Im Söhltal
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Vorsitzender : Leo Wintgens, Moresnet-Kapelle, Aachener Straße 12 CA
Sekretärin : Frl. Georgette Xhonneux, Neu-Moresnet, Lütticher Straße, 168 |
Tel. 59.467 1
Lektor : Alfred Bertha, Hergenrath, Bahnhofstraße 20 b S
Schriftleiter : Fr. Darcis, Pfarrer i. R., Moresnet-Kapelle, Kloster.
Kassierer : Fritz Steinbeck, Kelmis, Lütticher Straße, 39 |
Bankkonto 251.251 der Societ& Generale de Banque, Verviers (P.S.K. 695) |
Die Beiträge verpflichten nur ihre Verfasser. |
Alle Rechte vorbehalten. |
Entwurf des Titelblattes : Frau Pauquet - Dorr, Kelmis. |
Diese Skizze zeigt den Moresneter Göhlviadukt sowie die Hergenrather |
Hammerbrücke in ihrer ursprünglichen Form,
Druck : J. Aldenhoff - Gemmenich.
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81
Im Göhltal
* ZEITSCHRIFT der
VEREINIGUNG
für
Kultur, Heimatkunde und Geschichte
im Göhltal
No 3
APRIL 1968
Inhaltsverzeichnis, |
Leo Wintgens, Moresnet Rück- und Vorschau 3
Dipl.-Ing. H. Königs, Zur Geschichte der Herren von
Aachen Reimersdal 4 4
4
J. Bonny, Kelmis Zum goldenen Priesterjubiläum des
H.H. Pastors i. R. F. Darcis 12
Hermann Heutz, Hauset Wie Brauereifahrer Josef sich an |
Hochwürden rächt 21 |
Gerard Tatas, Gemmenich (Cesar Franck en der Balketräner ZZ |
(Gedicht) ||
H. Jenniges, Brüssel Die Vogteirechte des Aachener
Marienstiftes im Tal der Göhl 23
Peter Zimmer, Kelmis Rotschläg 24
(Gedicht)
Viktor Gielen, Raeren Der Königshof Walhorn wird Eigen-
tum des Aachener Marienstifts 25
Siegfried Janssen, Hauset Das Dorfkapellchen 30
(Gedicht)
Frau J. Pauquet-Dorr, Geschichten um Oma Marjännchen 31
Kelmis
J. Meerman, Kerkrade-West Eine Hypothese über die Herkunft
des Namens ”Göhl” 34
Firmin Pauquet, Kelmis Historische Betrachtung 36
J. Olbertz. Kelmis Die Rochuskapelle im Göhltal 38 |
J. Demonthy, Neu-Moresnet Unser Foto-Quiz 42
Peter Emonts-pohl, Josef Ponten, ein großer Sohn
Iserlohn (Raeren) Raerens 44
Leo Wintgens, Moresnet Wohin ...? 46
(Gedicht)
Statuten der Vereinigung 47
3
| Rück- und Vorschau.
|
| Zu Beginn des zweiten Erscheinungsjahres unserer Zeitschrift
möchten wir all denen danken, die es uns ermöglicht haben, in kür-
| zester Zeit eine Vereinigung aufzubauen und eine Vereinsschrift zu
| verlegen, die überall reges Interesse finden, Nur mit der aktiven Un-
terstützung der Allgemeinheit konnte dies verwirklicht werden. Ob
jeder einzelne kulturell Interessierte unserer Gegend das seinige dazu
getan hat, sei seiner ”Gewissenserforschung” überlassen ...
Doch die Zukunft wartet, Manches gilt es besser zu machen, aus-
zufeilen, zu vertiefen. Unsere Mitgliederzahl (nun annähernd 300) steigt,
unser Leserkreis wächst, aber es mangelt noch immer an aktiven Mit-
arbeitern, um das reichhaltige Material und die organisatorische Arbeit
zu bewältigen !
In vorliegender Nummer bieten wir allen Geschichtsfreunden
wiederum eine Reihe interessanter Beiträge über das Göhltal und seine
nähere Umgebung. Einige Folgen von Abhandlungen der N° 2 werden
aus Terminschwierigkeiten in unserm nächsten Heft veröffentlicht. Da-
mit solche Berichte trotzdem eine Einheit bilden, werden wir im nächs-
ten Jahr allen Interessenten eine Sammelmappe anbieten.
Einleitend zu unseren im Anhang veröffentlichten Statuten möch-
ten wir zwei bekannten Geschichtsforschern und -pädagogen das Wort
geben. Sie sollen den (von manchen immer noch nicht klar erkann-
ten) Wert unserer heimatkundlichen Tätigkeit unter Beweis stellen.
Eine Abhandlung der ”Nouvelle Revue Pedagogique” (Januar
1966 S. 285) führt aus dem Werke ”La g6&ographie et l’histoire locales”
der beiden französischen Historiker J. Cressot und Inspektor A. Troux
folgende eindeutige Erklärungen an :
”Die Heimatkunde ist ein wahres Bildungsmittel. Die Gesetze
der weiten Welt erfassen wir einzig und allein durch den innigen Kon-
takt mit der Heimat ... aus dem direkten Studium des Fleckchens
| Erde, in das uns das Schicksal gepflanzt hat. Nun hier liegt durch
Zeit und Raum der Schlüssel zu allem wahren Wissen.”
Leo Wintgens
5
bärtiger Mann, auf dessen schwarzem Rock und spitzer Mütze das Dor-
nenkreuz wiederkehrt. Den Frauenschild belegen auf goldenem Grund
zwei schräg aufwärts gekreuzte rote Lilienzepter. Auf dem Spangen-
helm ein wachsender Mann mit rotem Gewand und spitzem roten Hut
mit Goldknopf. Eine reiche Säulenstellung, deren phantasievolle Basen
| und Laubkapitelle heitere Figurenszenen beleben, faßt die Wappen-
bilder in einen kräftig aufleuchtenden Rahmen. Über das mit breiten
| Wulsten gegürtete Säulenpaar spannt sich ein Segmentbogen, der in
naturalistischer Wiedergabe zwei Flußlandschaften zeigt. Im Wasser
watend und vom Boot her obliegen mehrere Männer dem Fischfang,
vor dem hellen Himmel stehen bewaldete Hügel und eine hinter be-
wehrtem Mauerring hoch aufragende Dorfkirche. Auf der zwischen
| den Säulenbasen den unteren Scheibenrand abgrenzenden goldenen
| Schwelle lesen wir in deutscher Schrift :
. ..
Simon von Reymerstal . 1554
Die nach der Herkunft der Scheiben angestellten Ermittlungen
blieben zunächst ohne Ergebnis. Der Leiter der Fürstlich Fürstenbergi-
schen Institute für Kunst und Wissenschaft in Donaueschingen, Dr.
Altgraf Salm, teilte auf Anfrage mit, daß sie nicht über das Jahr 1878
hinaus zu verfolgen seien. Damals befanden sich die Scheiben in Do-
naueschingen. Um die Mitte des 19. Jahrhunderts sei der gesamte Be-
stand an Kabinettscheiben, der heute den Heiligenberger Saal schmückt,
bei Antiquaren in ganz Deutschland und in der Schweiz zusammenge-
kauft worden. Aufzeichnungen über diese Erwerbungen seien leider
nicht vorhanden *).
Ohne Zweifel gehört der auf der Heiligenberger Scheibe genannte
Simon von Reymerstal dem im 13. und 14. Jahrhundert im Dorfe Rei-
mersdal * bei Aubel nachweisbaren limburgischen Adelsgeschlecht an,
das - wie verschiedene Familien des Limburgischen und Aachener
Landes ?) der Sippe der das Dornenkreuz im Schilde führenden Schaf-
drieschen enstammt *). Bereits im Jahre 1253 wird ein Ritter Simon
von Reimersdal als erstes nachweisbares Familienmitglied erwähnt *).
Von seinen fünf Söhnen wird der gleichnamige jüngere Simon 1276 als
Knappe, in den Jahren 1291 und 1292 jedoch als Ritter angeführt.
| Als Vogt von Reimersdal gerät der jüngere Simon später mit
dem Aachener Marienstift in Streit über die beiderseitigen Rechte und
fügt den dortigen Besitzungen des Stiftes fortgesetzt Schaden zu. Ein
Schiedsspruch vom 22. März 1307 beendet den Zwist °).
Im Jahre 1330 wird als Truchseß des Limburger Herzogs ein
Ritter Alard von Reimersdal genannt. Unter Führung des Arnold von
Bolland nimmt er mit acht weiteren gepanzerten Rittern an einem Zuge
teil, zu dem der Graf von Hennegau zur Unterstützung des Deutschen
Ordens gegen den König von Polen aufruft. Es kommt jedoch zu einem
Vergleich, nach siebzig Tagen ist das Unternehmen beendet ®).
* Die heutige Schreibweise dieser Ortschaft des Voergebietes ist ”Remersdaal”.
6
1369 treten Alard und sein Bruder Scheiffart mit zahlreichen weiteren
limburgischen Edelleuten dem Landfrieden zwischen Maas und Rhein
bei ’). Trotz dem feierlich besiegelten Vertrag entwickeln sich ernste
Streitigkeiten zwischen Brabant und Jülich, die Herzog Wilhelm von
Jülich am 22. August 1371 in der Schlacht bei Baesweiler zu seinen
Gunsten entscheidet. Herzog Wenzel von Brabant gerät mit zahlreichen
Rittern, darunter Scheiffart von Reimersdal, in Gefangenschaft. Erst
zwei Jahre später kommt Scheiffart gegen Lösegeld frei. Im Jahre 1379
besiegelt er eine Schenkung an das benachbarte Kloster Sinnich ®). Im
Totenbuch dieses von der Abtei Klosterrath um 1243 gegründeten
Augustinerinnenpriorats finden wir ohne Jahresangabe die Gedenktage
der Kanonikessen Aleyde, Katharina und Maria von Reimersdal ; im |
ältesten Burtscheider Totenbuch wird eine Maria de Reymersdale ge- |
nannt °).
Laut Macco wird Scheiffart noch im Jahre 1390 erwähnt !). Mit
seinem Bruder Alard erwarb er die Vogtei von Vogt Simon !!). Alards
Tochter Katharina heiratet Johann von Tzevel aus der auch in Aachen
seßhaften Familie von Zevel, deren Ursprung wohl auf die Burgher-
ren von Daun zurückgeht 2),
Am 27. Oktober 1366 urkundet ein Gillis Hoyt van Reymersdail
neben anderen limburgischen Adeligen als Bürge beim Verkauf des
Hofes zu Venwegen an Abt und Konvent von Kornelimünster 13),
Gegen Ende des 14. Jahrhunderts verliert sich das Geschlecht
Reimersdal im Mannesstamm. Zwar finden wir in der Folge noch mehr-
fach Träger des Namens, so im Jahre 1560 Lexis von Remersdal, der
nach dem Tode des Vaiss Konen von der Mannkammer des Aachener
Marienstiftes mit dessen Gut bei Gülpen belehnt wird. Auch im Jahre
1565 ist in den Mannkammerregistern vom Landbesitz der Erben von
Reymersdal über dem Kaerweg zu Gülpen oben neben der gemeinen
Heide die Rede *), !
In Aachen und in Alsdorf sind heute einige bürgerliche Familien
van ‚Reimersdahl ansässig. Ein Zusammenhang mit dem alten Adels-
geschlecht ist nicht nachzuweisen.
Den Wohnsitz der Herren von Reimersdal dürfen wir in der süd-
lich der Pfarrkirche gelegenen stattlichen Hofanlage suchen, die den |
bezeichnenden Namen ”et Hus” führt. In der nach dem Tode des Lim- |
burger Herzogs Walram IV. im Jahre 1280 zwischen Brabant und dem
mit dem Kölner Erzbischof verbündeten Geldern um die Erbfolge aus- |
gebrochenen blutigen Fehde verbrannte Herzog Johann von Brabant
die ”werhuse te Sineke ende te Rimersdale, ten Woude ende te Wil-
gen” 8),
In der Folge wiederaufgebaut, kommt Haus Reimersdal als Val-
kenburger Lehen mit der gleichnamigen Herrschaft zu Anfang des 16.
Jahrhunderts durch Erbfolge über die Familie von Gülpen an Michael ;
von Eynatten, den Besitzer des benachbarten Schlosses Obsinnich. Ende |
1727. verkauft Graf Friedrich von Eynatten zu Reimersdal seine dortigen |
8
Liegenschaften an Freifrau Maria Anna Luise Therese von Hochstaden,
die Freiherrn Franz Dietrich von Fürstenberg ehelicht.
Aus dieser ursprünglich westfälischen, später auch im Rheinland
ansässigen Familie nimmt Freiherr Klemens von Fürstenberg - Stamm-
heim (1846-1926) auf dem lange leerliegenden Schloß Obsinnig seit
1867 seinen ständigen Aufenthalt. Seitdem diente das Schloß bis vor
wenigen Jahren dem 1886 in Belgien naturalisierten Zweig der Familie
als Wohnsitz !6), Hingegen blieb der im Jahre 1771 im Kataster noch
mit Wallgräben und vier Weihern ausgewiesene benachbarte Herren-
sitz Reimersdal weiterhin unbewohnt und wurde mutmaßlich zu Beginn
des 19. Jahrhunderts eingerissen !7). Über sein Aussehen ist nichts
überliefert. Wir wissen nur von einer Zugbrücke, die aus dem vorge- 1
lagerten Wirtschaftshof über den Wassergraben in das an seiner heute
offenen Flanke gelegene Herrenhaus führte !’*), Mit dem langgestreck-
ten Pächterhaus des 17. Jahrhunderts, den anschließenden Stallungen
und der breiten Scheune aus dem 19. Jahrhundert bietet ”et Hus” noch
heute einen stattlichen Anblick. Seine zur Feldseite abweisend ge-
schlossenen Mauern zeugen durch etliche Schießscharten in der Zu-
fahrt und durch einen das hohe Einfahrtstor an der Straße sichernden
niedrigen Flankierungsturm von der einstmals wehrhaften Anlage, Auch
ein die abwinkelnde Gartenmauer an der Nordflanke abschließender
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”Et Hus”, der chemalige Herrensitz der Familie von Reimersdal. Blick von
Nordwesten auf Einfahrtstor und flankierenden Turmstumpf.
Foto Hans Königs
1
9
| Pavillon und der im rückwärtigen Talgrund aufleuchtende Wasserspie-
| gel des letzten der in früheren Zeiten ”et Hus” schützenden fünf Wei-
her geben Kunde, daß hier lange Generationen hindurch der Wohn-
| sitz des Reimersdaler Herrengeschlechtes stand.
Mit der Kabinettscheibe von Schloß Heiligenberg ist die Familie
von Reimersdal über das Ende des 14. Jahrhunderts hinaus bis über
die Mitte des 16. Jahrhunderts nachgewiesen. Bleiben zunächst der
Wohnsitz des Wappenträgers und die Herkunft der Scheibe ungewiß,
so mag in der hochdeutschen Schreibweise -tal ein Hinweis darauf
liegen, daß sie nicht im niederrheinischen Raum zwischen Maas und
Rhein entstanden ist, daß man ihren Künstler eher im oberdeutschen
| Bereich suchen dürfte 18),
[ Der Frauenschild wird der Kraichgauer Adelsfamilie von Ven-
ningen zugeschrieben !°). Diese heute noch in Österreich blühende Fa-
milie zählt zu den ältesten. stiftsfähigen Geschlechtern des deutschen
Reichsadels und gehörte zu dem rheinischen und schwäbischen Kreis
N der unmittelbaren Reichsritterschaft ?).
