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Landschaft im Grenzraum- Nordostbelgiens
MN 28
*
Im Göhltal
ZEITSCHRIFT der
VEREINIGUNG
für
Kultur, Heimatkunde und Geschichte
im Göhltal
N° 28
Vorsitzender : Peter Zimmer, Sandweg 8 - 3, Kelmis
Sekretariat : Kirchplatz, 6 - 4720 Kelmis - Tel. 087/65.99.62
Lektor : Alfred Bertha, Hergenrath, Bahnhofstraße, 33
Kassierer : Fritz Steinbeck, Kirchstraße, 35, Kelmis
Postscheckkonto N° 000-0191053-60
Die Beiträge verpflichten nur die Verfasser.
Alle Rechte vorbehalten.
Entwurf des Titelblattes : Frau Pauquet-Dorr, Kelmis
Diese Skizze zeigt den Moresneter Göhltalviadukt sowie die Hergenrather
Hammerbrücke in ihrer ursprünglichen Form.
Druck. Jacques Aldenhoff, Gemmenich.
&
Inhaltsverzeichnis
Dr. Gisela De Ridder, Das Bronzezeitliche Grab im Preuswald 4
Kelmis
La tombelle de Neu-Moresnet 6
F.-X. Schultheis, Aachen Die Grenzbezeichnung des neutralen 8
Gebietes von Moresnet und ihre
geschichtliche Entwicklung
Erich Barth, Eynatten Eynatten um die Jahrhundertwende : 43
ein ”’Verzeichnis der Einwohner der
Landgemeinden des Kreises Eupen
nach Bürgermeistereien geordnet’’ aus
dem Jahre 1902 (1)
M.Th. Weinert, Aachen Aber die Abende !! 52
Walter Meven, Hergenrath Aus dem Arzneischatz der Volksmedizin 53
Dr. Gisela De Ridder, Die Kaiserin Maria Theresia, auch:
Kelmis Landesmutter unserer Gegend, und die
Begründung der Wienreise 62
Leonie Wichert-Schmetz, Pielruse Wifke en Männeke 71
Bad-Driburg
Leo Homburg, Fossey Ein Stück Zeitgeschichte : die Freiwil- 73
lige Feuerwehr Walhorn
Peter Emonts-pohl, 2 Gedichte : Knaböjßehooz - De Bank 83
Raeren
Eberhard Quadflieg, Arnold Franck - Cesar Franck 85
Aachen
Peter Zimmer, Kelmis Die Arnold Frank - Gedenkstätten im 89
Göhltal
Alfred Bertha, Hergenrath ”’Schmuggel’”” an der Grenze Neutral- 104
Moresnet/Preußisch-Moresnet
Ein Hochzeitsmenü aus Sippenaeken 109
1934
Gerard Tatas (t), Et Tagebok 110
Gemmenich
Freddy Nijns, Walhorn Weshalb waren die Friedhöfe um die 112
Kirche und mitten im Dorf?
Dr. Gisela De Ridder, Jahresbericht 114
Kelmis
4
Das Bronzezeitliche Grab im Preuswald
(Siehe Heft ”Im Göhltal’”” N° 24)
von Dr. Gisela De Ridder
Im November 1980 teilte uns Frau Cahen die Ergebnisse der
Untersuchungen nach der C/14 Methode mit. Die aus den
aufgefundenen Holzkohlenresten der Feuerstelle ermittelte Datie- ,
rung ergab 2.160 + 65 B.P. (Hv 8443), d.h. 210 + 65 v. Chr.
Diese späte Datierung ist völlig unerwartet und nicht erklärbar,
da die Feuerstelle, der die Holzkohlenreste, die sich als Ahorn-
reste erwiesen, entnommen worden sind, zeitmäßig vollständig
mit der Errichtung des Grabhügels übereinzustimmen schienen und
da der Erdbestattungsritus 1000 v. Chr. in diesem Gebiet nicht
mehr nachweisbar ist. Leider ergaben die eingeäscherten Kno-
chenreste, die im Grabhügel aufgefunden wurden, keine Datie-
rung (Hv 8446). Die gelieferten Datierungsergebnisse stammen
aus dem C/14-Labor des Niedersächsischen Landesamtes für
Bodenforschung zu Hannover.
Die eingeäscherten Knochenreste wurden durch Dr. P.A.
Janssens einer anthropologischen Studie unterzogen. Ein Paket
von eingeäscherten Knochenresten vermischt mit 38 g Kalkstein
und Silex wies ein großes Knochenfragment mit einer Länge von
40 mm auf. Dabei handelte es sich um winzige Bruchteile von
Knochen aus der Schädelkalotte. Ein Fragment des linken
Scheitelbeines zeigt noch lambdoide Teile der Sagittalnähte, der
zweite Anteil zeigt den Beginn des Verknöcherungsprozesses.
Die parietomastoide Naht weist keine Spur einer Verknöcherung
auf. Die diaphysären Bruchstücke sind zart und ohne Hinweis auf
” epiphysäre Linien. Die anatomischen Elemente sind schwierig
wiederzuerkennen. Die Glenoidalhöhle rechts besitzt eine Breite
von mindestens 25 mm. Es fanden sich ferner Bruchstücke des
Femurkopfes sowie einige Metakarpal- und Metatarsalköpfe,
sowie einige Anteile einer Trochlea. Einige Wirbelkörper konnten
ebenfalls indentifiziert werden, wobei ein Wirbelkörper näher
untersucht werden konnte. Es handelte sich dabei um einen
Brustwirbelkörper, der die Folgen einer Druckfraktur aufwies.
5
In der Tat konnten folgende Maße zwischen dem oberen und
unteren Rand der linken und rechten Seite ermittelt werden :
links rechts
‚hinterer Rand 22 mm 20 mm
vorderer Rand 25 mm 21 mm.
Auf der rechten Seite und hinten zeigte der Knochen am
Rand eine diskrete Reaktion im Sinne eines ”’Lipping” : es
handelt sich dabei um eine klassische Druckfraktur, die dem
Wirbelkörper eine mehr oder weniger starke Keilform verleiht.
-Die Untersuchungsergebnisse erlaubten die Aussage, daß es sich
bei den Knochenresten um die einer Frau handelt, die zum
Zeitpunkt ihres Todes etwa 30-35 Jahre alt war.
An dieser Stelle sei es uns erlaubt, ganz herzlich Herrn
Direktor Dr. H. Roosens vom belgischen Amt für Bodendenkmal-
pflege und Frau Cahen-Delhaye, Archäologin, für die Zusammen-
arbeit und die übermittelten Untersuchungsergebnisse zu danken.
Literaturhinweise :
C.R. Hooijer, Grafheuvels uit de Bronstijd te Holset bij Vaals. In het Voetspoor
van A.E. Van Giffen, Groningen, 1961, 95-97
A. Cahen-Delhaye : Tombelle de 1’Age du Bronze ä Neu-Moresnet in ”’Archaeo-
logia Belgica’’, Nr. 206, Bruxelles 1978, 15-19
A. Cahen-Delhaye : C 14 : Weelde, Bellefontaine, Loker, Anlier, Neu-Moresnet,
aus ”Archealogia Belgica’’ 223, Bruxelles 1980, 134
J. Liese : Hügelgräber im Aachener Stadtwald, Zeitschrift des Aachener Ge-
schichtsvereins 45, 1923 - 1925 Nr. 276
E. Rahir, Vingt-cinq ann6es ... Bruxelles 1928, 240-242 sowie der Ausgrabungsbe-
richt als Manuskript.
G.J. Verwers : The Beginning of the Late Bronze Age in the Lower Rhine Area.
Berichten R.O.B. 19, 1969, 19-20
P.A. Janssens : C 14 : Weelde, Bellefontaine, Loker, Anlier, Neu-Moresnet, Aus
”Archaeologia Belgica”” 223, Bruxelles 1980, 134-135
6
La tombelle de Neu-Moresnet
a. Datation au radiocarbone
En 1977, nous avions fouille integralement une tombelle dans
une necropole de l’äge du bronze ä Neu-Moresnet, ä la frontiere
allemande (cf. Arch. Belg. 206, 15-19). Elle avait livre une tombe
A inhumation dont il ne subsistait que les traces du cercueil en .
bois et une incineration secondaire en position excentrique. Dans
le corps du tertre, nous avions recueilli des bois calcin&s d’un petit
foyer allume sur place et qui, pour cette raison, nous a semble
contemporain de 1l’edification de la tombelle. Le Laboratoire de
l’Institut royal du Patrimoine artistique a bien voulu en determi-
ner l’essence : il s’agit d’&rable. Par ailleurs, le Laboratoire de
Carbone 14 du Niedersächsisches Landesamt für Bodenforschung
de Hanovre a date ce m&me Echantillon de 2.160 + 65 B.P. (Hv
8443), soit 210 + 65 B.C. Cette date tardive est tout A fait
inattendue et inexplicable car le foyer dont sont issus les bois
analyses semble parfaitement contemporain du tumulus qui
abritait une inhumation centrale. Or, dans cette region, le rite de
__ Vinhumation disparait vers 1.000 avant notre &re. Malheureuse-
ment, le depöt d’os incineres recueilli dans le m&me tertre n’a pas
fourni de date (Hv 8446).
A. Cahen-Delhaye
b. Examen anthropologique des ossements incineres
Le paquet d’ossements incineres est melange ä 38 g de
pierres calcaires et de silex. Le plus grand fragment mesure 40
mm. Les os de la voüte cränienne sont assez minces. Un fragment
du parietal gauche porte encore les parties lambdoides des sutures
sagittale et lambdoide : la premiere partie est quasi completement
synostosee, la seconde montre un debut de ce proces. La suture
parietomastoidienne ne porte aucune trace de synostose.
Les fragments diaphysaires sont peu robustes, sans traces de
lignes €piphysaires. Les Elements anatomiques se laissent diffici-
lement reconnaitre. La cavite& glenoide de 1l’omoplate droit
possede une largeur de moins de 25 mm. A part les fragments
7
d’une t&te de fe&mur et quelques t@tes de metacarpiens et
metatarsiens, nous avons retrouve une partie d’une trochle&e de
Vl’astragale. Plusieurs corps verte&braux furent assez bien conser-
ves : un surtout a retenu notre attention. Il s’agit d’un corps
d’une vertebre thoracale, montrant les s&quelles d’une fracture de
compression. En effet, la hauteur, prise entre le bord superieur et
inferieur au cöt€ droit et au cöt& gauche nous fournissent :
A gauche A droite
bord posterieur 22 mm 20 mm
bord anterieur 25 mm 21 mm
A droite et en arriere, le bord de l’os montre une reaction discrete
de «lipping» : c’est une fracture de compression classique, rendant
une forme plus ou moins cuneiforme au corps vertebral.
Les Elements de l’examen nous permettent de diagnostiquer
le sexe feminin. Cette femme 6&tait ägee de 30 ä 35 ans au plus, au
moment de son d&c6s,
P.A. Janssens
8
Die Grenzbezeichnung des neutralen
Gebietes von Moresnet und ihre
geschichtliche Entwicklung
von F.-X. Schultheis
Quellen .
1. Herm. Ritter : Rheinisches Grenzland - Ausgabe III - Berlin
1912 - Grenzland
2. Hauptstaatsarchiv Düsseldorf, Zweigarchiv Kalkum 6673 -
6683 - HstAD
3. ”Im Göhltal”” Nr. 22
4. Mehrere Glossare
Inhalt
1 Vorgeschichte : Galmeigruben - Wiener Kongreß
2 Die hölzernen Grenzpfähle - Maße und Anstrich
2.1 Die Verdingung
2.2 Die Kosten
2.3 Die Kosten sind zu hoch. Das Angebot wird abgelehnt.
2.4 Wieviel Pfähle sind wirklich gesetzt worden?
2.5 Die Bezahlung der Pfähle verzögert sich
2.6 Pfähle an der Grenze des neutralen Gebietes - Ihre
Nummern und Standorte
2.7 Die hölzernen Pfähle sollen durch steinerne ersetzt werden.
1820
2.8 Genauer Standort der Grenzzeichen
2.9 1829 steht noch kein einziger steinerner Grenzpfahl
2.10 Gehören die Pfähle 192 1/2 und 193 zum Kreis Eupen oder
zum Kreis Aachen?
2.11 1837 ist noch kein hölzerner Grenzpfahl durch einen stei-
nernen ersetzt worden
2.12 Die Arbeiten an der Grenze des neutralen Gebietes werden
oft unterbrochen
2.13 1844 werden an der Grenze des Kreises Eupen zum ersten
Male Grenzsteine gesetzt
X Das Auslichten der Grenze
9
3.1 Die Kosten sind zu hoch
3.2 Sie sollen von Preußen allein bezahlt werden
3.3 Den Gemeinden Montzen, Moresnet und Gemmenich
sollen die Kosten ersetzt werden
3.4 Zwei Experten ermitteln den Entschädigungsbetrag
3.5 Der Grenzverlauf ist nicht richtig
3.6 Ein Einwohner von Neutral-Moresnet hat ”’geschmuggelt””
3.7 An der Grenze des neutral. Gebietes stehen immer noch
hölzerne Pfähie - 1861
3.8 Meinungsverschiedenheiten wegen 7 Eichen
4. Die Grenze des neutral. Gebietes soll mit Steinen und
Stichgräben kenntlich gemacht werden.
S. Schlußbetrachtung
6. Der heutige Zustand der Grenze
1. Vorgeschichte : Galmeigrube - Wiener Kongreß
Der Wiener Kongreß veränderte die Landkarte Europas.
Dazu gehörte auch unsere engere Heimat. Westlich von Aachen,
in Altenberg oder Moresnet - heute Kelmis - befanden sich reiche
Galmeivorkommen, die zu den bedeutendsten ganz Europas
zählten. Sie wurden zur Zinkgewinnung benötigt. Die westlich
davon gelegenen Niederlande - zu ihnen gehörte damals auch das
heutige Belgien - wurden im Wiener Kongreß selbständig. Er
setzte die Grenze fest zwischen ihnen und der neugeschaffenen
Rheinprovinz. Da man sich wegen der Galmeivorkommen nicht
einigen konnte, fällte der Kongreß ein ”’salomonisches Urteil” :
Er erklärte den Bereich um das Galmeibergwerk zum neutralen
Gebiet, zum ersten seiner Art in ganz Europa. Es hatte die Form
eines spitzwinkligen, fast gleichschenkligen Dreiecks.
Am 31. Mai 1815 wurde der Vertrag geschlossen und am 9.
Juni bestätigt. Am 26. Juni 1816 (1) wurde der Grenzvertrag
zwischen den niederländischen und preußischen Kommissionen
in Aachen geschlossen. Ein halbes Jahr später schreibt die
Aachener Regierung dem Landrat von Eupen, daß ”der abge-
schlossene Grenzvertrag zur Ausführung gebracht und die Ab-
pfählung der Grenze unverzüglich vorgenommen werden.” Er
wird beauftragt, so schnell wie möglich über die notwendige Zahl
der Grenzpfähle Angebote hereinzuholen.
10
Die beiden Kommissionen konnten sich über den genauen
Verlauf der Grenze nicht einigen. Dadurch entstanden unvorher-
gesehene Schwierigkeiten. (2) Schließlich einigten sie sich auf ein
Provisorium. Keiner konnte ahnen, daß es 100 Jahre bis zum
Ende des Ersten Weltkrieges im Jahre 1918 dauern würde.
Umfangreich ist die Literatur, die sich mit dem neutralen
Gebiet beschäftigt. In ihr werden die vielfältigen wirtschaftlichen,
politischen und kulturellen Probleme, die sich aus der Gründung
dieses eigenartigen Gebildes ergaben, behandelt.
Bis heute fehlt aber eine Darstellung der Entwicklung der
Grenzbezeichnung des neutralen Gebietes. Die vorliegende Ar- ‚,
beit versucht, diese Lücke zu schließen.
2. Die hölzernen Grenzpfähle - Maße und Anstrich
Material, Maße, Anstrich und ihre Befestigung in der Erde
waren genau vorgeschrieben. (3) Die Pfähle sollten aus Eichen-
holz sein. Sie mußten viereckig und 12 Fuß lang - 8 Fuß über und
4 Fuß in der Erde - sein. Der in der Erde befindliche Teil sollte
wenigstens 12 Zoll, der über der Erde 8 Zoll messen. Unter jeden
Pfahl sollte ein großer Stein gelegt werden. Der mit der Ausfüh-
rung beauftragte Unternehmer mußte ihn besorgen und die
Pfähle an den für sie bestimmten Ort transportieren.
Die Frist für die Ausführung war kurz. Sie sollte nicht länger
als 14 Tage nach dem Zuschlag dauern. Die Pfähle mußten nach
der preußischen Seite schwarz und weiß, nach der niederlän-
dischen Seite orange/gelb und weiß gestrichen werden. Der
Landrat wurde ersucht, das Verdingungsprotokoll so schnell wie
möglich der Regierung zur Genehmigung einzureichen.
2.1. Die Verdingung \
Die erforderlichen Pfähle sollen am 28. Nov. 1817 im
Regierungsgebäude an den Mindestfordernden vergeben werden.
Nicht jeder Interessent konnte sich melden. Es wurde zur
Bedingung gemacht, daß er sich ’”’zu einer verhältnismäßig zu
leistenden Sicherheit ausweisen kann”.
Die Regierung veröffentlicht den Auftrag.
1. Die Verdingung geschieht öffentlich an den Mindestfor-
dernden unter Vorbehalt der Genehmigung.
11
2. Wer den Zuschlag bekommt, verpflichtet sich, die erfor-
derlichen Grenzpfähle in möglichst kurzer Zeit, die 14 Tage
nicht überschreiten darf, zu liefern.
3. Die Pfähle müssen - wie oben geschildert - beschaffen
sein.
4. Der Unternehmer ist verpflichtet, die Pfähle an den
jeweiligen Ort zu bringen und einzusetzen. Außerdem hat er
dafür zu sorgen, daß unter jeden Pfahl ein Stein von der
vorgeschriebenen Größe gelegt wird.
5. Vom Unternehmer wird erwartet, daß er eine dem Wert
des Auftrages entsprechende Kaution stellt.
6. Wird die in der Ausschreibung festgesetzte Zeit über-
schritten, haftet der Interessent durch seine Kaution für die
entstandenen Nachteile. Die bis dahin noch nicht gelieferten
Pfähle - auch die bereits gelieferten, sofern sie nicht der
vorgeschriebenen Qualität entsprechen - werden auf seine
Kosten anderweitig vergeben.
Die Bedingungen sind hart. Wir dürfen gespannt sein, wieviele
Unternehmer bereit sind, sie anzunehmen, vor allem aber, ob es
ihnen möglich sein wird, die Frist von 14 Tagen einzuhalten.
2.2. Die Kosten
Am 24. Febr. 1817 (4) macht der Reg. - Chef - Präsident und
Grenzregulierungs-Kommissar von Bernuth darauf aufmerksam,
daß die Kosten für die Grenzpfähle von beiden Staaten gemein-
sam bestritten werden. Da die Niederlande ebenfalls die Arbeit
ausgeschrieben haben, kommt es darauf an, wer aus beiden
Staaten das billigste Angebot macht. In jedem Fall ist die
Zustimmung des niederl. Grenzkommissars, General De Man,
erforderlich.
Der Auftrag wird im Amtsblatt der Königl. Regierung und in
zwei Tageszeitungen veröffentlicht. Am 28. Febr. 1817 (5) findet
die Verdingung statt. Mehrere Unternehmer hatten sich einge-
funden. Baumeister Leydel hatte einen Kostenanschlag erstellt,
der sich auf 40 frcs für einen Pfahl belief. Anhand eines Modells
konnten sich die Interessenten eine Vorstellung von den Pfählen
machen. Wie die Akten ausweisen, beteiligten sich drei Unter-
nehmer an dem Aufgebot. Das günstigste Angebot machte der
12
Bauunternehmer Nevels. Nach seinem Kostenanschlag betrug der
Preis für einen Grenzpfahl 26,50 frcs. Allerdings war der Anstrich
der Pfähle nicht in dem Preis enthalten. Nevels hatte jedoch
Bedenken wegen der kurzen Lieferfrist von 14 Tagen. Am 1. März
(6) schreibt er der Regierung, daß es unmöglich sei, die Grenz-
pfähle in der festgesetzten Zeit zu liefern.
Es sei noch einmal darauf hingewiesen, daß es sich um die
Pfähle längs der ganzen Grenze des Reg. Bez. Aachen
handelte. Weder der Kreis Eupen noch das neutrale Gebiet
wird gesondert aufgeführt.
Die Regierung antwortet dem Nevels, daß ”’die Auflage keine
Abänderung leiden dürfe.’” Nach seiner Ansicht ist in Grenznähe
kein Privatholz vorhanden. Wenn ihm gestattet wird, das benö-
tigte Holz aus den königl. Waldungen gegen Bezahlung zu holen,
kann er die Frist einhalten.
2.3. Die Kosten sind zu hoch. Das Angebot wird abgelehnt.
Bevor Nevels den Auftrag bekommt, meldet sich der Grenz-
regulierungskommissar. Er schreibt der Regierung am 12. März,
(7) daß das Angebot zu hoch sei. Die Regierung möge den
Unternehmern mitteilen, daß ihr Angebot nicht angenommen
wird. Am 18. März teilt die Regierung den Landräten der
Grenzkreise und dem Nevels mit, daß ”die Verdingung der
Grenzpfähle nicht genehmigt wurde. Sie werden von den Ver-
pflichtungen entbunden.”
