Im Göhltal
ZEITSCHRIFT der
VEREINIGUNG
für
Kultur, Heimatkunde und Geschichte
im Göhltal
Nr 30
Februar 1982
Vorsitzender : Herbert Lennertz, Stadionstr. 3, 4721 Neu-Moresnet.
Sekretariat : Lütticher Str. 36, 4721 Tülje, Neu-Moresnet.
Lektor : Alfred Bertha, Hergenrath, Bahnhofstraße 33.
Kassierer : Fritz Steinbeck, Kirchstraße, 35, Kelmis.
Postscheckkonto N° 000-0191053-60
Die Beiträge verpflichten nur die Verfasser.
Alle Rechte vorbehalten.
Entwurf des Titelblattes : Frau Pauquet-Dorr, Kelmis.
Diese Skizze zeigt den Moresneter Göhltalviadukt sowie die Hergenrather
Hammerbrücke in ihrer ursprünglichen Form.
Druck. Jacques Aldenhoff, Gemmenich.
Inhaltsverzeichnis
Hubert Beckers, Eilendorf Über den Einsatz der deutschen Reichs- 5
bahn im September 1944 im Raum
Eupen-Moresnet.
M.Th. Weinert, Aachen Buche im Vennwald 26
Franz Uebags, Kelmis Die ”Schleifmühle” in Neu-Moresnet 27
Gerard Tatas (#), Gemme- De jrötzte Löge 52
nich
Walter Meven, Hergenrath Ein Reglement der Gemeinde Kelmis 54
aus dem Jahre 1697
Peter Zimmer, Kelmis Bergmannslos 59
Alfred Bertha, Hergenrath Hergenrather Schulchronik (Forts.) 76
Leo Homburg. Fossey Als Schüler in Herbesthal 87
Leonie Wichert-Schmetz, Teufelsschlucht an der Göhl 90
Bad-Driburg
Dr. Gisela De Ridder, Zum Ursprung des Menschen 92
Moresnet Eine denkwürdige Feierstunde im 96
Raerener Museum
M.Th. Weinert, Aachen Alter Gewichtstein 100
Alfred Bertha, Hergenrath Auf dem Büchermarkt 102
Dr. Gisela De Ridder, Jahresbericht 1981 106
Moresnet
6
Am 22. Mai 1944, gegen 15,27 Uhr, wurden die beiden Flak-
stände an der Hammerbrücke zwischen Hergenrath und Astenet,
die dort zum Schutz gegen Fliegerangriffe besetzt waren, von sechs
alliierten Flugzeugen angegriffen und mit Bordwaffen beschossen.
Durch Treffer in das Munitionslager explodierte dasselbe, wobei es
sechs Tote, drei Schwer- und drei Leichtverletzte gab (1).
Lageskizze zum Bordwaffenbeschuß
auf die Flakstände an der Hammerbrücke >>
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Wenige Minuten später, gegen 15,30 Uhr, wurde der Bahnhof
Montzen (2) durch etwa acht Tiefflieger angegriffen. Das Ergebnis :
ein Toter, ein Verwundeter, drei durch Bordwaffenbeschuß beschä-
digte Lokomotiven. Einige Minuten später, um 15,36 Uhr, setzten
vier Jabos auf der Strecke Eupen-Herbesthal, bei km 1,3 zu einem
Tiefangriff auf den Personenzug Pz 2595 an. Hier gab.es Verletzte
sowie 20 Treffer in die Lokomotive.
Aber auch in der vorhergehenden Nacht, vom 21. zum 22.
Mai, waren um 1,30.Uhr Angriffe einzelner alliierter Flugzeuge auf
den Grenzraum Slenaeken - Aubel - Gensterbloem - Wolfshaag -
1. Siehe auch : Leo Homburg, Notizen um die Hammerbrücke, Im Göhltal, Heft
26, Seite 27.
2. Hier hatte schon in der Nacht vom 27./28. April 1944 ein schwerer Hoch- und
Tiefangriff größte Schäden angerichtet. Etwa 100 bis 150 alliierte Fugzeuge warfen
alleine auf Bahnanlagen 315 Sprengbomben, 22 Blindgänger sowie 10 Brandbomben
ab, wobei 14 Bahnbedienstete den Tod fanden (die Verluste der Zivilbevölkerung
sind hier nicht berücksichtigt).
8
schaffung von Verpflegung, Werkzeug und Oberbaustoffen sowie
der Schuttmassen zum Verfüllen der zahlreichen Bombentrichter
wurden so gelöst, daß am Tage der alliierten Invasion, am. 6. Juni
1944, alle von Aachen nach Westen führenden Nachschubwege
wieder voll betriebsfähig waren.
Die Landung der Alliierten an der nordfranzösischen Küste
war, wie wir wissen, erfolgreich. Es gelang ihnen die Bildung eines
Brückenkopfes, der Ausgangspunkt für die weiteren Kampfhandlun-
gen zur Befreiung Frankreichs und Belgiens von der deutschen
Besatzung war.
Bereits Anfang August 1944 waren die aus Belgien in Aachen
ankommenden Reisezüge mit Flüchtlingen besetzt, die aus Angst 5
vor der Rache der ”Maquisards” und der ”Weißen Armee” Schutz
in Deutschland suchten. Sonderzüge mit weiblichem Wehrmachts-
gefolge, welches alarmierende Nachrichten über die Niederlage der
deutschen 7. Armee verbreitete, trafen ein, ohne daß die Grenzbe-
wohner daran dachten, daß es auch in kurzer Zeit ihr Schicksal wer-
den sollte, Heimat, Haus und Hof verlassen zu müssen.
Erst das Zurückfluten deutscher Truppen aller Waffengattun-
gen, die ohne Vorgesetzte in kleinen und kleinsten Gruppen
ungeordnet über die Grenze nach Aachen kamen und zum Teil
Rauch-, Trink- und Seidenwaren verkaufend die Straßen der Stadt
bevölkerten, ließ die Gefahr ahnen, die unaufhaltsam näher kam.
Teilweise waren die öffentlichen Luftschutzbunker bei Luftwar-
nung und Fliegeralarm mit diesen Soldaten überfüllt, so daß Frauen
und Kinder nicht immer Schutz fanden. Eine allgemeine Demorali-
sation machte sich überall bemerkbar, zumal Privatwagen aller Art,
mit Offizieren und ihren Damen besetzt, über die Grenze kamen,
während die Landser teils zu Fuß, teils mit Gelegenheitsfahrten die
Flucht über die Grenze angetreten hatten. Angesichts dieser Er-
scheinungen hatte sich der Bevölkerung in den unmittelbaren
Grenzorten verständlicherweise eine bange Erwartung vor den
kommenden Ereignissen bemächtigt.
Mit der zivilen Räumung des Ortes Herbesthal begann man
bereits am 3. September. Sie war am 5. September beendet. Auch
die Zivilbehörden, wie Parteidienststellen, Bürgermeister, Gendar-
merie und Ortspolizei stellten am 5. September ihre Tätigkeit ein
und verließen den Ort, ohne sich weiter um die Zurückgebliebenen
zu kümmern. Am gleichen Tag folgten Grenzpolizei, Zollverwal-
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Beim Angriff alliierter Flugzeuge in der Nacht vom 27. zum 28. April 1944
erlitt der Bahnhof Montzen schwerste Schäden,
10
tung und Reichspost, während die Reichsbahndienststellen erst am
9. September unter Leitung des Betriebsamtes Aachen räumten.
Seit dem 4. September überstürzten sich die Ereignisse. Der
”Westdeutsche Beobachter” meldete feindliche Umgruppierungen
in Frankreich.
Die Alliierten standen mit 26 Divisionen zum Angriff bereit.
Der Durchbruch bei Avranches war ihnen gelungen. Paris war
unmittelbar bedroht. Die Fronten rückten immer näher und der
Donner der tobenden Materialschlachten wurde im hiesigen Grenz-
raum immer mehr vernehmbar. Jedoch ließ das Zurückfluten deut-
scher Truppen nun nach, so daß auf wirkungsvolle
Gegenmaßnahmen der deutschen Wehrmacht geschlossen werden ;
konnte. Den Alliierten gelang es trotzdem, die 7. Deutsche Armee
zu schlagen und die Schlacht in Frankreich in einen Bewegungs-
krieg überzuleiten. Damit war auch das Schicksal der deutschen
Truppen in Belgien besiegelt.
Am 6. September meldete der ”Westdeutsche Beobachter” das
Eindringen der Alliierten in Belgien und ihre Unterstützung durch
die belgische ”Weiße Armee”. Am 9. September waren bereits die
Kämpfe um die Zitadelle von Lüttich im Gange, ohne daß die deut-
schen Truppen in der Lage waren, noch wirkungsvollen Widerstand
zu leisten. Die unmittelbare Bedrohung des westlichen Grenzlandes
sowie der Stadt Aachen mit ihrem Hinterland war nun Tatsache
geworden. Das Tempo des Vorrückens der Alliierten ließ erkennen,
daß das deutsch-belgische Grenzgebiet in einigen Tagen Kampfge-
biet sein werde. Im Laufe des 9. Septembers trafen noch drei Räu-
mungszüge mit Kranken und Flüchtlingen aus Belgien in Aachen
ein.
Am 7. September war die Tieffliegertätigkeit im Raum
Herbesthal-Eupen-Raeren außergewöhnlich rege gewesen. Gegen
15.00 Uhr wurde im Bahnhof Herbesthal ein Munitionszug durch
mehrere Tiefflieger angegriffen und in Brand geschossen. Vier
Wagen mit Artillerie-Munition explodierten, so daß mehrere Gleise
schwer beschädigt und unbefahrbar waren. Durch das mutige Han-
deln eines Reichsbahnbediensteten, der unter eigener Lebensgefahr
die unbeschädigten Wagen des brennenden Munitionszuges abzog,
konnte die Vernichtung des ganzen Zuges und eines großen Teiles
des Bahnhofs verhindert werden. Bereits am 8. September wurden
auch die Bewohner der holländischen Provinz Limburg evakuiert.
Die . Flüchtlinge wurden mit Planzügen über Herzogenrath-
Mönchengladbach in das Innere Deutschlands abgefahren.
11
Am 8. September wurden über die Strecke Herbesthal-Aachen
noch insgesamt 18 Räumzüge und zwei Flüchtlingszüge aus Belgien
nach Deutschland geleitet, und am gleichen Tag, um 17.50 Uhr,
standen alliierte Panzerspitzen bereits vor Verviers. Durch die beab-
sichtigte Freimachung der holländischen Provinz Limburg, die am
20. September beendet war, wurde auch die deutsche Bevölkerung
an der deutsch-holländischen Grenze in Angst versetzt. Ein Flücht-
lingsstrom aus Herzogenrath und den umliegenden Ortschaften
setzte daraufhin ein.
Bedingt durch die Räumung Limburgs sah die Reichsbahn sich
nun vor die Aufgabe gestellt, eine große Anzahl mit Kohle und
Wehrmachtsgut beladener Wagen abzufahren, die noch auf den
Zechen Emma und Hendrik in Nuth, Maurisse in Lutterade, Wil-
helmine und Terwinselle sowie Nassau I, II, III und IV in Heerlen,
Laura und Vereeniging, sowie in den Bahnhöfen Süsteren, Sittard
und Heerlen standen. Da die holländischen Eisenbahner ihrem
Dienst fernblieben, wurde die Strecke Kerkrade-Schaesberg mit 41
deutschen Eisenbahnern besetzt. Der Bahnhof Heerlen wurde
durch den Bahnbevollmächtigen in Utrecht übernommen. Den wei-
teren Schutz der Strecke übernahmen 29 deutsche Soldaten. Ein
Beamter vom Bahnhof Montzen wurde nun beauftragt, im Einver-
nehmen mit einem Verbindungsmann vom Bahnhof Herzogenrath,
die holländischen Zechen und Bahnhöfe frei zu fahren. Beide Eisen-
bahner haben ihre Aufgabe so hervorragend gelöst, daß in den
Tagen vom 8. bis 11. September noch 21 Züge über Herzogenrath
abgefahren werden konnten.
Aber auch in den belgischen Grenzbahnhöfen Montzen und
Herbesthal war die Betriebsabwicklung immer schwieriger gewor-
den. Schon seit Anfang September war die Arbeitsunwilligkeit der
belgischen Eisenbahner unverkennbar geworden, die sich beim
Nähern der Front noch verstärkte. In Montzen erschienen vom 6.
September an die belgischen Bediensteten nicht mehr zum Dienst.
Auch die weiblichen Angestellten der Küche in Montzen blieben an
diesem Tage aus. Außerdem war die Strecke Montzen-Vise durch
Sabotage außer Betrieb gesetzt. Somit mußte der Güterzugverkehr
Vise-Deutschland eingestellt werden. Die noch im Bahnhof Mont-
zen stehenden Wagen wurden in Sonderzügen zu deutschen Nach-
barbahnhöfen übergeleitet, während jedoch der Personenverkehr
noch bis zum Abend des 7. September aufrecht erhalten werden
konnte. Den Alliierten sind daher bei der Einnahme Montzen’s nur
einige Schadwagen in die Hände gefallen.
12
Da amerikanische Truppen inzwischen bis Vise vorgedrungen
waren und die Brücke in Vise gesprengt worden war, wurde den
deutschen Eisenbahnern auf der Strecke Vise-Montzen der Befehl
erteilt, sich auf den Bahnhof Montzen abzusetzen.
Als am Abend des 7. September Meldungen eintrafen, daß die
Einnahme Vise’s durch Freindtruppen gegen 22.00 Uhr erwartet
werde, erhielt der Bahnhof Montzen nun auch Anweisung, einen
Räumungszug mit den Küchenvorräten, wichtigen Akten, Vor-
schriften, Personalunterlagen, Möbel, Schreibmaschinen usw.
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Eisenbahnstrecken im Dreiländereck Belgien - Holland - Deutschland
13
zusammenzustellen und abfahrbereit zu halten. Ein zweiter Räu-
mungszug für das Deutsche Rote Kreuz und den Rest der Wehr-
macht wurde ebenfalls gebildet und am 8. September, um 2,55 Uhr,
nach Deutschland abgefahren. Fünf Minuten später, um 3,00 Uhr,
erhielt auch der Räumungszug des Bahnhofs Montzen den Befehl,
sich nach Aachen Süd abzusetzen, um später dem Bahnhof
Geisecke (3) zugeführt zu werden.
Zwischen Herbesthal und Lüttich war die Strecke noch in
Betrieb, wenn auch die belgischen Eisenbahner dort zum größten
Teil keinen Dienst mehr versahen. Seit den frühen Morgenstunden
des 7. September fehlte jedoch jede Fernsprechverbindung. Das in
den Abendstunden des 7. September für die Besetzung der Strecke
Herbesthal-Lüttich vorgesehene deutsche Personal mußte in
Aachen zurückgehalten werden, da mittlerweile die Strecke wegen
Feindtätigkeit nicht mehr besetzt werden konnte.
In den späten Nachmittagsstunden des 7. September wurde der
erste Räumungszug aus Eupen mit sehr schwacher Besetzung über
Raeren-Stolberg Hbf abgefahren. Auch durch Aufnahme weiterer
Flüchtlinge in Raeren war der Zug in keiner Weise ausgenutzt, ob-
schon die Benutzung dieses Zuges der Bevölkerung von der Partei
zur Pflicht gemacht worden war.
Die Tätigkeit alliierter Tiefflieger, meist waren es P-47 Thun-
derboldt oder Lightnings, steigerte sich immer mehr. Im Bahnhof
Herbesthal wurden drei Lokomotiven durch Bordwaffenbeschuß
schwer beschädigt. Verluste an Menschen waren dabei jedoch nicht
zu beklagen. Auch auf der Strecke Aachen-Monschau, zwischen
Brand und Eilendorf, griffen 16 Jabos einen Personenzug an (4).
Zwar schoß die Flak, was ihre Rohre hergaben, aber unbeirrt verrich-
teten die Jabos ihr Werk, welches in wenigen Minuten beendet war.
Anschließend mußten acht Tote sowie eine große Anzahl Verwun-
deter geborgen werden, wovon am gleichen Abend noch drei ihren
Verletzungen im Eilendorfer Kloster, wohin man sie gebracht hatte,
erlagen. Unter den Toten befand sich auch der Lokomotivführer.
Die Lokomotive sowie die beiden ersten Wagen waren von Ge-
schossen durchsiebt.
3. Geisecke bei Schwerte. Dort erschoß sich im Dezember 1944 der Dienstvorste-
her des Bahnhofs Montzen, Reichsbahnamtmann Davids. Nach dem Befund der Lei-
che war der erste Schuß am Herzen vorbeigegangen. Der zweite Schuß ging direkt
ins Herz und war tödlich.
5 Siehe auch : Hubert Beckers, Eilendorfer Kriegstagebuch, 1979, Seite 8f und
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Die Frontlage im Bereich der 7. Deutschen Armee am 8. September 1944
15
Am 9. September verschärfte sich die Lage derart, daß den
Bahnhöfen innerhalb der Stadt Aachen sowie den Bahnhöfen im
Bereich Eupen-Moresnet Befehl gegeben werden mußte, vorsorglich
ihre Räumung vorzubereiten. Die deutschen Bahnhöfe Walheim,
Kornelimünster, Breinig, Stolberg-Hammer, Stolberg-Mühle, Rich-
terich, Kohlscheid, Herzogenrath und Palenberg erhielten den glei-
chen Befehl. Die Bahnhöfe Henri-Chapelle, Moresnet, Bleyberg,
und Gemmenich sowie die Abzweigstellen Mühlbach und Botzelaer
hatten bereits nach Auftrag alle wichtigen Akten, Verfügungen,
Geräte usw. mit planmäßigen Zügen zum Bahnhof Aachen West
geschafft. Außer den wenigen Schadwagen im Bahnhof Montzen
sind auf den Strecken Montzen-Aachen Süd, Montzen-Aachen
West, Herbesthal-Aachen West und Herbesthal-Aachen Hbf den
Alliierten keine Geräte von Wert und kein sonstiges wichtiges
Material in die Hände gefallen.
Im Bahnhof Raeren standen, von der Deutschen Wehrmacht
für besondere Zwecke angefordert, ein Pakzug sowie ein schwerer
und ein leichter Flakzug, außerdem einige Güterwagen für spezielle
Zwecke in Stellung. Da die Feindfliegertätigkeit jedoch
außerordentlich rege war, wurden, im Einvernehmen mit dem Wehr-
machtskommandanten, diese Züge gegen Abend in Richtung
Hohenbudberg abgefahren. Sehr wichtiges Wehrmachtsgut der Phi-
lipswerke konnte, nach Beiladung in Eupen, ebenfalls über Raeren-
Aachen Rothe Erde nach Westfalen abgefahren werden.
Schon in der Nacht zum 9. September, um 0,03 Uhr, hatte sehr
starke Feindfliegertätigkeit mit Bombenabwürfen auf Eynatten und
den Raerener Wald eingesetzt. Später, in den Vormittagsstunden,
wurde der Personenzug P 2674 auf der Strecke zwischen Roetgen
und Lammersdorf von Tieffliegern angegriffen. Lokführer und Hei-
zer wurden dabei tödlich verletzt. Die Strecke mußte für zwei Stun-
den gesperrt werden. Zwischen Walheim und Schmithof wurde der
Personenzug P 2677 ebenfalls von Tieffliegern angegriffen, wobei
größere Schäden an Lok und Wagen, jedoch keine Men-
schenverluste zu beklagen waren.
Am Morgen dieses 9 September war ebenfalls um 7,15 Uhr
von Aachen aus ein Tankzug mit Generatoren für Eupen abgefer-
tigt worden, der um 7,25 Uhr weitergeleitet wurde. Um 8.00 Uhr
lief in Raeren ein Sonderzug der Philipswerke, von Roetgen kom-
mend, für Eupen ein. Kurze Zeit später, gegen 8,35 Uhr, wurden
aus Richtung Eupen Bombenabwürfe und starker
Bordwaffenbeschuß wahrgenommen. Auch die Verbindung mit
16
dem Bahnhof Eupen war plötzlich abgeschnitten. Um 11,20 Uhr
erschienen dann der Lokführer und der Heizer in Aachen und mel-
deten, daß ihr Zug (der Tankzug) sowie der Sonderzug der Philips-
werke angegriffen worden seien. Die Lok des Tankzuges sei durch
zahlreiche Einschüsse schwer beschädigt. Die Menschenverluste
betrugen drei Tote sowie zahlreiche Verletzte, deren genaue Zahl
jedoch nicht bekannt wurde. Die Gleisanlagen der Ladestraße im
Bahnhof Eupen waren bei diesem Angriff zerstört worden.
Da die Feindtätigkeit im Raum Eupen-Raeren sich im Laufe
des 9. September immer mehr verstärkte, wurde Befehl gegeben, die
noch im Bahnhof Raeren stehenden 35 beladenen Wagen (darunter *
16 Wagen mit Wehrmachtsgut) der Philipswerke in den Abend-
stunden abzufahren. Um 18.00 Uhr war der Bahnhof Raeren von
allen Fahrzeugen geräumt. Die Tieffliegertätigkeit steigerte sich
dann im Laufe des Tages so, daß eine weitere Besetzung des Bahn-
hofs Raeren nicht mehr zu vertreten war. Deshalb wurde die Räu-
mung des Bahnhofs und die Absetzung auf den Bahnhof Walheim
angeordnet. Unter Mitnahme aller noch nach 18.00 Uhr eingetrof-
fenen Fahrzeuge setzte sich der Bahnhof Raeren gegen 23.00
Uhr ab.
Dem ergangenen Räumungsbefehl leisteten jedoch nur der
Dienstvorsteher des Bahnhofs Raeren sowie ein Signalwerkführer
der Bahnmeisterei Walheim Folge. Alle anderen Bediensteten blie-
ben zurück und erwarteten in ihren Heimatorten den Einmarsch
der Amerikaner.
Aber auch in den anderen Bahnhöfen des Amtsbezirks Aachen
hatten sich die Kampfhandlungen durch Tiefflieger gesteigert. Von
allen Seiten liefen die Meldungen über Zunahme der Bomben- und
Bordwaffenangriffe auf Bahnanlagen, Züge sowie Straßenfahrzeuge
ein. Hinzu kamen die Rückzugsmaßnahmen der Wehrmacht, die
Straßenkreuzungen und Brücken sprengten, wodurch dann letzt-
endlich der Bahnbetrieb auf den Strecken Montzen-Aachen Süd
und Montzen-Aachen West unmöglich wurde.
Durch Feindeinwirkung waren u.a. gesperrt : +
Gleis Köln-Aachen im Bahnhof Eilendorf (Bombenab-
wurf), sowie Gleis Köln-Aachen und Gegenrichtung
im Bahnhof Derichsweiler.
Die durch die Streckensperrungen blockierten Züge waren natürlich
ein bevorzugtes Angriffsziel der zahlreichen Tiefflieger.
17
Durch Rückzugsmaßnahmen der Deutschen Wehrmacht waren
unterbrochen :
Strecke Montzen-Aachen West bei Blockstelle Frie-
drich, durch Sprengung einer Straßenunterführung,
sowie
Strecke Montzen-Aachen Süd beim Haltepunkt
Buschhausen, durch Sprengung einer
Straßenunterführung.
Die Bahnhöfe Henri-Chapelle, Moresnet, Bleyberg, Gemme-
nich sowie die Abzweigung Mühlbach waren vorher geräumt wor-
den, so daß sie durch die Streckensperrungen nicht abgeschnitten
waren. Im Verkehr nach Holland war die Strecke von Aachen über
Herzogenrath-Heerlen bis Eindhoven noch befahrbar. Auch die
Strecke Aachen Hbf-Herbesthal war noch in Betrieb.
