue, a Montzen
mö&me, la pratique des relations sexuelles prenuptiales.
Intole&rable ? Tol&r6e ? Encourag&e ?
Aux yeux du cure Jean-Baptiste Probst en tout
cas, forme a l'universite€ de Louvain, il ne faut pas con-
sommer le mariage avant sa c&l6bration. Une circonstance
particuliere lui donnera l'occasion d'en parler. Le 4
juillet 1752, 1'une de ses paroissiennes, Jeanne Claessen,
Epouse de Hubert Klein, accouche d'un premier enfant,
(11) Archives de l'6tat a Li&ge, notaire J.G. NICOLAI
Montzen, 7 septembre 1782.
(12) J.L. FLANDRIN, Mariage tardif et vie sexuelle. Dis-
cussions_et_hypothöses_de recherches, in Annales.
Economies_- Soci6t&s - Civilisations,t.XXVI1,1972,p. 1374.
90
mort ä sa sortie de 1'ut&rus. Alors que la möre prEsente
elle-m&me tous les symptömes d'une mort imminente, le chi-
rurgien (13) Pierre Ludwig (appel6 d'Eupen sur conseil de
Probst) tire de 1'ut&rus un second b6&b&6, en lui perforant
le cräne de part en part. Terminant le r&cit de cet &v6-
nement peu commun, le cur& s'exclame : "0 jeunesse aveugle,
tire la legcon qui s'impose de cet exemple. Il faut rester
chaste avant le mariage! Car les &poux cit&s n'&aient mari&s
que depuis quatre mois environ devant la Sainte Eglise !
Toutefois, louez Dieu, qui accepte un coeur bon et contrit.
Voyez comme J&sus aide et sauve ceux qui esperent en lui,
tout comme cette möre l'a fait, elle qui a &te€ d&livr6e
de la mort pour cette fois'" (14). Le message est clair mais
les montzennois font la sourde oreille. Au dix-huiti&me
siecle finissant, le taux des conceptions prenuptiales
se situe entre 40 et 50 %. Pourquoi le sujet ou le fidele
quelconque s'indignerait-il, puisque cela ne remet pas
fondamentalement en cause 1l'institution familiale ? L'’en-
fant congu avant le mariage est l6gitime a sa naissance,
puisque ses parents sont l&gitimement mari6&s. Peut-&tre
est-ce meme bon signe d'&pouser une fille enceinte ?
Si elle porte en son sein un enfant, c'est la preuve
qu'elle est fertile et que le foyer s'agrandira rapidement.
Tout en reconnaissant qu'on ne peut facilement
saisir, ä travers les sources utilis&es, les attitudes
adopt&es par les diffe&rents membres de la communaut&
(parents des fianc6&s...) vis-ä-vis de ces relations pr&-
nuptiales, il est raisonnable de penser que la tol&rance
fut de mise, en d&pit des avertissements brandis par la
(13)I1 faut savoir que le "chirurgien'" du XVIIIe si@cle,
souvent barbier 6galement, ne poss@de aucune formation
m6dicale. Cet artisan, exergcant son metier ä la cam-
pagne ou en ville, effectue des interventions prescrites
ou _non par un m6decin. Le chirurgien est le medecin des
humbles. Quant au licenci& ou docteur en m@6decine,
obligatoirement forme ä l'universite€ de Louvain, il
n'exerce l'art de gu&rir qu'en ville ; ses honoraires
sont prohibitifs pour le commun.
(14) Voir supra, note 1.
91
religion. Et a condition, bien sür, qu'un mariage en bonne
et due forme soit c6l6bre. Car, le fait de sceller une
promesse d’alliance en d&butant la vie sexuelle avant le
mariage n'empe&che pas d'entrer malgr6€ tout dans le modele
d’union defini le&galement par 1'Eglise et l'Etat. De fait,
toutes les prescriptions legales en mati@gre de publicite
des noces, de consentement parental, de dispenses pour
consanguinite€ sont respect&es ä la lettre par la majorite
des fianc6&s. Par ailleurs, suivant l'adage "si vis nubere,
nube pari'", la conclusion des alliances s'effectue le plus
souvent dans le respect de 1l'homogamie. En d'autres termes
celui ou celle qui d6&sire se marier &pouse sa '"propre ima-
ge, c'est-ä-dire sa representation sociale dans l'autre
sexe'" (15). L'aire de recrutement d'un &ventuel conjoint
Etranger ä la paroisse ne s'&tend pas au-delä d'un rayon
de 20 kilome&tres autour du village. Cet &tranger doit &tre
catholique et parler le bas allemand ou le "n&erlandais".
