Im Göhltal
ZEITSCHRIFT der
VEREINIGUNG
für
Kultur, Heimatkunde und Geschichte
im Göhltal
Nr 38
Februar 1986
Veröffentlicht mit der Unterstützung des Kulturamtes der
deutschsprachigen Gemeinschaft
Vorsitzender: Herbert Lennertz, Stationstraße 3, 4721 Neu-Moresnet.
Sekretariat : Maxstraße 9, 4721 Neu-Moresnet.
Lektor : Alfred Bertha, Bahnhofstraße 33, 4728 Hergenrath.
Kassierer : Fritz Steinbeck, Hasardstraße 13, 4721 Neu-Moresnet.
Postscheckkonto N" 000-0191053-60
Die Beiträge verpflichten nur die Verfasser.
Alle Rechte vorbehalten,
Entwurf des Titelblattes : Frau Pauquet-Dorr, Kelmis.
Diese Skizze zeigt den Moresneter Göhlviadukt sowie die Hergenrather
Hammerbrücke in ihrer ursprünglichen Form.
Druck. Hubert Aldenhoff, Gemmenich.
3
Inhaltsverzeichnis
J. & H. Leclercq-Rutte, Die Vorgeschichte im Göhltal
Pepinster und Umgebung 5
P. Claes, Brüssel Fortsetzung und Ergänzung der
Ahnenliste der Familie
P. Claes-Fryns 13
A. Bertha, Hergenrath ”Unter Denkmalschutz” 32
A. Bertha, Hergenrath Ein Stück Vergangenheit 38
P. Zimmer, Astenet Bergmannslos (8. Forts.) 42
A. Jansen, Die ehemaligen Getreidemühlen am
Moresnet-Kapelle Göhlbach in der Großgemeinde
Plombieres 65
J. Leclerc, Gemmenich Zur 150-Jahrfeier der belgischen
Eisenbahn 80
M. Th. Weinert, Aachen Die Spinne 87
P. Zimmer, Astenet Das Katharinenstift von Astenet 88
A. Bertha, Hergenrath Auf dem Büchermarkt 103
Literaturpreis 107
F. Nijns, Walhorn Tätigkeitsbericht 109
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5
Die Vorgeschichte im Göhltal
und Umgebung
von J. & H. Leclercq-Rutte (*)
Der zwischen der Höhenlinie von Gemmenich bis Raeren und dem
Hohen Venn bis zur Anhöhe von Henri-Chapelle gelegene Teil des
deutschsprachigen Gebietes besteht aus einer nach Nordwesten
sanft abfallenden Ebene (1,4%).
Dieses Flachland bietet Bodenwellen mit Schiefer, Psammit, Kalk-
stein und Dolomit. Außerdem ist es tief eingeschnitten durch das
Bett der Göhl, die in Richtung des Abhangs gegen Nordwesten
fließt, quer durch Kalkstein und Schiefer. Das genannte Gelände
bildet den östlichen Endpunkt des Weser-Massivs, das in der Umge-
bung von Stolberg ausläuft. (1).
Das Weser-Massiv entstand vor ungefähr 395 - 345 Millionen Jah-
ren und besteht aus Givet - und Frasnes - Kalk im Süden der Strecke
Eupen-Kettenis-Raeren sowie Frasnes - Schiefer. Die Famenne-
Schiefer zeichnen sich als eine auffällige Geländekante über Eupen-
Kettenis-Raeren ab. Nördlich dieser Linie begegnen sich Dolomit,
Vise-Kalk sowie Tournai-Kalk, welche aus dem Karbon-Zeitalter
(345 - 280 Millionen Jahre) stammen. (Abb. 1.).
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(Abb. 1): Walhorn : Vise-Kalk mit Falten u. Spalten
* 241, Grand-Ry, Cornesse, 4860 Pepinster
6
Das Ende dieses Zeitraums wurde gekennzeichnet durch die sog.
variszische Gebirgsbildung, die zur Überlagerung des Weser-
Massivs über das Herve-Massiv und das Würm-Becken führten. Die
Falten sind nach Nord-Osten orientiert und zeigen etliche Spalten
(St. Hadelin, Soiron, Walhorn, Schmalgraf). Die variszische Gebirgs-
kette war anschließend einer Periode starker Erosion ausgesetzt.
In der Kreide-Zeit (141 - 65 Millionen Jahre) erfolgte von Nord-
Westen her eine sich bis zur ”Baraque-Michel” ausbreitende Über-
flutung. Die Ablagerungen von Aachener Sand sowie Herver- und
Orsbacher Kreide (mit oder ohne Feuerstein-Vorkommen) haben
darin ihren Ursprung. (2).
Infolge späterer Abtragung verbleibt keinerlei Spur von Tertiär-
Ablagerungen in der Gegend. Jedoch knüpft man allgemein die Ent-
stehung der Grotten (Raeren/Marienheim, Walhorn/Steinbruch
Blees) an diese Zeit.
Im Verlaufe des Quartär erreichen die Gletscher der Würm-Eiszeit
(75000 - 10000 v. Chr.) den Norden der Niederlande. Der Meeres-
spiegel sank ungefähr 125 Meter tiefer als der heutige Stand. Gleich-
zeitig konnten die Täler sich tief einschneiden, Gesteinstrümmer sich
ansammeln und Löß sich ablagern.
Während der kalten Perioden wurde unsere Gegend zur Tun-
dra, wo Rentier, Mammut und Nashorn zu Hause waren. In unsern
Grotten fanden Bär und Hyäne Unterschlupf. Hingegen wurde un-
sere Landschaft in der milden Periode zur Steppe. Es gab Pferde,
Hirsche, Wisente, Wildschweine usw ...
Zugleich mit der Würm-Zeit, im Mittel - Paläolithikum, zwi-
schen 120.000 und 35.000 v. Chr., trat auch der Neanderthaler
Menschentyp in Erscheinung.
Außer den Behausungen im Wesertal wurden ebenfalls Spuren
seines Aufenthalts in hiesiger Gegend vorgefunden, so ein Schaber
(Abb. 2), einige Abschläge sowie der Faustkeil von Aachen-
Schönforst.
Prof. Liese meint, es habe eine Verbindung Rhein-Maas be-
standen : Mensch und Tier zogen von der Maas über das Wesertal
zum Rhein (3). Nach Ende der Eiszeit (ab 8.200 v. Chr.), als sich ein
wärmeres Klima einstellte, bewaldete sich das Land (mit Kiefern,
Buchen, Eichen ...) und auch die Tierwelt wandelte sich (Rehe, Hirsche
usw ...). Zu dieser Zeit siedelten sich die letzten Jäger der Mittelsteinzeit
7
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(Abb. 2) : Kelmis : Schaber
(Abb. 3) : Hergenrath : Mikrolithen
8
in der Gegend an. (4) Ihre Erfindung waren Pfeil und Bogen; Mikro-
lithen dienten dem Pfeil als Spitze. (Abb. 3) Diese Völker machten
sich auf den gut entwässerten Anhöhen ansässig, nahe bei Wasser-
stellen, aber gleichfalls am Rande der Flüsse (Remouchamps). Sie
begruben ihre Toten mit zusammengezogenen Gliedern in Grabstät-
ten, gemeinsam mit verschiedenen Grabbeilagen. Lediglich ihr
Steinwerkzeug wurde im betreffenden Gebiet gefunden :
1959 : Flönnes : 4.600 Feuersteine - davon 262 Werkzeuge
- 72 Mikrolithen
1964 : Auf der Heid: 900 Feuersteine - davon 20 Werkzeuge
- 11 Mikrolithen
1964 : Langmüs : 516 Feuersteine - davon 24 Werkzeuge -9° ,
Mikrolithen
1966 : Busch-Brand : 1.925 Feuersteine - davon 67 Werkzeuge
- 18 Mikrolithen
1979: Brennhaag: 1.750 Feuersteine - davon 29 Werkzeuge -
23 Mikrolithen.
Nach Dr. Rozoy gehen diese verschiedenen Siedlungen bis in
die Zeit zwischen 7.000 und 5.800 v. Chr. zurück. (5) Die 14 C Ana-
lyse der in Brennhaag eingesammelten Holzkohlenreste hat jedoch
die Daten 855 bis 1040 nach Chr. ergeben. Dies führt mindestens
240 Jahre vor die Ersterwähnung von Hergenrath und Kelmis.
Zur Zeit hat man in anderen Gebieten Untersuchungen ange-
stellt, aber es können noch keine annehmbaren Hinweise gegeben
werden.
Die Zeit von 5.500 bis 2.500 v. Chr., eine Periode mit wildem
und feuchtem Klima, sieht die Entwicklung der jüngeren Steinzeit in
unserer Gegend. Während dieses Zeitabschnittes entwickelten sich
der Getreidebau, die Viehzucht, das Weben, die Korbflechterei, die
Töpferarbeit sowie das Schleifen von Gestein. Die bisherigen Be-
hausungen wurden zum ständigen Wohnsitz, indem man Holzbau-
ten errichtete. Ferner entfaltete sich im Laufe der Michelsberger
Kultur der Abbau der Feuersteingruben (Spiennes).
Das Ende der jüngeren Steinzeit wird gekennzeichnet durch
die Verwendung von Kupfer und die Errichtung von Megalithen
und Hügelgräbern. Bisher kennt man als einzige Überreste dieser
Zeit die in ”Prestert” (1911), ”Eyneburg” (1953), ”Flönnes” (1963),
Hauset (1965) und Lontzen (1967) ausgegrabenen polierten Bei-
le. (Abb. 4) 7 f
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(Abb. 4) : Polierte Beile : 1. Hauset, 2. Eyneburg
Eine Reihe Hügelgräber wurden um 1900 durch Prof. Liese im
Preuswald entdeckt. Lieses und Rahirs Ausgrabungen (1926) haben
Strukturen und Reste von Einäscherungen freigelegt.
Im Jahre 1977 fand Mme Cahen bei der Ausgrabung eines Hü-
gelgrabes im Preuswald in der Mitte Spuren einer Bestattung und
am Hügelrand Reste einer Einäscherung.
Man teilt diese Gräber der Bronzezeit zu, zwischen 1.800 und
1.100 v. Chr. (7)
Um die Jahrhundertwende hat das Aachener Museum Brand-
gräber am Poppelsberg in Lontzen ausgegraben. Die gefundenen ke-
ramischen Grabbeigaben lassen sich mit Sicherheit in die römische
Zeit datieren, gehören somit in die erste Hälfte des 2. Jahrhunderts.
Andere, gleichzeitig mit in die Erde gekommene Gefäße, sind durch
ihre Formung und Technik als Weiterbildung der keltischen La
Tene-Keramik anzusehen. (8)
Andererseits wurde 1964 ein römischer Bau bei Eynatten-
Berlotte durch Dr. O.E. Mayer und Dr. M. Kohnemann ausgegra-
10
ben (9). Neben Mauerresten wurde ein gemauerter, 6 Meter tiefer
Brunnen aufgedeckt und ausgehoben. Die gesamte Ausbeute er-
gab mehrere Krüge, einen römischen Sigillata-Napf mit ”NASSO”
Stempel (Abb. 5), eine unter Kaiser Septimus Severus, zwischen 202
und 211 n. Chr. geprägte römische Münze und eine Gemme (Halb-
edelstein mit vertieft eingeschnittenem Bild) (Abb. 6). Das Material
kann insgesamt in die zweite Hälfte des 2. Jahrhunderts datiert wer-
den.
Ein beträchtliches Problem stellt zur Zeit die ”Via Mansueris-
ca”, (10) Die C14 Analysen haben Daten zwischen 520 und 690 n.
Chr. ergeben und stellen somit das Alter dieser als römisch angese-
henen Straße in Frage. %
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(Abb. 5): Berlotte : 1.- sigillata Napf, 2. & 3. Krüge.
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(Abb. 6) : Berlotte : vertieft eingeschnittener Edelstein.
Literaturhinweise.
(1) BOUVY, L., 1981. - ”Contribution a l’etude geomorphologique
de la region de Welkenraedt - La Calamine”, Memoire de Licen-
ce, Universite de Liege, inedit.
(2) RICHTER, D., 1969. - ”Aachen und Umgebung”, Sammlung
Geologischer Führer, Bd. 48; 187 S.
(3) LIESE, J., 1930. - ”Das Aachener Land in der Steinzeit”, Aa-
chen J.A. Mayer’sche Buchhandlung, 119 S.
(4) LECLERCO, J., 1968. - ”Decouvertes archeologiques dans le
canton d’Eupen”, Revue Vervietoise d’Histoire Naturelle, Nr.
13,8:'221.
(4) LECLERCO, J., 1983. - ”Les premiers habitants de La Calami-
ne”, Zeitschrift ”Im Göhltal” Nr. 32, S. 57 - 70.
12
(5) ROZOY, J.G., 1978. - ”Les derniers chasseurs. L’Epipaleolithi-
que en France et en Belgique”, Bd. 2. S. 624-629 u. 643-645.
(6) RAHIR, E., 1928. - ”Vingt-cinq annees de recherches, de re-
staurations et de reconstitutions, 1903-1928”, S. 240-242.
(7) CAHEN-DELHAYE, A., 1978. - ”Tombelle de l’Age du Bron-
ze a Neu-Moresnet”, Archaeologia Belgica, Nr. 206, S. 15-19.
(8) MAYER, O.E., 1951. - ”Ein römischer Friedhof am Poppels-
berg in Lontzen”, Zeitschrift des Eupener Geschichtsvereins,
Nr. 1. S. 18-22.
(9) GIELEN, V., 1964. - ”Geschichtliche Plaudereien über das Eu-
pener Land”, S, 10-11.
(10) CORBIAU, M.-H., 1981. - "La VIA MANSUERISCA. Etude ‚,
archeologique du trace et des structures”, Archaeologia Belgica,
Nr. 235, S-/3310
>
Fortsetzung und Ergänzung
der Ahnenliste der Familie
P. Claes-Fryns
von Peter Claes
Vor drei Jahren veröffentlichte ich in Nr. 31 dieser Zeitschrift
unter dem Titel ”Ahnenliste einer Brüsseler Familie, die bis zu Lyns
van Kelmis reicht” die Genealogie unserer Kinder. Seitdem habe ich
meine Forschungen fortgesetzt und 137 weitere Vorfahren ermit-
teln können, so daß uns jetzt insgesamt 320 Ahnen bekannt sind. Es
lohnt sich, diese Ergebnisse zu veröffentlichen. Denn nicht nur neue
Namen habe ich entdeckt, sondern auch manches Wissenswerte im
Zusammenhang mit der Geschichte im Göhltal. Voriges Mal war es
mir vergönnt, Geschichtliches aus der Bank Montzen zu erzählen,
in der gegenwärtigen Darstellung wird vorwiegend die Hochbank
Walhorn erörtert.
Um die Ahnenfolge besser überprüfen zu können, habe ich
mich bemüht, so weit wie möglich die Kinder der Ehepaare kennen-
zulernen. Die Bekanntgabe dieser Namen wird anderen Familien-
forschern nützlich sein. Ferner habe ich Ergänzungen und Korrek-
turen der ersten Liste vorgenommen. Zur besseren und leichteren
Übersicht bringe ich die gesamte Ahnenfolge, d.h. die 1982 veröf-
fentlichten Namen und Daten sowie die neuentdeckten, ohne je-
doch die geschichtlichen Vermerke zu wiederholen und die Abbil-
dungen zu reproduzieren.
In Ermangelung von Pfarregistern, die vor dem 16. Jahrhun-
dert nicht bestanden, mußte ich mich diesmal auf die Werke folgen-
der Historiker und Heraldiker stützen : Buchet, von Coels von der
Brügghen, Fahne, Grondal, Macco, Pauchenne, Poswick, Quix
usw. (siehe Quellen- und Literaturverzeichnis).
Zum besseren Verständnis der Ahnentafel sind unbedingt fol-
gende Hinweise und Erläuterungen der angewandten Abkürzungen
und Symbole zu beachten. Grundlegenderes und Ausführlicheres
finden Sie in der ersten Aufstellung in Heft Nr. 31 dieser Zeitschrift.
* ; geboren ? : unsicher
(*) : getauft ebd. : ebenda
co : verheiratet gt. ; genannt
+: gestorben (D) : Deutschland
14
K : Kinder (N) : Niederlande
t 1636 : ein Kreuz vor der Jahreszahl kennzeichnet das Todesjahr
1748 +: ein Kreuz hinter der Jahreszahl besagt, daß die Person da-
mals nicht mehr lebte
(1618-60) : bedeutet, daß während dieser Zeitspanne Handlungen
und Vorgänge der betreffenden Person im Lehensregi-
ster der Aachener Mannkammer eingetragen sind, oder
die Dauer einer Amtszeit.
Römische Ziffern dienen zur Bezeichnung der Jahreszahl der repu-
blikanischen Zeitrechnung (vom 22.9.1792 bis zum 31.12.1808) so-
wie der Rangordnung der Eheschließungen.
Ein Sternchen hinter einer Nummer weist auf eine Anmerkung hin. .
Die Buchstaben A,C,F und K stehen für die Familiennamen Ahn,
Claes, Fryns und Königs.
Ahnenliste
la Claes, Louis Maximilien Marie, * Uccle 4.7.1940, Ingenieur; °° Kortrijk
18.5.1966
Halsberghe, Christine, K : Stephan, Murielle, Saskia.
1b Claes, Jeannine Marie Ghislaine, * Etterbeek 30.5.1945; °° Woluwe-
Saint-Pierre 10.6.1967, Frauenkron Hermann, Ingenieur, K : Benoit, An-
ne, Olivier. |
1c Claes, Marie-Jose Ghislaine, * Etterbeek 18.1.1950: °° Woluwe-Saint-
Pierre 3.8.1977, Levacq, Bernard, Jurist, K : David, Astrid,
Eltern (I. Generation)
2 Claes, Peter Hubert, Bankangestellter, * Neutral-Moresnet 11.1.1913; >
Bütgenbach 17.5.1939
3 Frijns, Marie-Therese, * Neutral-Moresnet 22.3.1913.
Großeltern (IL. Generation)
C4 Claes, Ludwig Hubert Christian, Schlosser, * MNeutral-Moresnet
27.9.1889, + Kelmis 3.6.1962; °° Neutral-Moresnet 17.4.1912
K5 Königs, Maria Josepha Hubertine, * Neutral-Moresnet 28.2.1888, + Kel-
mis 3.11.1970, K : Peter.
F6* Frins, Heinrich Hubert, Tagelöhner, * Neutral-Moresnet 6.2.1874, +
Kelmis 18.6.1953: °°o Neutral-Moresnet 5.8.1902
A7 Ahn, Maria Anna, * Neutral-Moresnet 23.11.1875, + Eupen 31.10.1955,
K : Maria Catharina, Joseph Hubert, Peter Joseph, Laurenz Hubert, Jo-
seph Hubert, Johann Joseph, Maria-Theresia, Franz Hubert.
Urgroßeltern (III. Generation)
C8* Claes, Joseph Hubert Peter, Bahnwärter, * Neutral-Moresnet 13.5.1855,
+ Moresnet 20.1.1917; °° Montzen 16.11.1883
9 Schillings, Anne Marie, * Montzen 1.11.1859, + Moresnet 25.7.1931
K : Matthias, Maria Christina, Ludwig Hubert Christian, Hubert Antoi-
ne, Matthieu Pierre Gerard.
K 10 Königs Peter Joseph, Bergmann, * Preußisch-Moresnet 2.8.1845, + Neu-
Moresnet 19.12.1920 ; °° Neutral-Moresnet 5.2.1874
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Liebesbrief des Großvaters (C8) Jos. Hub. Peter Claes (1881)
16
u” Radermacher, Maria Johanna Hubertine, * Neutral-Moresnet 4.11.1846,
Preußisch-Moresnet 25.2.1912. K.: Helene, Maria, Johann, Katharina,
Maria Josepha Hubertina.
F12 Fryns, Jean Jacques, Schmied, * Teuven 14.8.1834, + Neutral-Moresnet
18.7.1901; ° ebd. 1.5.1857
13 Cloot, Maria-Theresia Hubertina, * Neutral-Moresnet 12.5.1834, + Kel-
mis 14.1.1921, K : Mathias Hubert, Laurent Hubert, Maria Gertrud Hu-
bertina, Joseph Hubert, Elisabeth Hubertina, Heinrich Hubert, Hubert
Jakob, Franz Joseph Hubert, Jean Mathias Hubert.
A 14 Ahn, Frans Michel Joseph, Bergmann, * Lontzen 4.10.1832; + Neutral-
Moresnet 22.4.1885; °° ebd. 14.5.1864
DB Wermeester, Maria Katharina, * Neutral-Moresnet, 21.2.1837,. + ebd
23.2.1905, K : Johann Joseph, Peter Joseph, Anna Maria, Johann Lud-
wig, Anna Cornelia.
Ururgroßeltern (IV. Generation)
C16 Claes, Joannes Baptist, Tagelöhner, * Webbecom (Diest) 30.4.1826, +
Ougree 10.10.1901; °° Neutral-Moresnet 26.7.1851 .
17 Leisten, Anna Maria, * Walhorn 21.6.1830, + Neutral-Moresnet
8.6.1876, K : Gertrud, Peter Joseph, Martin, Bertha, Anton.
18 Schillings, Nicolas, Tagelöhner, *.Montzen 15 flor. VII, + ebd. 8.8.1878;
<o I. Coonen, Marie Josephine, °° II. Montzen 1.2.1858
19 Cossaum, Anne Marie, * Montzen 29.5.1821, +ebd. 29.1.1887, K : Anne
Marie, Catherine, Louis.
K 20 Königs, Jean Joseph, Knecht, * Montzen 7.3.1807, + Preußisch-
Moresnet 20.1.1879; °° Heusy 21.11.1838
21 Sepul, Marie-There&se, * Grand-Halleux 21.12.1808, + Preußisch-
Moresnet 28.2.1890, K : Maria Anna, Pierre Joseph, Peter Joseph.
22 Radermecker, Nicolas Joseph, Tagelöhner, * Montzen 3 brum. XII, +
Neutral-Moresnet 30.12.1875; °° Gemmenich 14.11.1835
23 Schatten, Helena, * Moresnet 12. therm. X, + Neutral-Moresnet
12.10.1895,
F24 Fryns, Mathias, Schmied, * Teuven 15. brum. XIII, + Neutral-Moresnet;
°o Teuven 15.10.1831
25 Radermecker, Marie Catherine, * Teuven 21.9.1807, + Neutral-
Moresnet 25.4.1865, .
26 Clooth, Jean Leonard, Tagelöhner, * Moresnet 22 germ. VIII, + Neutral-
Moresnet 28.3.1872; °° ebd. 27.11.1826
ZU Klinkenberg, Anne Marie, * Hombourg 7. prair. XIII, + Neutral-
Moresnet 18.8.1873,
A228 Ahn, Jean Joseph, Ackerer, * Hombourg 5. germ. VII, + Lontzen
17.4.1839; > ebd. 13.5.1830
29 Houbije, Marie Cornelie, * Montzen 29. therm. XIII, + Neutral-
Moresnet 20.4.1891.
30 Wermester, Johann Joseph, Schreiner, * Moresnet 23.10.1806, +
Neutral-Moresnet 13.7.1883; °° ebd. 18.4.1834
31 Henckens, Johann Maria, * Lontzen 17.8.1807, + Neutral-Moresnet
8.2.1882.