Inzwischen hat die Regierung das Schreiben des Bauunter-
nehmers Nevels vom 1. März dem Kreisforstmeister Kopstadt zur
Stellungnahme zugestellt. Am 18. März (8) erwiderte er : ”Die
Ansicht des Nevels ist irrig. Nur in der Gegend von Eupen und
Wassenberg sind in der Nähe der Grenze noch königl. Waldungen
vorhanden, woraus die Hölzer für die Grenzpfähle bezogen werden
könnten. Falls Nevels den Auftrag bekommen sollte und mit
Genehmigung der Regierung Holz aus den königl. Waldungen
entnehmen dürfe, möge er die Distrikte angeben, aus denen er das
Holz bekommen will.””
Am 13. April 1817 (9) schreibt der Finanzminister der Regie-
rung, daß die Pfähle gesetzt werden dürfen. Acht Tage später
teilt er der Regierung mit, daß die Kosten für 359 Pfähle - ein
Pfahl zu 26,50 frcs - insgesamt 9.513,50 frcs betragen. Davon
haben Preußen und die Niederlande je die Hälfte zu zahlen.
13
Wochenlang wird zwischen dem Finanzminister, dem Reg. -
Chef - Präsidenten - er wohnt inzwischen in Arnsberg - und der
Regierung über den Preis der Pfähle verhandelt. Am 13. Mai
schickt der Grenzregulierungs-Kommissar von Bernuth wieder ein
Schreiben an die Regierung über die Kosten der Pfähle. Am
Ende bemängelt er, daß im Reg.-Bez. Aachen mehr Pfähle nötig
waren, als ursprünglich vorgesehen.
2.4. Wieviel Pfähle sind wirklich gesetzt worden ?
Wie wir wissen, sollte das Aufstellen der Grenzzeichen in 14
Tagen beendet sein. In Wirklichkeit dauerte es fast ein Jahr. Am
22. Okt. 1817 (10) teilt von Bernuth der Regierung mit, ”’daß die
Abpfählung der Grenze zwischen dem Königreich Preußen und
dem Königreich der Niederlande von der französischen bis zur
hannoverschen Grenze beendet ist’’. Entlang der Grenze des
Reg.Bez. Aachen stehen 442 Grenzzeichen. Sie kosten 11.713.-
frcs. Davon zahlt Preußen die Hälfte = 5.856,50 frcs. Der
Unternehmer (entreprenneur) van Linden hat als Abschlag bereits
2.500.- frcs bekommen. Da ihm aber 2/3 der Kosten zustehen,
ersucht der Grenzkommissar die Regierung, ihm die restlichen
1.414.- frcs noch anzuweisen. Der Rest von 1.952.- frcs soll so
lange ausstehen, bis nachgewiesen ist, daß van Linden überall
zuverlässig gearbeitet hat. Um das festzustellen, möge die Regie-
rung die Landräte beauftragen, die aufgestellten Pfähle zu
revidieren und über das Ergebnis berichten. Die Revision soll
aber erst dann beginnen, wenn der Grenzkommissar eine Karte
geschickt hat, in der die Standtorte sämtlicher Pfähle eingezeichnet
sind. Als Unterlage für die Beurteilung über Qualität und
Aufstellen der Pfähle wird eine Abschrift des Schreibens beige-
fügt, das beim Aufstellen der Pfähle an sämtliche deutschen
Bürgermeister geschickt wurde.
Zur genauen Überprüfung von Grenzverlauf und Standort
der Pfähle sind zwei Grenzatlanten hergestellt worden, einer für
Preußen und einer für die Niederlande. Sie werden genau
nachgesehen und ”’aufs sorgfältigste mit dem Grenzprotokoll ver-
glichen.” Dabei hat sich ergeben, daß nicht 442 Pfähle, sondern
450 aufgestellt wurden. Die Kosten betragen demnach 11.925.-
frcs, wovon Preußen die Hälfte = 5.962,50 frcs zu zahlen hat.
Der Unternehmer hat bis jetzt 3.904,50 frcs erhalten. Es stehen
ihm also noch 2.058,50 frcs zu. Von Bernuth schreibt weiter :
14
”Wenn auch die deutschen Bürgermeister ihre Gutachten über
die vom dem van Linden geleistete Arbeit noch nicht eingereicht
haben, so habe ich mich doch bereits aus den Berichten der
niederländischen Commissarii davon überzeugen können, daß die
Arbeiten zur Zufriedenheit ausgeführt sind.’” Dem Unternehmer
könne der Rest seiner Forderung ausgezahlt werden, ”zumal er
von seinen Unter-Prenneurs auf lästigste gedrängt wird.” (11)
2.5. Die Bezahlung der Pfähle verzögert sich
Der Aachener Regierung genügt die Anweisung durch den
Grenzkommissar nicht. Sie bittet noch um die Zusage des "
Ministers des Innern (12) und um das Protokoll, das die
kontraktmäßige Anfertigung und Aufstellung der Grenzpfähle
bescheinigt. Von Bernuth kommt erst zwei Monate später dazu,
der Regierung zu schreiben. Er teilt ihr am 21. Jan. 1819 (13)
mit, daß die verlangte Genehmigung nicht vom Minister des
Innern gegeben werden könne. Sie gehöre in den Bereich des
Ministers für auswärtige Angelegenheiten. Weiter macht er
darauf aufmerksam,
daß er auf höchsten königl. Befehl und Vollmacht die
Grenzberichtigung geleitet hat,
daß er den ‚Herrn Staatskanzler gebeten hat, die Regierung
zu berechtigen, den Betrag für die Grenzpfähle zu
zahlen,
daß der Finanzminister gebeten wurde, den Regierungen in
Trier, Aachen, Kleve und Münster die Anweisung zu
erteilen,
daß sie inzwischen vollzogen wurde.
Damit ist die Auszahlung der Restforderung des Unternehmers
berechtigt.
Um Kosten zu sparen, hatte der Grenzregulierungs-
Kommissar vorgeschlagen, die Grenzpfähle - wie oben schon
erwähnt - durch die Landräte und Bürgermeister kontrollieren zu
lassen. Die Regierung lehnte den Antrag ab. Sie weist darauf hin,
daß die Niederlande die Kontrolle bereits durchgeführt haben.
Weil er darauf keine Antwort bekommt, schließt er daraus, daß
die Regierung entsprechend verfügt hat.
Dem ist leider nicht so. Erst am 14. Febr. 1819 (14) schreibt
die Regierung den Landräten - hier Eupen - daß sie unverzüglich
15
den Bericht über Qualität und Quantität der Grenzpfähle einrei-
chen sollen. Die Bürgermeister haben die Grenzpfähle aufgrund
des Grenzvertrages vom 26. Juni 1816 zu prüfen und zu zählen.
Das Ergebnis muß zu Protokoll gebracht werden. Sie setzt eine
Frist von 8 Tagen.
Einen Monat später mahnt von Bernuth den Bericht bei der
Regierung an, da er immer noch nicht bei ihm eingegangen sei.
. Endlich, am 18. April 1819 schickt die Regierung den
Revisionsbericht ab. Sie weist darauf hin, daß nicht 450, sondern
nur 378 Pfähle gesetzt wurden. Mehrere von ihnen waren in
mangelhaftem Zustand. Darauf antwortet der Grenzkommissar
am 25. Mai 1819 (15) ausführlich. Mit Nachdruck macht er
darauf aufmerksam, daß es nicht mehr als recht und billig sei,
wenn dem Unternehmer wegen der geringeren Zahl der Pfähle
”auch nicht der geringste Abzug zugemutet werden kann. Der
Bauinspektor Rössler wird bezeugen, daß die Grenzpfähle alle
gestanden haben, daß sie vertragsmäßig geliefert und aufgestellt
wurden. Er war bei der Aufstellung selbst zugegen und hat zum
Vorteil des Unternehmers keine Nachsicht walten lassen.”
Außerdem hat der Conduktor Lemmens aus Jülich die
Entfernung von einem Pfahl zum andern genau vermessen. Danach
sind sie in den Croquis (16) und die Hauptgrenzkarte aufgenom-
men worden. Dadurch ist bewiesen, daß nicht mehr Pfähle
berechnet wurden, als wirklich gestanden haben. Inzwischen sind
schon einige Jahre vergangen. Dem Unternehmer kann durch
Mängel, die in der Zeit aufgetreten sind, ein Abzug der entstan-
denen Kosten nicht zugemutet werden. Die Pfähle sind der
Witterung, dem Frevel und Mutwillen der Grenzbewohner ausge-
setzt. Dafür kann kein Unternehmer verantwortlich gemacht
werden.
Von Bernuth gibt der Hoffnung Ausdruck, daß der Restbe-
trag nach Kleve überwiesen wird, ”’da van Linden mich unaufhör-
lich anspricht.’ Sollten noch Pfähle fehlen, so ist anzunehmen,
daß sie vielleicht hier und da versteckt liegen. Die Grenzgemein-
den mögen zur Aufsicht angehalten werden, da die Frevel nur von
den nächsten Bewohnern begangen sein können. Er beschließt
den langen Bericht mit dem Satz : ”’Mein Auftrag ist erledigt.”
Am 18. Juni 1819 (17) erhält die Reg.-Hauptkasse den
Auftrag, van Linden den Restbetrag zu überweisen.
16
Die Regierung hält an der niedrigen Zahl der Grenzpfähle
fest. Am 8. November (18) schreibt sie dem Zivilgouverneur der
Provinz Lüttich, Herrn Grafen von Liedekerke, und dem Gouver-
neur der Provinz Limburg, Herrn de Brouck@re, daß bei einer
Revision von 450 Pfählen nur 378 vorgefunden wurden. Es fehlen
also 72 Pfähle. Sie sind durch Frevel und Mutwillen der
beiderseitigen Grenzbewohner zerstört worden. Da schon einige
Jahre ins Land gegangen sind, ist es nicht mehr möglich, die
Täter zu finden. Um allen Meinungsverschiedenheiten und Diffe-
renzen vorzubeugen, schlägt die Regierung vor, die fehlenden
Grenzpfähle so schnell wie möglich wieder aufstellen zu lassen. .
Die Kosten können gemeinschaftlich getragen werden. Die hiesi-
gen Landräte und die dortigen Unter-Intendanten sollen die
Pfähle gemeinsam besorgen. Sie hält es für zwecksmäßig, den
Gemeinden bessere Aufsicht und Wachsamkeit zu empfehlen.
Von nun an sollen alle mutwillig und boshaft beschädigten oder
zerstörten Pfähle von den nächst gelegenen Gemeinden beider-
seits der Grenze wiederhergestellt werden.
Die Regierung schickt das Schreiben gleichzeitig an die
Landräte der 6 Grenzkreise und den Reg.-Chef-Präsidenten von
Bernuth in Arnsberg.
Am 4. Febr. 1820 (19) teilt die Regierung den Landräten
mit, daß nach einem Bericht der Gouverneure von Lüttich und
Maastricht alle Grenzpfähle unverletzt vorhanden sind. Aller-
dings sind drei Pfähle ausgerissen worden. Sie liegen aber noch
an Ort und Stelle. Die Regierung vermutet, daß die Bürgermeis-
ter auf preußischer Seite, die nur 378 Pfähle gezählt haben, nicht
mit der nötigen Sorgfalt und Genauigkeit vorgegangen sind und
viele - vielleicht versteckt stehende - Pfähle übersehen haben.
14 Tage später (20) schreibt der Landrat von Scheibler der
Regierung, daß im Kreise Eupen alle Pfähle, die früher vorhan-
den waren, auch jetzt noch stehen. Wohl ist ein neuer Anstrich
nötig. Die Nummern sind durch die Witterung unleserlich
geworden.
2.6. Nummern und Standorte der Pfähle an der Grenze des
neutralen Gebietes
In dem bis jetzt geführten dreijährigen Briefwechsel zwischen
Regierung, Landräten und Bürgermeistern auf preußischer Seite
17
und den zuständigen Behörden auf niederländischer Seite ist
nirgendwo die Rede vom neutralen Gebiet. Hier handelt es sich ja
um eine Doppelgrenze : eine zur niederländischen und eine zur
preußischen Seite hin. Daraus dürfen wir aber nicht schließen,
daß sie außer acht gelassen oder sogar vergessen sei. Die Gründe
für das Nichterwähnen können heute nicht mehr festgestellt ®
werden.
Von nun an tritt auch diese Grenze in das Licht der Geschichte.
Am 7. Juni 1820 (21) teilt der Landrat von Eupen der
Regierung mit, daß alle auf der Grenzkarte verzeichneten 61
Pfähle vorhanden und in gutem Zustande sind. Wie die Karte
ausweist, haben einige Pfähle auf der Grenze des neutralen
Gebietes andere Nummern, als auf der Karte eingetragen sind.
Die Ursache ist unbekannt. Wenn die früher angegebene Zahl der
Pfähle mit der von der niederländischen Behörde nicht überein-
stimmt, liegt der Grund wahrscheinlich darin, daß von manchen
Nummern zwei und drei Pfähle vorhanden sind.
Die beigefügte Skizze des neutralen Gebietes (21a) enthält
die genauen Nummern und Standorte der Pfähle. Der Pfahl Nr.
188 steht an der Aachen - Lütticher Straße. Dann folgen auf der
Grenze zwischen dem neutralen und dem späteren belgischen
Gebiet die Nummern 189, 189 1/2, 190, 190 1/2 - hier kreuzt der
Moresneter Bittweg die Grenze - 191, 191 1/2, 192, 192 1/2.
Der letzte Stein fehlt in der Skizze. (Vgl. S. 32.) N
Auf der Grenze zwischen dem preußischen und neutralen
Gebiet stehen sechs Pfähle. Sie beginnen ebenfalls mit der
Nummer 188 und enden mit der Nr. 193, der an der Spitze des
Dreiecks steht.
2.7. Die hölzernen Pfähle sollen durch steinerne ersetzt
werden. 1820
Es leuchtet ein, daß die Holzpfähle nicht von langer Lebens-
dauer sein können. Einmal sind sie den Witterungseinflüssen
besonders ausgesetzt, zum anderen können sie viel leichter
entwendet werden. Die Frage ist erlaubt, ob es nicht besser
gewesen wäre, sofort statt der Holzpfähle steinerne Grenzzeichen
aufzustellen. Erhebliche Kosten und Arbeit wären dadurch er-
spart geblieben. Nun kommt der Gedanke auf, die hölzernen
Pfähle durch steinerne zu ersetzen. Die Anregung ergeht von der
niederländischen Regierung. S
18
Am 29. Dez. 1820 (22) schreiben die Minister des Innern und
des Auswärtigen an den Oberpräsidenten in Koblenz, Herrn
Staatsminister Freiherrn von Ingersleben : ’”’Da es an der Grenze
zwischen Preußen und den Niederlanden häufig vorkommt, daß
die hölzernen Grenzpfähle entweder durch Wasser und Eisgang
umgerissen und entwendet werden, hat die niederl. Gesandtschaft
den Wunsch ihrer Regierung geäußert, künftig an die Stelle jedes
hölzernen Pfahles, der verloren geht, ein steinernes Grenzzeichen
auf gemeinsame Kosten aufzustellen. ’’Die beiden Minister befür-
worten den Antrag und bitten, einen Kostenanschlag einzurei-
chen.
Die zuständigen Regierungen in Trier, Aachen und Kleve
handeln schnell. Sie reichen Kostenanschläge und Zeichnungen
über die Form der Steine ein. Es darf nicht wunder nehmen, daß
sie in Form und Preis von einander abweichen. Vermutlich hat
der Oberpräsident in Koblenz den Vorschlag von Trier für gut
befunden und ihn den beiden andern Regierungen zur Annahme
empfohlen.
Darauf antwortet die Aachener Regierung am 3. März 1821,
(23) daß sie den Vorschlag von Trier mit dem ihrigen verglichen
habe. Sie lehnt ihn ab und begründet es eingehend. Einmal sind
die Kosten für Material und Transport in Trier viel niedriger als
in Aachen. Während in Trier Wege bis zu 17 Meilen zurückzu-
legen sind, beträgt die Entfernung an der Aachener Grenze bis zu
42 Meilen. Grund : In der Nähe von Trier sind Sandsteine
vorhanden, deren Transport und Bearbeitung bedeutend billiger
sind als die schwer zu bearbeitenden Kalksteine aus Korneli-
münster. Hinzu kommt, daß die Trier’sche Form in Aachen nicht
zusagt. Sie ist unzweckmäßig, da die Steine aus zwei Stücken
bestehen, und das kleine Fundament nicht widerstandsfähig
genug ist. Endlich ist ein Ölanstrich für die Grenzpfähle aus
Kalkstein nicht nötig. Die Nummern der Steine können einge-
hauen werden und haben daher eine viel längere Lebensdauer,
Ein halbes Jahr später, am 29. Okt. 1821 (24) weist die
Regierung in einem Schreiben an den niederl. Gouverneur in
Lüttich noch einmal auf die Vereinbarung hin, für jeden verloren
gegangenen hölzernen Pfahl auf gemeinsame Kosten einen stei-
nernen zu errichten. Sie macht folgende Vorschläge :
19
1. Im Februar eines jeden Jahres möge von den zuständigen
Stellen auf beiden Seiten der Nachweis der zu ersetzenden
Holzpfähle erbracht werden.
2. Anhand des Nachweises könnte im April einmal dies-
seits, das nächste Mal jenseits der Grenze die Aussprache
stattfinden.
3. Die Vereinbarung möge auch für die Grenzpunkte des
Gouvernements Maastricht gelten.
Die Landräte werden beauftragt, durch die Bürgermeister
genau feststellen zu lassen, wo Grenzpfähle fehlen. Nach Eingang
wird die Zahl der fehlenden Grenzpfähle dem Generalgouverneur
mitgeteilt. Sie kann mit seinen Feststellungen verglichen und ein
Lokaltermin vereinbart werden. Der Gouverneur in Maastricht
wird von dem Schreiben unterrichtet. Die Regierung schlägt vor,
den ersten Termin in Aachen abzuhalten.
Am gleichen Tage geht ein Schreiben an die Landräte der
Grenzkreise. Sie werden beauftragt, ”’schleunigst den Nachweis
der fehlenden oder sehr beschädigten Grenzpfähle einzureichen.”
Der Landrat von Eupen, Herr von Scheibler, teilt der
Regierung am 5. Dezember 1821 (25) mit, daß nicht ein einziger
Pfahl fehlt oder beschädigt ist.
Dann wird es ruhig um die Grenzpfähle. Fast 1 1/4 Jahr
später hören wir wieder von ihnen. (26) Die von den deutschen
Bürgermeistern eingereichten Angaben stimmen mit den Fest-
stellungen der niederl. Behörde nicht überein. Wegen der Ver-
schiedenheit werden die Bürgermeister beauftragt, eine erneute
Revision der Pfähle vorzunehmen und das Ergebnis umgehend
mitzuteilen,
2.8. Genauer Standort der Grenzzeichen
Darauf schreibt der Landrat von Eupen der Regierung am 7.
April 1823, (27) daß die Grenzpfähle ”’von dem Oberzoll- und
Steuerkontrolleur Scheins von hier und dem Bürgermeister
Lasaulx von Moresnet”’ geprüft wurden. Kein einziger Stein fehlt.
In dem Bericht werden zum ersten Male außer den Nummern die
genauen Standorte der Grenzzeichen an der neutralen Grenze
genannt. ]
20
Nr. 4,5 Nr. 188 - zwei Steine - am jungen Busch - einer
auf preußischem und einer auf neutra-
lem Gebiet - einerseits weiß/gelb und
andererseits ganz weiß gestrichen. (28)
6 188 1/2 - am Hof zu Kelmis - auf der neutralen
Linie
7 189 - am Rottwege - auf der neutralen Linie
8 189 1/2 - auf dem Rüynberge
9 190 - in der Wiese von Palm bei den Busch-
häusern
7 10 190 1/2 - auf dem Keplingswege #
11 191 - auf dem Wege von Moresnet nach
Aachen durch den Busch
12 191 1/2 - am Rande des Preuswaldes }
13 192 - auf dem Wege von Gemmenich nach
Aachen, unterhalb der Vereinigung der
drei Departements
14 193 - auf dem Vereinigungspunkt der drei
Departements.
15 192 - auf der Verdelgensheide
16 191 - auf dem Hollensberge
17 190 - auf dem Hollensberge am käßkörfer
Pfad
18 189 - auf dem Hattigwege
19/20 188 - zwei Steine - auf der Straße nach
Aachen
Der Vollständigkeit halber sei mitgeteilt, daß auf der ganzen
Länge des Reg.-Bez. Aachen nur zwei Grenzpfähle fehlen. Sie
liegen außerhalb des Kreises Eupen.
Am 20. Oktober 1823 (29) teilt der Landrat von Eupen der
Regierung mit, daß er die Bürgermeister von Eupen und Mores-
net veranlaßt habe, die Grenzpfähle gegen Belgien, die Mängel
an Holz oder Farbe aufweisen, ausbessern zu lassen. Bürgermeis-
ter von Lasaulx .aus Moresnet teilt darauf mit, daß sämtliche
Grenzpfähle vom Weißen Haus bis zum Vereinigungspunkt der
drei Departements noch gut erhalten und ”noch viele Jahre, wie
sie jetzt sind, bleiben können.”