Um einigermaßen genaue Meldungen über die allgemeine Lage
zu erhalten wurde vom Betriebsamt Aachen ein Verbindungsmann
zum Wehrmachts-Kampfstand Gallwitzkaserne (Aachen) abgeord-
net, da nunmehr alle weiteren Entscheidungen dem jeweiligen
Stand der Kampfhandlungen im Grenzgebiet angepaßt werden
mußten. Nach den vom Wehrmachts-Kampfstand einlaufenden
Meldungen wurde mit dem Eintreffen amerikanischer Truppen an
der alten deutsch-belgischen Grenze in den nächsten Stunden
gerechnet.
Aufgrund der Meldungen im Wehrmachtsbericht wurde um
10.00 Uhr die Räumung der Bahnhöfe Herbesthal und Astenet
angeordnet. Vorbereitende Maßnahmen waren bereits nach Abreise
der Zivilbehörden, am 5. September,eingeleitet worden, so daß die
Totalräumung trotz der starken Fliegertätigkeit am 9. September
gegen 14.00 Uhr als beendet angesehen werden konnten. Auch der
starke Zulauf an Räumungszügen aus Richtung Belgien, am 7. Sep-
tember und in der Nacht zum 9. September, brach in den Morgen-
stunden des 9. September plötzlich ab. Daher nutzte man die Zeit,
die noch im Bahnhof Herbesthal stehenden Wagen abzufahren.
Zurück ließ man nur drei nicht lauffähige Fahrzeuge.
Dem Anschluß Keramik, zwischen den Bahnhöfen Herbesthal
und Henri-Chapelle gelegen, am Morgen des 9. September zuge-
stellte leere Güterwagen zur Räumung der Philipswerke mußten
wieder leer abgezogen werden, da Kräfte zur Räumung und Bela-
dung der Wagen fehlten. Als jedoch gegen 14.00 Uhr etwa 70
Arbeiter aus Aachen zur Räumung eintrafen, konnten die vorher
19
Am Abend des 9. September, gegen 20.00 Uhr, verließ der
letzte Räumungszug den Bahnhof Herbesthal. Mit diesem Zug
verließen auch die Bediensteten der Bahnhöfe Astenet und Hergen-
rath ihre Dienststellen.
Am 10. September entfalteten die Alliierten wiederum eine
sehr rege Fliegertätigkeit mit verstärkten Bombenabwürfen vor
allem im Raum Eupen-Raeren. Daher mußte nun auch der Perso-
nenzugverkehr auf der Strecke Walheim-St. Vith eingestellt werden.
Um 10.00 Uhr verlief die Front auf der Linie Clermont-
Limburg-Spa westlich Stavelot und bereits um 13.20 Uhr verlagerte
sich starkes Artilleriefeuer auf die Orte Baelen und Herbesthal. Zum
gleichen Zeitpunkt meldete der Bahnhofsoffizier Herbesthal nach
Aachen, Generalleutnant von Schwerin habe den Hauptmann Abel
beauftragt, die Hammerbrücke zwischen km 78,6 und 78,9 der
Strecke Aachen-Herbesthal zur Sprengung vorzubereiten. Gegen
diese beabsichtigte Sprengung legte das Betriebsamt Aachen sofort
Einspruch ein, da sich herausgestellt hatte, daß doch noch Bedien-
stete des Bahnhofs Astenet zurückgeblieben waren. Um 14,02 Uhr
traf eine neue Meldung des Bahnhofsoffiziers ein, wonach Leutnant
Schliepen den Auftrag habe, die Hammerbrücke gegen Abend zu
sprengen.
Um 16.01 Uhr erhielt Aachen die Meldung, daß das Reichs-
bahnbetriebsamt Malmedy wegen starker Feindtätigkeit seinen Sitz
nach dem Bahnhof Weismes verlegt habe. Eine Stunde später,
gegen 17.00 Uhr, lagen die Strecke Raeren-Aachen Süd sowie die
umliegenden Häuser unter amerikanischem Artilleriefeuer. Gegen
17.20 Uhr lagen die Artillerietreffer in der Hauptsache in unmittel-
barer Nähe des Bahnkörpers zwischen den Posten 58 und 59 der
Strecke Herbesthal-Aachen. Dadurch wurde nun auch die restlose
Räumung des Bahnhofs Hergenrath notwendig, die auch ohne Ver-
luste durchgeführt werden konnte. In Moresnet und Bleyberg
waren wegen des starken Artilleriefeuers gegen 16.00 Uhr die
Schanzarbeiten deutscherseits eingestellt worden und die Schanz-
kommandos abgerückt. Der Verbindungsmann der Deutschen
Reichsbahn meldete aus der Gallwitzkaserne, daß der Feind um
21.00 Uhr in Malmedy eingedrungen sei. Um 22.00 Uhr wurden
dann die Bahnanlagen des Bahnhofs Weismes gesprengt.
Während der Nacht zum 11. September hatte sich die Lage an
der hiesigen Front weiter zugespitzt. Schon in den frühen Morgen-
stunden lagen schwere Luftbombardements auf die etwa 3 km
20
westlich Aachens entfernt liegende erste Westwall-Bunkerlinie. Im
Laufe des Tages wurden sämtliche strategisch wichtigen
Straßenkreuzungen im Bereich Eupen-Moresnet von deutschen
Truppen gesprengt. Laut Mitteilung des Oberleutnants Schilo, vom
1. Panzer-Battaillon 673 (1 16. Panzer-Division), wurde das erste öst-
liche Feld der Göhltalbrücke zwischen Montzen Süd und Aachen
West bzw. Aachen Süd gesprengt. Auf Befehl des Divisionskom-
mandeurs der 116. Panzer-Division, Generalleutnant Graf von
Schwerin, mußten auch Buschtunnel und Gemmenicher-Tunnel
feindwärts zur Sprengung vorbereitet werden.
Der Druck der Amerikaner auf den Raum Eupen-Raeren ver-
stärkte sich nun immer mehr. Um 8.30 Uhr wurde der Bahnhof *
Eupen von acht und um 11.00 Uhr von 20 Tieffliegern angegriffen.
Dabei fielen drei deutsche Soldaten, acht wurden schwer verwun-
det, 36 Eisenbahnwagen brannten aus.
Am Nachmittag, gegen 17.00 Uhr, teilte die Kreisleitung der
NSDAP Aachen-Stadt dem Betriebsamt Aachen mit, daß nunmehr
”Führerbefehl” ergangen sei, die Stadt Aachen von Zivilisten zu
räumen. Alle Behörden beschlossen daraufhin, die weiblichen
Bediensteten, Schwerbeschädigte und Männer über 65 Jahre mit
der übrigen Zivilbevölkerung zu evakuieren. Auch die Reichsbahn
beschloß für den Bereich des Betriebsamtes Aachen die gleiche
Maßnahme.
Für den Fall überraschender Ereignisse wurde befohlen, daß
sich sämtliche Eisenbahner der Aachener Bahnhöfe sowie der Bahn-
höfe Richterich, Kohlscheid, Walheim, Brand, Kornelimünster,
Breinig und Eilendorf durch den Nirmer Tunnel zum Bahnhof
Eschweiler durchschlagen sollten. Die Dienstgeschäfte des Betriebs-
amtes Aachen sollten dann vom Bahnhof Eschweiler abgewickelt
werden.
Die Evakuierung der Kranken aus Aachen wurde jedoch
schon im Laufe des 11. September durchgeführt. Zwei Züge für lie-
gende Kranke hatten bereits vormittags den Bahnhof Aachen West
mit Ziel Hamm (Westfalen) verlassen. Weitere Leerzüge für die
Zivilbevölkerung waren angefordert worden, so daß im Laufe des
Tages elf Räumungszüge das Stadtgebiet verlassen konnten.
Um 11.45 Uhr erklärte sich der Kreisleiter von Eupen damit
einverstanden, daß sämtliche Bahnhöfe westlich des Westwalls
geräumt würden. Gegen 12.00 Uhr meldete der Verbindungsoffizier
zum Armeeoberkommando 7, Oberleutnant Schilo, daß die Strecke
23
sprengt. Gegen 20.00 Uhr erhielt das Betriebsamt Aachen den Be-
scheid, daß der Kreisleiter Schmeer in Stolberg zu erreichen sei. Da
eine Verständigung mit der Kreisleitung Aachen-Stadt fernmünd-
lich jedoch nicht mehr möglich war, wurde ein Reichsbahnoberin-
spektor als Verbindungsmann zur Kreisleitung Aachen nach Stol-
berg abgeordnet, um genaue Zahlen der noch zu evakuierenden
Zivilbevölkerung zu bekommen. Dieser kehrte jedoch unverrichte-
ter Dinge zurück, da die Kreisleitung schon nicht mehr besetzt war.
Am Dienstag, dem 12. September, gegen 21.00 Uhr meldete
der Verbindungsmann beim Platzkommandanten, Oberst von
Osterroht, daß feindliche Schützengruppen sowie mehrere Panzer
seitlich des Gemmenicher Tunnels durchgesickert seien. Kurze Zeit
später, um 21.30 Uhr, meldete Kreisleiter Schmeer sich telefonisch
aus Düren beim Amtsleiter des Betriebsamtes Aachen. Dieser infor- _
mierte Schmeer über die militärische Lage und die Abwicklung der
Räumung Aachens. Nach diesem Gespräch versuchte Reichsbahn-
oberrat Lambert vergeblich, auf verschiedenen Leitungen den Poli-
zeipräsidenten, den Regierungspräsidenten und den Oberbürger-
meister zu erreichen. Er bekam jedoch keine Verbindung mehr zu
den Behörden, da diese bereits die Stadt verlassen hatten.
Daraufhin wies RBO Lambert seine durch diese Umstände
stark erschütterten Bediensteten an, ohne Rücksicht auf die Ereig-
nisse weiter ihre Pflicht der Aachener Bevölkerung gegenüber zu
tun. Er verfügte weiter, daß seitens der Reichsbahn erst dann
geräumt würde, wenn der letzte auf dem Bahnsteig anwesende
Flüchtling abbefördert sei. Das gleiche hatte er vorhin dem Kreislei-
ter mitgeteilt.
Zu diesem Zeitpunkt standen in Aachen Hbf etwa 7000 und in
Aachen West circa 3000 Flüchtlinge. Ein für die Räumung zustän-
diger politischer Leiter war nicht anwesend. Daher mußte Verbin-
dung mit Aachener Luftschutzbunkern aufgenommen werden, um
die Zurückgebliebenen zu verständigen, daß die ganze Nacht über
Flüchtlingszüge in genügender Zahl fahren würden.
Gegen 1.00 Uhr, am 13. September, waren die Flüchtlinge in
Aachen bis auf etwa 500 in Aachen Hbf abgefahren worden. Wei-
tere Wagenparks standen auf Abruf bereit. Zwischen 1.00 und 3.00
Uhr war der Zustrom der Flüchtlinge jedoch schwächer geworden,
da Großalarm über Aachen war und zusätzlich starkes Artillerie-
feuer auf Aachen lag.
Gegen 3.00 Uhr verließ der letzte Flüchtlingszug Aachen, da
sich keine Flüchtlinge mehr in den Aachener Bahnhöfen befanden.
25
Um 4.30 Uhr fuhren auch die Reichsbahnräumungszüge aus
Aachen Hbf und Aachen West ab und nahmen je noch etwa 30
Flüchtlinge mit, die sich mittlerweile wieder eingefunden hatten.
Auch die Wehrmachtsführung war zu diesem Zeitpunkt mit der
Räumung der Reichsbahn einverstanden. In der Nacht vom 13.
zum 14. September sowie am Morgen des 14. September wurden
aus den Aachener Bahnhöfen Hbf. West und Rothe Erde nochmals
Reichsbahnräumungszüge heraus gefahren.
Am 14. September, gegen 11.00 Uhr, wurde der Aachener
Hauptbahnhof mit starkem Artilleriefeuer belegt. Mit drei Schwer-
verletzten haben sich dann die letzten Eisenbahner aus Aachen
nach Stolberg abgesetzt.
Harte Gefechte am Westwall, Feindberührung im Aachener
Wald, Panzerdurchbrüche am Pelzerturm, Panzergefechte im
Bereich der Vaalser Straße sowie das Eindringen amerikanischer
Infanterie durch den Gemmenicher Tunnel und das Auftauchen
feindlicher Spähtrupps auf dem Buschtunnel Aachen Süd ließen
nun keinen Zweifel mehr erscheinen : Aachen und das Grenzland
waren Frontgebiet geworden.
Schlußbemerkung :
Wenn auch die Deutsche Reichsbahn und ihre Bediensteten
Aachen am 14. September 1944 räumten, so war damit ihr Opfer-
gang noch lange nicht beendet. Fast acht Monate sollten noch ver-
gehen, ehe auch ihr Kampf mit den Widrigkeiten dieses unseligen
Krieges zu Ende sein sollte.
26
Buche im Vennwald
M. Th. Weinert
Aus altem, knolligem Wurzelstock,
grünlich bemoost,
wachsen die Stämme,
breiten sich mächtig,
treiben schon zeitig $
züngelnde Äste
mit Knorpeln und Schlingen,
Bilder des Waldes
starr wiederholend :
Siehst Du das Vogelgesicht?
Und dort den Fuchskopf?
Später winden sich
rindenglatte,
schlängelnde Baumleiber
eng umeinander
höher hinauf.
Aus ihnen wachsen
kräftige Arme,
unendlich viele
- eigenwillige Zweige.
In allen pulst
windbewegtes
Drängen nach oben,
formt sie zur Krone.
Lodernden Zungen gleich
flammen die Knospen
im Licht.
27
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Die ”’Schleifmühle”” in Neu-Moresnet
von Franz Uebags
In unserer Gegend, wo die plattdeutsche Mundart die eigentli-
che Muttersprache ist, gibt es vielfach Flurnamen, Ausdrücke und
Benennungen, die seit alters her gebraucht werden, von denen man
aber nicht weiß, wie sie entstanden sind oder was sie bedeuten. Da
gibt es z.B. in der Ortschaft Neu-Moresnet die Filztuchfabrik Bruch
& Cie, die aber ganz selten unter diesem Namen genannt wird.
Redet man über diesen Betrieb, so hört man meistens nur den
Namen ”de Schliepmöhle” (die Schleifmühle), obschon nur wenige
wissen, wo diese Bezeichnung herrührt. Was hat die Fa Bruch & Cie
mit einer Schleifmühle gemein? Ich habe, offen gestanden, mich
selbst auch nie um die Herkunft dieser Bezeichnung gefragt, bis ich
den Entschluß faßte, für diese Zeitschrift den Werdegang der Filz-
tuchfabrik etwas näher zu untersuchen. Bei meinen Recherchen
fand ich bei Herrn Günter Bruch viel Entgegenkommen. Dafür
möchte ich ihm gleich zu Beginn dieses Aufsatzes meinen herzlich-
sten Dank aussprechen.
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Jubiläumsfoto aus d.J. 1900
28
Zum Namen Schliepmöhle
Sinngemäß hat diese Bezeichnung mit dem jetzigen Unterneh-
men nichts zu tun. Eine Filztuchfabrik hätte sich bei ihrer Grün-
dung gewiß nicht so benannt.
In früherer Zeit gab es am Lauf des Tüljebaches - dort ist die
Filztuchfabrik Bruch & Cie angesiedelt - drei ”Mühlen”, und zwar
die Schleifmühle, die Lohmühle und die Jansmühle. Etwas weiter,
auf Kelmiser Gebiet, beim Schnellenberg, lag die Kelmiser Mühle,
die vom Wasser des Lontzener Baches angetrieben wurde. Alle diese
Betriebe hatten mit einer Mühle nur die Antriebsart, das Wasserrad,
gemein.
Den Ursprung der Schleifmühle können wir bis ins frühe 16.
Jh. zurück verfolgen. Sie wurde als Kupfermühle errichtet. Später
diente sie als Nadelschleiferei, die von einer Aachener Nadelfabrik
ihre Aufträge erhielt. Diese Nadelschleiferei ging 1835 ein. Der
Betrieb wurde dann in eine Spinnerei (”Spinnmühle”) umgewandelt;
doch der Name erinnerte weiter an die Nadelschleiferei. Im Volks-
mund blieb das Textilunternehmen die ”Schliepmöhle”.
Ein Wort zur Lage
Das Textilwerk, das wir näher betrachten wollen, liegt im Drei-
ländereck Aachen-Maastricht-Lüttich, in der Ortschaft Neu-
Moresnet, die früher, vor dem 1. Weltkrieg, Preußisch-Moresnet
hieß. Durch die beiden Ortschaften Kelmis und Neu-Moresnet führt
die Landstraße Lüttich-Aachen. Traditionsgemäß liegen an solchen
Hauptverbindungsstraßen die immer noch bestehenden Zollstatio-
nen. Beim Verlässen der genannten Ortschaften in Richtung
Aachen wird dem Reisenden durch die Zollstation Tülje ”Halt”
geboten. Rechts, gegenüber dem in der Mitte der Straße aufgebauten
Zoll, liegt das Hauptgebäude der Zollverwaltung. Ein altes Bau- _
werk, das im 18. Jh. aus Blaustein gebaut wurde und leider durch
die Verwaltung durch das Brechen größerer Fenster arg verunstal-
tet worden ist. An diesem Zollhaus vorbei führt der Weg direkt auf
den Betriebsparkplatz der Filztuchfabrik.
Das Firmenschild ”Bruch & Cie” ist schon von weitem sicht-
bar. Vom Parkplatz aus sehen wir erst ein altes Backsteingebäude.
Ein Schild mit der Aufschrift ”Bureau” orientiert den Besucher.
Wirft man nun einen Blick nach links, hat das Ganze ein anderes
Aussehen. Ein schöner großer Teich (”Bruchs Weiher”) säumt das
Betriebsgelände. Auf der spiegelnden Oberfläche bewegen sich eine
z9
Anzahl schnatternder Schwäne und Enten, die es meisterhaft ver-
stehen, sich Bewunderung zu verschaffen. Geht der Blick nach
rechts, so fallen zwei große moderne Fabrikhallen auf. Der erste
Eindruck ist nun : dieser Betrieb, das lassen die roten Klinker am
Altbau erkennen, ist schon alt; doch die modernen Hallen zeigen,
daß nicht alles von gestern ist. Die Fa Bruch hat nur dann größere
Investitionen gemacht, wann diese dem Kunden zugute kamen.
Man hat hier nie viel Wert darauf gelegt, große Verwaltungsge-
bäude zu errichten, um Größe vorzutäuschen. Ein leistungsfähiger
Produzent zu sein, das war stets Ziel und Streben.
Wer war der Gründer von ”’Bruch & Cie”?
Zu Beginn sei gesagt, daß die Filztuchfabrik schon mehr als
100 Jahre ununterbrochen arbeitet. Eine lange Zeit, in der die
Firma viele gute und auch schlechte Perioden durchstanden hat.
Schade, daß uns der Firmengründer nichts mehr dazu sagen kann.
Kaum war der Krieg 1870-71 zu Ende, da ging es mit Handel
und Wandel wieder bergauf. Es begann eine sehr rege industrielle
Tätigkeit, viele neue Unternehmen wurden gegründet. Auch in der
Papierbranche tat sich viel, diese Industrie geriet sichtlich in
Schwung. Im 18. Jh. war es dem Franzosen Louis Robert gelungen,
die erste Papiermaschine zu bauen. Der Engländer Bryan Donkin
entwickelte dieselbe weiter. Ein kleines, aber wichtiges Spezialgebiet
war die Herstellung von Naß- und Trockenfilzen für die Papierpro-
duktion geworden. Ohne diese Filze ist die ganze Entwicklung der
Papierproduktion in großem Ausmaß nicht denkbar.
Reinhard Bruch, Sohn des Eifeler Mühlenmeisters Johann Wil-
helm Bruch, erblickte am 17. Januar 1839 in Hellenthal das Licht
der Welt. Am 2. Mai 1866 heiratete er in Schleiden die am
31.8.1834 in Homburg (Westerwald) geborene Emilie Haas, Toch-
ter des dortigen Försters Johann Daniel Haas. Aus dieser Ehe ent-
.sprossen 6 Kinder, eine Tochter und 5 Söhne.
Reinhard Bruch hatte früh begriffen, daß auf dem Gebiet der
Filztuchherstellung für die Papierindustrie eine Marktlücke be-
stand. Er sah voraus, daß der rapide ansteigende Papierbedarf eine
wachsende Nachfrage nach Filzen nach sich ziehen würde.
Als der künftige Industrielle zu Beginn der siebziger Jahre nach
einem günstigen Standort für die von ihm geplante Filzfabrik
suchte, meinte er, derselbe dürfe nicht allzuweit von den Papierfa-
briken des Rheinlandes gelegen sein. Auch mußte der Abtransport
31
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Briefkopf aus dem Jahre 1877
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Briefkopf aus d.J. 1891. Lithographie von C.H. Georgi in Aachen. Besondere Beach-
tung verdient die auf der internationalen Ausstellung in Berlin i.J. 1878 errungene %
Verdienstmedaille.
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Belegschaft d.Fa. Bruch, Neu-Moresnet, um 1900.
82
Genüge zu leisten und namentlich der Papier-Fabrikation durch
Herstellung von Trocken- und Naßfilzen I. und II. Presse, Manchon
etc. in vorzüglicher Qualität zu dienen.” .
Der junge Firmengründer hatte das Glück auf seiner Seite.
Seine Filze waren von unübertroffener Qualität und der Absatz der-
selben dehnte sich erfreulich aus. Außer Deutschland bezogen recht
bald auch die nordischen Länder Filze aus Preußisch-Moresnet.
Später gingen die Gewebe des Mühlenbauersohnes von der ”Schleif-
mühle” in alle Staaten Europas.
Die Schleifmühle im Vergleich
Natürlich gibt es Filztuchfabriken, deren Leistungen das Werk 5
in Neu-Moresnet in den Schatten stellen. Sie produzieren dank einer
größeren Mitarbeiterzahl tonnenweise mehr Filze. Dennoch wird es
schwer sein, eine Firma zu finden, die mehr auf die individuellen
Wünsche ihrer Kunden eingeht. Die ”Schleifmühle” verbessert stän-
dig ihre Produkte und ihre Produktionsmethoden zum Besten der
Kunden. Der Export ist heute weltumspannend., In der Kundenliste
finden sich Holland, Deutschland, Frankreich, Schweden, Italien,
England und Spanien. Einige technische Spezialtuche gehen in die
USA, nach Südafrika und Neuseeland.
Die Entwicklungsabteilung der Fa Bruch ist, wie nicht anders
zu erwarten, klein und bescheiden. Doch hat man hier ”die Nase
vorn” und der technologische Stand ist ”up to date”. Die Filze sind
wie zu den Zeiten des Firmengründers von unübertroffener Quali-
tät und die ”Schleifmühle” wird eines Tages auch auf dem Gebiet
des Umweltschutzes durch neuartige Produkte von sich reden
machen.
”Klein aber wendig”
so lautet die Parole bei Bruch & Cie. Damit will man ausdrük-
ken, daß die Firma an der Tülje für jeden Kunden da ist, daß sie
auch diejenigen Aufträge annimmt, die ein Großer gerne links lie-
gen läßt. Bei Bruch ist man in der Lage, die komplette Erstbespan-
nung für jede neue Super-Papierstraße zu liefern. Selbst Papierma-
schinen mit einer Arbeitsbreite von 8 Metern stellen für die ”Schleif-
mühle” kein Problem dar. Für solche Aufträge hat sie die modern-
sten technischen Einrichtungen.
Die vernünftige Selbstbeschränkung des kleinen aber feinen
Spezialisten rückt die Fa Bruch in eine besondere Kategorie. ”Klein
35
der modernen Nadelvliesmaschine bei der Arbeit zuzuschauen.
Auch den Großkalander zur Thermofixierung der synthetischen
Gewebe könnte man bewundern ...
Erinnerungen ...
Ein Werk mit einer 108-jährigen Geschichte darf mit berech-
tigtem Stolz auf die Vergangenheit zurückblicken. Die Filztuchfa-
brik Bruch & Cie ist in unserem engeren Raum das einzige Unter-
nehmen aus dem vorigen Jahrhundert, das sich über alle Schwierig-
keiten hinweg hat halten können. Die am 3.4.1904 notariell
gegründete Firma "Reinhard Bruch u. Co G.m.b.H.” wurde am
29.12.1927 in eine Gesellschaft belgischen Rechts mit dem Namen
”Filztuchfabrik Reinhard Bruch u. Co anonyme Gesellschaft”
umgewandelt.