Die Stammburg Venningen im rheinpfälzischen Kreis Landau geht
wie die Familie in den Anfang des 12. Jahrhunderts zurück 2),
Leider brachten die über das Ehepaar Reymerstal - Venningen
in mehreren west- und südwestdeutschen genealogischen Zeitschriften
aufgegebenen Suchanzeigen keinen Erfolg. Trotzdem ist der unerwar-
tete Wappenfund auf Schloß Heiligenberg für unsere Kenntnis um das
limburgische Geschlecht der Herren von Reimersdal von Wert.
ANMERKUNGEN :
1) Freundliche Mitteilung von Dr. Altgraf SALM vom 10. 1. 1963.
2) Freiin Luise von Coels von der Brügghen, Der Beitritt der Ritter-
schaft des Herzogtums Limburg zum Landfrieden zwischen Maas und Rhein
1369, Zeitschrift des Aachener Geschichtsvereins Bd. 62, S. 77 ff. Mit Recht
weist Freiin von Coels auf das häufige Vorkommen der gleichen Herolds-
figuren in verschiedenen Schilden hin, die teils völlige Übereinstimmung zei-
gen, teils nur durch Beizeichen unterschieden sind.” So finden wir unter den
46 Siegeln das Dornenkreuz achtzehn, den von Amseln begleiteten Schräg-
balken elfmal vertreten. Die Gründe für diese Wappenverwandschaft sind
heute nicht mehr feststellbar. Das im Limburgerland so verbreitete Dornen-
| kreuz kann auf einen Heerbann zurückzuführen sein, der unter diesem Zeichen
| ins Feld zog, während das minder einfache Wappen mit dem von Amse!n
begleiteten Schrägbalken, das von keinem der Dynasten des dortigen Landes
| geführt wird, eine Stammesgemeinschaft seiner Träger vermuten läßt.”
3) Nach der Überlieferung liegt der Stammsitz der Schafdrieschen südlich von
Heinrichskapell. Zu Anfang des vorigen Jahrhunderts waren neben dem
Hof Zelderdriesch die Ruinen des Burgsitzes noch sichtbar (Henri Del Vaux,
Dictionnaire ge&ographique de la province de Li&ge, 1. Teil, Lüttich 1841,
S 200.) Über die Familie Schafdriesch s. auch H. Mosmans, De Heeren van
Wittem, Venlo 1923, S. 17 ff. und Eberhard Quadflieg, Die Reichsherrschaft
Wittem (Monatsschrift ”Die Heimat”, Heft März 1941, S, 81 f.).
10
4) Simon de Reynberzdale (Simon P. Ernst, Histoire du Limbourg, Bd. VI,
Lüttich 1847, S. 248). Über die Nachkommen des Simon von Reimersdal
und seiner Ehefrau Mabilia s. Eberh. Quadflieg, Die Anfänge von Strevers-
dorf, ZAGV 69, S. 59 ff,
5) Wilh. Mummenhoff, Regesten der Reichsstadt Aachen, II, Köln 1937, 27 f.,
Nr. 57.
6) Guill. Grondal, Notices historiques sur Remersdael, Verviers 1955, S. 15,
7) v. Coels, a.a.0. 81. |
8) DD. Brouwers, Histoire du Chapitre Noble de Sinnich, Bulletin de la So-
ciet& vervietoise d’Archelogie et d’Histoire, Bd. V, Verviers 1904, S. 145.
9) Brouwers, a.a.0. 196. - F.X. Bosbach, Das älteste Burtscheider Nekrolo- ;
„. gium, ZAGV 20, S. 159.
10) H.F.Macco, Aachener Wappen und Genealogien, II. Aachen 1908, S. 91.
Dort wird auch ein Johannes de Reymersdale angeführt, der 1355 ein Haus
in der Wolfsstraße zu Maastricht besaß. Weitere Angaben bei J.J. Habets,
De Leenen van Valkenburg (Publications de la Societ& hist. et arch. dans le
duche de Limbourg, Bd. XXII, S. 240 ff.
11) Grondal, a.a.0, 17.
12) Macco, a.a.0. 250.
13) Chr. Quix, Beiträge zu einer historisch-topographischen Beschreibung des
Kreises Eupen, Aachen 1837, Anhang S. 12 (Frdl. Hinweis von Archivdirek- |
tor Dr. Meuthen - Aachen). Das Siegel des Gillis Hoyt hängt dem Perga-
ment nicht an, an der für Gillis vorgesehenen Stelle siegelt nochmals sein
Mitbürge Gerhard von Walhorn (Hauptstaatsarchiv Düsseldorf, Urkunde
Kornelimünster II, Nr. 27 - C 19).
14) L. v. Coels, Die Lehensregister der Propsteilichen Mannkammer des Aache-
ner Marienstiftes 1394 - 1794, Bonn 1952, S. 238, 243. a
15) J.F. Willems, Den Slag van Woeringen, Rymkronyk van Jan van Heelu,
Brüssel 1836, Vers 3302 f. - Sineke, das heutige Schloß Obsinnich, nord- ;
westlich von Reimersdal; Woude, wohl die Höhenburg Wodemont, früher ı
auch Waldenburg genannt, über dem linken Ufer der Berwinne bei Mortroux :
gelegen ; Wilgenru, der noch heute von doppelten Gräben umzogene Burg- }
hof Veltjaeren bei Homburg. ;
16) Guy Poswick, Les delices du duche de Limbourg, Verviers 1951, S. 257. -
Erwähnt sei noch Kardinal Maximilian de Fürstenberg, der Anfang 1968
von Papst Paul VI. in die Kurienverwaltung berufen wurde,
17) Grondal, a.a.0. 20, 52, 54 f. |
|
17a) Die im Kataster unter Sektion B eingetragene Parzelle Nummer 491, als
”terre” bezeichnet, deutet seinen Standort an; als letzter Rest des Burggra-
bens ist die anstoßende Parzelle Nr. 485 ausgewiesen. ]
18) In Köln sind derartige Wappenscheiben mit anderem dekorativen Beiwerk !
erst im 17. Jahrhundert aufgekommen ; im 16. Jahrhundert sind dort archi- :
tektonisch gerahmte Wappen mit Stifterinschriften nur im Zusammenhang
mit monumentaler Verglasung möglich. Im vorliegenden Fall sprechen die
ländlichen Szenen im Beiwerk gegen eine solche Herkunft, die Übereinstim-
mung im allgemeinen Aufbau und wohl auch in den Maßen hingegen für |
„die Schweiz. (Freundliche Mitteilung von Dr. Dieter Rentsch, Godesberg, |
u
vom 23, 11. 1964). Aufbau und Darstellung weiterer Heiligenberger Scheiben
weisen auf den gleichen Ursprung.
19) Verzeichnis der Heiligenberger Wappenscheiben in den Fürstenbergischen
Instituten für Kunst und Wissenschaft, Donaueschingen. Die Freiherren von
Venningen führen allerdings die gekreuzten Lilienzepter auf silbernem Grund.
| (Auch die Familie des bekannten Aachener Bürgermeisters Gerhard Chorus
(+1367) zeigt in Silber mit schwarzem Schildrand zwei geschrägte rote Li-
lienstäbe. Die gleichen Heroldszeichen finden sich 1413 im Schild des Aache-
ner Kanonikers Johann Bertelkin (Macco, a.a.O. Bd. 1, 34 u. Tafel 8).
20) Ernst Heinr. Kneschke, Neues allgemeines Deutsches Adels-Lexicon; Un-
veränderter Abdruck des im Verlag von Friedrich Voigt zu Leipzig 1859 -
1870 erschienenen Werkes, Bd. IX, Leipzig 1930, S. 371, ferner Genealogi-
sches Taschenbuch der freiherrlichen Häuser, Erster Jahrgang, Gotha 1848,
| S. 374 u. folg. Jahrgänge, so 1864, S. 897 £f., 1898, S. 1047 f. u. 1952, S. 493 f.-
| E. Heyck, Freiherrl. von Venningen’sches Archiv zu Eichtersheim (Zeitschrift
f.d. Geschichte d. Oberrheins, Neue Folge, Bd. XI, Karlsruhe 1896, m 68 bis
m 115), Joh. Gust Weiss, Gräflich von Helmstatt’schen Archiv zu Neckar-
bischofsheim (a.a.O. m 20 bis 31) und Ad. Schmidt, Pleickhards von Helm-
E statt Stammbäume süddeutscher Adelsgeschlechter (a.a.O., Bd. XXXI, Hei-
delberg 1916, S. 53 f., hier 64). - M. Hufschmid, Das Schlößchen in Hand-
schuhsheim und seine Besitzer (Mannheimer Geschichtsblätter 14, 1913, Sp.
149 ff.) - Nederlands Adelsboek, XLI, 1943/48, S. 35 f. - W. Zwiebelberg,
Beiträge z. Geschichte d. Freiherrn von Schmidburg (Mitt. d. Westd. Gesell-
schaft f. Familienkunde, Bd.XXII, 1965, S. 14).
Weitere Unterlagen über das Geschlecht Venningen beruhen im Staats-
archiv Speyer (dortiges Schreiben 520/63/1861 vom 15. 3 1963).
Für Hinweise zur Genealogie Venningen ist Verfasser den Herren Lan-
deskonservator Dr. Werner Bornheim gen. Schilling in Mainz, Dr. J. Belonje
in Alkmaar und Dipl.-Bibliothekar Hugo Schünemann in Siegburg-Hangelar
besonders verpflichtet.
21) Curt Tillmann, Lexikon deutscher Burgen und Schlösser, Ausgabe II, Stuttgart
1939, S- 1136;
22) Nördlich vom ”Hus” der hochgelegene Friedhof mit der ehemaligen Pfarr-
kirche, an der westlich vorbeiführenden Gasse der 1859 neugefaßte Dorf-
brunnen. Nach dem Katasterplan der Gemeinde Remersdael im Atlas cadas-
tral de Belgique, herausgegeben von P.C. Popp, ehemaligem Katasterkon-
trolleur.
Im allgemeinen entstanden die belgischen Katasterpläne um das Jahr
1833. Da Reimersdal erst im Jahre 1853 von Homburg abgetrennt und
4 selbständige Gemeinde wurde, mag der Popp’sche Katasterplan kurz nachher,
jedenfalls aber vor 1858 anzusetzen sein. In jenem Jahre erhielt der in
Brügge wohnhafte Ingenieur Popp aus Anlaß der Ausstellung zu Dijon eine
Medaille I. Klasse in Anerkennung seiner großen topographischen Karte
X von Ostflandern und für seinen Kataster-Atlas aller belgischen Städte und
Gemeinden,
Den Lageplan zeichnete Hildegard Dahmen. Herrn Inspektor Firmin
Pauquet sei für die Fertigung der Vorlage nach dem Original im Staatsar-
chiv Lüttich und für die vorstehenden Angaben nachdrücklich gedankt.
12
Zum goldenen Priesterjubiläum des
Hw. H. Pastors i. R. Frans Hubert Darcis
PEpIS
WE 5 0 A Sein Wirken in der Pfarre Kelmis
BO (1932 - 1937)
DES
SUR
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Am 1. April dieses Jahres jährte |
sich 50. Mal der Tag, an dem Hw. H. ) ]
F. Darcis — es war am Ostermontag Fo %
des letzten Kriegsjahres 1918 — die E * a
Priesterweihe empfing. Damit nahm er ZU U
die Sorge um das Heil und das Wohl 0 Se
seiner Mitmenschen auf sich. Und wir nn nn
glauben, eingangs feststellen zu können, m A zaN
daß dieser heilige Auftrag ihm immer % Y. 2x
Leitgedanke seines priesterlichen Wirkens A RN
war. OS ne ) 7
F. H. Darcis wurde geboren am 7. fe J
Oktober 1892 in Vroenhoven-Heukelom \ r
(Prov. Limburg). Er studierte während < 5
des ersten Weltkrieges im Seminar zu Lüt- }
tich und wurde schon im September 1917
zum Lehrer ernannt. Nach seiner Priesterweihe war er zehn Jahre
Lehrer, danach Kaplan und Pfarrer. Gleichzeitig wirkte er 8 Jahre
lang als Lehrer (davon 5 Jahre am Seminar von St-Truiden). Er übte
seine Priestertätigkeit in seiner Heimat, in der Wallonie und in der
deutschsprachigen Gegend aus. So wurde er im Jahre 1932 zum Ka- 8
plan von Kelmis und 1937 zum Pfarrer von Schönberg ernannt.
Als er im Jahre 1957 pensioniert wurde, zog er wieder in unsere
Gegend und nahm seinen Wohnsitz in Moresnet, von wo aus er auch
noch, nimmermüde, in vielen Pfarreien, sogar über die Grenzen hinaus,
Aushilfe leistete.
Im November 1963, im Alter von 71 Jahren, übernahm er noch
- bedingt durch Priestermangel - für zwei Jahre die Stelle eines Kaplans
in Valmeer. Nach dieser Tätigkeit übersiedelte er dann zum Kloster
der Franziskaner nach Moresnet - Eichschen, wo er heute noch kleine
Hilfsdienste leistet und sich auch noch seiner schriftstellerischen Tä-
tigkeit widmet, von welcher mehrere Bücher, Zeitschriften und Artikel
in niederländischer und deutscher Sprache Zeugnis geben.
So war ‚er auch ein eifriger und spontaner Mitgründer der ”Ver-
einigung für Kultur, Heimatkunde und Geschichte im Göhltal”. Dies
ist wohl jedem verständlich, der den Hw. Herrn F. Darcis in der Ver-
gangenheit gekannt und mit ihm zusammengcearbeitet hat. Denn was
|
13
er als Priester in der Pfarre Kelmis geleistet, aufgebaut und geschaffen
hat, ist geschichtlich und dokumentarisch bemerkenswert.
| Die großen Verdienste nochmals aufzuzeigen, welche er sich als
Kaplan von Kelmis erworben hat, soll der bescheidene Versuch sein,
dem greisen Jubilar an seinem Ehrentag Dank und Anerkennung zu
übermitteln und den geschichtlichen Wert seines Wirkens in einer
Gemeinde des Göhltals zu dokumentieren.
Nach unserm eigenen Erleben und nach Mitteilungen des greisen,
| aber noch vitalen und geistig aufgeschlossenen Herrn, wollen wir in
etwa versuchen, dieses gewaltige Werk des Herrn Kaplan Darcis vor
den Augen des Lesers erstehen zu lassen.
Es war für Kaplan Darcis, im Mai 1932, wahrscheinlich nicht
sehr angenehm, als er beim Eintreffen in seinem neuen Wirkungs-
bereich einer Gruppe Arbeiter begegnete, welche, rote Fahnen mit-
führend, in Sprechchören nach Arbeit und Brot schrieen. Wir glauben
aber, daß diese Begebenheit den neuen Kaplan die schwierige Lage
der Kelmiser Bevölkerung ahnen ließ, Nach kurzer Zeit seines Wirkens
in der Pfarre wurde es ihm in erschreckender Klarheit bewußt :Kelmis
und dessen Bevölkerung befanden sich in einer großen Notlage, über
die wir den Jubilar selbst berichten lassen wollen. ”Als ich mich
einige Zeit in meinem neuen Aufgabenbereich eingelebt hatte ” so
erzählte er uns, ”mußte ich feststellen, daß sich Kelmis in einer chao-
tischen Situation befand.”