L’endogamie est donc forte et 10 % des unions sont con-
sanguines durant le dernier quart de si@äcle. Ces facteurs
contribuent a pr6&server la stabilit6€ de la communaut& et
favorisent donc la conservation des structures sociales
en place. Toutefois, il faut noter l'existence de cer-
tanes formes d'unions d&viantes et marginales, en rupture
avec la normalite.
2. "S&ducteurs, volages et infideles..." (16).
2.1. Le _cas_des filles-m@&res.
De 1756 a 1775, on enregistre ä Montzen 129 premiers
mariages.Parmi les 78 naissances de rang I retrouv6ges pour
ces couples, 24 renvoient ä une conception prenuptiale. Au
cours de la m&me pe&riode de vingt ans, on d&nombre 14
filles-meres. Ainsi, au total, des 38 filles enceintes
sans &tre mariges et rest&es dans la paroisse, 14 sont
refus&es en mariage, ou restent en tout cas non mari6&es.
(15) Ph. MALOLEPSY, L'obstacle surmonte€ : les dispenses,
in A. LOTTIN er alii, La _d&sunion du couple sous
l'ancien re&gime. L’exemple du nord, Lille, 1975,p.47.
(16) Titre d'un article de J.R. MACHUELLE, Seducteurs,
volages_et infideles, in A. LOTTIN et alii, op.cit.,
D« 974
92
Les minutes notariales, nous l'avons vu, contiennent des
t6&moignages d&pos6s en vue de prouver la responsabilit€
du pere naturel dont le nom fut avanc6 par la fille-möre
dans les douleurs de 1l'enfantement (17). On y trouve aussi
une sE&rie de conventions de d&dommagements financiers,
conclues peut-&tre suite ä un proc@s ou par simple arran-
gement ä 1'amiable entre les parties.
Parmi les filles ainsi d&flor&es, on compte beau-
coup de servantes. En effet, "dans la vie de tous les jours,
plusieurs risques guettaient les domestiques. Pour les ser-
vantes, l'un des plus r6pandus Etait de se faire engrosser
par le maitre, le fis du maitre, un valet" (18). Francis
Chantraine a d&pucele€ une de ses servantes dans une prai-
rie appel&e "het rooh' au temps de la fenaison en 1743.
Alors qu'elle revenait d'Henri-Chapelle avec une vache,
Marie Bertrang (de Montzen) a vu Chantraine couche6 dans
l’'herbe, sur la servante, comme s'ils 6taient "en train
de converser charnellement'. Marie Bertrang a m&me enten-
du la servante dire : "Maitre, arregtez'. Elle a aussi en-
tendu que Chantraine a r6&pondu : "Non, tu dois t'y mettre
maintenant'". Alors Marie et sa vache ont poursuivi leur
chemin... (19). S'appuyant sur des recherches men&es en
Normandie, Pierre Chaunu "signale que, dans les pays bo-
cagers, le type d'ill&gitimit€ qui domine est celui des
droits usurpes des maitres sur leurs servantes' (20).
(17) Cette coutume consistant ä crier le nom du pere na-
turel dans les plus fortes douleurs de 1l'enfantement
est attest&e ä Montzen durant tout le si@cle. La
sage-femme et les voisines signalent habituellement
le nom du responsable ä un notaire directement aprö8s
l'accouchement auquel elles ont assist6€. Le tabellion
prend alors acte de la d&claration.
(18) J.P. GUTTON, Domestiques_ et serviteurs_dans_la France
de l'ancien re&gime, Paris, 1981, p. 118.
(19) Pour le texte original complet du t&moignage, voir
Archives de 1'&tat, Li@ge, notaire L.W. BIRVEN,
Montzen, minute du 21 juillet 1744.
(26) 3 °P. GUTION, op;cıt- p- 208, crtamt P. CHAUNU; La
civilisation de 1'Europe classique, Paris, 1966,
Pp- 197.