In all den Jahren hat es manche Krise gegeben. Die Arbeiter
haben bei den Arbeitslosenämtern vorstellig werden. müssen. Doch zu
einer totalen Stillegung ist es nie gekommen. Lohmühle, Jans-
mühle, Kelmiser Mühle, Kratzenfabrik Sartenaer und selbst die
Vieille Montagne haben ihre Tore schließen müssen. Nur die Erin-
nerung daran bleibt noch.
Die Lohnfrage war früher die am meisten diskutierte Frage.
Vieille Montagne, Eisenbahn und Schleifmühle zahlten die niedrig-
sten Löhne, so sagte man. Es wurden Vergleiche gezogen zwischen
Arbeitern, die in Verviers, Eupen oder Aachen ihr Brot verdienten
und den auf der ”Schleifmühle” gezahlten Löhnen. Dabei stand letz-
tere im Schatten. Deshalb auch hatte die Filztuchfabrik manchmal
Mangel an Arbeitern. Es hat immer wieder welche gegeben, die den
Betrieb verließen, weil sie anderswo mehr verdienen konnten. Aber
manch einer ist reuig zurückgekommen und hat darum gebeten,
wieder seinen alten Arbeitsplatz einnehmen zu dürfen. Von vielen
Arbeitern und Arbeiterinnen, die nie einen anderen Arbeitsplatz als
bei Bruch gekannt hatten, hieß es : ”Dä ess met de Schliepmöhle
jetrowt.” (Der ist mit der Schleifmühle verheiratet.)
Viele haben auf der Schleifmühle im Silber-oder Goldkranz
gestanden. Die Firma pflegt alljährlich ein Treffen aller ehemaligen
Mitarbeiter zu organisieren. Dieses Veteranentreffen beginnt
gewöhnlich mit einer Betriebsbesichtigung, wobei dann jeder fest-
stellen kann, was sich seit seinem Ausscheiden aus dem Betrieb
geändert hat. Alsdann folgt eine Ausfahrt und ein gemütliches Bei-
sammensein bei einem durch die Firma spendierten Imbiß. Eine
37
Anerkennung für geleistete Dienste, wie man sie wohl nur selten fin-
det. Und eine einmalige Gelegenheit, alte Erinnerungen aufzuwär-
men. Bei einem kühlen Trunk will dann jeder zu Wort kommen,
und groß ist immer wieder die Wiedersehensfreude. Leider wird der
Kreis der Veteranen durch Sterbefälle immer kleiner.
Wenn ich vorhin erwähnte, daß manch einer bei Bruch im
Silber- oder Goldkranz gestanden hat, so möchte ich einen dieser
Arbeiter besonders hervorheben.
Frau Joseph Bindels-Beckers (Sandweg, Kelmis) überreichte
mir eine Festschrift zum 25-jährigen Bestehen der ”Firma Reinhard
Bruch & Cie.” aus dem Jahre 1900. Sie hegte den Wunsch, diese
Festschrift in unserer Zeitschrift veröffentlicht zu sehen. Mit einem
gewissen Stolz verriet sie mir, daß darin auch die Rede vom Weber
Wilhelm Meessen sei und daß dieser Wilhelm Meessen ihr
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Goldjubilar Wilhelm Meessen
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38
Großvater mütterlicherseits gewesen sei. Der im Jahre 1857 gebo-
rene Webermeister konnte 1900 sein 25-jähriges Dienstjubiläum bei
Bruch feiern. Eine Tochter dieses Wilhelm Meessen, Frau Guil-
Jlaume Beckers-Meessen, lebt noch und wohnt in der Steinkaulstraße
in Kelmis.
Die Festansprache erwähnt ebenfalls den Betriebskutscher
Kremer, den Walkmeister Frings, den Spinner Zimmer und die
Spinnerin Fräulein Nautz, die alle wie Meessen zur alten Garde
gehörten. Nachkommen dieser Belegschaftsmitglieder leben wohl
auch noch im Kelmiser Raum. Der Verfasser der Festschrift ist lei-
der unbekannt. Auch wo die Jubiläumsfeier stattgefunden hat, ist
nicht ausfindig zu machen. .
Der Pionier Wilhelm Meessen
Filzweber Wilhelm Meessen wurde am 17. September 1857 zu
Preußisch:Moresnet geboren. Nach seiner Schulentlassung fand er
Arbeit in einem Aachener Betrieb. Bei der Eröffnung der ”Schleif-
mühle” trat er, damals 17 Jahre alt, in die Dienste von Reinhard
Bruch. Dieser konnte recht bald feststellen, daß er in dem jungen
Mann einen der tüchtigsten und treuesten Mitarbeiter gefunden
hatte.
Mit 36 Jahren heiratete Wilhelm Meessen die 26-jährige Elisa-
beth Beckers aus Montzen. Dieser Ehe entsprossen 9 Kinder,
wovon sieben ganz jung zu Grabe getragen wurden. Nach 18 Ehe-
jahren verstarb auch Frau Meessen. Trotz all dieser harten Schick-
salsschläge ist Meessen stets seiner Arbeit gewissenhaft nachgegan-
gen.
Auf dem Jubiläumsfoto aus dem Jahre 1900 erkennen wir den
Webermeister Meessen in der untersten rechten Ecke.
Beim S0-jährigen Bestehen der Filztuchfabrik stand Meessen
allein im Goldkranz. Wie das Bild zeigt, dekorierte man ihn mit
Eichenlaub. Bei der Gelegenheit erhielt er den Orden Leopold I. Die
Firma schenkte dem Jubilar eine Taschenuhr. Der Weber Meessen
blieb noch weitere 5 Jahre im Betrieb. Mit 72 Jahren, nach 55 Jah-
ren bei Bruch, nahm er Abschied von der Schleifmühle und von sei-
nen Arbeitskollegen. Das war im Dezember 1929. Doch er konnte
der wohlverdienten Ruhe nicht recht froh werden, denn er sah nun
keinen Sinn mehr im Leben. Er hat lange gebraucht, sich an das
Rentnerdasein zu gewöhnen. Dieser Firmenpionier ging am 14. Sep-
tember 1945 im Alter von 88 Jahren aus dieser Welt. Mit ihm ging,
39
wie Herr Bruch in seinem Beileidsschreiben an die Familie es aus-
drückte, ”ein Stück Geschichte unseres Ortes und unserer Firma”
dahin.
Noch ein paar Lebensdaten des Firmengründers
Reinhard Bruch siedelte nach Eröffnung der Fabrik von
Schleiden nach Aachen über. Um seinem Werk näher zu sein, faßte
er zu Beginn dieses Jahrhunderts den Entschluß, nach Preußisch-
Moresnet umzuziehen. Noch neun Jahre konnte er aus allernächs-
ter Nähe sein Unternehmen führen. Er verstarb zu Aachen im Alter
von 70 Jahren am 25. August 1909. Vierunddreißig Jahre lang hatte
er seinen Betrieb aufbauen und führen dürfen.
Das 25-jährige Firmenjubiläum, am 25. August 1900, wurde
u.a., wie schon gesagt, durch den Druck einer kleinen Festschrift
gefeiert. Verse und Lieder erinnern an den Firmengründer und die
verdientesten Mitarbeiter.
Wir möchten diesen Beitrag über die ”Schliepmöhle”
abschließen mit der Wiedergabe dieser Verse und dem ”Steckbrief”
der Firma, so wie derselbe im Jubiläumsband der Eupener Industrie-
und Handelskammer (1979) zu finden ist.
40
SI wie ijt das heut’ Jo nett
I Dier in Preußijh-Moresnet!
Wo man hinblict — frohe Mienen!
Und die Leute, fonjt wie Bienen 6
Stet8 jo fleißig und jo thätig,
In der Arbeit meijft fo ftetig,
Sie, die oft früh Morgens fchon
Bei der Fabrikation
Des bekannten Zuchs befunden,
Haben heute {ih verbunden,
Um mit ihrem Herrn und Meifter,
Nämlich Reinhard Bruch, jo Heißt cı,
Nach den Kegeln aller Kunft
(Mit des Herrn und Meifters SGunft)
Sin gar hehres Feft zu feiern,
Hallend von der Freude Leyern.
gr mich in die Saiten fahren:
g, Seit ’nem Dierkelhundert Jahren
Macht man jhon bei Reinhard Bruch
Das bemwußte filz’'ge Zud.
; Ha, ein freundliches SGejchic
Gibt in diejem Augenblick
Such, trog Fünft’gem Miaufoleum,
Diefjes Ihöne Jubiläum!
Mander Mann der Kaifjer]tadt
Sich hier eingefunden hat
Und jogar das platte Land
41
Delegirte Hat gejandt.
Alles jtrömt zu diejem Feft,
Alle wünfchen Euch das Belt’
Und im ganzen Ort herum
DHeißt’s: „Ein Dierkel Bärulum!“
Achtzehnhundertfiebzigfünf
Machte Bruch jichH „auf die Strümpf“
Baute auf im Augenblick
Seine Filzestuchfabrik.
Mander, der hier Arbeit fand,
Draußen liegt er, und das Ausgabe,
Das an „Bruch“ gefnüpft ihn feit,
Löfte auf ein rauher Weit. —
Ihnen, die Euch nahm die Zeit,
Bei das erie Glax geweiht!
HI hr Andern {trebtet fort,
Strebtet nach dem fichern Port,
Den, jo ftark und viel begehrt,
Arbeit nur allein beicdheert.
Traf Euch auch manch’ harter Schlag,
So auch mander Freudentag,
Denn: auf fiherm Grunde lebt,
Wer bei Bruch jpinnt, wirkt und webt.
Diejes ijt mir ernft gemeint,
Und, jeh’ ih Euch hier vereint,
Sag’ id: Bruch kann mit Vertrau'n
Hreudig in die Zukunft {Hauv'n.
Hebet hoch, die Ihr im Saale,
Becher, Humpen und Pokale,
Angefüllet, wie ich hoffe,
Mit Gambrinus’ beftem Stoffe.
Laut ertönet dann, Fanfaren,
_ Eymbelnflang der Janitfcharen,
Hauchzet hell und Iaut und Har:
„Divak hoch der Iubilar!“
„Divak hoch fein ganze Baus,
„Felt Meh’ ex in Sturm und Braus!“
42
Se joll das Ddriffg Glas,
Das Such quillt aus großem Faß,
Allen, die in Treuen |Hier
Seit der Oründung mweilen hier.
Scht, da ift der Kutjher Rremer;
Hat ein Menjh c8 wohl bequemer,
3 wie diejer brave Mann,
Der dafür ja gar nichts Fann?
Stolz fit er auf jeinem Bock
Und e8 flattert Xremers Kock
Dort in Iuft’ger Winde Schaar 7
Nun jhon fünfundzwanzig Jahr’!
Blide ih im KXreife rings,
Sehe ih da auch den Frings,
Der jeit eben older Frift
Hier als „Meifter“ thätig if{t,
AlZ des Haujes Stüß’ und —- Balken.
Ya, er Fennt fih gut aufs Walten! —
Wacre Leute, das ijt wahr!
Fünfundzmwanzig volle Yahır"
Stehen fie, in Freud’ und Leid,
Dem Herrn Reinhard Bruch zur Seit’.
Sei’8 gefagt, fFrifch von der Leber! —
Da ijft MeeRen auch, der Weber,
Und, im Aug’ ’nen Freudenjhimmer,
Seh’ ich figen dort den Bimmer,
(Spinnen thut der Jubilar
Auch {hon fünfundzwanzig Jahr’),
Au Fräulein Bauk, die Spinnerin,
„Sünfundzwanzig“ fah fie ziehn. —
Hebt zum legten Mal das Glas!
Allen mwünfhen wir noch das:
Manchen Tag noch fo wie heut’,
Treu in Leid und auch in Freud’!
43
x +44 +
Brurch- Inbiläum-Lied,
1875. — 25. Auguft. — 1900.
ENT
Mel.: Studio auf einer Neij’.
"A ijt das heute nett
Ö) jupheidi, jupheida,
Hier in Preußifdh-Moresnet!
jupheidi, heida,
Sieht man fih im KXreife um,
Bleibt man fcOhier vor Staunen ftumm.
Fupheidi, jupheida,
jupheidi, heidallalla,
jupheidi, jupheida,
jupheidt, heida.
Alle Leute find voll Freud’,
jupheidi, jupheida,
„Iubiläum“ ijt ja heut’!
jupheidi, heida,
Fröhlich heißt’8 im ganzen Nejt:
„Bruch Fabrik hat Iubelfelt!
Zupheidi u. f. w.
Seit nun fünfundzwanzig Jahr’
jupheidi, jupheida,
Die Fabrik „am laufen“ war,
jupheidi, heida,
Die, wie euch ja wohl bekannt,
Hilztuch macht für’s ganze Land.
upheidi u. 1. ww.
44
Und in diejfer großen Frift |
jupheidi, jupheida,
Reinhard Bruch ihr Lenker ift;
jupheidi, heida,
Unverdroffen und mit Glück
Leitet er die Tuchfabrik.
Hupheidi u. |. ww.
Kräftig {teht ihm dort zur Seit’
jupheidi, jupheida,
Ein „Quintett“ jeit langer Zeit: ;
jupheidi, heida,
Fünfundzivanzig volle Jahr’! —
Sagt, ijt das nicht wunderbar ?
Supheidi u. |. mw.
Diejes fieht man {pät und früh
jupheidi, jupheida,
Schaffen, emfig, voller Müh’,
jupheidi, heida,
Wißt ihr, wer die Fünfe find? —
Kennen „thut fie” jedes Kind!
Hupheidi u. f. w.
Kremer hier als Kutjher lebt,
jupheidi, jupheida,
Frings ijt Meijter, Meeken webt,
jupheidi, heida,
Bimmer treibet Spinnerei,
Fräulein Mauk jteht diejem bei.
Jupheidi u. |. mw.
Seht, da jigen in der Keih’
jupheidi, jupheida,
AU die Treuen, zwei mal drei,
jupheidi, heida,
Denen fünfundzivanzig Jahr’
Bruch’s Fabrik „ihr Alles“ war.
SJupheidi u. |. w.
45
Freunde; hebt die Gläjer hoch:
jupheidi, jupheida,
„Erhte Treue Iebet noch!
jupheidti, heida,
„Bodz der Iubilare Bıhaar,
„Pie vereint fo viele Jahr’!
Zupheidi u. f. mw.
„Mod ein Dierfel Bärulum
jupheidi, juphetda,
„Schmürk’ Euch Bürger-Rraft und -Ruhm,
jupheidi, heida,
„Bleibt zujJammen Mann für Mann,
„Wer was will, man kommen dann!“
HYupheidi 11. f. mw.
Doch wir Andern, meiner Seel’,
jupheidi, jupheida,
Trinken, fingen Freuzfidel,
jupheidi, heida,
Jubiläen, das ift wahr,
Feiert man nicht alle. Jahr’!
HJupheidt u. |. mw.
I SD
CM @/R9 8
46
Mel.: König Wilhelm faß ganz heiter.
SZ‘ bedeutfam fhönem Fejte
Sind wir allejammt als Gäfte
roh verfammelt hier im Saal,
Um heut feftlih das Beftehen
Eines Werke8 zu begehen
Mit bejond’rer Jahreszahl.
Wic die Chronik uns verfündet,
Singen, jeit man c$ gegründet, ]
Fünfundzwanzig wicdht’ge Jahre,
Wo die Welt auch Deutjhlands Waare
Endlich an zu achten fing.
Wo jept große Bauten ftehen,
Röder jih im Fuge drehen,
War nur Sumpf und Wiejenland,
Nur ein Bächlein war zur Stelle,
Das mit einigem Gefälle
Seinen Weg durch’8s Schilfrohr fand.
Da kam, wie das jo begibt fich,
Achtzehnhundertfünfundfiebzig
Reinhard Bruch vom Sijelland,
Fing mit Muth und SGottvertrauen
Die Fabrif hier an zu bauen
Und mit praktijhem Berftand.
Hing an Filz zu fabriziren
Und in Woll’ zu fpekuliven,
Was ihm beides fein gelang;
Machte Filz von allen Arten,
Bon dem Gröbiten bis zum Zarten,
Bald war das Gejchäft im Gang.
47
Wohl ermacht’ ex früh am Morgen
Mandmal auch mit jHmwmeren Sorgen,
Die den nöth’gen Schlaf ihım bannt;
Doch die Wolfe ward nicht dichter,
Nein, fie wurde immer Lichter,
Bis fie endlich ganz verfhwand.
Der VBerbrauh von Filzgeweben
Wuchs, der Abjag auch daneben,
Daß man flott am Machen blieb.
Webeftühle und Majchinen,
Deren jährlich mehr erfchienen,
Hoben mächtig den Betrieb.
Doch noch eines: tücht’ge Leute
Standen Reinhard Bruch zur Seite,
Die ihm treu und brav gedient.
Fünf befonders, deren Namen
In der Filzfabrit Annalen
Glänzend eingetragen find;
Die Jeit fünfundzwanzig Fahren
Ymmer dort befchäftigt waren,
Scheuend Arbeit nicht und Mübh’,
So zum Beifpiel Yofef Zimmer,
Ein gewandter, feiner Spinner,
Hleißig Jhaffend jpät und früh.
Herner: Engelbertus Kremer,
Des Gejchäfts Fuhrunternehmer,
Fährt jegt fünfundzwanzig Jahr.
MRüftig fieht man jederzeiten
Neben dem Gefährt ihn fchreiten,
Sei e8$ trüb nun vder Mar.
Drittens ift au Wilhelm Meeßen
Stet3 ein Webersmann gewejen,
Wie man ihn nur juchen würd’,
48
So aud) Gerhard Frings8, ganz ähnlich
Tücht’ger Walker, drum auch nämlich
Zum Walkmeifjter avancirt.
Und als fünfte diefer Runde
Schließt fich an dem wiürd’gen Bunde
Gertrud Nauß, die Spinnerin.
Solde Treue heut’ zu finden,
Dit auch vielfach zu begründen
Durch der Herridhaft edlen Sinn.
Mög’ fich diefer Geift erhalten,
Durch ihn fih das Werk entfalten,
Mächtig blühen und gedeih'n.
Darauf laßt das Glas uns leeren
Und auf frohes Wiederkehren
Eines folgen Feft’8 ung freu'n.
A Den
2SE y S
Zr N
A VE &
49
7 ea Deutjchland über Alles,
3 Veber Alles in der Welt,
Wenn e8 jtet8 zum Schuß und Truße
Brüderlih zufjammenhält!
Von der Maas bis an die Memel,
Von der EtjhH bis an den Belt,
Deutichland, Deutjchland über Alles,
Ueber Alles in der Welt!
Deutjhe Frauen, deutjche Treue,
Deutjher Wein und deutiher Sang
Sollen in der Welt behalten
Yhren alten, guten Klang,
Uns zu edler That begeiftern
Unjer ganzes Leben lang.
Deutihe Frauen, deutjche Treue,
Deutidher Wein und deutjher Sang!
Einigkeit und Recht und Freiheit
Hür das deutjche Baterland,
DancH laßt uns alle ftreben
Brüderlih mit Herz und Hand.
Einigkeit und Recht und Freiheit
Sind des Glüces Unterpfand. —
Blüh’ im Ölanze diejes SGlüces,
Blühe, deutfcdhes Vaterland!
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50
bruch--cie
Im deutschsprachigen Gebiet Ostbelgiens, dort, wo der grosse Verbindungs-
weg Lüttich-Aachen in Kelmis/Neu-Moresnet den belgischen Grenzübergang
Tülje erreicht, liegt die von Reinhard Bruch im Jahre 1874 gegründete Filz-
tuchfabrik R. Bruch & Cie. Aktiengesellschaft.
Reinhard Bruch war der Sohn einer alten Eifeler Mühlenbauerfamilie, der, an-
geregt durch die schnellwachsende Papierindustrie, sich der Herstellung von
Filzen zuwandte, die in diesem Industriezweig in stets grösseren Mengen not-
wendig wurden, Die Lage der rheinischen Papierindustrien insbesondere im
Dürener Gebiet sowie die sichere Wasserversorgung führten zur Gründung
des Unternehmens im Kelmiser Raum.
Der zuverlässige Menschenschlag der: Gegend, aus dem sich überwiegend
unser Mitarbeiterstab zusammensetzt, schafft die Voraussetzung zur Produk-
tion hochwertiger Investitionsgüter. Ein auf Partnerschatt bauendes Unter-
nehmerkonzept und die Bereitschaft des ‚Mitarbeiterstabes, auch Mitverant
wortung zu tragen, ermöglicht auch noch in Zeiten der Stagnation eınen
stetigen Ausbau des Produktionsfächers wie auch der räumlichen und techni-
schen Gegebenheiten der Firma.
Durch die Neuentwicklung langlebiger Produkte sowie verfeinerter Produk-
tionsverfahren und Techniken wurde die Lebensdauer des früher aus Natur-
produkten aufgebauten Filzes wesentlich verlängert.
Diesen veränderten Voraussetzungen wusste sich das Unternehmen durch
umfassendes Know-How, fundierte Kundenbetreuung und feines Gespür für
die Marktbedürfnisse anzupassen.
Unsere Verkaufsingenieure wie auch ein dichtes europäisches und ausser-
europäisches Vertreternetz sorgen für den ständigen Kontakt zum Kunden.
Im Verbund der Filztuchhersteller nimmt unser innerhalb einer internatio-
1
nalen Firmengruppe stehendes, jedoch völlig selbständiges und eigenverant-
wortliches Unternehmen eine nicht zu übersehende Stellung ein.
Das für unseren Raum schon bedeutende Unternehmen (110 Mitarbeiter) ist
unter den marktbeherrschenden Unternehmen nicht gerade als Riese zu be-
zeichnen. Es benutzt aber die überschaubare Grösse als grosses Plus zur Er-
füllung auch individuellster Wünsche,
Der Mitarbeiterstah ist zu rund 80 o/o in der Produktion tätig. In betriebs-
internen und -externen Schulungen wird unsere Mannschaft auf neue und
moderne Maschinen eingestellt. Unser Fachpersonal bringen wir durch
Fortbildungskurse ständig auf den neuesten Stand der Erkenntnisse. Alle
Mitarbeiter sind sich dabei der Tatsache bewusst, dass sie ihre Fähigkeiten
zur Fertigung eines hochwertigen Investitionsproduktes einsetzen. Hinzu
kommt die Gewissheit, im Kennen und Können mit den Kollegen der Grossen
unserer Branche konkurrenzfähig zu sein.
Das Produktionsspektrum unseres Betriebes bietet dem Kunden weit über
hundert verschiedene Endprodukte,
Vom Bereich PA
Filze zur Bespannung der Papier- und Kartonmaschinen
a) Nasspartie (Entwässerung und Transport der Papierbahn)
b) Trockenpartie (Spezialfilze und ‚siebe für die Trocknung)
über den Bereich TE
technische Tuche
(Drucktücher für die Tapetenindustrie und Lauftücher für die grossen
Biskuiterien)
zum Bereich FI
verschiedenste Filtermedien
reicht unser Programm bis hin zu ganz speziellen Wunschen, wobei jeder
einzelne Filz ein massgeschneidertes Einzelstück darstellt.
Eine durch die Unterstützung der Datenverarbeitung auf dem aktuellsten
Stand stehende Planungsabteilung hat sich der in den sechziger Jahren auf-
kommenden Nadel- und Vliestechnik angenommen, sie verfeinert und
weiterentwickelt.
Anwendung neuester Technologie, sorgfältige Arbeit und Kundenbetreuung
erlauben der Firma, zuversichtlich in die Zukunft zu sehen.
52 Sn n
De jrötzte Löge .
von Gerard Tatas ()
Et Pittsche en et Jüppke, die vonte-wat e Jlöck!-
Wie ut en Schuel se koemte e Twientegfrangestöck.