Kelmis, vormals Neutral-Moresnet, war nach der Angliederung an
Belgien, nach dem Kriege 1914-18, in Versailles sehr schlecht vertre-
ten worden. Indessen alle Probleme und Fragen der auch angeglieder-
ten Ostkantone mehr oder weniger günstig geregelt wurden, war es um
viele Einwohner von Kelmis schlecht bestellt. Die Vertreter der
belgischen Staatsbürger, wer es auch gewesen sein mag, hatten ihre
neuen Landsleute in vielem vernachläßigt ; denn für Neutral-Moresnet
| gab es manche Lücken im Versailler Vertrag. Dazu kam noch, daß
das im Jahre 1837 gegründete Bergwerk ”Vieille Montagne”, wo im
vorigen Jahrhundert viele hundert Arbeiter aus Kelmis und Umgegend
beschäftigt waren, langsam seinem Ende entgegen ging, und es immer
mehr Stillegungen gab, sodaß, als im Anfang der dreißiger Jahre sich
eine allgemeine Arbeitslosigkeit ausbreitete, Kelmis 600 Arbeitslose
zählte, wodurch sich viele Familien in großer Not befanden.
| Auch die Gemeindeverwaltung stand vor katastrophalen Schwie-
rigkeiten. Durch die Armut eines Großteils der Bevölkerung und die
| damit verbundenen Steuerausfälle war dieselbe nicht in der Lage,
ihre Schulen und Straßen zu unterhalten. (Vor dem Kriege wurden
Kirche, Schulen und Straßen von der Gesellschaft ”Vieille Montagne”
unterhalten).
Hierzu kam noch, daß es im Gebälk des ”Konsum” (1), welcher
im Jahre 1914 im Schoße des Arbeitervereins gegründet worden war
14
und im Anfang einen großen Aufschwung erlebt hatte, knisterte, wo-
durch die Spargelder vieler Arbeiter in Gefahr standen, verloren zu
gehen. Dies war ein gewaltiger Rückschlag für die christliche Arbeiter-
bewegung, was seinen Ausdruck bei den Gemeinderatswahlen des Jah-
res 1932 fand, wo nur 2 Kandidaten, des ”Katholischen Arbeiterve-
reins” (mit damals 800 Mitgliedern) in den Gemeinderat gewählt wur-
den. Daß dies Wasser auf die Mühle anderer Gruppen war, war unaus- |
bleiblich, sodaß Sozialisten, Kommunisten und auch Anarchisten star- |
ken Anhang hatten, und die jahrhundertealte christliche Tradition der
Pfarre Kelmis in großer Gefahr war.
Somit war die Lage, welche sich dem neuen Kaplan bei seinem '
Amtsantritt bot, fürwahr nicht ermutigend.
Aber nicht entmutigend für Kaplan Fr. Darcis !
Mit dem ihm noch heute eigenen, tiefempfundenen Mitgefühl für
die Not seiner Mitmenschen, setzte er sich spontan, mit seiner ganzen
Person, seiner praktischen Intelligenz und Dynamik dafür ein, die
katastrophale Lage der Pfarre, der Gemeinde und der Bevölkerung
zu verbessern. Er wurde dabei unterstützt und ermuntert von dem
unvergeßlichen Pfarrer Fr. Scherrer und seinem Konfrater Kaplan
N. Xhonneux.
Mit nie ermüdender Energie mobilisierte er alle kompetenten und
willigen Kräfte und tat alles Menschenmögliche, um den Lebensstan-
dard, das religiöse, geistige und kulturelle Niveau der Kelmiser Bevöl-
kerung zu heben und zu festigen. Er plante und schuf Neues, er disku-
tierte, stritt mit seinen Gegnern der Linken, welche ihn respektierten
und achteten. Mit einem Wort : er stand ganz im Dienste unseres Hei-
matortes Kelmis.
Er reformierte die Leitung des katholischen Arbeitervereins, in-
dem er verschiedene in der christlichen Arbeiterjugend (J.O.C.) vor-
gebildete ‚junge Männer mit heranzog und mit führenden Aufgaben
betraute. In vielen Versammlungen, Vorstandssitzungen und von ihm
geleiteten Studienzirkeln, vertiefte er die Bildung, welche die jungen
Männer in der J.O.C. erhalten hatten, und erreichte, daß der ka-
tholische Arbeiterverein wieder eine vertrauenswürdige und gefestigte
Gemeinschaft der katholischen Aktion wurde. Dieses fand seine Bestä-
tigung, als bei den Gemeindewahlen im Jahre 1938 der katholische
Arbeiterverein ‘wieder mit fünf gewählten Kandidaten in den Gemein-
derat einzog. Unter ihnen befand sich der leider zu früh verstorbene
Peter Kofferschläger, der, als jüngster Bürgermeister der hiesigen Ge-
gend, der Gemeinde bis zum Kriegsausbruch vorstand.
Auch nach Friedensschluß waren es wieder diese von Kaplan
Darcis christlich-sozial gebildeten Männer, welche die Geschicke der
16
merkenswert hervortrat wie zu dieser Zeit, und auch heute noch, im
Bergmannsverein, seinen geschichtlichen Wert im Göhltal bekundet.
Gemeinsam mit der christlichen Frauenliga und dem kath. Ar-
beiterverein gründete er eine Sterbekasse, welche noch heute besteht
und vielen Kelmisern pekuniäre Vorteile brachte und noch bringt. Die
wöchentlichen Sprechstunden der christlichen Arbeiterliga erwiesen
sich bald als unzureichend : so viele kamen um Beratung und Unter-
stützung in vielerlei Fragen,
So schuf Kaplan Darcis, in rastlosem Einsatz, in Kelmis eine kon-
zentrierte Kraft, welche man nicht übersehen oder ignorieren konnte,
an deren Spitze er dynamisch und vital für die Rechte und Nöte der |
Kelmiser Bevölkerung eintrat. Denn es gaben viele Probleme, welche ’
dringend einer Lösung bedurften.
So waren es die Pensionen vieler alten Leute, die Sprachenfrage
an den Gerichten, insbesondere aber die Unterkünfte der Gemeinde-
schulen, für die unbedingt etwas geschehen mußte. Besonders das
Letztere war für Kelmis eine Blamage. Der Bau neuer Schulen war
staatlicherseits genehmigt, aber die Gemeinde mußte etwa 25% der
Baukosten selbst bezahlen, wozu diesselbe nicht in der Lage war, denn
sie war bettelarm und hatte nicht die Mittel, die Gehälter ihrer Beam-
ten und Angestellten regelmäßig auszuzahlen.
Unzählig sind die diesbezüglichen Exposes, Protestschreiben, De-
marchen und Gespräche, welche Kaplan Darcis mit verschiedenen
Ministern und Abgeordneten führte. Von einem Senator aus Limburg
erhielt er einmal folgende Antwort : ”Herr Kaplan, sie verlangen ein
Wunder !”
Aber Kaplan Darcis gab richt auf, er glaubte an das Wunder !
Er verfaßte ein Theaterspiel mit dem Titel ”Familienschicksal”
welches sich eingehend mit den Problemen der Kelmiser befaßte.
Durch seine Aufführung wurde die Aufmerksamkeit der Bevökerung
und der interessierten Öffentlichkeit stark angeregt.
Dann schlug er dem Komitee des kath. Arbeitervereins vor, einen
Notschrei an den König und die Regierung zu richten. Dieses Schrift-
stück, welches noch im Besitze des Jubilars ist, trug den Titel :
” Die Notlage von Kelmis ”
”Notschrei an die Regierung”
Da wir selbst diese Angelegenheit miterlebt haben und feststellen
konnten, was dadurch erreicht wurde, können wir nur sagen, daß dieses
Expose, welches meistenteils die Idee von Kaplan Darcis war, einen
großen dokumentarischen und geschichtlichen Wert hat.
Dieses Schreiben, dessen Wortlaut auf der Generalversammlung
vom 14. Oktober 1934 festgelegt wurde, war gerichtet an seine Majes-
tät Leopold III. und an die damalige Regierung.
17
/ Eingangs versicherten die Mitglieder der Arbeiterliga den König
und die Regierung ihrer Treue und Ergebenheit; sie erklärten ihre
| Bereitschaft, als treue belgische Staatsbürger der Nation zu dienen und,
| wo immer man es verlange, dieselbe zu verteidigen.
|
| Sodann wies man darauf hin, daß trotz 15-jähriger Zugehörigkeit
zu Belgien die Lage von Kelmis, dem früheren Neutral-Moresnet, in
wirtschaftlicher, sozialer, sowie kultureller Hinsicht, sehr viel zu wün-
{ schen übrig ließe.
| Zuerst behandelte man die-Lage jener alten Leute, Bergarbeiter
| und Arbeitsinvaliden, welche vor und während des Krieges 1914-18
in Deutschland gearbeitet und dort vorschriftsmäßig ihre Beiträge geleis-
tet hatten. Da diesbezüglich in Versailles kein Abkommen getroffen
wurde, konnten diese Leute weder in Belgien noch in Deutschland eine
| Rente beanspruchen. Sie waren die Opfer eines politischen Um-
schwungs. Da man diesen Leuten, welche mit dem Herzen und
dem Willen Belgier geworden seien (denn nach dem Kriege 1914-18
stand es jedem frei, nach Deutschland zu ziehen oder in seiner Heimat
zu bleiben und die belvische Nationalität zu erwerben) die gleichen
Verpflichtungen auferlege wie den anderen Landsleuten, ständen ihnen
auch dieselben Rechte zu.
Die Nationalitätsfrage, welche in Kelmis ein heikles Thema war,
wurde ebenfalls eingehend behandelt. Am 1. August 1914 gab es in Kel-
mis 1956 Deutsche, 1725 Belgier, 494 Neutrale, 575 Holländer und
23 Personen anderer Nationalität. So gab es auch Leute, deren
Nationalität zweifelhaft war, z.B. solche, welche Belgier und Holländer
zugleich waren, Familien in denen ein Mitglied durch Militärdienst
Belgier wurde, die anderen aber Holländer oder Schweizer blieben.
Darum schlug man der Regierung vor, ein Gesetz zwecks Option der
Betreffenden zu erlassen.
Das folgende Thema ”Schulunterkünfte in Kelmis”, wurde, ange-
sichts einer so großen Gemeinde, als ein Skandal für Belgien hinge-
stellt. Man wies nachdrücklich darauf hin, daß sich die Schulräume
von Kelmis in den unwürdigsten Unterkünften befänden. In den dazu
bestimmten Baracken, welche eher Ställe als Schulen vermuten ließen,
( herrsche im Sommer glühende Hitze und im Winter Nässe und Kälte,
| was für die Gesundheit der Kinder eine große Gefahr bedeute. Außer-
| dem seien aus Platzmangel die einzelnen Klassen im ganzen Dorf ver-
| sprengt :in der Patronage, in einem alten Kloster, in den vorerwähnten
Pavillons, und sogar in einem von der Schulinspektion außer Betrieb
gesetztes Schulgebäude der Nachbargemeinde Neu-Moresnet.
Nachdrücklich legte man die Finanzlage der Gemeinde dar, welche
bis zu 95% aus Arbeitern bestand, wovon ein Großteil (600) arbeits-
los war. Somit war diesselbe nicht in der Lage, den Zuschuß für den
so dringend notwendigen Schulneubau aufzubringen. Auch erwähnte
man, daß die Gemeinde Kelmis weder Post, Gendarmerie und, was
einen heute komisch anmutet, nicht einmal ein Gemeindehaus in ihrer
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Ortschaft besaß, Dies alles befand sich auf dem Gebiete der Gemeinde
Neu-Moresnet,
Die Sprachenfrage war auch in der damaligen Zeit ein aktuelles
Problem, welches viele Wünsche offen ließ. Obwohl der Großteil der
Bevölkerung, was ja auch verständlich war, nur die deutsche Sprache
beherrschte, wurde derselben oft behördliche Korrespondenz in fran-
zösischer Sprache zugestellt. An den Gerichten wurden die Verhand-
lungen mit Hilfe eines Dolmetschers geführt.
Diese Probleme wurden in sachlicher und detaillierter Weise aus- ]
einandergelegt. Man schloß diesen Notruf, mit dem folgenden authen-
tischen Wortlaut :
Die Tatsache, dass Belgien solche Einwohner, die ihre Na-
tionalität aus innerlicher Überzeugung bejahen, nicht als Bürger
zweiter Klasse behandeln kann, berechtigt uns zu der zuversicht-
lichen Erwartung, dass dieser Notruf einer wohlwollenden Prü-
fung unterzogen wird, und dass in kurzer Zeit die bekanntgege-
benen Übelstände beseitigt werden.
Majestät, nehmen Sie, sowie Ihre Herren Minister, die Ver-
sicherung unserer patriotischen Gefühle sowie das Versprechen
treuester Pflichterfüllung als belgische Staatsbürger entgegen !
Im Namen der 800 Mitglieder des kath. Arbeitervereins
Kelmis :
Der Vorsitzende : Joseph Dorr Der Schriftführer : Joseph Bonny
Die Vorstandsmitglieder :
Hennen H. + - Döme E. + - Decroupet Th. - Breuer H. + - Frank H. -
Dorr L. + - Brandt P. sen. + - Kohl Fr. + - Debey J. - Kerkhoff J. + -
Serwas H. - Savelsberg P. - Close J. - Lambiet J. - Kofferschläger P. + -
Decroupet A.
Und das Wunder geschah !
Bereits Anfang Dezember 1934 erschien im belgischen Staats-
blatt ein königlicher Erlaß, unterschrieben von Minister Rubens, wel-
cher die Alters- und Invalidenrenten für diejenigen Arbeiter genehmig-
te, welche vor dem Afıschluß an Belgien in Deutschland gearbeitet
hatten. Weit über hundert Interessierten sollte dieser Erfolg zugute
kommen. Leider weilten manche nicht mehr unter den Lebenden,
Im Januar 1935 folgte ein Schreiben des Justizministers an die
Gemeindeverwaltung, daß den Ausländern, welche in Kelmis ansäßig
waren, die kostenlose Option für Belgien erlaubte. So wurde vielen
Kelmisern die Möglichkeit gegeben, dieses wichtige Problem zu lösen,
Beim Aubeler Gericht war für die Deutschsprachigen bereits ein
Adjunkt-Richter ernannt worden, welcher die deutsche Sprache voll-
kommen beherrschte, sodaß eine Gerichtssache für die Einwohner
von Kelmis, welches damals zum Gerichtskanton Aubel gehörte, keine
Schwierigkeit mehr bot.
|
19
So war in drei für die Kelmiser Bürger wichtigen Problemen
durch den genannten ”Notschrei” ein voller Erfolg zu verzeichnen.
Nur die Schulfrage blieb in der Schwebe ! Kurzentschlossen bean-
tragte man eine Audienz bei Unterrichtsminister Hiernaux. Die Dele-
gierten zu dieser Audienz waren der damalige Bürgermeister Victor
Moyano, Schuldirektor N. Decker, Herr J. Dorr, Vorsitzender des
kath. Arbeitervereins, der ehemalige Bürgermeister Herr J. Brandt
{ und Kaplan Darcis. Diese Delegation wurde durch den derzeitigen Ab-
geordneten Winandy aus Verviers beim Herrn Minister eingeführt.
| Wie uns der greise Jubilar erzählte, schien die Verhandlung über
| einen neuen Schulbau für Kelmis keinen günstigen Verlauf zu nehmen.