93
Il est possible, et m&me probable, qu'en bonne
part, les de&florations s®parentent ä des viols. Parfois,
le responsable est surpris d'apprendre que la fille qu'il
a de&florege est enceinte. Mais les &ventuels regrets, les
tourments, le gagnent lorsqu'il est d&jä trop tard. Marie
Nevens (gouvernante du cur6 de Moresnet) perdit sa virgi-
nit& a cause d'un nomm€ Jean Nijssen. Ce dernier abusa
d’'elle alors qu'il travaillait dans le jardin du presby-
tere durant 1'&t€ de 1766, Quand Marie lui annongca un jour
qu'elle &tait enceinte, Nijssen voulut la persuader qu'il
n'en Etait rien. Il lui demanda pourtant des Echantillons
d’urine afin d'aller chez le docteur. Ce qu'il fit effec-
tivement a diff&rentes reprises ; il appela 6galement un
chirurgien (21). Les v&ritables problömes, pour la mere
surtout, commencent lorsque l'enfant est n6. C'est alors
que le pere assume ses responsabilites ou de&laisse compl&-
tement femme et enfant...
2.2. Le rapt de s&duction.
On appelle "rapt de s&duction', 1'enl&vement d'une
fille, ope&r6 avec ou sans son assentiment, par un garcon
en vue de c6&1l&brer un mariage contre ou sans le consente-
ment parental et en ne respectant pas les regles de publi-
cation des bans. Cela a &t6&€ s&verement condame par le
concile de Trente. Un seul exemple a &t€ relev€ pour
Montzen. Mais la mauvaise conservation des sources et le
caractere clandestin de ces affaires n'autorisent pas ä
conside&rer l'unique rapt connu comme le seul ä avoir 6te
perpetre en realit&. Une plainte d&pos&e devant le cure
Probst en 1757 nous livre le r&cit du rapt de Jeanne Ger-
trude Lousbergh, une montzennoise äg&e d'environ seize
ans (22). Son ravisseur, paroissien de Montzen Egalement,
1l'a "enlev&e'" pendant la nuit du 17 au 18 mai 1757, alors
qu'elle demeurait chez son parätre. Le s&ducteur et la
fille ont fui ä Aix-la-Chapelle, ville voisine, oü ils
(21) Archives de 1’'&tat ä Liege, minute du notaire
C.M. SCHEVER, Montzen, 8 mars 1767.
(22) Voir _M. .LENNARTS ‚ op.Cit.,“p. 157-158. et”210-211%
94
se presentent des le 18 ou le 19 devant le cure6 de la pa-
roisse St Pierre en vue de se marier. Mais le parätre et
le tuteur font &chouer ce projet. Le cur6€ de Montzen re-
goit alors une lettre du vicaire de St Adalbert (toujours ä
Aix), lui annongant qu'il veut proc6der ä la c&1l6bration
de ce mariage. La suite n'est pas connue. Jeanne Gertrude
doit rentrer au bercail, affirment ses tuteur et parätre ;
elle pourra alors &tre marige "chretiennement'" avec qui
elle et eux trouveront "salutaire et raisonnable en Dieu
et en raison'". On devine 1'&moi provoque par ce rapt dans
l'entourage de Jeanne Gertrude, et dans le village sans
doute. Il faut noter que cette jeune fille est orpheline ”
de pere ; peut-&tre ce fait n'est-il pas Etranger au rapt,
ope&r6e, ce n'est pas ä exclure, avec le consentement de la
victime voulant fuir 1l’autorite€ du nouveau mari de sa mö@re.
2.3. Les _liaisons_incestueuses.
Les deux cas d'inceste connus par les archives
notariales pour la premiere moitie€ du si@&cle concernent
chaque fois un frere et une soeur. Le dossier le mieux
documente nous relate les agissements.de Catherine Dierighs,
une hombourgeoise qui vient d'accoucher d'un enfant dont
le pere n'est autre que le propre frere de Catherine, Jan
Dierighs. Les t&moins sont tres pre&cis dans leurs d&posi-
tions. Claes Gouders, un valet äg& de quinze ans environ,
a vu Jan et Catherine se d&shabiller dans la chambre ä
coucher de Jan. Le jeune Claes a pu les observer par une
fissure au niveau du plancher du fenil situ6 juste au-
dessus de la chambre. Une fois la lampe Eteinte, le gar-
con n'a plus rien vu... Il a raconte€ ä Catherine elle-
möme ce qu'il savait et s'’est fait alors enjoindre de
garder le secret par la mere de Catherine (23). D'un point
de vue ethnologique, il faut signaler l'inte&r&t que pre6-
sentent certains des t&moignages d&pos6s, racontant le
recours a des proc6&des abortifs. Catherine a cueilli des
plantes qu'elle a m@l&es ä de la bi&re, pour fabriquer
une potion abortive.