V. Generation
€32 Claes, Joannes Henricus, (*) Webbecom (Diest) 24.11.1780, + Caggevin-
ne 14.3.1834; °°
33 Billen, Anna Cornelia, (*) Caggevinne ... 1782, + ebd. 8.9.1838.
34 Leisten, Johann Heinrich, (*) Haaren (D) 13.3.1791, + Walhorn
31.5.1831; °° ebd. 11.8.1827
19
A 112 Aen Michael; (*) Lontzen 12.9.1714, °° Clermont 22.2.1745
i13* _Vequeray, Odilia (Ida), (*) Clermont 28.4.1745, + Lontzen 11.9.1794, K :
Michel, Theodor, Catharina, Michel, Margaretha, Joseph, Maria.
114 Stommen, Jean Guillaume; + Mechelen ... °
115 Honje, Catharina.
116 Hoube, Jean; °° Baelen 6.3.1764
117 George, Anne Catherine.
118 Debie, Joannes; °°
119 Schmetz (Smeets), Anna.
120 Wermester, Simon, + Moresnet-Kelmis 22. frim. XII; °° Moresnet
8.4.1761
121 Smets, Anne Elisabeth, + Moresnet 2.6.1779.
122 Klinckenberg, Johann Joseph Lambert, (*) Moresnet 28.5.1751; °° ebd.
5.8.1770
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Todesanzeige der Gattin von Nicolas Schillings, letzter Drossart der Bank Montzen
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Schloß Thor in Astenet, das von 1762 bis 1806 dem Drossart von Kelmis,
WJF. Birven gehörte
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Johann Joseph Haegen, 35. Abt des Klosters Rolduc
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906 Simon, Bastin.
992 Heincken, Severin, + Frelenberg (D) ..12.1694 °°
993 .. Gertrud.
X. Generation (1024-2047)
C1158 Franck, Jan, Kontrolleur des Galmeibergwerks Altenberg, Schöffe der
Bank Walhorn, Schöffe von Gemmenich, Moresnet, Eynenberg, Alens-
berg, Notar, Landmesser, Herr zu Teneiken, Gülp und Weyer, (*) Mores-
net ..10.1597, +ebd. 10.12.1690; °° II. ebd. Bischops, Maria, K : Christi-
na, ° III. Proisen, Anna, °° I. Montzen 24.10.1628
1159 _Reul, Margaretha, (*) Montzen 1597, + 7.11.1635 an der Pest in Aachen
(D), K : Anna Catharina, Lambert, Margaretha.
1160 de Xhenemont, Alexandre, * Mortier; °°
1161 _Franchoy le Roy, Barbe, * Sougne, + 3.10.1676.
1162 Rigaud, (Gerard).
1164 Duckaerts, Joannes; °
1165 Lambiers, Clementia. X
1172 Heyendal, Nicolaus, Schultheiß von Walhorn, + 4.10.1653; °°
1173 Crümmel von Merols, Engelberta, + Astenet 15.11.1635.
1174 Franck, Jan, siehe 1158.
1175 Reul, Margaretha, siehe 1159.
K 1448* Birven, Jean; °° Henri-Chapelle 29.6.1644
1449 OQuodbach, Elisabeth, K : Henri, Wilhem, Marie, Jean.
1450 Smets, Wilhelm, Schultheiß von Lontzen, (*) Eynatten 22.3.1605, + ebd.
22.3.1692; °° Kelmis 18.4.1643
1451 _Raermecker, Gertrudis, * Moresnet 1607, + Eynatten 14.3.1692, K : Eli-
sabeth, Leonardus, Irmken (Ermken), Johan Sigismund, Ida.
1452 Le Ban, Toussaint-Welter, Müller in Dolhain, * Limbourg 22.9.1627,, +
Limbourg 1.2.1668; °° 21.4.1649
1453 Piette alias le Grospiette, Marie, K : Welter (Velther), Pierre, Catherine,
Toussaint-Joseph, Gerard Antoine.
1464 Schillings, Nicolas; °>
1465 van der Heyden, Anna, K : Wilhem, Nicolas, Henri, Anne, Marie Benig-
ne.
1468 Franck, Lambert, + Moresnet 5.5.1712; °°
1469 Wirts, Catharina, K : Catharine, Laurent (Lyns), Etienne.
A 1808 Levecqueray, Jean, + Clermont 7.1.1614, K : Jean, Simon, Thomas.
XI. Generation (2048-4095)
C2316 Franck, Lambert, erster Kontrolleur des Galmeibergwerks Altenberg, er-
nannt am 18.5.1605, Schöffe der Bank Montzen, Bürgermeister von Mo-
resnet, * Moresnet 1570, + ebd. 13.10.1623; °° ebd. 1.5.1593
2317 _Raermecker, Barbara, * Kelmis um 1573, + Moresnet 21.4.1639, K : Jan,
Steven, Berb, Marie.
2318 Reul, Daniel, Herr von Croplehn (1608-10), * Montzen 1535, + an der
Pest in Aachen (D) 21.4.1636; °° Montzen 1580
2319 van der Heyden, Margaretha, * Montzen um 1560, + ebd. um 1600.
2344* Heyendal, Michael, (aus Moresnet), + Walhorn 10.6.1647; °°
2345 Ophoff, Irmgardis, + 2.12.1638.
2346 Crümmel von Merols, Hermann, (1599-32), + Rabotrath 6.9.1640; °°
2347 von Hagen (?) Catharina, + 13.1.1636, K : Odilia, Engel, Wilhelm Hen-
drich.
25
2348 Franck, Lambert, siehe 2316.
2349 _Raermecker, Barbara, siehe 2317.
2350 Reul, Daniel, siehe 2318,
2351 Van der Heyden, Margaretha, siehe 2319
2396 Birven, Jean
K 2900 Smets, Edmund, Schöffe zu Montzen und Lontzen, + 4.3.1625; 0°
N 2901 van Gülpen, Catharina,
2902 Raermecker, Jan, Meyer zu Hergenrath, * 1575, + 24.11.1635; >
2903 van Gendt, Elisabeth, * Groot-Gülpen (N) um 1580, + Moresnet
3.5.1653.
2904 Le Ban, Welter, + Limbourg 1.2.1660; 00
2905 Airken, Elisabeth, + 2.5.1652.
2930 van der Heyden, Heinrich, Meyer zur Heyden, * 1580, + 11.11.1650; >
2931 Cloet, Margaretha, * vor 1553, + 14.5.1664.
2936 Franck, Jan, siehe 1158.
2937 Reul, Margaretha, siehe 1159.
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Schloß Bempt in Moresnet
XII. Generation (4096-8191)
C4632 Franck, Jan, Direktor des Galmeibergwerks Altenberg, Schöffe der
Hauptbank Montzen, * Montzen ..11.1540, + ebd. 10.10.1590; ° II.
nach 1580 Wyshooft (Tochter von Lyns), °° I. Moresnet vor 1570
4633 Heysterboom, Maria, * Moresnet-Lanzenberg um 1543, + ebd. nach
1580.
4634 Raermecker, Steven, Bauer auf dem Hoff zu Moresnet, * ebd. um 1540, +
Aachen (D) 9.3.1615; > II. ebd. Stickelmans, Mergen, °° I. Moresnet um
1565
4635 van Kelmis, Barbara, + Moresnet vor 1604.
23
18769 von Schwartzenberg, Lysbeth, K : Johann, Katharina, Johanna (Jenne),
Sander, Wilhelm, Reinhard.
18770 Bertolf von Belven, Simon, 1528 +; °° I. Krümmel v. Eynatten zu Ruyff,
Agnes, + 1496, > Il...
18771 von den Driesch, Engel, (Angela), + 1496, K : Agnes, Gillis, Katharina,
Reinhard, Odilia.
18774 Schuyl, Winand van Walhorn, Forstmeister von Limburg, (1507) + 1531;
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18775 van Walhorn, Maria, K : Anna, Leonard, Gertrud, Wynand, Catharina.
18796 van Kelmis, Lenz, siehe 18540.
K 23220 van Kelmis, Lenz, siehe 18540.
XV. Generation (32768-65535)
C 37536 Krümmel von Eynatten zu Ruyff (Ruve), Diederich (Thierry), + 1452; K :
Mechtilde (Metze), Benyne, Jutta (Guetgen), Johann.
37538 von Schwartzenberg, Karsilius, °°
37539 ...‚Katharina; K : Reinhard, Johann, Karsilius, Katharina, Heinrich, Bal-
duin, Johanna, Elisabeth.
37540 Bertolf von Belven, Johann, Schöffe zu Aachen (D); °° 1145
37541 von dem Panhuys, Agnes; K : Simon.
37548 Schuyl, Johann (1473-94); K : Johann, Arnold, Winand, Peter.
37550 von Walhorn, Hermann, Drossart der Bank Walhorn (1468-1474) +
1493; K : Elisabeth, Arnold, Maria, Metzchen.
XVI. Generation (65536-131071)
C 75072 Krümmel von Eynatten zu Ruyff (Ruve), Johann.
75096 Schuyl, Arnold; >
75097 Putisken, Elisabeth von Limburg; K : Peter, Johann.
XVII Generation
C 150144* Crommel von Eynatten, Diederich (Thierry), + 1421; K : Tochter > San-
der Mönch von Rossmoelen, Diederich, Johann, Peter.
XVIIL. Generation
C 300288* Crommel von Eynatten, Johann; °°
300289 ..., Guedeken.
...
Zum Schluß spreche ich Herrn Dr. Christoph, mit dem ich in Ah-
nengemeinschaft stehe und den ich leider erst dieses Jahr kennen-
lernte, meinen besten Dank aus für seine großzügige Mitarbeit, in-
dem er mir seine reichhaltige Dokumentation zur Verfügung gestellt
hat. Sehr dankbar bin ich aber auch meinem Kollegen Georges
Creusen, der für mich die Ermittlungen in den flämischen und nie-
derländischen Archiven vorgenommen hat. Im voraus danke ich
denjenigen Lesern, die mich auf eventuelle Irrtümer aufmerksam
machen oder mir ergänzende Angaben mitteilen werden. Ich mei-
nerseits bin gern bereit, familienkundlichen Forschern nach Mög-
lichkeit zu helfen.
Brüssel, Dezember 1985
28
Anmerkungen
F6- Johann Fryns, Sohn dieses Ehepaars, trat in den Orden der Väter vom
Heiligen Geist ein und wurde im Jahre 1936 in Rom zum Priester ge-
weiht. Von 1946 bis 1955 war er Provinzial der belgischen Kongregation.
1957 gründete er im Zaire das Bistum Kindu, wo er 1965 als Bischof
starb.
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Der Missionar ”Schäng” Fryns umgeben von seinen ehemaligen Mitschülern (Jahr-
gang 1910) und der früheren Kapläne von Kelmis anläßlich seines ersten Besuches als
Bischof in seiner Heimatpfarre, die 1958 ihr hundertjähriges Bestehen feierte.
Von links nach rechts: Louis Vanaschen, Willi Bock, Kaplan Simons, Hubert
Franck, Joseph Debey, Alfred Jansen, Joseph Hilligsmann, Albert Rocks, Louis La-
valle, Mgr. Fryns, Heinrich Serwas, Kaplan Wenders, Leonard Coonen, Bürgermei-
ster Peter Kofferschläger, Heinrich Colyn, Willi Scharis, Joseph Lavalle, Jean
Schyns.
CB8- Einige Liebesbriefe meines Großvaters können als Meisterwerke der
Volkskunst betrachtet werden. Sie sind mit dem Federmesser geschnitzt
und dabei jedesmal ein anderes Motiv darstellend. Auffällig ist bei diesen
Briefen, die er-an seine Geliebte, die in Brügge in Stellung war, richtete,
daß der eigentliche Text stets in Deutsch geschrieben ist, das Datum hin-
gegen immer auf Französisch.
K1l- Sonderbarerweise stehen meine beiden Großmütter in Ahnengemein-
schaft, d.h. sie haben von einer bestimmten Generation an dieselben Vor-
fahren.
C144- Fortan werden Ämter erwähnt, die uns heute nicht mehr geläufig sind.
Deshalb folgt eine kurze Erläuterung dieser Funktionen im ehemaligen
Herzogtum Limburg :
Die Bewohner einer ”Bank” (Verwaltungs und Gerichtsbezirk) unterstan-
den der Gerichtsbarkeit des Schöffenstuhls. Dieser bestand aus sieben
Schöffen, dem Schultheiß, und dem Drossart. Das Schöffenamt war ein
hohes Amt, das nicht abgelehnt werden konnte. Der Drossart hatte die
29
Schöffen zur Sitzung einzuladen. Stimme hatte der Drossart bei der Ur-
teilsfindung nicht, jedoch hatte er die Vollstreckung des Urteils zu
überwachen. In politischen und in Strafsachen war er öffentlicher Anklä-
ger. In Strafsachen stand dem Schöffenstuhl das Urteil über Leben und
Tod zu.
Die Gerichtsschreiber der Bank hatten als Vertreter des Drossarts in vie-
len Angelegenheiten ein verantwortungsvolles Amt. (nach Hermann
Wirtz).
C 145 - Siehe die abgebildete Todesanzeige der Gattin des letzten Drossarts der
Bank Montzen.
C 292/293 - Bei dem Ehepaar J. Haegen-Heyendal handelt es sich um eine fromme
Familie, sind doch aus den acht Kindern drei Priester und zwei Ordensbe-
rufe hervorgegangen :
Cornelius * 16.11.1691 war Kaplan in Walhorn, ”onderpastor” in Kette-
nis und starb als Pfarrer von Brunssum (N).
Franz Hubert * 18.5.1702 fungierte als Vizepfarrer in Eupen, wo sein
Bruder Johann Joseph der vierte Pfarrer gewesen war. Letzterer trat
1715 in den Orden der Chorherren vom Hl. Augustinus in der Abtei Rol-
duc (N) ein, die zu der Zeit unter der Leitung seines Onkels Nikolaus He-
yendal stand.
Wie sein Onkel, begann er seine seelsorgerliche Tätigkeit in Eupen. Im
Jahre 1757 wurde er zum 35. Abt (1757-81) von Rolduc gewählt. In die-
ser Eigenschaft trat er in die Ständeversammlung, das höchste Gremium
im Herzogtum Limburg, ein.
U.a. hat Abt Haegen einen Hirtenbrief über die Pflichten der Pfarrgeist-
lichkeit verfaßt, der 1756 vom Fürstbischof der Diözese Lüttich, Johann-
Theodor von Bayern veröffentlicht wurde. Für das Jesuitenkolleg in Aa-
chen stiftete er 1760 einen Preis.
Anna Catharina Haegen war Clarissin in Aachen und ihre Schwester
Maria Clara trat in den Orden der Celestinen in Düsseldorf ein. Ida Hae-
gen hingegen heiratete Diederich Römer, Bürgermeister von Eupen.
K 362/363 - Diese Beiden waren die Eltern des Kelmiser Drossarts WJF
Birven, der im August 1786 eine Erhebung über das Pfarrleben in der
Herrschaft Kelmis verordnete. Walter Meven hat darüber im Göhltalheft
Nr. 31 geschrieben. (”Eine königliche Ordonnanz des Jahres 1786”). Im
Rahmen des gleichen Artikels bringt der Autor auch eine Zeichnung des
"königlichen Hauses”, das den Kontrolleuren des Galmeibergwerks als
Wohnsitz diente.
A452 Denis Vecqueray war der Großonkel von Georges Vecqueray, geb. 1714
in Henri-Chapelle, der bei den Benediktinern in Malmedy eintrat. Dort
führte er um 1750 die Papierherstellung ein. Nach Aufhebung des Klo-
sters nach der französischen Revolution übernahm die Familie Steinbach
die Papiermühle der Abtei und entwickelte sie zu einer heute noch blü-
henden Industrie.
C 587 - Unter dem Titel ”Beisetzungen und Grabstätten in der Pfarrkirche zu
Walhorn” brachte Alfred Bertha in Nr. 25 "Im Göhltal” interessante Ein-
zelheiten über die Familie Heyendal, eine der begütertsten der Bank Wal-
horn. Hier handelt es sich um einen Rechtsstreit zwischen dem Pfarrer
van den Daele und der Witwe des Heinrich Heyendal (+ 1754) über des-
sen Beisetzung.
K 724725 - Jean Henri Birven, Sohn dieses Ehepaares, ersetzte 1725 seinen Onkel
Jean Birven als Pfarrer von Montzen. (Vergleiche die folgende Fußnote)
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Luftaufnahme der Wasserburg Ruyff in Henri-Chapelle
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1448/1449 - Jean Birven, viertes Kind der Familie Birven-Quodbach, empfing 1691
die Priesterweihe in Aachen. Kurz danach wurde er zum Pfarrer von
Montzen ernannt. Unter seiner Amtswaltung hat man die Kelmiser Ro-
chuskapelle, die dazumal zum Pfarrgebiet Montzen gehörte und durch
Kriegswirren fast völlig zerstört war, wieder aufgebaut und instand ge-
setzt.
C2344 - Michael Heyendal bewohnte Anfang des 17. Jahrhunderts Schloß
Bempt in Moresnet, das zu der Zeit Sitz einer der sechs ”Herrlichkeiten”
(Herrschaften) war. Das Schloß besteht heute noch unweit der Pfarr-
kirche.
C 37536 - Die Tochter Benyne von Diederich z.R. heiratete Konrad von Walhorn.
Ihre Schwester Jutta verehelichte sich mit Johann von Eyse gennant
Beusdael.
C 150144 - Sein Sohn und sein Schwiegersohn Sander Mönch von Rossmeulen ver-
bündeten sich am 4.1.1421 als Teilhaber des Kalmynberges mit der Stadt
Aachen zur Abwehr von Angriffen.
C 300288 - Schloß Ruyff in Henri-Chapelle gehörte diesem Ehepaar seit 1380. Es
blieb dann bis 1530 im Besitze der Familie Krümmel von Eynatten. Seit
dem Jahre 1907 gehört es dem Orden der Lazaristen.
31
Quellen- und Literaturverzeichnis
Stadtarchiv Aachen
Staatsarchiv Lüttich
Rijksarchief in Limburg/Maastricht
Katholische Universität Neu-Löwen
Folklore Stavelot - Malmedy : Tome 16, 1952
Luise Freiin Coels von der Brügghen : ”Die Lehensregister der Mannkammer des
Aachener Marienstifts”, 1952
W. Goossens : ”Aanteekeningen over de familie Heyendal” De Maasgouw 1904
Herm. Friedr. Macco : ”Aachener Wappen und Genealogien” 1907
Alfred Minke ; ”Eupen St. Nikolaus”, Ausgabe I
Leon Pauchenne : "Histoire de la Franchise et de la Paroisse de Henri-Chapelle”
Firmin Pauquet : ”Hundert Jahre Pfarre Kelmis” im Grenz-Echo des Jahres 1958
Guy Poswick : ”Les Delices du Duche de Limbourg”
Chr. Quix : "Beiträge zu einer historich-topographischen Beschreibung des Kreises
Eupen” 1837
32
” »”
Unter Denkmalschutz
von Alfred Bertha
Unter diesem Titel werden wir in einer Artikelserie jeweils ein
unter Denkmalschutz stehendes Gebäude unserer Gegend vorstel-
len.
Den Anfang mag Burg Raeren bilden, die als erstes ostbelgi-
sches Baudenkmal schon am 20.5.1950 durch Erlaß des Prinzre-
genten Charles unter Denkmalschutz gestellt wurde. Die Perma-
nentdeputation (die Provinzialregierung) hatte sich am 23.1.1950
für die Klassierung der Burg als schutzwürdiges Bauwerk ausgespro- n
chen und die Königliche Denkmalschutzkommission hatte ein gün-
stiges Gutachten abgegeben.
Die heute im Besitz der Gemeinde Raeren befindliche Burg
geht in ältesten Teilen auf das 14. Jh. zurück. Als man bei
Grabungen i.J. 1968-69 den Baugrund der Burg freilegte, konnten
neben datierbaren keramischen Resten auch ein steinerner
Gußtiegel und zahlreiche Eisenschlacken gefunden werden. Daraus
kann man schließen, daß um 1300 an der Stelle der heutigen Burg
eine Eisenschmelzhütte bestanden hat. (1)
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Ideale Rekonstruktion des ersten Bauzustandes der Burg Raeren in der zweiten Hälfte des
14. Jahrhunderts, gesehen von Süden her. (Zeichnung von Prof. Nijns, Walhorn)
a (Aus "Geschichtliches Eupen”, Bd. 6, S. 71)
38
Auf den ersten Blick ist die ursprüngliche Anlage der Raerener
Wasserburg nur noch schwer zu erkennen : zu zahlreich sind die im
Laufe der Jahrhunderte vorgenommenen An- und Umbauten.
Denkt man sich jedoch all diese neueren Zutaten weg, so bleibt im
wesentlichen ein von Wassergräben umgebenes festes Haus, das
dem in der Nähe gelegenen ”Haus Raeren” nicht unähnlich sieht.
Es handelt sich um ”einen rechteckigen Wohnturm aus Kalkstein-
quadern mit einer von NW nach SO orientierten Front”. (2)
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Fig. 119, Raeren. Lageplan der Burg.
(Aus Reiners-Neu, Die Kunstdenkmäler von Eupen-Malmedy)
Die ursprüngliche Anlage geht, wie gesagt, auf das 14. Jh. zu-
rück. Der erste uns bekannte Besitzer der Burg, die ein Lehen des
Aachener Marienstiftes war, ist Johann von Alensberg, der 1474 ge-
nannt wird. (3) Anfang des 16. Jh. ist der Bau im Besitz des Johann
Crümimnel von Nechtersheim, dessen Tochter 1572 Johann von Lo-
mont heiratete.
Der Sohn der vorgenannten Eheleute, Philipp von Lomont,
Drossard von Walhorn,” erweiterte 1583 das Haupthaus um die
nördliche Hälfte und ließ die ganze Anlage, die wahrscheinlich zerstört
war, wieder herstellen und den Wassergraben größtenteils zuschüt-
ten. Außerdem errichtete er die Wirtschaftsgebäude mit den Ecktür-
men sowie die Umfassungsmauer mit dem Haupttor.” (4) Die Wap-
pensteine des Philipp von Lomont und dessen Ehefrau Johanna von
Buck zieren das jetzige Hofportal.
85
Im folgenden Jahr (1791) wechselte die Burg erneut den Besit-
zer. Peter Joseph de Nys und seine Nachkommen, darunter Joh.
Jos. Karl August de Nys (+ 1865, Landgerichtspräsident von Aa-
chen), Karl Jakob Fortune Arnold de Nys (+ 1907, Oberbürgermei-
ster von Trier, in Raeren beerdigt) und Johann Baptist Karl de Nvs
(Friedensrichter in Eupen) hielten die Burg bis 1916; durch Kauf er-
warb sie dann der Aachener Bürger Alois Wilden, der sie 1921 an
Jos. Mathias Reul verkaufte.
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Burg Raeren
Foto Rheinisches Bildarchiv, Köln
Peter Jos. de Nys, der die Burg 1791 erstanden hatte, ließ um-
fangreiche Arbeiten durchführen. U.a. wurde als Zugang vom Hof
ein neues Portal errichtet und mit den Wappen des Burgherrn und
dessen Gattin geb. von der Gracht geschmückt.
36
Nicht recht zum Bild der sonst trotz allen Umbauten recht har-
monisch wirkenden Burganlage passen die zu Anfang unseres Jahr-
hunderts in die Westmauer des 2. Stockwerkes gebrochenen Fen-
stertüren im neugotischen Stil, die zu einem eisernen Balkon führen,
zu dessen Stütze an der Nordkante ein mit Zinnen versehenes
Türmchen errichtet wurde.