”Und es gab wenig Aussicht auf Erfolg ... bis mir der Geduldsfaden
| riß”, so berichtete der Hw.Herr weiter, und ich dem Herrn Minister
zum Schlusse sagte : Exzellenz, wenn Sie und die Regierung kein Ver-
| ständnis dafür haben, daß es eine Schande ist, unter welchen Bedin-
gungen in Kelmis die Kinder unterrichtet werden müssen, dann werden
I wir Geistliche für neue freie Schulen betteln gehen, wenn es sein muß,
| auch im Ayfısland !
| Diese mutige Sprache des Herrn Kaplan verfehlte ihre Wirkung
nicht, denn am folgenden Tage kam eine Abordnung des Ministers
| nach Kelmis, um die Schulräume zu besichtigen. Das Resultat dieser
Prüfung war, daß Kaplan Darcis nach einigen Monaten ein Telegramm
des Abgeordneten Winandy erhielt. Dasselbe hatte folgenden Wortlaut
”Ecoles communales - La Calamine subsidiees 100% par l' Etat”
(Gemeindeschulen Kelmis hundertprozentig vom Staat subsidiert). Dies
war bestimmt auch ein hundertprozentiger Erfolg des ”Notschreis”
und der Initiative unseres Kaplans. Durch diese Nachricht war das
Schulproblem für Kelmis in nie gehoffter Weise gelöst.
Denn wenn ein den heutigen modernen Unterrichtsmethoden an-
gepaßter Schulneubau entstehen konnte (es handelt sich um den Ge-
bäudekomplex, welchen die Kelmiser Mittelschule inne hat), dann ist
dies größtenteils dem unablässigen Einsatz und dem Mut des Kaplans
Darcis zu verdanken, dem die Jugend unserer Heimat,-ihre Bildung
und ihr Wohlergehen, eine Herzenssache war.
1 Außer dieser vielseitigen Tätigkeit, hat der Jubilar auch auf dem
Gebiete der Laienbühne Hervorragendes geleistet und geschaffen: So
| verfaßte er anläßlich des 25jährigen Jubiläums der Patronage, das
) heute weit und breit bekannte ”Passionsspiel” (Siehe ”Im Göhltal” N°1
1967). Was der Hw. Herr dabei an organisatorischer Arbeit geleistet,
ist kaum vorstellbar. Wir hatten Gelegenheit, die erste Aufführung
als Zuschauer mitzuerleben : ein unvergeßliches Erlebnis! Dieses
Spiel, welches im vergangenen Jahr seine vierzigste Aufführung erleb-
te, war und bleibt einmalig für Kelmis und das gesamte Göhltal,
|
20
Auf diese Weise brachte er die Darbietungen der ”Volksbühne”
auf ein beachtliches Niveau, sodaß dieselbe nicht nur in Kelmis, son-
dern in der ganzen Gegend zu einem Begriff wurde. Manch einer der
”Alten” wird sich gerne der Theaterstücke ernster, erzieherischer aber |
auch heiterer Art erinnern, welche unter der Leitung des Kaplans über |
die Bretter der Kelmiser Patronage und der Bühnen vieler umliegenden
Ortschaften gingen bis nach Heukelom, dem Geburtsort des Jubilars.
(Wozu die Texte in flämischer Sprache einstudiert wurden).
Bei all diesem Schaffen war er von einem tief religiösen Geist
beseelt, denn dieses alles geschah im Sinne einer tiefen christlichen
Nächstenliebe. Er war ein Priesterfreund für jung und alt, besonders
für die‘ Armen und Notleidenden, für Christen und auch Nichtchristen.
Alles’ was er tat und unternahm, war Ausdruck seiner göttlichen Sen-
dung, welche er am Ostermontag des Jahres 1918 auf sich nahm.
Er hat durch sein von einem hohen geistigen Niveau getragenes
Wirken, auf vielen Gebieten im Bereiche des Göhltals, insbesondere
in der Pfarre Kelmis, als Priester und als Menschenfreund, Bemer-
kungswertes geleistet. Seine Werke werden ihm in den Annalen unserer
Gegend und in den Herzen vieler Mitbürger unserer Heimat ein blei-
bendes Denkmal erhalten.
Dieses findet seine Bestätigung in einem Abschiedsbrief, den ein
ehemaliger Kelmiser Jocistenleiter dem hw. Herrn anläßlich seiner
Versetzung nach Schönberg schrieb. Derselbe sagte u.a. ”Wenn ich
Ihnen natürlich speziell für die vorerwähnten Dienste danke, so schließt
das keineswegs aus, daß ich mich zu Dank verpflichtet fühle für alles
andere, das Sie für meine Heimatpfarre getan haben. Empfangen Sie
darum meinen Dank für diesen heimatlichen Geist, den Sie gesät ha-
ben. Möge er aufgehen und in starken Männern seine Frucht tragen,
die es sich zur Pflicht machen, die heimatliche Kultur zu hegen und
zu pflegen, zum Wohle der Bevölkerung und zur Ehre Gottes.”
Darum glaubt der Verfasser dieses Artikels, im Sinne der zahl-
reichen Freunde und Bekannten des Jubilars zu sprechen, wenn er
dem hw. Herrn Fr. Darcis anläßlich seines SO-jährigen Priesterjubi- |
läums, noch lange Jahre geistigen und körperlichen Wohlergehens
sowie Gottes reichsten Segen wünscht und ihm für seine Dienste dankt
mit einem von Herzen kommenden ”Vergelt’s Gott” !
Joseph Bonny.
(1) Trotz positiver Bilanz konnte sich der ”Konsum” nicht halten, Dieses mit
Spargeldern von Mitgliedern des Arbeitervereins arbeitende Kaufhaus hatte
nicht nur diese Spargelder verzinst, sondern auch Dividenden gezahlt. So
konnten keine Rücklagen für Krisenzeiten gebildet werden, und als die
Arbeiter ihr Geld zurückverlangten, war der Bankrott unvermeidlich.
Der Kaüufhausring ”Bien-Etre” erklärte sich nach Inventur bereit, die
Gelder zu 75% zurückzuzahlen. Man kam aber wegen Personalfragen nicht
zu einer Übereinkunft, und der ”Konsum” ging ein,
21
Wie Brauereifahrer Josef sich an Hochwürden rächte,
Eine wahre Geschichte aus der guten alten Zeit, also geschehen zu Breinig
vor 1914.
H. Heutz
Josef V. war Bierfahrer bei der Brauerei Schmitz in Kornelimüns-
ter. Tagsüber rumpelte der Brauereiwagen durch das ”Münsterland”.
Josef V. war ein leutseliger Mensch, der immer Zeit zu einem Schwätz-
chen mit den Wirten hatte und ihnen manches Fäßchen Bier durch
| seine Leutseligkeit verkaufte, Natürlich brauchte der Josef bei seinen
‘ Fahrten nicht zu verdursten. Dies bewirkte, daß der Josef abends dann
regelmäßig ein braves Räuschlein hatte, ohne jedoch betrunken zu sein.
Daran nahm in der guten alten Zeit niemand Anstoß, Eine Verkehrs-
polizei gab es noch nicht, und außerdem hatten fast alle Fuhrleute
abends ihren Rausch, Es gab eben zu viele Wirtschaften an den Land-
straßen. Dort wurden die Pferde getränkt, und der Fuhrmann erhielt
zu seinem Schnaps noch gratis ein Stückchen Zucker für das Pferd und
eine Peitschenschnur, ein dünnes Schnurende, welches der Fuhrmann an
dem Peitschenende anknüpfte. An einem Winterabend fuhr unser Josef
wieder einmal heimwärts, der Brander Heide zu. Josef hatte seinen
kleinen Rausch und war mit sich und der Welt zufrieden. Auf gleichem
Wege schritt der Pfarrer von Breinig seiner häuslichen Geborgenheit
zu. Josef hielt respektvoll sein Fuhrwerk an und lud den Pfarrer ein,
aufzusteigen. Dieser tat das auch und hätte nun gut daran getan, Josefs
Bierfahne zu ”überriechen”. Hochwürden aber tat keinesfalls derglei-
chen. Er gedachte nicht des Bibelworts ”Du sollst dem Ochsen, der da
drischt, nicht das Maul verbinden”. Der ”Här” also konnte sich nicht
verkneifen, den Josef mit folgenden Worten zu tadeln : ”Na Josef,
deine Frau wird auch nicht begeistert sein, wenn du heimkehrst. Sie
wird auch nicht ausrufen : ”Gelobt sei, der da kommt im Namen des
Herrn !” Josef schluckte voller Ärger aber wortlos diese Bemerkung.
Die einfachen Menschen der damaligen Zeit hatten ein sehr empfind-
liches Ehrgefühl. Im Beichstuhl waren sie demütig, auf der Straße je-
doch duldeten sie auch vom Pfarrer keinen Tadel. Am Pfarrhaus ließ
Josef Hochwürden ohne Gruß absteigen. Dieser merkte in seiner Selbst-
herrlichkeit nicht, daß er seinen lieben Nächsten, der ihm außerdem
( noch einen Dienst erwiesen hatte, empfindlich gekränkt hatte. Diesen
Brocken verdaute der Josef nicht und sann auf Rache. Dazu sollte sich
bald eine Gelegenheit bieten. Nach Weihnachten kam Besuch ins Pfarr-
X haus in der Gestalt eines Neffen, der seit vielen Jahren in Bonn mehr
dem Alkohol als dem Studium nachging. Bald sprach sich diese Schwä-
che im Dorfe herum. Nun faßte Josef seinen Racheplan. Ohne Wissen
von Hochwürden lud Josef den Neffen ein, eine Tagesfahrt mit ihm
auf dem Brauereiwagen zu machen. Der Neffe, dem die fromme Ein-
tönigkeit im Pfarrhause nicht so recht behagte, war mit Freude zu
dieser Fahrt bereit. An diesem Tage waren der Josef und die Wirte
besonders spendabel. Die Folge war, daß der Herr Studiosus abends
volltrunken auf dem Kutschbock des Bierwagens schwankte. Am Pfarr-
haus mußte Josef seinen Gast vom Bock heben und ihn förmlich zur
22 |
Tür des Pfarrhauses schleppen. Josef schellte, und Hochwürden öffnete
höchst persönlich die Tür. Josef schob den Betrunkenen zur Tür hinein
und sagte sehr respektvoll : ”Hochgelobt sei, der da kommt im Namen
des Herrn !”
Anmerkung : Der Autor hat uns gebeten nicht zu veröffentlichen, daß der Josef
ein gebürtiger Hauseter war.
Cösar Franck en der Balketräner,
Vröjer sot ech mänje stelle Wie de Dörpslüj häe bejlöckte
Someroevend op en Bank Du ens met sie Örjelspeel
Be der Jruespap, dä vertelle Ejjen ege Mees, du zöckde
Koss noch völ va Cesar Franck, Häe ens en der letzte Deel.
Of do jedder kle Vertellsche Denn de Luet wor utjejange
Wörcklech ut sie Läve wor, Be der Agnus Dei at.
Jedder Woet en jedder Dellsche, Cesar Franck bläv plötzlech hange -
Wet bes hüj ech noch net klor. Jenge woss wisue, vör wat.
E Deel äl es net jelore : Wie häe no de Mees deswege
Dat sie Odeschhus noch steht Sech der Balketräner schnappt,
Heem e Völkrech no die Johre, En däm utschubbt, dat sing ege
En sing Musik nie verjeht. Stemm’ge Mees hat net jeklappt,
Jröne blitt och singe auwe Kikt dä Man — et Anekdötsche |
Eweg-jonge Lorbeerkranz, Hat der Nam net mie jemelt, —
Wätt noch dusend Johr behauwe En sätt drop : ”Mä, Saperlötsche,
Onverändert singe Glanz. Wat, dör hat ühr Mees jespellt ?
Nee, dä Kranz wätt nie verpelle, Ja, dat koss ech doch net rone,
Wätte och parej wie ot! - Mä now krij ech Luese drut :
En now will ech öch vertelle, Ech han die va Bach jetrone,
Wat der Jruespap mech vertot : En die es jätt vröjer ut !”
Franck, dä dörch sing jruete Stöcker Ech kann hüj now net mie sage,
At berühmt wor en bekannt, Of do Franck tevrä met wor,
Koem trotzdem no Jömmlech döker Denn et hat sech tujedrage
Op Besök be Nonk en Tant, Vör noch mie wie hondert Johr,
Gerard TATAS
|
23
Die Vogteirechte des Aachener Marienstiftes
im Tal der Göhl.
Hubert Jenniges
Als im Jahre 888 Arnulf von Kärnthen dem Aachener Marien-
' stifte eine Jahrzehnte vorher von König Lothar II. vorgenommene
Schenkung des neunten Teils (”nona”) aller Gefälle von 43 Königs-
höfen bestätigte, faßte die aus der karolingischen Pfalzkapelle hervor-
‘ gegangene Münsterkirche zum ersten Male in dem späteren altlimbur-
gischen Lande Fuß. Bekräftigt wurde dieser Aachener ”Durchbruch
nach Westen” im Jahre 1072, als der Königshof Walhorn, der Sied-
lungskern des Eupener Landes, Eigentum des Aachener Marienstiftes
wurde. In der Folge erwarb die Münsterkirche weitere Hoheitsrechte,
wobei vor allem die 1076 dem Stift verliehene Vogtei über ”Harne”
(älteste Form von Walhorn), ”Loncins” (wohl das heutige Lontzen)
und ”Mandrevelt” hervorzuheben ist. König Heinrich IV. war es, der
am 21. April 1076 dem Stift die ”Advocatie” verlieh. Somit konnte
das Aachener Marienstift in diesen Hof - bzw. Herrschaftsbezirken
u.a. die Gerichtsbarkeit ausüben.
Einige Jahre später, am 10. Februar 1098, werden die Vogtei-
rechte über Walhorn, Lontzen und ”Mandrevelt” bestätigt. Weitere
Bestätigungen des Vogteirechtes tauchen in der Folge auf : 1138 durch
König Konrad II, und 1226 durch Kaiser Friedrich.
In der Urkunde von 1226 kommt das genannte ”Mandrevelt” je-
doch zum ersten Male unter der Bezeichnung ”Mesche” vor. Dies läßt
die Vermutung auftauchen, das bereits 854, 888, 930 und in den Jah-
ren 1076 und 1138 genannte ”Mandrevelt” sei nicht das heutige Man-
derfeld (im Kanton St. Vith), sondern das limburgische Mesch (früher
auch Mechault), eine südlich von Maastricht gelegene Ortschaft, nahe
der belgischen Grenze, im holländischen ”Einzugsgebiet” der Göhl.
So abwegig diese Vermutung auch klingen mag, so entsteht doch
bei einer genaueren Untersuchung Unklarheit über die in Frage kom-
| mende Ortschaft. Das limburgische Mesch war jahrhundertelang eine
propsteiliche Herrschaft des Aachener Marienstiftes und wird seit 1419
(bis 1794) regelmäßig in den Urkunden des Stiftes genannt.
Die Vogteibestätigung vom Jahre 1226 wird sich daher nicht auf
Manderfeld, sondern auf Mesch beziehen - somit muß auch bei den
früheren Erwähnungen (1138, 1076 und 1072) die Eifelortschaft Man-
derfeld ausgeschaltet werden.
Dieser Schluß wird schon durch die Tatsache erhärtet, daß der alte,
854 zum ersten Mal genannte Königshof Manderfeld im späteren Mit-
telalter überhaupt keine Beziehungen zum Aachener Marienstifte hatte.