21
2.9. 1829 steht noch kein steinerner Grenzpfahl
Wieder berichten die Urkunden mehrere Jahre nichts von
den Grenzpfählen. Erst am 17. März 1829 (30) teilt die Aachener
Regierung der Regierung in Düsseldorf mit, daß im Aachener
Bezirk noch kein steinerner Grenzpfahl gesetzt ist.
Wenn wir zurückschauen, machte die niederländische
Regierung im Dezember 1820 den entsprechenden Vor-
schlag. Nach neun Jahren steht also an der Grenze des
Aachener Regierungsbezirks gegen die Niederlande noch
kein einziger Grenzstein. Grund : Der Briefwechsel zwischen
den Behörden diesseits und jenseits der Grenze weist aus,
daß noch alle Pfähle vorhanden und in gutem Zustand sind.
Endlich scheint auch die immer wieder auftretende Meinungs-
verschiedenheit über die genaue Zahl der Grenzpfähle längs der
Grenze des Reg.-Bez. Aachen geklärt zu sein. Die Zahl der Pfähle
nach fortlaufenden Nummern beträgt 367. Die genaue Revision
hat ergeben, daß 83 Pfähle die gleiche Nummer haben. Für den
Kreis Eupen gilt :
Nr. 158 - 192 = 35 Pfähle, dazu 24 Pfähle mit den
gleichen Nummern, insgesamt also 59 Pfähle.
Für den Kreis Aachen :
Nr. 192 1/2 - 238 = 46 Pfähle, dazu noch 16 Pfähle mit
den gleichen Nummern, also 62 Pfähle.
2.10 Gehören die Pfähle 192 1/2 und 193 zum Kreis Eupen oder
zum Kreis Aachen ?
Hier fällt auf, daß der Pfahl 192 1/2 zum Kreis Aachen
gezählt wird. Diese Tatsache löst einen monatelangen Schrift-
wechsel - um nicht zu sagen : Streit - aus zwischen den beiden
Landräten von Eupen und Aachen.
Ehe wir ihn weiterverfolgen, muß auf ein wichtiges Ereignis
hingewiesen werden, das sich auch auf das neutrale Gebiet
auswirkt. Im Jahre 1830 wird der südliche Teil der Niederlande
selbständig. Er bildet das neue Königreich BELGIEN. Danach
gehört die Westgrenze des neutralen Gebietes hinfort zu Belgien
und nicht mehr zu den Niederlanden.
Am 31. Oktober 1832 (31) hat der Bürgermeister von
Moresnet, Herr von Lasaulx, eine sehr genaue Liste mit Zahl,
Nummer und Zustand der Pfähle zwischen den Königreichen
22
Preußen und Belgien und dem neutralen Gebiet aufgestellt. Hier
fehlt kein Pfahl. Die Nummern in der Grenzkarte stimmen mit
den Nummern der vorhandenen Pfähle genau überein. Der Pfahl
Nr. 193 steht nach seiner Meinung nicht auf Aachener Gebiet, da
er - von Moresnet aus gesehen - diesseits des Landgrabens steht, in
der Spitze des neutralen Gebietes, wo die vier Distrikte zusam-
menstoßen, wenn Vaals bei den Niederlanden und Gemmenich
bei Belgien bleibt.
Mit Schreiben vom 26. Nov. 1832 (32) teilt der Landrat von
Eupen der Regierung mit, daß der Bürgermeister von Moresnet
Zahl und Zustand der Pfähle mit größter Genauigkeit geprüft
hat. Die Revision, ”’die der Bürgermeister mit großer Lokal-
kenntnis durchgeführt hat, weist einwandfrei nach, daß der Pfahl
Nr. 193 wirklich zum Kreis Eupen und nicht zum Landkreis
Aachen gehört.”
Die Regierung gibt sich damit nicht zufrieden. Am 4. Dez.
1832 (33) schreibt sie dem Landrat, daß der Bauinspektor Rössler
aufgrund der Grenzkarte festgestellt hat : der letzte Pfahl im
Kreis Eupen trägt die Nummer 192, der Pfahl 192 1/2 ist der
erste im Landkreis Aachen. Da der Landrat in seinem vorhin
erwähnten Schreiben die Nr. 193 zu Eupen zählt, vermißt die
Regierung die Nr. 192 1/2. Sie bittet um nähere Auskunft.
Außerdem möge er sich davon überzeugen, ob die zu dem Pfahl
Nr. 188 1/2.gemachte Angabe richtig ist, (34) weil die Nummer in
der Rössler’schen Karte fehlt.
Die Meinungsverschiedenheiten über die Zugehörigkeit des
Pfahls 193 scheinen geklärt. Der Landrat von Aachen, Herr von
Strauch, unterrichtet die Regierung am 14. Dez. 1832 (35) über
seine Nachforschungen. Er hat anhand der Grenzkarte festge-
stellt, daß der Pfahl 193 tatsächlich zum Kreis Eupen gehört. Der
Pfahl 192 1/2 gehört umso mehr dazu, als er noch weiter von dem
Vereinigungspunkt der ehemaligen drei Departements entfernt ist
als die Nr. 193. Er wird den Bürgermeister von Laurensberg
beauftragen, seinen Kollegen von Moresnet entsprechend zu
unterrichten.
Wenige Tage später (36) bestätigt die Regierung dem Land-
rat von Eupen, daß seine Ansicht über die Zugehörigkeit der
beiden Pfähle 192 1/2 und 193 zum Kreis Eupen mit der
Meinung des Landrates von Aachen übereinstimmt. Da aber der
24
2.11 1837 ist noch kein hölzerner Grenzpfahl durch einen
steinernen ersetzt worden
Am 28. April 1837 (40) richtet die Regierung ein Schreiben
an den Gouverneur der Prov. Lüttich, Herrn Baron van der
Steen. Mit Bedauern stellt sie fest, daß viele hölzerne Grenzpfähle
fehlen, andere mutwillig abgebrochen und bei wieder andern
Anstrich und Nummer nicht mehr vorhanden sind. ”’Die baldige
Wiederherstellung der Pfähle ist dringend erforderlich.’” Erneut
macht sie den Vorschlag, doch von jetzt an die fehlenden oder
beschädigten hölzernen Pfähle durch steinerne zu ersetzen.
Wie schon erwähnt, war bereits 1821 mit der niederlän- "
dischen Regierung eine entsprechende Vereinbarung ge-
troffen worden. Wir fragen uns, wie es möglich sein
konnte, daß in 16 Jahren noch kein einziger Steinpfahl
aufgestellt war, obschon beide Regierungen sich einig
waren und auf die Ausführung drängten. Schon hier sei
darauf hingewiesen, daß es noch Jahre dauert, ehe es so
weit ist, wie wir später sehen werden.
Die Antwort des belg. Gouverneurs läßt auf sich warten.
Inzwischen drängt die Zollverwaltung auf das Aufstellen der
Grenzzeichen, da der Dienst der Zollbeamten durch den jetzigen
Zustand unnötig erschwert wird.
Endlich, am 29. Juni 1838 (41) kann die Regierung mitteilen,
daß der Gouverneur von Lüttich mit dem Vorschlag einverstan-
den ist.
2.12 Die Arbeiten an der Grenze des neutralen Gebietes werden
oft unterbrochen
Leider muß festgestellt werden, daß erneut mehrere Jahre ins
Land gehen, ohne daß an der Grenze des neutralen Gebietes
weitergearbeitet wird. Inzwischen hat das Jahr 1843 begonnen.
Am 18. August (42) teilt die Regierung in Düsseldorf der
Aachener Regierung mit, daß auch sie es für zweckmäßig hält,
die schadhaften hölzernen Grenzpfähle durch steinerne zu erset-
zen.
2.13 1844 werden an der Grenze des Kreises Eupen zum ersten
Male Grenzsteine gesetzt
In einem Schreiben der Aachener Regierung an den Land-
bauinspektor Cremer vom 12. Jan. 1844 (43) hören wir zum
25
ersten Mal, daß an der Grenze der Kreise von Malmedy und
Eupen einzelne Grenzsteine gesetzt wurden. Es ist nötig, daß
Cremer für jeden Landkreis eine Aufstellung der noch zu
benötigenden Grenzsteine mit Angabe der Kosten anfertigt. Nach
Verhandlung mit den jenseitigen Behörden sollen Verdingung
und Aufstellung so schnell wie möglich erfolgen.
Landrat Heinen in Eupen teilt der Aachener Regierung am
19. Aug. 1845 (44) mit, daß er sich persönlich vom Zustand der
Grenzzeichen überzeugt hat.
Er stellt fest :
1. von den Doppelpfählen fehlen auf preußischer Seite
Nr. 181 - auf belgischer Seite Nr. 173, 180, 184,
zusammen 4 Pfähle,
2. schadhafte Doppelpfähle, die ersetzt werden müssen,
auf preußischer Seite Nr. 179 - auf belgischer Seite
Nr. 183
3. von den einfachen Pfählen - sog. Läufer, die unmittelbar
auf der gemeinsamen Grenze stehen - die Nummern
169, 170, 171 zusammen 5 Pfähle. S
Insgesamt werden also im Kreise Eupen neun steinerne Grenz-
zeichen benötigt.
Es fällt auf, daß in der Aufstellung keine Nummer eines
Pfahles auf der Grenze des neutralen Gebietes genannt
wird. Daraus darf geschlossen werden, daß hier noch alle
Holzpfähle gut erhalten sind.
Der Landrat weist darauf hin, daß der Unternehmer Baltus,
der die früheren Grenzsteine lieferte, noch 7 Steine mit den dazu
gehörenden Sockeln am Lager hat und bereit ist, sie zu dem
vereinbarten Preis von 30 Talern 10 Groschen 2 Pf zu liefern und
aufzustellen. Darüber hinaus ist er gewillt, die fehlenden 9 Steine
zum alten Preis zu liefern. Dem Landrat scheint das Angebot
annehmbar zu sein.
Am 11. April 1846 (45) äußert sich der Bauinspektor Cremer
ausführlich über die Beschaffenheit der steinernen Grenzzeichen.
Da der Minister sich für möglichst niedrige Kosten ausgesprochen
hat, können nur die Hauptpunkte mit großen Steinen versehen
werden. Darunter sind nur die Doppelsteine zu versehen. Das
sind die Stellen, wo auf jedem Gebiet ein Stein: dem andern
26
gegenüber steht. Es trifft aber nur bei Winkeln, Grenzflüssen und
Hauptstraßen zu. Je mehr ein Gebiet durch Gebirge, Bergwässer
und hohe Waldungen durchschnitten wird, umso größer ist die
Zahl der Haupt- oder Doppelsteine. Dazwischen können kleine
Steine - Läufer - gesetzt werden. Sie genügen in der Ebene und in
Heideflächen.
Es mutet wie ein Rückschritt in alte Zustände an, wenn am
22. Februar 1847 (!) (46) die Regierung den Landräten der
Grenzkreise schreibt : ’”’Da die hohen Ministerien die Genehmi-
gung erteilt haben, soll die Grenze gegen Belgien und die
Niederlande durch hausteinerne Zeichen kenntlich gemacht wer- 2
den. Nur die fehlenden Zeichen sollen ersetzt werden.”
Sogar einen Monat später, am 29. März, (47) teilt die
Regierung dem Landbauinspektor Cremer mit, daß mehrere
Landräte beantragt haben, die Grenzpfähle mit einem neuen
Ölanstrich zu versehen und die unleserlich gewordenen Nummern
zu erneuern.
Allmählich wird man in Berlin ungeduldig. Dem Minister
des Innern dauern die Verhandlungen zwischen den diesseitigen
und jenseitigen Behörden zu lang. Wenn auch der Wert der
Sorgfalt nicht verkannt wird, ”’so stehen doch die Weitläufigkei-
ten und Kosten der an Ort und Stelle vorzunehmenden Verhand-
lungen in keinem Verhältnis zum Ergebnis, das wirklich erzielt
wird”, Die Verhandlungen ließen sich oft vermeiden, wenn die
örtlichen Behörden genügend Aufmerksamkeit auf die Erhaltung
der Grenzzeichen verwenden, wenn rechtzeitig von ihrem Ent-
wenden oder gar Vernichten berichtet würde. Die Regierung
möge den Landräten eine entsprechende Anweisung zukommen
lassen.
Am 30. Sept. 1847 (48) unterrichtet Bauinspektor Cremer die
Regierung, daß in dem Kostenanschlag über die im Kreise Eupen
zu errichtenden Grenzsteine eine Hauptsäule aufgenommen ist.
Sie steht an dem Punkt, wo die drei Königreiche 'mit dem
neutralen Gebiet zusammenstoßen und trägt die Nummer 193.
(Der Stein steht heute noch!) Die Kosten soll die Regierung allein
bezahlen. Seit kurzer Zeit ist auf niederl. Gebiet ein eiserner und
auf belg. Gebiet ein hölzerner Pfahl aufgestellt worden.
Entschieden wendet er sich dagegen, die alten Holzpfähle mit
einem Ölanstrich zu versehen. ”Nicht nur, weil die Kosten
27
weggeworfen wären, sondern auch die Fäulnis des Holzes in den
aufgerissenen und mit Moos überdeckten Pfählen herbeigeführt
würde, Die Pfähle werden von unten von der Erdfeuchtigkeit
angefressen und faulen dadurch ab, während der obere Teil
austrocknet, aufgerissen und mit Moos überzogen wird.”
Am gleichen Tage schickt Cremer der Regierung einen
Erläuterungsbericht zu den Kostenanschlägen für die Aufstellung
der steinernen Grenzpfähle. Darin heißt es unter 2 : ”’Im Kreise
Eupen kommen nur die kleinen Läufer vor. Dagegen muß ‚auf
dem wichtigen Punkt, wo die drei Königreiche mit dem neutralen
Gebiet zusammenstoßen, auf preußischem Gebiet eine Haupt-
säule errichtet werden.
3. Das Auslichten der Grenze
Nach einer dreijährigen Pause berichten die Akten weiter
über das neutrale Gebiet. Am 18. Okt. 1850 (SO) teilt der
Steuerinspektor Wacht dem Hauptzollamt mit, daß die Grenze
gegen das neutrale Gebiet und Belgien im Aachener Wald auf
einem längeren Abschnitt verwachsen ist, und selbst diejenigen,
die den Verlauf der Grenze gut kennen, sich nicht mehr mit der
nötigen Sicherheit zurechtfinden. Es bedürfe nur einer Mitteilung
an die Regierung. Sie werde sofort den Auftrag geben, die Grenze
aufzuschneisen. Das Hauptzollamt möge bei der Regierung die
nötigen Schritte unternehmen.
Vor Ende des Monates (51) unterrichtet die Regierung den
Oberbürgermeister über die verwachsene Grenze und beauftragt
ihn, sie in einer Breite von einer Rute aufhauen zu lassen.
Am 9. Oktober 1850 (52) benachrichtigt die Regierung den
Provinzial-Steuerdirektor in Köln, daß sie eine Lokaluntersu-
chung durchgeführt und den Zustand der zugewachsenen Grenze
bestätigt gefunden habe. Sie weist darauf hin, daß die Schwierig-
keit, den Verlauf der Grenze mit Sicherheit zu erkennen, weniger
auf Aachener Gebiet bestehe. Einzelne dichtbewachsene Stellen
sind schon freigemacht. Vielmehr trifft das für den Bereich des
Waldes zu, der sich in das neutrale Gebiet erstreckt. Sie schlägt
vor, die Grenze durch einen Geometer unter Hinzuziehen der
betr. Forstbeamten abstecken zu lassen. Dann soll sie durch eine
Schneise ausgelichtet werden. Dafür wird ein Betrag von 73 1/2
Taler benötigt. Dem Kommissar für das neutrale Gebiet, Herrn
28
Oberbergrat Mertens, wird vorgeschlagen, die Schneise in einer
Breite von 10 Fuß anzulegen, wovon die Hälfte auf neutralem
Gebiet liegen soll.
3.1. Die Kosten sind zu hoch
Leider fehlen der Regierung die Mittel, die Kosten zu
bestreiten. Außerdem wird das zu fällende Gehölz und Gestrüpp
einen kaum nennenswerten Betrag erbringen. Die Forstverwal-
tung wird sich darauf beschränken, mit dem Geometer die
Grenzlinie zu bezeichnen und die Ausführung der Arbeit zu
überwachen. Abschließend bittet die Regierung den Steuerdirek-
” tor um Mitteilung, wie die Kosten bestritten werden sollen. #
Am gleichen Tage geht ein Schreiben an den Kommissar des
neutral. Gebietes, Herrn Oberbergrat Mertens in Bonn ab, das
im wesentlichen mit dem vorhin genannten Schreiben überein-
stimmt,
Die Lokalbesichtigung hat ergeben, daß der Übelstand
besonders auf der Grenze zwischen den Pfählen 193 - 191
festgestellt wurde. Dadurch wird die Aufsicht der Grenzbeamten
erschwert und ”das Treiben der Schmuggler erleichtert.”” Wie
schon erwähnt, soll die Grenze durch einen Geometer in Verbin-
dung mit den Forstbeamten auf ungefähr 500 Ruten abgesteckt
und das hinderliche Gebüsch durch eine auf jeder Seite je 5 Fuß
breite Schneise gelichtet werden. Die anfallenden Kosten könnten
in möglichst billigem Akkord durchgeführt werden. =
Der Vorschlag bekommt durch den Oberfinanzrat in Köln
einen Dämpfer. Am 14. Okt. 1850 (54) teilt er der Regierung mit,
”daß mich die Kostspieligkeit der Schneise veranlaßt, die Aus-
führung für jetzt nicht zu wünschen.”
3.2. Preußen soll die Kosten allein bezahlen
Der Verwaltungskommissar für das neutrale Gebiet antwor-
tet der Regierung am 4. Dez. 1850, (55) daß er wegen der
Auflichtung der Grenze mit dem belg. Kommissar verhandelt
hat. Belgischerseits bestehen gegen die Räumung des Grenzstrei-
fens keine Bedenken. Die anfallenden Kosten mögen aber von der
preußischen Verwaltung allein getragen werden, da die vorgese-
henen Arbeiten aüsschließlich im Interesse Preußens ausgeführt
werden, wodurch nur die erleichterte Beaufsichtigung der preußi-
schen Seite bezweckt wird.
29
Der belgische Kommissar glaubt umso mehr zu dem Vor-
schlag berechtigt zu sein, als im Jahre 1844 ein ähnlicher Fall
zwischen dem neutralen Gebiet und Belgien vorgekommen ist.
Damals handelte es sich um die Erneuerung der Pfähle auf dieser
Grenze. Obwohl es nach den Artikeln 27 und 42 des Grenzvertra-
ges vom 26. Juni 1816 zweifelhaft sein könnte, ob nicht die
Kosten der Erneuerung von beiden Seiten gemeinsam hätten
getragen werden müssen, hat Belgien sie doch allein bezahlt.
Oberbergrat Mertens erkennt die Auffassung des belg. Kommis-
sars an. Er empfiehlt der Regierung, auf eine Beteiligung seitens
des belg. Gouvernements zu verzichten.
Das Auflichten der Schneise 1äßt auf sich warten. Aber der
Schriftwechsel, der uns manchmal etwas umschweifend anmutet,
geht weiter. Am 24. März 1851 (56) schreibt der Landrat von
Eupen der Regierung, daß im Hertogenwald die Grenze zwischen
Preußen und Belgien durch die Hill gebildet wird. Sie ist genau
zu erkennen.
Mit der Grenze des neutralen Gebietes verhält es sich anders.
Der Landrat geht noch einmal ausführlich auf die unkenntlich
gewordene Grenze ein. Allerdings erscheinen hier andere Daten
und Fakten, als wir aus dem vorhergehenden Schriftwechsel
bereits kennen. Nur der Vollständigkeit halber sei hier noch
einmal darauf eingegangen.
Der Landrat weist erneut darauf hin, daß vom Grenzpfahl
193 nach Westen die Grenze in einer Länge von 200 Ruten ganz
verwachsen und das Einrichten einer Schneise dringend erforder-
lich ist. Das Auflichten wird etwa 8 Taler kosten. Das in der
Schneise stehende Holz ist dreijährig und hat keinen Wert. Von
da ab läuft die Grenze durch den Wald, der den Gemeinden
Montzen, Moresnet und Gemmenich gehört. Sie ist 610 Ruten
lang und müßte ebenfalls aufgehauen werden. Die Kosten
betragen etwa 27 Taler. Das darauf stehende Holz hat einen Wert
von 10 Talern. Ob die Gemeinden das Aufhauen einer Schneise
durch ihren Wald erlauben müssen, ist dem Landrat unbekannt.
Auch er ist der Meinung, die Grenze durch einen Geometer
genau vermessen zu lassen, da auf der’'ganzen Linie nur zwei
Pfähle stehen.
Der Briefwechsel zwischen den Behörden überschneidet sich.
Während die eine von den steinernen Grenzpfählen spricht -
30
einzelne sind schon vor sieben Jahren 1844 (57) gesetzt worden -
berichtet die andere immer noch von hölzernen Grenzzeichen.
Am 16. April 1851 (58) teilt die Regierung dem Landrat mit,
daß sie den Vertrag mit dem Steinbaumeister Baltus wegen des
Lieferns und Aufstellens der steinernen Pfähle genehmigt hat.