Se hauwe flott dat Jeldstöck ter jlieker Tiet jesie,
Tesame och jeböckt sech, - wä mott et da now krie?
Se höje könne deele en dröwer sech verstue,
Et lonnde sech doch domet net no Pastuer te jue,
Nee, an et aftejäve, do daht och jenge dran,
Et wol mer jedderenge et janze Jeldstöck han. )
Se hauwe sech tesame jeböckt en och dra räet,
Mä jedderenge alles, dat jeht now eben schläet.
Op enmol sätt et Pittsche : ”Vör knebble os net lang,
Hüer, wä e betzte lege kann, kritt de twienteg Frang!”
Tereck wor äverstande et Jüppke met die Wett,
En hau wie op Kommando en dicke Löge prett :
”Sag, Pittsche, dat mie Vadder now bejde Mürer es
E Brössel an et werke, dat wetzte jo jewess.
Die bowe Wolkekratzer wie en Amerika,
En och noch hell völ hujer, dat jlövste flex net, wa?
Wie huech die Denger wäede, dat sitt me an dä Block,
Dä now se sönd an’t bowe, denn van et letzte Stock
Wor minge Pap der Hamer verlän eravgerullt,
En wie dä onde lande, du wor der Steel vervullt!”
Et Jüppke hauw jeloge, now lat e Pittsche los :
”Vör hauwe heem ne Jagshond, sö jruet ‘bo wie ne Os.
Wie dä wor ut op Hase en Kning jov et je Deer,
Der Vöeschter äl, dä viese, dä schoet der Tilli neer.
Der Pap - now hüer ens Pittsche, - dä trok em af de Hut
En makde vör der Wengter e Kamesol sech drut.
Wie häe now how jevange ne Knien et letztemol,
Du struwelde de Hoore sech op e Kamesol!”
Sö wore se an’t lege, se loge wie jedröckt,
Denn schliesslech hauw doch jenge sech ömesöns jeböckt,
Doch hauw äl met sing Löge bes now noch jenge Chans,
Du koem met wicht’ige Schrette der Börjermeester lans.
Huet dä hönn schläet Jewesse bes an sie Amtsuhr schlue?
53
Wä wett - mä vör die Bengle bläv häe now wal ens stue.
Nohdem dat die jestande, dat sej vör twienteg Frang
Sönd öm de Wett an’t lege, sätt now der Amtsman strang :
”Dör Ströp, dör sott öch schame, et Lege es en Söng!
Wat wöeder da wall sage, wenn ech esö jätt döng?!”
Et Pittsche, dä sech plötzlich ne Owebleck versennt,
Sätt an der Börjemeester : ”Now weet ech, wä jewennt :
Wat dör os vör de Wahle beloft hat över lang,
Dat wor de jrötzte Löge - hij sönd de twienteg Frang!”
54
Ein Reglement der Gemeinde Kelmis
aus dem Jahre 1697
von Walter Meven
Eine Gemeinde ist eine gesellschaftliche Vereinigung mehrerer
Familien zu einem fortdauernden gemeinschaftlichen und vom
Staat gebilligten Zwecke.
Hierin sind vor allem die Erreichung der Vorteile, die das ört-
liche Zusammenleben der Menschen bietet, zu sehen. Man unter-
scheidet, je nach Anliegen der Einwohner, zwischen der weltlichen "
und der kirchlichen Gemeinde. Letztere ist erst mit der Verbreitung
des Christentums aufgekommen. Schon in der Frühzeit fanden sich
die Menschen zu Gemeinden zusammen, wenn auch zunächst nur
als Kampfgemeinschaft. Nach den kriegerischen Auseinanderset-
zungen siedelten sie sich meist nachher im Frieden nebeneinander
an, um vereint ihre Ansiedlung vor fremden Eroberern zu schützen.
Das Zusammenleben im größeren Verband erforderte aber
gewisse Verhaltensregeln der Glieder zum besseren und gedeihliche-
ren Nebeneinander.
Zwangsläufig ergaben sich daher. bestimmte Rechts- und
Verhaltensnormen, nach denen ein jeder Einwohner leben sollte. Es
wurden z.B. die Mitglieder der Gemeinde, im Falle der Unschuld
eines Angeklagten, verpflichtet, als Eideshelfer mit dem Angeklag-
ten zu schwören. Eine dem Angeklagten auferlegte Geldbuße
mußten sie bei Vermögenslosigkeit des Angeklagten ebenfalls .
gemeinsam aufbringen. Hier erkennt man bereits den erzieherischen
Wert einer solchen Maßnahme, nämlich daß ein jedes Glied der
Gemeinde auf” Recht und Ordnung achte.
Ursprünglich waren zehn Familien zur Gründung einer
Gemeinde erforderlich. Man nannte solche Gemeinschaften Deca-
nien (Zehnschaften) und deren Vorsteher Decanus. Zehn Decanien
bildeten zusammen eine Centene (Hundertschaft) unter einem Cen-
tenarius, mehrere Centenen einen Gau, dessen oberster Richter Gau-
graf genannt wurde.
Mit der höheren Ausbildung des Staatslebens verschwanden
diese Einrichtungen wieder, so daß viele unserer heutigen Gemein-
den weitaus später gegründet wurden. Einige bestanden als Königs-
höfe oder Königsvillen schon zu Karls des Großen Zeiten, bei uns
55
z.B. Walhorn, Gemmenich und Vaals. (Der in der Nonenbestäti-
gung König Arnulfs im Jahre 888 erwähnte Orts Marsna ist nicht,
wie früher häufig angenommen Moresnet, sondern Meerssen. Die
Ersterwähnung von Moresnet findet sich als Morismahil in einer
Urkunde des Jahres 1041 von Kaiser Heinrich Il.)
Montzen, zu dem der Weiler Kelmis bis zur Neugründung der
königlichen Herrschaft Kelmis im Jahre 1650 gehörte, wird zuerst
im Jahre 1075 erwähnt. Erzbischof Anno von Köln verwendet bei
der Dotierung der Kölner Kirche Mariae ad grados unter anderem
einige von Ermentrudis erworbene Grundstücke, die in Montzen im
Aachengau liegen.
Die ursächliche Gründung des Gemeinwesens Kelmis ist
sicherlich mit den bedeutenden und ausgedehnten Galmeivorkom-
men in Zusammenhang zu bringen, die den dort lebenden Men-
schen Arbeit und damit den notwendigen Unterhalt sicherten. Mit
Bleiberg haben wir einen ähnlichen gelagerten Fall. Im Jahre 1370
findet dieser Weiler unter der Bezeichnung ”blyberch” in einem
Zinsregister der Herrschaft Eynrode bei Vaals Erwähnung.
In Kelmis tagte seit dem 15. Mai 1654 ein eigenes Schöffenge-
richt unter dem Vorsitz eines Drossards als Vertreter der hohen
Obrigkeit. Im Jahre 1655 besteht bereits eine Administration mit
zwei Bürgermeistern, wie dies im Herzogtum Limburg üblich war.
Die fortgesetzten Kriegswirren des ausgehenden 17. Jh. hatten
viele unserer Gemeinden an den Rand des finanziellen Ruins
gebracht und vielerorts war die Verwaltung zu reorganisieren. In
diesen Zusammenhang müssen wir auch ein ”Reglement” stellen,
das der Brabanter Oberhof 1697 auf Bitten der Kelmiser Einwohner
für die Herrschaft Kelmis erließ. (1)
Eingangs zu dem vom obersten Brabanter Gerichtshof erlasse-
nen Reglement heißt es, daß die ”gemeyne Ingesetenen ende
geerfte” des Weilers Kelmis in ihrer Eingabe an den Oberhof darauf
hingewiesen hätten, daß sie vor dem Verkauf der Herrschaften
immer gemeinsam mit Moresnet den zehnten Teil der anfallenden
Lasten der Bank Montzen getragen haben. Nach besagtem Verkauf
seien in Kelmis ein Offizier und sieben Schöffen angestellt worden,
welche für Kelmis ein drittel der Lasten des ”Quartiers” Moresnet
übernommen haben. Zum großen Schaden von Kelmis hätten die-
selben einen eigenen Steuereinnehmer angestellt; infolgedessen sei
die allgemeine steuerliche Belastung stark angestiegen, vor allem
auch, weil die meisten der Schöffen weder in Kelmis wohnten, noch
über Besitz dort verfügten und nichts anderes im Sinn hätten, als
56
zum Nachteile des Dorfes große Unkosten zu verursachen und sich
selber so viel wie möglich zu bereichern; da keine Aussicht auf Ab-
stellung der Mißstände bestehe, würden die Bittsteller gezwungen
sein, ihre Güter und Wohnungen in Kelmis aufzugeben, was wiede-
rum den Interessen Seiner Majestät zuwiderlaufe.
Wörtlich fährt das Reglement dann fort : ”Im genannten Wei-
ler sollen alle zwei Jahre aus den Reihen der Dorfbewohner, durch
Stimmenmehrheit der Meistbegüterten, die mindestens 8 Stüber
Steuern zahlen, zwei Bürgermeister gewählt werden.
Die Wahl soll stattfinden im Hause des ältesten ausscheiden-
den Bürgermeisters und auf dessen Einladung hin am 1. Sonntag im
Oktober oder (in besonderen Fällen) am nächstfolgenden Sonntag. .
Sollte man es für gut halten, die ausscheidenden Bürgermeister
in ihrem Amte zu belassen, so sollen die Gewählten in die Hände
des ältesten begüterten und in Kelmis wohnenden Schöffen den Eid
ablegen. In Ermangelung eines solchen, soll der Eid vor einer ande-
ren Amtsperson geleistet werden. Sie sollen schwören, ihr Amt
getreulich auszufüllen, d.h. die Aufteilung der Lasten, Steuern und
Kontributionen, die Einquartierung von Kriegsvolk etc. vorzuneh-
men, und all das in Wahrnehmung der Interessen des genannten
Weilers.
Im Ort wohnende und dortselbst Eigentum besitzende Schöf-
fen können zu Bürgermeistern gewählt werden; die anderen (nicht
in Kelmis wohnenden) haben nicht das Recht, in ihrer Eigenschaft
als Schöffen polizeiliche Funktionen auszuüben und noch viel weni-
ger ein Anrecht auf ein Salär oder eine Entschädigung.
Allen Einwohnern soll es freistehen, an den Zusammenkünf-
ten der Bürgermeister teilzunehmen und sich über die Art der Ver-
waltung, gut oder schlecht, zu informieren.
Desgleichen bestimmen wir, daß die Bürgermeister für einen
Tag Mühewaltung innerhalb des Ortes 1 1/2 Schillinge Entschädi-
gung erhalten sollen, in der Bank Montzen 2 Schillinge und in der
Provinz oder darüber hinaus fünf Schillinge pro Tag, ohne weitere
Ansprüche stellen zu dürfen.
Dieselben Bürgermeister sind gehalten ein besonderes Register
zu führen, in das am Tage einer jeden Versammlung alle Vor-
schläge und Beschlüsse eingetragen werden. Sie dürfen dieses Regi-
ster durch einen anderen begüterten und durch die Bürgermeister
dazu bestimmten Einwohner führen lassen. Das Register soll mit
57
allen anderen Archiven der vorgenannten Gemeinde in Händen
desjenigen verbleiben, der mit seiner Führung beauftragt ist. Er soll
dafür nicht mehr als Entschädigung erhalten, als das Entgeld eines
Bürgermeisters.”
Des weiteren bestimmte der Hof, daß der Einnehmer von Kelmis
durch die meistbegüterten und zu diesem Zwecke von den Bürger-
meistern zusammengerufenen Einwohner zu wählen sei. Dieser Ein-
nehmer dürfe keinerlei Zahlungen vornehmen, zu denen er nicht
ausdrücklich durch die beiden ”Regleurs” ermächtigt worden sei.
Widrigenfalls würden Zahlungen solcher Art aus den Rechnungen
des Einnehmers gestrichen.
Ferner heißt es, der Einnehmer habe 14 Tage vor
Rechnungsabschluß seine Bücher im Hause des ältesten Bürger-
meisters offen zu legen, um es den daran Interessierten zu ermögli-
chen, am Tage der Rechnungsablage Beanstandungen vorzubrin-
gen. Die Rechnungsablage muß pünktlich alljährlich stattfinden; für
die Pünktlichkeit haften die Bürgermeister, und alle eventuell ent-
stehenden Kosten oder Nachteile, die aus einer nicht fristgemäßen
Erledigung entstünden, gehen zu Lasten der Bürgermeister, Auch
für eine rechtzeitige Bekanntgabe des Prüfungstermins sind die Bür-
germeister verantwortlich. Ein weiteres Kapitel bezieht sich auf
Flurschäden die durch Vieh angerichtet werden könnten. Um sol-
ches zu verhüten, sollen die Bürgermeister einen ”Veltschütz” oder
Sergeant anstellen. Dieser zu vereidigende ”Veltschütz” soll seinen
Dienst gemäß den Vorschriften des Landes verrichten.
Da Seine Majestät sich beim Verkauf der genannten Herrschaf-
ten die Ortschaft Kelmis vorbehalten hat, hoffen die Bittsteller
durch die verschiedenen Punkte dieses Reglements alle bis zu die-
sem Zeitpunkt bestehenden Mißbräuche und Mißstände abstellen
zu können. E
Das Reglement weist abschließend darauf hin, daß es auch im
Interesse des Königs sei, den Bitten der Einwohner von Kelmis
nachzukommen und bemerkt, daß alle die Bestimmungen im Ein-
klang stehen mit demjenigen Reglement, daß Seine Majestät für die
Herrschaften von Eupen, Clermont, die Bank von Baelen, Grand-
Rechain und das Quartier Montzen erlassen habe.
OO all al ala al ala Ra al ak ak ak RO OR OR
Zu den Obliegenheiten der Gemeindeväter gehörten auch Auf-
sichtsfunktionen über die verschiedensten Belange der Gemeinde.
So mußten sie z.B. den ordnungsgemäßen Zustand der Wege kon-
58
trollieren oder Aufsicht darüber führen, daß niemand verbotene
Wege benutzte; kurzum, sie waren für die Aufrechterhaltung der
öffentlichen Ordnung zuständig.
Der im Reglement von 1697 genannte Feldschütz mag
anfangs, seiner Bezeichnung entsprechend, nur für den Schutz von
Feld und Flur zuständig gewesen sein; in der Folgezeit weitete sich
sein Betätigungsfeld jedoch erheblich aus, so daß wir in ihm eine Art
Polizeidiener sehen können.
Ein interessantes Beispiel hierfür liefert eine Verordnung des
Kelmiser Drossards W.J.F. Birven vom 24. Aug. 1775 über das vor-
geschriebene Brotgewicht.
Der Drossard erklärt, daß es nötig sei, gegen die
Unregelmäßigkeiten des Brotbackens und des Brotverkaufs ein-
zuschreiten. Dazu bedürfe es eines Brotwiegers. Da auch ein Feld-
schütz anzustellen sei, ernenne er den Peeter Schyns ”tot weegher
ende velt schuth” für die Dauer eines Jahres. Zu diesem Zwecke
erhielt Peter Schyns die Waage und den dazugehörenden Topf, die
im Kelmiser Gerichtsgebäude aufbewahrt wurden, ausgehändigt.
1) Das Dokument ist in Privathand.
59
Bergmannslos
von Peter Zimmer
Als nach dem 2. Weltkrieg die ganze Welt nach Kohle schrie
Ss und wegen Mangel an einheimischen Arbeitskräften in diesem
Industriezweig viele ausländische Arbeiter herangezogen werden
mußten, um genügend Steinkohle abbauen zu können, hätte nie-
_ mand geglaubt, daß schon einige Jahrzente später so viele Zechen
ihre Tore schließen und tausende Bergleute ihren gewohnten
Arbeitsplatz sowie jede Möglichkeit, ihren Beruf weiter auszuüben,
verlieren würden.
Trotz des technischen Fortschrittes und zunehmender Arbeits-
leistungen ist dies aber Wirklichkeit geworden. In der Provinz Lüt-
tich, wo jahrhundertelang viele Generationen von Bergleuten im
Steinkohlenbergbau das tägliche Brot verdienten, ist seit 1980 das
Rattern der Abbauhämmer an der Kohlenfront verstummt. Förder-
bänder, Stoß- und Wurfschaufellader sowie zahlreiche andere
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In diesen Baracken, rechts im Bild, wohnten nach dem 2. Weltkrieg italienische Gast-
arbeiter der Grube Xhawirs, (Herver Gegend)
Hinten links im Bild der Förderturm auf dem sich das Maschinenhaus und die För-
dermaschine befand. Niedergerissen im Jahre 1970.
Repr. A. Jansen
60
Maschinen sind außer Betrieb gesetzt worden. Der Räderlauf der
Wagen, Diesel- und Elektroloks kam zum Stillstand, und zur glei-
chen Zeit erloschen auch in diesem Revier die letzten Grubenlichter
der Bergleute für immer.
Nur noch einige Berghalden und Fördertürme erinnern heute
an die ruhmreiche Vergangenheit der einst so blühenden Lütticher
Steinkohlenindustrie. Sie sind zu stummen Zeugen von Wagemut,
Tatkraft und Verantwortungsbewußtsein vieler Männer, Frauen
und Jugendlichen geworden, die jahrelang zum Wohle der Allge-
meinheit sowie der gesamten Wirtschaft den Segen Gottes unter der
Erde abbauten und an das Tageslicht förderten und dabei auch
kämpfen mußten, um einen würdigen Platz in der menschlichen N
Gesellschaft zu erlangen.
Wie die Seeleute eines Schiffes, welches vom Untergang bedroht
ist, versuchen, ihr Schiff vor diesem Unheil zu bewahren, so haben
auch die Bergleute verschiedener Zechen den Versuch unternom-
men, durch wochenlange Sitzstreiks und andere friedliche Aktionen
die Schließungen der letzten Kohlengruben im Lütticher Raum zu
verhindern. Jedoch alle diesbezügliche Hoffnungen und Erwartun-
gen gingen nicht in Erfüllung, sodaß mit der Schließung der Grube
”Argentaux” in Blegny-Trembleur ein Kapitel von Arbeit und Müh-
sal seinen Abschluß fand und eine stolze Tradition zu Ende ging.
Für die Bergleute verschiedener Göhltalortschaften, die wäh-
rend der Zeit von 1920 bis 1980 in gewissen Zeitabschnitten zu
Hunderten im Steinkohlebergbau des Herver Landes tätig waren, war
dies auch der Fall. Trotz der Tatsache, daß ihr Beruf nun endgültig
zum Aussterben verurteilt ist, versuchen sie aber bergmännische Sit-
ten und Bräuche in den ehemaligen uralten Erzbergbaugemeinden
weiter zu pflegen. Deshalb erachtet die Vereinigung für Kultur, Hei-
matkunde und Geschichte im Göhltal es als eine Pflicht, diesen Ver-
such zu unterstützen und in ihrer Zeitschrift verschiedene Einzel-
heiten über die Entdeckung und Gewinnung der Steinkohle, das
Ansehen der Bergleute, sowie die schweren Schicksalsschläge, die
den Bergbau in diesem Jahrhundert heimsuchten, zu veröffentli-
chen, damit unter den jetzigen und späteren Nachkommen der
Bergleute die Erinnerung an diesen Beruf und das damit verbun-
dene Brauchtum nicht in Vergessenheit gerät, sondern noch viele
Jahre lebendig erhalten bleibt.
61
Wann wurde die Steinkohle in Lüttich entdeckt?
Es sind vermutlich die Chinesen, die als erste diese schwarze
Erde unter dem Namen ”moui” gekannt und 1000 Jahre vor Chri-
stus verwendet haben. Auch haben griechische Autoren bereits im
Jahre 315 vor unserer Zeitrechnung über eine solche Erde, die
brannte und wie Holzkohle benutzt werden konnte, geschrieben. In
Lüttich aber haben sehr wahrscheinlich die Eburonen, ein germani-
sches Volk, welches sich zwischen Maas und Rhein niedergelassen
hatte und von Julius Cäsar besiegt wurde, als erste kurz nach ihrer
Ankunft diese zerbrechliche, schwarz schimmernde Erde unter
freiem Himmel entdeckt und zum Feuermachen ausgegraben, da sie
schon Eisenerz kannten, welches auf gleiche Art und Weise an der
Erdoberfläche zum Vorschein kam. Auch stammt der Name ”Ebu-
ronen” aus der keltischen Sprache der indo-germanischen Volks-
stämme, die ursprünglich in Süd- und Westdeutschland ansässig
waren. Er wurde als Bezeichnung für Arbeiter benutzt, die Stein-
kohle bearbeiteten. Auch ist aus diesem Namen das Wort ”Bure”
entstanden, welches sich rasch in der Lütticher Gegend verbreitete
und auch noch in unserer Zeit benutzt wurde, wenn man vom
Schacht eines Bergwerkes sprach, durch den man die unterirdischen
Stollen erreichen konnte.
Man kann also annehmen, daß die Steinkohle im Lütticher
Raum schon in längst vergangenen Zeiten von den ersten Bewoh-
nern entdeckt worden ist. Da sie an verschiedenen Stellen in Form
von sogenannten Adern an der Erdoberfläche zum Vorschein kam,
konnte sie dort sozusagen von jedem ohne besondere Kenntnisse
mit einfachen Werkzeugen ausgegraben und in Körben nach Hause
transportiert werden. Nachdem dann aber diese Vorkommen er-
schöpft waren und man die tiefer im Erdinnern gelegenen Schichten
ausgraben wollte, wurden diese Arbeiten nicht nur mühsamer, son-
dern verursachten auch große Schwierigkeiten, vor allem wegen des
Wassers, welches in die Gräben drang und damals noch nicht bewäl-
tigt werden konnte.
Dies hatte zur Folge, das man zuerst an verschiedenen anderen
Stellen unter freiem Himmel das Erdreich durchwühlte, um Kohle-
vorkommen zu entdecken. Da man aber nicht die geringsten Kennt-
nisse über den Verlauf der Kohlenschichten besaß, führten diese
Sucharbeiten zu keinem Erfolg. Infolgedessen waren unsere Vorfah-
ren gezwungen, angesichts der zunehmenden Nachfrage nach
Kohle eine neue Methode zu erfinden, um dieses begehrte Brennma-
63
zur Maas oder zu den Brunnen der Wohnviertel ablaufen konnte.
Verschiedene dieser Kanäle hatten eine Länge bis zu 15 Kilometer.
Um das Jahr 930, unter Bischof Richard, dienten sie sogar dazu, den
Marktplatz mit Wasser zu versorgen. Wegen der großen Bedeutung,
die sie ursprünglich für den Lütticher Steinkohlenbergbau hatten,
waren sie durch strenge gesetzliche Verordnungen geschützt. Nie-
mand durfte Hand an diese Wasserläufe legen, und für Beschädi-
gungen derselben war die Todesstrafe vorgesehen.
Zu welchem Zeitpunkt und an welcher Stelle diese unterirdi-
sche Abbautätigkeit in Lüttich begonnen hat, läßt sich nicht mit
Genauigkeit sagen; auf keinen Fall darf man sie aber mit der Kohle-
gewinnung mittels senkrechter Schächte, die erst später begonnen
hat und heute noch üblich ist, vergleichen oder verwechseln.
Gewisse Gelehrte sind der Ansicht, daß im Lütticher Raum die
Kohlen schon vor 714 auf diese Art und Weise abgebaut wurden.
Man hat nämlich an den ältesten Abteien und Stiftskirchen des Lüt-
ticher Landes Mauern gefunden, die ab dem Jahre 712 unter Sankt
Hubertus mit Sand und Steinen errichtet wurden, die aus steinkoh-
lehaltigem Boden stammen. Dies scheint nach ihrer Meinung auf
den Kohlenabbau mittels Stollen hinzuweisen, der es mit sich
brachte, daß gleichzeitig mit der Kohle auch Steine abgebaut wer-
den mußten, die dann haufenweise zur Verfügung standen und
eventuell zur Erbauung dieser Mauern gedient haben. Wie dem
auch sein mag, eines ist sicher : der Lütticher Steinkohlenbergbau
hat durch dieses Abbauverfahren einen neuen Aufschwung erhal-
ten, wenn auch trotz allem Wissen und aller Gelehrsamkeit bezüg-
lich der Daten und Begebenheiten gewisse Zweifel bestehen bleiben.