24
Wohl aber waren die Beziehungen Walhorns, Lontzens und Meschs zu
Aachen äußerst rege.
Wie erklärt sich die Verwechslung ?
Es ist anzunehmen, daß sich in die Feder des Schreibers, dem -
wer weiß - durch die Kenntnis anderer Urkunden der Name Mander-
feld geläufiger war, ein Irrtum eingeschlichen hat.
Aachens Hoheitsrechte griffen im Mittelalter nicht über das Hohe
Venn hinaus. Sie beschränkten sich im Westen auf einen Durchbruch
ins altlimburgische Land. Dabei blieben jedoch die Rechte der Grafen
und späteren Herzöge von Limburg im wesentlichen ungeschmälert.
Quellennachweis :
LACOMBLET, Th. J., Urkundenbuch für die Geschichte des Niederrheins ...
1. Ausgabe, Düsseldorf 1840, S. 39 u. 49.
QUIX, Chr., Beiträge zu einer historisch-topographischen Beschreibung des Krei-
ses Eupen, Aachen 1837, S. 270.
COELS von der BRÜGGHEN, Freiin, L., Die Lehensregister der propsteilichen
Mannkammer des Aachener Marienstiftes, 1394-1794, Bonn 1952 (Publi-
kationen der Gesellschaft für Rheinische Geschichtskunde).
ROTTHOF, G., Das Reichsgut in Niederlothringen und Friesland während der
sächsisch-salischen Kaiserzeit, Bonn 1953,
GIELEN, V., Die Mutterpfarre und Hochbank Walhorn, Selbstverlag, Walhorn,
1963.
Rotschläg
Hüet net, wat die ander pappe,
jöt jär op ühr eje Lappe,
kikt wu der jött, es et breet of schmal, |
da kommt där niemals jauw te vaal.
|
Lott ajen Ecke öch nie rone,
neet vervöhre va Owe, Trone,
hüet, wat ühr Jewesse sätt,
wenn der öch hat stell jebätt.
Höjt öch Ärjerness te jäve,
roweniet je Minscheläve,
blitt e Ömjank, bej Pleseer,
ömmer Minsch, wätt nie e Deer.
£ Peter Zimmer
25
Der Königshof Walhorn wird Eigentum
des Aachener Marienstifts
Die Schenkungsurkunde Heinrichs IV. (1072)
| von Viktor Gielen
} Seit den Tagen Karls des Großen hatte Aachen außergewöhnliche
Bedeutung erlangt. Es war kaiserliche Pfalz geworden. Die Aachener
X Pfalzkapelle - die spätere Münsterkirche - wurde nicht nur die bedeu-
tendste Kirche Aachens, sie erlangte auch durch Schenkungen der Köni-
ge und Kaiser Güter und Rechte in anderen Landesteilen.
Auch der Königshof Walhorn war dazu ausersehen, zum Unter-
halt der Aachener Pfalzkapelle beizutragen. Schon Kaiser Lothar -
ein Sohn Lothars I. und Enkel Ludwigs des Frommen - hatte der
Münsterkirche in Aachen die Nona - d.h. den neunten Teil der Ein-
künfte - des Königshofes Walhorn geschenkt. Am 13. Juni 888 be-
stätigte König Arnulf diese Schenkung.
Wenn die Könige dem Aachener Marienstift auch einen Teil der
Einkünfte des Hofgutes Walhorn überließen, blieb dasselbe doch in
ihrem Besitz. Das sollte jedoch anders werden unter der Regierung
Heinrichs IV. (1050 - 1106). Am 27. April des Jahres 1072 weilt
derselbe in Aachen. Bei dieser Gelegenheit schenkt er dem Aachener
Marienstift den Königshof Walhorn, der damit seinen Besitzer wech-
selt. Wir können daraus schließen, daß damals der größte Teil dieses
Gebietes noch aus Wald bestand, denn sonst hätte der König nicht das
Recht gehabt, es zu verschenken.
Diese wichtige Schenkungsurkunde ist glücklicherweise noch im
Original erhalten. Sie befindet sich z. Zt. im Hauptstaatsarchiv Düs-
seldorf, das uns in zuvorkommender Weise eine Fotokopie zur Ver-
fügung stellte.
X Hier die Übersetzung der in lateinischer Sprache verfaßten Urkunde :
”Im Namen der heiligen und ungeteilten Dreieinigkeit. - Heinrich,
durch Gottes Milde König.
Da wir das Erbe unserer Vorfahren, der Kaiser und Könige, ange-
treten haben, möchten wir auch ihr Vorbild nachahmen. Besonders
möchten wir wetteifern bei der Gründung von Kirchen und streng
sein in der Verteidigung der bereits gegründeten. Insoweit es für ihre
Zukunft nötig ist, möchten wir nicht versäumen, von unserem Besitz-
tum herzugeben, soviel wir es mit Gottes Hilfe können.
Unter unseren Vorgängern war der mit unvergänglichem Ruhm
bekleidete Karl der Große der bedeutendste Verteidiger dieser Kir-
chen und ihr hervorragender Gründer. Bekanntlich ist durch seinen
Fleiß in Aachen die Kirche der heiligen Gottesgebärerin und Jungfrau
28
Maria gegründet, durch ihn reichlich beschenkt und gesetzlich gesi-
chert worden. Wir halten diese Kirche für wertvoller als die anderen,
und darum wollen wir ihr wertvollere Güter schenken. Aus diesem
Grunde gaben wir ihr, wie gesagt, ein kostbareres Gut.
Wir taten dies auf den Rat und die Fürsprache unserer geliebten
Gemahlin und Königin Bertha und auf Anregung unserer Getreuen,
des Erzbischofs Anno von Köln sowie der Bischöfe Buggo von Hal-
berstatt und Werner von Straßburg. Wir waren dabei auch eingedenk
der Dienstleistung Ruoperts, des Propstes dieser Kirche. Vor allem
haben wir es, wie gesagt, der Gottesgebärerin, Unserer Lieben Frau
von Aachen, gegeben und überliefert, indem wir uns der Hoffnung
hingeben, daß Gott uns dafür belohnen wird.
Der Name dieses Gutes ist Harne. Es liegt im Ardennengau, in der
Grafschaft Dietpolds. Wir haben es geschenkt, wie es bei den Königen
und Kaisern Sitte ist, das heißt mit allem Zubehör, mit den Hörigen
beiderlei Geschlechts, mit Haus und Hof, mit dem bebauten und unbe-
bauten Land, mit dem zugänglichen und unwegsamen Gelände, mit
den Wiesen und Weiden, den Feldern, den Wäldern, den Jagdgründen,
mit den stehenden und fließenden Gewässern, mit allen Mühlen und
dem Fischbestand, mit den Rechten und Forderungen und mit allen
Vorteilen, die sich daraus ergeben könnten.
Damit nun diese unsere königliche Schenkung durch keine böswilli-
ge Machenschaft zunichte gemacht werden könne, haben wir diese ge-
schriebene Urkunde, mit unserem Siegel versehen, unseren Zeitgenos-
sen und den kommenden Geschlechtern zur Kenntnisnahme hinter-
lassen.
Das Zeichen Heinrichs IV., des unbesiegbarsten Königs.
Ich, Kanzler Adalbert, habe die Urkunde in Vertretung des Erz-
kanzlers Sigisfried beglaubigt.
Gegeben am 27. April 1072, in der 10. Indikation, im 18. Jahre
nach der Königsweihe Heinrichs IV. und im 16. Jahre seiner Regie-
rung. Glücklich abgeschlossen zu Aachen im Namen Gottes.”
In dieser Schenkungsurkunde fällt uns einiges auf.
Es heißt dort : ”Der Name dieses Gutes ist HARNE.” Der Ur-
sprüngliche Name war also nicht Walhorn - diese Bezeichnung taucht
erst im 13. Jahrhundert auf - sondern HARNE oder HARNA.
Woher kommt das Wort Harna ?
Mir erscheint folgende Erklärung als wahrscheinlich : Das Wort
Harna ist keltischen Ursprungs. Es bedeutet zunächst die Schneide des
Messers und später einen länglichen Höhenzug. So gibt es z.B. ein
Haaren bei Aachen, ein Harne bei Brand und ein Borgharen bei Maas-
tricht:
Auch den Höhenzug, der bei Merols vorbeizieht und die Wasser-
scheide Göhl - Iter bildet, wird man Haar oder Harne genannt haben.
6-29
Bäche,.die auf. einem Höhenzug, auf einer.Haar, entspringen, heißen
Oft Haarbach oder Harnebach. So ist es auch mit dem Walhorner Haar-
bach oder Hornbach, der in Merols entspringt und an der Rotsch vor-
bei talwärts fließt. An diesem Bach, der früher wasserreicher gewesen
ist, hat man die Wirtschaftsgebäude des Königshofes errichtet, wie es
aus der alten Ansicht Walhorns hervorgeht. Der Königshof Harna oder
Harne erhielt‘ also seinen Namen‘ vom dort vorbeifließenden Bach,
vom Harne- oder Hornbach. Ähnlich ist es z.B. auch mit dem Ort
Amel in der Eifel gewesen. Er erhielt seinen Namen vom Bach, von
der Amel.(*)
Weiter lesen wir : ”Es liegt im Ardennengau, in der Grafschaft
Dietpolds.” Daß Walhorn in den Ardennen liegt, scheint uns höchst
merkwürdig. Denn heutzutage wird unsere Heimat nicht mehr zu den
Ardennen gezählt. Im Mittelalter jedoch erstreckten sich die Arden-
nen weiter nördlich, bis über Aachen hinaus. Zu bemerken ist jedoch,
daß es sich mehr um eine Landschaftsbezeichnung handelte, nicht um
einen fest umgrenzten Bezirk.
Wer mit dem Grafen Dietpold gemeint ist, läßt sich nicht mit Si-
cherheit sagen. Um 1100 wird ein Dietpold als Graf von Fouron-Val-
kenburg genannt. Er war Vogt des Aachener Marienstifts. Es ist mög-
lich, daß der gleiche Dietpold den Königshof Walhorn mitverwaltete.
Denn die Grafschaft war damals ein Amtsauftrag ; der Graf brauchte
also nicht seinen Wohnsitz in der betreffenden Grafschaft zu haben.
Der Königshof Harne wird in der Urkunde als ”wertvolleres Gut”
bezeichnet. Die Gegend gilt ja auch heute noch als besonders frucht-
bar, weil sie mit Lößlehmen bedeckt ist. Vielleicht galt sie damals auch
als besonders wertvoll, weil in ihrem Bereich Eisenbergwerke lagen.
Die Urkunde des Jahres 1076.
Zum Abschluß noch einige Worte über die Urkunde Heinrichs IV.
aus dem Jahre 1076, welche die vom Jahre 1072 ergänzt. Im Jahre
1076 weilte die königliche Familie wieder in Aachen, und bei dieser
Gelegenheit schenkte Heinrich IV dem Marienstift auch die Vogtei,
d. h. die Gerichtsbarkeit über Harne, Lontzen und Mesch. Auch
diese Urkunde ist noch im Original erhalten und befindet sich im
Aachener Stadtarchiv.
Fortan ist das Aachener Marienstift also nicht nur Lehnsherr
von Walhorn, sondern auch Richter und Verwalter.
Schon bald wurden ihm diese Rechte, besonders das Recht der
Vosgtei, streitig gemacht. Die Herzöge von Limburg waren darauf be-
dacht, ihr Gebiet möglichst weit auszudehnen. Im Westen war dies
nicht möglich, weil dort das Herzogtum an das mächtige Fürstbistum
Lüttich grenzte. Also versuchte man es im Südosten, auf Kosten der
* Auch im benachbarten Aachen ist die Erinnerung an das alte Harne fest-
gehalten worden. ‘Es gibt dort in der Nähe der Bahnhofstraße die Horngasse
(heute Verbindung zwischen Hochhaus und Bahnhofstraße).
30
Banken Walhorn und Montzen. Immer wieder kommt es zu Konflikten
mit Aachen, immer wieder ist das Marienstift darauf bedacht, seine
Privilegien von den Kaisern bestätigen zu lassen. So in einer Urkunde
Konrads III. aus dem Jahre 1138 und in einer solchen aus dem Jahre
1226 von Friedrich II.
Auf jeden Fall ist die Gerichtsbarkeit in der Bank Walhorn schon
bald auf die Herzöge von Limburg übergegangen.
Literatur : Monumenta Germanig historica. - Die Urkunden der deutschen
Könige und Kaiser. - 6. Ausgabe : Die Urkunden Heinrich IV., 1. Teil. Bearbeitet
von Dr. v. Gladiss, Weimar, 1953.
Dr. Bernhard Willems : ”Walhorn, seine frühere Bedeutung und sein Name”
in ”Ostbelgische Chronik”, Ausgabe I, 1948,
Herrn Archivdirektor Dr. Meuthen, Aachen, verdanke ich wertvolle Hinweise.
Das Dorfkapellchen.
Vor ungefähr zweihundert Jahren,
Hat man errichtet mich so gern,
Zum Beten, in guten und schlechten Tagen,
Auf dem HAUSETER ”ältesten Kern”,
Er wird wohl heut’ noch ”das Dorf” genannt;
Wo die ersten Hütten und Häuser standen,
Liegt ringsherum der dunkle Wald,
Der oft gezittert vor Räuberbanden.
Da kommt nun ein Mütterlein müd und schwach
Den steilen Berg herauf gestiegen ;
Zu suchen viel Trost unter meinem Dach
Und möchte die Wurzel des Leides besiegen,
So kniet sie nun nieder ;
Ganz innig vertieft ;
Da fühlt sie es wieder :
Ein Tränlein dem Auge entlief ;
Es war keine Träne aus bitterem Leid,
So hörte man sagen aus Ihrem Munde ;
Es war ihr als trüg sie ein neues Kleid ;
Befreit nun von der Herzenswunde,
Und tritt’ sie hervor - wie glücklich sie ist ;
man sieht es ihr deutlich an;
Ein Ausdruck steht in ihrem Gesicht ;
Ach Herrgott, daß ich Dir danken kann!
So steht sie nun friedlich an diesem Ort,
Der alt-unvergeßnen Kapelle ;
Wie oft schon sah man Menschen dort,
Suchend Trost hinter ihrer Schwelle.
Siegfried Janssen
3
Geschichten um Oma Marjännchen
2. Von Geistern und Hexen,
Frau J. PAUQUET - DORR
Auf der Semmel spuckt es. Marjännchen weiß es ganz genau.
Vorige Woche noch, als der Vater auf Krakauen war, wo er das
Schwein beim Bauern geschlachtet hatte, ist es ihm passiert.
Marjännchens Vater, der Pächter vom Schnellenberg, war ein
fleißiger Mann, vom weißen Haus bis zur Lontzener Heide und bis
zum Flönnes in Hergenrath bekannt als guter Schlächter und tüchtiger
Waldarbeiter. Wenn es im Herbst an der Zeit war, das fette Schwein
zu Schlachten, war der Willem vom Schnellenberg sehr begehrt bei
den Bauern von Huset, vom Oberstenbusch, vom Stinkert, von Wau
und Kardeel, von Gippenhag und Brückbend, vom Tiffes, vom Moos-
bend und vom Himmelsplatz.
Für die Kinder war das eine schöne Zeit, denn wenn der Vater
abends heimkam, brachte er nicht nur Wurst und Heuerkäs (*) mit, son-
dern auch manche Neuigkeit und wußte recht Abenteuerliches zu er-
zählen. So auch in diesem Herbst 1877.