Zeichnung und Kosten bedürfen ebenfalls noch der vertraglichen
Genehmigung. N
Drei Monate später, am 10. Juli (S9), schickt die Regierung
dem belgischen Gouverneur, Herrn de Macar in Lüttich, einen
Bericht über die verwachsene Grenze längs dem neutralen Gebiet
von Moresnet. ‘
Wir wissen ebenfalls schon, daß durch das verwachsene
Gebiet eine Schneise von 10 Fuß breit ausgehauen werden
soll. Durch diese Arbeit sind auch die Gemeinden Mont-
zen, Moresnet und Gemmenich betroffen.
Die Regierung bittet um Auskunft, ob und welche Wünsche
der drei Gemeinden bei der Auslichtung zu berücksichtigen sind.
Am 29. August 1851 (60) teilt der Landrat der Regierung
mit, daß der Unternehmer Baltus mit dem Anfertigen der
Grenzzeichen ”’schon seit einiger Zeit fertig ist. Die Aufstellung
konnte aber noch nicht erfolgen, weil die Steine zum größten Teil
in Wiesen und Felder zu stehen kommen, die wegen der noch
nicht beendeten Ernte dadurch mehr oder weniger beschädigt
würden.’ Der Landrat berichtet weiter, daß das Aufstellen der
Steine spätestens in 6 Wochen beendet sein werde. Alsdann
würden sie einer Revision unterzogen. Über das Ergebnis werde
er berichten.
Es wundert nicht, daß die 6 Wochen nicht eingehalten
werden. Am 29. Nov. 1851 (61) - also drei Monate später -
wendet sich der Landrat erneut an die Regierung. Er teilt ihr mit,
daß es dem Unternehmer nicht möglich war, ’’da bis jetzt
andauernd großer Schnee gefallen ist. Dadurch mußten die
Arbeiten wiederholt eingestellt werden. Bei gutem Wetter kann
die Arbeit in 8 Tagen erledigt sein. Dann werde ich dafür sorgen,
daß die so lange verschleppte Sache endlich beendet wird.”
Die unkenntlich gewordene Schneise ist immer noch nicht
aufgelichtet. Am 4. März 1852 (62) benachrichtigt der Landrat
die Regierung, daß die Grenze des Kreises Eupen gegen Belgien
31
genau zu erkennen ist. Ausgenommen - wie wir schon mehrfach
erwähnten - ist das Stück zwischen den Pfählen 192 und 193, das
auf einer Länge von 610 Ruten durch den Niederwald führt, der
den Gemeinden Montzen, Moresnet und Gemmenich gemeinsam
gehört. Hier ist die Grenze ganz verwachsen.
3.3 Den Gemeinden Montzen, Moresnet und Gemmenich sollen
die Kosten ersetzt werden.
Am 23. März 1852 (63) wendet die Regierung sich erneut an
den Gouverneur de Macar in Lüttich. Sie ist damit einverstanden,
daß die den drei Gemeinden: durch das Aushauen einer Schneise
entstehenden Kosten im Wege der kontradiktorischen Expertise
(64) ermittelt werden. Sie ist der Ansicht, daß die genaue
Grenzbezeichnung nur dann erreicht wird, wenn auch die Grenze
des neutralen Gebietes zu Belgien hin ebenso aufgelichtet wird
wie zur preußischen Seite hin. Die anfallenden Kosten mögen von
beiden Seiten je zur Hälfte getragen werden. Dabei sollen die
Kosten, die dem belgischen Gouvernement im Jahre 1844 durch
das Auflichten der Grenze zwischen dem neutralen und belgi-
schen Gebiet entstanden sind, gebührend berücksichtigt werden.
Die Antwort des belg. Gouverneurs läßt auf sich warten.
Ende Juli 1852 (65) erinnert die Regierung an die Erledigung.
Am 8. Juli (66) muß der Landrat mit Bedauern der
Regierung mitteilen, daß der Unternehmer Baltus trotz mehr-
facher Erinnerung mit dem Aufstellen der Grenzsteine noch nicht
fertig ist. Er war mit dem Bau eines neuen Fabrikgebäudes
beschäftigt. Er hat aber die sofortige Beendigung der Arbeit
versprochen.
Das Auslichten der Grenze ist immer noch nicht durchge-
führt. Die Verhandlungen dauern schon drei Jahre. Am 24. Jan.
1853 (67) schreibt die Regierung dem Landrat in der Angelegen-
heit, ”daß der Durchführung einer Schneise von 10 Fuß Breite
nichts mehr im Wege steht.’ Den drei Gemeinden soll aber der
Schaden vergütet werden.
Die Regierung macht zur Auflage,
daß die Grenze genau bezeichnet wird,
daß die Arbeit unter Leitung und Kontrolle des Steuerkon-
trolleurs Dubigk ausgeführt wird. Ihm sind die beige-
fügte Karte und das Grenzbeschreibungsprotokoll vom
23. Sept. 1818 zu übergeben,
32
daß der Bürgermeister des neutralen Gebietes benachrichtigt
wird,
daß Dubigk sich mit dem Oberförster Coomans aus Eupen
an Ort und Stelle überzeugt, damit das Abpfählen der Grenze
genau durchgeführt wird, um für die zu errichtende Schneise eine
sichere Unterlage zu haben.
3.4. Zwei Experten sollen den Entschädigungsbetrag ermitteln.
Die Regierung bestellt den Oberförster Coomans zum Exper-
ten. Er ist für alle Fragen zuständig, die den Entschädigungsbe-
trag betreffen, der den drei Gemeinden zu zahlen ist. Er wird sich N
mit dem jenseits der Grenze noch zu bestellenden Experten in
Verbindung setzen. Danach soll er die Gesamtkosten aufstellen.
Mit der Ausführung der Schneise darf erst begonnen werden,
wenn die Genehmigung dazu erteilt ist.
Am gleichen Tage wird der belg. Gouverneur de Macar in
Lüttich über das Schreiben der Regierung unterrichtet. Er wird
gebeten, auch auf belg. Seite einen Experten zu bestellen und
darüber zu berichten.
Nach drei Monaten, am 29. April 1853, (68) kann die
Regierung dem Oberförster Coomans mitteilen, daß die ständige
Provinzialdeputation in Lüttich den Eigentümer J. Ernst in
Montzen zum Experten für die drei Gemeinden bestellt hat.
Am 17. Juni (69) unterrichtet Coomans die Regierung, daß
der Steuerkontrolleur Dubigk den genauen Grenzverlauf zwischen
dem neutral. und preußischen Gebiet festgestellt hat und das
Auflichten in der vorgesehenen Breite von 10 Fuß erfolgen kann.
Hier hören wir zum ersten Mal genaue Angaben über die Länge
der aufzulichtenden Schneise. Sie beträgt 844,3 Ruten =
3.179,6338 m. Davon abzuziehen ist die Strecke zwischen dem
königl. Wald, die 207 Ruten lang ist. Der Rest von 637,3
Ruten = 2.400,0718 m zwischen dem preußischen und neutralen
Moresneter Gemeindewald ist mit 4 - 12-jährigem Schlagholz
bestanden. Bei der Auflichtung müssen außerdem 13 Eichen-
stämme gefällt werden. Die Kosten betragen 25 Taler.
Das Abholzen der vorhin genannten 207 Ruten des königl.
Waldes - auch Preus genannt - einschl. von 8 Eichen und 4
Buchen wird etwa 5 Taler kosten.
33
Das Auffinden der Grenzlinie kostete schon 4 Taler, die den
Arbeitern gegeben wurden. Dem Oberförster mußte insgesamt ein
Kredit von 34 Talern eröffnet werden.
Abschließend weist er auf die große Gefahr hin, daß das auf der
ganzen Strecke gefällte Holz dem Diebstahl ausgesetzt ist. Er rät
deshalb, das Holz sofort nach dem Fällen zu verkaufen. Aller-
dings wird bei weitem nicht der Preis erreicht, den die Regierung
den Gemeinden wird bezahlen müssen.
Ende des Monats (70) schreibt Landrat von Harenne der
Regierung, daß Dubigk und Coomans die Grenze zwischen dem
neutralen und preußischen Gebiet abgesteckt und sie von 20 zu
20 Ruten (71) mit Pfählen versehen haben. Nun kann die
Schneise aufgelichtet werden.
3.5 Der Grenzverlauf ist nicht richtig.
Eigenartigerweise stellt sich erst jetzt heraus, daß. die
Grenze zwischen dem Königreich Belgien und dem neu-
tralen Gebiet nicht richtig ist. Darüber berichtet der
Landrat von Eupen der Regierung ausführlich.
Am 5. Juli 1853 (72) schreibt er, daß bei der Teilungsopera-
tion des Preuswaldes zwischen den Gemeinden Montzen, Mores-
net und Gemmenich sich folgendes ergeben hat : Die Grenzlinie,
die nach Artikel 17 des Grenzregulierungstraktates vom 26. Jan.
1816 eine Gerade sein soll, ist ganz ungerade, demnach also
unrichtig. Außerdem hat eine erneute Untersuchung mit dem
Arrondissements-Commissär, Herrn Jamme aus Verviers, erge-
ben, daß die ursprünglichen Pfähle auf der Grenzlinie von der
belg. Zollbehörde im Jahre 1845 ohne Wissen und Mitwirken der
hiesigen Regierung durch neue ersetzt worden sind. Es ist
anzunehmen, daß der Fehler damals gemacht wurde.
Wir fragen uns heute, wie es möglich sein konnte, daß ein
Fehler im Grenzverlauf erst nach acht Jahren festgestellt
wurde. Da Gründe nirgendwo genannt werden, können wir
nur vermuten. Möglich ist, daß die kaum zu erkennende
Grenze ein Grund war. Es kann auch sein, daß sich kaum
jemand dorthin verirrte. Oder hat es vielleicht an der
nötigen Sorgfalt gelegen? Wir wissen es nicht.
34
Die Regierung hat die Angaben des Landrates von Eupen
durch eine örtliche Besichtigung und einen Vergleich mit dem
Grenzregulierungsprotokoll vom 23. Sept. 1818 für richtig befun-
den. Darüber berichtet sie dem Landrat am 6. Sept. 1853. (73)
Für die einzuleitenden Verhandlungen ist ein Plan erforderlich, in
dem die seit 1845 aufgestellten Pfähle nach dem jetzigen Stand
genau anzugeben sind. Gegenwärtig wird eine Vermessung und
Kartierung des Gemeindewaldes Preus durchgeführt. Der mit der
Arbeit beauftragte Geometer wird sicher in der Lage sein, den
Plan anzufertigen.
Am 6. Okt. 1853 (74) teilt Landrat von Harenne der S
Regierung mit, daß der belg. Kommissar, Provinzialrat Nicolai
aus Aubel, den 12. Oktober zur Revision für die von dem
Bauunternehmer Baltus an der Grenze gegen Belgien aufgestell-
ten Grenzsteine vorgeschlagen hat. Die Revision dauert zwei
Tage.
Am 17. Oktober (75) werden die Entfernung von Pfahl zu
Pfahl und der genaue Zustand der Grenze protokollarisch aufge-
schrieben.
Von Pfahl 188 - er steht an der Lütticher Str. -
bis 189 = 58 preuß. Ruten = 218,428 m
Hier durchzieht die Grenze
Privateigentum. Eine Auf-
lichtung ist nicht nötig.
189-190 = 131,1 pr. Ruten = 493,7226 m
Hier ist kein Holzbestand
vorhanden. Die Grenze ist
genau zu erkennen.
190-191 = 37,7 pr. Ruten = 141,9782 m
191-192 = 195,8 pr. Ruten = 737,3828 m
Nur auf einer Länge von 90
Ruten = 338,94 m ist das
Gebiet mit _12-jährigem
Eichenschlagholz - wenig mit
Birken vermischt - bestanden.
Bei 192 beginnt der Wald.
35
Bis 193 = 225,9 pr. Ruten = 850,7394 m
Mit 5 - 11-jährigem Schlag-
holz bestanden.
Demnach ganze Länge : 648,5 pr. Ruten = 2.442,251 m
Hiervon ist abzuziehen die Länge der Grenze zwischen dem
preußischen und dem gemeinschaftlichen preußisch-belgischen
Wald von 212 Ruten = 798,392 m. Der Rest von 436,5 Ruten
= 1.643,859 m ist Gemeindeeigentum. Die Experten haben sich
geeignet, den drei Gemeinden für das Auslichten der 10 Fuß =
3,138 m breiten Schneise eine Entschädigung von 76 T 0 Sgr
10 Pf = 285,10 fres zu zahlen. Außerdem bekommen die
Gemeinden 3 T 13 Sgr 9 Pf für jedes Jahr, so lange die Schneise
besteht. Am 13. Dez. 1855 (!) ist der Betrag noch nicht bezahlt.
Vor wenigen Tagen - am 13. Okt. 1853 (75a) haben die
beiden Kommissare von Harenne und Provinzialrat Nicolai aus
Aubel mit dem Unternehmer Baltus einen Vertrag geschlossen.
Darin verpflichtet sich Baltus u.a.
Art. 2 : Die Grenzpfähle müssen aus reinem und fcehlerfrei-
em Stein sein.
3 : Der Unternehmer verbürgt die Dauerhaftigkeit der
Arbeit für 10 Jahre. In dieser Zeit auftretende
Schäden muß er auf seine Kosten ersetzen.
5 : Alle Steine müssen spätestens bis zum 1. Mai 1854
aufgestellt sein.
6 : Baltus erhält für jeden Läufer 11 Taler 5 Sgr 4 Pf
und für jede Hauptsäule 23 Taler 7 Sgr 3 Pf.
7 : Sofort nach Fertigstellung werden die Steine abge-
nommen, auf deutscher Seite von Kreisbaumeister
Kirchhoff aus Monschau, auf belgischer Seite von
dem Ingenieur für Straßen und Brücken Gille aus
Lüttich.
Die Kosten werden von jedem Gouvernement zur Hälfte getragen.
Wir entsinnen uns : Am 5. Juli 1853 (76) wurde der falsche
Verlauf der Grenze festgestellt. Ein Jahr später, am 7. August
1854 (77) berichtet der Landrat von Eupen der Regierung, daß
sein belgischer Kollege, der Verwaltungskommissar für das
neutrale Gebiet, Herr Richter Cramer aus Verviers, ebenfalls den
Fehler festgestellt hat. Der Landrat macht ihm den Vorschlag,
36
bei der Grenzzollbehörde die Berichtigung zu beantragen. Bis
jetzt wartet er vergebens auf eine Antwort.
Am 22. Dez. 1854 (78) bedauert der Landrat, daß immer
noch nichts geschehen ist.
Erst am 1. März 1855 kann er der Regierung mitteilen, daß
sein belg. Kollege geantwortet hat. ”Er hat wegen der Grenzbe-
richtigung dem Minister Vortrag gehalten.’
Wieder dauert es einige Monate, ehe der Landrat Nachricht
geben kann. Am 6. September (79) teilt er der Regierung mit,
daß der belg. Kommissar vom Minister beauftragt ist, in Gemein-
schaft mit der hiesigen Behörde das besagte Grenzstück berich-
tigen zu lassen. Der Landrat hält es für zweckmäßig, einen
Geometer hinzuzuziehen. Dazu ist der Geometer Leydel vorgese-
hen. S
Uns ist bekannt, daß bereits 1853 die beiden Experten sich
einigten, den drei Gemeinden Montzen, Moresnet und
Gemmenich 76 Taler 0 Sgr 10 Pf für das Auslichten der
Schneise zu vergüten. Zwei Jahre später, am 13. Dez.
1855, bestätigt der Arrond.-Commissär Jamme in Verviers
die Vereinbahrung noch einmal.
Der Landrat von Eupen berichtet der Regierung ebenfalls am
13. Dez. 1855 (80), daß die Schneise noch gar nicht ausgelichtet
ist, wie vorgesehen war. Der Grund liegt darin, daß das Holz so _
schnell gewachsen ist und die Schneise nur mit erheblichen
Kosten ausgelichtet werden kann. Er bittet die Regierung zu
überlegen, ob es zweckmäßig sei, neue Kosten auf das Kenntlich-
machen der Grenze zu verwenden, da spätestens im nächsten Jahr
die Verhandlungen wegen der Teilung des neutralen Gebietes von
Moresnet beendet sein werden.
Am 5. Jan. 1856 (81) kann die Regierung dem Minister für
_ Auswärtiges mitteilen, daß im Kreise Eupen alle hölzernen
Pfähle durch steinerne ersetzt sind.
Mit dem Schreiben vom 14. Januar (82) eröffnet die Regie-
rung dem Landrat, daß von einer weiteren Auslichtung der
Schneise Abstand zu nehmen sei. Nötig ist aber, die festgestellte
Grenzlinie kenntlich zu erhalten. Dazu soll das inzwischen
gewachsene Gebüsch weggeräumt werden, was mit möglichst
geringen Kosten erreicht werden soll.
I
Bezüglich der Vergütung an die drei Gemeinden hält die Regie-
rung es für ratsam, damit zu warten, bis die Verhandlungen über
das neutrale Gebiet abgeschlossen sind.
Der Landrat kann der Regierung am 2. Juli 1856 (83)
mitteilen, daß die Schneise ganz ausgelichtet ist. Die Kosten
betragen 2 Taler 12 Sgr.
Wieder gehen einige Jahre ins Land, in denen nichts über
das neutrale Gebiet berichtet wird. Wir wissen, daß noch viele
Aufgaben zu erledigen sind. Ob das in der Zeit möglich war,
dürfen wir füglich bezweifeln. Erstaunt sind wir aber, wenn wir
dem Bericht des Baurates Cremer vom 27. Mai 1859 (84)
entnehmen, ’’daß die Grenzpfähle aus verwitterten, teils ange-
faulten hölzernen Pfählen bestehen, an denen die Nummern
größtenteils nicht mehr zu erkennen sind.”
Wenn wir bedenken, daß bereits 1820 von der niederl.
Regierung der Vorschlag gemacht wurde, die hölzernen
Pfähle durch steinerne zu ersetzen, fragen wir uns, wie es
möglich sein konnte, daß nach 39 Jahren immer noch
Holzpfähle vorhanden sind.
Cremer berichtet weiter, daß er schon vor neun Jahren mit
dem Förster Nabert und dem Forstadministrator Habes die
Grenze besichtigt hat. Dabei stellte er fest, daß an dem Punkt,
wo die drei Königreiche mit dem neutralen Gebiet zusammen-
stoßen, noch drei hölzerne Pfähle standen. Sie sollen durch einen
steinernen Pfahl mit dem Adler versehen ersetzt werden. Darauf
ist man nicht eingegangen. ”Außerdem ist die Grenze mit
niedrigem Gestrüpp so verwachsen, daß ein Überschreiten ganz
unmöglich ist.” Er hat beantragt, die Grenze zu lichten. Ob das
inzwischen geschehen ist, kann er nicht sagen.
Die Regierung hat erfahren, daß auf der Grenze, die das
neutrale Gebiet von Belgien trennt, unterhalb des Pfahls 193
irrtümlich ein preußischer Pfahl mit derselben Nummer aufge-
stellt worden ist. Darüber berichtet sie dem Landrat von Eupen
am 16. Juli 1859, (85) Das Hauptzollamt hat beantragt, den
Grenzpfahl auf die richtige Stelle zu setzen.
Soweit aus der vorgelegten Zeichnung zu ersehen ist, wurde
der Pfahl 193 ungefähr dort aufgestellt, wo auf der Zeichnung der
Pfahl 192 steht. Um den Sachverhalt einwandfrei zu klären, ist
38
eine neue Lokalbesichtigung erforderlich. Sollte sich dabei erge-
ben, daß ein preußischer Grenzpfahl wirklich an der falschen
Stelle steht, soll aufgeklärt werden, auf wessen Veranlassung das
Aufstellen erfolgte.
Der Landrat nimmt in einem ausführlichen Bericht an die
Regierung Stellung zu dem falschen Standort des Grenzpfahls
193. Am 9. September 1859 (86) berichtet er, daß laut Verfügung
der Regierung vom 22. Febr. 1848 sein Amtsvorgänger beauftragt
wurde, in Verbindung mit dem Baurat Cremer und den belg.
Kommissaren, dem Bürgermeister Nicolai von Aubel und dem
Ing. Halkin aus Lüttich, die mangelhaften hölzernen Pfähle ;
durch steinerne zu ersetzen. Darunter befand sich auf preußi-
scher Seite auch der Pfahl 193 in der Spitze des neutralen
Gebietes. In einem Bericht vom 4. Okt. 1850 war immer nur die
Rede davon, den Pfahl 193 preußischerseits zu ersetzen. Aus den
hier vorliegenden Akten geht aber hervor, daß die belg. Kommis-
sare sich entschlossen, auch ihrerseits den Pfahl 193 ersetzen zu
lassen. Lieferung und Aufstellung der Steine wurden am 31. März
1851 dem Bauunternehmer Baltus übertragen.
Die Arbeiten verzögern sich. Am 13. April 1852 waren zwei
Pfähle, und zwar die beiden ab 193, aufzustellen. Wieder gerät
die Arbeit ins Stocken. Erst im September 1853 ist sie beendet.
Als Termin für die Revision wird einer der ersten Tage im
Oktober festgelegt.