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Auf diesem Foto (Rheinisches Bildarchiv, Köln) sind die erwähnten gotischen
Fenster und das Ecktürmchen gut zu erkennen.
Die Raerener Gemeinde, die die Burg Anfang der 60er Jahre
von den Erben Reul erwarb, ließ das Innere für die Zwecke des
darin untergebrachten Töpfermuseums herrichten. Dieses weit über
unsere Landesgrenzen hinaus bekannte Museum mit seiner einmali-
gen Kollektion Raerener Keramik hat in dem alten Gemäuer eine
ideale Bleibe gefunden. Betreut wird das Museum durch die
”Gesellschaft zur Förderung des Töpfereimuseums”. Die Burg ihrer-
seits hat durch diese Zweckbestimmung noch an Anziehungskraft
gewonnen.
37
Prov. de Liege
MUSEE DE LA POTERIE LOCALE
Burgstrasse, 86, 4730 Raeren - Tel.: 087/85.09.03.
Ouverture:
Tous les jours de 14 a 17 h.
Fermeture:
Le lundi.
Responsable:
Dr KOHNEMANN, Neudorfer Strasse, 9, 4730 Raeren -
Tel.: 087/85.12.84.
Collections: A
Ceramiques en gres du XII® au XIX® s. (toutes les pie&ces pro-
viennent de fouilles locales).
Bätiment:
Chäteau datant du XIV® s.
Monument classe.
+7 EEE SA
104
Auszug aus dem ”Guide des Musees 1983, Bruxelles et la Wallonie”.
Quellen :
(1) O.E. Mayer, ”Zur Baugeschichte der Burg Raeren”, in "Geschichtliches Eupen”,
Bd. 6, 5. 69
(2) Ibid.
(3) G. Grondal, ”Les Delices du Duche de Limbourg”, S. 368
(4) Reiners H. - Neu H., ”Die Kunstdenkmäler von Eupen-Malmedy, Düsseldorf
1935, S. 167
38
® .
Ein Stück Vergangenheit
von Alfred Bertha
Hergenrath um die Jahrhundertwende. Tonwarenfabriken,
Dampfziegeleien, Spinnereien prägen das Bild der Ortschaft und
geben vielen Hergenrathern Arbeit und Brot.
In der Nähe des Bahnhofs hatte sich (wann, ist unbekannt) die
Eisengießerei Vogeno u. Cie etabliert. Das Unternehmen, das nach
unbetätigten Aussagen Waffen hergestellt haben soll, war inzwi-
schen wieder eingegangen und im Laufe des Jahres 1898 wurde auf
dem Grundstück dieser ehemaligen Eisengießerei ”eine Steinsägerei,
Schleiferei und Poliererei errichtet und am 21. Jan. 1899 durch die
Fa Ruyters u. Cie in Betrieb gesetzt”. (Gemeindechronik) N
Das Marmorwerk Hergenrath - unter diesem Namen wurde die
Steinsägerei bekannt - bezog sein Rohmaterial aus Italien. Lange
Jahre waren die Brüder Josef und Heinrich Homburg, der eine als
Direktor, der andere als Meister, in diesem Betrieb beschäftigt.
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Diese Ansichtskarte des Marmorwerks ist in Aachen am 13.7. 1915 abgestempelt
? worden.
39 |
Marmorwerk Hergenrath |
Paul Ruyters & Co. |
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Brief von Jos. Ludwig Pirnay an den Bürgermeister von Walhorn
41
Anfang der 20-er Jahre siedelte der Betrieb nach Raeren über.
In den Hallen neben der Bahn wurde 1945 ein Textilbetrieb, die
Weberei und Spinnerei ”Hermatex”, eingerichtet, wo u.a. Jacquard-
Decken hergestellt wurden. 1953 mußte ”Hermatex” nach Konkurs
seine Tore schließen. Das Gelände wurde öffentlich versteigert und
ging an die Fa Leonard AG über. Während die Maschinen nach
Holland verkauft wurden, wurden die Hallen dem Röhrenwerk
Hergenrath angegliedert.
42
Bergmannslos (8. Forts.)
von Peter Zimmer
Nach dem ersten Weltkrieg
In vielen Industrieländern wurde den Mahnungen ”Gebt
Recht den Toten” sowie ”Einigt euch und bleibt verbunden” zu die-
ser Zeit immer mehr Gehör geschenkt. Man gründete
Arbeitnehmerorganisationen und Gewerkschaften, die das Recht
erhielten, im Namen der Arbeiter zu sprechen und mit den Arbeit-
gebern Verhandlungen zu führen. N
Zur gleichen Zeit machten aber auch für den Bergbau verant-
wortliche Behörden und Bergwerksgesellschaften große Anstren-
gungen, um die Ursachen, welche diese Katastrophen herbeiführ-
ten, zu entdecken und diesen Gefahren wirksam entgegenzutreten.
Trotz alledem ereignete sich am 21. Oktober 1930 erneut ein
großes Grubenunglück. Schauplatz dieses unheilvollen Geschehens
war die Grube Anna 2 bei Alsdorf im Aachener Steinkohlenrevier.
Dort stiegen bereits eine halbe Stunde nach der Einfahrt der Früh-
schicht %roße Feuersäulen und dichte Rauchwolken aus dem
Eduardschacht zum Himmel empor. Das 36 m hohe Fördergerüst
dieses Doppelförderschachtes stürzte durch eine gewaltige Explo-
sion ein, wodurch die daneben stehenden Zechengebäude in Trüm-
mer fielen. Unter Tage waren auf verschiedenen Sohlen, besonders
in Strecken, die zur Wetterführung dienten, große Brüche entstan-
den. Dies war besonders auf der 360 m Sohle der Fall, wo Strecken
in Längen von über 200 m durch diese Brüche. völlig zerstört wur-
den. Die Nachwirkungen der Explosion hatten aber auch fast im
ganzen Grubenfeld Zerstörungen angerichtet und sogar Reviere der
Grube Anna I erfaßt. Der meiste Schaden war aber unterhalb der
245 m Sohle entstanden, weil dort infolge der großen Streckenbrüche
auf der 360 m Sohle das Abziehen der Gase sehr stark behindert
wurde. Andererseits war aber sehr auffällig, daß die Abbaubetriebe
von großen Verwüstungen verschont geblieben waren.
Angesichts der großen Zerstörungen, welche die Explosion
oberirdisch angerichtet hatte, hegte man aber die Befürchtung, daß
außer der 650 Mann starken Belegschaft der Grube Anna 2, die zur
Frühschicht eingefahren waren, auch die 750 Personen, die zur sel-
43
ben Zeit ihr Tagewerk in der Grube Anna I begonnen hatten, in
großer Gefahr schweben könnten, weil die Wetterführung der bei-
den Gruben zum Teil miteinander verbunden war. Aus diesem
Grunde ordnete der Betriebsdirektor Rauhut sofort die Ausfahrt
der gesamten Belegschaftsmitglieder der Gruben Anna I und Anna
3 an. Zur gleichen Zeit versuchte man aber auch, dem Personal der
Grube Anna 2 die Ausfahrt dort zu ermöglichen. Knapp eine Stun-
de später war dies für die in der Grube Anna I und 3 Beschäftigten
Wirklichkeit geworden. Glücklicherweise war es aber auch 57 Per-
sonen der Grube Anna 2 gelungen, durch den Schacht der Grube
Anna 3 das Tageslicht zu erreichen.
Ebenso retteten sich die Bergleute aus dem Nordfeld von Anna
2 und mit ihnen einzelne der 460 m Sohle, insgesamt 178 Mann und
3 Steiger, über die 250 m Sohle bis zur Grube Adolph. Da der
Eduardschacht völlig zerstört war, konnten auch alle weiteren Ret-
tungsarbeiten nur über die Gruben Adolph und Anna 1 in Angriff
genommen werden. Dies geschah durch die erste Rettungsmann-
schaft gegen 8.15 Uhr.
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Der durch die Explosion am 21. Oktober 1930 völlig zusammengebrochene
Förderturm des Eduardschachtes und das teilweise zerstörte Schachtgebäude
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Die Gedenkstätte und das aus 4 Kreuzen mit 3 Darstellungen von Bergleuten
ausgestattete Denkmal auf dem Friedhof in Alsdorf sowie ein Teil
der vier Gräberreihen.
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Die Rückseite des Denkmals mit einem Blick auf einige Grabsteine von zwei der 4
Gräberreihen
45
Eine Stunde später waren aber auch schon 69 Rettungsmann-
schaften mit 50 Trägergeräten sowie eine große Anzahl von Ärzten,
Sanitäter, Feuerwehr- und Polizeimannschaften und andere freiwil-
lige Helfer mit Fahrzeugen zur Stelle. Ebenfalls trafen gegen Mittag
zahlreiche Rettungsleute aus dem Ruhrgebiet am Unglücksort ein,
um Hilfe zu leisten. An den Rettungsarbeiten beteiligten sich insge-
samt, außer dem roten Kreuz, Beamten und sonstigen freiwilligen
Helfern, 8 Oberführer, 22 Führer und 94 Mannschaften der Gru-
benwehren. Außer diesen standen auch noch zum Reserveeinsatz 3
Oberführer, 17 Führer und 95 Mannschaften zur Verfügung.
Durch ihren mutigen Einsatz konnten schon am ersten Unglücksta-
ge fast alle Verletzten aus ihrer unglücklichen Lage befreit werden
und in Krankenhäusern Aufnahme finden.
Mit der Bergung der Toten wurde am 22. Oktober begonnen. Diese
Arbeiten erforderten große Anstrengungen und waren sehr schwie-
rig. Die Leichen mußten aus den Trümmern hervorgeholt, über die
Brüche in den Strecken der 360 m Sohle sowie aus schmalen Streben
und engen Flözen transportiert werden.
Kurz vor Mitternacht hatten die Retter fast alle Toten, deren An-
zahl 266 betrug, an das Tageslicht geschafft. Zur gleichen Zeit be-
fanden sich aber auch noch 124 Verletzte in Krankenhäusern.
Nachdem am 19. Dezember 1930 die letzten Toten geborgen waren,
erhöhte sich deren Anzahl am 1. Januar 1931 auf 271. An diesem
Tag befanden sich auch noch 7 Verletzte in Krankenhäusern.
Die Trauerfeierlichkeiten mit anschließender Beerdigung hatten
aber schon am 25. Oktober 1930 in Alsdorf stattgefunden. Dort
wurden an diesem Tag auf dem neuangelegten Friedhof 144 Tote in
4 langen Gräberreihen beerdigt. Alle anderen Toten fanden auf
Friedhöfen in den Nachbargemeinden ihre letzten Ruheplätze. Auf
jedem Grabe wurde ein einfacher Grabstein aufgestellt. Seit Anfang
November 1932 steht in Alsdorf auf dem Friedhof am Ende der 4
Gräberreihen ein Denkmal, welches der Gemeinde Alsdorf durch
Landrat Classen in Obhut gegeben wurde. Es besteht aus vier Grab-
kreuzen und soll stets an die Kohlengräber erinnern, die im Oktober
1930 in der Grube Anna 2 auf dem Felde der Arbeit in treuer
Pflichterfüllung ihr Leben lassen mußten.
Wie eindrucksvoll und großherzig damals die Mitmenschen aus
Nah und Fern den Hinterbliebenen ihr Mitgefühl und ihre Hilfsbe-
reitschaft bekundeten, beweist die Tatsache, daß anläßlich der Trau-
erfeiern mehr als 100.000 fremde Menschen nach Alsdorf kamen.
46
An Spenden für den Hilfsfonds wurden bis zum 15. Mai 1931 aus
dem In- und Ausland beinahe 1,7 Millionen Reichsmark eingezahlt.
Diese Summe diente dazu, 146 Witwen, 9 Vollwaisen, 203 Halbwai-
sen, sowie 111 anderen Hinterbliebenen eine beachtliche finanzielle
Hilfe zukommen zu lassen.
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Gebäude und Förderturm des nach der Katastrophe errichteten Wilhelmschachtes
47
Durch dieses bedauernswerte Grubenunglück waren auch im Göhl-
tal, vor allem in den Bergbauortschaften, viele Menschen tief er-
schüttert worden, denn zu dieser Zeit lebten dort noch Grubenar-
beiter, die bis zum Ende des Ersten Weltkrieges im Aachener
Wurmrevier beschäftigt gewesen waren. Einige von ihnen waren in-
zwischen Rentner, andere verdienten zu dieser Zeit mit vielen Er-
wachsenen und jugendlichen Köhlern aus diesem Raum das tägli-
che Broot in den Gruben des Herver Landes.
Viele Frauen und Mütter baten damals ihre Männer und Söhne, die
Arbeit in den Gruben einzustellen und einen anderen Beruf zu er-
greifen, weil sie befürchteten, daß ihnen eines Tages ein ähnliches
Unheil wie in Alsdorf zustoßen würde. Aber nur vereinzelte folgten
dieser Bitte, alle anderen blieben ihrem Beruf bis ans Lebensende
treu.
Dasselbe war auch in Alsdorf und Umgebung der Fall. Der Eduard-
schacht wurde neu errichtet und erhielt den Namen Wilhelm-
schacht. Er ist aber hauptsächlich zur Förderung von Material be-
nutzt worden.
Noch Jahre nach dem Bergwerksunglück verabschiedeten sich zahl-
reiche Frauen und Mütter mit Tränen in den Augen von den Berg-
leuten, wenn diese sich zur Grube begaben. Auch wenn die Zeit ih-
rer Heimkehr herannahte, fanden sie nicht eher Ruhe, bis die Män-
ner wieder daheim waren. Wenn ihre Heimkehr aber aus irgend ei-
nem Grunde mit Verspätung erfolgte, standen sie voller Aufregung
in den Straßen oder vor den Haustüren und stellten jedem, der vor-
beikam, die Frage, ob er keine Köhler der einen oder anderen Grube
gesehen habe. Ebenso haben zahlreiche Frauen und Mütter, die da-
mals noch Kinder waren und heute zu den 3 X 20 jährigen zählen,
noch ein Lied in guter Erinnerung, welches noch viele Jahre nach
der Katastrophe von Alsdorf in Bergmannsfamilien sowie in Loka-
len oder bei bergmännischen Veranstaltungen von Alt und Jung ge-
sungen wurde.
Ob dieses Lied aber tatsächlich durch die Katastrophe im Aachener
Wurmrevier oder durch eine andere entstanden ist oder vielleicht je-
mand damals den Text des Liedes teilweise änderte, konnte trotz ei-
niger Umfragen nicht festgestellt werden. Wohl aber haben vor
rund 15 Jahren Göhltalbergleute, die mit ihren Frauen an einem
Bergmannsfest im Saarland teilnahmen, als das Lied dort vorgetra-
gen wurde, sich sofort daran erinnert, daß es die Melodie des Liedes
war, welches nach dem Grubenunglück in Alsdorf gesungen wurde.
48
Nur lautete der Text des Liedes an einigen Stellen etwas anders wie
damals, und zwar wie folgt :
GRUBENSCHICKSAL j
Hört, was dröhnet in dem Schachte,
Welch ein Unglück ist gescheh’n,
236 Knappen gaben dort -
ihr Leben hin. ö
Gestern Morgen um halb Viere
Steiger Loitz die Runde macht,
um seinen Brüdern Glück-Auf zu wünschen, 9
als das Unglück dann geschah.
Rettet euch Brüder, wir sind verloren,
rettet euch Brüder, in der Not.
Schlagende Wetter sind ausgebrochen,
mein Weib, mein Kind, lebt wohl, lebt wohl.
Vor dem Tore steht ein Knäblein
hebt weinend die Hände zum Himmel empor,
gestern begrub man meine Mutter,
heute ist mein Vater tot.
Wer hat dieses Lied erdichtet
wer hat dieses Lied erdacht ?
Es waren ja zwei Bergmannsknappen,
die das Unglück mitgemacht.
Der Zwanzigste Februar 1946
war ein Tag, an dem Hunderte von Bergleuten der Zeche ”Grim-
berg” in Weddinghofen-Bergkamen sowie deren Angehörige einen
schweren Schicksalsschlag erlitten. Dort hielt der Tot an diesem Tag
grausam seinen Einzug und raubte wie ein Dieb in der Nacht 406
Bergleuten, ähnlich wie rund 38 Jahre zuvor in dem nur wenige Ki-
lometer entfernten Bergwerk Radbod, das Leben. Unter diesen 406
Menschen, die nach dem Zweiten Weltkrieg durch das größte Un-
glück im deutschen Bergbau ihr Leben lassen mußten, befanden sich
auch 5 Engländer, die zu dieser Zeit Kontrolleure der englischen Be-
50
Marcinelle :
der schwerste Grubenbrand im belgischen Steinkohlebergbau
Zu der Zeit, als die Kohle noch in vielen Industrieländern als
schwarzes Gold bezeichnet wurde und man diesen Bodenschatz in
unserem Lande mit Hilfe von zahlreichen Gastarbeitern in zirka
120 Kohlengruben abbaute, nahmen am Morgen des 8. August
1956 Bergleute aus Marcinelle und Umgebung sowie aus mehreren
anderen Ortschaften unseres Landes frohgesinnt Abschied von ih-
ren Lieben daheim, um wie alltäglich in der Grube ”Bois du Cazier”
ihr Tagewerk zu vollbringen. s
Kurz nach ihrer Einfahrt an jenem Mittwochmorgen überdeckten
dann plötzlich schwarze Rauchwolken die Schachttürme und ver-
breiteten sich rasch wie Nebel über die Werksanlagen, die umliegen-
den Häuser und Straßen. Durch Flammen, die aus den Schächten
emporkamen, wurde der dunkle Qualm dermaßen erhellt, daß man
den Eindruck gewann, die Grube habe sich in einen Feuer speien-
den Berg verwandelt. €
Erschreckt verließen zahlreiche Menschen ihre Häuser und eilten
durch Straßen, über Schienenwege und rauhe Pflastersteine zur
Grube, wo ihnen der Zugang zum Zechenplatz durch ein großes ei-
sernes Tor versperrt wurde. Der Lärm vor dem Tore und in den
Straßen übertönte das Jammern und Weinen der herbeigeeilten
Frauen, Mütter und Kinder. Mehrere von ihnen brachen im Ge-
dränge der von Panik ergriffenen Menschenmasse ohnmächtig zu-
sammen. Andere ergriffen mit den Händen die Eisenstangen des
Eingangstores und versuchten, es gewaltsam zu öffnen. Vor Angst
und Erregung zitternd, starrten die meisten von ihnen zu den För-
dertürmen empor und riefen unaufhaltsam die Namen ihrer Män-
ner und Söhne, die zur Frühschicht eingefahren waren. Auf ihren
Armen hielten sie ihre weinenden Kinder; andere, die schon größer
waren, zerrten ihren Müttern und Angehörigen aus Furcht fast die
Kleider vom Leibe. Mit Worten kann man die Szenen, die sich vor
dem Eingangstor abspielten, unmöglich beschreiben. Die
Ungewißheit brachte alle an den Rand der Verzweiflung, denn nie-
mand wußte mit Sicherheit, was sich in der Grube ereignet hatte.
Man ahnte nur das eine, nämlich daß dort 275 Menschen in großer
Lebensgefahr schwebten.
52
Ein Stallknecht, welcher auf der 1.035 m Sohle in einem Pferdestall
beschäftigt war, bemerkte das Herannahen des Feuers und lief so
schnell wie er konnte in eine nahegelegene Strecke hinein, wo 7
Bergleute beschäftigt waren. Er rief ihnen außer Atem, stöhnend
und kreischend zu : ”Kommt, kommt schnell, es brennt, es brennt !”
Ohne auch nur einen Augenblick zu zögern, folgten sie diesem Rufe
und rannten zum Schacht, wo zum Glück auf dieser Sohle noch der
Förderkorb zum Einstieg bereit stand. Hastig sprangen sie in das
Abteil hinein, preßten sich fest gegeneinander, damit alle Platz fan-
den. Danach gab einer, wie vorgeschrieben, im Förderkorb stehend
das Signal zur Auffahrt, jedoch der Förderkorb bewegte sich nicht
von der Stelle. Daraufhin sprang einer von ihnen wieder tollkühn
aus dem Abteil hinaus, um die am Schachteingang angebrachte
große Alarmglocke in Betrieb zu setzen. Diese Heldentat brachte
aber dem Bergmann den Tod. Denn im gleichen Augenblick, wo er
den Sprung wagte, schnellte der Förderkorb mit seinen 7 Insassen
den Schacht empor an das Tageslicht, für ihn aber gab es keine Ret-
tung mehr.
Die anderen, die gegen 8.30 Uhr den Förderkorb über Tage verlas-
sen konnten, berichteten tief erschüttert der Grubendirektion und
den Rettern, daß in der Grube ein Höllenfeuer wütete. Sofort wur-
den alle Maßnahmen ergriffen, um in die brennende Grube einzu-
fahren, doch man mußte eine niederschmetternde Feststellung ma-
chen : durch die Hitze des Feuers begann das Förderseil zu schmel-
zen, und ehe sie es verhindern konnten, stürzte das Fördergerüst in
die Tiefe und machte jede Rettungsaktion durch diesen Schacht un-
möglich.
Yanetta aber, der durch einen Irrtum den Ausbruch des Feuers ver-
ursacht hatte, war fast wie durch ein Wunder dem Tod entronnen.
Dieser unglückliche Mensch mußte aber sofort nach seiner Ankunft
über Tage schleunigst vor der erbosten Menschenmenge flüchten,
nachdem sich rund gesprochen hatt, daß er der Urheber dieses
schrecklichen Geschehens war. Von einer ungeheuren Angst befal-
len, hielt er sich Tage lang irgendwo verborgen auf, betonte aber seit
h der ersten Stunde seiner Vernehmung seine Unschuld und beteuerte
immer wieder, daß er von seinem Obersteiger den Auftrag erhalten
habe, den Wagen in diesem Augenblick in den Förderkorb zu
stoßen. Man ließ aber diesen bedauernswerten Menschen schon am
2. November 1956 nach Canada auswandern, wo er ein neues Le-
ben beginnen wollte.
53
Trotz der vielen Rettungsmannschaften, die aus Nah und Fern zur
Unglücksgrube geeilt waren, konnten zunächst keine direkten Ret-
tungsaktionen in die Wege geleitet werden, weil sich auch das För-
dergerüst des 2. Schachtes an einer Stelle, die nicht sofort erreicht
werden konnte, festgeklemmt hatte. Infolgedessen versuchte man,
durch den neuen Schacht in die brennende Grube zu gelangen und
den eingeschlossenen Bergleuten Hilfe zu leisten. Dies war aber mit
großen Schwierigkeiten verbunden und nahm viel kostbare Zeit in
Anspruch. Die Teufungsarbeiten dieses Schachtes waren noch nicht
beendet, so daß viele Hindernisse aus dem Wege geräumt werden
mußten, ehe man wirksame Maßnahmen ergreifen konnte, um dem
Feuer Einhalt zu gebieten und Menschenleben zu retten. Eine die-
ser zahlreichen Schwierigkeiten war, daß der Schacht noch keine
fertige Förderanlage besaß. Deshalb konnten die Retter nur in ei-
nem Kübel bis zu einer gewissen Tiefe in den Schacht hinabgelassen
werden. Ab dort konnten dann erst die tiefer gelegenen Reviere
durch das Hinabsteigen über Schrägstollen erreicht werden. Bevor
jedoch eine Möglichkeit dazu bestand, mußte den Rettern vom neu-
en Schacht aus zunächst durch 2 dicke Betonmauern ein Weg ge-
bahnt werden, denn die Durchgangslöcher, welche dieselben auf-
wiesen, waren nicht groß genug, um den Rettern mit ihren Geräten
den Durchgang zu ermöglichen. Dadurch ging wieder viel kostbare
Zeit verloren, so daß sie erst gegen 16 Uhr die 765 m Sohle erreichen
und die ersten Opfer, 3 Tote und 3 Verletzte dort bergen konnten.