Es war ziemlich spät geworden auf Krakauen. Der Bauer hatte
nach getaner Arbeit noch ein Tröpfchen spendiert und es war stock-
dunkel, als der Vater sich auf den Heimweg machte. Schon war er
vom Wiesenpfad auf den Weg zur Semmel gelangt und schritt rüstig
voran, als aus dem Dunkeln zwei grüne Lichter gespenstig aufleuch-
teten. Im fahlen Mondlicht, das eben einmal aus den Wolken hervor-
kam, saß mitten auf dem Weg eine große schwarze Katze. Schwarze
Katzen sind Teufelstiere, und diese hier hatte der Teufel geschickt, der
es nicht gerne sieht, wenn man vor dem Bild in der Kapelle die Mütze
zieht, und der das Gebet nicht hören mag, das dabei zum Herrgott
geschickt wird. Der Vater schwang seinen Knotenstock und schrie :
”Scher dich aus dem Weg da !” Aber das Teufelstier blieb ruhig sitzen
und funkelte nur noch wilder mit den grünen Augen. Und wäre dem
Vater nicht eingefallen, ein großes Kreuzzeichen zu schlagen, dann
hätte er wohl die ganze Nacht durch da stehen können. So aber fauch-
te die Katze laut und war mit einem Satz im Dunkeln verschwunden.
Auch Hexen gab es. Die alte Hermanns, die Bettelfrau aus
Aachen, war eine Hexe. Wie könnte sie sonst so krumm sein und dabei
so schwere Lasten auf dem Kopf tragen, ohne daß je etwas herunter-
fiele ?
Ganz sicher war sie eine Hexe. Im vorigen Frühjahr, als der
Vater allein zu Hause war und eben den Pfuhl reinmachte, kam die
1) Sülze.
33
tern hatten die kleine Ausgabee‘ zu den Sumpfwiesen am Lontzener Bach
geschickt; sie sollten da die giftigen Herbstzeitlosen ausziehen. Das
waren auch Teufelsblumen. Einmal war dem Vater eine Sau einge-
gangen, weil sie von den Zwiebeln der Herbstzeitlose gefressen hatte.
War es aus Freude an der zarten Schönheit der Blumen oder als Be-
weis für die vollbrachte Arbeit, daß jedes der Kinder ein dickes Bü-
schel der blaßblauen Pracht mit nach Hause nahm ? Als sie eben von
der Kelmiser Mühle zum Schnellenberg abbiegen wollten, kam die
alte Bettlerin vorbei, wie die Hexe aus dem Märchen, so krumm und
häßlich. Unheimlich sah sie aus, eine Hand auf der Hüfte, die andere
auf den Knotenstock gestützt, und auf dem Kopf das Bündel mit den
erbettelten Gaben. ”Da kommt die Hexe ! Hexe ! Hexe !” schrien die
Kinder. Weil die Alte, wohl an den Schimpf gewohnt, keine Notiz
davon nahm, erdreisteten die Nachbarsbuben sich und bewarfen sie mit
den giftigen Blumen. Das war der Frau nun doch zu viel. Sie wandte
sich um und lief, wütend mit dem Stock drohend, hinter den schreien-
den Kinder her. Zwar konnten sich alle aus ihrer Nähe retten, doch
einer der Nachbarsjungen war von dem Tage an stumm. Das war die
Rache der Hexe !
Das elektrische Licht hat Hexen und bösen Geistern den Garaus
gemacht, aber damals, als Oma Marjännchen noch ein kleines Mäd-
chen war, da hat es sie gegeben. Bestimmt !
Übrigens, Marjännchen hatte es auch faustdick hinter den Ohren !
Wie die Geschichte mit dem davongeschwommenen Schuh zu Ende ge-
gangen war, hatte ich vergessen. Mein Vetter wußte es noch ! Das Mar-
jännchen ist damals mehrere Monate lang mit zwei verschiedenen
Schuhen zur Schule gelaufen ! Als die Sache ans Tageslicht kam, war
der neue Schuh fast ebenso verschlissen wie der alte und somit war
alle Schelten überflüssig geworden.
34
Eine Hypothese über die Herkunft des
9 (
Namens ” Göhl”
(aus einer Studie über das Stromgebiet der Göhl)
M. Meerman
In der ersten Nummer dieser Zeitschrift schrieb Herr Firmin
Pauquet einen ausführlichen Artikel über die Fluß- und Ortsnamen
”Göhl” und ”Kelmis”. Herr Pauquet diskutierte die Schreibweise der
Namen, doch gab er nebenbei einen Hinweis auf deren Ursprung. Im
Zusammenhang mit dem Namen ”Göhl” lesen wir auf Seite 10, bei
der Jahreszahl 891 u.a. : ”Sieg eines normannischen Heeres über die
Kaiserlichen.” Mir scheint, dieser Hinweis könnte uns helfen eine Ant-
wort auf die Frage zu finden : Woher stammt der Name ”Göhl” ?
Die Normannen drangen im Jahre 881 in Limburg (die heutige
niederländische Provinz Limburg) ein und schlugen ihr Lager in Ascloa
oder Hascloa an der Maas auf. Von hier unternahmen sie ihre Mord-
und Raubzüge durch die Umgebung, wobei besonders die Städte Maas-
tricht, Tongeren, Lüttich, Aachen und Köln zu leiden hatten.
Aus mehreren Gründen hatte die Bekämpfung: der Normannen
anfangs nur wenig Erfolg. Im Jahre 887 jedoch besteigt König Arnulf,
ein. Karolinger, den Thron, und er beginnt sofort, den fremden Ein-
dringlingen energischen Widerstand zu leisten.
891 fand an der Göhl, wahrscheinlich in der Nähe von Valken-
burg, eine Schlacht statt, die den Sieg der normannischen Truppen
über die kaiserlichen sah. Aber Arnulf ließ nicht locker. Er stellte
ein neues Heer auf und trieb nun seinerseits die Wikinger über die
Maas bis nach Löwen, wo er Ihnen eine vernichtende Niederlage be-
reitete,
In seinem Werk ”Geschiedenis van Limburg” schreibt H.A. Beau-
jean folgendes über diese Schlacht : ”Trotz ihrem herausfordernden
Schlachtruf : ”Göhl ! Göhl !” wurden die Normannen völlig geschlagen
und zerstreut.”
Bestätigt wird dies im ”Noodzakelijk Pro Memorie” von M. Kemp.
Er schreibt : ”Die Vernichtung der nordischen Streitkräfte in der Nähe
von Löwen, wo die Wikinger ihre Gegner mit dem Ruf ”Göhl !” emp-
fingen, war eine glänzende Revanche König Arnulfs,”
35
”Göhl! Göhl !” war also der Schlachtruf der Normannen. Nun
kann man aber kaum annehmen, daß sie dabei an unsere Göhl dachten.
Wir müssen also in den skandinavischen Sprachen nach einem Wort
gleicher‘ Bedeutung suchen. Und dabei stoßen wir auf einen Anhalts-
punkt,
In der nordischen Mythologie ist die Rede von einem Fluß na-
mens ”Gjöll”. Die Gjöll ist ein Fluß der Unterwelt ; über ihn gelangten
die Toten ins Totenreich, ins Reich der Hel. Weg und Brücke, die über
den Fluß führten, waren ständig bewacht und nur Toten zugänglich.
Auch Frauen und Kinder kamen’ für dieses Jenseits nicht in Frage.
Nur tapfere Männer hatten Einlaß, so daß der übergroße Teil der
Passanten aus gefallenen Kriegern bestand.
Somit ist meiner Meinung nach der Name ”Göhl” germanischen
Ursprungs. Man könnte so eine Erklärung dafür finden, wie das uns
bekannte Flüßchen zu seinem Namen gekommen ist. Zwei Erklärun-
gen bieten sich an :
Erstens : Während der Schlacht an der Göhl, wo die Norman-
nen siegten, haben sie zweifellos viele ihrer Gegner ins Wasser hin-
eingetrieben oder -geworfen ; anschließend gaben sie dem Flüßchen,
in Analogie zum Unterweltstrom ihrer Mythologie, den Namen ”Gjöll”.
In diesem Fall kommt der Name direkt von den Normannen,
Zweitens : Wahrscheinlicher ist, daß die Normannen das Wort
”Gjöll” als Kriegsruf gebrauchten. Dieser Ruf bedeutete soviel wie :
”Nieder mit ihnen ! Befördert sie hinüber in den Totenfluß !” In die-
sem Fall ist in.der Schlacht an der Göhl wohl aus Tausenden von Keh-
len dieser Ruf erklungen, und man hat später dem Wasser diesen
Namen gegeben.
Wie dem auch sei : das Merkwürdigste an der ganzen Geschichte
ist wohl, daß der Name durch Jahrhunderte unverändert geblieben ist.
Die Mundart hat den ursprünglichen Namen geschützt. In niederlän-
disch-Limburg spricht man nicht von ”Göhl”, sondern man sagt : ”de
Gjöll” oder ”de Jöl”.
Quellennachweis :
H. Welters : De Noormannen te Elsloo.
Publications de la Societ& Historique et Archeologique dans le Duche de Lim-
bourg, 1873.
Edmund Murdrak : Nordische Götter- und Heldensagen.
36
Historische Betrachtung.
Pauquet Firmin, Inspektor für Volksbildung
Als Zugabe zu der von Herrn MEERMAN gebrachten legendä-
ren Erklärung des Flußnamens ”Göhl” und als Ergänzung meines
Aufsatzes in Heft I, 1967, S. 10-11, möchte ich hier die historische
Quelle zur Sprache kommen lassen, in der der Flußname erstmals er-
wähnt wird. Auf derselben Quelle beruht übrigens auch die sagenhafte
Erklärung des Herrn Meerman.
In meinem vorigen Aufsatz hatte ich nur die älteste Erwähnung
des Flußnamens auszusweise nach den Angaben des Vervierser Ger-
manisten Jules FELLER wiedergeben. Inzwischen ist es mir mit der
liebenswürdigen Hilfe des Herrn Archivdirektors Erich MEUTHEN,
Aachen, gelungen, die Quelle, woraus. Feller schöpfte, zu entdecken.
Es ist die Chronik des Abtes Regino von Prüm, der 892 bis 899 die
Abtei Prüm leitete, später Abt in Sankt Martin zu Trier wurde und
915 starb. Wir haben es also mit einem Zeitgenossen der Normannen-
raubzüge zu tun, der bedeutenden Klöstern in der nächsten Umgebung
vorstand und deswegen als besonders vertrauenswürdig erscheint. Diese
selbstverständlich in lateinischer Sprache geschriebene Chronik wurde
1890 von Friedrich KURZE in Hannover in der Reihe ”Monumenta
Germanig historica, Scriptores Rerum Germanicarum in usum scho-
larum” veröffentlicht. Dieser Veröffentlichung in der Originalsprache
entnehme ich den Satz, wo die Göhl zitiert wird (S. 137) :
”Cumque torrentem, qui Gulia dicitur, transissent, acies pariter sub-
stiterunt ; dehinc deliberant, ne omnis exercitus incassum fatigaretur,
ut unusquisque procerum duodecim ex suis mitteret, qui in unum ag-
men’ redacti hostes investigaret”.
Eine gegenüberstehende Übersetzung wurde von Reinhold RAU
im 3. Teil der ”Quellen zur Karolingischen Reichsgeschichte” Berlin,
1960, veröffentlicht. Aus dieser deutschen Übersetzung (S. 291-293)
stammt folgender Atıszug, der die Geschehnisse des Jahres 891 schil-
dert.
”Im Jahre der göttlichen Menschwerdung 891 ziehen die Norman-
nen, durch die beiden unmittelbar aufeinander folgenden Schlachten
in der Bretagne sehr geschwächt, mit ihrer Flotte in Lothars Reich,
schlagen dort ein Lager auf und machen Beute. Gegen sie schickt
König Arnolf ein Heer und befiehlt diesem, an der Maas die Zelte zu
errichten und den Feinden den Übergang über den Fluß zu verwehren.
Doch ehe sich das Heer an dem verabredeten Orte bei der Feste Maas-
tricht sammeln konnte, setzten die Normannen flußaufwärts bei Lüttich
über die Maas, Tassen die feindlichen Scharen in ihrem Rücken und
zerstreuen sich in den Wäldern und Sümpfen in der Nähe der Pfalz
Aachen ; sie töten alle, die. ihnen in die Hände fallen, und nehmen
37
sehr viele Wagen und Karren weg, auf denen dem Heer Lebensmittel
zugeführt wurden. Als das Gerücht hievon zum Heere drang, welches
gerade an dem Tage der Geburt des hl. Johannes des Täufers fast voll-
ständig beisammen war, ergriff nicht sowohl Zagen als vielmehr läh-
mendes Entsetzen die Gemüter aller. Die Anführer aber berufen einen
Kriegsrat und beratschlagen nicht über die Gefahr, sondern über die
Ungewißheit, in der sie waren, ob jene durch das Gebiet der Ribuarier
nach Köln marschieren oder über Prüm den Weg nach Trier einschla-
gen oder gar aus Furcht vor der gegen sie versammelten Menge über
die Maas setzen und zu ihrer Flotte eilen würden. Inzwischen machte
der Einbruch der Nacht der Versammlung ein Ende. Am nächsten
Tage, als die Morgenröte die Strahlen ihres Lichtes erglänzen ließ,
legen alle die Waffen an und ziehen kampfbereit mit flatternden Fahnen
flußabwärts zur Schlacht. Und als sie einen Bach, die Geule, über-
schritten hatten, machten ihre Abteilungen zu gleicher Zeit Halt ; da-
rauf beschließen sie, damit nicht das ganze Heer fruchtlos sich ermüde,
jeder der Hauptleute solle zwölf von den Seinigen auswählen, die zu
einer Schar vereinigt die Feinde aufspüren sollten. Als sie noch hier-
über verhandelten, erschienen plötzlich die Späher der Normannen.
Als diesen die gesamte Mannschaft, ohne die Führer zu fragen, in
aufgelöster Ordnung nachsetzt, stößt sie in einem Dörfchen auf die
Haufen des Fußvolks, die zusammengeballt leicht die zerstreut an-
rückenden Angreifer zurücktreiben und zum Rückzuge zwingen. Wäh-
rend sie nun, wie es ihre Sitte ist, mit den Köchern rasseln, steigt ihr
Geschrei gen Himmel und beginnt die Schlacht. Die normannischen
Reiter fliegen, als sie den Lärmruf hören, mit der größten Eile herbei
und indem der Kampf heißer wird, wendet das Heer der Christen, o
Schmerz, als Folge seiner Sünden den Rücken. In diesem Treffen fie-
len Sunzo, der Bischof von Mainz, und der Graf Arnolf, sowie eine
unzählige Menge anderer vornehmer Männer. Die Normannen nehmen
nach errungenem Siege das mit Reichtümern aller Art angefüllte Lager
ein, metzeln ihre Kriegsgefangenen nieder und kehren beutenbeladen
zur Flotte zurück. Diese Niederlage ereignete sich aber am 26. Juni.
Bemerkenswert ist, daß RAU den niederländischen Flußnamen
”Geule” für ”Göhl” setzt. Was nun speziell einen möglichen Ursprung
des Flußnamens ”Göhl” aus der Normannensprache betrifft, so muß
der Historiker dem gegenüber sehr skeptisch bleiben. Die Beschreibung
der Ereignisse durch den Zeitgenossen Regino gibt hierzu keinen An-
laß. Im Gegenteil, der Name des Baches (Gulia) scheint den Franken
vor der Schlacht bekannt zu sein. Deswegen traue ich eher der von
SCHÖNFELD vorgeschlagenen Deutung, welche laut Dr. Kohnemann
heute von den Germanisten als allgemeingültig angesehen wird, d.h,
”schmales, tiefes Gewässer”.