Die Regierung verfügt, daß anstelle des Baurates Cremer der
Kreisbaumeister Kirchhoff die Revision vornehmen soll. Sie
begann am 12. Oktober und wurde am nächsten Tag bei den
Pfählen 193 beendet. Wider Erwarten ist aber nur der Pfahl auf
preußischer Seite aufgestellt, wogegen der andere noch danieder
liegt. Der Unternehmer versicherte, die Aufstellung - wozu ihm
noch einmal genau die Stelle gezeigt wurde - sofort vorzunehmen.
Nach wenigen Tagen teilt er mit, daß der Auftrag erledigt ist. Die
Regierung hat, ohne erneut zu prüfen, den Revisionsbericht
. geschrieben.
Baltus wird über die falsche Aufstellung des Pfahls 193 zur
Rede gestellt. Er behauptet, als seine Arbeiter den Pfahl aufstel-
len wollten, habe ein Aachener Oberkontrolleur, zu dessen Revier
der fragliche Distrikt gehört, sie angewiesen, den einen Stein, wo
er jetzt steht - am Wege von Aachen nach Gemmenich -
aufzustellen. (86a)
39
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Situationsplan des neutralen Gebietes % A
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HStAD 6678/277 Die Skizze entstand zwischen Juni 1857 und
Oktober 1860.
Der Landrat schlägt vor, nach Auftrag von der Regierung
den Stein unter Hinzuziehen des belg. Kommissars Nicolai an die
richtige Stelle zu setzen.
Einen Monat später bittet der Landrat die Regierung um
drei Wochen Ausstand, da Bürgermeister Nicolai noch nicht
geantwortet hat.
Am 17. Okt. 1859 (87) haben beide Herren sich über den
Pfahl unterhalten. Nicolai glaubt, nicht allein über das Versetzen
des Pfahls an die richtige Stelle entscheiden zu können. Er wird
zuerst dem Gouverneur in Lüttich darüber berichten und ihn um
Erlaubnis bitten, in Gegenwart des Landrates den Stein versetzen
zu dürfen.
40
Am 1. Febr. 1860 (88) kann der Landrat der Regierung
mitteilen, daß der belgische Gouverneur damit einverstanden ist,
den Stein 193 an die richtige Stelle - wo die vier Gebiete
zusammenstoßen - zu setzten. Folgende Lösung ist auch mög-
lich : an der Spitze des neutralen Gebietes einen ganz neuen Stein
mit der Nr. 193 aufzustellen und auf dem andern Stein die
Nummer zu ändern. Im Einvernehmen mit Bürgermeister Nico-
lai ist der Landrat dafür, daß der jetzige Pfahl 193 an die richtige
Stelle gebracht wird, weil er ein steinerner Hauptpfahl ist,
während die Pfähle 189-192 noch aus Holz sind.
Der Landrat bittet die Regierung um ihre Entscheidung und R
bemerkt noch, daß das Versetzen des Steines 193 etwa 5 - 6 Taler
kosten wird.
Auch die Regierung ist der Meinung, daß nur die erste
Lösung in Frage kommt. Sie teilt ihm am 19. April 1860, (89) den
unrichtig gesetzten Stein 193 im Einverständnis mit Bürgermeis-
ter Nicolai an die richtige Stelle setzen zu lassen, wo er auch von
Anfang an hätte stehen müssen. Sie ermächtigt den Landrat, in
Gemeinschaft mit Nicolai unter Anleitung des Kreisbaumeisters
Castenholz das Versetzen des Grenzsteines vorzunehmen. Danach
soll er über das zweckmäßige und richtige Aufstellen berichten.
Nach vier Monaten, am 10. Aug. 1860, (90) kann der
Landrat der Regierung mitteilen : Die Arbeit ist vollendet. Im
Einverständnis mit Bürgermeister Nicolai und dem belg. Kom-
missar für die Verwaltung des neutralen Gebietes, Cremer aus
Verviers, ist der Stein 193 an die richtige Stelle gebracht und
aufgestellt worden. An der Stelle, wo der Stein seit 1853 falsch
gestanden hat, ist ein neuer hölzerner (!) Pfahl 192 aufgestellt
worden, da alle Pfähle zwischen dem neutralen Gebiet und
Belgien noch aus Holz sind.
Der Landrat bezieht sich auf seinen vorhin genannten
Bericht vom 10. August und schickt der Regierung am 30. August
(91) die Revisionsverhandlung über das richtige Aufstellen des
Grenzpfahls 193. Die diesseitigen Kosten betragen 6 Taler 16 Sgr.
Da der Betrag nicht ohne ministerielle Genehmigung angewiesen
werden kann, und um die Weitläufigkeit zu vermeiden, hat der
Landrat die Kosten aus seiner Tasche bezahlt.
Anmerkungen MM
1) HStAD 6673, fol 10
2) Grenzland S. 283
3) HStAD 6673, fol 11
4) Ebenda, fol 17
5) Ebenda, fol 15
6) Ebenda, fol 28
7) Ebenda, fol 45
8) Ebenda, fol 44
9) Ebenda, fol 47
10) Ebenda, fol 54/55
11) Dem van Linden wird das Geld an die Reg.-Hauptkasse nach Kleve über-
wiesen, da er in der Nähe von Nijmwegen wohnt.
12) HStAD 6673, fol 65
13) Ebenda ‚fol 66
14) Ebenda „fol 68
15) Ebenda „fol 76/77
16) Einfache Geländezeichnung
17) HStAD 6673, fol 78
18) Ebenda „fol 82
19) Ebenda EN
20) Ebenda „fol 94
21) Ebenda „fol 100
21a) Siehe HStAD 6678/277
22) Ebenda „fol 118
23) Ebenda „fol 120
24) Ebenda „fol 123
25) Ebenda „fol 132
26) Ebenda „fol 142
27) Ebenda „fol 145
27a) Die Zählung begann am Weißen Haus
28) Bei den folgenden Pfählen sind die Farben überall gleich.
29) Ebenda „fol 183
30) Ebenda ‚fol 210
31) HStAD 6674, fol 27
32) Ebenda „fol 24
33) Ebenda „fol 28
34) Siehe Anmerkung Nr. 27 zu HStAD 6673/145
35) HStAD 6674, fol 30
36) Ebenda „fol 32
37) Ebenda „fol 36
38) Siehe Anmerkung Nr. 34
39) HStAD 6674, fol 35
40) Ebenda „fol 152
41) Ebenda „fol 224
42) HStAD 6675, fol 30
43) Ebenda „fol 39
44) Ebenda „fol 124
45) Ebenda » 101137
46) Ebenda „fol 162
47) Ebenda „fol 169
48) Ebenda „fol 178
49) Ebenda „fol 180/81
S0) Ebenda 7° 301 317
51) Ebenda ‚fol 269
52) Ebenda „fol 319
43
Eynatten um die Jahrhundertwende : ein
”Verzeichnis der Einwohner der
Landgemeinden des Kreises Eupen nach
Bürgermeistereien geordnet” aus dem
Jahre 1902 (1)
von Erich Barth
Eine der interessantesten Quellen zur Ortsgeschichte in
preußischer Zeit bieten die Adreßbücher, geben sie uns doch
nicht nur ein alphabetisches Verzeichnis (fast) aller Haushaltsvor-
stände mit Berufsangabe, sondern auch viele wissenswerte Details
über Behörden, Schul- und Kirchenwesen, Vereine, Gesellschaften
u.S.W.
Uns fiel ein solches Adreßbuch aus dem Jahre 1902 in die
Hände und wir haben gedacht, es könnte die heutigen Eynattener
doch interessieren, zu erfahren, wer wo lebte und welche soziolo-
gische Struktur der Ort um die Jahrhundertwende besaß.
Bei der Wiedergabe sind wir nicht der alphabetischen Rei-
henfolge, sondern den Hausnummern des Adreßbuches gefolgt.
Wir haben sodann den Versuch unternommen, die angegebenen
Häuser und Höfe zu identifizieren oder sie doch wenigstens den
heute bestehenden Straßenzügen zuzuordnen. Es war dies nicht
in allen Fällen möglich; einige Fragezeichen bleiben stehen.
Es muß auch darauf hingewiesen werden, daß einzelne
Nummern im Adreßbuch fehlen. Wichtig ist auch zu wissen, daß
die Bürgermeisterei Eynatten bis zum Ende des 1. Weltkrieges
einen Teil des heutigen Ortes Lichtenbusch (Deutschl.) umfaßte,
und zwar bis zur heutigen Schnellstraße, der früheren Scheid-
straße.
Zur Illustration bringen wir 3 Faksimile-Seiten aus dem
Adreßbuch.
(1) Auszug aus dem |” Adreßbuch der Stadt und des Kreises Eupen”, Druck und
Verlag von C. Braselmann, Eupen, Sept. 1902.
47
126-128 fehlen
129 Wwe Gerhard Havenith Landwirtin Raafstr./Heide
130 Heinr. Meeßen Waldarbeiter
Joh. Jos. Meeßen re
131 Jacob Klinkenberg Landwirt Am Wald (abge-
rissen)
132 Heinr. Broichhausen Maurer
133 Egidius Kessel Landwirt Stestert 80
135 Andreas Piel Schneider An der Kapelle
Jacob Piel Landwirt %
136 Elisabeth Lambertz Landwirtin %
137 Leon. Pitz Schreiner, Land- u.
Schenkwirt 4
139 Jacob Zimmermann Landwirt Höf
140 Wwe Christian Egyptien Landwirtin Ca
Peter Egyptien Landwirt En
141 Hubert Franssen Landwirt Rattenhausstr.
143 Nicol. Vischer 0. G. gi
146 Peter Idon Landwirt heute Aloys Simon
148 Mathias Thisquen Landwirt Berlotte
149 Wilhelm Berners iM &
150 Leon.Schumacher "%
151 Andreas Goebels Maurer fr
152 Wwe Friedrich Wilh. Schumacher A
Landwirtin R
153 Jos. Lambertz Steinhauer u. Landwirt N
154 Jos. Thisquen Landwirt &
155 Wwe Arnold Breuer 6. GG: sn
156 Joh. Jac. Hellebrandt Landwirt Serv. Kohl/Pley
157 Franz Pier Handelsmann ?
158 Wilh, Cormann Landwirt Wegestraße
159 Leonard Kessel Landwirt u. Agent IS
160 Wwe Hub. Damian v. Agris Landwirtin
161 Nicolaus Kessel Landwirt S
162 Stephan Scheiff 0. G. On
163 Theodor Olbertz Faßbinder Kinkebahn
(Becker)
164 Jacob Voss o.G. Horney
Ludwig Voss Landwirt Ss
165 Peter Jos. Thoma Hüttenarbeiter Kinkebahn
167 Egidius Joseph Mager Schuster A
169 Wwe Lambert Mennicken Lanwirtin ” (Schyns)
Lichtenbusch
170 Leonard Campo Holzhändler Lichtenbusch
Todtleger
171 Reiner Lambertz Landwirt MB
172 Franz Ramjoie Waldwärter u. Landwirt Zi
Hubert Ramjoie Maurer
Peter Ramjoie Pliesterer
173 Joh. Peter Becker Waldarbeiter
174 Johann Schopp Maurer IM
175 Wilh. Kessel = AG
Joh. Moos & a
Mathias Moos Wirt
177 Joh. Schumacher Maurer ie
48
Peter Triemer Tagelöhner dä
179 Arnold Cool Maurer u. Landwirt Hepscheider Heide
181 Franz Jauck Maurer Lichtenbusch
Johann Jauck F
Nicolaus Jauck %
182 Jos. Kohl Landwirt Hepscheid
183 Wilh. Lambertz m ?
184 Jacob Doum Schellartshof
185 Peter Jos. Scheen m ehem. Gut Horst
186 Joh. Ahn in Pleystraße
192 Hubert Timmermann Landwirt Lichtenbusch
195 Hubert Vinders Tagelöhner 4
196 Servaz Kohl Maurer Ma
197 Heinr. Reuter Lehrer .
199 Franz Ortmanns Landwirt x .
201 Cornel Hellebrandt,
Sohn von Mathias Landwirt Ö
202 Cornel Hellebrandt,
Sohn v. Joh. Jacob Landwirt
205 Wwe Arnold Lennertz Schenkwirtin Ss
Servaz Lennertz Tagelöhner Sn
206 Mathias Hellebrandt Landwirt
207 Wilh. Hoffmann 50
211 Stephan Kuhl m {
212 Heinr. Kalff Schuster %
215 Joh. Mennicken Landwirt S
218 Cornel Schopp Maurer U
219 Nicolaus Schumacher Bäcker, Land- u. Schenkwirt Se
221 Nic. Jos. Franzen 0. G. ”
222 Wilh. Heister Tagelöhner Hi
223 Leonard Kohl Maurer =
224 Johann Campo 0. G. en
227 Simon Schumacher Gast- u. Landwirt &
228 Mathias Kremers Maurer Lichtenbusch
229 Hubert Linzen ® n
230 Nicolaus Kessel 6
231 Jacob Ahn Landwirt Gut Kreuzchen
234 Peter Bergstein Ziegelarbeiter Lichtenbusch
Wwe Wilh. Heister Land- u. Schenkwirtin
Unternehmerin
235 Johann Peter Egyptien Landwirt
Von den 226 angegebenen Personen sind 98 in der Landwirtschaft tätig, das
sind 43,3 %! Auffallend hoch ist auch die Zahl der Maurer (16), Schreiner (6),
Schuster (6), Bäcker (7) und Steinhauer (8); die Zahl der Arbeiter (ohne Qualifi-
kation) liegt mit 18 verhältnismäßig niedrig, die der Beamten und Angestellten
fällt nicht ins Gewicht. Anhand der späteren Adreßbücher und der statistischen
Angaben aus belgischer Zeit könnte man die seit der Jahrhundertwende erfolgte
Entwicklung der Bevölkerungsstruktur näher erforschen. Es wäre dies bestimmt
eine für die Ortsgeschichte lohnende Arbeit.
So sieht das Original aus :
49
Bürgermeiflerei Eynatten &
Menardy, Friedrich, Wegearbeiter, 16. Teller, Leonard, Landwirth, 41.
Meuter, Heinrich, Vehrer, 197. | Zhielen, Alois, Land- und Schenkwirth, 117.
van Key, Hub, We, Landwirthin, 116. | Thisquen, Jojeph, Landwirth, 154.
Muicwur, Carl, Tagelöhner, 28. Thisquen, Mathias, Landwirth, 148.
Moiewick, Waria, Näherin, 28. Xhoma, Beter Sof QHüttenarbeiter, 165.
® SEE Leonard, Wwe., vo. G,. 38.
Schumacher, Elijabeth, vo. $., 12. Tichon, Leon., Gaft- und Landwirth, 58.
Schumacher, Friedr. Wilh., Wwe., Land- | Tichon, Zohanır Jojeph, Sandwirth, 33.
wirthin, 152. Timmermanıu, Hubert, Landwirth, 192.
Schumacher, Johann, Maurer, 177, Triemer, Peter, Tagelöhner, 177.
Schumacher, Joh. Mich., Schreiner, 95. | Tychon, Jofjeph, Tagelöhner, 107.
Schumacher, Lanıbert, Bäder, Land- und
Sıhenbwirth, 5. Wecqueray, Andreas, vo. G., 75.
Schumaiger, Leonard, Landwirth, 150. | Vecqueray, Gejchwifter, Land- und Schenk
Schumacher, Nicolaus, Bärter, Land-und | wirthe, 3.
Schenkwirth, 219. - | Binder, Hubert, Tagelöhner, 195,
Schumacher, Nicolaus, Weber, 95. Wijcher, Nicolaus, vo. G., 143,
Schumacher, Simon, Gaft- und Land- | Bonhoff, Johann Hubert, Bäder, Wirth und
wirth, 227. Steinhauer, 74.
ee eter, Landwirth, 120. Voß, Jacob, vo. G., 164.
Scheen, Peter Jojeph, Sandwirth, 185. Boß, Zacob, Landwirth, 124.
Scheiff, Leonard, Waldarbeiter, 115', Voß, IJofjeph, Sandwirth, 55.
Scheifi, Stephan, 0. G., 162. oß, Ludwig, Landwirth, 164.
Scheiff, Wilhelm, Landwirth, 53.
Schiffer, Hubert, Steinhauer, 13a. Werp, Jacob, Wwe., Landwirthin, 56.
Schiffer, Zacob, We, Schenkwirthjchaft | Wefiling, Wilhelm, Pfarrer, 2.
und Steinhauerei, 13a. Wilms, Anton, Küfter, KeinhHandlung und
Schifigens, Peter, Landwirth, 21. Schentwirthichaft, 39.
Schlüper, Johann, Briejträger, 62. Wöllenweber, SOCHR Tagelöhner, 81.
Schopp, Johann, Maurer, 174, MWöllenweber, IJofjeph, Tagelöhner, 81.
Schopp, Cornel, Maurer, 218.
Schwarzenthal, Peter, Wwe., Tagel., 80. jeppenfeld, Johann, Haufiver, 74.
Streder, Wilhelm, Volontär, 58. immermann, Jacob, Landwirth, 139.
Zimmermann, Leon., Wwe., Landw., 38.
Teller, Franz, Bäderei und KleinhHdlg., 85. | Zimmermann, Nicolaus, Landwirth, 18,
Teller, Zojephine, Landwirthin, 97. Bimmermann, Simon, Sandwirth, 35,
Behörden und öffentliche Inftitute,
(Im alphabetifher Reihenfolge.)
Urmen-Kommiffion. Einfommenfteuer:Yoreinfchägungs«
4 8 f Kommiffion. %
Bo Sie ArgETTRENTEN Borfigender: Eifer, Bürgermeifter,
Mitglieder: Weiiling, Pfarrer. iCal eher“ von Ward" Sballk
von Agrig, Bartholomäus. (5 KA A 3
AO SEO . Saugbera Solehb,
act, Mathias Jofeph. oo8, Mathias.
Behörden. | Feuerverfidherungs Agenturen.
N z N WNachener und Münchener Feuer-
nem Gfjer, Nicharb, UT Are Er
1. Beigeordneter: Goebels, Zoieph. | Sranlen, Andreas,
Zugleich Gemeindevorfteher. | Gladbacher Feuer-Verfiherungs-
Stellvertreter des Gemeindevorfteher8 : | Gefellichaft.
ABU | ae, Mathias Zoieph.
UL. Yeigeordneter: von Agris, Job. | IP
olizei- und Gemeindediener: Yorth Yritiih and Mexrcantilke,
Kremer, Yeonard | Mtejfel, Leonard.
&
DBürgermeiflerei Eynatken 5
Wurianiiche Zungiranen | St. ZohHanniSchüßengefellihaft
Nougregation. Eynatten.
Kurispender: Wellling, Yiarrer, | Hauptmann: Franken, Andreas.
Vinzens-Werein, Ss
Woriigender: Wefiling, Riarrer. 7 Mn
} i W
Ü Mriegeruerein Eunatten, | Vorfigender: Lajchet, Wilhelm,
Yoriigender: Vonis, Qubert, |
AMriegerverein Vichtenbujc. | Sandwirthfdhaftlihes Kafind. X
Koriigender: Canıpv, Yeunard. | Vorfigender: Franken, Andreas,
Nachweis der Gefchäfts: und Gewerbetreibenden
Y (nad den Branchen alphabetifeh geordnet).
Bäcker. Huffdymied.
Knops, Zoham. 61 | Goebel8, Beonarb, 10.
Youi&. Hubert, 70.
Madermacher. Zuhamı, 47. Kalfbrennerei.
Schumacher, Yambert, 5 1
Schumacher, Nicolaus, 219, Schiffer. Yatob, Witwe, 18,
a 8 Kleidermacherinnen.
Wonhoff, ZJahanın Hubert, 74. EP
Blehwaarenbandlung. „+ Moftert, Elije, 84.
Ab Kolonialwaarenhandlungen.
Büglerinnen, Stever. Hubert, 73.
Kanjen, Magdalena. 41. Mennielen, Lambert, 688.
Yamivie. Frau. Joh. Kol. 82 Schumacher. Lambert, 5.
‚Fürberei und Carbonifiranjtalt, I RE AM
A. I. Franfen & Cie, Om Wr. 279 X S
Mn Machen. . Meßger.
‚Fubrunternehner, | Saof, Peter, 18a, 3
CEmonts. Zejeph. 46. Schneider. .
SFleifchbeichauer. Gößen, Leonard, 34.
Havenith. Zuieph. 93. ‘Piel, Andreas, 135,
Baft: und Schenkwirthfchaften, Schreinermeifter,
von Ygris, Zuhann, 87, Kolvenbach, Peter, 7.
ln, Aviedvich, 37. io, Johann, 22,
rue. Zohanır In En Moftert, Stephan, 64.
Vennert. Mich. Wwe., Arnold, 203. {
Wennicfen, Wilh.. 234. Schuhmacher.
WNuus, Wathias, 173. Cool, Robert, 8.
is, Leonard 7 ® Stever, Hubert, 73.
Schiffer. Jakob, Mittwe, 13. = E Mad
Schumacher, Lambert. 5. Steinhauerei.
Schumacher. Zvieph Nicolaus, 219. Schiffer, Jakob, Wittwe, 13.
Schumacher, Simon Peter Hubert, 227, Goebels, JofjepH, 10.
Thielen, Alois 117. Se
Tichen, Leonard, 58. 5 Stellmacherei.
Keconeruy. Gejchwijter. 3. ie ia, 88.