Daten und eine Legende über den Abbau
der Kohle in Lüttich
Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang eine Nachricht,
die uns der im Jahre 1155 in Lüttich geborene und dort 1230 ver-
storbene Mönch Reiner oder Reinier von der Abtei Sankt Jakob
hinterlassen hat. Dieser Mönch hat in sein Tagebuch alle wichtigen
Ereignisse, die ihm bekannt wurden, niedergeschrieben. Ohne
nähere Angaben bestätigt diese Nachricht, daß im Jahre 1195 oder
1213 in Lüttich an verschiedenen Stellen durch ”Hesbaniam” eine
schwarze Erde entdeckt wurde, die sich vortrefflich zum Feuerma-
chen eignete.
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Bergleute der Grube Xhawirs, die anläßlich eines Protestmarsches in Lüttich gegen
die Schließung der Grube vom Provinzgouverneur empfangen wurden.
Repr. P. Zimmer
Ein anderer Schreiber, Gilles d’Orval, der im Jahre 1230 zum
gleichen Thema schrieb, berichtet, daß im Jahre 1198 in Lüttich die
Steinkohle entdeckt worden sei. Seine phantasievolle Beschreibung
gab Anlaß zu der schönen Legende über ”Hullos von Plainevaux.”
Sie beginnt mit den Worten : ”Man erzählt ...” und schildert dann
folgende Begebenheit :
Unter Albert de Cuyck, Fürstbischof von Lüttich (1194-1200)
ging ein alter Mann mit schneeweißen Haaren und mit einem unbe-
fleckten Gewand bekleidet durch die Straße Cochet en Puplement.
Als er vor der Schmiede, die Hullos von Plainevaux gehörte, ankam,
blieb er stehen und wünschte dem Handwerker viel Glück bei seiner
Arbeit sowie eine erfolgreiche Zukunft. Im Verlaufe der weiteren
Unterhaltung beklagte sich der Schmied Hullos über den hohen
Preis der Holzkohlen und brachte die Befürchtung zum Ausdruck,
daß er höchstwahrscheinlich aus diesem Grunde seine Schmiede
verlassen und in seinen Heimatort zurückkehren müsse. Daraufhin
65
gab ihm der Greis den Rat : ”Gehen sie doch zum Berg der Mönche
und holen sie sich von der schwarzen Erde, die dort an der Oberflä-
che in Schichten zum Vorschein kommt, sie ist sehr sauber und
geeignet, die Holzkohle zu ersetzen.” Nach diesen Worten ver-
schwand er. Der Schmied befolgte den Rat des alten Mannes und
warf, nachdem er heimgekehrt war, von der schwarzen Erde, die er
ausgegraben hatte, auf seine Feuerplatte. Groß war sein Erstaunen,
als er feststellte, daß sie sehr entzündbar war und ausgezeichnet
brannte. Voller Begeisterung eilte er zu seinen Nachbarn und
berichtete diesen von der schwarzen Erde und dem erzielten Resul-
tat. Dies hatte zur Folge, daß nach und nach der Steinkohlenberg-
bau zu einem bedeutenden Zweig in der Lütticher Industrie wurde.
Diese.beiden Nachrichten, die sicherlich bezüglich der Entdek-
kung der Kohle in Lüttich ein anzweifelbares Datum angeben,
gaben Anlaß zu zahlreichen Meinungsverschiedenheiten. Wenn
man aber alle vorhandenen Nachweise vergleicht, kann man bezüg-
lich der Legende nur sagen, daß sie die Wahrheit verdreht, denn es
ist sicher, daß es gegen Ende des 12. Jh. nicht weit vom Weiler Plai-
nevaux ein Kohlenbergwerk gab, dessen Schacht zugefüllt war. Das
Gelände dieser Schachtanlage wurde im Jahre 1202 durch den Bi-
schof Hugues de Pierpont der Abtei von Val-Saint-Lambert überge-
ben, um auf demselben eine Scheune zu errichten. Dieses erste
Steinkohlenbergwerk, welches auch in der Geschichte des Lütticher
Landes erwähnt wird, muß sich in der Umgebung der Gemeinde
Yvoz-Ramet, zu der auch der Weiler Plainevaux, Heimatort von
Hullos gehört, befunden haben. Dies geht auch aus dem
Schenkungsakt.aus dem Jahre 1202 von dem vorhin erwähnten Bi-
schof an die Zisterzienser Mönche hervor. Da zu diesem Zeitpunkt
also schon ein Bergwerk mit einem Schacht in diesem Gebiet bestan-
den hat, ist es höchstwahrscheinlich der Schmied Hullos gewesen,
der im Jahre 1198 die Idee hatte, durch diese neue Abbaumethode
die tief im Untergrund vorkommenden Kohlenablagerungen abzu-
bauen. Vermutlich ist dieses bedeutende Ereignis von Mönch Rei-
ner notiert worden und hat auch zur Entstehung der Legende von
Hullos de Plainevaux beigetragen. Da diese Daten in glaubwürdigen
Dokumenten angegeben sind, kann man wohl annehmen, daß die
Lütticher Steinkohlenindustrie die älteste des Kontinents war und
auch fortwährend zum Fortschritt, der in diesem Industriezweig
erzielt werden konnte, wesentlich beigetragen hat. Der gesamte bel-
gische Steinkohlenbergbau hat in Lüttich seinen Anfang genom-
men.
66
Sachverständige und Fachleute aus Lüttich wurden
zu Hilfeleistungen in anderen Revieren herangezogen
Aus dem im Jahre 1968 erschienenen Buch : ”Geschichte des
Aachener Steinkohlenbergbaus” von Friedrich Schunder, geht her-
vor, daß zwischen dem Aachener und Lütticher Revier sehr gute
nachbarliche Beziehungen bestanden haben und daß die erfahrenen
Lütticher Bergleute diesem Revier vielfach durch Ratschläge und
Hilfe wertvolle Dienste geleistet haben. Erwähnenswert ist diesbe-
züglich, daß schon im Jahre 1555, als man auf dem Eschweiler
Kohlberg mit der Aufstellung eines neuen Pferdegöpels begann,
wallonische Arbeiter herangezogen wurden, um diese Arbeiten aus- 0
zuführen, weil man es damals nicht wagen konnte, Einheimische
hiermit zu beauftragen.
Da schon im Jahre 1721 in Lüttich durch den Irländer O’Kelly
auf der neuen Schachtanlage Gromet zur Wasserhaltung die erste
Dampfmaschine des Kontinents erbaut worden war und man 1785
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Die An. Grubengesellschaft Gosson-Kessalles stellte im April 1957 der Gemeinde
Jemeppe bei Lüttich kostenlos ein Gelände zur Verfügung, um zur Erinnerung an die
Errichtung der ersten Dampfmaschine auf dem Kontinent durch O’Kelly ein Denk-
mal zu erbauen. Die Aufnahme zeigt die Gedenktafel mit Aufschrift an diesem Denk-
mal.
Photo : A. Jansen
67
auch im Aachener Revier erstmalig beabsichtigte, zum selben
Zweck eine Maschine aufzustellen, ließ man den Lütticher Maschi-
nisten Waseige nach Eschweiler kommen. Dieser machte den
Vorschlag, statt einer neueren eine ”atmosphärische” Dampfma-
schine nach der Bauart des englischen Mechanikers Thomas New-
comen, der Ende des 17. Jh. als einer der ersten eine Dampfma-
schine gebaut hatte, anfertigen zu lassen. Nachdem dann ein Berg-
rat und ein Pumpenmeister 1787 eine derartige Maschine in Lüttich
besichtigt und als Wunderwerk bezeichnet hatten, faßte man den
Entschluß, sie dort anfertigen zu lassen. Sie wurde 1793 fertigge-
stellt.
Ferner erwarb 1817 der Lütticher Gerard Demet die alte Grube
Gouley im Aachener Revier, deren technischer Leiter der Belgier
Lambert Rasquinet wurde. Der Lütticher Grubeningenieur Jules
Henri Gernaert wurde durch Heirat Mitbesitzer dieser Grube und
unterzeichnete auch mit anderen den Entwurf der Statuten zur
Gründung einer ”Vereinigungs Gesellschaft” im Aachener Wurm-
revier am 3. Mai 1836. Dieses Revier bezog ebenfalls aus Charleroi
in Belgien die erste Maschine zur Herstellung von Briketts. Die erste
druckluftbetriebene Grubenförderung des Kontinents wurde 1865
auf der Steinkohlengrube Sars-Longchamps bei Charleroi eingerich-
tet.
Anhand dieser kurz zusammengefaßten Angaben sowie der
Tatsache, daß der belgische Steinkohlenbergbau im Jahre 1840
schon eine Förderung von 3,93 Millionen Tonnen aufwies, der .
Aachener dagegen nur 0,28 Millionen Tonnen, kann man ohne
Übertreibung sagen, daß die belgische Steinkohlenindustrie, und
ganz besonders die Lütticher, eine glorreiche Vergangenheit auf-
weist und stolz auf ihre wirtschaftlichen und sozialen Verwirkli-
chungen zurückblicken kann.
Entstehung der Kohle und ihre Gewinnung
Die Kohlenablagerungen sind durch unermeßliche sumpfige
Waldungen, die sich vor mehr als 250 Millionen Jahren am Rande
des nördlichen Meeres ausbreiteten, entstanden. Im Saarbrücker
Bergmannskalender aus dem Jahre 1970 weist Dipl.-Geol. Günter
Rehkopf auf das Werk des französischen Forschers Buffon (1707
bis 1788) ”Epochen der Natur” hin. In diesem Werk schreibt dieser
Forscher unter anderem : ”Die Steinkohle verdankt ihren Ursprung
68
den ersten Gewächsen, die von der Erde gebildet wurden; all das
zuerst über Wasser erhobene Land zeugte von Beginn an eine unge-
heure Fülle von Kräutern und Bäumen jeglicher Art; vom Alter ge-
stürzt, wurden sie von den Wassern überschwemmt und bildeten
unendliche Lager vegetabilischen Stoffes. Der Weg der Kohlebil-
dung führt von der Pflanzensubstanz über Torf, Braunkohle und
Steinkohle zum Anthrazit. Abgestorbene Pflanzensubstanz verwest
an freier Luft oder in bewegten sauerstoffreichen Wässern, in Torf-
mooren jedoch dichtet hochstehendes Grundwasser die Luft und
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Ausschnitt aus dem sog. Kuttenberger Kanzionale, einer aus Kuttenberg in Böhmen
stammenden Handschrift, die um 1500 entstand. Das Titelblatt zeigt das umfangrei-
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Unten im Bildausschnitt ist ein Pferdegöpel mit mehreren Pferden zu erkennen.
Repr. P. Zimmer
69
ihren Sauerstoff ab und verhindert so die Zerstörung durch sauer-
stoffverbrauchende Lebewesen. Nur gewisse Pilze und Bakterien
benötigen keinen Sauerstoff aus der Luft, sondern holen sich ihn
aus den organischen Stoffen selbst, die sie verzehren. Sie allein
bewirken eine Zersetzung und Vergärung der vom Grundwasser
bedeckten Pflanzensubstanz, welche dabei nicht nur ihre ursprüng-
liche Struktur mehr und mehr verliert, sondern ärmer an Sauer-
stoff und relativ reicher an Kohlenstoff wird.”
Dies ist der biochemische Vorgang der Vertorfung und das
erste Stadium des Werdens der Kohle. Da diese Entwicklung sehr
langsam abläuft, sind im allgemeinen große Zeiträume zur Bildung
von Steinkohle erforderlich. Durch Einwirkungen von hohen Tem-
peraturen und Gebirgsbildung können junge Lager verhältnismäßig
schnell die Reifung zur Steinkohle und Anthrazit durchmachen.
Am Anfangspunkt dieser Reifung steht Torf, am Endpunkt der
Graphit. Die Mächtigkeit der Lager von Pflanzenanhäufungen
nahm bei der Umwandlung zu den verschiedenen Kohlearten stän-
dig ab. Aus 20 m. mächtigen Pflanzenablagerungen wurden 10 m
Torf, daraus 4 m Braunkohle und schließlich 2 m Steinkohle. Zur
Bildung von 1 kg Steinkohle waren 10 kg frischer Pflanzensub-
stanz erforderlich. Trotz unterschiedlicher Mächtigkeit und
Unregelmäßigkeit in Höhe und Gefälle, handelt es sich in Belgien
um Kohleablagerungen, die vom äußeren Westen des Departements
Pas-de-Calais durch Nordfrankreich und Belgien bis ins Ruhrgebiet
eine Einheit bilden. Nur werden oder wurden sie von Bergwerk zu
Bergwerk anders benannt und erhielten den örtlichen Verhältnissen
entsprechend Tauf- oder mineralogische Namen und Nummern.
Flöze, die besonders schön aussahen, nannte man im Lütticher Bek-
ken : ”Diamant” oder ”Beaujardin”, falls sie sehr hart oder dick
waren, ”Dure Veine”, ”"Quatre Paumes” u.s.w. sowie, je nach ande-
rer Beschaffenheit und Umständen: ”Desire”, ”Lurtay”,
”Flairante”, ”Pucelles”, Grande Veine d’Oupeye”, ”Bouharmont”,
”Grande Delsemme”, ”St. Nicolas” und ”Veine de Herve”.
Diese Kohleschichten kamen an mehreren Stellen an der Erdo-
berfläche zum Vorschein; meistens aber befanden sie sich in waage-
rechter, abschüssiger und senkrechter Lage, stellenweise nur wenig .
unter der Erdoberfläche, andernorts in Tiefen bis über 1000 m; sie
hatten eine unterschiedliche Mächtigkeit (Höhe oder Dicke) von
0,30 m bis 2 m. Der Durchschnitt der Flöze, welche man im soge-
nannten Kohlenstreb abbaute, betrug 0,45 m. bis 0,65 m. Durch die
Unregelmäßigkeit und wechselhafte Lage der Kohleablagerungen
70
war deren Abbau in Belgien manchmal sehr schwierig und mühe-
voll. Dies führt auch dazu, daß häufig dünne Steinschichten, die sich
über und unter den Kohleadern befanden oder zwischen denselben
eingebettet lagen, mit abgebaut werden mußten, was zur Folge
hatte, daß fast niemals vollständig reine Kohle aus den Streben
gefördert werden konnte; vielfach enthielt das Fördergut sogar bis
zu 30% und 35% nutzloses Gestein. In den nachstehenden 5 soge-
nannten Becken wurden in Belgien zur Gewinnung der Kohle
Zechen errichtet.
a) BECKEN der BORINAGE : Es erstreckt sich westlich von Mons
bis zur französischen Grenze und erfaßte die Orte Blaton, Quie-
vrain, Quaregnon, Jemappes, Hensies, St. Ghislain, Hornu, Fra- &
meries, Päturages, Flenu und Nimy.
b) BECKEN des ”CENTRE” : Östlich von Mons mit den Ortschaf-
ten Havre, Maurage, Obourg, Strepy, Houdeng, La Louviere,
Haine St. Paul, Haine St. Pierre, Manage, Morlanwelz, Traze-
gnies und Binche.
c) BECKEN CHARLEROI-NAMUR: Westlich und östlich von
Charleroi sowie in Anderlues, Thuin, Lobbes, Monceau
s/Sambre, Fontaine L’Eveque, Marchienne au Pont, Montignies,
Gosselies, Jumet, Ransart, Couillet, Marcinelle, Gilly, Chateli-
neau, Tamines, Aiseau, Auvelais und Andenne.
d) BECKEN von LÜTTICH : Ab Wanze bis zur östlichen Grenze
mit den Orten : Jehay-Bodegnee, Loncin, Horion-Hozemont, Vel-
roux. Milmort sowie im ganzen Lütticher Industriebecken ab
Chokier bis Herstal, Jupille, Wandre, Milmort und in einem
großen Teil der Herver Gegend mit den Zentren von Romstee,
Micheroux, Xhendelesse und Battice.
e) BECKEN der KEMPEN : Es erstreckte sich über die Umgebung
der Orte Beringen, Helchteren, Zolder, Houthalen, Genk und Eis-
den.
Anzahl der Steinkohlenbergwerke in Belgien
Im Jahre 1910 waren in den drei erstgenannten Becken 198
und im Lütticher Becken 75 Zechen in Betrieb, die zusammen insge-
samt eine Jahresproduktion von 23.917.000 Tonnen Steinkohlen
erzielten. In den Kempen bestand zu dieser Zeit noch kein Kohle-
bergwerk, da dort die Kohle erst am 1. August 1901 in einer Tiefe
3}
von 541 m /angebohrt wurde. Das erste Bergwerk in diesem Raum
begann im Jahre 1920 seine Abbautätigkeit und förderte 246.000
Tonnen Steinkohle.
Den Höhepunkt seiner Kohleproduktion erreichte Belgien im
Jahre 1952. Sie betrug 30.357.000 Tonnen. Im gleichen Jahr hatten
aber schon in den Becken Borinage, Centre, Charleroi, von den 198
Schachtanlagen 97 ihre Tore geschlossen und im Lütticher Revier
waren von den 75 Bergwerken nur noch 35 in Betrieb. In den Kem-
pen dagegen förderten 7.Bergwerke 32% der gesamten belgischen
Steinkohleproduktion, und zwar 9.712.000 Tonnen.
Während der Jahre 1960 bis Ende 1970 verminderte sich die
belgische Produktion von 22.465.000 Tonnen auf 11.362.000 Ton-
nen und die Anzahl der Gruben auf 12 im südlichen Landesteil, auf
7 im Lütticher Raum, sowie auf 5 in den Kempen. Im Verlaufe des
folgenden Jahrzehntes. verschlechterte sich die Lage von Jahr zu
Jahr, so daß 1980 in den Kempen nur noch die Gruben Beringen,
Eisden, Waterschei, Winterslag und Zolder in Betrieb blieben; im
wallonischen Landesteil arbeitete nur noch die Zeche Roton-
Farciennes. Ende März desselben Jahres schloß auch die letzte
Grube im Lütticher Raum ihre Tore.
In den Kempen betrug die Produktion im Jahre 1980
6.949.000 Tonnen. Die Einfuhr ausländischer Steinkohle stieg aber
im gleichen Jahr um 483.000 Tonnen und betrug insgesamt
10.231.000 Tonnen. Der größte Lieferant unseres Landes ist die
U.S.A. mit 4.155.000 Tonnen, dann folgen Westdeutschland mit
2.435.000 Tonnen und Südafrika mit 2.048.000 Tonnen. Im Jahre
1980 sind die Bedürfnisse unseres Landes an Kohlen zu 62,7%
durch Ankäufe im Ausland gedeckt worden.
Durch die Zechenschließungen verloren in der Zeit von 1971
bis 1980 rund 15.000 Arbeiter ihren Arbeitsplatz. Ein anderer
erwähnenswerter Vergleich ist, daß es im belgischen Bergbau im
Jahre 1974 27.881 beschäftigte Arbeiter gab, zum gleichen Zeit-
punkt ihnen gegenüber aber auch 37.938 Berginvaliden, darunter
16.000 italienische, 13.000 belgische und der restliche Teil setzte
sich zusammen aus Gastarbeitern 20 anderer Länder. Zu bemerken
ist ebenfalls, daß im Lütticher Becken nur Anthrazit, Mager- und
halbfette Kohlen abgebaut wurden, Fettkohlenvorkommen gab es
nur im Kempener Becken sowie in einigen Bergwerken der Provinz
Hennegau.
72
”Houilleur, Steinkohlengräber, Köhler und Knechte”
So wurden die im Steinkohlenbergbau beschäftigten Männer,
Frauen, Knaben und Mädchen, letztere sogar unter 10 Jahren,
genannt. Je nach Art der Arbeiten, die sie ausführten, nannte man
sie aber auch Hundemacher, Hundlader, Hundzieher, Schleiferjun-
gen, Haspelzieher, Handpumper, Pumpenknechte, Zimmerleute,
Meisterknechte, Kohlenwieger, Kohlenhauer, Schichtmeister u.s.w.
Mit Keilhaue und Schaufel erkämpften sich anfänglich die Kohlen-
gräber durch Stollen den Weg in die Tiefe zu den Kohleadern, die
sie liegend, knieend oder sitzend mit einer spitzen Haue abbauten.
Die abgebauten Kohlen wurden in Schleifkörben oder Hunden 7
durch niedrige enge Gänge von Jugendlichen krummgeduckt gezo-
gen, oder auf dem Rücken liegend aus dem Kohlestreb gerutscht
und anschließend in Truhen oder Räderhunden durch Stollen trans-
portiert. Danach gelangte sie mit Handhäspel, die später durch Pfer-
degöpel ersetzt wurden, an das Tageslicht. Nachdem zur Kohlege-
winnung Schächte benutzt wurden, stieg man durch Fahrschächte
über Leitern in die Grube hinab und am Ende der Schicht hinaus.
Diese Leitern aus Holz oder Eisen, auch Fahrten genannt, standen
schräge auf einem Bodensatz, sodaß man immer wieder, die Rich-
tung ändernd, von rechts nach links und umgekehrt über diese Lei-
tern, wie es in der Bergmannssprache heißt, in die Grube hinein-
oder ausfahren konnte.
Eine Besonderheit des Bergmannsstandes ist seine Fachspra-
che. Manche bergmännische Ausdrücke können bei Nichtbergleu-
ten Anlaß zu Mißverständnissen geben. Als Beispiel hierfür ist das
vielgebrauchte Wort ”Hund” erwähnenswert. Vor 400 Jahren ist
es völlig eingedeuscht bei Agricola erschienen und mit dem Haustier
Hund in Verbindung gebracht worden, weil das seltsame Geräusch
der fahrenden Fördertruhen dem Bellen eines Hundes ähnlich gewe-
sen sein soll.
Aus diesen kurzen Hinweisen bezüglich der anfänglichen Koh-
legewinnung geht hervor, daß die Arbeiten im Steinkohlenbergbau
nicht nur sehr mühsam und Kräfte raubend waren, sondern daß
man damals viele Arbeitskräfte, besonders Jugendliche, benötigte,
um den Bodenschatz Kohle abbauen und an das Tageslicht fördern
zu können.
Durch die Erfindung und den Einsatz von Preßluft, Bohr- und
Abbauhämmer, Kohlehobeln und eisernen Förderwagen, Gruben-
loren genannt, sowie die Benutzung zahlreicher Maschinen und
75
Geräte aller Art, wie Schrämm- und Lademaschinen, Panzer, Trans-
portbänder, sowie die Einführung der Pferdeförderung unter Tage,
konnten die schwere Arbeit der im Bergbau Beschäftigten erleichtert
und manche Gefahren weitgehend abgewandt werden. Diese Neue-
rungen verhalfen aber auch einer alten Tradition zu neuen Möglich-
keiten und diesem Industriezweig zu einem blühenden Auf-
schwung. Aus Hundestößern, Haspelknechten und Pferdeführern
von einst wurden Lokomotivführer und Fördermaschinisten. Alle
Knechte konnten zur Zeit der Köhlergesellschaften selbständige
: ”Köhler” werden und größere Gesellschaften beauftragten sogar
erfahrene Hauer ohne theoretische Ausbildung mit der Leitung
ihrer Gruben. Erst nach der französischen Bergpolizei-Verordnung
aus dem Jahre 1813 durften in den Gruben nur Steiger und andere
Grubenbeamte angestellt werden, die mindestens während 3 Jahren
ununterbrochen als Berg-, Zimmerleute oder Maschinisten tätig
gewesen waren. Einige Jahrzente danach mußte dann jeder Gruben-
leiter in Preußen dem dafür zuständigen Bergamt nachweisen, daß
er die erforderlichen Fachkenntnisse zur Ausübung dieser Tätigkeit
besaß. Im Industriezeitalter aber stand der Bergbau durch die Berg-
schulen hinsichtlich der Ausbildung seiner Führungskräfte an der
Spitze aller Industriezweige. Mit der Technisierung der Grubenbe-
triebe wurden aber auch Verbesserungen bezüglich der Frauen- und
Kinderarbeit im Steinkohlenbergbau eingeführt. Nach einem
napoleonischen Dekret aus dem Jahre 1813 durften Kinder unter
10 Jahren, wie es bis zu diesem Zeitpunkt häufig der Fall war, nicht
mehr in den Bergwerken arbeiten. Das Bonner Oberbergamt verord-
nete im Jahre 1827 sogar, Frauen nicht mehr unter Tage und oberir-
disch nur noch auf Halden, in Wäschen und Magazinen zu beschäf-
tigen.