Da man in der Zwischenzeit vergeblich versucht hatte, die Brände
mit Feuerlöschern zu bekämpfen, beschloß man, eine Wasserberie-
selung in Angriff zu nehmen, um die Brände einzudämpfen und die
Atmosphäre in der Grube abzukühlen. Aber auch damit wurde
kein Erfolg erzielt, weil das Wasser schon in 300 m Tiefe unter der
Erde durch die große Hitze, die dort herrschte, verdunstete. Trotz
dieses Mißerfolges und aller Schwierigkeiten legte man dennoch
Wasserleitungen von über Tage bis zu 900 m Tiefe an und setzte die
Brandbekämpfung mit Wasserberieselung fort. Bis zur Mitter-
nachtsstunde gelang es auch, 22 Bergleute aus der brennenden Gru-
be an das Tageslicht zu holen. Unter ihnen befanden sich 13 Überle-
bende, davon 6 verletzt. 9 Bergleute wurden tot geborgen. Mittlerweile
waren außer vielen Helfern und zahlreichen weltlichen und kirchlichen
Persönlichkeiten auch der Direktor Carl von Hoof der Rettungszen-
trale aus Essen, Deutschland, mit Technikern und einem Laborwagen
sowie Herr Berthiaux von der Rettungszentrale aus Douai, Frankreich,
zur Hilfeleistung eingetroffen. Diese erfahrenen Männer arbeiteten
56
Sofort nach dem Grubenunglück sowie in der nachfolgenden Zeit
erhielt dieser Unterstützungsfonds sehr viele großzügige Spenden
aus dem In- und Ausland. Zirka 25.000 Geldspenden wurden auf
das Konto dieses Hilfswerkes eingezahlt und außerdem hatte man
im ganzen Lande Subskriptionslisten in Umlauf gebracht.
Dank der großen internationalen Hilfsbereitschaft, die sich auch
wieder anläßlich dieser Bergwerkskatastrophe zeigte, konnte das
Werk sehr schnell schon über die Summe von 215.250.000 F verfü-
gen.
Gewisse Spender hatten ausdrücklich darauf hingewiesen, daß ihre
Spende nur zur Unterstützung der Familien der Opfer von Marci-
nelle verwendet werden dürfe. Andere dagegen hatten den Wunsch
zum Ausdruck gebracht, daß ein Teil der Gelder aufbewahrt wer- ‚,
den solle, um später auch Familien gleich welcher Todesopfer der
Arbeit sofort unterstützen zu können.
Aus einem Bericht, den das Hilfswerk am 31. Dezember 1974 aufge-
stellt hat und der anläßlich des 20. Jahrestages der Katastrophe, am
8. August 1976, in einer Tageszeitung veröffentlicht wurde, geht
hervor, daß der Hilfsfonds schon im Monat August 1956 jeder Wit-
we einen Betrag von 20.000 Franken als erste Hilfe zukommen las-
sen konnte.
Danach konnten vom 1. September bis zum 31. Dezember 1956 je-
der Witwe wöchentlich 1.000 Franken sowie für jedes Kind unter
18 Jahren 200 Franken ausgezahlt werden.
Bis zum Ende des Jahres 1956 war dann von den Verantwortlichen
ein endgültiger Unterstützungsplan ausgearbeitet worden, wonach
ab Januar 1957 jede Witwe, solange sie unverheiratet blieb, eine
jährliche Rente von 20.000 Franken und jedes Waisenkind 6.000
Franken erhielt. Ferner ließ man jedem Waisenkind als Geschenk
die Summe von 130.000 Franken zukommen.
Außer der Zahlung dieser Geldbeträge sicherte das Hilfswerk die
Deckung der Krankenversicherungsbeiträge der Witwen und bewil-
ligte Studienbeihilfen für die Waisenkinder.
Insgesamt wurden den Familien der Opfer von Marcinelle von Au-
gust 1956 bis Ende 1974, außer den gesetzlich vorgesehenen Unter-
stützungen, 102.051.457 F an Renten und Waisengeld, 28.980.000
F an Geschenken für die Waisenkinder sowie 4.227.458 F für die
Studienbeihilfen aus diesem Hilfsfonds überwiesen.
Wahrlich eine beachtliche finanzielle Hilfeleistung, die damals
durch das Mitgefühl der Mitmenschen aus allen Bevölkerungs-
schichten weit über die Landesgrenzen hinweg zustande kam.
57
Durch dieselbe blieben diese Familien vor allzu großer finanzieller
Not verschont und haben auch dank der Nächstenliebe, die ihnen
bekundet wurde, die schmerzlichen Verluste sowie das große Leid
leichter ertragen und besser überwinden können.
Marcinelle nach 20 Jahren
Unter dieser Überschrift war in einer Tageszeitung vom 8. August
1976 ein Bericht zu lesen über ein Gespräch, welches Pressevertre-
ter 20 Jahre nach dem Unglück mit zwei Männern führten, die da-
mals zum Personal der Grube ”Bois du Cazier” gehörten. Einer von
ihnen, Andre Goes, war, als das Unglück geschah, bei der Grubendi-
rektion als Pkw-Fahrer und hatte später bei der Gasgewinnung, -
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Diese Bergmannsstatue erinnert auf dem Friedhof in Marcinelle an den qualvollen
Tod der 262 Bergleute von ”’Bois du Cazier”,
Hinter der Statue stehen 4 Mitglieder der Kelmiser St. Leonard-Vereinigung der
Bergleute und Schaffenden (1974).
Von links nach rechts : Schmetz Rene, Fagot Willy, Frenzel Fritz (Präsident des Leo-
nard Vereins) und Willi Uerlings (Präsident der Grubenarbeiter-Krankenträger).
58
dies war die letzte Tätigkeit, welche man in der Grube unternom-
men hatte -, die Leitung dieser Arbeiten übernommen. Nach seinen
Aussagen waren im Jahre 1976 nur noch 3 Arbeiter in der Grube
beschäftigt, um diese Tätigkeit auszuüben.
Oberirdisch hatte man fast alle Werksanlagen außer Betrieb gesetzt
und zerfallen lassen. Der neue Schacht, der beim Ausbruch der Ka-
tastrophe noch nicht fertiggestellt war, der aber tage- und nächte-
lang dazu gedient hatte, Rettungsarbeiten zu unternehmen und Lei-
chen aus der Grube zu transportieren, sei nach dem Grubenbrand
bis zu einer Tiefe von 1.200 m gesenkt worden. Auch habe man des-
sen Förderturm mit den modernsten elektronischen Bedienungsein-
richtungen Europas ausgestattet. Leider, fügte er hinzu, seien diese
Arbeiten und kostspieligen Anschaffungen vergebens gewesen, -
denn der neue Schacht der Grube ”Bois du Cazier” habe niemals zur
Kohleförderung benutzt werden können, obwohl dazu noch in der
Grube genügend Kohle vorhanden gewesen sei.
Aus dem Gespräch mit Andre Goes ging ebenfalls hervor, daß die
Grube im Jahre 1960 ihre Tore schloß und danach auch die moder-
nen Fördereinrichtungen des neuen Schachtturmes nach Katanga
transportiert wurden. Es fand seinen Abschluß mit dem Hinweis,
daß die letzten Kohlen für die Witwen der Todesopfer von Marci-
nelle im Jahre 1967 aus der Grube ”Bois du Cazier” gefördert wur-
den sowie der vielsagenden Bemerkung, daß aus ihr eine traurige
Stätte geworden sei, über der für ihn nach 2 Jahrzehnten noch stets
die Schatten des Unheils vom Monat August 1956 sehr gut sichtbar
blieben.
Der zweite Mann, der das Unglück miterlebte, war Obersteiger An-
gelo Galvan. Dem Zeitungsbericht nach blickte auch er noch jeden
Tag von seiner Wohnung aus zu den Schachttürmen der Unglücks-
grube empor; auch er hatte nach 20 Jahren die schreckliche Tragö-
die von Marcinelle nicht vergessen. In der Nacht vor derselben hat-
te er wie üblich die Grube befahren und kurz nach seiner Ausfahrt
am Morgen gesehen, wie sein Arbeitskollege Obersteiger Gaston
Vausort mit den übrigen Bergleuten frohgelaunt zum Schacht eil-
ten und anschließend nacheinander im Förderkorb Platz nahmen,
um zu ihrem Arbeitsplatz hinabzufahren. Er gehörte zu den ersten,
die sofort nach Bekanntwerden des Unglücks an den Rettungsver-
suchen teilnahmen und mithalfen, Überlebende und Tote zu ber-
gen. Ihm, der 1970 in den wohlverdienten Ruhestand trat und trotz-
dem. Tag für Tag an seine toten Berufskameraden denkt, wurde im
Jahre 1976 zunächst die Frage gestellt, wodurch eigentlich damals
59
die schreckliche Katastrophe entstanden sei. Spontan gab er als Ant-
wort : "Meiner Meinung nach ist damals sehr viel Unsinn über das
entsetzliche Geschehen erzählt und geschrieben worden. Das ganze
ist einfach durch ein Mißverständnis zwischen denjenigen, welche
ober- und unterirdisch an den Ladestellen für die Kohlenförderung
sorgen mußten, hervorgerufen worden. Antonio Yanetta ist damals
fest davon überzeugt gewesen, daß der Förderkorb in jenem Augen-
blick von ihm beladen werden mußte. Deshalb begann er ohne eine
Sekunde zu zögern mit dieser Arbeit.
Ob er aber in jenem verhängnisvollen Augenblick dazu, wie er stets
behauptet hat, von seinem Vorgesetzten, dem Obersteiger Vausort,
den Auftrag erhalten hat, darüber bin ich nach wie vor im Zweifel.
Warum? Weil ich später meinen Kollegen Vausort tot auf der
1.035 Sohle gefunden habe. Es bleibt für mich ein Rätsel, wie er
dorthin gekommen sein soll, wenn er im Augenblick, als das Un-
glück geschah, bei Yanetta war. ”Außerdem fügte er noch hinzu,
Obersteiger Vausort sei in jeder Hinsicht ein verantwortungsvoller,
vorbildlicher Mensch gewesen, der besonders auf dem Gebiete der
Sicherheit nichts dem Zufall überlassen habe.
Da Angelo Galvan einige Wochen bevor dieses Gespräch stattfand,
zusammen mit einem Filmteam der R.T.B. den 52-jährigen Yanetta
in Canada besucht hatte, wünschte man auch einiges über dieses
Zusammentreffen nach 20 Jahren zu erfahren. Galvan erfüllte die-
sen Wunsch und erklärte zunächst fogendes : ”Ich habe diese Reise
mit dem Filmteam nach Canada nur unternommen, weil Yanetta,
wenn ich, sein ehemaliger Vorgesetzter, nicht dabei gewesen wäre,
sich geweigert hätte, mit dem Filmteam aus Belgien über den Gru-
benbrand von Marcinelle zu sprechen.”
Anschließend berichtete er unter anderem über die Begegnung
nachstehende Einzelheiten :
”Wir sind Yanetta in der Ortschaft Toronto in Canada begeg-
net und haben mit ihm in seiner Wohnung gesprochen. Er lebte dort
allem Anschein nach mit seinen 5 Kindern, wovon schon 3 verhei-
ratet waren, zufrieden als Eisenbahnarbeiter. Man konnte aber an
seinem Verhalten deutlich erkennen, daß er nach all diesen Jahren
die Grube ”Bois du Cazier” und das Geschehen vom 8. August 1956
nicht vergessen hatte. Stets sehe er noch die Bilder seiner damaligen
toten Arbeitskameraden vor seinen Augen. Manchmal glaube er
auch noch das Weinen der Kinder und die herzzerreißenden Klage-
schreie der schwergeprüften Mütter und Frauen zu hören. Dieses
lasse ihn oft tagelang völlig verwirrt und niedergeschlagen umher-
60
rennen. Auch habe Yanetta anläßlich dieses Zusammentreffens er-
neut seine damaligen Aussagen, die er der Gerichtspolizei machte,
dem Filmteam der R.T.B. gegenüber wiederholt, daß Vausort ihm
den Auftrag gegeben habe, den mit Kohle beladenen Wagen in den
Förderkorb hineinzustoßen. -
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Das Eingangstor zum Friedhof von Marcinelle. Kelmiser Mitglieder der Sankt
Leonard-Vereinigung verlassen mit der Vereinsfahne, ganz links im Bild, sowie mit
ihren Familienangehörigen den Friedhof, wo sie im Jahre 1959 die Gräber der Opfer
von Marcinelle besuchten.
Diesbezüglich äußerte Galvan aber nochmals seine Zweifel
und bemerkte, daß Vausort im Alter von 15 Jahren in der Grube
”Bois du Cazier” seine bergmännische Laufbahn als Pferdejunge be-
gonnen habe und ein tüchtiger, zuverlässiger Bergmann gewesen sei,
der sogar aufgrund seiner Fähigkeiten zum Obersteiger ernannt
wurde. Obersteiger ist im Bergbau das höchste Amt, welches man
ohne Universitätsstudium erreichen kann. Nachdem Galvan noch
hinzugefügt hatte, daß heute dies alles der Vergangenheit angehöre,
das Volk immer nach einem Sündenbock suche und schließlich das
Gericht sein Urteil gefällt habe, erinnerte man ihn jedoch daran,
daß damals, als man knapp 3 Monate nach der Katastrophe Yanetta
nach Canada habe auswandern lassen, mancher die Kritik geäußert
habe, dies sei ihm nur erlaubt worden, damit er nicht vor Gericht zu
erscheinen brauche.
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Hierauf erwiderte Galvan, wie in dieser Zeitung vom 7.-8. Au-
gust 1976 weiter zu lesen stand, das sei unrichtig gewesen. Yanetta
habe schon lange bevor das Unglück geschah, bei den zuständigen
Behörden seine Auswanderung nach Canada beantragt, weil er dort
Familienangehörige gehabt habe.
Ebenso fest und überzeugt antwortete Galvan auf die Frage,
die noch sehr lange nach dem Grubenbrand von den Angehörigen
der Opfer gestellt worden ist, ob es nicht möglich gewesen wäre,
mehr Menschenleben zu retten, wie folgt :
”Als ich am Nachmittag des 8. August zum zweitenmal in die Gru-
‚be hinabstieg und dort überall die Pferdeleichen liegen sah, war ich
sicher, daß keine Hoffnung mehr bestand, dort unten noch Überle-
bende bergen zu können, denn, wo Tiere nicht überleben können,
ist dies auch für keinen Menschen möglich. Alles Menschenmögli-
che ist unternommen worden. Jeder einzelne Retter hat damals
waghalsig sein eigenes Leben auf’s Spiel gesetzt. Sowohl die in- wie
die ausländischen Rettungsmannschaften und nicht zuletzt die
deutsche Mannschaft der Rettungszentrale aus Essen. Hut ab vor
diesen mutigen und wackeren Menschen, von den einfachen Berg-
leuten angefangen bis zu den Technikern und Ingenieuren! Das war
auch die Meinung des Ingenieurs Du Tilleul von der Rettungszen-
trale zu Monceau-Fontaine!”
Aus diesen Zeitungsberichten, die anläßlich des 20. Jahrestages
der Katastrophe veröffentlicht worden sind, ist erneut klar und
deutlich hervorgegangen, daß während und nach derselben die in-
ternationale Hilfsbereitschaft, um Menschenleben zu retten und
den Hinterbliebenen beizustehen, nicht gefehlt hat. Letzteren ist
von Mitmenschen aus aller Welt geholfen worden, ein neues Leben
zu beginnen, was sie auch mutig getan haben. Ebenso ist dafür ge-
sorgt worden, daß die Opfer von Marcinelle nie vergessen werden.
Auf dem Gemeindeplatz in Marcinelle ist zum steten Gedenken an
die Opfer des Grubenbrandes in ”Bois du Cazier” ein internationales
Denkmal errichtet worden. Es besteht aus verschiedenen Marmor-
blöcken, die neben- und übereinander aufgestellt wurden. Auf je-
dem einzelnen Stein ist der Name eines Landes angegeben, welches
ein oder mehrere Todesopfer zu beklagen hatte. Außerdem steht an
der rechten Seite des Denkmals auf einem Stein die Statue eines
Bergmannes, welcher die zur Einfahrt in das Bergwerk erforderliche
Kleidung trägt sowie mit Grubenlampe und Abbauhammer ausge-
rüstet ist.
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Auf den lobenswerten Gedanken, den Opfern der Tragödie dieses
Denkmal zu setzen, kam Ende August 1956 die Redaktion der Zei-
tung "Journal de Charleroi”. Sie bildete sofort zu diesem Zwecke ein
Komitee, an dessen Spitze der damalige Direktor dieser Tageszei-
tung und General-Präsident der Vereinigung der belgischen Presse,
Marius des Essarts, stand.
Zum steten Gedenken an die 262 Todesopfer konnte auch auf dem
Friedhof von Marcinelle, wo zahlreiche bei dem Grubenunglück
ums Leben gekommene Bergleute in einem Massengrab ihre letzte
Ruhestätte fanden, ein sinnvolles Memorial durch die Provinz Hen-
negau aufgestellt und am Sonntag, dem 20. März 1960, in Gegen-
wart Seiner Majestät des Königs eingeweiht werden.
Es besteht aus einer athletischen Statue, die einen völlig entblößten, i
großen und starken Bergmann darstellt. Diese Statue ist ein Werk
des belgischen Bildhauers De Soede. Sie wurde auf einem aus behau-
enen Bruchsteinen angefertigten und mit großen Steinplatten be-
deckten Sockel aufgestellt. Es ist eine der eindruckvollsten Darstel-
lung eines Kohlengräbers, die höchstwahrscheinlich versinnbild-
licht, daß die 262 Todesopfer von Marcinelle, so wie zahlreiche
Bergleute anderswo, ihre ganzen Kräfte wie ein Athlet hergaben,
um. den Bodenschatz Kohle abzubauen. )
Hohe kirchliche und weltliche Würdenträger, Tausende Menschen
aus allen Bevölkerungsschichten, unter ihnen viele Vertreter des
Auslandes sowie Abordnungen von bergmännischen Vereinen aus
Belgien und anderen Ländern, nahmen damals an den Trauerfeier-
lichkeiten teil. Viele von ihnen waren tief ergriffen von dem Leid,
welches über die Familien der Opfer hereingebrochen war, und ga-
ben den Toten ein ehrendes Geleit zur letzten Ruhestätte auf dem
Friedhof in Marcinelle.
Seitdem haben aber auch fast alljährlich Vereinigungen der Bergleu-
te, besonders die Mitglieder des Kelmiser St. Leonard- und
Grubenarbeiter-Krankenträger-Vereins die Gedenkstätten in Marci-
nelle besucht und mitgeholfen, die Not der schwergeprüften Fami-
lien zu lindern, indem sie zu Gunsten derselben im Göhltal Veran-
staltungen organisierten, woran alle Bevölkerungsschichten regen
Anteil nahmen und auf diese Weise den Einwohnern von Marcinel-
le ihre Verbundenheit bekundeten.
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Als Kelmis am 20. September 1969 den fünfzigsten Jahrestag seiner
Vereinigung mit Belgien feierte und aus diesem Anlaß der damalige
Innenminister Harmegnies, der zu dieser Zeit auch Bürgermeister
der Gemeinde Marcinelle war, im Kelmiser Gemeindehaus empfan-
gen wurde, schenkten die Kelmiser ”Köhler” ihm als äußeres Zei-
chen der brüderlichen Verbundenheit mit den Bewohnern von Mar-
cinelle eine Grubenlampe der ehemaligen Erzbergleute, welche bis
um das Jahr 1935 in den Erzbergwerken der Altenberger Berg-
werksgesellschaft im Göhltal beschäftigt waren. Auch wurde seit
der Katastrophe von Marcinelle jahrelang bei bergmännischen Ver-
anstaltungen in den Bergbauortschaften des Göhltales sehr oft ein
Lied gesungen, welches gern gehört wurde und schildert, wie ein
Bergmannskind vergeblich auf die Heimkehr seines Vaters wartet,
so wie das damals für viele Kinder in Marcinelle der Fall gewesen
war. Nachstehend der Text des Liedes :
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20. September 1969 — Die Kelmiser Mitglieder der Bergmannsvereine ließen dem
Innenminister und damaligen Bürgermeister von Marcinelle, Harmegnies, durch ih-
ren Vorsitzenden im Kelmiser Gemeindehaus eine Karbidlampe überreichen.
Es war eine Originalgrubenlampe, die von den Erzbergleuten in den Erzbergwerken
im Göhltal nach dem Ersten Weltkrieg bis 1936 benutzt worden war,
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Mit dunklen Augen, bleichen Wangen,
ein Kindlein steht vor'm Bergmannshaus,
da tritt das Herz voll heißem Bangen
sein Mütterlein zu ihm hinaus.
Die Locken streichelt sie dem Kinde, 2
das fröhlich spricht im Abendschein :
”Ach Mutter, wenn die Glocken läuten,
da kommt der Vater wieder heim.”
Sieh doch des Schicksals schnelles Walten
manch’ Lebensglück im Nu zerbricht;
es klingt die Glock’ vom Turm, dem alten,
doch ach den Bergmann bringt sie nicht. £
Das Kindlein seufzt, ins Mutterherz
bricht längst des Unglücks Ahnen ein.
”Ach Mutter, nun die Glocken läuten,
nun kommt der Vater sicher heim.”
Es ist vorbei, ein Bergmannsleben
geht nun nach langer Fahrt zur Ruh’;
der Freunde Trauerklagen geben
dem Scheidenden Geleit dazu.
Da klingt auf einmal bitter weinend,
verklungen kaum des Priesters Reim:
”Ach Mutter, wenn die Glocken läuten,
da kommt der Vater nimmer heim,
ach Mutter, wenn die Glocken läuten,
da kommt der Vater nimmer heim.”
(Forts. folgt)
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Die ehemaligen Getreidemühlen am
Göhlbach in der Großgemeinde
Plombieres
von Alfred Jansen
Am 7. und 8. Februar 1984 führte der Göhlbach nach tagelang
anhaltendem Regen Hochwasser. Diese Wassermassen, so großartig
sie sich als Schauspiel darboten, richteten Unheil an, von dem an be-
sagten Tagen die Mühle in Terbrüggen, an der Gemeindegrenze
Gemmenich und Sippenaeken gelegen, in Mitleidenschaft gezogen
wurde,
Es wurde ihr, so paradox es klingen mag, die Wasserzufuhr ab-
geschnitten. Einige Meter unterhalb des Flutgrabens, der die Mühle
mit Wasser versorgte, hatte man einen Staudamm errichtet, so daß
derselben immer ein konstanter Wasserzufluß gesichert war.