Verouerau, Fran Eheir. (Ant. Wilma)39, | Söron, Mathias, 83
Kondii. Zohanın 74. | Thonwaarenfabrif, %
DHolzbändler, | WEtiengefellichaft für Thon- und Kalt
Campo. Yeonard. 170. | induftrie, Eynattener Mühle,
52
Aber die Abende !!
von M. Th. Weinert
Aber die Abende einsamer Alter sind lang. f
Tags gibt es (zwar wenig) zu tun :
das bißchen Aufräumen, Warten am Fenster
auf den Briefträger, der vorbeigeht,
Gang zum Kaufmann, lärmende Straße.
Auf kleinem Platz springen Kinder durch Pfützen,
Vögel jagen, wie Blätter, plötzlich darüber hin.
Hier und da ein Gespräch mit dem Nachbarn
öffnet den Mund ungewohnt,
hat man zuviel gesagt?
Guten Abend also, bin zuhaus, eh es dunkelt,
wieder am Fenster.
Im Neonlicht ist die Straße leer.
Ob Sterne, noch heller, darüber stehen?
Muß wohl so sein ...
Aber die Abende Einsamer, Alter, sind lang,
länger noch als Tage.
53
Aus dem Arzneischatz der Volksmedizin
(Eine Betrachtung an Hand alter Rezepturen.)
von Walter Meven
In unserer hochindustrialisierten Konsumgesellschaft, die
mit all’ ihren Erleichterungen das Leben erträglicher macht,
entdecken wir immer häufiger, daß viele der uns gepriesenen
Vorteile und Bequemlichkeiten gewisse ”’Langzeitnachteile’’ bein-
halten. Nichts gegen den Fortschritt. Technik und Medizin haben
Enormes geleistet; Krankheiten, bei denen noch zu Zeiten unserer
Großeltern keine Hilfe möglich war, haben ihren Schrecken
verloren. Flugzeuge bringen uns in Stunden über den ”Großen
Teich” - ein Unternehmen, das viele unserer Vorfahren mit dem
Leben bezahlten. Die Kommunikationsmittel, namentlich Tele-
fon, Radio und Fernsehen, sorgen für einen raschen Informa-
tionsfluß.
Wir sollen jedoch nicht alles gedankenlos hinnehmen, denn
die Mahnungen aus berufenem Munde mehren sich. X
Das liebe Auto verpestet die Atemluft; bestimmte Industrie-
zweige verschmutzen direkt und indirekt unser Wasser. Direkt,
indem sie ihre schädlichen Abwässer in unsere Kanäle und Flüsse
leiten; indirekt auf dem Umwege über ihre Produkte, z.B.
Wasch- und Spülmittel, deren Detergentien unser Wasser bis an
die Grenze des biologischen Regenerationsvermögens belasten, bis
es schließlich als stinkige Brache künstlich aufbereitet werden
muß und als Trink- u. Gebrauchswasser wieder aus unseren
Zapfhähnen fließt.
Rauch und Smog empfinden Mitmenschen, die an Herz-
und Atembeschwerden leiden, als besonders schädlich. Prächtiges
Obst, fleckenlos wie es uns anlacht, mit künstlichen Dünge- und
Pflanzenschutzmitteln behandelt, wirkt noch verführerischer als
der Apfel im Paradiese. Hier sollte man sich fragen : wer ist
klüger, die Made, die ihn meidet oder der Mensch, der ihn
genießt?
54
Was uns mit "weißer als weiß’ oder weg mit dem Grau-
schleier”” die Wäsche zum verlieben macht, ist sogar bis zum
Gesetzgeber vorgedrungen.
Eine Pressenotiz berichtete vom Jahresbericht eines Lebens-
mitteluntersuchungsamtes einer deutschen Großstadt, wonach
jedes fünfte Produkt zu beanstanden war. Mäusekot im Brot,
Gilassplitter in der Wurst und eine’tote Maus in der Bohnenkon-
serve wurden als Beispiele angeführt.
Erfreulich ist, daß man in vielen Bereichen scharfe Kontrol-
len durchführt. So werden in vielen Ländern Emissionsmessungen
gemacht; Abgas- und Lärmpegelkontrollen sind ein fester Bestand-
teil der amtl. Fahrzeuguntersuchungen geworden; doch auch das
Prestige- und Profitdenken mit seinen latenten Gefahren für
Leben und Gesundheit, sollten auf europäischer Ebene einer
scharfen Kontrolle unterzogen werden.
Wir können uns alle diese segensreichen Dinge nicht fort-
denken, doch sollen wir Chemikalien, Medikamente und sogar
das Gaspedal unseres Wagens mit Verstand gebrauchen.
Schauen wir uns jetzt einmal die Hausmittel unserer Vorel-
tern an. Viele dieser sicherlich bewährten Naturmittel sind leider
in Vergessenheit geraten. Sie waren überlieferter Erfahrungs-
schatz und damit- probate Mittel, die vielleicht nicht so rasant
wirken, dafür aber harmloser und billiger sind und eben nur eine
geringe Belastung für die Umwelt darstellen.
Wie wir sehen werden, hat Pfarrer Kneipp im vergangenen
Jahrhundert nichts Neues entdeckt; genau diesen überlieferten
Rezepturen hat er seine Aufmerksamkeit gewidmet.
Der Arzt wohnte früher oft meilenweit in der fernen Stadt
neben dem Bader, der für die ”’niedere Chirurgie’’ zuständig war.
Auf dem Lande und sogar noch zu unserer Zeit gab es die
Kräuterweiber, häufig waren es auch die Schäfer, die sich in der
Anwendung von Kräutern auskannten.
X Unsere Pfarrer als ”’studierte Herren’”” waren nicht nur für
den seelsorgerischen Bereich zuständig. Sie wurden als Berater in
allen Lebenslagen konsultiert, gleichwohl verstanden sie sich auch
auf das, was Leib und Seele zusammenhält, nämlich Essen und
Trinken.
55
Pfarrer Caproens aus Walhorn und seinem Amtsbruder
Schutgen aus Eys b. Wittem verdanken wir eine umfangreiche
Sammlung von Rezepten alter Hausmittel.
Pfarrer Joh. Wilh. Seb. Schutgen wirkte um die Mitte des
18. Jh. Seine Rezepturen, die wir im folgenden (Nr. 1-6) bringen,
stammen aus einem Kirchenbuch des Jahres 1740.
Rezepte aus dem Kirchenbuch des Pfarrers Schutgen zu
Eys/ Wittem
- 1. Ein köstliches Universalpulver
Jalens Wurzel (Jalape), Calmuß (Kalmus), Pimpenell- (Bibernel-
le) Wurzel, Zitwer Wurzel (Familie der Zingiberaceae), süß holtz,
präparirt, Hirschhorn, weißen Ingber, (Ingwer), Muscaten Bluh-
men, deß besten Zimmet oder Canel, Galgant, Würtz Nagelein
(Nelken), Anys (Anis), Cubeben (Kubebenpfeffer), Cardemon
(Kardamom), feld-Cümmel (Kümmel), _Petersiliensamen,
feinchel samen (Fenchel) jedes 1/4 Loth.
Des besten Aloes und Rabarbara 3/4 loth von jedem; präparirten
wein stein, senesblätter (Sennesblätter), von jedem 1 1/2 loth.
Hirschzungen Kraut, Ehrenpreiß Kraut, Tausendgülden Kraut,
Wachholder Birn (Wacholderbeeren), Cardobenedicten (Be-
nediktendistel), Von diese fünff stück jedes 1/4 loth 1/2 quintel (1
loth = 1,66 g), des Besten Canarienzucker nach Nothturff.
NB. Dies recept hab getheilt in das vierte Theil, sonst ist das
totum (= das Ganze) also obgemelter Erster ingredientien
(Ingredienzien = Bestandteile) jedes-1 loth. Der Zweiten von
diese 2 stück jedes 3 loth. Der dritten von jedem 6 loth. Der
vierten von diesen 5 stück jedes 1 1/2 loth. Damit das Pulver fein
lieblich gemacht werde, so werden alle diese species klein
gestoßen, daß er fein Pulver wird, alsodann in ein Glas wohl zu-
gebunden biß zum gebrauch verwahret.
Der Gebrauch dieses Pulvers.
Daß man Morgens nüchtern, zu mittags ein stund vor der
Mahlzeit, nachts wan man zu Betthe gehen wilt, jedes mahl eine
gute Messerspitze Voll einnehme. Endweder so Trocken oder in
einem glaß voll guthen Weins nach belieben und damit ein viertel
Jahr Continuirt, so wird man sich ann Kräfften des leibes auch
sonsten wie Neugebohren befinden. sonderlich wan man eine
guthe Diät halten thut.
56 VENEN
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rrers zu Eys
87
Nutz dieses Pulfers.
1. Eß reiniget das geblüth vom scharbock (Skorbut, durch
Vitamin C-Mangel der Nahrung verursachte Krankheit)
2. dienet es wieder die flüße und haubtwehe (= Kopfschmerzen)
und macht ein frisch Gehirn.
3. starcket das hertz die Lunge, und Leber, reiniget die Miltz,
und hält sie zusammen in guter Gesundheit.
4. Vertreibet es den Husten, und den Schleim aus dem Haltz
macht die Brust linde und dienet gar sehr wieder die Enge Brust.
5. so starket es und erwarmet den verdorbenen Magen.
6. ist es guth wieder alle Fieber und präservirt die Menschen vor
der gleichen beschwärlichen Krankheiten (präserviren = schüt-
zen, bewahren).
7. Es reiniget die Blaßen, und macht wohl harnen, Treibt es auch
die Winde, und Blähungen im gleichen den Stein, er sei weiß oder
roth, groß oder klein, so muß er wie kleine Senffkörnlein
zermahlen werden und mit Verwunderung durch den Urin ohne
Schmertzen von den Menschen gehen.
8. ER präservirt den Menschen vor dem Schlag, vertreibt den
Schwindel, und Ohnmacht.
9. So bringt es das gehör wieder, und vertreibt die flüße der
Ohren.
10. Macht einen guten appetit zum Essen, in Summa Es kan
die Tugend dieses Pulvers nicht genügsam beschrieben werden.
2. Zahn, Pulfer 2 loth mastix 1 loth präparirt Hirschhorn.
(Mastix : das aus der Rinde gewonnene, getrocknete Harz des
Mastixstrauches; wird u.a. für Klebemittel, Pflaster und Gemäl-
defirnisse verwendet.)
3. Umb Marellen Einzumachen
Nimb 6 Pfund Marellenkirchen, die starten (= die Stiele) müßen
halb abgeschnitten sein : diese werden durchaus nicht gekocht :
Nimb besten Essig, so viel das es über die Kirschen gehen möge,
in demselbe laße auf dem Feuer 1/2 Pfund weißen Zucker sieden,
hernächst lege in dem Düppen (= Topf) eine Lage Kirschen, und
zwischen jeder Lage streue etwas von den unten gemelten gekräut
oder gewürtz und so bis zum End der Kirschen. 1/2 loth
Groffelsnägel, 1/2 loth Caneel noch etwas Cubeben und Carde-
mom. dieses muß alles klein gestoßen seyn, und zwischen jede
58
Lag gestreuet werden. Zu End wird der kaltgewordene Essig und
Zucker kalt über die Kirschen gegoßen, und wohl zumacht das
gantze Jahr verwahret (Groffelsnägel : aus dem Frz. ”clou de
girofle””’ = Gewürznelken; Caneel = Zimt; Cubeben = Kubeben-
pfeffer, Cardemom = Kardamom, Ingwergewächs aus Vorder-
indien u. Ceylon. Aus dem Samen gewinnt man ein scharfes
Gewürz).
Von fremder Hand wurde unter dieses Rezept ”’Keukenpiet”
geschrieben.
4. Vor Bisquit zu machen.
Nimm auf die klein Form 10 Eyer dötter, 1/2 Pfund weißen A
Zucker etwas Zitronenschall gerieben : alles unter die Eyer dötter
gerührt, das weiß aber von 10 obgemelten Eyern mit ein Besen
geschlagen. Dan darunter gerührt; dan ein halb Pfund fein
weitzen mel, aber nicht früher unter obige ingredientien gethan
biß es zum Ofen eingehet.
5. Vor Amandeln zu machen.
Nimm 10 Eyerdotter, die halbscheid (= die Hälfte) von dem
weiße obiger Eyer geschlagen darzu gestoßene süße amandeln 1/2
Pfund, dito ein halb viertel bittere amandeln gestoßen, in die
Eyerdotter gerührt, 1/2 Pfund Zucker gestoßen.
6. Voor Waffeln
1 pond meel, 4 ad vyff eyer, etwas Caneel, een bierglas
Rosenwasser, gesmolten Butter.
Die folgenden Rezepte (Nr 7-19) fanden wir in einem
Notizbuch des Walhorner Pfarrers Wilhelm Caproens. Dieser
wirkte in Walhorn von 1679 bis 1682 als Kaplan, von 1682 bis zu
seinem Tode i.J. 1711. als Pfarrer.
7. Ein augentrost Wein so daß gesicht stärcket und erhalt.
Nimb einen guten Theil augentrost (1) thu denselben in most laßt
ihn darüber gerren, laß ihnen auch darin liegen, und trinck täglich
darvon, er Halt dir dein gesicht Frisch, und ohne einigen anstoß,
und ist kein augentrost so groß, es seye beye Jungen oder beye
alten, welcher nit durch niessung dieses Weins geheilet und
verdrieben wird :
Sonsten mag man auch alle tag dieses Kraut ein wenig essen, in
einen. frischen ey, oder gepulvert mit guten Wein eintrincken, so
59
hatt es auch wohl die krafft als vorgemelt Wein ist gleich woll so
krafftig nit :
Es kann kein besser artzeney zu blinden augen gefunden werden
als dieser und so einem der Wein so starck were der moge ihn
in etwas süsses brechen.
8. Ein ander
Lege alantswurtzel (2) 3 tage lang in Wein, drinck darnach
darvon alle tag ein wenig, hat fast alle tugenden und opes (3) des
augentrostweins an sich :
9. Ein Wein für das Gesicht
R. (4) Eufragiae (5), augentrost, bethonicae, Cariphilatae (6) ana
(7), und daß sie grün seyen mit kraut und wurtzelen, Holderblut
(8) fanß fenckel (9) : ana, wie daß ander diese ding thue alle mit
einander in ein faß vol most so daß er darüber gerre, lasse sie es
durch es gantze jahr darin und drincke morgens nüchtern einen
drinck darvon, so hastu kein mangel der augen zu befürchten,
sondern wirst dein gesicht allzeit scharff und klar behalten.
10. Unterscheidliche Collyria (10) für allerhand augenbresten. Ein
marchasit oder fewerstein (11) lege ihn ins fewer, laß ihn voll
gluend werden, wirff in darnach in gute alte oele, thue solches 5
oder 6 mahl, und wan du lehroel (12) darzu haben koentest, were
es besten, stoß darnach daß stein zu kleinen pulvert, thue
dasselbe mit dem oele in einen kalten (Topf ???), zerstoß ihn
widerumb zu pulver, und giesse daß gedestillierte wasser darauß,
und destilliere es zum dritte mahl, wie du es offteres thuest, wie
dein wasser subtiliern (13) und besser aber weniger wird, dieses thu
einen troplein in ein mangelhaftiges aug, eß ist kein mangel oder
schad so groß oder so alt den er nicht benimbt und heilet.
11. Aliud (14)
R. Sal gemmae (15) und pfeffer zerstosse es mit einander, thue
darzü fenchelsafft und wurzelen, stoß woll untereinander, gieß
starcken essig darüber, und wan du wilst zu beth gehen, so netze
ein tüchlein darin, und netze daß aug damit es hilfft.
12. Aliud
R. Wermutsafft vermenge denselben mit honig und eyerweiß, es
benimpt alle flecken der augen darin gestrichen.
13. Aliud +
R. Sperbermist, thue ein wenig in daß aug, und bind daß übrige
60
außwendig darauff, es benimbt die fell (16) ohne schmertzen.
14. Aliud
R. Rauten (17) stecke sie in warm wein und trincke denselben also
warm, es werden die dunckele augen hell und daß gesicht scharff
darvon.
15. Aliud
Wan ein aug entweder durch ein stoß schlach oder fluß geschwol-
len ist, so nimbt kumel (18) und rosmarin, zerstosse sie klein brats
darvorher ein apffel gar weich rühre alles woll untereinander mit
warmen wein, schlage es also warm auff daß aug’
16. Aliud %
R. Ein becher mit rauten safft und ein becher mit guten wein, thu
diese 2 mit einander in einen vollverstopften haffe (19) mit 3
untzen (20) tutia (21), laß also sieden ein stund lang, verwahre daß
übrige, thu ein tropffelein in ein mangelhaftiges aug, es ist kein
augenbresten den es nit heilet :
17. Aliud
Für rohte entzündte augen nimb einen granatapffel (22),
brate denselben in aschen, when er gebraten ist, so trincke den
safft herauß, thue darzu 3 mahl so viell rosenwasser als des safft
ist, beneben ein wenig gepulverte gummi Arabikum, verwahre
alles mit einander in ein glassern flaschen, ist auch ein köstliches
Collyrium für alle augenbresten :
18. Aliud
R. die spitze von der Wermut zerknirsche sie mit eyerweiß,
weissen wein und rosenwasser, thue dessen ein tropfflein ins aug
es benimbt ihm alle hitze und rohte.
wein einem die augen jucken oder sonst schmertzen nimb Tutia
glue sie 9 mahl und lesche sie allemahl in rosenwasser, thu
darnach 2 untz gummi Arabici, eine drachma (23) Zucker, ein
schwingel (24) Campffer und 4 untzen rosenwasser darzu menge
alles woll untereinander und laß ein tropfflein ins aug, es hilffts :
19. Aliud
Wenn einen ein panum (25) sonsten ein flecklein ihm augen hatte
er nehme hühnerdarm trucke den safft aus, er kompt sie in wenig
tagen ab.
61
Erläuterungen
1) Augentrost (Euphrasia officinalis), enthält im Kraut Aucubin, Gerbstoff und
ätherische Öle; wird heute noch bei Augenleiden von der Homöopathie verwendet.
Blüht von Juli bis Oktober auf Rasenplätzen und Weiden.
2) Alantswurzel : Den echten Alant (Inula helenium) trifft man von Juli bis August
in Ufergebüschen und Wiesengräben. Die Blüte erinnert an die des Löwenzahns.
Die Pflanze enthält ätherisches Öl (Helenin), Inulin, Azulen und Alantol in den
Wurzeln und wird gerne als Tee bei Schleimhauterkrankungen und Husten
verwendet. 5
3) Opes = Kräfte
4) R = Recipe = Nimm
5) Euphragiae : Verschreibfehler für Euphrasiae = Augentrost, (s. 1)
6) Cariphilata = Benediktenkraut, Echte Nelkenwurz (Geum urbanum), ein in
Gebüschen, Hecken und am Wegrand häufig anzutreffendes Pflänzchen, das von
Juni bis Oktober blüht. Der Wurzelstock enthält ein ätherisches Öl, dessen
Geruch an Nelkenöl erinnert. Seine Verwendung als Heilkraut ist sehr alt und
sehr vielseitig. Eine alte Schrift sagt von ihm : ”’Wo diss wurtz in dem huse ist,
da mag der teuffel nicht schaffen und fluhet sie und darum is sie gebenedeyt
(”benedictus”) für alle andern wurtzeln”. Der Tee wird zur Nervenstärkung
genommen, die Wurzeln besonders gegen Durchfall und Darmkatarrh. Den
Kühen gab man früher die Benediktenwurzel, damit sie mehr Milch gäben.
7) Ana = zu gleichen Teilen
8) Holderblut = Holunder, blüten
9) Fanss Fenckel = (Panicum germanicum); ”Fensch, Fenich oder Fuchs
Schwanz, sein Samen gleichet dem Hirsen, ist aber noch kleiner, dabei unverdau-
licher und unangenehmer”. (Curieuses und Reales, Natur-, Kunst-, Berg-,
Gewerck- und Handlungs- Lexikon”, 1741)
10) Collyria = Augensalben
11) Fewerstein = Feuerstein
12) Lehroel = Lederöl = Tran
13) subtiliren = verfeinern
14) Aliud = ein anderes, ein weiteres (Mittel)
15) Sal gemmae = Steinsalz, auch sal fossile genannt.
16) Fell : "Augen-Felle sind unterschiedliche Arten : als staar-Felle, das Pterygium
oder Fluchigen und Pannus, das rote Fellgen oder Anwachs an der Tunica
coniunctiva”. (”Curieuses u. Reales ...”) S. Anm. 9
17) Rauten : Rautenblätter enthalten ein ätherisches Öl, Rutin, leicht krampflö-
send und beruhigend.
18) Kumel = Kümmel (Carum carvi).
19) Haffe, oberdeutsch = Topf
20) Untze, Unze : Das Apothekergewicht Unze "hat 8 Drachma oder Quintlein”,
d.h. 31,104 Gramm
21) Tutia : Schmelzhüttengebrannte Tiegel, wird in Brennöfen gefunden, wo
Metalle geschmolzen werden.
22) Granatapfel : Frucht des Granatapfelbaumes. Die Samen werden als Obst
gegessen.