Bezüglich der Kinderarbeit unter Tage, setzte 1836 eine preus-
sische Kabinettsordre das Mindestalter auf 13 Jahre herauf, bis
schließlich 1854 die Altersgrenze auf 16 Jahre festgelegt wurde.
Was Belgien diesbezüglich betrifft, - dies ‘geht aus einer Industrie-
zählung vom Jahre 1896 hervor -, so waren zu diesem Zeitpunkt im
Bergbau noch Jugendliche beiderlei Geschlechts unter 16 Jahren
beschäftigt.
(Fortsetzung folgt)
76
Hergenrather Schulchronik
(3. Fortsetzung)
von Alfred Bertha
Wieder ein Neubau?
Der Schulneubau an der Altenberger Straße i.J. 1910/11 hatte
eine Entlastung des alten Schulgebäudes an der Aachener Straße
gebracht. Doch die Unterbringung der in diesem Altbau verbliebe-
nen Schulkinder ließ sehr zu wünschen übrig. Schon 1923 äußerte
die vorgesetzte Schulbehörde des Gouvernements Baltia die Absicht, .
in Hergenrath eine neue Schule errichten zu lassen. Der Gemeinde-
rat beschloß, dem Wunsche der Regierung entsprechend ein vorläu-
figes Projekt und die nötigen Pläne ausarbeiten zu lassen.
Dann aber verschlechterte sich die finanzielle Lage der
Gemeinde von Monat zu Monat. Die Übergangsbedingungen
brachten die Gemeinde in eine so schwierige Lage, daß sie sich sogar
außerstande sah, die Löhne und Gehälter sowie die sonstigen Aus-
gaben für den Monat Februar 1923 aufzubringen. ”Unter den
augenblicklichen trostlosen Verhältnissen”, so lesen wir im Proto-
kollbuch der Gemeinderatssitzungen,” ist die Gemeinde vollständig
außerstande, die Geschäfte weiterzuführen und den Zahlungsver- 8
pflichtungen nachzukommen. Es wird daher verständlich sein,
wenn der Gemeinderat beschließt, den Bau einer neuen Schule bis
zum neuen Jahre zurückzustellen.”
Die Gemeindeväter rechneten mit einer Verringerung der
Schülerzahl durch den Verbleib bzw. die Abtretung eines Teiles des
Gemeindegebietes an Deutschland sowie auch durch den Wegzug
vieler Einwohner, die für Deutschland optierten. Die Gemeindever-
treter plädierten dafür, die alte Schule ausschließlich für Lehrerwoh-
nungen vorzusehen, die Lehrerwohnungen im Neubau aber in Klas-
senräume umzugestalten. Ein Anbau an die neue Schule sei wegen
der sumpfigen Beschaffenheit des Geländes nicht ohne erhebliche
Kosten durchzuführen.
Der ”Rat für Kunst und Wissenschaften”, Herr L. Mallinger,
teilte der Gemeinde mit, wenn sie sich weigere, einen Neubau zu
errichten, so werde dies unter Fortfall der Staadtssubsidien auf ihre
Kosten vorgenommen. Er forderte die Gemeinde auf, im Budget
1924 die zum Schulneubau notwendigen Mittel in Höhe von
250.000 Fr + 80.000 Fr für Schulwohnung vorzusehen.
PT
Das Ende der Übergangszeit (31.5.1925) enthob die Gemeinde
der Verpflichtung zum schnellen Handeln. Erst 1949 wurde das
Projekt wieder aufgegriffen.
Kluges Verhalten der Regierung Baltia
Der Gouverneur, der den Auftrag bekommen hatte, dafür zu
sorgen, daß "alles schnell geht und daß es nicht zu kostspielig wird”,
im übrigen aber sich wie ein Kolonialgouverneur zu betrachten,
”aber einer Kolonie mit direktem Kontakt zum Mutterland”, hatte
immer in der allgemeinen wie in der Schulpolitik ein Auge auf das
französische Vorgehen in Elsaß-Lothringen gerichtet. Er hatte ja
auch als Aufgabe, das neubelgische Gebiet ins belgische ”Mutter-
land” einzugliedern, d.h.die Assimilation der Bevölkerung zu
begünstigen. Im Fall Eupen-Malmedy bedeutete dies, daß es vor
allem vordringlich schien, der französischen Sprache einen gebüh-
renden Platz im Unterricht zu sichern. Dennoch war Baltia in seiner
Haltung der deutschen Sprache gegenüber viel liberaler als die Fran-
—_ zosen im Elsaß, die dort jeden Deutschunterricht aus den Schulen
verbannten.
Diese liberale Haltung des Gouverneurs mag mit dazu beigetra-
gen haben, daß das Unterrichtswesen keinen radikalen Umschwung
erlebte, und die altbelgischen Lehrpersonen sich auch schnell anpas-
sen konnten, wenn sie den notwendigen Takt zeigten. Es war be-
stimmt eine schwierige Aufgabe, die diese Lehrpersonen überneh-
men mußten. Frau Generet weiß sich zu erinnern, wie sie beim
Gesangsunterricht (sie versuchte, die ”Brabanconne” mit den Kin-
dern zu singen) von einem kleinen Jungen, der zaghaft den Finger
gehoben hatte, als Antwort auf die Frage, was er denn wolle, zu
hören bekam: ”Ich bin Deutscher.” Es hieß also, auch solche
Gefühle zu respektieren.
Berechtigten Wünschen der Bevölkerung kam die Regierung
Baltia auch soweit wie möglich entgegen. Dies war z.B. der Fall in
der Frage des schulfreien Nachmittags. Die Gemeindeväter von
Hergenrath bestanden darauf, daß entgegen den Bestimmungen der
Regierung, der Samstagnachmittag schulfrei bleiben müsse, denn c
”am Samstagnachmittag gehört das Kind der Familie und nicht der
Schule”. Als Begründung wurde angeführt, daß die Gemeinde Her-
genrath in der Hauptsache aus weitab liegenden Höfen bestehe, und
viele Kinder einen Schulweg von 40 Minuten und mehr hätten. Fer-
ner gehörten viele dieser Kinder der ärmeren Bevölkerungsschicht
78
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Das 1. Nachkriegsfoto : Frau Generet mit den Kindern des 1. Schuljahres (1945)
an, wodurch es unbedingt notwendig sei; am Samstagnachmittag
die Kleider und Schuhe der Kinder für den Sonntag in Ordnung zu
bringen. Auch müßten bei kinderreichen Familien die Kinder
Bedarfs- und Lebensmittel für den Sonntag herbeiholen.
Der erste Schulschöffe
in Hergenrath war der erste Schöffe Bauens. Er wurde 1927
beauftragt, sich speziell mit den Problemen der Gemeindeschule zu
befassen.
Noch im gleichen Jahre wurde eine ”Musterverordnung für die
Volksschule” erlassen, worin es u.a. heißt :
”Der Rat ist der Ansicht, daß die Schiefertafel in den ersten 3
Jahren verlangt und gebraucht werden soll, und wird dies im
Einverständnis mit dem Hauptlehrer geregelt.”
”Beurlaubungen können nur vom Schulleiter den Schülern der
3. und 4. Stufe (d.h. des 5.-8. Schuljahres) bewilligt werden, um
ihnen die Teilnahme an der Heuernte zu ermöglichen.”
79
”Die jedem einzelnen Schüler im Laufe des Jahres zu genann-
tem Zwecke zu bewilligenden Beurlaubungen dürfen die Gesamt-
zahl von 14 ganzen Tagen nicht überschreiten.”
”Schülern, die schon wegen Schulversäumnis bestraft worden
sind, dürfen Beurlaubungen vorerwähnter Art nicht bewilligt wer-
den ...”
Schulbücher
wurden von 1928 an allen einheimischen Schulkindern kosten-
los von der Gemeinde zur Verfügung gestellt. Andere Schulgegen-
stände, wie z.B. Bleistifte, Radiergummis, Hefte, Tafeln, Griffel etc
sollten von den Eltern gestellt werden. Die Bücher mußten am Ende
des Schuljahres in sauberem Zustand wieder abgegeben werden.
Für Beschädigungen hafteten die Eltern.
Wieviel Französischunterricht in der Volksschule?
Auch sprachlich-kulturell mußte sich der Anschluß der Kreise
Eupen-Malmedy an Belgien auswirken. Es war verständlich, daß
der belgische Staat, dessen Strukturen damals noch zentralistisch
geprägt waren und wo das Französische viel mehr als heute eine
Vormachtstellung besaß, ein Interesse daran haben mußte, seine
neuen Bürger so schnell wie möglich denen des Landesinnern anzu-
gleichen. Da die neubelgischen Gebiete an die Provinz Lüttich
kamen, wollte man dieselben auch am französisch geprägten kultu-
rellen Leben dieser Provinz teilhaben lassen.
Dennoch muß nochmals betont werden, daß in den Jahren
nach dem Ersten Weltkrieg keine forcierte Assimilationspolitik
betrieben wurde.
Obschon spätestens 1927-28 klar war, daß das Gebiet Eupen-
Malmedy nicht mehr an Deutschland zurückfallen würde, wurde
erst 1933 im Gemeinderat ein Beschluß bzgl. des Französischunter- _
richts in der Hergenrather Gemeindeschule gefaßt. Man sprach sich
für eine Einführung dieses Unterrichts vom 4. Schuljahr an aus,
eine Regelung, die bis 1938 in Kraft blieb.
In den beiden letzten Vorkriegsjahren wurde im ersten Schul-
jahr wöchentlich 1/2 St. Französischunterricht erteilt; im 2. Schul-
jahr steigerte man denselben auf eine und im 3. Schuljahr auf 2
Stunden wöchentlich. Vom 4. Schuljahr an sollten ”entsprechend
mehr französische Stunden” gegeben werden, jedoch so, ”daß die
Muttersprache als Hauptsprache beibehalten werde.”
81
Die Kriegsjahre
Über das Schulwesen in den Jahren 40-45 gibt es keinerlei
Unterlagen im Gemeindearchiv, wie denn überhaupt keine Sit-
zungsprotokolle aus den Jahren 1940-45 erhalten geblieben sind.
Hergenrath gehörte damals zum ”Amt Moresnet”, dessen Zentrum
Kelmis bildete. Dennoch läßt sich aus mündlichen Aussagen ein
Bild der damaligen schulischen Verhältnisse entwerfen.
Der nazionalsozialistischen Ideologie entsprechend mußte der
Unterricht als erstes darauf abzielen, aus den Kindern glühende
Patrioten zu machen, sie zu gehorsamen Untertanen heranzubilden.
Die religiösen Symbole, vor allem die Kreuze, wurden aus den Klas-
senräumen entfernt; an ihre Stelle trat das Führerbild. Statt des vor
dem Schulanfang üblichen Gebetes stand die Klasse stramm und
grüßte mit erhobenem und ausgestrecktem Arm ”Heil Hitler!” Der
Religionsunterricht wurde aus der Schule verbannt und mußte in
die Freizeit gelegt werden. Aber auch die Freizeit der Schulkinder
wurde durch Jugendbewegungen wie Hitlerjugend und BDM mehr
und mehr kontrolliert.
Lehrpersonen, die keine ausgesprochen deutschfeindliche
Handlung an den Tag legten, durften im Unterricht bleiben. Da
aber fast alle Lehrer der Vorkriegszeit sich ins Landesinnere abge-
setzt hatten, kam es zu einer gänzlichen Neuformierung des Lehr-
körpers, der, wie dies auch schon im 1. Weltkrieg der Fall gewesen
war, durch Einberufungen der Junglehrer häufiger in seiner Zusam-
mensetzung wechselte.
Fräulein Anna Hamacher aus Astenet (geb. 1906) ist allen Her-
genrathern, die bei ihr in die Schule gegangen sind, noch in bester
Erinnerung. Sie hatte das 3. Schuljahr. Wie die anderen Lehrpersonen, die
in den Jahren 40-45 im Dienst geblieben waren, wurde auch sie nach dem
Kriege nicht mehr zugelassen. Frl. Hamacher ging dann nach Berk und
schließlich nach Nöthen bei Münstereifel. Sie starb 1978 in ihrem Heimat-
dorf.
Fräulein Johanna Schoenauen, die zuletzt die Oberklasse für
Mädchen geleitet hatte, verließ den Schuldienst im Jahre 1942. Der
Hauseter Hermann Heutz war einer der vielen Junglehrer, deren
Karriere durch Krieg und Wehrdienst unterbrochen wurde. Er war
kurzzeitig - genaue Angaben fehlen - in Hergenrath im Dienst. Nach
dem Kriege wirkte H. Heutz in Verlautenheide.
82
Die zweite belgische Zeit
Die längsten Ferien, die, wenn auch unfreiwillig, der Hergenra-
ther Schuljugend beschert wurden, führten vom Sommer 1944 bis
zur Wiederaufnahme des Schulunterrichts im Frühjahr 1945. Ob-
schon der Ort nicht unter direkten Kriegshandlungen zu leiden
gehabt hatte, gestaltete sich der Neubeginn recht schwierig, hatten
doch amerikanische Truppen in den Schulen Quartier bezogen und
das sämtliche Schulmobilar mutwillig zerstört. Die ”neue” Schule an
der Altenberger Straße bot einen traurigen Anblick. Architekt Phi-
lippart schützte die Höhe der dort angerichteten Schäden auf
685.844,70 Franken, eine wohl absichtlich überhöhte Summe, da
man davon ausging, daß die Kriegsschädenregelung folgen würde x
und der Gemeinde somit keine Kosten entstünden. Auch die Leh-
rerwohnung war unbenutzbar geworden.
Die Instandsetzung der neuen Schule zog sich bis 1948 hin,
obwohl die Regierung verfügt hatte, daß alle Schulen der Ostkan-
tone bis zum 31.7.1947 wieder in Stand gesetzt sein mußten. Her-
genrath sah diesen Stichtag für die so stark beschädigte Schule als
nicht bindend an. &
Zum neuen Schuljahr 1947-48 lieferte der Schreiner Bastin aus
Walhorn 76 neue Schulbänke. Das 2. und 3. Schuljahr waren im
Frühjahr 1948 noch immer in einer Privatwohnung untergebracht,
und zwar im Hause von den Driesch, dem an der Hauseter Straße
gelegenen ”Jägerhof”.
Durch Gemeinderatsbeschluß vom 30. Dez. 1946 wurden die
Instandsetzungsarbeiten der ”neuen”Schule dem Lütticher Unter-
nehmer Julien Gillard anvertraut. Am 13. August des folgenden
Jahres waren die Arbeiten immer noch nicht beendet, der Unterneh-
mer hatte dieselben jedoch eingestellt, unter der Angabe, sein Auf-
trag sei erledigt.
Die besondere Lage in den ersten Nachkriegsjahren führte
dazu, daß die Gemeinden das Recht, die Lehrpersonen der Gemein-
deschulen zu ernennen, nicht wahrnehmen durften. Dieses Recht
behielt sich nun die Regierung vor, wogegen die Gemeinden durch
ihre Bürgermeister energisch - aber vergebens - protestierten.
Auch das Problem des Französischunterrichts in den Volks-
schulen wurde nun besonders unter dem Aspekt der schnelleren
Eingliederung der sog. Ostkantone in die Wallonie und Belgien wie-
der aufgegriffen. Der am 14.8.1933 gefaßte Gemeinderatsbeschluß
bzgl. des Anteils des Französichunterrichts am Gesamtunterricht
84
wurde aufgehoben und eine Neuverteilung vorgenommen, wonach
in den ersten drei Schuljahren Deutsch der Vorrang vor Franzö-
sisch haben sollte. Im 4. Schuljahre sollte der Unterricht zu je 50%
„in Deutsch und Französisch erteilt werden, während in den vier
letzten Schuljahren das Französische eindeutig den Vorrang erhielt.
(
Die heutige, auf die Sprachgesetzgebung vom 30.7.1963 und
2.8.1963 zurückgehende Regelung, sieht vor, daß im 1. und 2. Schul-
jahr Französischunterricht erteilt werden kann. (2) Im 3. und 4.
Schuljahr sind 3 Stunden wöchentlich, im 5. und 6. Schuljahr 5
Stunden wöchentlich als Pflichtfach vorgeschrieben.
Von den Lehrpersonen der Vorkriegszeit nahmen Herr und $
Frau Generet, Herr Tonteling und Fräulein Bertrams ihren Dienst
wieder auf. Hinzu kam noch Fräulein Luise Schifflers. (3)
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Frl. Luise Schifflers
Schon 1923 hatte das Gouvernement Baltia auf eine Erweite-
rung der Hergenrather Schule durch den Bau neuer Klassen
gedrängt, doch war dieses Vorhaben damals wegen fehlender Mittel
zurückgestellt worden. Der 5-Jahresplan für öffentliche Arbeiten,
1) In der Praxis sah das allerdings so aus, daß schon bei den Schulanfängern das
Französische dominierte.
2) Das führt dazu, daß diese Kann-Bestimmung von Schule zu Schule sehr unter-
schiedlich gehandhabt wird.
3) Geb. in Aachen, 1915. Diplomiert in Baives, war vor dem Kriege vorübergehend
in Neu-Moresnet tätig gewesen. Während des Krieges war Frl. Schifflers in Stavelot.
Sie starb 1981 in Lüttich.
85
den die Gemeinde 1948 aufstellte, sah unter anderem eine Erweite-
rung der ”neuen” Schule um 4 Klassen und die Aufhebung der
”alten” Schule vor.
Der von Architekt Jacquemin aus Beaufays angefertigte Plan
entsprach den Vorstellungen der Gemeinde und so beschloß die-
selbe am 28.4.1949, den Schulerweiterungsbau entsprechend dem
Vorprojekt auszuführen. Von Seiten des Staates waren 60%
Baukostenzuschuß zu erwarten. Für Besatzungsschäden an den
Schulgebäuden rechnete man mit einer Entschädigung von 170.000
Fr. Der Fehlbetrag sollte durch einen außergewöhnlichen Holzver-
kauf sowie durch den Verkauf des alten Schulgebäudes gedeckt wer-
den.
Die Angliederung der Enklave Bildchen an die Gemeinde Her-
genrath (von 1949 bis 1956 war diese Enklave unter belgischer Ver-
waltung) ließ ein Anwachsen der Schulbevölkerung erwarten. Auch
dies trug dazu bei, den Erweiterungsbau zu begründen.
Erst im März 1954 - kurz vor Ablauf der im 5-Jahresplan
gesetzten Frist - genehmigte das Ministerium für öffentliche Arbei-
ten den vorgelegten Plan. In aller Eile wurden nun die Arbeiten aus-
geschrieben. Den Zuschlag für die Maurerarbeiten erhielt der Her-
genrather Unternehmer Peter Bauens, unter besonderer Berücksich-
tigung der Tatsache, daß dieses Unternehmen 14-15 hiesige Arbeiter
beschäftigte. Die Schreinerarbeiten, Elektro-Installation, Heizungs-
anlage und Anstreicherarbeiten wurden dem Mindestfordernden
zugeschlagen; damit hätte der Bau sofort in Angriff genommen wer-
den können, wenn nicht Finanzierungsschwierigkeiten sich aufge-
tan und die zahlenmäßige Entwicklung der Schulbevölkerung zu
Besorgnis Anlaß gegeben hätte.
Im Sommer 1953 zählte Hergenrath 145 schulpflichtige Kin-
der; davon besuchten jedoch 64 auswärtige Schulen. Das führte mit
Beginn des Schuljahres 1953-54 zur Aufhebung der 5. Schulklasse,
da für 49 Mädchen und 42 Knaben je 2 Klassen genügten.
Da Fräulein Bertrams sich bereit erklärte, ihren Antrag auf Ver-
setzung in den Ruhestand einzureichen - sie war inzwischen 66
Jahre alt - verlor keine Lehrperson ihren Arbeitsplatz. ö
In den nächsten Jahren ging die Schülerzahl noch weiter
zurück, sodaß im September 1957 beschlossen wurde, das 7. und 8.
Schuljahr aufzuheben. Von 127 schulpflichtigen Kindern besuch-
ten damals nur 83 die Hergenrather Volksschule, während 44
andernorts ihrer Schulpflicht genügten.
86
Die Neuaufteilung der Klassen ergab nun folgendes Bild :
1. und 2. Schuljahr : Frau Augusta Generet (28 Kinder)
3. Schuljahr : Frl. Luise Schifflers (18 Kinder)
4. Schuljahr : Herr Jos. Tonteling (21 Kinder)
5. und 6. Schuljahr : Herr Emile Generet (16 Kinder)
Erst 1965 konnte wieder eine 5. Klasse eröffnet werden, was
vor allem auf den Zuzug vieler junger Familien zurückzuführen
war.
Das i.J. 1954 kurz vor der Ausführung zurückgestellte Projekt
der Schulerweiterung wurde 1965 wieder aufgegriffen. Der Archi-
tekt Jacquemin wurde beauftragt, ein komplettes Dossier zu erstel-
len. }
Forts. folgt
Berichtigung :
Die auf den Schulfotos auf S. 77 - 78 und 80 der Nr. 28 unserer
Zeitschrift abgebildete Junglehrerin ist nicht Frl. Krückel, sondern
Frl. Maria Liesenhoff aus Burtscheid, die Ostern 1916 diplomiert
wurde und etwa 1 1/2 Jahr in Hergenrath wirkte. Anschließend war
sie in Wallerode bei St. Vith tätig.
Frl. Krückel hat Hergenrath 1916 verlassen und ist kurz
darauf an Tuberkulose gestorben.
87
Als Schüler in Herbesthal
von Leo Homburg
Am Sonntag, dem 4. Oktober 1981, feierte die Herbesthaler
Gemeindeschule ihr hundertjähriges Bestehen. Eucharistie und aka-
demische Feier waren zweisprachig, deutsch-französisch, in gemütli-
cher Runde wurde auch noch Plattdeutsch gesprochen.
Das erinnerte mich daran, daß in meiner Jugend in Herbesthal
nur Deutsch gelehrt wurde, während im gegenüberliegenden Wel-
kenraedt, das zu Belgien gehörte und wo keine Schulpflicht bestand,
Französisch und Deutsch auf dem Lehrplan standen. Heute hat sich
die Lage verkehrt: Herbesthal hat den damaligen Sprachvorteil
Welkenraedts übernommen.
Daß meine Mutter mich Ostern 1909 als ältestes ihrer Kinder
auf dem 20 Minuten langen Weg zur Schule begleitete, war eine
Ausnahme. Damals wurden die Schulneulinge meist von ihren älte-
ren Geschwistern oder von einem Nachbarkind zur Schule
gebracht. Als meine Mutter mich dem Lehrer Lousberg übergab,
bestand meine Schulausrüstung aus einem Lederranzen. Der
Inhalt : eine Schiefertafel, an der ein Schwamm und ein Läppchen
befestigt waren, sowie eine Holzbüchse mit einem Griffel. Mehr
habe ich im ersten Schuljahr nicht benötigt.
Lehrer Lousberg lehrte uns zuerst das Abc. Er holte hin und
wieder einen neu angekommenen Buchstaben aus seinem Schrank,
schrieb ihn an die Tafel und ließ uns denselben solange abschreiben,
bis er mit unseren Schreibübungen zufrieden war.