An den nun erwähnten Februartagen prallten die Wassermas-
sen gegen das Wehr und da dasselbe standhielt, bohrten sich die Flu-
ten in das Erdreich und spülten sich an der linken Seite einen Weg
frei. Die Mauer erfüllte ihren Zweck nicht mehr. Das war das ”Aus”
für die Mühle. Es war die letzte Getreidemühle, die auf belgischer
Seite, versorgt mit Göhlwasser, noch in Betrieb gewesen war.
Auf der kurzen Strecke, die der Bach im Bereich der
Großgemeinde Plombieres durchquert, ist er voll ausgenutzt wor-
den. Nicht nur Getreidemühlen, sondern auch Walkmühlen stan-
den an seinen Ufern und bedienten sich der billigen Energiequelle.
Eins hatten sie alle gemeinsam : ein respektables Alter. Wenn
die Tranchotkarte zu Beginn des 19. Jahrhunderts schon alle auf-
weist, so können die meisten doch auf eine viel ältere Entstehungs-
zeit zurückblicken. Die Mahlwerke, denen wir uns hier zuwenden
und die uns als Gebäude bis auf den heutigen Tag erhalten geblie-
ben sind, bieten alle eine bescheidene bauliche Struktur, deren
Größe im Verhältnis zu der ihnen zur Verfügung stehenden Wasser-
kraft des Baches stand.
Eine Ausnahme war die Schynsmühle, die lange Zeit als Walk-
mühle betrieben worden ist, eine größere Infrastruktur besaß und
infolgedessen einen höheren Wasserverbrauch beanspruchte, was
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verschiedentlich zu Unstimmigkeiten zwischen den verschiedenen
Nutznießern des Baches geführt hat.
Die Mühlen hatten in früherer Zeit eine vorrangige Bedeu-
tung, war doch das Brot, neben der Kartoffel, die Grundlage der Er-
nährung. Deswegen wies die Gegend hier in vergangenen Zeiten
viel mehr Ackerland auf als heute.
Erst als die Industrialisierung fortschritt, wichen die Getreide-
felder dem Weideland. Damit verloren die Mühlen ihre Daseinsbe-
rechtigung, und eine nach der anderen stellte ihre Tätigkeit ein. Ei-
gentümer dieser Einnahmequellen waren meistens die adeligen Fa-
milien, die die in der Nähe liegenden Herrensitze innehatten. Die
Walkmühlen indessen waren im Besitz reicher Fabrikanten. Der .
Zeitentwicklung entsprechend, sind diese Privilegien abgebaut wor-
den, so daß beherzte Unternehmer ebenfalls Zugang in höhere so-
ziale Schichten fanden.
Seit jeher war der Mensch bemüht, sich die Energiequellen
Wasser und Wind zu Nutze zu machen; das ist ihm auch Dank der
ihm bekannten physikalischen Gesetze weitgehend gelungen.
Bevor wir uns mit den uns interessierenden Mühlen befassen,
möchte ich doch kurz erläutern, was es so mit einem Mahlwerk auf
sich hat.
Mühlen sind Maschinen zum Zerkleinern fester Körper. Ur-
sprünglich waren das nur die Vorrichtungen, die ausschließlich zum
Mahlen von Getreide dienten, später wurde der Begriff erweitert
und auf alle Maschinen ausgedehnt, die zum Zerquetschen und Zer-
reiben von Samen und Früchten gebaut wurden, mit denen man
Holz oder Steine sägte oder schnitt, Lumpen zerkleinerte, aus Fa-
sern Fäden bildete u.s.w. Aus dieser Zeit stammen auch die Namen
Ölmühlen, Papiermühlen, Säge-, Spinn- oder Walkmühlen, die aber
später wieder verschwanden, als die betreffenden Maschinen perfek-
tioniert wurden und der Betrieb sich fabrikmäßig gestaltete. Der
Mahlprozeß, wie er hier in unseren Göhltalmühlen stattfand, war
denkbar einfach. Nachdem das Mahlgut durch Sieben von groben
Verunreinigungen befreit und durch Luftstrom auch der Staub dar-
aus entfernt worden war, wurde das Getreide dem eigentlichen
Mahlgang zugeführt. Es geriet durch eine Schüttelvorrichtung zwi-
schen die Mahlsteine. Dieselben bestanden aus dem festliegenden
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Bodenstein und dem beweglichen oberen Läufer. Die einander zuge-
kehrten Mahlflächen sind in verschiedener Weise teils durch tiefere,
teils durch feinere Furchen aufgerauht, damit sie die Körner besser
fassen, zerreiben und das durch eine zentrale Bohrung des Läufers
zufließende Mahlgut an den Außenrand schieben können, wo es
- ausgeworfen wird. Die beiden Mahlsteine waren durch eine techni-
sche Vorrichtung aufeinander zu verstellbar.
Sollte nun aus Weizen oder Korn feines Mehl gewonnen wer-
den, so siebte man das auf diese Weise zerquetschte Getreide mittels
eigens dazu gewebter Gaze, des sogenanntem Müllertuches.
Grob gesehen ist das die Methode der Flachmüllerei, die aber
niemals zu einer vollständigen Trennung des Mehlkorns von der
Schale und seinem Inhalt führte.
Dagegen war die später eingeführte sogenannte Hochmüllerei
technisch viel ausgereifter, bis dann die Walzenmüllerei alles andere
übertraf und zur heute industrialisierten, zur Perfektion ausgereif-
ten Getreideverarbeitung, führte.
Grundgedanke aber war die Ausnutzung der Wasserkraft
durch ein gleichförmiges, rotierendes Rad, welches auf horizontaler
Welle sitzend ein vertikales, auf vertikaler Welle sitzend ein horizon-
tales Wasserrad genannt wurde.
Von allen Wasserrädern verlangt man, daß sie die zur Verfü-
gung stehende, von Wassermenge und Gefälle abhängige Wasser-
kraft möglichst vollständig ausnutzen.
Man versteht dabei unter Wassermenge das in der Regel mehr
oder weniger veränderliche Wasservolumen, welches pro Sekunde
einen Querschnitt des Baches oder Flusses passiert und welches man
durch genaue Aufnahme eines Querprofils und der in demselben
stattfindenen mittleren Stromgeschwindigkeit, d.h. des Wasserwe-
ges pro Sekunde, ermittelt.
Gibt man die Wassermenge in Litern durch die Zahl Q an, so
wiegt dieselbe auch Q Kilogramm und die mechanische Arbeit, wel-
che sie verrichten kann, wenn das Gefälle H. Meter beträgt, ist pro
Sekunde H.Q. Meterkilogramm oder H.Q. : 75Pferdekräfte. Hier-
nach würde eine Wassermenge von 500 Litern bei 6 m Gefälle eine
theoretische Arbeitsleistung von (500 X 6) : 75 = 40 Pferdekräften
verrichten können, wenn das Wasserrad so vollkommen wäre, diese
ganze Arbeitsstärke nutzbar zu machen. Letzteres ist aber niemals
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der Fall, sondern das Verhältnis der nutzbar gemachten zu der theo-
retischen Arbeitsstärke, d.h. der Wirkungsgrad des Wasserrades, ist
immer ein echter Bruch, der zwischen 0,3 und 0,8 schwankt. Der
Grund dieser Erscheinung liegt einesteils an den Reibungswider-
ständen des Wassers in den Schaufeln und im Gerinne sowie in den
Zapfenreibungen der Welle, andernteils in dem Umstand, daß das
Wasser das Rad mit einer gewissen Geschwindigkeit verläßt, wo-
durch ein Teil von dessen Arbeitsfähigkeit unausgenutzt bleibt.
Auf zwei verschiedene Weisen kann das Wasser seine Kraft
auf das Rad übertragen : 1) Wirkung durch das Gewicht und 2) Wir-
kung durch Stoß. Die erste Wirkungsart ist für vertikale Wasserrä-
der die vollkommenste und kommt fast ausschließlich bei den soge-
nannten oberschlägigen Rädern in Anwendung, bei denen das Was-
ser durch ein über dem Rad liegendes Gerinne demselben zugeführt
wird und seine Schaufeln füllt, sodann fast die ganze Höhe des Ra-
des durchläuft und nahe dem tiefsten Punkt zum Austritt gelangt.
Nur durch Stoß wirken die unterschlägigen Räder, welche mei-
stens ganz frei im unbegrenzten Wasser hängen und nur durch den
Wasserstoß in Umdrehung. gebracht werden und daher viel Wasser
ungenutzt fortgehen lassen.
Außerdem gibt es noch rücken-, mittel- und halbmittelschlägi-
ge Räder, die teils durch Stoß, teils durch Gewicht dem Rad das
Wasser zuführen, und zwar an einer Stelle, die ungefähr auf der Hö-
he der Achse des Rades oder zwischen dieser und dem tiefsten
Punkt des Rades liegt.
Diese Systeme setzen aber technische Aggregate voraus, z.B.
krumme Schaufeln, konzentrische Kröpfe, verstellbare Stützen,
(Poncelerad) u.s.f. Ausschlaggebeng für die Art. und Weise, wie dem
Rad das Wasser zugeleitet wird, um optimal die zu erwartende
Energie zu nutzen, ist aber letzten Endes die Beschaffenheit des Ge-
ländes.
Die Schynsmühle in Moresnet
Verläßt man das Dorf Moresnet in Richtung Montzen, so biegt
links hinter der Göhlbrücke ein Weg ab, dessen Namensschild ihn
als ”Rue de la Foulerie” ausweist. Zu Deutsch : ”Walkmühlen-
straße”. Folgen wir ihm, so stehen wir nach zirka 300 m vor der ehe-
maligen Schynsmühle.
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Die Mühle Schyns nach dem Ersten Weltkrieg
Zu beiden Seiten des Weges erstrecken sich imposante Gebäu-
deteile, die außerdem noch in Höhe des zweiten Obergeschosses
durch einen geschlossenen Übergang verbunden sind.
Der aufmerksame Beobachter wird hier und da noch daran er-
innert, daß es sich um eine ehemalige Mühle handelt. So, zum Bei-
spiel, die beiden alten und schon ganz verwitterten Mühlsteine ent-
lang des Weges oder der an der Hinterseite des Hauptgebäudes her-
angeführte Flutgraben, dessen Wasser, wenn nicht anderweitig ge-
braucht, über eine drei Meter hohe Kaskade geräuschvoll wieder
dem Göhlbach zugeleitet werden.
In einer alten Steuerrolle aus dem Jahre 1627 werden schon
zwei Mühlen im Bereich des Ortes Moresnet erwähnt, (1) leider oh-
ne Angabe der Besitzer. Weitere Steuereintragungen aus dem Jahre
1687 weisen den Baron Jean Charles de Dobbelstein, Eigentümer
der Eyneburg, als Besitzer einer Mahlmühle in Moresnet aus. Die-
selbe ist in den Jahren 1687, 1698 und 1703 jedesmal im Ortsteil
Bambusch zu finden. (2)
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Bekanntlich galten in vergangenen Zeiten Bach- oder
Flußläufe als sicherste Grenzmarkierungen. Da nun der Ortsteil
Bambusch bis zur Göhl hinunterreichte, wie z.B., der Ortsteil Sier
ebenfalls den Bach als Grenze hatte, so ist mit Bestimmtheit anzu-
nehmen, daß an der Stelle des jetzigen Gebäudekomplexes eine
Mühle gestanden hat.
Im Jahre 1724 verkaufte der Baron Dobbelstein die Mühle an
den ”Meier” Lambert Franck (3). Aus der vorhin genannten Jahres-
zahl und dem im Giebel des Mühlenhauses zu sehenden Zahlenan-
ker mit der Jahreszahl 1725 kann man schließen, daß Herr Franck
die alte Mühle abgerissen und den neuen Trakt an ihrer Stelle ge-
baut hat. Die Ausmaße des Hauses lassen auch die Vermutung zu,
daß sie als Walkmühle eingerichtet wurde. (
Die Familie Franck hatte die Mühle jahrzehntelang in Besitz,
ob sie dieselbe auch bewohnt hat, kann ich nicht belegen. 1770 be-
wirtschaftete sie ein Pächter namens Petrus Driessen ”Vollenaer
woenende in de Voollmoelen”.
Diese Anmerkung zeichnet sie in der Steuerrolle als Walkmüh-
le aus. Eingetragen als Eigentümer stehen im Jahre 1787 "Mathias
und M. Schmits”, woonende tot Aaken ende Borscheyt” (4). Diese
wohlhabende Familie besaß auch in der Nähe von Aachen eine
Mühle.
Aber noch immer war es die Familie Driessen, die die Walk-
mühle in Pacht hatte.
Im Laufe des 18. Jahrhunderts war die Mühle Gegenstand ei-
nes langwierigen Prozesses am Reichskammergericht in Aachen we-
gen einer Schuldverschreibung zu Lasten derselben, als sie noch Ei-
gentum des Barons von Dobbelstein war.
An Hand der Jahreszahl, die als Verankerung an der Frontsei-
te zu sehen ist, kann man sagen, daß das Unternehmen im Jahre
1801 bedeutend vergrößert worden ist.
Als Besitzer finden wir im ersten Drittel des Jahrhunderts im
Kataster einen Herrn Steinberg eingetragen. Diese Vergrößerung
bedingte natürlich auch einen größeren Wasserverbrauch. Das führ-
te zu ernsten Meinungsverschiedenheiten mit dem Bergwerk in Kel-
mis, das ebenfalls viel Wasser benötigte. Es hatte zur Folge, daß ein
konstantes Wasserniveau im Göhlbach nicht immer gewährleistet
war:
71
Der Streit endete 1855 damit, daß die Bergwerksgesellschaft
”Vieille Montagne” die Walkmühle aufkaufte.
Fünf Jahre später, 1860, veräußerte dieses Unternehmen die
Mühle an Herrn Michel Schmetz, Bürgermeister von Moresnet.
Derselbe baute die Gebäudeteile wieder zu einer Getreidemühle um.
1880 kam als Pächter ein Herr Boffenrath in den Betrieb, des-
sen erster Müllersknecht ein Herr Kerkhoff aus Kelmis war. Er hei-
ratete die Tochter des Vorgenannten und wurde somit Mitpächter.
In der Mitte des letzten Jahrzehnts des vorigen Jahrhunderts
kündigten diese Mieter ihren Pachtvertrag, und als Nachfolger be-
zog dann, ebenfalls als Pächter, Herr Eugene Schyns die Mühle, die
er im Jahre 1905 kaufte.
Herr Eugene Schyns, der später jahrelang Bürgermeister von
Moresnet gewesen ist, zeichnete sich besonders durch einen ausge-
prägten Unternehmungsgeist aus. Er baute die Mühle erheblich aus
und hatte bisweilen ein Dutzend Beschäftigte in seinem Unterneh-
men. Sein erstes Bestreben galt dem Anschluß an das Eisenbahn-
netz, was um so leichter zu bewerkstelligen war, als die Bahnlinie
von Kelmis-Moresnet hinter seinem Eigentum vorbei führte.
Der erste Weltkrieg brach aus und damit auch für jeden, der so
etwas erlebt hat, die sattsam bekannten Versorgungsschwierigkei-
ten. Hier bewies Herr Schyns wieder einmal seine Vielseitigkeit. Er
fabrizierte elektrischen Strom für den Eigenbedarf. Über eine Was-
serturbine wurde ein Generator angetrieben, dessen Energie in Bat-
terien aufgespeichert wurde, die ihrerseits die Glühlampen speisten.
Die Petroleumlampe hatte ausgedient. Davon profitierte ebenfalls
der ehemalige Müllersknecht, Kerkhoff, der einige hundert Meter
weiter im Dorf wohnte. Nach und nach, wohl auch der Not gehor-
chend, wurden Nachbarn und Bewohner des Ortes an das primitive
Versorgungsnetz angeschlossen.
Als dann nach dem Kriege die Stromkabel überallhin verlegt
wurden, sorgte das Eupener Elektrizitätswerk für geregelte Verhält-
nisse.
Dem Zuge der Zeit folgend, ersetzte man die Pferdefuhrwerke
durch Lastkraftwagen.
Stillgelegte Bergwerke oberhalb des Göhlbaches hatten zur
Folge, daß durch das Ausfallen der dortigen Wasserpumpen das
Problem der Wasserversorgung wieder zur Sprache kam.
%3
Nach dem Kriege hat sich dann die Ernährungsweise für das
Vieh grundlegend geändert. Neue Futtermethoden wurden ent-
wickelt, was sich nachteilig auf die Mühle auswirkte. 1972 wurde
der Mahlbetrieb eingestellt.
Der ganze Komplex ist 1953 verkauft worden und seit 1984
baut der neue Eigentümer, Herr Schulze, das Mühlenhaus zu Woh-
nungen um. Er hat die aus dem Jahre 1953 stammende Turbine und
den Generator wieder in Gang gesetzt und ist in Zukunft vor jedem
Stromausfall gesichert.
(1) Firmin Pauquet : Herrschaft, Kelmis, Göhltal N° 5, S, 19
(2) Steuerrolle Lambert Franck, in Privatbesitz
(3) Quix S. 218
(4) Archives de l’Etat, Liege, Duche de Limbourg, Nr. 614.
Die Pickertzmühle in Moresnet
Von der Dorfmitte in Moresnet aus biegt man direkt vor der
Göhlbrücke nach links in Richtung Viadukt und steht, da wo sich
der Weg als Sackgasse ausweist, vor einem offensichtlich restaurier-
ten Gebäudetrakt, dessen linke Seite doppelgeschossig gehalten ist
und, mit einem Krüppelwalmdach versehen, mit der Giebelseite
nach vorne zeigt. Es ist die frühere ”Pickertzmühle”.
Fast senkrecht unter dem hohen Viadukt gelegen, im soge-
nannten Ortsteil ”Lueplei”, ist das Einzige, das noch an die Mühle
erinnert, der Flutgraben, dessen Wasser vom Göhlbach kommend
auch heute noch den Bogen zu dem ehemaligen Mahlwerk machen,
um dann wieder dem Bach zuzufließen. Wenn andere Mühlen etwa
durch Unrentabilität ihre Tätigkeit eingestellt haben, so war es hier |
die Zerstörung der Brücke zu Beginn des zweiten Weltkrieges, die |
dem Unternehmen ein vorzeitiges Ende setzte.
So wie sich das Ganze heute darstellt, kann man davon ausge-
hen, daß von dem ursprünglichen Bau nur der linke Flügel sowie ei-
nige Grundmauern übrig geblieben sind.
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Die Pickertzmühle unterhalb des Viadukts um 1910.
Der letzte Müller hieß Radermecker, und so nannte der Volks-
mund sie denn auch ”Rademeckermühle”. Es war aber immer die
”Pickertsmühle”, obwohl dieser Name nirgendwo als Eigentümer
| oder Pächter in alten Bevölkerungsregistern eingetragen ist. Könnte
| man den Namen vielleicht damit erklären, daß von der Mühle aus in
Richtung Dorfkirche gesehen ein altes Gebäude steht, welches wo-
möglich in ganz früherer Zeit einmal Dorfschenke gewesen ist und
den Namen ”ene Pickert” hatte und auch heute noch hat, eine Be-
zeichnung, die heutzutage noch für diesen Erwerbszweig gängig ist.
Da könnte sich doch der Name auf die 100 m weitere gelegene
Mühle übertragen haben.
Der im Jahre 1845 eingetragene Besitzer hieß Antoine, Guil-
laume Hüffer, Fabrikant in Eupen. Dieser Herr Hüffer sowie sein
Schwiegervater, Johann Gerhard Hüffer (1) hatten in Eupen große
Tuchfabriken und galten als reiche Leute.
Nun weiß man aus den Geschichtschroniken, daß das Jahr
1816 durch anhaltende Regenfälle für die hiesige Gegend ein Hun-
gerjahr gewesen ist. Um nun der darbenden Bevölkerung entgegen-
zukommen, haben diese beiden Herren Hüffer in Osteuropa große
75
Mengen Getreide aufgekauft, damit durch verbilligtes Mehl und
Brot der Notstand gelindert werden konnte (2). So liegt die Vermu-
tung nahe, daß Herr Antoine Hüffer zu der Zeit schon im Besitz der
Mühle war, denn als Geldanlage war eine kleine Getreidemühle
wohl nicht das geeignete Objekt.
4 Als Pächter hat eine Zeitlang ein Herr Gerkens Gilles die Müh-
le betrieben. 1850 wurde sie an Herrn Conrad Etienne verkauft.
1857 erwarb sie Herr Nyssen Chretien, Kaufmann von Beruf und aus
Montzen stammend. Der im Dorf wohnende Marquis de Resimont,
Besitzer des Schlößchens ”Bempt”, kaufte die Mühle im Jahre 1885;
bei dessen Tod, im Jahre 1916, ging sie durch Erbfolge an seinen
Schwiegersohn, Gilbert van Vorst-de Resimont, über.
Irgendwann in dieser Zeitspanne kam die Familie Rader-
mecker als Pächter auf die Mühle, die dann im Jahre 1921 in deren
Besitz überging. Der 10. Mai 1940 war ein Unglückstag für das klei-
ne Unternehmen. Es war aber auch nicht bedeutend genug, um ei-
nen Wiederaufbau zu rechtfertigen, und so blieb es während des
Krieges unbenutzt.
Beim Rückzug der deutschen Truppen im Jahre 1944 flog die
Brücke ein zweites Mal in die Luft; zurück blieb eine Ruine. Herr
Anton Ruwett, Altwarenhändler von Beruf, richtete das Haus wie-
der her und bewohnte es, bis er seine Erwerbstätigkeit aufgab und
sich ein anderes Domizil suchte.
Die ehemalige Mühle stand wieder zum Verkauf. Sie wurde
1980 von den Familien Gomez, Menu und Roda erworben, die den
ganzen Komplex in drei Wohnungen aufteilten und komfortabel
einrichteten. -
(1) Antoine Guillaume Hüffer heiratete seine Kusine, Elisabeth Hüffer
(2) Guido Wilde, Biographie der Familie Hüffer, Eupener Geschichtsverein.
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Die Schympermühle
Nimmt man als Ausgangspunkt den Bleiberger Fußballplatz
und geht in Richtung der Ortschaft, so steht man nach zirka 50 m
an einer Straßenkreuzung. Wir biegen nach rechts ab und befinden
uns, nachdem wir die ehemalige Bahnlinie Welkenraedt-Bleiberg
überquert haben, in einer gut ausgeprägten Talsenke. Etwas weiter
führt eine Brücke über den Göhlbach und noch immer geradeaus
wanderend endigt der links und rechts mit Baum und Strauchwerk
eingesäumte Weg nach 200 m. Wir stehen im Hofe eines Anwesens,
das sich an den Berghang anlehnt : die alte Schympermühle. Der
Anblick, der sich darbietet, zeigt zur Rechten und im Hintergrund
weißgetünchte Gebäude, die darauf hinweisen, daß der jetzige Besit- f
zer bei deren Restaurierung sichtlich bemüht war, dem Ganzen sei-
nen rustikalen Anstrich zu erhalten.
Der Wohntrakt zur Rechten waren die ehemaligen Stallungen,
die Mühle selbst mit der Wohnung lag im Hintergrund des Hofes;
an der Hinterseite befand sich ein oberschlägiges Wasserrad, das sei-
ne Antriebskraft von dem aus Gemmenich herabfließende Soue-
bach erhielt, denn eigenartigerweise ist die Mühle nie mit Göhlwas-
ser gespeist worden, obwohl der Bach in unmittelbarer Nähe dersel-
ben vorbeifloß.
Das Gefälle ausnutzend, hatte man von dem Souebach einen
Kanal abgezweigt, der einen Mühlenteich auffüllte und so dem
Mahlwerk die nötige Wasserreserve sicherte.