(23) M. LENNARTS, op.cit., p. 159-161
95
On ignore si la justice s’est saisie de cette
affaire. Retenons simplement que l'inceste est une rela-
tion contraire ä la normalite€ et sans doute tout-ä-fait
marginale, mais dont la pratique est attest&e dans les
campagnes du duch6 de Limbourg pendant la premi@gre moitie&€
du XVIIIe si@cle.
Meme si ces formes de liaisons ne sont que fort
rares, elles traduisent une certaine inadaptation de
l'institution matrimoniale au systeme des contraintes alors
en vigueur.
Sur le marche des mariables, le montzennois du
temps de Voltaire est constamment ballott& entre le pos-
sible et 1'impcssible. S'il n'obtient pas le consentement
de ses parents pour les &pousailles, peut-&tre sera-t-il
definitivement rel&gue dans le lot des c&libataires. S'il
l'obtient, il n'est pas pour autant assure€ de pouvoir
faire feu ä part. Le morcellement des proprie€t&€s est ex-
treme et il faut un p&cule pour fonder un foyer. Lorsqu'
il l'aura amass6, apres avoir travaille sept ou neuf ans
comme domestique, valet ou apprenti, il aura peut-&tre
26-27 ans, voire une trentaine d'annges... Et s'il a
trouve un parti convenable, il ne pourra de toute mani&re
pas recevoir la benediction nuptiale du jour au lendemain.
Lorsqu'enfin il aura glisse l'anneau au doigt de sa com-
pagne, il se dira que peut-&tre la mort/les s6parera dans
quinze ou vingt ans... Le si&cle des Lumi@eres est un si@cle
de gräces et de disgräces...
Faut-il dire que pareille recherche, men&e ä
l'&chelle d'un territoire plus vaste (comprenant par
exemple plusieurs communaut&s ou l'ensemble du duch6&)
serait d'un grand int&ret ? Elle permettrait, ä la fois,
d’asseoir l'interpre&tation sur des donn&es quantitatives
plus nombreuses et plus süres, et de montrer &ventuelle-
ment des diff&rences significatives entre populations
"wallonnes" et '"germaniques' de 1l'ancien duch6 de Limbourg.
La nuptialite€ a inteE&ress€ beaucoup les historiens francais,
mais a encore suscite€ peu de travaux d'histoire chez nous,
ou elle alimente surtout les recherches de d&mographes et
de sociologues. Ces derniers &tudient &videmment les faits
de population observe€s dans nos soci6&teE&s contemporaines.
96
Au terme de cet article, qui 1’'a men6€ dans une
soci6&t6 rurale d’'ancien r&gime, le lecteur s'interrogera
peut-&tre sur le caractere innovateur ou reproducteur des
modeles et des comportements actuels en mati@re de rela-
tions entre les sexes. Qu'il ne perde cependant jamais de
vue que toute &tude historique embrasse un champ d'obser-
vation strictement limite& dans le temps et dans l'espace.
Qu'il sache aussi que, de plus en plus, 1'historien aime
effectuer un travail sur la limite : il vise la mise en
Evidence "d' &carts relatifs a des modeles" et la d&cou-
verte de "1'h&t&rogene" (24). S'il faut se me&fier du dan-
ger de l'anachronisme et des g6&neEralisations hätives, il’
reste toutefois vrai que 1'&tude de nos populations de
jadis peut aider de mani@&re tr8s fructueuse la r6flexion
sur le temps present. Ces quelques pages y ont-elles con-
tribue ?
(24) M. DE CERTEAU, L’operation historique, in Faire de
l'histoire. Nouveaux_problömes, Paris, 1981, p. 25
(Biblioth&que des histoires).
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Unter Denkmalschutz
von Alfred Bertha
Durch den Erlaß der Exekutive der Deutschsprachigen Ge-
meinschaft vom 6.12.1984 wurden Herrenhaus und Wirtschaftsge-
bäude samt Bering des Mützhofes in Astenet unter Denkmal- bzw.
Landschaftsschutz gestellt. Damit ist die Gewähr gegeben, daß die-
ses beachtenswerte Bauwerk in seinem äußeren Erscheinungsbild
unangestastet bleibt.