Als erste Wortübung setzte er neben das ”E” ein ”i”. Das
ergebe, so sagte er, das Wort ”Ei”. Ein Ei kenne ja wohl jeder.
Bei den Zahlen begann er mit der Null, sagte, sie sei wertlos,
schrieb dann eine ”1” und erklärte, das sei ein Pfennig. Nun setzte
er die soeben als ”wertlos” betitelte Null neben die 1 und aus einem
Pfennig waren 10 geworden!
Am Nikolaustag erhielt jedes Kind von Lehrer Lousberg eine
Printe.
Im zweiten Schuljahr vermehrte sich meine Schulausrüstung
um ein kleines Lese- und Rechenbuch, ein Schönschreibheft und
einen Federhalter mit Feder (Tintenschreiber). In diesem Jahr 1910
wurde ein Foto der beiden Herbesthaler Schulklassen gemacht : 32
88
Mädchen und 29 Jungen hatte der Lehrer zu betreuen. Davon leben
heute noch 4 in Herbesthal und Umgebung.
Lehrer Lousberg hat uns eine gute Grundausbildung gegeben,
ohne von dem damals als Erziehungsmethode erlaubten Stock
Gebrauch gemacht zu haben.
Mit Beginn des 3. Schuljahres kamen die Mädchen zu Fräulein
Schomer, die Knaben zu Lehrer Pünter; dort blieben sie bis zur Ent-
lassung. In der Zwischenzeit vermehrte sich meine Ausrüstung wei-
ter : ein Katechismus, eine Bibel, ein Aufsatz- und ein Zeichenheft
waren hinzugekommen. Katechismusunterricht gab uns Pfarrver-
walter Rektor Hecker. Wenn er in die Klasse kam, mußten alle auf-
stehen und ihn mit ”Gelobt sei Jesus Christus” begrüßen. Vor X
Schulbeginn wurde übrigens immer gebetet. Rektor Hecker wachte
auch darüber, daß niemand die Schulmesse (dienstags und freitags)
versäumte. Als er uns zur ersten Beichte zuließ, mußten wir nicht
nur unsere Sünden im Beichtstuhl bekennen, sondern dem Geistli-
chen dazu noch eine schriftliche Liste dieser Sünden übergeben!
1912 ließ er mich zur Erstkommunion gehen. Den Stock hat
auch der Rektor nie gebraucht; es kam höchstens vor, daß er mit der
einen Hand den Sünder am Ohrläppchen festhielt und ihm mit der
anderen ein paar Backenstreiche verabreichte.
Anders war Lehrer Pünter. Er erklärte uns zwar die Bibel,
machte aber vom Stock reichlich Gebrauch. Häufig stellte er den
Verprügelten auch noch in die Ecke. Seine Standardstrafe für nicht
gemachte Aufgaben waren 6-7 Schläge mit einem dünnen Stock auf
jede Innenhand.
Am 2. August 1914 wurde mein Vater Soldat. Bis dahin war
ich gut mit Lehrer Pünter ausgekommen. Jetzt aber bürdete mir
meine Mutter manche Arbeit auf, die mein Vater vorher getan
hatte. So mußte ich z.B. noch vor der Schule (wir hatten keinen
elektrischen Strom) die Milchzentrifuge mit der Hand drehen. Das-
selbe abends. Dazu mußte im Winter das Vieh gefüttert, Wasser
zum Tränken der Tiere von draußen hereingetragen und die Ställe
entmistet werden. Da‘Petroleum Mangelware war, brannte die Stal-
laterne nur bei heruntergedrehtem Docht und im Wohnzimmer war
die große Hängelampe durch ein kleines ”Herrgottslämpchen”
ersetzt worden.
Wenn meine Mutter die drei Jüngsten zu Bett gebracht hatte,
mußten wir drei älteren Geschwister noch knieend einen Rosen-
kranz beten. Wen wundert es, daß meine Leistungen in der Schule
89
nachließen? Hin und wieder bekam ich denn auch Lehrer Pünters
Standardstrafe zu spüren. Anfang April 1915, es war einige Tage vor
meinem 12. Geburtstag, mußte mein einziges Paar Schuhe zur
Reparatur. Meine Mutter setzte es durch, daß ich auf Holzschuhen
zur Schule ging, etwas absolut Einmaliges bis dahin. Als Lehrer
Pünter meine Holzschuhe sah, sagte er wörtlich : ”Diese Dinger da,
womit man über den Ozean schwimmen kann, läßt Du da unten ste-
hen.”
Es war ein naßkalter Tag. Schnee fiel mit Regen vermischt. Ich
mußte auf den Strümpfen drei Steinstufen hoch, dann durch den
Flur und wieder 14 Holzstufen hoch in die Klasse und an meinen
Platz gehen. Dort zog ich die naß gewordenen Strümpfe aus, rieb
mir damit die Füsse ab und zog sie nach Schulschluß auch nicht wie-
der an. Ich steckte die nackten Füsse in die nassen Holzschuhe und
klapperte so nach Hause. Dort war mein Vater zum ersten Male in
Urlaub gekommen. Als er meinen Aufzug sah und hörte, wie es mir
am Morgen in der Schule ergangen war, sagte er : "Wenn Du Mut-
ter weiter so gut hilfst wie bisher, bist Du zum letzten Male in der
Schule gewesen. Vorläufig bist Du krank!”
Er machte von der damaligen Möglichkeit Gebrauch, kinder-
reichen Soldatenfrauen einen Sohn zur Hilfe in der Landwirtschaft
beurlauben zu lassen. Er erreichte, daß ich vorerst für ein halbes
Jahr vom Unterricht beurlaubt wurde; dieser Urlaub wurde dann
nochmal um 6 Monate verlängert. Anschließend wurde ich mit den
besten Segenswünschen und einem schlechten Schulzeugnis aus der
Schule entlassen.
Als der nach meiner Zeit in Herbesthal angestellte Lehrer Lin-
gens im Winter 1919-20 einen Fortbildungskursus abhielt, ging ich
auch hin. Nach Abschluß dieses Kursus’ im Frühjahr 1920 sagte der
Lehrer, er werde nach Deutschland zurückkehren. Ein Zeugnis
wolle er uns nicht ausstellen, da dasselbe in Kürze uns mehr schaden
als nutzen würde.
Dies sind. einige Erinnerungen an meine Schulzeit in Herbes-
thal. Beim Jubiläum 1981 gehörte ich zu den vier ältesten noch
lebenden Herbesthaler Schülern, die als Gäste zu den Feiern eingela-
den waren, und manche Erinnerung wurde wieder lebendig ...
90
Teufelsschlucht an der Göhl
von Leonie Wichert-Schmetz
Steile, graue Felsenwände,
Efeuübersponnen streben,
Recken ihre Zackenhände
Ganz versteckt in Waldesreben.
Heute schaut ein öder, trüber
Himmel durch das Baumgezweige.
Dunkle Wolken ziehn vorüber,
Und der Tag, er geht zur Neige.
Wißt ihr noch, ihr grauen Riesen, z
Wie ihr hörtet meine Lieder,
Wenn ich sang auf grünen Wiesen?
Diese Zeit, sie kehrt nicht wieder.
Wißt ihr noch, ihr grauen Steine,
Wenn ich mit den kleinen Füßen
Klettert auf vom Wiesenrain?
Ach, der Waghals mußt es büßen.
Wißt ihr noch, ich kollert tiefer,
Immer tiefer dann herunter,
Riß die Händ’ an eurem Schiefer,
War doch bald dann wieder munter.
Wißt ihr noch, ihr kargen Eichen,
Wenn mit Schwestern und mit Basen
Forschte nach der Mär vom reichen,
Lieben, guten Osterhasen?
Wenn ich in die Höhlen spähte,
Ernst und träumend, still versonnen,
Während meine Schwestern pflückten
Bunte Blumen drunt’ am Bronnen,
Für die Basen Blumen pflückten,
Die als Elfen zart sich dünkten
Und mein Märchenherz berückten.
Hell und licht in Waldestiefen,
Weiße Kleider trugen alle
Meine lieben Spielgefährten,
Tanzten dann mit lautem Schalle
Wie Gestalten aus dem Märchen.
Märchenglaube, Kindersehnsucht,
Waldesgrund und Lenzesflammen,
Helle, klare Kinderherzen,
Das gehöret all zusammen.
(9.2.1915)
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92
Zum Ursprung des Menschen :
Begegnung mit der ”Deutschen Gesellschaft für Vor-
und Frühgeschichte
von Dr. G. De Ridder
Nachdem im April 1981 die Regionaltagung der ”Deutschen
Gesellschaft für Vor- und Frühgeschichte” in Kelmis stattgefunden
und man gemeinsam den 5000 Jahre alten Bergbau von Rijkholt
besichtigt hatte, fand im Oktober 81 der Gegenbesuch im Neander-
tal statt. Mit einer großen Gruppe begab sich die Göhltalvereini- E
gung in den Düsseldorfer Raum und wurde dort von Herrn Tripp,
dem Leiter des ”Arbeitskreises Neandertal” sowie von Herrn Korell,
Geschäftsführer der ”Deutschen Gesellschaft für Vor- und Frühge-
schichte” empfangen. Viele der Teilnehmer wußten um die Abstam-
mung des Menschen, um den Altmenschen, den man als Neanderta-
ler bezeichnet. Keiner war jedoch bisher an den Ursprungsort im
Neandertal bei Düsseldorf gewesen. Diese Begegnung verdient in
unseren Annalen festgehalten zu werden, denn es war doch ein
merkwürdiger Eindruck, in dem Tal zu sein, in dem der klassische
Neandertaler unserer Breitengrade allem Anschein nach im Laufe
des ersten starken Kälteeinbruchs der letzten Eiszeit (ca 60.000-
40.000 vor Chr.) gelebt hat und ausgestorben ist, ohne Nachkom-
men zu hinterlassen. Die ehemals großartigen Kalkhöhlen lieferten
diesem Menschen Unterschlupf. Bei der Besichtigung des Museums
im Neandertal konnte man dem Homo - Neanderthalensis ein wenig
auf die Spur kommen. Die ersten Überreste dieser Art wurden 1856
im Lehm einer kleinen Kalkhöhle des Neandertals gefunden und als
der Urmenschenfund bezeichnet, aber von vielen Gelehrten der .
damaligen Zeit zunächst abgelehnt.
Prof. Dr. J.C. Fühlrott (1803-1877) war der Entdecker des
Neandertalers. Der Neandertaler lebte in der ausgehenden letzten
Riss-Würm - Zwischen-Eiszeit und während des ersten Vorstoßes
der Würmeiszeit (ca. 100.000 - 40.000 vor Chr.) Er war hauptsäch-
lich Jäger, seine Beutetiere waren Bison, Urrind, Waldelefant, Höh-
lenbär, Wildpferd und Mammut. Ergänzt wurde diese Nahrung
durch Sammeln von Pflanzen und Beeren. Sobald seine Jagd- und
Sammelgebiete nicht mehr genügend Nahrung boten, zog er in aus-
giebigere Gegenden weiter, wobei ihm stets natürliche Höhlen als
93
Wohnungen dienten. Typisch für den ca. 155-165 cm. großen Nean-
dertaler waren gewisse urtümliche Merkmale : Der lange und flache
Gehirnschädel mit zurückweichender Stirn, starke Überaugen-
wülste und ein großes und grobes Gesicht mit fehlendem Kinn
sowie eine leichte Biegung des Oberarmes und des Oberschenkel-
knochens waren kennzeichnend für diesen Menschen. Zwar haben
Messungen eine Gehirnkapazität des Schädels festgestellt, die teil-
weise über dem Mittelwert des heutigen Menschen liegt, doch war
das Gehirn selbst noch nicht so differenziert. Immerhin hatte der
Neandertaler bereits eine Kultur entwickelt, die unter anderem ver-
schiedene Steinwerkzeuge, Faustkeile und Schaber hervorbrachte.
Aber so ohne weiteres wurde damals der Fund Fühlrotts nicht ange-
nommen. Erst als man 1886 in Belgien weitere Skeletteile entdeckte,
wurde das eiszeitliche Alter des Neandertalers anerkannt. Bis heute
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Monument in unmittelbarer Nähe des Neandertal-Museums
Foto Herbert Emonts-pohl
94
wurden zahlreiche weitere Funde zum Teil vollständige Skelette, in
vielen Teilen Europas gemacht und alle in Höhlen, so daß man über
diesen Urmenschen inzwischen recht gut Bescheid weiß. In unserer
Gegend wurden bisher über tausend Funde des Neandertalers auf-
gedeckt. Noch am gleichen Tage konnte Herr Bricteux, Geschichts-
lehrer an der Kelmiser Mittelschule, in Düsseldorf, im Löbbecke-
Museum, die Funde des Neandertalers aus belgischer Sicht darstel-
len. Inzwischen wurden in Maastricht bedeutende Funde des Prä-
Neandertalers gemacht. Die Gebrüder Felder, uns bekannte Geolo-
gen, werden uns diese Funde eines Tages an Ort und Stelle präsen-
tieren können. ;
SKELETT DES ® 1856 GEFUNDEN
NEANDERTALERS nn U IM NEANDERTAL
& & \ u K N
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95
Wenn wir uns dann heute als den sogenannten Homo sapiens Stein-
heimensis bezeichnen, als den Neumenschen, so wurde noch immer
ein langer Weg zurückgelegt bis der Mensch zum Jetztmenschen so
bescheiden eingeordnet wurde in die Eusapiensgruppe. Bei der
großen Lückenhaftigkeit des Fundmaterials kann die Frage nach
der Abstammung des Menschen noch immer nicht restlos beant-
wortet werden, auch wenn man jetzt in der Afarwüste im Nord-
Osten Äthiopiens den ältesten Vorfahren des Menschen, der 3 Mil-
lionen Jahre alt sein soll, ausgegraben hat. Geblieben ist jedoch bei
dem Besuch im Neandertal das Bild des Neandertalers, der im
August 1856 in der kleinen sogenannten ”Feldhofergrotte” im Zuge
des Kalkabbaues entdeckt wurde. Im Tal der Düssel ist als letztes land-
schaftliches Dokument nur noch der ”Rabenstein”, (ein ca. 15 m hoher
Kalkstein) geblieben. Der Prediger und Kirchenlieddichter Joachim
Neander (1650-1680) suchte häufig das malerische Tal der Düssel
auf, das früher ”Gesteins” hieß und dem er viele schöne Lieder wid-
mete, das aber bereits 1930 mit der ehemaligen Landschaft keinerlei
Ähnlichkeit mehr bot. Geblieben war der merkwürdige Moment,
vor diesem Rabenstein zu stehen und damit an dem Ort, an dem vor
Jahrtausenden Menschen Leben weitergetragen haben. Daß wir, die
wir da vom Göhltal kamen, an diesem merkwürdigem Platz ein Blu-
mengebinde aus Moos und Farn niederlegten, hinterließ ein denk-
würdiges Gefühl. Die Begegnung mit Herrn Anton Tripp, mit
Herrn Dr. Dieter Korell, mit Herrn Peiffer und Herrn Franck wird
unsere Gruppe zu schätzen wissen, und vielleicht kann auch der
Wunsch dieser Gesellschaft in Erfüllung gehen, nämlich an die Stät-
ten des belgischen Neandertalers geführt zu werden.
96
Eine denkwürdige Feierstunde im
Raerener Museum
von Dr. Gisela De Ridder
Schon lange warteten die Geschichtsfreunde unserer Gegend
auf eine Neuauflage von Dr. Hermann Wirtz’ ”Eupener Land”. Der
Göhltalvereinigung ging daher ein großer Wunsch in Erfüllung, als
die Witwe des Autors, Frau Änny Wirtz-Schauff, ihr die Genehmi-
gung zum Nachdruck erteilte.
Nach den erforderlichen Vorarbeiten war es dann am 10.
Oktober soweit : die Gemeindeväter von Raeren luden zur Vorstel-
lung des Nachdrucks zu einer kleinen Feier in die Burg Raeren ein.
Schöffe Dr. Michel Kohnemann hieß in Vertretung von Bürger-
meister Schumacher die zahlreichen Gäste aus nah und fern herz-
98
Geschäft. Dem jungen Hermann Wirtz sollte es an nichts fehlen.
Man schickte ihn ins Internat nach Neunkirchen, wo er das Abitur
machte, um anschließend in Bonn Philosophie und Jura zu studie-
ren. Er promovierte mit dem Thema ”Die Gerichtsbarkeit von
Aachen”. Seine erste Anstellung bekam der Jurist an der Handels-
kammer in Aachen; später kam er nach Eupen.
Eine Mittlerrolle zu spielen dachte Dr. Hermann Wirtz nach
dem Ersten Weltkrieg. Er vertrat den Völkerbund auf deutscher
Seite. 1922 wurde er durch Gouverneur Baltia aus Eupen-Malmedy
ausgewiesen. Innerhalb von 24 Stunden hatte er das Land zu ver-
lassen.
Noch im gleichen Jahre ehelichte er in Zweifall die gebürtige f
Eupenerin Änny Schauff. Nach einer vorübergehenden Bleibe in
Aachen konnte er über die Verbindungen seines Schwiegervaters
Mitinhaber einer Kölner Bank werden.
Für seine Beziehungen zur alten Heimat waren diese Kölner
Jahre entscheidend. Acht Jahre hindurch verbrachte er jeden freien
Tag, alle Ferien, im Eupener Land. Unendlich viele Kilometer hat
seine Frau ihn mit dem Auto durch die Gegend gefahren. Unge-
zählte Male haben sie dabei das Walhorner Gemeindehaus und das
dortige Archiv besucht. 1929 baten ihn die Raerener um einen Auf-
satz zur Raerener Pfarrgeschichte, der die Festschrift zum 75-
jährigen Bestehen des Raerener Gesangsvereins krönen sollte. 1930
führte der Lebensweg den geborenen Raerener nach Berlin, wo er
zu seiner großen Freude auf die Landsmannschaft Eupen-Malmedy-
Monschau stieß, die seit 1926 bestand und über 200 Mitglieder
zählte. Jeden Monat veröffentlichte man eine Zeitschrift mit Nach-
richten aus der Heimat. Regelmäßig traf man sich und tauschte die
neuesten Nachrichten aus.
1936 veröffentlichte Hermann Wirtz das Ergebnis seiner vielen
heimatkundlichen Quellenstudien in dem Buch ”Eupener Land”.
Das Werk fand viel Beifall und war schnell vergriffen.
Der Ausbruch des Krieges brachte für den Juristen und
Finanzfachmann Wirtz neue Aufgaben : 1940 wurde er Stadtkom-
mandant von Paris; später war er in gleicher Funktion in Nizza.
Nach dem Krieg und bis 1960 war Dr. Hermann Wirtz wieder
als Jurist tätig. Noch als 67-jähriger legte er die Prüfung als Wirt-
schaftsprüfer und Treuhänder ab und war noch zehn Jahre am
Gericht in Berlin tätig. Große Prozesse, in denen er als hauptverant-
99
wortlicher Gutachter fungierte, konnten für seine Klienten erfolg-
reich abgeschlossen werden.
Bei aller Arbeit und trotz der großen Entfernung blieb die Bin-
dung zur Heimat bestehen. 1972 war es ihm vergönnt, im Kreise
vieler Freunde, unter ihnen Pastor Viktor Gielen, seine Goldhoch-
zeit in Raeren zu feiern. Daß er diesen Tag erleben durfte, war für
ihn ein Höhepunkt, der in manches erlittene Weh vergessen ließ.
Als Hermann Wirtz am 19.12.1973, im 81. Lebensjahr, in Ber-
lin verstarb, schloß er versöhnt mit dem Leben die Augen. Seiner
Gattin hinterließ er ein Erbe, das vor allem den Auftrag enthielt,
den Heimatgedanken weiterzutragen.
Dr. Hermann Wirtz, Träger des päpstlichen Ordens vom hl.
; Grab, hat die Geschichte mit dem Herzen sehen und lesen gelernt.
Wir, die wir nach ihm kommen, sollten seinen Auftrag weitertragen,
weil wir nur so die Ereignisse der Geschichte verstehen und diesel-
ben für die Gegenwart und die Zukunft zusammenfügen können.
Es war der Göhltalvereinigung eine Ehre und eine Freude, das
Werk Dr. Hermann Wirtz vorzustellen. Wir sind stolz auf diesen
Auftrag.
100
Alter Gewichtstein
von M.Th. Weinert
Es ist ein Kalkstein, ein Kegelstumpf,
leicht gerillt an dem langen Rumpf,
und die Kante ist rund.
Hätt’er einen Mund,
und wär er gewillt,
er könnte berichten,
von Menschen und Waagen
und Steingewichten ...
uralte Geschichten, X
die an ihm hängen,
und die er niemals loswerden kann :
angefangen bei jenem Mann,
der ihn behauen, fünf Kreuze geritzt,
Andreaskreuze, je eins für zehn Pfund,
vor vielleicht fünfhundert Jahren,
derselbe, der Hab und Gut verpraßt,
hat ihm den eisernen Ring verpaßt,
ihn dann eingetauscht, ihn, den Wiegestein
gegen ein kleines Fäßchen Wein -
und ist davongefahren.
Der Stein kam zum Müller
und wog und wog,
daß sich die Schale der Waage bog,
das Mehl und die Kinder,
den Esel, das Korn,
bis der Müller durch Feuer
die Mühle verlorn.
Den Stein fand ein Krämer und schaffte ihn fort. ;
Er wog dann an einem heimlichen Ort :
Salz, Wachs und Honig und Rüben und Tuch,
und was er auch wog, es war nie genug ...
Drum meißelt’ der Krämer mit eiliger Hand
eine Zahl hinzu an den steinernen Rand ...
So wurde der ehrliche, alte Stein
”Unehrlich Gewicht”!
Und der Krämer machte ein dummes Gesicht,
als der Büttel kam und lochte ihn ein!
Was nun mit dem Stein?
Mit dem Wiegen war’s aus,
der Büttel schafft ihn ins eigene Haus {
und steckt’ ihn ins Krautfaß für fünfzig Jahr!
101
Dort preßt’er das Kraut, bis das sauere Naß
ihm Löcher fraß in die steinerne Haut.
Erst als der Büttel verstorben war,
sein Kraut und Gut verteilt,
nahm einer sich des Steines an
und kettete seinen Hund daran.
Der Stein stand im Hof an die dreihundert Jahr.
Bauern und Hunde wurden nicht rar,
der Stein blieb immer derselbe.
Als dann der Hof zuschanden kam,
verrostet die Hundekette,
ein Vagabund den Stein aufnahm,
verlor ihn bei einer Wette ...
Und der ihn gewann, schlug die Halterung flach,
der Stein kam unter den Schragen,
er half, drei Menschenleben lang,
Fässer voll Wein zu tragen.
Die Menschen verstarben,
er wechselt’ den Ort
seit der Xten Generation.
Er dauert. Wie lange dauert er noch?
Er steht jetzt auf meinem Balkon ...
102
Auf dem Büchermarkt
von Alfred Bertha
Nur noch antiquarisch zu haben war eine der bedeutendsten
Veröffentlichungen der Vorkriegszeit über das Eupener Land.
Unserer Vereinigung ist es gelungen, die Nachdruckrechte dieses
Werkes zu erhalten. Gemeint ist
Hermann Wirtz : Eupener Land, 92 Seiten Text und 4 Bildta-
feln, Verlag Volk und Reich, Berlin 1936.
Dr. Hermann Wirtz, geborener Raerener, hatte seine Heimat .
nach dem Anschluß an Belgien verlassen müssen. Doch die Liebe
zum Eupener Land war in ihm wach geblieben. Eifriges Quellenstu-
dium und intensives Sammeln geschichtlicher Unterlagen führten
schließlich zur Veröffentlichung des obengenannten Werkes. Wirtz
konnte sich dabei auf manches inzwischen verloren gegangene
Dokument beziehen und so kommt seiner Arbeit heute ein besonde-
rer Stellenwert zu.