23) Die Drachma = 3 Scrupel = 3,888 Gramm
24) Schwingel Kampfer = Schuss (?) Kampfer
25) Panum = Gerstenkorn, Schwellung
62
Die Kaiserin Maria Theresia, auch
Landesmutter unserer Gegend, und die
Begründung der Wien-Reise
von Dr. Gisela De Ridder
1861 schrieb P. De Bruyne in seiner ”’Histoire de Belgique
sous le regne de Marie-Therese”’ : Obwohl bereits ein Jahrhundert
seit dem Ableben Maria Theresias vergangen ist, bleibt die
Erinnerung an diese erlauchte Monarchin stets noch immer rege
in dem Gedächtnis der Belgier und tief in ihren Herzen verwur-
zelt.”
Der Flame Lodewijk Mathot schrieb 1859 : ”Im Vergleich
zu einer unheilvollen Vergangenheit konnte man die Lage unseres
Vaterlandes in der letzten Hälfte der Regierung Maria Theresias
eine glückliche nennen. Der Handel, obwohl er wenig günstige
Voraussetzungen hatte, um sich in großartigem Maße zu ent-
wickeln, gewann doch von Jahr zu Jahr eine immer ansehnlichere
Ausdehnung ... Belgien erfreute sich hierbei eines zwar lang-
samen, aber stetig zunehmenden Wohlstandes. Die belgische
Nation lebte, in ihrer Zurückgezogenheit vergessen, das Leben
einer bürgerlichen Familie und beschränkte ihre Wirksamkeit
und ihren Ehrgeiz auf den stillen häuslichen Kreis.”
Schließlich vermerkt Albert Duchesne in seinem zum 250.
Geburtstag der Kaiserin erschienenen Artikel über die Theresia-
nischen Stiftungen in Belgien : ”Auch zum Ende unseres
Jahrhunderts brauchen diese Urteile nicht revidiert zu werden,
man muß sie höchstens in mancher Facette schattieren. Es gibt
noch heute Belgier, die im Herzen etwas Dankbarkeit für die
”goede Keizerin’”” behalten haben. Ihre Popularität, das Fort-
dauern ihres Renommees. wenn man so sagen darf, ist durch den
Platz, den sie in der belgischen Historiographie beibehält,
bestätigt.”
Die modernen belgischen Historiker haben, auch wenn sie
kritischer geworden sind, diese Meinung noch bestätigt, so auch
Henri Pirenne in seiner ”’Histoire de Belgique des origines ä nos
jours.”
63
Mit der Beendigung des spanischen Erbfolgekrieges durch
den Frieden zu Rastatt und Baden (1714) kamen die südlichen
Niederlande, also auch unsere Heimat, nach langer spanischer
Herrschaft an die österreichische Linie der Habsburger, d.h. an
Kaiser Karl VI. Maria Theresia, am 13. Mai 1717 in der Wiener
Hofburg geboren, trat 1740 nach dem Tode ihres Vaters, Kaiser
Karls VI., gemäß der pragmatischen Sanktion die Erbfolge an.
Die 23-jährige Kaiserin übernahm ein schweres Erbe. Die Staats-
kasse war leer, die Grenzen des Landes ungeschützt und viele
Gegner gab es, die Ansprüche auf die Kaiserwürde erhoben, so
auch Kurfürst Karl Albert von Bayern, der sich mit Frankreich
und Spanien verband, um die Machtstellung Österreichs zu
brechen und die spanischen Niederlande an sich zu reißen.
Ferner traten Kurköln, Polen-Sachsen, Schweden und Nea-
pel dem Bündnis gegen Maria Theresia bei. Zu alledem hatte
Friedrich II. von Preußen den Schlesischen Krieg begonnen.
Nachdem sich der Krieg zunächst in Österreich, Italien und
Böhmen abgespielt hatte, wurden die Niederlande Hauptkriegs-
schauplatz. Der französische Marschall Moritz von Sachsen
drang in die Niederlande ein. Bereits im Kriege zwischen
Österreich und Frankreich, der 1734 begonnen hatte, waren die
Franzosen 1735 in unsere Heimat eingefallen. Die Bagage des
”Prinzen Eugenius’ Regiment”, die im Dezember 1735 in Raeren
im Kloster Brandenburg in Quartier lag, wurde überfallen und
mußte fliehen. Doch zog kurz darauf das Kaiserlich-Bambergi-
sche Regiment in die Dörfer Raeren und Neudorf ein. Einige Jahre
später fielen wieder die Franzosen in unsere Heimat ein. Hermann
Wirtz gibt in seinem Buch ”Eupener Land” ein eindringliches
Bild über das Morden und Brandschatzen umhertreibender
Franzosen, Die Jahre 1746 bis 1748 waren drei schwere Jahre für
die Bevölkerung dieser Gegend. Eine Kriegstruppe löste die
andere ab. 1746 finden wir das Regiment von Bayreuth, da von
Bethlen und das Dragonerregiment van Althan in den Dörfern
der Bank Walhorn in Quartier. In Moresnet, Kelmis und
Hergenrath lagen Husaren und Panduren, in Limburg Kroaten.
1747 zog das Dragonerregiment von Althan nach Herve und das
Grenadierregiment von Bathiani rückte nach, zu dessen Verpfle-
gung enorme Mengen Getreide und Stroh aufzubringen waren.
Die Lage spitzte sich für unsere Heimat immer mehr zu, nachdem
der Marschall Moritz von Sachsen den Herzog Wilh. Aug. von
Cumberland, den Oberbefehlshaber der englischen Truppen, am
64
2. Juli 1747 südlich Maastricht entscheidend geschlagen hatte. In
Raeren, und zwar in Neudorf auf der Pfau, fand am 20. Januar
1748 ein größeres Gefecht statt, bei dem die Franzosen zurückge-
drängt wurden und es viele Tote und Verwundete gab. Freund
und Feind lebten in gleicher Weise auf Kosten der Bevölkerung;
die Abgaben und Leistungen, die von den einzelnen Gemeinden
gefordert wurden, waren groß. Pfarrer Ganser von Raeren konnte
im Februar 1748 in sein Kirchenbuch endlich folgende Eintra-
gung schreiben (aus dem Lateinischen ins Deutsche übersetzt) :
”Im Februar wurden die durch das harte Joch Frankreichs
bedrückten Limburger und Belgier durch die Königin Ungarns
befreit.” Nach diesen schlimmen Kriegsjahren kam unter der &
Herrschaft der Kaiserin Maria Theresia eine Zeit ruhiger Ent-
wicklung und Erholung. Eine Reihe grundlegender Gesetzesbe-
stimmungen versuchten die bösen Folgen vergangener Jahre zu
mildern und zu beseitigen.
Maria Theresia, die eine vorzügliche Menschenkenntnis
besaß, hatte für alles vorgesorgt und ernannte bevollmächtigte
Minister. Jener in den Niederlanden unterstand ebenso dem
Wiener Hof wie die Statthalter in den böhmisch-österreichischen
Ländern. Er erhielt die Weisungen aus Wien und richtete seine
Berichte dorthin, während sich der Generalgouverneur auf das
Repräsentieren und Unterschreiben der ihm vorgelegten Dekrete
beschränkte. Die Kaiserin entsandte ihre besten Diener nach
Belgien; dieselben zählten zu den tüchtigsten Staatsmännern
ihrer Monarchie, wie Marchese Botta Adorno, der von 1744 bis
1753 in Brüssel weilte und sich allgemeiner Beliebtheit erfreute.
Viel leistete auch als bevollmächtigter Minister Karl Philipp Graf
Cobenzl, der von 1753 bis 1770 die Regierung führte. Diesem
Minister war es ein Hauptanliegen, neben der Einführung der
Neuordnung des Gerichts- und Verwaltungswesens die Wirt-
schaft, die Wissenschaft und die Künste zu fördern. Zwei
Stiftungen Maria Theresias existieren heute noch, und zwar die
jetzige Königliche Akademie der Wissenschaften, der Künste und
der Literatur und das Theresianische Kollegium in Herve. Man
darf auch nicht vergessen, daß in den letzen beiden Lebensjahr-
zenten der Kaiserin etwa ein Drittel der Stadt Brüssel neu gebaut
wurde, wie die Place Royale und die rue Royale. Der Hof von Brüssel
hatte unter ihrer Herrschaft eine "Prachtentfaltung erreicht, die es
ihm ermöglichte, mit den schönsten Höfen Europas zu konkurrie-
65
Sy
On 2 A
Dieses Medaillon mit dem österreichischen Doppeladiler und den Initialen MT
erinnert daran, daß das ”Collöge Marie-Theröse” in Herve eine Stiftung der
großen österreichischen Kaiserin ist.
Foto G. De Ridder
ren. Berühmte Portraits der Herrscherin werden in Gent und
Brüssel aufbewahrt. Nur wenigen aber ist das Gemälde im
Pfarrhaus von St. Nikolaus zu Eupen bekannt, das Maria
Theresia auch als unsere Landesmutter präsentiert. Die Kaiserin,
die große finanzielle Zuwendungen als Sondersubsidien aus den
Niederlanden erhielt, bezog zudem sowohl für den Erbfolgekrieg
als auch für den Siebenjährigen Krieg ihre besten Truppen aus
diesen Gebieten. So haben sich besonders die Wallonen auf allen
Schlachtfeldern Europas ausgezeichnet. Zahlreiche Heerführer
stammten aus Belgien, so die Feldmarschälle Charles Herzog
Arenberg, die Fürsten Ferdinand und Clausius de Ligne, der Graf
Gobert d’Aspremont Lynden und mehrere Generale. In Erinne-
rung an den Sieg bei Colin (18. Juni 1757) über die Preußen, wo
das wallonische Dragonerregiment des Fürsten Ferdinand de
67
Bald zogen eine große Anzahl Kämmerer belgischer Abstammung
in die Hofburg oder in Schönbrunn ein. Daher stammen auch
die schönen goldenen Schlüssel mit den Initialen M.T. in
belgischen Adelsfamilien. In ihren privaten Diensten waren auch
belgische Kammerfrauen, wie das Fräulein de Ransonnet, die
1778 in der Hofburg starb.
Die Monarchin zeigte ihre Dankbarkeit gegenüber den
Belgiern durch großzügige Geschenke. So stiftete sie oft Kirchen
und Klöstern Meßgewänder. Eine Reihe kostbarer kirchlicher
Gewänder der Eupener St. Nikolaus Pfarre sollen von Maria
Theresia stammen.
Durch die Friedensjahre unter Maria Theresia wurden die
schweren Kriegsjahre von der Bevölkerung überwunden und
allerorts setzte zunehmender Wohlstand ein. Überall erfreute sich
die Landesmutter großer Beliebtheit. Man bewunderte diese
Frau, die vom ersten Tage ihrer Herrschaft an um ihren Thron
kämpfen mußte, die die Grenzen ihres Landes festigte, die den
Menschen eine Ruheperiode schenkte in der wechselvollen Ge-
schichte, die ihre Qualitäten von Weisheit und Mut in die Tat
umsetzte und die damit das Inkrafttreten vieler Reformen erreich-
te. Ohne großes Aufsehen paßte sie die alten Institutionen neuen
Bedürfnissen an. Gegen ihre Gegner, von denen Friedrich der
Große von Preußen der gefährlichste war, wußte sie geschickt zu
handeln. Unter der Regentschaft dieser großen Frau, die ihrem
Geschlecht und dem Thron Ehre machte, wie ihr Rivale, Fried-
rich der Große von Preußen es ausdrückte, wurde unserem Land
ein halbes Jahrhundert Frieden zuteil, der eine enorme Entwick-
lung in der Landwirtschaft, im Handel und in der Industrie
ankurbelte. Gerade in unserer Gegend erhielten die Töpfer von
Raeren, Neudorf und Merols ihre Vorrechte und Vergünstigun-
gen neu bestätigt. Urkunden und Zunftbriefe der Töpferinnung
sind bis auf ein Exemplar, das in flämischer Sprache abgefaßt ist,
nicht mehr erhalten geblieben. Dieses eine Exemplar, das sich im
Hetjens-Museum in Düsseldorf befindet, beginnt : ’”’Maria
Theresia by Godis gnad Kayserinne und Kuneginne van Duyts-
land, van Ungarien’” usw. Die Töpfer hatten die Kaiserin
gebeten, ”’poncten ende artikeln’””, die ihnen ebenso wie der
Privilegienbrief des Herzogs Albrecht von Österreich und seiner
Gemahlin Isabella von Spanien aus dem Jahre 1619 abhanden
gekommen waren, zu erneuern und ein neues Statut zu erlassen.
68
Die Bitte wurde ihnen durch den Erlaß neuer von den alten wenig
abweichenden Statuten gewährt. Dieses Dokument wurde bei
einem Raerener Töpfermeister aufbewahrt und durch Vikar P.,J.
Schmitz gefunden.
Unter Maria Theresia kannte die Eupener Tuchindustrie
eine ihrer bedeutendsten Epochen. 1764 wurden in der hiesigen
Tuchindustrie 5070 Arbeiter an 340 Webstühlen, in den 10
Walkereien und den 14 Webereien beschäftigt. Durchschnittlich
gelangten jährlich 22.000 Stücke Tuch, das Stück zu 40 Ellen,
zum Versand.
Auch die Gemeinden bemühten sich, manches in harten -
Kriegszeiten Versäumte nachzuholen. 1740 wurde die Steinbrük-
ke über die Iter in Titfeld, um 1758 die Hohe Brücke gebaut.
1757 die Steinbrücke in Raeren-Neudorf. Am 13. Dezember 1767
kaufte der Eupener Bürgermeister J.S. Vercken von Herrn von
Hodiamont ein Haus nebst Garten, als Rathaus und Gefängnis
dienend, für 1000 Frs. Lütticher Währung. Diese Originalurkun-
de des Kaufvertrages beginnt mit den Worten : ”’Maria Theresia
von Gottes Gnaden, römische Kaiserin Witwe, Königin von
Ungarn, Böhmen allen denen welche Gegenwärtiges zu Gesicht
bekommen, Gruß.” Sie endet mit den Worten : Gegeben zu Wien
den 12. Juni im Jahre des Heils eintausendsiebenhundertachtund-
sechzig und im achtundzwanzigsten unserer Regierung. Maria
Theresia”. f
Auf Geheiß der Kaiserin Maria Theresia erfolgte 1756 eine
Neuordnung in den Aufteilungen der Waldungen, die durch
jahrhundertelangen Raubbau schwer gelitten hatten. So wurden
auch die Wälder gerade in unserem Gebiet neu eingeteilt, wie in
der Bank Walhorn und in der Bank Baelen. Dank dieser
Verordnung blieb ein Teil der ’’Via Mansuerisca” im Hohen
Venn bei Baraque Michel als Schneise erhalten und konnte 1977
anläßlich des jährlichen archeologischen Kongresses, der in
Kelmis stattfand, der Öffentlichkeit in seinen Fundamenten
dargestellt werden. (s. dazu Heft ”’Im Göhltal”” Nr. 24). Auch das
Straßennetz unserer Gegend wurde durch Maria Theresia ausge-
baut. So entstand nach 1750 die große Verbindungsstraße von Lüt-
tich nach Aachen über Herve, Battice, Henri-Chapelle und Kelmis.
Im Jahre 1775 wandte sich der Gemeindevorstand Eupens mit
einer Bittschrift an die Kaiserin, um die Erlaubnis zum Bau einer
70
Bei Maria Theresias Tod, am 29. November 1780, war die
Trauer sehr groß. Kurz vor ihrem Ableben hatte die Kaiserin am
22. Juli 1780 aus Schönbrunn an ihren Sohn Josef noch folgende
Zeilen geschrieben : ”’C’est le seul pays heureux et qui nous a
fourni tant de ressources. Vous savez comme ces peuples sont sur
leurs anciens et meme ridicules prejuges, s’ils sont obeissants
attaches et contribuent plus que nos pays allemands, extenu6&s et
möecontents.” Am 30. Dezember 1780 begaben sich sämtliche
Mitglieder aller Stände nach Ste. Gudule, um in Brüssel den
Trauerfeierlichkeiten beizuwohnen. Den Gottesdienst hielt der
. Kardinal-Erzbischof von Mechelen. Man schien ein Vorgefühl
davon zu haben, daß mit dem Tode Maria Theresias zugleich
auch die letzten schönen Tage der österreichischen Herrschaft in
Belgien zu Grabe getragen wurden.
Zum 200. Todestag Maria Theresias fand es unsere Vereini-
gung Grund genug, im Jahr der großen Feierlichkeiten : ”150
Jahre Belgien”, ”’1000 Jahre Lüttich”’, ”’700 Jahre urkundliche
Ersterwähnung von Kelmis und Heyenroth’” nach Wien zu
fahren. Das, was diese unvergleichliche Frau als Ausdruck ihrer
großen Schaffenskraft hinterließ, begegnete den Wienfahrern an
vielen Orten. Vor dieser Frau, die eine große Regentin, ihrem
Gemahl Franz von Lothringen eine gute Gattin und ihren 16
Kindern eine beispielhafte Mutter war, die stets Menschlichkeit,
Herzenswärme und Güte ausstrahlte, konnte man sich nur in
Ehrfurcht beugen. Wen wundert es da, daß diese Wienreise eine
einmalige Faszination ausstrahlte und die Mitfahrer aus Mal-
medy, Eupen, Baelen, Kettenis, Raeren, Hauset, Walhorn,
Hergenrath, Neu-Moresnet, Kelmis, Moresnet, Aachen, Stolberg
und Hamburg unvergeßlich beeindruckte?
Verwendete Literatur
1. Maria Theresia und ihre Zeit. Eine Darstellung der Epoche von 1740-1780 aus
Anlaß des 200. Wiederkehr des Todestages der Kaiserin. Herausgeber : Walter
Koschatzky, Residenz Verlag, Wien, 1980.
2. Alt-Eupener Bilderbogen (V) von Leo Kever, 1972.
3. Rheinisches Grenzland von Hermann Ritter, 1912.
4. Eupen und Umgebung von C. Rutsch, 1879.
5. ”Eupener Land” Beiträge zur Geschichte des Kreises Eupen von Hermann
Wirtz.
7
Pielruse Wifke en Männeke
von Leonie Wichert-Schmetz
Aus der Jugendzeit, aus der Jugendzeit
Klingt ein Lied mir immerdar.
Ach, wie liegt so weit, ach, wie liegt so weit,
Was mein, was mein einst war!
Ich höre die Amsel singen! Schon weht der Frühlingswind, bald
werden die Blumen erwachen. Die Amsel singt wie in meiner
Kinderzeit, und die Blumen werden blühen wie in meiner
Heimat, und ich werde Blumen pflücken auf dem Breiberg und
werde mein Zimmer mit Sträußen schmücken wie einst.
Ich sehe mich als kleines Mädchen mit meinen Schwestern in
einer Schlucht am Abhang eines Kalkfelsens. Der Abhang liegt
nach Süden, und ganz früh regt sich an dieser Stelle der
Pflanzenwuchs. Die ersten der Frühlingskinder sind Narzissen,
die in meiner Heimat Pielruse heißen. Diese Blumen sind beliebt
bei jung und alt, und die Menschen glauben, keinen Frühling zu
haben, wenn nicht jeder einen Strauß Narzissen im Stübchen
stehen hat. Ich sehe heute noch die goldenen Blumenfelder, die
leise im Winde hin und her wogen, darüber die Falter fliegen.
Meine Schwestern in hellen Kleidchen knien am Boden und
pflücken von der goldenen Pracht, was sie nur erwischen können.
Ich komme vom Schauen kaum zum Pflücken. Mein junges Herz
trinkt die Frühlings-Herrlichkeit in sich hinein.
Ein anderer Frühlingstag. Die Narzissen sind alle gepflückt.
Das Meer der dunkelgrünen, schmalen Blätter bietet einen
düsteren Anblick. Ich bin betrübt und untersuche, ob nicht noch
ein Knöspchen zu erwarten ist. Die Erde ist frisch aufgewühlt;
dort hat man meine Freunde ausgegraben, sie werden im
nächsten Jahr nicht blühen! Ich suche weiter, all die lieben
Plätzchen suche ich auf. Da sehe ich etwas Schreckliches!
Schrecklich für ein Kinderherz. Ein altes Männchen und ein altes
Fräuchen knien am Boden und graben die Blumen mit den
Zwiebeln aus und stecken sie in eine Kiepe, die schon ganz gefüllt
ist mit den gelben Glocken. Ein Schauer überläuft eiskalt meinen
72
Rücken, aber die Neugier prickelt in allen meinen Gliedern. Ich
möchte davonrennen und kann es doch nicht. All die alten Sagen
von Wichtelmännchen fallen mir ein, die die Blumen wegnehmen
in unterirdische Schluchten, sie erhalten und ordnen und im
neuen Frühling wieder langsam aus der Erde emporstrecken.
Jetzt wußte ich, warum nicht Narzissen immer blühten.
Die beiden Alten arbeiteten schnell und geräuschlos. Ich
hielt den Atem an und sah zu, dann ging ich leise weg und
erzählte den Schwestern mit wichtiger Miene, daß Wichtelmann
und -frau die Blumen schon wieder einpackten. Das war meine
erste Bekanntschaft mit Pielruse Wifken und Männeken. Im e
nächsten Jahr sah ich sie wieder. Alle Jahre kamen sie so sicher
wie der Frühling. Schließlich wurden sie zu Frühlingsboten, und
sobald sie zum ersten Mal erschienen, eilten wir in den Wald und
pflückten auch die ersten Narzissen. Immer blieben die beiden
gleich, eisgrau und gebückt, einen Korb am Arm, der Mann die
Kiepe auf dem Rücken. Die Frau angetan mit einem braunroten
Rock, der Mann mit grünem Wams und einer schwarzen Mütze
auf dem Kopf, ein Jahr wie das andere.