Der Mützhof zählt ohne Zweifel zu den ältesten Bauwerken
Astenets. Ursprünglich gehörte er zu den Besitzungen derer von
Astenet. Im 15. Jh. kam er an die Familie Weims gen. Wambach.
1435 erwirbt ihn Ulrich von Kettenis, dessen Nichte Gertrud Crüm-
mel, Ehefrau des Johann von Eys, 1457 durch Erbteilung Besitzerin
des Anwesens wurde.
Der Mützhof, Ostansicht
98
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Das Herrenhaus
Katharina von Eys, eine Tochter des vorgenannten Johann,
heiratete Wilhelm van der Sand, Besitzer von Mützhagen. Der nun-
mehr ”Mützhager Hof” genannte Besitz wurde schließlich zum
”Mützhof”., Diese Bezeichnung ist ihm bis heute geblieben. (1)
Die Erbfolge geht nun über den Sohn und die Enkeltochter der
vorgenannten Eheleute zu Nicolas Pelzer aus Henri-Chapelle, der in
zweiter Ehe Gudula Welter heiratete, welche ihrerseits nach dem
Tode ihres Mannes Winand von Astenet ehelichte. Aus dieser Ehe
ging eine Tochter hervor, Katharina von Astenet, die den Walhor-
ner Schöffen Anton Lamberts heiratete. Letzterer ist 1613 als Besit-
zer von Mützhof belegt. (2)
Gudula Lamberts, Tochter von Anton Lamberts und Kathari-
na von Astenet, erbte den Hof nach dem Tode ihrer Eltern. Sie hei-
ratete 1644 Gerard Quoidbach aus Moresnet, der einen Neubau er-
richten ließ, sich jedoch bei diesem Unternehmen finanziell ruinierte.
99
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Die Wirtschaftsgebäude
Bei seinem Schwager, dem Abt von Rolduc Winand Lamberts
(Lamberti), hatte Quoidbach erhebliche Summen für den Bau gelie-
hen, sah sich aber außerstande, seine Schulden zu begleichen. 1672
wurde Mützhof auf Anstehen der Gläubigerin Wwe Winand aus
Eynatten öffentlich verkauft. Der Abt von Rolduc Pierre van der
Steghe erstand das Stockgut, das dann wieder an die Familie Lam-
berts zurückkam.
Eine Schwester des Winand Lamberts, Maria hatte den Meier
von Eynatten und Hauset und Schöffen der Bank Walhorn, Peter
Meessen, geheiratet. Nach dem Tode des Abtes Winand Lamberts
ging der Hof an dessen Nichte Gudula Meessen (3), Tochter des Pe- _
ter Meessen (4) und der Maria Lamberts (5), über.
Gudula Meessen heiratete den Walhorner Gerichtsschreiber
Johann Heyendal, der 1717 im Alter von 62 Jahren starb. Der Be-
sitz ging an den Sohn Franz-Joseph Heyendal, Schöffe des Hochge-
richts Limburg. Da dieser 1733 kinderlos starb, erbte der Neffe
Johann-Winand Heyendal den Mützhof. 1775 überließ er ihn seiner
Schwester Anna-Catharina Heyendal, die Walter-Joseph-Franz Bir-
ven geheiratet hatte. Deren Sohn Nicolas Birven, verheiratet mit
101
Elisabeth Loop, baute das Herrenhaus um und gab ihm sein heuti-
ges Aussehen (um 1804). Er bewohnte das stattliche Haus bis zu
seinem Tode i.J. 1842. Den Hof hinterließ er seinem Neffen Nico-
las, Sohn von Heinrich Birven, welcher 1871 kinderlos in Aachen
starb. Damit erlosch diese Familie im männlichen Stamme.
1874 erwarb Dr. Hartung aus Aachen den Mützhof, der 1896
durch Erbschaft an Anna Hartung, Ehefrau von Robert Kesselkaul
fiel. 1917 verkauften die Eheleute Hartung-Kesselkaul ihren Aste-
neter Besitz an Johann Adolf Hubert Baumann aus Ellen b.Düren,
der ihn am 19. Mai 1928 an Alfons Pesch aus Eupen veräußerte.
Jetzige Besitzer von Mützhof sind die in Brüssel ansässigen
Eheleute Jean Langohr und Doris Pesch.