Nach einer kurzen allgemeinen Übersicht über die Geschichte
des Herzogtums Limburg wendet der Verfasser sich speziell Raeren
und Neudorf zu und geht auf Lage, Namen, Flurbezeichnungen,
Straßen, Klima und Bodenerzeugnisse ein.
Die geschichtlichen Daten für die beiden Orte, eingebettet in
den größeren geschichtlichen Zusammenhang, zeigen, welche krie-
gerischen Ereignisse im 17. Jh. das Eupener Land heimgesucht
haben. Sodann behandelt Wirtz” Gewerbe und Handel um 1700 in
Raeren und Neudorf”, die Ereignisse während des spanischen Erbe-
folgekrieges und die langen Friedensjahre bis zur französischen
Revolution.
In besonderen Kapiteln werden Verwaltung und Gericht der
Bank Walhorn sowie Lehnswesen und Besitzverhältnisse abgehan-
delt.
Die französische Zeit leitet dann über zu den langen Jahrzehn-
ten friedlicher Entwicklung in preußischer und deutscher Zeit,
womit der Autor seine Untersuchungen abschließt.
Im Anhang finden wir eine Münz- und Maßtabelle, einen
Belehnungsbrief über Hof Belven, eine Aufstellung der Kapitalbe-
lastungen der Gemeinden Raeren und Neudorf um 1650 und 1750
und eine Liste der Drossarde und Schöffen der Bank Walhorn.
103
Dr. Heinrich Neu, bekannt als Mitherausgeber der Kunstdenk-
mäler von Eupen-Malmedy und als nachmaliger Ehrenpräsident des
Geschichtsvereins ”Zwischen Venn und Schneiffel”, schrieb kurz
nach dem Erscheinen dieses Buches : ”Es ist ein Buch, das jedem
Sohne des Eupener Landes etwas zu sagen hat, ein Heimatwerk,
dem man nicht nur in der näheren Heimat des Verfassers, sondern
auch in dem schicksalverbundenem Malmedyer und St. Vither
Land eine weite Verbreitung wünschen kann.”
Auch wir wünschen, daß die nun vorliegende Neuauflage die-
ses Werkes das wohlverdiente Echo in der Leserschaft finden möge.
”Eupener Land” ist erhältlich im Sekretariat der Göhltalverei-
nigung sowie in der Geschäftsstelle des Grenz-Echo, Eupen zum
Preise von 320 Fr. (Abholpreis).
II a al I ak ak ak ak ak aR al Ra al al aka aR RR RR al all OR EI I OR al OR ak aR ak RI RR OR ak ık-
Die Kunstdenkmäler der Rheinprovinz
Der neunte Ausgabe in der von Paul Clemen herausgegebenen
Reihe ”Die Kunstdenkmäler der Rheinprovinz” umfaßte ursprüng-
lich (im Erscheinungsjahr 1912) in der II. Abteilung ”Die Kunst-
denkmäler der Landkreise Aachen und Eupen”. Der Bearbeiter, Dr.
Heribert Reiners, hat später, 1935, den Kunstdenkmälern der in-
zwischen zu Belgien gekommenen Kreise Eupen und Malmedy
einen Sonderband gewidmet. Dabei hat er seinen Beitrag über den
Kreis Eupen von 1912 wesentlich überarbeiten und erweitern kön-
nen.
Aus diesem Grunde hat der Verlag Schwann in dem nun vor-
liegenden Nachdruck der Kunstdenkmäler des Landkreises Aachen
die Kunstdenkmäler des Kreises Eupen ausgeklammert und statt
dessen diejenigen der Kreise Aachen und Monschau (1927 erschie-
nen, bearbeitet von Karl Faymonville) in einem Ausgabe vereint. Der
Verlag hat jedoch die Absicht, ”im Zuge des Nachdrucks aller Cle-
men’schen Kunstdenkmälerbände auch den Ausgabe ”Die Kunstdenk-
mäler von Eupen-Malmedy” wieder aufzulegen.”
Die ”Kunstdenkmäler” sind allen Freunden der Geschichte und
der Kunst (im weitesten Sinne) wärmstens zu empfehlen. Die gedie-
gene Aufmachung (Leineneinband mit Schuber) verdient ein beson-
deres Lob. Hier noch kurz der Steckbrief :
”Kunstdenkmäler des Landkreises Aachen und des Kreises Mon-
schau”, (von Heribert Reiners und Karl Faymonville), Nachdruck
1981, Pädagogischer Verlag Schwann, Düsseldorf. Preis 128 DM.
104
Der sehr rührige Geschichtsverein ”Zwischen Venn und
Schneiffel”, der vor allem das deutschsprachige Gebiet südlich des
Venns abdeckt, ist in den letzten Jahren schon mehrfach durch auf-
sehenerregende Buchveröffentlichungen hervorgetreten. Den 850.
Jahrestag der Ersterwähnung von neun Pfarrdörfern des St. Vither
und Büllinger Landes hat nun ZVS-Ehrenpräsident Hubert Jenni-
ges zum Anlaß genommen, die Geschichte der Pfarren Aldringen
Bellevaux, Büllingen, Bütgenbach, Dürler, Neundorf/St Vith, Weis-
mes und Weiswampach in ihren großen Zügen nachzuzeichnen.
Ausgangspunkt sind zwei Urkunden aus den Jahren 1130 bzw.
1131 bezüglich der Kollationsrechte des Abtes von Stavelot-
Malmedy und der Unterhaltsleistungen verschiedener Kirchen. In,
dem einen oder anderen Zusammenhang werden dabei auch die
genannten neun Kirchorte erwähnt.
Einleitend gibt der Autor einen ”kirchengeschichtlichen Rück-
blick” auf das Land zwischen Venn und Schneiffel, stellt dann die
Urkunden von 1130-1131 in den geschichtlichen Kontext und
bringt abschließend für jeden der in diesen Urkunden zum ersten
Male erwähnten Kirchorte einen gedrängten pfarrgeschichtlichen
Abriß.
Neben dem historischen Wissen, das diese Publikation vermit-
telt, - es ist die erste dieser Art im Land zwischen Venn und Schneif-
fel - sind die reichhaltigen Literaturhinweise und die hervorragende
Bebilderung zu erwähnen; ebenfalls hervorheben muß man die
gediegene Druckarbeit der Grenz-Echo Druckerei.
Hubert Jenniges, ”’850”, Verlag des Geschichtsvereins ZVS, 1981,
213 S., 250 Fr, wird gewiß nicht nur jenseits des Venns viele interes-
sierte Leser finden.
OH I Oak OR a aa ala Ra al al RR ak RI a al RR I RR Ra ak aka aR al RR I Ik RIO RR OR OR OR
”Eilendorfer Flurdenkmäler”” stellt Hubert Beckers (Autor
unseres Artikels auf S. 5-26 dieser Zeitschrift) in einer sehr gefällig
aufgemachten, 83 Seiten starken Broschüre, vor. Seiner Arbeit stellt
er das Wort voran : ”Es ist eine Schande, in der Heimat zu leben und
die Heimat nicht zu ‘kennen.”
Kreuze, Denkmäler und Grenzsteine Eilendorfs sind hier zum
ersten Male systematisch in Wort und Bild erfaßt und dargestellt.
Diese reichhaltige Bebilderung und die Wiedergabe der Kreuzin-
schriften machen das Werk auch für Nicht-Eilendorfer interessant,
erlauben sie doch, sprachliche und stilistische Vergleiche zwischen
den Flurdenkmälern diesseits und jenseits der Grenze zu ziehen.
105
Erwähnt sei noch, daß die Arbeit kostenlos bei der Stadtspar-
kasse Aachen,.Zweigstelle Eilendorf, von-Coels-Straße oder Zweig-
stelle Karlstraße an Interessierte abgegeben wird. Sollte sie dort
schon vergriffen sein, so kann dieselbe auch beim Verfasser
(Rödgerbachstraße 9, 5100 Aachen) zum Preise von 6,80 DM plus
Versandkosten bestellt (oder abgeholt) werden.
106
°
Jahresbericht 1981
von Dr. Gisela De Ridder
1. Veranstaltungen
JANUAR:
Am 25.1.1981 fand die jährliche Generalversammlung unter Leitung des Präsiden-
ten, Herrn Peter Zimmer, im Park-Cafe, Kelmis statt. Zahlreiche Freunde aus Nah
und Fern, unter ihnen auch Kulturhauptinspektor Firmin Pauquet und Gattin, wur-
den aufs Herzlichste willkommen geheißen. Wieder wurde den Mitgliedern für ihre
Treue und rege Mitarbeit gedankt. Der Präsident dankte vor allem der Gemeinde
Kelmis und dem Kulturamt für die finanzielle Unterstützung. Die Vizepräsidentin, Frau
Dr. De Ridder, verlas den Jahresbericht für 1980. Der Kassierer, Herr Fritz Stein-
beck, legte einen ausführlichen Finanzbericht vor, der mit einem Bonus abschloß.
Durch Wiederwahl wurden folgende Verwaltungsratsmitglieder wieder in den Rat -
gewählt : Frau Dr. De Ridder, die Herren A. Bertha, F. Nyns, H. Heydasch, A. Jan-
sen, W. Palm, J. Radermacher und P. Zimmer. Neu in den Rat wurden Frau Schu-
macher aus Moresnet und Herr Lennertz aus Neu-Moresnet aufgenommen.
Kulturhauptinspektor Pauquet verwies auf die Feierlichkeiten zum 150-jährigen
Bestehen der belgischen Dynastie und damit wurde eine Fahrt nach Coburg be-
schlossen.
Der Historiker Dr. A. Minke aus Eupen beeindruckte anschließend die Zuhörer-
schaft mit einem Thema, das nur wenigen geläufig war: ”Die Neuordnung der
kirchlichen Verhältnisse im Göhltal nach dem Konkordat von 1801”. Da das Göhl-
tal nie eine verwaltungsmäßige oder kirchliche Einheit gebildet hatte, behandelte er
die Gemeinden bzw. die Pfarreien des Göhltals und deren Nächbarpfarreien, die zu
einem gemeinsamen Verwaltungs- und Kirchenbezirk zusammengeschlossen waren,
und beschränkte sich auf die Pfarreien, die zum Kanton Eupen gehörten. Mit seinen
Ausführungen erntete Dr. Minke, dem es gelungen war, die Atmosphäre einer
bewegten Zeit unserer Gegend (Ende 18., beginnendes 19. Jahrhundert) wiederzuge-
ben, viel Beifall.
FEBRUAR:
Am 20.2. lud die Vereinigung im Park-Cafe, Kelmis, zu einem interessanten Vortrag
ein. Der Kunsterzieher Ulrich Noppeney aus Aachen begeisterte mit seinem Lichtbil-
dervortrag über die Wohnkultur des Aachener Raumes einen sehr interessierten
Zuhörerkreis. Er zeigte das Aachener Wohnhaus in seiner Gestalt und in seiner Ent-
wicklung, unter besonderer Berücksichtigung des 17. bis frühen 19. Jahrhunderts.
Mit seinen 200 Lichtbildern stellte er eindrucksvoll Aachens Stadtbaugeschichte dar.
MÄRZ:
28.3. : Zu einem Lichtbildervortrag über die Wienreise 1980 lud die Vereinigung in
den Saal Kockartz in Hauset ein. Nicht nur die Teilnehmer der Wienreise, sondern
auch zahlreiche Interessierte konnte die Vizepräsidentin Frau Dr. De Ridder aufs
Herzlichste begrüßen. Noch einmal wurden alle Stationen der Wienreise durch sehr
gelungene Lichtbilder, die Herr Herbert Emondtspohl aus Raeren auf der Fahrt fest-
gehalten hatte, gezeigt. Während 3 Stunden wurde die Reise nach Österreich durch
Frau Dr. De Ridder wieder lebendig.
APRIL :
25.4. : In Zusammenarbeit mit der Göhltalvereinigung veranstaltete die Deutsche
Gesellschaft für Früh- und Vorgeschichte im Park-Cafe, Kelmis, eine Regionalta-
gung, zu der sehr viele Teilnehmer erschienen waren. Herr Tripp aus Düsseldorf, als
Sprecher der Gesellschaft für Früh- und Vorgeschichte, dankte der Vereinigung für
diese Initiative. Kulturhauptinspektor F. Pauquet, Präsident Peter Zimmer und - im
Namen der Gemeinde Kelmis - Schöffe Leonhard Hamel tauschten Grußworte aus.
107
In den anschließenden Referaten mit Lichtbildern berichtete Dr. Siegfried Lehmann
aus Gießen über ”Die wilden Leute aus den Bergwäldern”. Von dem niederländi-
schen Geologen, Herrn Felder, folgte der Vortrag ”S000 Jahre Bergbau in
holländisch- und belgisch, Limburg”. Nach einem gemeinsamen Mittagessen begab
man sich zum niederländischen Rijkholt und konnte ein prähistorisches Feuerstein-
bergwerk besichtigen.
Die nächste gemeinsame Tagung wurde für den Herbst im Neandertal geplant. Die
Organisation dieser Tagung lag in den Händen von Frau Dr. De Ridder.
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Tagung der Westdt. Gesellschaft für Vor- und Frühgeschichte :
Ausflug nach Rijkholt (Maastricht)
Foto A. Jansen
MAI:
Am 10. Mai leitete Herr Alfred Jansen eine Exkursion, die unter dem Thema "Eine
Höhlenfahrt nach Han s/Lesse” 54 Teilnehmer begeisterte. Was die Natur dort im
Laufe von Jahrmillionen an ”Kunstwerken” geschaffen hat, löste viel Staunen aus.
Auch das anschließend besichtigte Tele-Kommunikationszentrum der belgischen
Post in Lessive wurde sehr interessiert aufgenommen.
JUNI:
14.6. : Schon lange war es der Göhltalvereinigung ein Herzenswunsch gewesen, "von
Altenberg nach Altenberg” ins Bergische Land zu fahren. Unter der Leitung von
Frau Dr. De Ridder und Herrn Walter Meven ging die Fahrt nach Hückeswagen.
Dort wurde die Gruppe vom stellvertretenden Bürgermeister, Herrn Hoffmann und
Herrn Dr. Dieter Corell, Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Vor- und
Frühgeschichte, empfangen. Herr Dr. Corell führte die Gruppe durch das Museum
und durch den Stadtkern Hückeswagen. In Lennep, der Vaterstadt Wilhelm von
108
Roentgens, wurden die Teilnehmer von Studiendirektor Franke, Mitglied der Deut-
schen Gesellschaft für Früh- und Vorgeschichte, willkommen geheißen. Unter seiner
Führung wurde die Geschichte der Stadt sehr lebendig geschildert. Die Besichtigung
des Altenberger Domes war die letzte Etappe dieser ausgefüllten und eindrucksvollen
Studienfahrt.
28.6. : Unter der Leitung von Ernst Gilles organisierte die Vereinigung eine Ganz-
tagsexkursion in das Hohe Venn. Herr Gilles aus Raeren verstand es einzigartig,
diese einmalige Moorlandschaft Europas den Teilnehmern unvergeßlich nahezu-
bringen.
August :
In der Zeit vom 10. bis 15.8. organisierte die Vereinigung unter der Leitung von
Frau Dr. De Ridder und Herrn‘ Walter Meven eine Studienreise in das Coburger
Land unter dem Motto ”150 Jahre belgische Dynastie”. 47 Teilnehmer erlebten
Coburg, das Coburger Land, Bayreuth, Bamberg und Würzburg kulturhistorisch,
landschaftlich und kulinarisch. Der Empfang im Coburger Rathaus durch die Bür- >
germeisterin Seyrath war ein Erlebnis. Auf der Hinfahrt wurde unter Leitung von
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Der Besuch von Vierzehnheiligen war einer der vielen Höhepunkte der .
3 Coburg-Reise.
Foto A. Jansen
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Die Teilnehmer der Reise nach Coburg
Foto A. Jansen
Herrn Dr. Lehmann dem ”Wilden Frauengestühl”, einer prähistorischen Stätte im
Wetteraukreis bei Dauernheim, ein Besuch angestattet. Die gute Unterbringung in
den Hotels in Coburg und Bamberg, die freundliche Bewirtung, die fränkische Küche
und die alten deutschen Kulturstätten, komprimiert erlebt, trugen dazu bei, daß diese
ausgefüllte Studienfahrt für alle Teilnehmer als eine unvergeßliche Reise in Erinne-
rung bleiben wird.
September :
Unter der Leitung von Frau Dr. De Ridder führte die am 6.9. organisierte Studien-
fahrt die Teilnehmer durch das Göhltal bis zur Mündung der Göhl. Die Fahrt, die
über Holset in den Valkenburger Raum führte, gab der Gruppe Gelegenheit, das hol-
ländische Göhltal kennenzulernen. Der Besuch des heimatkundlichen Gartens an
der Wassermühle Schaloens lieferte einen Beweis dafür, was von holländischer Seite
zum Schutze der Natur unternommen worden ist. In den Gemeindegrotten Valken-
burgs wurden die Teilnehmer im Namen der Gemeinde Valkenburg durch Archivar
Mülleners empfangen. Über den Reichtum an Kunstschätzen in unmittelbarer Nähe
waren die wenigsten der Teilnehmer vor der Fahrt im Bilde. Zum ersten Mal war die
Göhltalvereinigung mit einer Gruppe an der Mündung der Göhl in die Maas bei Vol-
wames.
19.9. : In bewährter Weise leitete Präsident Peter Zimmer seine 22. Grubenfahrt
nach Waterschei und brachte 58 Teilnehmer die Welt der Bergleute nahe. Auf der
Sohle in 1040 Meter Tiefe wurden die Bergleute des Göhltals durch Bergsteiger über
viel Wissenswertes im Bergwerksaufbau und den Einrichtungen informiert. Der
Bergmannsberuf wurde nach der Fahrt unter Tage in einem ganz anderen Licht
gesehen.
110
20.9. : Auf vielfachen Wunsch organisierte die Vereinigung unter der Leitung von
Herrn H., Lennertz eine Studienfahrt nach Brüssel zu der Ausstellung ”Wir, König
der Belgier, 150 Jahre belgische Dynastie”. Der königliche Palast, höchst selten
zugängig, war Schauplatz einer hervorragend dargestellten Ausstellung. Mit einem
Bummel durch das Zentrum endete ein sehr interessanter Nachmittag.
Oktober :
Am 3. Oktober lud die Deutsche Gesellschaft für Früh- und Vorgeschichte die Verei-
nigung ins Neandertal bei Düsseldorf ein. Der prähistorische Mensch wurde mit dem
Besuch des Museums im Neandertal vorgestellt. Herr Tripp und Herr Dr. Dieter
Corell führten durch dieses Tal und an historische Stätten im Düsseldorfer Raum.
Bei der anschließenden Tagung im Löbbecke-Museum hielt Herr Anton Tripp einen
Lichtbildervortrag über die Ergebnisse der Neandertalforschung in den vergangenen
125 Jahren. Der Historiker Roger Bricteux, Studienrat an der Kelmiser Mittelschule,
gab eine historische Zusammenfassung über den belgischen ”Neandertaler”. Der
Besuch an der Fundstätte dieses prähistorischen Menschen gab der Vereinigung E
Anlaß, ein Blumengebinde mit den belgischen Farben niederzulegen. Die Organisa-
tion der Tagung oblag Frau Dr. De Ridder.
Am 25. Oktober veranstaltete die Vereinigung ihre letzte Studienexkursion mit 55
Teilnehmern : unter der Leitung von Kunsterzieher Ulrich Noppeney begab man
sich nach Brabant. Auf dieser großen Rundfahrt wurden die Orte Wezeren im Has-
pengau, Gingelom, Tienen, Neerhespen, Hoegarden und Zoutleeuw besucht. Die
Grundlinien des Kirchenbaus, die Entwicklung des christlichen Altars und die
schwierigen kostspieligen Restaurierungen wurden durch Herrn Noppeney allen
Teilnehmern anschaulich vermittelt. Herr Walter Meven aus Hergenrath referierte
über die Christianisierung und die frühe Kirchengeschichte Belgiens. Herzliche
Worte des Dankes wurden Herrn Noppeney zuteil.
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Die St. Amandus-Kirche in Wezeren mit romanischem Chor und
merowingischem Altar
12
4. Veröffentlichungen 1981 :
Das Heft "Im Göhltal” Nr. 28 erschien im Mai, Heft Nr. 29 im Oktober. Die Gestal-
tung der Hefte lag in den Händen von Lektor Alfred Bertha. Am 10. Oktober wurde
im Schloß zu Raeren mit Unterstützung der Gemeinde Raeren der Nachdruck des
historisch wertvollen Buches "Das Eupener Land” von Dr. Hermann Wirtz der
Öffentlichkeit vorgestellt. Die Witwe des Autors, Frau Wirtz-Schauff, kam als 80-
jährige eigens mit dem Wagen aus Berlin, um an dieser sympathischen Feier, die mit
einer Führung durch das neugestaltete Raerener Töpfermuseum verbunden war,
teilzunehmen.
5. Pressemitteilungen 1981 :
Alle Veranstaltungen der Vereinigung : 8 Exkursionen, 4 Lichtbildervorträge, 1 ein-
wöchige Studienreise und eine Studientagung, wurden in der hiesigen Presse ange-
kündigt und anschließend besprochen.
6. Mitgliederzahl
Die Mitgliederzahl (am 31.12.1981) ist auf 717 geklettert. Damit sind im Jahre 1981 ;
92 Mitglieder in die Göhltalvereinigung neu eingetreten.
7. Die Verwaltungsratssitzungen
In der Verwaltungsratssitzung vom 18.2.81 ging es um die Organisation der Studien-
reise nach Coburg.
Am 18.5.81 war zu vernehmen, daß die Töchter des Autors und heimatkundlichen
Schriftstellers Jeuckens, Frau Hamacher und Frau Hedel Coninx, die Erlaubnis zum
Nachdruck des Buches ”Eupener Land im Wandel der Zeiten” gegeben haben. Als
diskriminierend empfindet die Vereinigung das Einstellen der geschichtlichen Sen-
dungen im BRF, die unter dem Titel "geschichtliche Funkbilder”liefen. Verschie-
dene Schritte sind vorgesehen, damit eine Rechtfertigung stattfindet. Die Begrün-
dung, man werde Sendungen in Mundart des Eupener und des St. Vither Raumes
bringen, reicht nicht, weil Kelmis ausgeschlossen ist.
Außerdem war zu erfahren, daß die Westdeutschen Kalkwerke einen Beschwerde-
brief an die Gemeinde Kelmis gerichtet haben, in dem sie sich beklagten, nicht mehı
Herr im eigenen Haus zu sein. Gemeint sind die Galmeihalden, die immer wieder
von geologisch Interessierten aufgesucht werden.
Am 3.8.81 wurden ausführlich die letzten Fragen zur Gestaltung der Coburger Reise
besprochen.
Am 14.10. beschließt der Rat eine geeignete Geschäftsstelle für das Sekretariat zu
suchen. Herr Zimmer legt mit dem zu Ende gehenden Mandat sein Amt nieder! Aus
beruflichen Gründen legt die Vizepräsidentin Frau Dr. De Ridder ebenfalls ihr Amt
nieder und scheidet aus dem Verwaltungsrat aus. Herr Lennertz und Herr Nyns kan-
didieren für den Vorsitz.
Am 7.12. verliest der Präsident, Herr Peter Zimmer, ein Schreiben, in dem Frau
Trouet mitteilt, daß sie das Amt des 2. Schriftführers niederlegt. Beschlossen wird
der Umzug des Sekretariats in die Lütticher Str. 36 auf Tülje. Dem Kassierer, Herrn
Steinbeck, erscheint die Miete als tragbar.
Das endgültige Programm für das 1. Halbjahr 1982 wird festgelegt. Nach 13-jähriger
Tätigkeit scheidet nunmehr der Präsident, Herr Peter Zimmer aus. Die anwesenden
Ratsmitglieder wählen in geheimer Wahl zum Präsidenten : Herrn H. Lennertz, zum
1. Vizepräsidenten Herrn F. Nyns, zum 2. Vizepräsidenten Herrn A. Bertha.