38
Die Rochus-Kapelle im Göhltal
Pastor J. Olbertz, Kelmis - Neu-Moresnet
Im schönen Wiesengrunde, direkt am Zusammenfluß des Esel-
bacherbächleins (Grünstraßenbach) mit dem Hornbach, hundert Meter
vor dessen Eintritt in die Göhl, wenig abseits von der Aachen-Lütticher
Landstraße, in der tiefsten Senkung von Neu-Moresnet, liegt die alt-
ehrwürdige St. Rochuskapelle.
Es gibt verschiedene Kapellen, Bildstöcke und sogar eine Pfarr-
kirche (Hauset) in unserer Gegend zu Ehren des hl. Rochus. Sie stam-
men wohl alle aus den Pestzeiten im Limburger Land, in der ersten
Hälfte des 17. Jahrhunderts, St. Rochus wurde und wird ja bekanntlich
als Schutzheiliger gegen die Pest verehrt ; er hat sich selbst im Dienst
der Pestkranken aufgeopfert.
Unsere Rochuskapelle, unter Denkmalschutz stehend, ist ein alter
Barockbau im Schatten einer mächtigen Linde, die wohl früher als
Gerichtslinde gedient hat.
Herr Inspektor Pauquet hat in seinen geschichtlichen Forschungen
über den Ursprung und die Entwicklung von Kelmis einige historische
Angaben bezüglich unserer Kapelle veröffentlicht (vergl. das vorige
Heft ”Im Göhltal”, N°2, S. 31 f. und die Festschrift zur ”Jahrhundert-
feier der Pfarre Kelmis”, S. 6). Daraus ist zu entnehmen, daß die
erste Erwähnung der Kapelle aus dem Jahr 1646 stammt ; aber so,
daß sie damals schon eine Zeitlang bestehen mußte.
Die Kapelle bildete zu dieser Zeit anscheinend den Mittelpunkt
des Weilers Kelmis, in der Nähe des weitbekannten Galmei-Altenber-
ges, 1654 zur Herrschaft Kelmis erhoben. Dafür spricht auch die Be-
zeichnung der unmittelbaren Umgebung der Kapelle : in’t Dörp.
Die Herrschaft Kelmis gehörte kirchlich zu 3 Pfarreien : Moresnet,
Montzen und Walhorn. Die Kapelle lag auf Montzener Pfarrgebiet
(zwischen den beiden obenerwähnten Bächen).
Damals bestand schon eine alte Stiftung, gemäß der der Pfarrer
von Montzen 3 mal im Jahr in der Kapelle das hl. Opfer feiern mußte :
am St. Rochusfest, sonntags und montags in der Oktav von Mariä
Geburt. Auch mußte er, bzw. der Kirchenrat von Montzen, die Kapelle
unterhalten,
Durch mehrfachen Franzoseneinfall in der zweiten Hälfte des 17.
Jahrhunderts und die schrecklichen Verwüstungen der Soldateska wur-
de auch die Rochus-Kapelle im Göhltal schwer mitgenommen.
Um das Jahr 1695 wurde sie dann von Montzen aus mit Unter-
stützung der umliegenden Einwohner wieder instandgesetzt.
40
1754 wurde ein Barockaltar aus der Montzener Pfarrkirche in
die Kapelle übertragen ; es ist vielleicht der noch heute in der Kapelle
befindliche.
Von 1824 bis 1946 gehörte die Kapelle (mit ganz Preußisch -
bezw. Neu-Moresnet) zur Pfarre Hergenrath ; seitdem zur Pfarrge-
meinde Kelmis, die bekanntlich 1858 gegründet worden war.
Die Kapelle selbst ist, wie gesagt, ein typischer, ganz schlichter
Barockbau in Bruchsteinen, mit einfacher Fassade und je zwei
hellen Seitenfenstern. Neben der Eingangstür sind zwei Guck- oder
Luftlöcher von etwa 20 cm. Durchmesser durchgestoßen ( an jeder
Seite eins), die die Fassade ein wenig unterbrechen und auflockern.
Über der Tür hängt ein altes Kruzifix mit getäfeltem Hintergrund. Seit-
lich an der Mauerecke die typische Laterne aus der ”guten alten Zeit”,
um den Zugang zur Kapelle spärlich zu erleuchten. Und auf dem
Dach der zierliche barocke Dachreiter, das Türmchen mit der kleinen
Glocke, die beschriftet ist : ”1651 + S. Maria ora pro nobis” ; also
über 300 Jahre alt.
Das Innere der Kapelle ist bautechnisch noch schlichter als der
Außenbau. Doch die Ausstattung hat schon ihren bedeutenden Wert.
In der großen Mittelnische des Barockaltars (s. oben) steht heute
(seit wann ?) die der Größe der Nische angepaßte St. Rochus-Statue,
als gegossene Gipsfigur nach Schema F, natürlich ziemlich wertlos,
wie leider so viele Statuen aus der Zeit der Jahrhundertwende und
weiter davor und danach.
Früher hatte jedenfalls die andere St. Rochusfigur den Ehren-
platz im Altaraufbau, die heute seitwärts zu sehen ist, holzgeschnitzt,
allerdings überreichlich bunt bemalt. Dieselbe war vor längerer Zeit
(während des Krieges ?) nach Hergenrath gebracht worden, schein-
bar sicherheitshalber, und ist vor etwa 3 Jahren wieder zurückgekom-
men.
Außer dieser letzteren befindet sich noch eine dritte St. Rochus-
Statue in der Kapelle, mit Engel und Hündchen, eine kleine aber feine
Holzschnitzarbeit, glücklicherweise nicht bemalt. Im gleichen Stil wie
diesen kleinen Rochus birgt die Kapelle noch ein schönes Kunstwerk :
die Heilige Familie auf der Flucht, ebenso holzgeschnitzt und ohne
Farbe. %
Am wertvollsten ist die gotische lächelnde Madonna mit dem
Kind, die sicher ein hohes Alter aufzuweisen hat ; genau wird es wohl
niemand bestimmen können. Maria trägt Krone und Zepter. Vor un-
gefähr 20 Jahren hat der hiesige Bildhauer Hans Everts (vor 2 Jahren
gestorben) die Krone, die zerbrochen war, kunstvoll erneuert und dem
Kind ein Ärmchen ergänzt ; der Maler Franz Griesenbrock aus Vaals
gab der Statue bei dieser Gelegenheit einen dezenten Anstrich.
Betreuer der Kapelle in der Vergangenheit waren lange Zeit die
Geschw. Heuschen ; danach mehrere Jahre Familie Lintzen, und seit
41
dem letzten Jahrzehnt Familie Bindels, (jetziger Bürgermeister von
Neu-Moresnet).
In diesen Jahren hat die Kapelle schon zweimal einen neuen An-
strich erhalten. Ein großer Nachteil ist nämlich die tiefe Lage, unmit-
telbar an den Wasserläufen. Bei Hochwasser steht die Kapelle öfters
unter Wasser, manchmal bis zu einem Meter. Darum sind die Wände
ziemlich feucht, was wieder einige Mehrarbeit mit sich bringt.
Seit einer Reihe von Jahren konnte von der Pfarre Kelmis aus
ein einigermaßen regelmäßiger Gottesdienst eingerichtet werden, außer
sonntags und in der Winterzeit. So erfüllt die Kapelle besser als je
ihren Zweck, und so haben die anliegenden Bewohner ”in’t Dörp”
öfters Gelegenheit zur Mitfeier des hl. Opfers an Wochentagen. Bisher
war sonntags nur 2mal hl. Messe in der Kapelle, am St. Rochus-Fest
und am Kirmessonntag abends.
Wahrscheinlich wird die alte Kapelle in baldiger Zukunft wieder
eine größere Bedeutung bekommen. Auf den Höhen des Schnellen-
berges wird mächtig gebaut. Ein großes Feriendorf ist bald fertigge-
stellt, das 400 Leute beherbergen soll; und 70 Häuser sind vorgese-
hen, die sicher noch ein paar Hundert weitere Einwohner aufnehmen
werden.
Bei diesem Massenandrang in der Nähe unserer lieben Kapelle
wird sie natürlich zu klein sein. Die Frage der Zukunft : Wie wird
man da helfen und Platz schaffen können für die Hunderte von Zuge-
wanderten, die doch, so hoffen wir, zum großen Teil Wert legen wer-
den auf die Teilnahme am gemeinsamen Gottesdienst ?
Die Kapelle vergrößeren geht wohl kaum an. Sie würde dadurch
an ihrer ”Symmetrie” verlieren, und wegen der Wassergefahr wäre es
nicht ratsam, an der Kapelle selbst anzubauen, um mehr Platz zu
schaffen. Man wird auf die Dauer, wenn die vorgesehenen Baupläne
am Schnellenberg alle durchgeführt werden, an einer anderen Stelle
eine größere Kapelle bauen müssen. Dabei nützt auch das Bedauern
nichts, daß unsere alte Kapelle ihrem wahren Zweck dann nicht mehr
dienen würde. Doch das liegt in der Zukunft.
Noch einmal zurück ins Inmere unseres St. Rochus-Heiligtums.
Der erneuerten Liturgie entsprechend sind im letzten Jahr die nötigen
Änderungen vorgenommen worden. Den alten Altartisch hat man ent-
fernt, einen neuen Opfertisch errichtet (zum Volk hin gerichtet). Auf
zwei Ziegelblöcken ruht der neue Tisch aus Holz mit dem kleinen
Altarstein. Bei der Entfernung des alten Tisches fand man einen ur-
alten Altarstein mit den vier Weihe-Kreuzen. Den hat man seitwärts
aufgestellt und unter dem Kredenztisch eingemauert, ein Zeuge längst
vergangener Zeit.
Die Umarbeiten sind unter der Leitung von Herrn Bindels ausge-
42
führt worden, der Altartisch und der Ambo (Leseständer) sind das
Werk von Herrn Professor Eyskens.
Das Neueste : Herr Bindels hat vor kurzem eine Reihe Bänke aus
der Gnadenkapelle in Moresnet erstanden, die dort überflüssig gewor-
den sind. Sie werden jetzt die alten morschen Bänke ersetzen, sodaß
wir im Frühjahr in einem erneuerten ”Tempelraum” das hl. Opfer
feiern können.
Ein kleines Gotteshaus, altehrwürdig, das wieviele Generationen
gesehen hat, gute und böse Tage erlebt und manche notvolle Zeit
durchgemacht hat, das schließlich vor Jahrhunderten gebaut wurde
zur Ehre Gottes und als Sammelpunkt für die Menschen in ihrem
Beten und Dienen vor Gott, verlangt von uns Ehrfurcht und würdige
Behandlung. Und wir - alle, die ihm nahe stehen -, wollen mit dieser
Ehrfurcht das Heiligtum hüten in dem Geiste, in dem unsere Vorfahren
es errichtet haben ... unsere alte Rochuskapelle im schönen Wiesen-
grund, im Göhltal !
Unser Foto - Quiz
® ww. BILD A.
+ EEE P x a m
; SEE ac PD Wo könnte dieses
3 ZB ZN ZZ je EZ Haus stehen ?
7 ee e u Ad A 2 1. in Gemmenich
3 SEM Kn 3292. in Kelmis
S / N aa FE
F . “ Zn AR = Zi oder
BE dv SE ‘0 a
1 N PR FR i
I Ze E TA WER GA } = 3. in Moresnet.
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BD A ] S 2 auch hier : Wo steht
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KA $ 3. in Hauset.
Wenn Ihr das wißt, so versucht, so genau wie möglich zu erfor-
schen, wann diese beiden Gebäude errichtet wurden. Nähere Angaben
befinden sich in den Gemeinde- oder Pfarrarchiven. Auch eventuell
vorhandene Daten - oder Wappensteine können als Belege dienen.
Das Resultat Eurer Forschungen — auch unvollständige Anga-
ben — schreibt ihr auf eine Postkarte, die Ihr an meine Adresse sen-
det :
Jak. Demonthy, 32 Jansmühle, Neu-Moresnet.
Gewiß wird unser Ratespiel bei Euch reges Interesse finden, da-
mit wir in unserer nächsten Nummer neben der Aufklärung des jet-
zigen Rätsels, wiederum einige Bilder zum Erraten bringen können.
Nach dem 3. Foto-Quiz wird ein Preisrichterkollegium den ak-
tivsten Ratern ein heimatkundliches Buch zusenden.
Das wär’s für heute,
Euer Fotofreund
JADE,
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JOSEF PONTEN
Ein großer Sohn Raerens,
Vor 28 Jahren, am 6. April 1940 schloß in München ein großer
Sohn Raerens, der Schriftsteller Josef Ponten, für immer seine Augen.
Am 3. Juni 1883 erblickte er in dem einst durch seine Kunst-
töpferei bekannten Dorfe Raeren im Lande Eupen das Licht der Welt.
Wer heute die Hauptstraße des weiträumigen Dorfes auf der nörd-
lichen Fußfläche des Hohen Venns entlangwandert, findet sein schlich-
tes Geburtshaus in der Nähe der schönen Pfarrkirche. Die ersten Kin-
derjahre verlebte er in Lontzen, wo der Vater an der Straße nach Busch
ein Haus baute. Die rege Bautätigkeit lockte den strebsamen Hand-
werker als Bauunternehmer nach sieben Jahren in die Kaiserstadt
Aachen. Josef, den Schüler des Kaiser-Karl-Gymnasiums, zog es in
den Ferien hinaus in die Natur zu den Großmüttern nach Raeren und
nach Kesternich, wo seine Mutter Katharina Nießen geboren war. Von
Jugend auf gärten in ihm die Kräfte, die nach eigenem Ausdruck und
nach Allerfassung des Lebens drängten. An den Hochschulen in Genf
und Bonn, wo er später den Doktorgrad erwarb, studierte er West-
sprachen und Philosophie sowie seine Lieblingsfächer Geographie,
Geologie und Astronomie, an der Technischen Hochschule in Aachen
Architektur und Kunstgeschichte. Wissensdrang und Fernweh trieben
den jungen Studenten auf Wanderschaft in Deutschland, Belgien, Frank-
reich, Holland und England. Schon als Knabe übernahm Ponten weder
Wissen noch Können, sondern wollte alles selbst erschauen, erkennen
Fr und erforschen.
EIN
Zn Er sagte : ”Das Geheim-
(a Zar nis dichter Wälder, der un-
KS_ u RS ergründlich stumme Baum,
Be 7 DS N der einsam im leeren Himmel
N hangende Sperber, das läuten-
el N de, fressende, sich pflanzende
VE Vieh der Weiden sind bessere
ZU 7 SE) Gesellschaft für werdende
U E70} Dichter als Bücher.” Sein er-
X FR Wi EC stes Werk, der Roman ”Jung-
| a „ fräulichkeit” (1906), zeigt
WEEZE die wundervolle Schilderung
WI ES: von Land und Leuten, Land-
ZA A KES RN schaft und Verhältnissen des
ZZ NZZ 8 3 Hohen Venns.