Mützhof ist ein imposanter, langgestreckter, siebenachsiger
Bau mit Walmdach, der nur noch am Ostgiebel auf das Aussehen
des um 1660 durch Gerard Quoidbach errichteten Hauses schließen
läßt. Ein kleines Gartentor in Blausteinfassung zeigt im Keilstein ein
Wappen, das von Reiners (Kunstdenkmäler der Rheinprovinz,
Landkreis Aachen und Eupen, 1912) als ”geistliches Wappen” be-
zeichnet wird. Dieses Wappen zeigt einen Reichsapfel. Darüber
steht die Jahreszahl 1661.
In der in den Litaraturhinweisen unter Nr. 5 angegebenen Pu-
blikation wird dieses Wappen als das der Familie Quoidbach angege-
ben.
1) Peter Arnold Heyendal, der 1715 einige genealogische Notizen zu seiner Familie
niederschrieb, sagt einleitend dazu : ”Ich bin geboren in Astenet am 6. Februar
1687 im Stockhaus Mützhagen, gemeinhin Mützhof genannt”.
2) Er ist der Vater des Abtes von Rolduc, Winand Lamberts.
3) Gudula Meessen * 31.8.1655 +2.4.1737. Ihr Grabstein wurde 1978 in der Wal-
horner Pfarrkirche wiederentdeckt. (Siehe dazu ”Im Göhltal”, Nr. 23, 1978, S.
5-10.)
4) Peter Meessen * 11.3.1621 + 15.3.1679
5) Maria Lamberts * 17.2.1613 + 31.3.1705
Literaturhinweise :
1. Quix, Chr. Beiträge zu einer historisch-topographischen Beschreibung des Kreises
Eupen, Aachen, 1837, S. 71.
2. Rutsch, C., aus Eupen und Umgebung, Eupen, 1879, S. 276.
3. Poswick, G., Les Delices du Duche de Limbourg, 1957, S. 289 ff.
4. Reiners H. - Neu H., Die Kunstdenkmäler von Eupen Malmedy, Düsseldorf 1935,
S. 185
5. Le Patrimoine Monumental de la Belgique, (Ang. v. Ministerium der frz. Gemein-
schaft) Bd 12°, S. 731-733. (Vlg. Pierre Mardaga, Lüttich, 1984)
Fotos : J-M Schillings (1-4) und A. Bertha (5).
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Die hier abgebildeten Fotos zeigen den ”Landwirtschaftlichen
Casino Verein” aus Eynatten. Wenn auch der Name des Vereins zu
der Annahme verleiten könnte, es handelte sich hier um einen der
zahlreichen Vergnügungsvereine früherer Zeit, so war die Zielset-
zung dieses Eynattener Vereins doch eine ganz andere.
Einmal monatlich trafen sich die Mitglieder, wohl überwiegend
Landwirte, im Vereinslokal von Agris (”Zur Post”), wo Vorträge
und Beratung zu landwirtschaftlichen Themen stattfanden. Solche
Themen waren, z.B., ”die rationelle Ernährung des Milchviehs bei
Wiesen- und Weidebetrieb”, ”Infektions- und Desinfektionslehre”,
die Bekämpfung der Maul- und Klauenseuche etc.
Außerdem organisierte der Landwirtschaftliche Casino Verein
für seine Mitglieder den gemeinsamen Bezug von Futter- und Dün-
gemitteln, von Kohle und Torfstreu u.s.w., um durch die Abnahme
größerer Mengen in den Genuß niedrigerer Einkaufspreise zu kom-
men. Ein Verein gleichen Namens und gleicher Zielsetzung bestand
auch in Eupen.
Das obere Foto zeigt den genannten Verein bei einem Ausflug
(nach Elsenborn ?). Auf dem Wagen erkennt man vorne in der Mit-
te (stehend) den Bürgermeister von Kettenis und Eynatten, Richard
Esser, und vorne links (sitzend) den Ortsvorsteher Jos. Goebels
(+ 1928).
Das Gruppenbild zeigt, daß der ”Landwirtschaftliche Casino
Verein Eynatten” eine beträchtliche Mitgliederzahl hatte.
Vielleicht weiß einer unserer Leser die beiden Fotos zeitlich ge-
nau einzuordnen und auch sonst noch einiges zu dem Verein zu sa-
gen, der vermutlich nach dem 1. Weltkrieg nicht mehr bestanden
hat.