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Das Mühlenrad der Schympermühle in den zwanziger Jahren
1
|
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| Das Einzige, das bis auf den heutigen Tag erhalten geblieben
ist, ist der Abzweigkanal, der das Wasser des Baches am Berghang
vorbei der Göhl zuleitet. Mühlenteich und altes Bachbett in der
Talsohle bestehen nicht mehr.
Der älteste Hinweis auf eine Mühle an dieser Stelle stammt aus
dem Jahre 1627 (1). Spätere Angaben finden wir in einer Moresne-
ter Steuerrolle aus den Jahren 1678, 1698 und 1703, die aber nicht
den jeweiligen Besitzer vermerken. Sie ist immer nur als ”Schymper-
mühle” in die Register eingetragen. f
Das führt zu der Annahme, daß das Mahlwerk auch immer
den Eigentümern der Burg Schymper gehört hat. Unterstützt wird
| diese Vermutung durch das im Mittelalter von dem Burgadel geübte ,
Bannrecht, wonach die Bevölkerung verpflichtet wurde, das Getrei-
| de in der Mühle des Grundherrn mahlen zu lassen. Für den Grund-
| herrn stellte dies eine nicht zu unterschätzende Einnahmequelle dar.
| Der Baron Francois Hugues de Spies, Besitzer der Burg Schym-
| per, ist 1770 als Besitzer der Mühle in den Steuerrollen vermerkt.
Nach dessen Tode verkaufte die Witwe die ganze Domäne, also
auch die Mühle, an die Witwe des Barons Arnold-Antoine de Thi-
| riart de Mützhagen. Durch Erbfolge blieb die Schympermühle eini-
| ge Jahrzehnte im Besitz dieser Familie.
| Im ersten Drittel des vorigen Jahrhunderts begann man in Blei-
| berg mit der Ausbeute der Erzvorkommen. Die Bergwerksgesell-
| schaft, die dazu ausgedehnte Konzessionen erworben hatte, suchte
aus naheliegenden Gründen, Boden zu erwerben.
| 1882 kaufte die ”Societe du Bleiberg”, die in demselben Jahr
mit der Gesellschaft ”Escombrera” fusionierte, die Mühle. 1899
wurde der Mahlbetrieb eingestellt; das Anwesen war fortan nur
| noch Bauernhof.
Im Zuge einer im Jahre 1913 erfolgten Zusammenlegung wur-
de die Gesellschaft ”Pennarroya” aus Paris Eigentümerin der Müh-
le. Diese fremdklingenden Namen fanden bei der Bevölkerung kei-
nen Anklang; der Name Paquot war für alles zuständig.
Nach dem Ersten Weltkrieg bezogen eine Reihe Pächter den
Bauernhof. Da war von 1918 bis 1920 die Familie Bleezer als Ver-
walter tätig. Von 1920 bis 1933 bewohnte die Familie Antoine Cor-
| man das Anwesen. Die Geschwister Tyssen übernahmen den Hof
| im Jahre 1934 und blieben dort bis 1956.
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Zur 150-Jahrfeier der belgischen
Eisenbahn
Erinnerung an 100 Jahre Bahnverkehr
von Joseph Leclerc
Da 1985 als Jubeljahr der Einrichtung der Eisenbahrt in Bel-
gien gefeiert wurde, die noch heute, trotz Autobahnnetz und Flugver-
bindungen, eine unentbehrliche Rolle spielt, möchten wir hier auf
eine regionale Veröffentlichung zurückgreifen, die vor nunmehr 55
Jahren die Entstehung des Schienenverkehrs überhaupt und die ver- ”
dienstvolle Rolle des englischen Ingenieurs Stephenson insbesonde-
re unserer Bevölkerung nahegebracht hat.
Unsere Gegend wird bekanntlich von zwei Hauptverkehrsa-
dern der Eisenbahn durchquert. In Hergenrath überquert die
Strecke Lüttich-Köln das Tal der Göhl. Zwischen Lüttich und Wel-
kenraedt zählt sie nicht weniger als 17 Tunnel, 6 davon zwischen
Verviers und Welkenraedt. Sie wurde am 15. Oktober 1843 feierlich
eröffnet. 1870 wurde die Linie Welkenraedt-Bleyberg angegliedert,
die demnächst elektrifiziert werden soll. In Moresnet bildet, in der
Linie Montzen - Aachen-West, der 1914-18 erbaute Groener-
Viadukt mit seinen 1.107 m Länge und einer Höhe von 52 m über
dem Göhlbett immer noch eine Sehenswürdigkeit.
Die in Aubel erscheinende Zeitung ”Die fliegende Taube” ent-
hält in ihrer Ausgabe vom 1. Oktober 1930 (83. Jg., Nr. 78) neben
sonstigen aufschlußreichen Mitteilungen zum Zeitgeschehen - z.B.
über einen erfolgreichen Prozeß vor dem Leipziger Reichsgericht ge-
gen Hitler - einen interessanten Leitartikel zum Thema ”100 Jahre
Eisenbahn - Ernstes und Heiteres aus der Geschichte des wichtig-
| sten Verkehrsmittels”, der immer noch aktuell sein dürfte.
| ”Der Eisenbahn geht es wie manchen berühmten Männern :
| Nur in seltenen Fällen ist man sich über deren Geburtsdatum im
| klaren. Auch bei der Eisenbahn hat man sich oft den Kopf zerbro-
chen, auf wann der eigentliche Geburtstag anzusetzen sei. Viele
nahmen bereits am 6. Oktober des vergangenen Jahres Veranlas-
sung, das hundertjährige Jubiläum. der Eisenbahn zu feiern. Das
war der Tag, an dem die Lokomotive ”Rocket” von George Ste-
phenson bei dem englischen Lokomotiven-Wettbewerb zu Rain-Hill
81
in der Nähe von Liverpool den ersten Preis gewann. Das offizielle
England betrachtet jedoch den 15. September 1830 als den Geburts-
tag des Eisenbahnverkehrs, da an diesem Tage die erste regelmäßige
Dampf-Eisenbahn-Linie für den Personenverkehr zwischen Man-
chester und Liverpool eröffnet worden sei. Demnach wäre die Ei-
senbahn in diesen Tagen hundert Jahre alt geworden. Und da man
die Feste feiern muß, wie sie fallen, wollen wir es dabei auch bewen-
den lassen.
Wie alle großen Erfindungen ist auch die Eisenbahn keine
plötzliche unvermittelte Schöpfung, sondern das Produkt einer
Jahrtausende alten Entwicklung, deren Uranfänge - man erschrecke
nicht - bis zu den alten Griechen hinabreichen. Bereits die ältesten
Kunststraßen Griechenlands waren mit Steingeleisen versehen. Wo
heute das Maultier des Reisenden kümmerliche Saumpfade empor-
steigt, findet man häufig Spuren tiefer Radfurchen, deren nähere
Untersuchung zeigt, daß es sorgfältig ausgehauene und geglättete
Kanäle sind, Geleise für die Räder der Fuhrwerke, um sie gesichert
und leicht dahinrollen zu lassen. Ob die Griechen zuerst steinerne
Kunstgeleise schufen oder ob sie diese von einem noch älteren Kul-
turvolk übernahmen, ist nicht bekannt. Vielleicht auch waren
schon die Ägypter, die noch viel früher Räderfuhrwerke benutzten,
ihre Lehrmeister. Unter der Herrschaft der Römer, die zur Bewe-
gung ihrer Eroberungsheere breiter Straßen bedurften, verschwand
die Kenntnis der Steingeleise völlig. Erst der deutsche Bergbau griff
zu Anfang der neuen Zeit diese Idee wieder auf und zwar wurden,
wie Chroniken aus dem 16. Jh. berichten, zur leichteren Fortschaf-
fung der Förderwagen in den Grubengängen Hohlgeleise angelegt.
Von Deutschland aus gelangten die Spurbahnen nach England. Spä-
ter baute man hölzerne Schienenwege als Ersatz für die gewöhnli-
chen Straßen, wie etwa in Newcastle, zum Transport der Kohle von
den Gruben zur Verschiffungsstelle.
Ein merkwürdiger Zufall führte zur Konstruktion des ersten
Schienenweges aus Eisen. Als 1767 die Eisenpreise sehr niedrig wa-
ren, goß das Eisenwerk Colebrook Dale eine bedeutende vorrätige
Menge Roheisen in Plattenform und belegte damit einen der Spur-
wege des Werkes, bis sich Gelegenheit zu einem vorteilhafteren
Verkauf des Eisens finden würde. Hier machte man die Ent-
deckung, daß die Wagen auf diesen Eisenschienen viel leichter und
schneller liefen als auf Holz, so daß die eisernen Schienenwege bald
allgemein wurden. Seit 1808 begann man dann bei der Erstellung
82
der Schienen das Gußeisen durch das zähere und haltbarere Schmie-
deeisen zu ersetzen.
Die Bauart der Wagen blieb indes lange Zeit hindurch äußerst
primitiv, da man zu jener Zeit Personen noch nicht beförderte.
Menschen und Pferde waren lange Zeit die einzigen Kräfte, mit de-
nen das Fuhrwerk auf den Eisenbahnen in Bewegung gesetzt wur-
de. Bei hohen Steigungen ließ man einen herabrollenden schweren
Zug auf der einen Seite einen leichteren auf der anderen Seite wie-
der hochziehen. Nachdem die Dampfmaschine erfunden worden
war, ging man dazu über, an solchen Stellen stationäre Dampfma-
schinen aufzustellen, die mittels Ketten oder Seilzügen die Wagen
auf steilen Steigungen emporzogen. N
Der erste, der sich eine bewegliche Dampfmaschine zur Fort-
schaffung von Wagen auf Eisenbahnen patentieren ließ, war kein
anderer als James Watt, der Erfinder der Dampfmaschine. Seine
Idee vermochte sich jedoch nicht durchzusetzen. Die erste wirklich
brauchbare Lokomotive wurde von Trevethik und Vivian erbaut
und 1805 auf der Bahn Merthyr-Tydvil in Betrieb genommen. In
dieser Maschine waren bereits die wesentlichen Grundzüge aller Lo-
komotiven bis auf den heutigen Tag verwirklicht. Obwohl sich ne-
ben ihnen noch viele andere Erfinder mit dem Bau von Lokomoti-
ven beschäftigten, war doch keinem von ihnen Erfolg beschieden.
Dieser sollte vielmehr einem Manne namens George Stephenson zu-
fallen, in dem wir den Vater des modernen Eisenbahnwesens vereh-
ren.
1781 in einem Dorf von Northumberland geboren, war Ste-
phenson so arm, daß er nicht einmal lesen und schreiben lernen
konnte. Schon in seiner Jugend mußte er in Bergwerken bei Kesseln
und Dampfmaschinen die niedrigsten Dienste verrichten, doch ge-
lang es ihm, sich durch zähen Fleiß zum Maschinenwärter, Meister
und Ingenieur emporzuarbeiten. Zuletzt begann er selbst, Lokomo-
tiven zu bauen, deren erste er 1814 für das Bergwerk Killingworth
herstellte. Sie bewährte sich so gut, daß immer mehr Maschinen sei-
ner Konstruktion eingestellt wurden. Dennoch blieb dies im ganzen
Land unbekannt. Erst 1825 hatte Stephenson Gelegenheit, sein
Können in der Öffentlichkeit zu beweisen. Zwischen Stockton und
Darlington wurde eine kleine Bahn mit Hilfe der ”Lokomotive” ein-
gerichtet, deren Namen seitdem alle Maschinen ihrer Konstruktion
tragen. Stephensons größter Triumph wurde jedoch der bereits ein-
gangs erwähnte Lokomotiven-Wettbewerb für die Bahn Liverpool-
83
Manchester, den er gegen zwei ganz unbedeutende Konkurrenten
mit seiner Lokomotive ”Rocket” (Rakete) mühelos gewann. Die Ra-
kete lief mit 30 Personen im Wagen 40 Km und brachte es ohne
Last sogar auf 56 Stundenkilometer, eine für die damalige Zeit uner-
hörte Leistung. Nach dem Muster der Rakete wurden noch sieben
andere Lokomotiven gebaut, mit denen am 15. September 1830 die
Strecke Liverpool-Manchester eröffnet wurde.
Von nun an kam der Bau der Eisenbahnen rasch in Auf-
schwung. Bis 1835 wurden in Frankreich 5 Strecken erbaut mit ei-
ner Gesamtlänge von 157 Kilometern. Im Jahre 1858 besaß Frank-
reich bereits ein Schienennetz von 7453 Kilometern.
Belgien eröffnete seine erste mit Dampf betriebene Bahn 1835
zwischen Brüssel und Mechelen. In dem gleichen Jahre bewegte
sich auch auf deutschem Boden der erste von Lokomotiven gezoge-
ne Zug auf der Strecke Nürnberg-Fürth. Ein reichliches Jahr später
folgte die Leipzig-Dresdener Bahn. 1838 hörte man den ersten Loko-
motivenpfiff in Osterreich (Wien-Wagram) und in Preußen (Berlin-
Potsdam). Zugleich wurde die erste deutsche Staatsbahn von Braun-
schweig nach Wolfenbüttel eröffnet.
Betrachtet man diese bescheidenen Anfänge und den heutigen
ungeheuren Ausbau des Eisenbahnwesens, so fällt es schwer zu
glauben, daß dies alles nicht älter als 100 Jahre sein soll. Man nehme
jedoch nicht an, daß sich die Eisenbahn kampflos durchgesetzt ha-
be. Unsere Zeit, so reich an Errungenschaften der Technik, kennt
nicht die scheue und feindliche Zurückhaltung, die das vergangene
Jahrhundert neuen Erfindungen gegenüber übte, und die zu den ab-
surdesten Auswüchsen führte. Wenn ”Sachverständige” die Eisen-
bahn damit abzutun gedachten, daß sie ins Treffen führten, der
Funkenflug der Lokomotive werde Wald und Getreidefelder in
Brand setzen, und das von unsichtbarer Kraft getriebene Gefährt
das Vieh auf der Weide erschrecken, so mag man es immerhin noch
verstehen. Wenn jedoch die Bestimmung getroffen wurde, daß ein
Reiter dem Eisenbahnzuge vorausreiten müsse, um mit einer roten
Fahne Mensch und Tier die Ankunft des schnaubenden Ungeheu-
ers anzuzeigen, dann schüttelt man doch den Kopf. Einzelne Ge-
werbe glaubten sich durch den Bau der Eisenbahnen schwer be-
nachteiligt. Es protestierten Fuhrleute, Gasthofbesitzer, Schmiede
und Sattler energisch. Andere sprachen von Explosions- und Er-
stickungsgefahr der Fahrgäste in den Dampfwagen. Den Beamten
wurde bei der Absteckung der Linien tätlicher Widerstand entge-
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gengesetzt, so daß die Angegriffenen polizeilichen Schutz in An-
spruch nehmen mußten. Phantastische Entschädigungsansprüche
wurden gestellt. So klagte ein Windmüller wegen des entzogenen
Windes, ein anderer, weil der Wassermüller des Ortes durch einen
Einschnitt beim Bahnbau mehr Wasser erhalten habe und nun das
ganze Jahr hindurch mahlen könne, während bisher in den Som-
mermonaten er, der Windmüller, das Monopol gehabt habe usw.
Weder das eine noch das andere hat den Siegeszug dieses Ver-
kehrsmittels aufzuhalten vermocht. Heute ist der Erdball in ein
dichtes Netz von Schienensträngen eingefangen, die seine Entfer-
nungen zusammenschrumpfen ließen, als gäbe es überhaupt keine
mehr. Gefährliche Konkurrenten sind der Eisenbahn im Kraftwa- ;
gen und im Flugzeug erwachsen, die Elektrizität bereitet sich zum
großangelegten Angriff vor, doch unerschüttert ist die Dampfloko-
motive immer noch und wird es auch wohl für eine absehbare Zeit
bleiben.
Anläßlich des 100-jährigen Jubiläums der Eisenbahn veröffent-
lichten die englischen Blätter längere Schilderungen über die auch in
dem vorstehenden Aufsatz geschilderten Schwierigkeiten mit denen
Stephenson zu kämpfen hatte. Wir entnehmen diesen Schilderun-
gen folgenden anschaulichen Passus : ”Wenn England heute Ste-
phenson ehrt, der die erste brauchbare Lokomotive erfand, so erin-
nert es sich kaum mehr, welche Schwierigkeiten dieser seinerzeit zu
überwinden hatte, um seine Pläne durchzusetzen und welch aufrei-
benden Kampf er zu führen hatte. Als er nämlich im Jahre 1821 mit
der Landvermessung für die Bahn beginnen ließ, konnten die Geo-
meter ihre Arbeit nur unter Lebensgefahr und oft nur nachts ver-
richten, da die Landbewohner von der Bahn schweren Schaden be-
fürchteten und dem Bau den schärfsten Widerstand leisteten. Die
Leute glaubten nämlich, der Funkenwurf der Lokomotive werde je-
des in der Nähe der Bahn stehende Haus anzünden und die Luft
werde durch die Rauchwolken verpestet werden. Sie befürchteten,
die Pferdefuhrwerke würden eingehen und die Pferdezucht über-
haupt verschwinden, so daß die Landwirtschaft den schwersten
Schaden erleiden werde. Mit Heugabeln und Flinten bewaffnet lau-
erten die Pächter und Tagelöhner den Landmessern auf. Weiber
und Kinder beschimpften sie und bewarfen sie mit Steinen. Beson-
ders zwei Lords, über deren Gebiet die Linie geplant war, widersetz-
ten sich den Vermessern auf jede Weise. Stephenson, der Hersteller
der ersten bauchbaren Lokomotive der Welt, der ”Rakete”, wurde
85
in Knowsly von den Parkwärtern des Lord Derby vertrieben, die
ihm gehörige Prügel in Aussicht stellten, falls er sich noch einmal se-
hen lasse.
Nachdem die Vermessung trotz aller Widerstände zu einem
vorläufigen Abschluß gebracht war, wurde das englische Parlament
um die Genehmigung zum Bau und Betrieb der Strecke ersucht.
Vor der Sonderkommission des Parlaments hatte auch Stephenson
zu erscheinen und Auskunft zu geben. Er durfte aber nur von einer
Höchstgeschwindigkeit von 16 Km sprechen, da seine besten Freun-
de ihn auslachten, wenn er behauptete, eine Reisemaschine, wie Lo-
komotiven zuerst genannt wurden, sei imstande, in einer Stunde 30
Km zurückzulegen. Eine solche Geschwindigkeit erschien eben da-
mals einfach unmöglich. Er wurde u.a. gefragt, ob er es nicht für
peinlich halte, wenn eine Kuh der fahrenden Maschine in den Weg
laufe oder wenn Pferde auf der Landstraße wegen des rotglühenden
Schornsteins scheu würden. Stephenson meinte, das sei in der Tat
recht peinlich für die Kuh, und er hoffe, die Pferde würden denken,
der Schornstein sei nur rot angestrichen und sich deswegen nicht
weiter aufregen. Ein Redner erklärte, er denke, es sei erwiesen, daß
Stephensons Plan der abgeschmackteste sei, der je in einem Men-
schenhirn ausgeheckt wurde. Was sollte denn aus den Sattlern, Bau-
ern, den Wagenvermietern und Kutschern, den Gastwirten, Pferde-
züchtern und Pferdehändlern werden? Die Eisenpreise würden sich
mindestens verdoppeln, wenn die Eisenvorräte nicht überhaupt in
Kürze völlig erschöpft sein würden. - ”Die Eisenbahn wird der
größte Unfug sein, sie wird die vollständige Störung der Ruhe und
des körperlichen wie geistigen Wohlbefindens der Menschen brin-
gen, den jemals der Scharfsinn zu erfinden vermochte.” (Sir Isaac
Coffin)
Übrigens wurde der Antrag der Bahngesellschaft nach zwei
Monate dauerndem Kampfe mit 19 gegen 13 Stimmen abgelehnt.
Er fand erst später eine Mehrheit, als er noch einmal mit einem neu-
en Linienplan eingebracht wurde, der die Ländereien der feindli-
chen Lords und die Wildgehege sorgfältig vermied. Diese letzteren
waren dann die ersten, die nach eigenen Bahnlinien riefen, als Ste-
phensons Erfolg handgreiflich geworden war.
Am 15. September 1830 wurde die Bahnlinie Manchester - Li-
verpool unter Anteilnahme der ganzen Nation feierlich eröffnet.
Dabei ereignete sich gleich auch das erste Eisenbahnunglück der
Welt, indem der Liverpooler Unterhausabgeordnete Huskisson von
86
der ”Rakete” überfahren und in schwerverletztem Zustande von der
Lokomotive ”Northumbrian” mit einer Stundengeschwindigkeit
von 58 Km zu dem nächsten 24 Km entfernt wohnenden Arzte ge-
bracht wurde. Mehr als der Tod Huskissons gab überall die für die
damaligen Begriffe unerhörte Geschwindigkeit der ”Northumbrian”
zu reden. Der Erfolg der Bahnstrecke war ungeheuer, auch finan-
ziell. Fast jede weitere Maschine aus Stephensons Lokomotivfabri-
ken Newcastle brachte eine Neuerung und Verbesserung. Ein wah-
res Eisenbahnfieber brach los. In ganz England bildeten sich Eisen-
bahngesellschaften und Stephensons Name wurde voll Bewunde-
rung genannt.”
Viele der im vorigen Jahrhundert angelegten Eisenbahn-
strecken sind in den letzten Jahrzehnten wieder stillgelegt worden.
Die Geländeeinschnitte der Eisenbahn wurden mancherorts zu
Mülldeponien. Die Bahnhöfe der kleineren Orte verschwanden, der
Verkehr wurde mehr und mehr auf die Straße verlegt. Die Zeit der
Dampflokomotiven ist endgültig vorbei. Die Eisenbahn hat trotz
Hochgeschwindigkeitszug das Rennen gegen Auto und Flugzeug
verloren ...
|
87
. .
Die Spinne
von M. Th. Weinert
In des Daches Rinne sah ich eine Spinne,
in die Kreuz und in die Quer
rannte sie dahin, daher,
zog und hing und schwang sich, schlüpfte,
drehte, spann und spannte, knüpfte
ihren langen Seidenfaden
zu dem Netz in irrem Kreise,
um auf diese wirre Weise
ihre Gäste einzuladen ...
Danach in der dunklen Ecke,
lauernd unter meinem Fenster,
saß die Spinne im Verstecke,
Augen starr wie Schreckgespenster.
Und ich sah : es tanzten Mücken
auf und ab im Sonnenschein
über diesem Netz voll Tücken,
doch sie fielen nicht hinein!
Lediglich die dicke Fliege,
die mich tagelang verdrossen,
sauste surrend in die Falle,
so als wär sie abgeschossen ...
Was ist richtig? Was war wichtig?
Solche Fragen stellen alle.
Überall sind Spinnennetze,
doch es klappt nicht jede Falle!
Aus ”Tierisches und Menschliches”, einem kleinen Gedichtband mit heiteren
und besinnlichen Versen aus der Feder unserer Mitarbeiterin Maria Therese Wei-
nert, erschienen im Grenz-Echo Verlag, Eupen, 1985, und illustriert durch Gabriela
Radermacher-De Ridder.
88
Das Katharinenstift von Astenet
(1.Forts.)
von Peter Zimmer
Im 1. Teil unseres Aufsatzes über das ”Kloster” in Astenet (s.