% A fl PE Sein noch gärendes Ta-
NV f lent sucht hier die Welt in
ihrer geographischen Realität
dichterisch zu gestalten. Wirk-
Vz VO / lichkeitsfremd jedoch ist die
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Handlung, die tragische Geschichte einer Ehe, in den dörflichen Rah-
men Kesternichs inmitten der herben Buchenheckenlandschaft zwischen
Venn und Eifel hineingestellt. Über ihm steht der mütterliche Großva-
ter, der, ”bevor es die Eifelbahn gab, Fuhrmann war auf der Straße
von Aachen nach Monschau. Er hält seinem verschnaufenden Pferde
einen Heuwisch vor und verliert sich, mit dem Arme die Au-
gen überschattend, über Hochflächen und Moore.” Seinem Ge-
burtsort Raeren setzt Ponten in dem Landschaftsroman ”Sie-
benquellen” (1908) ein Denkmal. Liebevoll zeichnet er das Eupe-
ner Land : ”Eine große Lieblichkeit ist überall, als hätte Gott,
als er über das Chaos dachte, an dieser Stelle besonders lieb-
lichen Gedanken nachgehangen. - Eine große Weichheit und Zwang-
losigkeit, ein Verschmähen aller Gewalt liegt über die grünen Fluren
gebreitet.” Die Romane und Novellen Pontens lassen sich in keine
Gruppe und in keine Richtung einordnen. Sie sind einmalig nach Form
und Gehalt. Man kann bei ihnen nicht nur von Heimatkunst sprechen,
sie gehören der großen Literatur an und lassen literarisch interessierte
Kreise aufhorchen. 1910 werden künstlerische Arbeiten und die Bio-
graphie ”Alfred Rethels” veröffentlicht. Die ”Griechischen Landschaf-
ten” (1914) mit Bildern seiner Frau Julia Ponten (geb. von Broich)
sind als erster Versuch künstlerischen Erdbeschreibens zu werten.
Der erste Weltkrieg überrascht Josef Ponten auf Spitzbergen.
Daß er heimfand und als Soldat die weiten Räume des Ostens erlebte,
war für ihn insofern von Schicksalsbedeutung, als er dort erstmals
Spuren der deutschen Auswanderung früherer Jahrhunderte fand. 1925
führte ihn der Weg wieder an die Wolga, in den Lebensraum der Wol-
gadeutschen, wo er sein langgeahntes Lebensthema ”Volk auf dem
Wege” fand. Als an der Völkergrenze Erwachsener ist Ponten behütet
vor nationalen und übernationalen Überschwenglichkeiten. Einträchtig
leben im Westen Romanen und Germanen nebeneinander. An der Wol-
ga treffen sich die Lebensräume der Russen, der deutschen Kolonisten,
der Kirgisen und Kalmücken in friedlicher Koexistenz und in der Ach-
tung miteinander geschlossener Verträge. In einem Selbstbildnis fragt
der Dichter : Sprech ich für Nationalismus ? Meinem Herzen liegt
Pazifismus näher. So zeigen seine Werke schon früh das Bild eines
friedlichen Zusammenlebens der Völker. ”So sind die Völker!” sagt
er. ”Wenn sie ihre Tugenden besser verstünden, sie würden sich ihre
Laster leichter verzeihen.”
Im Roman ”Der Babylonische Turm” (1918) schildert er den
Verfall einer rheinischen Baumeisterfamilie. Auf dem Gipfel seines
ersten reifen Mannes- und Künstlertums entstehen in rascher Folge die
Novellen ”Die Insel” (1918), ”Der Meister” (1919) und ”Die Bock-
reiter” (1919). Nun setzt neue Gärung ein und Weiterentwicklung vom
egozentrischen Ponten zum weltoffenen, liebenden, menschlichen.
Diese Wandlung offenbart sich in dem Roman ”Salz” (1922), in
den Novellen ”Die Uhr von Gold”, ”Der Gletscher”, ”Kleine Prosa”
und ”Der Urwald”,
* Im Lesesaal der Aachener Stadtbibliothek findet zur Zeit eine Ponten - Ausstellung statt.
Geöffnet bis zum 11, Mai.
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Organisch mit Pontens Lebenswerk verbunden ist das Buch ”Ar-
chitektur, die nicht gebaut wurde”. Hier trägt er Pläne und Ideen der
Baumeister von der Gotik bis zur Gegenwart zusammen, die im Ent-
wurf steckenblieben. Zeitweise war Ponten als Diesseitsmensch den
Freigeisterei- und Pantheismusideen nicht unzugänglich, doch zeigen
die beiden selbstbiographischen Novellen ”Der Knabe Vielnam” und
”Der Jüngling in Masken” - zusammengefaßt in dem Roman in Ver-
kleidung ”Salz” - nach Hanns Martin Elster eine erwachende Religio-
sität. Dieser schreibt : ”Jetzt erst brachte die erreichte Höhe jene Tat-
sache, daß Gott Mensch wurde ..., in ihm die Sehnsucht zum Heilig-
sten, zum Geist, zu Gott in Bewegung.”
Ein rastloser Wanderer ist er sein Leben hindurch geblieben. Auf
den Spuren einstiger Auswanderer und im Dienste seines weitläufigen
Romanwerkes bereiste er 1928-29 Nordamerika, 1936 Nordafrika, |
1932 bis 1934 die Balkanländer, 1936 Südamerika. Noch zwei Jahr-
zehnte wollte er seinem Lebenswerke widmen. Es galt, eine Überfülle
des Stoffes zu klären und dichterisch zu gestalten. Schon 1934 waren
die ersten Auswandererromane ”Im Wolgaland” und ”Die Väter zogen
fort” erschienen.
Sein früher Tod nahm ihm jedoch bald die Feder aus der Hand.
Er war, wie Pelz von Felinau am 15, Februar 1959 in einem Rund-
funkvortrag sagte, ”Ein Licht, das zu früh erlosch.”
Peter Emonts-pohl
Wohin ...?
Sausende Reifen,
schleuderndes Rasen :
ohne Begreifen
fressen sie Straßen.
Rasselnde Achsen,
rauchendes Keuchen :
Landschaften wachsen-
Gleise verscheuchen.
Heulende Düsen,
fauchendes Zischen :
Erde zu Füßen,
fern und verblichen ...
Das sind die schnellen
supermechanischen
Wandergesellen,
die uns verwischen.
Maschinenmenschen
heißt unsere Zunft;
Zukunftsmaschinen
kalter Vernunft ?
leo wintgens
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Statuten
der Vereinigung für Kultur, Heimatkunde und Geschichte im Göhltal
veröffentlicht im Belgischen Staatsblatt vom 20. Juli 1967,
In der Versammlung vom 13. Dezember 1966 in Anwesenheit von
Herrn Pfarrer Brüll, Alfred Bertha, Josef Pavonet, Hergenrath, Fräu-
lein Georgette Xhonneux, Herrn Jakob Demonthy, Neu-Moresnet ;
Herrn Pfarrer Olbertz, Fritz Steinbeck, Firmin Pauquet - Inspektor
des deutschsprachigen Kulturamtes, Kelmis ; Herrn Pfarrer i.R. Darcis,
Leo Wintgens, Moresnet ; Herrn Gerard Tatas, Gemmenich
wurden folgende Satzungen zur Gründung ‚eines Kultur- und Ge-
schichtsvereins aufgestellt und gutgeheißen :
Artikel 1 : Die ”Vereinigung für Kultur, Heimatkunde und Geschich-
te im Göhltal” ist eine Gesellschaft ohne Erwerbszweck mit dem
Hauptsitz in Kelmis.
Artikel 2 : Ziel und Zweck dieser deutschsprachigen Vereinigung sind
das Studium der Geschichte und die Pflege von Mundart, Sprache und
Brauchtum der Göhlgegend.
Artikel 3 : Zur Erreichung dieser Ziele sind folgende Tätigkeiten vor-
gesehen :
— die Herausgabe einer heimatkundlichen Zeitschrift mit dem Titel
”Im Göhltal”, und eventuell andere Veröffentlichungen ;
— die Einrichtung eines Heimatmuseums ;
— die Schaffung einer Heimatbibliothek ;
— die Organisierung von kulturellen Veranstaltungen in den ver-
schiedenen Ortschaften der Göhlgegend sowie Besichtigungen
u. 8. W.;
— die enge Zusammenarbeit mit benachbarten Geschichtsvereinen
und anderen kulturellen Vereinigungen.
Artikel 4 : Die ”Vereinigung für Kultur, Heimatkunde und Geschich-
te im Göhltal” enthält sich jeder politischen Tätigkeit oder Tendenz.
Artikel, 5 : Die Vereinstätigkeit erstreckt sich über das Gebiet der
Göhl von ihrer Quelle bis zur niederländischen Grenze,
Artikel 6 : Jede Person, juristische Person oder Organisation kann
Mitglied des Kultur- und Geschichtsvereins werden, wenn sie die Sat-
zungen bejaht und den festgesetzten Jahresbeitrag leistet. Der Vorstand
kann jedoch aus triftigen Gründen ein Mitglied ablehnen oder aus-
schließen. Jedes Mitglied erhält kostenlos die Zeitschrift ”Im Göhltal”.
Artikel 7 : Der Verein setzt sich aus Gönnern, aktiven und inaktiven
Mitgliedern zusammen.
Artikel 8 : Der Verwaltungsrat wird aus aktiven Mitgliedern gebildet.
Zum engeren Vorstand gehören :
Der Vorsitzende, zwei Beisitzer (oder stellvertretende Vorsitzende) der
erste und der zweite Schriftführer (Sekretär und Protokollführer), der
Kassierer, der Lektor, der Schriftleiter der Zeitschrift, eventuell der
Kustos.
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Artikel 9 : Der Verein wird geleitet und vertreten durch den Vor-
sitzenden. Ihm obliegt es, die Versammlungen und Tätigkeiten zu lei-
ten sowie die Ausführung der Beschlüsse zu überwachen.
Der 1. Schriftführer verwaltet den Schriftverkehr. Er hat Vollmacht zu
Unterschrift ; jedoch müssen Schriftstücke, die den Verein verpflichten,
vom Vorsitzenden gegengezeichnet werden.
Der 2. Schriftführer führt Protokoll bei jeder Versammlung und
schreibt den Jahresbericht.
Der Kassierer verwaltet den Kassenbestand und führt die Kassenbücher.
Jeder Betrag über eintausend Franken in bar ist auf das Postscheck-
konto oder Bankkonto zu überweisen. Geldanweisungen über eintau-
send Franken werden vom Vorsitzenden oder vom 1. Schriftführer
gegengezeichnet.
Der Lektor prüft die eingereichten Manuskripte und trifft die Auswahl.
Er ist hierüber dem Vorstand Rechenschaft schuldig.
Der Schriftleiter der Zeitschrift ”Im Göhltal” ordnet die Beiträge, be-
spricht den Druck mit dem Drucker und verbessert gemeinsam mit |
dem Lektor die Korrekturbogen. Die Beiträge selbst verpflichten je-
doch nur den Verfasser. |
Der Kustos verwaltet Museum und Bibliothek. Er befaßt sich gege-
benenfalls mit der Organisation der Ausstellungen. |
Artikel 10 : Der Verwaltungsrat wird wie unter Artikel 15 vorgese- |
hen’ gewählt. Er trifft schwerwiegende verwaltungstechnische Entschei-
dungen, so zum Beispiel Anschaffungen und Veräußerungen. Die Höhe
der Beiträge wird von ihm festgesetzt.
Artikel 11 : Die Zahl der Mitglieder der Vereinigung ist unbegrenzt,
darf jedoch nicht weniger als drei betragen.
Artikel 12 : Als Ehrenmitglieder werden jene Mitglieder aufgenom-
men, die einen vom Vorstand festgesetzten Beitrag auf Lebenszeit ent-
richten. Ein Beschluß des Vorstandes kann jedoch auch verdienstvolle
Persöhnlichkeiten als Ehrenmitglieder anerkennen.
Artikel 13 : Die Einladungen zu Versammlungen des engeren Vor-
standes oder des Verwaltungsrates erfolgen schriftlich auf Anordnung
des Vorsitzenden oder auf Verlangen von mindestens einem Drittel
des Verwaltungsrates,
Die Versammlungen wie auch die Veranstaltungen finden abwechselnd
in den verschiedenen interessierten Ortschaften statt.
Artikel 14 : Einmal jährlich findet eine Generalversammlung statt.
Die Einladung hierzu erfolgt durch Anzeige in der Zeitschrift ”Im
Göhltal” und in der Presse. Bei der Vollversammlung legt der 2.
Schriftführer den Jahresbericht vor. Der Kassierer wird nach der Prü-
fung des’ Kassenbuches durch zwei vom Vorstand bestimmte Revisoren
entlastet.
Artikel 15 : Alle zwei Jahre werden auf der Vollversammlung der
Verwaltungsrat sowie der engere Vorstand zur Hälfte neu gewählt.
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Die ausscheidenden Mitglieder können wiedergewählt werden. Nur an-
wesende Mitglieder werden in den Verwaltungsrat gewählt. Sollte je-
mand in Abwesenheit gewählt werden, so muß seine schriftliche Ein-
willigung eingeholt und aufbewahrt werden.
Die Wahl erfolgt durch geheime Stimmabgabe oder durch Akklama-
tion. Der Verwaltungsrat wählt die Mitglieder des engeren Vorstandes.
Die Beschlüsse haben mit einfacher Stimmenmehrheit der Anwesenden
zu erfolgen.
Bei der Wahl sollen nach Möglichkeit die verschiedenen Ortschaften
berücksichtigt werden.
Artikel 16 : Gegenwärtige Statuten können nur auf einer Generalver-
sammlung abgeändert werden. Hierzu sind zwei Drittel der abgege-
benen Stimmen erforderlich.
Artikel 17 : Beim Ausscheiden eines Mitgliedes können weder er
noch seine Erben etwaige Ansprüche erheben.
Artikel 18 : Nach Auflösung der ”Vereinigung für Kultur, Heimat-
kunde und Geschichte im Göhltal” werden der restliche Kassenbestand
und sonstiger Besitz einer ostbelgischen Vereinigung gleicher Zielset-
zung übermittelt.
Artikel 19 : Bei der Gründungsversammlung wurden als Vorstands-
mitglieder eingesetzt :
Vorsitzender : Leo Wintgens, Moresnet
1. Schriftführer : Fräulein Georgette Xhonneux, Neu-Moresnet
2. Schriftführer : Gerard Tatas, Gemmenich
Kassierer : Fritz Steinbeck, Kelmis
Lektor : Alfred Bertha, Hergenrath
Schriftleiter : Pfarrer i. R. Darcis, Moresnet.
Zum Verwaltungsrat gehören ferner
die Herren Pfarrer Brüll, Hergenrath, und Olbertz, Kelmis-Neu-Mo-
resnet,
Josef Pavonet, Hergenrath,
Jakob Demonthy, Neu-Moresnet.
Artikel 20 : Bei der Verwaltungsratsversammlung vom 16. Januar 1967
wurden Vorstand und Verwaltungsrat ergänzt :
Als Beisitzer (stellvertretende Vorsitzende) wurden
- Peter Zimmer, Kelmis,
- Joseph Brandt, Eynatten,
in den Vorstand gewählt.
In den Verwaltungsrat wurden folgende Herren aufgenommen :
Bürgermeister Hamacher, Hergenrath,
Bürgermeister Esser, Eynatten,
Jules Aldenhoff, Gemmenich,
Jakob Ahn, Neu-Moresnet.
Alle Mitglieder des Verwaltungsrates besitzen die belgische Nationali-
tät.
Den 17. Januar 1967
Der Verwaltungsrat :
(Folgen alle Unterschriften)
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