”Im Göhltal” Nr. 37, S.32-44) haben wir die Entstehungsgeschichte
dieses Stiftes von des Anfängen i.J. 1888 bis zur Einweihung der
Hauskapelle am 3. Juni 1910 nachgezeichnet. %
Seit diesem denkwürdigen Tag können die Gläubigen, neben
vielem anderen, die bunten leuchtenden Glasfenster des Chores mit
den Abbildungen verschiedener Heiligen bewundern, die nicht nur .
große Vorbilder für die gläubigen Menschen sind, sondern auch ein
Ansporn für die opfervolle Tätigkeit, die Priester, Ordensschwestern
und Laien im Katharinenstift auch zu unserer Zeit noch aus-
üben.
Da aber vielleicht manchen Lesern das Leben dieser Heiligen
zum Teil noch unbekannt ist, erscheint es angebracht, anhand von
Büchern und Schriften über dieselben, an dieser Stelle einige Einzel-
heiten wiederzugeben, damit ein jeder sie näher kennenlernen kann.
Helden und Heilige
Weder die Kirchenfenster noch die den Raum schmückenden Heili-
genstatuen können Anspruch auf künstlerischen Wert erheben.
Wenn wir ihnen dennoch dieses Kapitel widmen, dann aus dem
Grunde, daß alle diese Darstellungen einen direkten Bezug zu den
Gründern und Gönnern des Katharinenstiftes besitzen.
Im oberen Teil des mittleren Chorfensters ist die Gestalt der
Namenspatronin von Katharina Rehm, der Stifterin des Hauses, ab-
gebildet; es ist DIE HEILIGE KATHARINA VON ALEXAN-
DRIEN.
Die romanhafte Schilderung ihrer Leidensgeschichte ist erst im
6. oder 7. Jahrhundert im Orient entstanden. Sie erzählt von einer
schönen Königstochter aus Alexandrien, die nur einem Bräutigam
gehören wollte, welcher noch schöner, edler, reicher und vielwissen-
der war als sie selbst. Eines Tages schickte ihre Mutter sie zu einem
Einsiedler, der ihr diese törichten Gedanken ausreden sollte. Nach-
dem derselbe ihr aber die frohe Botschaft von Gottes Sohn, der über
allen mächtigen Herrschern der Erde stehe, verkündet hatte, fühlte
sie sich so glücklich, daß sie sich zusammen mit ihrer Mutter taufen
ließ. Aus ihr war eine gläubige Christin geworden, die ihr Hab und
90
und dadurch zur Herrscherin über die ganze Welt zu machen. Als
sie aber energisch dieses verlockende Angebot zurückwies, sperrte
der grausame Tyrann sie 12 Tage lang in einen Kerker und ließ sie
durch Schläge, Hunger und Durst peinigen. Da sie aber auch diese
Folterungen standhaft ertrug, beschloß der Kaiser, ein Rad mit
krummen Messern anzufertigen, und Katharina mit demselben in
aller Öffentlichkeit zerstückeln zu lassen. Als der Wüterich dann
sein Vorhaben vor einer Menschenmenge ausführen lassen wollte
und Katharina herbeigeschleppt wurde, betete sie vertrauensvoll
laut und innig zu Gott, erhob ihre Hände zum Himmel und machte
Kreuzzeichen.
Wie ein Wunder brach plötzlich das Rad vor den Augen der
Zuschauer entzwei und bewahrte das standhafte Mädchen vor dem
Tod durch dieses Marterrad. Viele aus der Menschenmenge, die
Zeugen dieses Wunders geworden waren, sollen, wie uns überliefert
worden ist, gläubige Christen geworden sein; der Kaiser sei dadurch
noch wütender geworden und habe Katharina sofort mit dem
Schwert enthaupten lassen.
Die Kirche gedenkt ihres Todestages alljährlich am 25. No-
vember. Zur Erinnerung an ihren Martertod wird die hl. Katharina
von Alexandrien vielfach neben einem zerbrochenen Rad stehend,
mit einem Schwert in der Hand, dargestellt, wie in dem Chorfenster
und vor den Gebäuden des Katharinenstiftes. Neben Katharina ist
im Chorfenster der Kapelle DER HEILIGE GERHARD VON
CSANAD, als Namenspatron von Gerhard Rehm, dem Stifter des
Gebäudes sowie der Kapelle, in bunten Farben abgebildet. Er war
der treueste Mitkämpfer des heiligen Ungarnkönigs STEPHAN bei
der Bekehrung seines noch halbheidnischen Landes.
Als er 1015 auf dem Landweg als Benediktinermönch nach
Ungarn kam, lud der König ihn ein zu bleiben, um ihm die Erzie-
hung seines Sohnes anzuvertrauen.
Da ihm aber ein Hofamt zuwider war, gab er seine Zustim-
mung nur auf die dringenden Bitten des Königs hin; ihn quälte näm-
lich der Gedanke, daß mit der Person des zukünftigen Herrschers
das Christentum in den weiten Steppen des Donaulandes entweder
falle oder stehe.
A
Nachdem aber der junge Prinz herangewachsen war, zog sich
sein Lehrer wieder nach Bakony-Beel in eine kleine Mönchssiedlung
zurück, wo er nach der Regel des Erzvaters BENEDIKT sein Tage-
werk vollbrachte. Nachdem dann rund 7 Jahre vergangen waren
und die Missionierung Ungarns stockte, entsann sich der König des
stillen Benediktinermönchs und machte ihn gegen seinen Willen
zum Bischof des bereits bestehenden Bistums Czanad.
Zu Fuß wanderte er dort von Dorf zu Dorf, von Bauernhof zu
Bauernhof, und übernachtete lieber in einer Feldscheune als am
Herdfeuer eines Reichen, um ungestört beten zu können.
Nach und nach gelang es ihm, kleine Einsiedeleien und Mis-
sionszellen anzulegen; nach 7jähriger Arbeit in Ungarn gründete er
auch eine ”Hausgenossenschaft Mariens”, wie der fromme König es
stets gewünscht hatte.
Infolge von Thronstreitigkeiten nach Stephans Tod überboten
sich die Ausschweifungen und Grausamkeiten der unwürdigen
Nachfolger derart, daß die Anhänger des alten Heidentums ihren
verlorenen Einfluß auf die Staatsgeschäfte wiedererlangten und am
Hofe des Königs wieder mit einer neuen Hetze gegen die Bischöfe
beginnen konnten, wobei sie zwecks Ausrottung der jungen Chri-
stengemeinden freie Hand erhielten.
Eine Bischofskonferenz zu Stuhlweißenburg sollte sich mit die-
ser bedrohlichen Lage befassen und auf dem Wege dorthin wurden
die Bischöfe am Donau-Übergang bei Budapest am 24. September
1046 durch eine Rotte Verschwörer überfallen und durch einen
Steinhagel zu Boden geschleudert.
Als Bischof GERHARD sich noch einmal am Boden aufrichte-
te und wie Sankt Stephan für seine Verfolger betete, tötete ihn ein
Lanzenstich. Nach der Heiligsprechung des Märtyrers erbaten sich
die Venezianer seine Reliquien und begruben ihn in der Liebfrauen-
kirche in Murano.
Auf der rechten Seite neben dem Haufptaltar ist unten im
Chorfenster der Namenspatron von Robert Kesselkaul (er war der
Stifter der 3 Chorfenster und der Orgelbühne; die Familie Kessel-
kaul besaß den sog. Mützhof), der heilige Robert von Molesme, zu |
sehen. Dieser Heilige erblickte um das Jahr 1029 in Frankreich, in |
der Champagne, das Licht der Welt.
93
Mit der Genehmigung eines päpstlichen Legaten wanderte er
dann schließlich im Jahre 1098 als 70-jähriger Abt in eine sumpfige
Gegend, einen Wald, der wie eine Wildnis aussah, unweit von Dijon
und Burgund gelegen, mit Namen C/TEAUX.
Dort erbaute er sich mit etwa zwanzig Gleichgesinnten hölzer-
ne Zellen, die Ursprung und Stammkloster des sich rasch entfalten-
den Zisterzienserordens wurde.
Als dann schließlich die Mönche von Molesme erkannt hatten,
daß sie mit dem Verzicht auf die Führung ihres hochgesinnten Ab-
tes keine glückliche Entscheidung getroffen hatten, wandten sie sich
mit dringenden Bitten an Rom, um die Rückkehr des Abtes in das
alte Kloster nach Molesme zu erreichen.
Zur Freude der ganzen Kirche trat dieselbe nach eineinhalb
Jahren ein. Von Molesme aus entstanden zahlreiche Töchterklöster
sowie eine blühende Reformgenossenschaft, die aber keinen dauern-
den Bestand hatten und von den Zisterziensern überflügelt wurden.
Als Abt und Ordensstifter ist der heilige Robert am 17. April
im Jahre 1111 verstorben, ohne daß er persönlich Segen und Früch-
te seines geistigen Schaffens ernten konnte.
Neben ihm ist der heilige OTTO, Bischof von Bamberg, in die-
sem Fenster eindrucksvoll dargestellt.
Derselbe wurde als Sprößling einer vornehmen, aber nicht rei-
chen Familie, zu Mistelbach in Mittelfranken, im Jahre 1062, gebo-
ren.
Da seine Eltern schon verstarben, bevor er seine höheren Studien
beendet hatte, begab er sich nach Polen, wo Lehrermangel herrsch-
te, um dort eine Lehrerstelle anzutreten und sich dadurch die Mittel
zu seiner weiteren Ausbildung und zum Lebensunterhalt selbst zu
verdienen.
Durch sein unermüdliches Studium erreichte er ein hohes Ansehen,
wurde zum Priester geweiht und bekam danach eine Anstellung als
Hofkaplan beim Herzog Wladislaus von Polen.
Dieser Herzog schenkte ihm sehr großes Vertrauen und schick-
te ihn eines Tages mit einer Gesandtschaft zum deutschen König
Heinrich IV. Nachdem derselbe ihn auch sehr hoch schätzen gelernt
hatte, vertraute er ihm die Bistümer Augsburg und Halberstadt an,
die Otto aber ablehnte.
94
Als jedoch der Bischofsstuhl in Bamberg frei wurde, mußte er
sich fügen und in Bamberg als Bischof im Jahre 1103 seinen Einzug
halten.
Dies tat er trotz Schnee und Eis barfuß durch die Stadt, bis zur
Sankt Georgen-Kirche.
Des heiligen Bischofs Lebensweise bestand darin, sich selber
ganz zu vergessen und sich stets für das Seelenheil und das leibliche
Wohl seiner Mitmenschen einzusetzen. \
Auch dem Klosterleben gab er einen neuen Aufschwung und
betrachtete es als seine Lebensaufgabe, überall Klöster zu gründen.
Außerdem ließ er noch zahlreiche Kirchen erbauen, unter an-
deren den niedergebrannten Dom sowie die zerstörte Michaelskir-
che in Bamberg; ebenso erwarb er sich große Verdienste im Zusam-
menhang mit dem Speyer Dom.
Durch seine erfolgreiche Missionsarbeit verlieh man ihm den
Ehrentitel ”Apostel der Pommern”.
Im Monat Mai 1124 trat er seine Missionsreise an und als er
sich entschloß, nach einer 10monatigen Tätigkeit wieder heimzu-
kehren, konnte er sich über die Gründung von elf neuen Kirchen so-
wie den Gewinn von 22.000 Getauften freuen.
Dieser Erfolg war ein Beweis dafür, welchen tiefen Eindruck
Ottos Persönlichkeit bei dem Pommerischen Volke hinterlassen
hatte.
Deshalb wagte er es auch im Jahre 1128, erneut nach Pom-
mern zurückzukehren, um mitzuhelfen, die neu entstandenen Wi-
derstände wirksam zu überwinden. Als nun Abtrünnige und Göt-
zenpriester das Gotteshaus, in welches Otto sich zurückgezogen hat-
te, stürmen wollten, trat er diesen Psalmen singend und freundlich
entgegen. Dadurch wurden sie derart verblüfft, daß sie voller
Scham, wie niedergeschlagen, ihre Waffen niederlegten.
Ebenso gelang es ihm auch mit Hilfe des Polenherzogs, in
Pommern den Frieden zu vermitteln.
Nachdem sich Bischof Otto am 30. Juni 1139 zur ewigen Ruhe nie-
dergelegt hatte, wurde sein Grab auf dem Michaelsberg in Amberg
zu einem vielbesuchten Wallfahrtsort.
Im linken Fenster ist unten die Namenspatronin von Frau
Anna Kesselkaul, geborene Hartung, die heilige ANNA mit dem
KINDE, in hell leuchtenden Farben dargestellt.
95
Es ist jene Heilige, welche die Kirche als Mutter der Gottesgebäre-
rin schon im frühesten Mittelalter heilig gesprochen hat.
Dadurch hat die Kirche nicht nur die göttliche Gnadenwahl
bestätigt, sondern auch die natürliche Mutterschaft.
Unendlich groß war die Sehnsucht dieser Anna nach einem
Kinde, eine Sehnsucht, die erst in Erfüllung ging, als sie schon hoch-
betagt war.
In freudiger Erwartung hatte sie sich dankbar und zugleich
auch voller Demut im Tempel niedergekniet und gelobt : ”Wenn ich
ein Kind erhalte, sei es ein Knäblein oder Mägdlein, so will ich es als
Opfergabe dem Herrn weihen und es soll Ihm alle Tage seines Le-
bens dienen.”
Deshalb kann jeder gläubige Mensch auch gut verstehen, daß Sankt
Anna in den Kirchen von einer sehr großen Bedeutung ist und
bleibt.
Neben ihr ist im Fenster MARIA als Jungfrau der Unbefleck-
ten Empfängnis, der Schlange den Kopf zertretend, dargestellt.
Diesen Glaubenssatz hat Papst Pius XII. im Beisein von 200
Erzbischöfen und Bischöfen aus aller Welt am 8. Dezember 1954
feierlich verkündet, und zwar, nachdem jeder von ihnen seine Über-
zeugung von der Wahrheit ihrer unbefleckten Empfängnis ausge-
sprochen und bewiesen hatte, daß dieser Glaube stets allgemein in
der katholischen Kirche gegolten hat und verbreitet war. Als einzige
Tochter Evas blieb sie frei von dem Makel der Erbsünde.
Im Hintergrund der Empore erhellt ein breites, in bunter Farben-
pracht strahlendes Glasfenster die Orgelbühne.
Dasselbe ist ebenfalls ein Geschenk der Schloßherrn vom
Mützhof, Robert Kesselkaul und seiner Lebensgefährtin Anna, ge-
borene Hartung.
Es führt uns die Abbildungen der Namenspatroninnen der
Töchter dieses Ehepaares glanzvoll vor Augen, und zwar von links
nach rechts: die hl. PAULA von Rom, die heilige EMMA von
Gurk und die hl. KLARA von ASSISI.
Wenn auch dieses Fenster nicht stets im Blickfeld der Gläubi-
gen liegt, sondern nur von der Orgelbühne aus gut zu bewundern
ist, verdienen trotzdem einige Einzelheiten aus dem Leben dieser
heiligen Frauengestalten, kurz an dieser Stelle wiedergegeben zu |
werden. |
L
97
Sünderin wie mich, die Krippe küssen zu können, in der mein Herr
und Heiland als Kind hat weinen wollen ! ”Sie blieb in Bethlehem,
gründete dort ein Männerkloster sowie Pilgerhospize und drei
Frauenklöster, die sie selbst mit größter Strenge leitete.
Am 24. Januar 404 verstarb diese glaubensstarke Frau. Da-
nach haben ihre Tochter und später ihre Enkelin nach ihrem Vor-
bild das Kloster geleitet.
DIE HEILIGE EMMA VON GURK
Diese Heilige hatte mit dem Grafen Wilhelm von der Sann in der
Untersteiermark den Ehebund geschlossen und war für das Volk ein
Beispiel in der Erfüllung ihrer religiösen Pflichten sowie in der Erzie-
hung ihrer Söhne.
Der Graf war der Besitzer der Gold- und Silbergruben in Frei-
sach und Zeltschach. Er zahlte den Knappen einen guten Lohn, wo-
durch sie manchmal recht übermütig wurden, was den Grafen
veranlaßte, nach den damaligen Gesetzen des Landes einzugreifen.
Die Legende berichtet diesbezüglich, daß der Graf einen Knappen
für eine schändliche Tat dem Gesetze nach zum Tod durch den
Strang verurteilen mußte.
Infolgedessen führten andere Kinappen einen Racheakt aus und
töteten die Söhne des Grafen, als sie in der Grube Nachschau hiel-
ten. Diese Untat verbitterte den Grafen derart, daß er als
Gegenmaßnahme das Todesurteil an den Rädelsführern voll-
strecken ließ.
Die Folge davon war, daß der Graf durch den Gedanken an die
unschuldigen Frauen und Kinder Tag für Tag von fürchterlichen
Gewissensbissen gequält wurde. Diese furchtbaren Qualen riefen
solch bittere Reue hervor, daß er beschloß, sofort nach Rom zu pil-
gern, um zu Füßen des heiligen Vaters als reumütiger Sünder die
Lossprechung zu erbitten.
Da, wie berichtet wird, der Graf von dieser Pilgerreise nie zu-
rückkehrte und selbst ein Opfer seiner Gesetzestreue wurde, war
Emma zu einer einsamen Witwe geworden.
Das einzige, was sie noch besaß, waren Reichtum und Geld. Mit die-
sen Dingen beschloß sie aber, nur mehr für Gott allein zu leben und
im Tal von Gurk (Kärnten) zu Ehren der Schmerzhaften Mutter ein
Frauenkloster erbauen zu lassen (1043). Sie selbst trat in dieses
Kloster ein und trug mit päpstlicher Genehmigung mit dazu bei, das
Bistum und das Domstift von Gurk zu errichten.
98
Auch wurde nach ihrem Tode am 29. Juni 1045 in den reizen-
den Bergen an der Enns die Benediktinerabtei Admont als Stiftung s
und dauerndes Verdienst dieser freigebigen und hochedlen Frau er-
richtet.
DIE HL. KLARA VON ASSISI
Als Tochter reicher Eltern im Jahre 1194 in Assisi geboren,
zeigte sie von Kindheit an innige Frömmigkeit und sehr viel Liebe
für die Armen. Die Predigten des heiligen Franziskus erweckten in
ihr den Entschluß, sich ganz in den Dienst des Herrn zu stellen.
Da sie aber wußte, daß ihre Eltern sich ihrem Vorhaben wider-
setzen würden, beriet sie persönlich mit Franziskus, um ihr Lebens-
ziel so schnell und gut wie möglich zu erreichen. Dieser bestimmte ,
den Palmsonntag des Jahres 1212 zur Ausführung ihres Vorhabens.
Sie begab sich am Abend dieses Sonntags nach Portiunkula, wo
Franziskus sie erwartete und auf das Ordensleben vorbereitete. Zum
äußeren Zeichen hierzu schnitt er ihr die Haare ab, legte ihr das
Bußgewand an und umgürtete sie mit einem rauhen Strick. Durch
Franziskus wurde sie dann dem Kloster der Benediktinerinnen St.
Paul bei Bastia übergeben. Dorthin waren aber auch eiligst ihre El-
tern und Verwandten gekommen, um sie zurückzuholen.
Als der Vater sie am Altar stehend vorfand, versuchte er, sie
mit Gewalt von dieser Stelle zu entfernen. Sie aber umfaßte mit ih-
ren Armen den Altar und verkündete mit lauter Stimme : ”Ich habe
mich für immer dem Dienste des Herrn geweiht!” Als Antwort dar-
auf folgten Schmähungen und Mißhandlungen seitens ihrer Eltern
und Verwandten, die Klara geduldig und standhaft ertrug und sogar
dazu führten, daß deren Wut und Zorn noch größer wurden und sie
ununterbrochen noch mehr Folterungen zu ertragen hatte. Klara
hielt sie aber mutig und Gott ergeben aus, so daß sogar ihre
14jährige Schwester Agnes ihrem Beispiel folgte und beide gemein-
sam gepeinigt wurden, bis zum Schluß ihre Verfolger einsehen
mußten, daß Brutalität die Standhaftigkeit der Geschwister nicht er-
schüttern konnte.
Zum Schluß führte Franziskus die Mädchen in ein kleines
Haus an der Kirche von St. Damian, wo er Klara als Oberin der neu
entstehenden Genossenschaft vorstellte, welche den zweiten Orden
des heiligen Franziskus bildete und den Namen Klarissen erhielt.
Zahlreiche Frauen und Mädchen jeden Alters schlossen sich
diesem Orden an und verrichteten schwere Bußwerke, die zu dieser
99
Zeit sehr wenig bei Frauen bekannt waren; der Papst persönlich so-
wie auch der Ordensvater mußten Klara eindringlich zur Mäßigung
anhalten.
Nachdem Klara Verfolgungen und Plünderungen seitens der
Sarazenen überstanden und siebenundzwanzig Jahre lang Gott er-
geben an einer schmerzlichen Krankheit gelitten hatte, ist sie am 11. $
August 1253 aus diesem Leben geschieden. Schon zwei Jahre nach
ihrem Tode wurde sie heilig gesprochen.
Zur Inneneinrichtung der Kapelle oder St. Johannes-der-
Täufer-Kirche von Astenet bleibt noch zu bemerken, daß das ge-
samte Mobilar durch den Bildhauer Franz Müllenbruck aus Rhein-
bach hergestellt wurde, und zwar — außer dem bereits erwähnten
—, im Jahre 1904 die ersten Bänke, dann 1912 zwei Statuen : eine
vom heiligen Herz-Jesu und die zweite vom HI. Augustinus. Diesel-
ben wurden am 23. Februar desselben Jahres neben dem Hauptaltar
aufgestellt.
Am 24. Oktober 1913 lieferte er dann auch noch für die Sei-
tenaltäre eine Statue der Jungfrau der Unbefleckten Empfängnis
und eine des hl. Joseph.
Die zwei Statuen neben dem Hauptaltar sind aber im Laufe der
Jahre von ihrem ursprünglichen Platz entfernt worden. Dem Ver-
nehmen nach soll das Herz-Jesu an eine andere Kapelle oder Kirche
verschenkt worden sein. Die Statue des großen Kirchenlehrers und
Wahrheitssuchenden, der in Armut in klösterlicher Gemeinschaft
lebte, um hilfsbedürftigen Menschen beistehen zu können, befindet
sich heute unten in der Kapelle neben dem Beichtstuhl.
Dieser Heilige wird von den Barmherzigen Schwestern, den
Augustinerinnen aus Neuß, als geistiger Vater verehrt; aus seinem
Leben ist uns unter anderem das Nachstehende überliefert worden:
DER HEILIGE AUGUSTINUS VON HIPPO
wurde am 13. November 345 im kleinen Tagasta als Sohn einer tief-
gläubigen frommen Mutter geboren; sein Vater war jedoch ein sehr
überzeugter Heide.
Von Kindheit an und während seiner Jugendzeit führte er wie
sein Vater ein Leben, welches ihn immer näher an den Rand des
Verderbens trieb. Die Schule verglich er mit einer Folterkammer
und haßte sie. Gefallen fand er nur an Wettspielen und Vergnügun-
gen. Durch seinen jugendlichen Leichtsinn geriet er in den Strudel
100
sittlicher Verirrungen und folgte den Verlockungen eines jungen N
Mädchens, welches ihm schließlich einen Sohn schenkte.
Schon im Alter von 16 Jahren nutzte er alle Gelegenheiten aus,
um Glanz, Macht und Reichtum zu erwerben und ein völlig gottlo-
ses Leben zu führen. Seine Gottlosigkeit war so groß, daß er seinem
Sohn höhnisch und spöttisch den Namen ”Adeodatus” gab, was
Gottesgabe bedeutet. Durch diese und zahlreiche andere Fehltritte
bereitete er vor allem seiner Mutter unsagbares Leid, weil sie seinen
völligen Untergang befürchtete.
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| Der HEILIGE AUGUSTINUS, der ursprünglich neben dem Hochaltar stand und
heute in einer Ecke unten in der Kapelle des Katharinenstiftes steht.
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101
Nachdem sein Vater verstorben war, suchte die Mutter wie nie
zuvor Trost und Hoffnung im Gebet zu Gott für ihren verlorenen
Sohn. Dieser aber lachte nur darüber und sogar als junger Gelehrter
führte er noch rund 9 Jahre lang sein gewohntes leichtsinniges Le-
ben weiter.
Ö Da dasselbe ihm aber nicht den geringsten Erfolg brachte, ent-
stand bei Augustinus ein Gefühl des Überdrusses, das in seinem In-
nern den Wunsch und das Verlangen erweckte, auf gleich welche
Art und Weise ein neues Leben zu beginnen.
Durch die Hilfe eines heidnischen Präfekten in Rom ging sein
Wunsch schnell in Erfüllung, denn durch dessen Einfluß bekam er
eine in Mailand frei gewordene Professur für Rhetorik, welche ihn
in enge Verbindung mit dem Mailänder Bischof Ambrosius brachte,
von dem er überaus herzlich empfangen wurde. Dieser verstand es
in hervorragender Weise, mit ihm Gespräche zu führen, wodurch
Augustinus rasch von den katholischen Wahrheiten, welche seine
Mutter ihm vorgelebt hatte, durch und durch überzeugt wurde.
Mit Alypius und einigen anderen gleichgesinnten Freunden zog er
sich auf ein Landgut zurück; dort widmeten sie sich in Armut, Ge-
bet und Studium dem klösterlichen Leben, welches zum Ursprung
der Augustiner-Eremiten führte.
In der Zwischenzeit hatte Augustinus aber auch seine Mutter
MONIKA, welche von allem Leid fast völlig blind geworden war,
aufgesucht. Sie war hocherfreut über die Bekehrung ihres Sohnes
und gemeinsam verrichteten sie Dankgebete für die erlangten Gna-
den.
Ein Jahr später (387) empfing er dann in der Osternacht, in der
ländlichen Abgeschiedenheit des Comer Sees, gemeinsam mit Alypi-
us, dem Zeugen seiner Bekehrung, sowie seinem Sohn Adeodatus,
aus den Händen des Bischofs Ambrosius von Mailand die heilige
Taufe.
Es drängte ihn nun, in das Land seiner Kindheit zurückzukeh-
ren. Als er die Heimreise angetreten hatte und in Ostia auf die Über-
fahrt warten mußte, verstarb seine alte Mutter Monika; kurze Zeit
danach, in Afrika, auch sein Sohn Adeodatus.
Der greise Bischof Valerius in Hippo, wo Augustinus sich auf- |
hielt, suchte dringend einen Gehilfen und das Volk wollte Augusti- |
nus in diesem Amt sehen. Dieser gab dem Wunsche des Volkes
nach, empfing zunächst die Priester- und danach auch die Bischofs-
weihe.
102
Dieses heilige Amt hat er nach dem Tode von Bischof Valerius ;
34 Jahre lang bekleidet sowie als Prediger und Schriftsteller hohen
Ruhm erlangt.
Auch hat er in Armut und Not, trotz Krankheit, in klösterli-
cher Gemeinschaft ausgeharrt und durch seinen Geist gegen das er-
löschende Heidentum der Antike standhaft und erfolgreich ge-
kämpft.
Seine philosophischen und theologischen Werke haben auf die
Entwicklung des innerkirchlichen Lebens eine außergewöhnlich
tiefgehende Wirkung erzielt. .
Trotz alledem sollte aber sein irdisches Leben nicht in Frieden
enden ! Im Jahre 429 fielen Vandalen wie Heuschreckenschwärme
über die Städte der afrikanischen Nordküste. In dieser großen Not
schrie das Volk zu Augustinus, der selbst machtlos gegen die An-
greifer war, die in brutaler Weise gegen alles, was sich katholisch
nannte, wüteten. Alles, was er tun konnte und auch tat, war den
Priestern den Befehl zu erteilen, in ihren Gemeinden beim Volke
auszuharren. Er selbst wurde nach dreimonatiger Belagerung von
einem fürchterlichen Fieber befallen. Infolgedessen verstarb der
größte Denker Afrikas, der hochbegnadete Wahrheitssucher und
Gottesfreund, Bischof Augustinus, am 28. August des Jahres 430.
Mit ihm stürzte auch unter dem Druck und Ansturm der Ger-
manen das tausendjährige Reich der Römer !
Unter Leid und Schmerzen wurde aber eine neue Welt gebo-
ren, und so wie die Gebeine von Bischof Augustinus nach Pavia
überführt wurden, so wanderte auch sein Geist zu den Menschen
nach Norden, wo das junge Christentum eine neue Heimstatt fand.
Rund sieben Jahrzehnte lang sind die Augustinerinnen aus
dem Mutterhaus ”IMMAKULATA” zu Neuß nach dem Vorbild
des Hl. Augustinus als Barmherzige Schwestern in Astenet zum
| Wohle zahlreicher Armen und Kranken, vieler Jugendlichen und im
| Ruhestand lebenden Mitmenschen unermüdlich tätig gewesen.
Im Laufe dieser Zeit haben sie aber auch harte Prüfungen er-
| tragen sowie schwere Heimsuchungen erlebt, wovon das nun Fol-
| gende Zeugnis ablegen wird.
| (Fortsetzung folgt.)
|
103
Auf dem Büchermarkt
von Alfred Bertha
Die für die 1843 in Betrieb genommene Eisenbahnstrecke
Köln-Antwerpen gewählte Trasse hatte zwar den Vorteil, daß sie
Verviers und Lüttich direkt berührte, wies aber andererseits vor al-
lem auf dem Teilstück Verviers-Lüttich-Ans eine kurvenreiche
Streckenführung mit erheblichen Steigungen auf. So hatte es schon
beim Bau dieser Verbindung Gegenvorschläge für eine weiter nörd-
lich über Montzen, das Voergebiet, Vise und Tongern gehende
Strecke gegeben, doch erst 1902 kam es zwischen König Leopold II.
und Kaiser Wilhelm II. zu einem Vertrag zum Bau einer zusätzli-
chen grenzüberschreitenden Bahnverbindung. Die sich zuspitzende
internationale Lage führte dazu, daß diese Strecke im Planstadium
verblieb.
Nach Kriegsausbruch nahmen die deutschen Besatzungstrup-
pen das Projekt wieder auf. Schon am 16. Dezember 1914 wurde
der Bau der neuen Strecke angeordnet. Wie es dann weiterging, das
erzählt
Jaak Nijssen in ”’De spoorlijn Tongeren-Aken in oorlogstijd aange-
legd”.
Die Broschüre ist 106 S. stark, im Opbouwwerk Voeren erschienen
und kostet 125 F. (Erhältlich im VVV Voerstreek, Dorpsstraat 3/H,
3792 St-Pieters-Voeren oder durch Überweisung von 145 F auf das
P.S.K. Nr. 000-0537374-91 von J. Nijssen)..
Der Autor stellt seinem mit vielen seltenen Fotos illustrierten Text
eine deutsche, eine französische und eine englische Kurzfassung
voran. Mit seiner freundlichen Genehmigung drucken wir hier die
deutsche Kurzfassung ab.
Über die 45 km lange, im 1. Weltkrieg entstandene Eisenbahnlinie
Tongeren - Aachen (Abb. 1, S. 13. und Abb. 3 S. 18-19) findet bis in
die Gegenwart der größte Teil des Eisenbahn-Güterverkehrs zwi-
schen Deutschland und Belgien statt (allein im Jahre 1981 über 20
Millionen Tonnen).
Angeordnet wurde ihr Bau am 18. Dezember 1914, viereinhalb Mo-
nate nach Kriegsanfang, vom energischen Chef des deutschen Feld-
eisenbahnwesens, Wilhelm Groener (+ 1939), dem späteren Reichs-
minister und potentiellen Reichskanzler.
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De spoorlijn Tongeren = Aken
in oorlogstijd aangelegd
Auch wenn kaum Einzelheiten darüber bekannt sind, wie er zu die-
sem Entschluß kam, so darf doch angenommen werden, daß Groe-
ner sich die Möglichkeit einer Besatzungsmacht zu Nutzen gemacht
hat, um die schon seit 80 Jahren geplante und von Deutschland sehr
gewünschte Eisenbahnverbindung zwischen Antwerpen / Brüssel
und dem Ruhrgebiet, nebst zwei kleineren Strecken bei Sankt Vith,
zu erbauen. Übrigens bemühten sich an den Ostgrenzen Deutsch-
lands und Österreich-Ungarns Russen und Mittelmächte, Lücken
im grenzüberschreitenden Eisenbahnnetz zu schließen.
Strategische Zwecke haben im Gegensatz zu einer weitverbreiteten
Nachinterpretation, beim Entschluß zum Bau der Strecke Tongeren
- Aachen nicht vorgelegen, denn bei Baubeginn wurde noch von
niemandem erwartet, daß die Kriegsdauer die voraussichtliche zwei-
jährige Bauzeit überschreiten würde.
Vermutlich hat Wilhelm Emmanuel Weber, der Koblenzer
Regierungs-Bauführer bei der Preußischen Eisenbahnverwaltung ;
und Mitglied der Bauleitung des Projekts, die Strecke entworfen.
Um eine dem Auftrag entsprechend gute, für internationale Schnell-
| zugverbindungen geeignete Strecke zu schaffen, hatte der Entwer-
fer in die Linienführung durch das recht hügelige Gelände (50 m bis
|
|
105
350 m ü. Meeresspiegel) mächtige Erdbewegungen und monumen-
tale Kunstbauten aufzunehmen.
Erleichterte Militärgewalt das Überwinden von Privatinteressen,
wurde doch das Siedlungsmuster der betroffenen Dörfer weitgehend
geschont.
Ohne Verzug wurde mit dem Bau begonnen. Eisenbahn-Bau-
Kompanien (s. Tabelle 1, S. 23) bereiteten die Arbeiten von im mili-
tärischem Auftrag operierenden deutschen Baugesellschaften (Ta-
belle 2, S. 31) vor. Mehrere dieser Gesellschaften gehören noch
1984 zu den großen Baufirmen Deutschlands.
Die Erdarbeiten umfaßten insgesamt sieben Mill. m* in relativ wei-
che Erde. Der große Einschnitt von Vise nahm für sich alleine
schon zwei Millionen m? in Anspruch. Die westlich daran
anschließenden Dämme, ca 2000 m lang, nahmen diese Erdmassen
auf.
Einer der drei größeren Tunnel, der Vörser, ca 2000 m lang, blieb
für Jahre der längste Belgiens. Man staunt vor der Präzisionsarbeit,
die beim Tunnelbau unter schwersten Bedingungen geleistet wurde.
Gerade auf dem Gebiet der Erdbewegungen hat die Eisenbahn Ton-
geren - Aachen eine eigene technisch - historische Bedeutung. Unter
dem Druck der Kriegsanforderungen - andauernder Stellungskrieg
-und aufgrund der militärischen Zuständigkeit wurden zur Be-
schleunigung der Arbeit in nie gesehenem Ausmaß hochmoderne
Maschinen (u.a. Bagger) eingesetzt. Der Bau der Strecke hat zur Me-
chanisierung des Erdbaues beigetragen.
Die drei Brücken mit eisernen Trägern (deren Entwurfsgeschichte
eruiert wurde, s. Abb. 14 und 15) übten einen Einfluß auf den
Brückenbau im Allgemeinen aus. Für die Brücke im litauischen Lie-
tuneval (S. 83) ließ sich der Weg dieser Beeinflussung, der über Be-
hörden und Firmen führt, sogar verfolgen.
Die Talbrücke von Sint-Martensvoeren (S. 62) wurde in Eisenbeton
hergestellt (heute würde man von Stahlbeton sprechen), und zwar
. zu einem Augenblick, als seitens der Eisenbahnbehörden diesem
Baumaterial gegenüber noch Zurückhaltung bestand. Ihre Lehrge-
rüste und Gießmethoden wurden ins Mörsch’sche Handbuch (1968)
aufgenommen.
Am 18. Februar 1917 wurde die neue Strecke eingleisig eingefahren
(Abb. 25, S. 71). Weniger als je war das Ende des Krieges in Sicht, |
106
und noch mehr als 2 Jahre diente die Eisenbahn Tongeren - Aachen
deutschen Kriegszwecken (S. 73).
Der Umfang des Betriebes war dem der Strecke Aachen-Lüttich
gleich. Die großen Verschiebungen von Divisionen zwischen Ost-
und Westfront verliefen jedoch meistens über letztere. |
Die Qualität des Transports entsprach der allgemein sich verschlech-
ternden Lage. Die Organisation des Betriebes hatte ihren Sitz im flä-
mischen Hasselt. Die Eisenbahn Tongeren - Aachen spielte noch
1984 eine Rolle in der Diskussion über die südöstliche Begrenzung
Flanderns. R
In den Jahren 1917 und 1918 wurde der Ausbau der Strecke weiter-
geführt. Ab dem 6. Januar 1918 konnte zweigleisig gefahren wer- +
den. Montzen wurde zu einem Rangierbahnhof mit 42 Gleisen er-
weitert. Trotz der Kriegssituation wurde der ursprüngliche Entwurf
mit nur geringer Terminüberschreitung und fast unverändert ausge-
führt.
Der lokalen Bevölkerung brachte die Bahn anfangs kaum Vorteile.
Für zivile Zwecke verkehrte ab dem 9. Oktober 1917 ein Personen-
zug zwischen Tongeren und Herbesthal über Montzen.
Als im November 1918 der Krieg zu Ende ging, fuhren mit Blumen
und roten Fahnen geschmückte Züge revolutionäre deutsche Mili-
tärs (vorwiegend Etappentruppen) in die Heimat zurück. Jedoch
schon kurz nach dem Waffenstillstand (11.11.1918), als auch die
Frontsoldaten die besetzten Gebiete innerhalb von 14 Tagen zu räu-
men hatten, trat mehr Ordnung ein, die Eisenbahn wurde dem
Transport von Material und von Verwundeten vorbehalten, der
Rückzug der Truppen ging fast immer zu Fuß.
Bis zum 1. Dezember kam die Strecke allmählich in belgische Hän-
de. Sofort diente sie dem alliierten Militärverkehr, Kriegsgefangene
wurden über sie heimgeführt. Ab dem 1. Mai 1919 lief wieder ein
Zivil-Personenzug und bald gab es Arbeitsstellen ”a gen Bahn”.
Diese Schrift ist in der Sprache der Mehrheit der belgischen Bevöl-
kerung, dem Niederländischen, verfaßt, der Autor hofft, daß der
deutschsprachige Leser sich trotzdem diese Ausführungen über ein
bedeutendes Monument deutscher Industrie- und Militärarchäolo-
| gie auf belgischem Boden zunutze machen wird. Für Anregungen
| seitens der seltenen noch lebenden Augenzeugen und der Besitzer
| von einschlägiger Dokumentation hält sich der Autor bestens emp-
| fohlen.
107
Ausschreibung
der Stadt Aachen des Literaturpreises 1986
Die Stadt Aachen schreibt im Rahmen des "Literaturpreises der
Stadt Aachen" für das Jahr 1986 einen Autorenwettbewerb aus für
ein Stück Prosadichtung.
Zielsetzung des Preises ist es, neue Literarische Initiativen
zu wecken, die schrißtstellerische Behandlung zeitgemäßen
Themen anzuregen und vor allem junge Autoren zu fördern.
1) Die gestellte Aufgabe: zum Thema
"Grenzerfahrung”"
40LL ein Prosatext in der Literarischen Form einer Erzählung
oder einer Kurzgeschichte oder einer Novelle geschrieben wer-
den.
Das Thema kann im weitesten Sinne verstanden werden, von der
konkreten menschlich-politischen Situation bis zur über-
£ragenen Bedeutung des Wortes.
Vom Wettbewerb werden ausgeschlossen Stücke, die der In-
toleranz, der Verherrlichung der Gewalt, dem nationalen
oder sozialen Vorurteil oder einem rassistischen Denken
Vorschub Leisten.
2) Den Umfang des einzureichenden Werkes muß mindestens 2
und darf höchstens 10 Schreibmaschinenseiten DIN A 4,
1 1/2-zeilLig beschrieben, umfassen. Teilnahmeberechtigt
ind Autoren, die in deutscher Sprache das Thema in der
vorgenannten Form vorlegen. Der Text soll nicht vor 1985
entstanden sein,
Einsendesch£uß ist der 31. Juli 1986.
Die Sendungen sind zu richten an das
Kulturdezernat der Stadt Aachen
Kennwort: Literaturpreis 1986
Postfach 1210
57100 Aachen,
108
3) Der Einsendeumschlag wird an neutraler Stelle geößfnet und
soßort vernichtet. Er soll zwei verschlossene Umschläge ent-
halten, die mit einunddemselben, vom Verfasser frei ge-
wählten Kennwort bezeichnet sind, Der eine Umschlag ent-
hält die vorgelegte Anbeit, dern andere die genauen Angaben
zur Person des Verfassers. Wenn die beiden Umschläge dußer-
Lich einen Hinweis auß den Einsender enthalten, wird die
Arbeit aus dem Wettbewerb ausgeschlossen.
Die Juxy umfaßt sieben Personen: 2 Schriftsteller, 3 Fach-
Leute der Literaturwissenschaft oder Literaturkritik, 2
Mitg£Lieder des Kulturausschusses der Stadt Aachen.
Für den Gewinner des Wettbewerbs wird eine Preissumme von .
DM 10.000,-- ausgeLobt.
Zwei weitere Anerkennungspreise in Höhe von fe DM 1.000,--
werden zusätzlich ausgesetzt.
109
0.40 ° °
Tätigkeitsbericht 1985
1. Veranstaltungen :
Auch das Jahr 1985 war wieder reich an Veranstaltungen aller Art, mit denen die
Göhltalvereinigung - die übrigens schon 19 J. besteht - einen breiten Interessenten-
kreis ansprach. Es begann wie immer mit der Jahreshauptversammlung am 20. Ja-
nuar im Kulturheim ”Select” in Kelmis. Nach einem Rückblick auf das Berichtsjahr
hielt Frau Margarethe Wahl einen Lichtbildervortrag mit dem Thema ”Israel und
die Begegnung mit einer großen Vergangenheit”. Dieser Vortrag, wie die vorigen
über Ägypten und Russland, wurde von den zahlreichen Anwesenden mit Begeiste-
rung aufgenommen.
Am 28, Februar fand im Göhltalmuseum eine Filmvorführung über das ”Torfstechen
im Hohen Venn” statt. Diese Dokumentation über ein heute ausgestorbenes Hand-
werk fand guten Anklang bei den vielen Anwesenden im Vortragssaal des Museums.
Die Grubenfahrt nach Beringen bei Zolder fiel leider wegen mangelnder Beteiligung
aus; diese Fahrten werden in Zukunft aller Wahrscheinlichkeit nach nicht mehr ins
Programm der Göhltalvereinigung aufgenommen. Unter der Leitung unseres Ehren-
präsidenten und ehem. Bergmannes Peter Zimmer waren sie jahrelang eine von Er-
folg gekrönte Veranstaltung. Am 23. März hielt Hobby-Archäologe Jos. Leclercq aus
Pepinster einen Diavortrag über die ”Vor- und Frühgeschichte im Göhltal”. Sein Re-
ferat umfaßte die Ergebnisse seiner 20-jährigen Ausgrabungsarbeiten im Göhltal-
raum. Die interessanten Erläuterungen des Referenten in französischer Sprache wur-
den durch Vize-Präsident Nyns kurz übersetzt. Einen Monat später, am 20. April,
führte eine Exkursion zum Kraftwerk Niederaussem / Bergheim, wo die Braunkohle
im Tagebau gewonnen und dann in elektrische Energie umgewandelt wird. Alle mit-
gefahrenen Göhltalfreunde waren beeindruckt von dem Riesenschaufelbagger, den
langen Förderbändern, den riesigen Turbinen und Generatoren, usw. Die Studien-
fahrt endete mit einem Besuch bei der Deutschen Welle auf der Merscher Höhe bei
Jülich. Die Organisation dieser Ausfahrt hatte Vorstandsmitglied Josef Kessel über-
nommen.
Unter der Leitung von Frau Fischer-Holz führte die nächste Ausfahrt nach Rutten
und Tongeren. Nach einer Messe und einer Prozession begannen in Rutten nachmit-
tags die Evermarusspiele mit folkloristischen Szenen aus dem Leben des Heiligen.
Auf der Rückfahrt besichtigte man noch die Kathedrale von Tongeren.
Im Monat Mai verstarb das langjährige Vorstandsmitglied Leo Homburg, der sich
stets aktiv für unsere Vereinigung eingesetzt hatte und von dem so viele Anekdoten
in unserer Zeitschrift erschienen sind. Wir werden ihm ein ehrenvolles Andenken be-
wahren.
Zusätzlich zum Programm leitete Fr. Dr. De Ridder am 18, Mai eine Studienfahrt
ins romanische Köln zur Ausstellung ”Ornamenta Ecclesiae”; danach folgte eine Be-
sichtigung der ältesten romanischen Kirchen Kölns, Maria im Kapitol (7. Jh.) und St.
Gereon (4. Jh.). e
Mit Alfred Bertha und Alfred Jansen wanderte man am nächsten Tag, dem 19. Mai,
an der Göhl entlang von der Quelle bei Eynatten bis zum Casinoweiher in Kelmis /
Neu-Moresnet. Die 2. und 3. Etappe werden bis zur Mündung in Holland führen.
Wind- und Wassermühlen im Großraum Aachen und im niederländischen Grenzge-
biet waren das Ziel der nächsten Fahrt am 9. Juni unter der bewährten Führung von
Dipl. Ing. Lutz Meyer, wissenschaftlicher Referent beim rheinischen Landesamt für
Denkmalpflege in Aachen und Umgebung, der den Teilnehmern die kunsthistori-
schen Erklärungen am Objekt gab sowie die Probleme der modernen Denkmalpflege
|
|
112
2. Veröffentlichungen : es erschienen 2 Hefte ”Im Göhltal” Nr. 36 u. 37 mit einer
Fülle lesenswerter, interessanter Beiträge.
3. Presse und Rundfunkberichte : alle Veranstaltungen wurden durch den Presserefe-
renten F. Nijns an Zeitungen und Radio mitgeteilt; im Nachhinein wurde jeweils ein
Kommentar zu den Studienfahrten, Ausstellungen, Wanderungen usw. zwecks Ver-
öffentlichung eingereicht.
4. Mitgliederzahl : sie ist erfreulicherweise im Anstieg : Ende 1983 hatten wir 725
Mitglieder; 1985 schlossen wir mit 765 Mitgliedern ab.
5. Wir begrüßten drei neue Mitglieder im Verwaltungsrat : Frau M. Wahl, Frau
Schmitz und Herrn Goebbels.
Fr. Nijns, 1. Vize-Präsident
Protokollführer und
Pressereferent.