Längst weiß ich, daß sie aus der Stadt stammen, Gärtners-
mann und -frau, und in der Stadt die Narzissen verkaufen. Aber
als ich sie kürzlich in der Stadt sah, gebückt, eisgrau, mit
Narzissen beladen wie immer, ergriff mich der geheimnisvolle
Schauer der Kinderzeit. Fast zwanzig Jahre sind vergangen seit
meiner ersten Bekanntschaft mit ihnen. Uralt müssen sie sein,
aber noch immer leben sie, noch immer, noch immer. Solange sie
leben, lebt auch meine Jugend.
73
Ein Stück Zeitgeschichte : die Freiwillige
Feuerwehr Walhorn
von Leo Homburg
Am 1. Mai 1920 zog mein Vater mit Kind und Kegel nach
Walhorn, wo Generationen seiner Vorfahren gewohnt hatten.
Als ich zum ersten Male mit dem Pferd zur Schmiede kam,
befand sich dort der Brandmeister der Feuerwehr, Karl Simons.
”Ne grute stramme Jong we Dow”, sagte er, ”’gehüet e gen Führ-
wehr.”” Und noch ehe der Schmied mit dem Beschlagen des Pfer-
des fertig war, hatte er mir auf seinem ”Söller’”’ (Dachboden)
Rock, Helm und Gurt verpaßt. Als ich zu Hause ankam, sagte
mein Vater, der den Krieg mitgemacht hatte : ”’Aht weer enne
Dölle met en Uniform.” (Wieder ein Verrückter mit einer Uni-
form.)
Von nun an erlebte ich Brände und Feste der Walhorner
Wehr mit. Am Mariä Himmelfahrtstag 1925 brannte in der Nacht
der Gutshof am Lindchen. Alarmiert wurden wir durch einen
Kameraden, der mit dem Fahrrad rundfuhr und auf dem Horn
das Signal blies. Im Walhorner Kirchturm läutete die größte
Glocke.
Da in dem brennenden Gebäude ein Transformator des
Elektrizitätswerks eingebaut war, schickte mich der Brandmeister
mit meinem Motorrad nach Hergenrath, den dort wohnenden zu-
ständigen Beamten W. Jungbluth zu holen. Als wir zur Brand-
stelle zurückkamen, waren der Stall und ein Wohnhaus bereits
niedergebrannt. Das mit Gott 1905 erbaute neue Wohnhaus war
erhalten geblieben. Hinter einer Hecke stand das wenige Mobilar,
das der Mieter hatte retten können.
Die sinistrierte Familie wurde drei Tage später, am Sonntag,
in Begleitung des Bürgermeisters und des Feldhüters in eine leer-
stehende Wohnung einer stillgelegten Spinnerei in Astenet - gegen
des Willen des Eigentümers - untergebracht. Als Fahrer des ge-
retteten Mobilars wurde ich Zeuge dieser Einquartierung.
Auch zu einem Brand auf dem Gut Krapol wurden wir geru-
fen. Trotz der Hilfe der Eupener Wehr brannte ein Teil der Ge-
bäude ab.
74
Unser erster Besuch eines Feuerwehrfestes führte uns nach
Malmedy. Auf einem altersschwachen Lieferwagen, der es ge-
wohnt war, einige 100 Kg Butter von den Bauernhöfen zusam-
menzufahren, hatten wir einige Bänke aufgestellt. Schon die erste
starke Steigung hinter Eupen schaffte der Wagen nicht; wir
mußten absteigen und hinterher laufen. Irgendwo hinter der
Baraque Michel brach die Hinterradachse des Wagens, und wir
marschierten zu Fuß bis Malmedy. Mit der Eisenbahn kamen wir
nach dem Fest zurück.
Das erste Feuerwehrfest, das wir nach dem Krieg im Ausland
besuchten, war in Monschau. Zu diesem Verbandsfest waren die
Wehren des verlorenen Kreises Eupen eingeladen worden. Wir ;
wurden herzlich empfangen. Es gab Eintopfessen und Biermar-
ken, einen Festzug und anschließend eine Brandbekämpfungsvor-
führung, und als Abschluß des Festes wurde auf dem Burghof
”Wilhelm Tell’”” aufgeführt. Das war 1926.
1928 feierte unsere Wehr - 34 Mann stark - ihr 25-jähriges
Bestehen. Die Feier war für die damalige Zeit groß aufgezogen
worden. Auf dem Kreuzberg hatte man auf einer Wiese ein Fest-
zelt aufgebaut. Die Feier wurde am Vorabend mit einem Fackel-
zug eröffnet. Sonntag Morgen wurde vor dem Kirchgang ein
historisches Erinnerungsphoto gemacht, und im Anschluß an die
Messe begab man sich unter Musikbegleitung zu einer kurzen
Feier ins Zelt. Der Nachmittag war ausgefüllt mit Marschübung
auf dem Platz neben der alten Schule (an dieser Marschübung
hatten wir Abende lang geübt) und mit der Vorführung einer
Brandbekämpfung in einem noch nicht ganz fertiggestellten Neu-
bau neben dem Hornbach, dessen Wasser wir zu dem Zwecke
gestaut hatten, und das Jubelfest klang aus mit einem Ball im
Festzelt.
Der alte Brandmeister Simons war schon vor einigen Jahren
gestorben. Seitdem führte W. Funke die Wehr. Er und die
anderen Führer waren sieglos heimgekehrte Soldaten. Sie sonnten
sich noch im Glanz der preußischen Uniform, die die Belgier
ihnen großzügigerweise gelassen hatten. Gewohnt, Befehle auszu-
führen, verlangten sie nun das gleiche von uns. Wenn auf einem
auswärtigen Feuerwehrfest der Festzug beendet war, mußte meis-
tens sofort nach Hause gefahren werden. Irgendwo in Heimat-
nähe wurde dann eingekehrt und bis spät in die Nacht hinein ge-
zecht.
76
Beim Feuerwehrfest in Rheydt sabotierten wir Jungen den
Befehl zum sofortigen Sammeln, nahmen uns den Fahrer des
Wagens, der auch Wehrmitglied war, und amüsierten uns ein
paar Stunden. Als wir zum Wagen zurückkehrten, klebte an der
Windschutzscheibe ein Zettel mit der Unterschrift des Brand-
meisters : ”Sind mit dem Zug nach Hause gefahren.” Stunden
später trafen wir uns wieder im Vereinslokal. Diejenigen, die den
Zug genommen hatten, waren noch immer dabei, ihren Ärger
hinunterzuspülen. ”’Undisziplinierte Ausgabee! Ihr kommt vors
Kriegsgericht!”” Mit diesen Worten empfing uns der Brandmeister.
Dann hantelte er seinen Säbel aus der Scheide und versuchte, ihn
übers Knie zu brechen zum Zeichen dafür, daß er mit uns "
nichts mehr zu tun haben wollte. Wegen seines alkoholisierten
Zustandes gelang es ihm jedoch nicht.
1936 legte W. Funke sein Amt als Brandmeister nieder und
schied aus der Wehr aus. Mit ihm stellte sein bisheriger Stellver-
treter Alois Stickelmann seinen Posten zur Verfügung. Der Bür-
germeister, in seiner Eigenschaft als Chef der Wehr, ernannte
nun zum neuen Brandmeister den bisherigen Führer der Steiger-
gruppe Ludwig Simons; zum Führer der Steigergruppe bestimmte
er mich. Albert Keutgen wurde Vertreter des Brandmeisters; er war
bisher der Führer der Wasserzuführungsgruppe gewesen. Auf
diesem Posten ersetzte ihn Joseph Klinkenberg.
Ludwig Simons war führendes Mitglied der Heimattreuen
Front, die damals - 1936 - schon über 700 Mitglieder zählte.
Diese Partei war von der belgischen Regierung nicht gerne gese-
hen, sie war aber auch nicht verboten.
Die anderen Wehren des Eupener Landes hatten sich im
Laufe der Jahre auf belgische Uniformen umgestellt. Nun ver-
langte der Kreiskommissar von Grand Ry - 1937 -, die Walhorner
Wehr solle das gleiche tun. Zur gleichen Zeit erreichte uns eine
Einladung zur Teilnahme am Rheinischen Feuerwehrverbandsfest
in Düsseldorf. Über beides wurde abgestimmt.
Mit der Begründung, daß nach dieser Zeit eine neue und
bessere kommen würde und wir unsere Uniformen, die wir so
lange getragen hatten, nicht gegen belgischen Uniformen tau-
schen sollen, erreichten Simons und seine Leute, daß die Auffor-
derung des Kommissars mit großer Mehrheit zurückgewiesen
wurde. Mit Mehrheit angenommen wurde der Besuch des Feuer-
77
wehrfestes in Düsseldorf, das im Rahmen der Ausstellung
”Schaffendes Volk” stattfand.
Als Auslandsdeutsche mit preußischen Uniformen wurden
wir in Düsseldorf zuvorkommend empfangen. Man wies uns
neben ein Denkmal mit der Aufschrift Und ihr habt doch gesiegt””
ein. Dort wurde die Parade der vorbeimarschierenden deutschen
Wehrmänner von hohen Feuerwehr- und Parteigrößen der
N.S.D.A.P. abgenommen. Sollte es für uns eine Ehre sein, dort zu
stehen, oder war es, daß wir den Stechschritt der Vorbeimar-
schierenden nicht konnten?
Als Folge unserer Beteiligung an der Düsseldorfer Veranstal-
tung beauftragte der Kreiskommissar von Grand Ry den Walhor-
ner Feldhüter, die Mitglieder der Wehr zu einer Versammlung ins
Vereinslokal einzuberufen.
Der Brandmeister war nicht anwesend, als der Kommissar
die Versammlung eröffnete, doch seine Sympathisanten ließen
von Grand Ry nicht zu Wort kommen. Sie verlangten die An-
wesenheit des Brandmeisters. Da ich der einzige Motorisierte der
Versammlung war, erhielt ich den Auftrag, mit meinem Motor-
rad Simons zu holen. Dieser erklärte mir, er sei nicht eingeladen
worden, aber da die anderen seine Anwesenheit forderten, wolle er
mitfahren und dem Welschen seine Meinung sagen. d
Nachdem der Kommissar den Brandmeister begrüßt hatte,
gab er bekannt, Walhorn sei die letzte Wehr der Ostkantone, die
noch preußische Uniformen trage. Auch hätten wir uns an einem
Umzug in Deutschland beteiligt. Das sei jetzt zu Ende. Wenn die
Wehrmänner sich nicht damit einverstanden erklärten, den dies-
bezüglichen belgischen Verpflichtungen nachzukommen, müsse
er die Wehr auflösen.
Ohne den Kommissar ausreden zu lassen, verließ der Brand-
meister mit erhobenem Arm den Versammlungsraum. Seine An-
hänger folgten ihm. Bei dem schockierten Kommissar blieben
noch 7 Mann. Darunter auch ich. Von Grand Ry erklärte uns,
daß wir an unseren Ausgehuniformen die blanken Knöpfe durch
die belgischen ”Löwenknöpfe” zu ersetzen hätten. An Stelle des
Helmes müßten wir die belgische Mütze tragen. Als er uns noch
sagte, bei Brandübungen dürften wir zur Arbeitskleidung weiter-
hin den Helm tragen, machte er uns die Zustimmung zu seinen
Verfügungen leicht.
78
Da auch der stellvertretende Brandmeister unter den Zurück-
gebliebenen war, ernannte der Kommissar denselben zum kom-
missarischen Brandmeister. Er war, als er sich von uns verab-
schiedete, mit dem Erreichten zufrieden.
Wir, die wir die Wehr erhalten hatten, dies auch zum Vorteil
derjenigen, die sich zurückgezogen hatten, trafen uns hin und
wieder, an den Uniformen änderte sich nichts. Wir pflegten das
Feuerwehrmaterial, und es gab in dieser Zeit keinen Brand und
auch keine Übungen, die ja auch, da die anderen uns sabotierten,
nicht möglich gewesen wären.
; Bei der Mobilmachung Belgiens wurden 6 junge Wehrmit-
glieder einberufen. Am 13. September 1939 erhielt jedes Wehr-
mitglied, auch die Gruppe um Simons, vom Bürgermeister und
Chef der Wehr, Konnen, ein gleichlautendes Einladungsschreiben
zur Information u.a. über die Bestimmungen, denen die Feuerwehr
im Mobilmachungsfalle unterworfen sei; angesichts der ernsten
Lage erwarte er, daß die Walhorner Wehr geschlossen erscheine.
Es gab schon Gerüchte über die zukünftigen Aufgaben der Weh-
ren. Daß soviele Wehrleute der Einladung des Bürgermeisters
folgten, war eine Überraschung. Nur wenige, einschließlich
Simons, waren nicht erschienen.
Der Chef der Wehr akzeptierte den kommissarischen Brand-
meister und gab dann bekannt, daß Feuerwehrleute nicht mehr
einberufen würden; sie müßten für besondere Einsätze zur Verfü-
gung stehen und schon einberufene Wehrleute könnten freige-
stellt werden. Nun fanden auch wieder, wenn auch Ilustlos,
Übungen statt.
Die Angehörigen der einberufenen Wehrmitglieder stellten
beim _Bürgermeistereiamt Anträge zwecks Freistellung ihrer
Söhne vom Militärdienst. Diese Anträge wurden vom kommissa-
rischen Brandmeister Albert Keutgen, der den gewesenen Zwist
vergaß, unterstützt, sodaß am 10. Mai 1940 auch die 6 mobilisier-
ten Feuerwehrmänner wieder zu Hause waren.
Am Morgen des 14. Mai erhielten wir sieben, die die Wehr
erhalten hatten, den vom Vortag datierten ’”’Herauswurf’’. Hier-
durch ergeht an Sie die Aufforderung”, so schrieb der Bürger-
meister und Chef der Wehr, ”’im Laufe des 14. Mai 1940 die sich
in Ihrem Besitze befindliche Uniform der Freiwilligen Feuerwehr
79
Walhorn mit den sonstigen Ausrüstungssachen der Wehr beim
Abteilungsführer der Wehr in Walhorn abzugeben.”
Dieser Bescheid wurde mir von zweien von den 6, die uns
hätten dankbar sein können, überbracht. Mit ”Heil Hitler!”
überreichten sie mir das Schreiben vom Motorrad aus, ohne auch
nur abzusteigen. Beide Überbringer sind als deutsche Soldaten in
Rußland gefallen.
Die Unterzeichnung des Herauswurfs aus der Wehr war eine
der letzten Amtshandlungen des Bürgermeisters Konnen, ehe er
von den Deutschen seines Amtes enthoben wurde. Ich nehme an,
daß er unter dem Druck der jetzt groß auftretenden ’”’Heimat-
treuen’ gehandelt hat. Wie immer bei politischen Umwälzungen
war der Pöbel an der Macht. Sie übernahmen nicht nur die
Feuerwehr und warfen uns 7 hinaus, sie hielten Reden und feier-
ten die Befreiung von der Unterdrückung. Eine Gruppe zog, ”die
Fahne hoch” singend mit einer Hakenkreuzfahne durch’s Dorf,
holte die belgischen Fahnen aus der Molkerei und dem Bürger-
meistereiamt heraus und verbrannte sie; dasselbe geschah mit der
belgischen Fahne vom Postamt Astenet.
Ich übergab meine Sachen dem Walhorner Bäcker Heinrich
Schumacher, der uns mit Brot belieferte, und bat ihn, dieselben
im Vereinslokal gegen Quittung abzugeben.
Als ich mich später bei Amtsbürgermeister Zielinski über
meinen Herauswurf aus der Wehr beschwerte, erhielt ich zur Ant-
wort, das sei die Folge meines deutschfeindlichen Verhaltens gewe-
sen. Die unangenehmste Folge dieses Herauswurfes war jedoch,
daß ich noch den deutschen Waffenrock tragen mußte. Wäre ich
noch Feuerwehrmitglied gewesen, so wäre ich wie die anderen
Landwirte meiner Altersklasse, die noch in der Wehr waren,
nicht einberufen worden.
Nachtrag
Vor mir liegt die Festschrift zum goldenen Stiftungsfest der
Freiwilligen Feuerwehr Walhorn 1902-1957. Sie wurde zusam-
mengestellt von dem seit 1948 in Walhorn wohnenden Joseph
Heuschen. Ich erlaube mir, einige darin enthaltene Angaben zu
berichtigen und darin Fehlendes bis zur Auflösung der Wehr im
Jahre 1966 zu ergänzen.
Die Walhorner Wehr wurde, wie in der Festschrift vermerkt,
am 16.12.1902 gegründet. Der erste Brandmeister Hansen hatte
80
als Stellvertreter Karl Simons. Nach dem Wegzug von Hansen
1919 wurde Karl Simons Brandmeister und 1922, nach dem
Tode von Simons, W. Funke. Unter der Führung von Simons
habe ich 1920 an einem großen Feuerwehrfest in Kelmis teilge-
nommen.
Die Feuerwehr wurde, so wie sie war, von der Baltia-
Regierung übernommen. Unter Brandmeister Funke wurden
große Anschaffungen getätigt. Die neuen Uniformen, beim
Schneider Zimmermann in Hergenrath angefertigt, hatten den
gleichen Schnitt wie die alten preußischen Uniformen.
Die Angabe der Festschrift, der zufolge Brandmeister Lud- ‘
wig Simons, der 1936 ernannt worden war, 1939 abgedankt habe,
muß dahingehend berichtigt werden, daß Simons nicht abdank-
te, sondern einfach durch sein nicht-Erscheinen die Wehr sabo-
tierte, deren Führung er dann nach dem 10. Mai 1940 wieder an
sich riß.
Die Festschrift geht mit wenigen Worten über die großen
Lücken in der Wehr und deren Zerrüttung in den Kriegsjahren
hinweg. Simons blieb Brandmeister, bis er sich im September
1944 nach Deutschland absetzte. Die Bauern im damals an
Deutschland angegliederten Gebiet haben ihn als Kreisbauern-
führer in unguter Erinnerung.
Joseph Heuschen schreibt, daß die Wehr unter Bürger-
meister Goka reorganisiert wurde. Nach den Vorstellungen des
aus Welkenraedt stammenden Bürgermeisters sollte die Wehr
vorwiegend aus Nachkommen der vor 1914 hier zugezogenen alt-
belgischen Familien bestehen. Von den alten Wehrleuten, ob sie
nun mit den Deutschen sympathisiert hatten oder nicht, wollte er
keinen in seiner Wehr haben.
Goka beauftragte Joseph Klinkenberg mit dem Neuaufbau
der Wehr und ernannte denselben zum ersten Nachkriegskom-
mandanten. Diesen Posten hatte Klinkenberg bis zu seiner Ab-
dankung i.J. 1951 inne. Sein Nachfolger wurde Joseph Heuschen.
Obwohl dieser nicht Mitglied der Walhorner Wehr war, ernannte
ihn der Bürgermeister zum Kommandanten. In seiner Zeit wur-
den neue Anschaffungen getätigt, darunter 17 neue Uniformen.
Noch in der Amtszeit des Bürgermeisters Feikens (1952-58)
wurde 1957, wenn auch mit 5 Jahren Verspätung, das goldene
81
Stiftungsfest gefeiert. Es stand unter keinem guten Stern, denn
Festzug und Schauübung gingen im Sturm und pausenlosen Re-
gen unter. Anerkenneswert war, daß die Wehr alle ehemaligen
Wehrmänner, ob in guter oder schlechter Erinnerung, als Ehren-
gäste eingeladen hatte.
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Die Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehr beim goldenen Stiftungsfest i.J. 1957
Oberste Reihe, von links : Jean Gauder, Michael Henkes, Wilhelm Jansen, Hubert
Söns, Jos. Heuschen jun., Leo Charlier.
Mittlere Reihe, v.l. : Adolf Teller, Louis Rox, Hubert Rox (+), Karl Heyenroth,
Peter Keutgen, Rene Schifflers, Pierre Schifflers, Heinrich Vaessen, Wilhelm
Nyssen, Joseph Herren (Feldhüter).
Vordere Reihe, v.l. : Lambert Bauens, Leonard Cormann (+), Joseph Heuschen
(Kommandant), Joseph Feikens (Bürgermeister), Hans Keutgen (Arzt), Gerard
Renardy, Heinrich Radermacher.
Bei den Gemeinderatswahlen 1958 kandidierten Goka und
Heuschen gegeneinander. Noch ehe es zum Urnengang kam, stellte
Heuschen seinen Posten als Kommandant zur Verfügung. Nach
den Wahlen ernannte Bürgermeister Goka Gerard Renardy zum
neuen Kommandanten.
82
Nach dem Bau der Autobahn zeichnete sich das Ende der
Walhorner Wehr ab. Passierte ein Unfall auf Walhorner Gebiet,
so konnte die Wehr mit ihren von Traktoren gezogenen Geräten
die Unglücksstelle auf der Autobahn nicht erreichen. Nun mußte
die Eupener Wehr gerufen werden und die Gemeinde hatte die
entstandenen Unkosten zu tragen. Nachdem dies mehrmals vor-
gekommen war, löste Bürgermeister Goka die Feuerwehr im
Jahre 1966 auf. Als Trost konnten die Wehrmitglieder ihre Uni-
form behalten.
Aus Protest gegen die Auflösung packten 2 Wehrleute ihre
Sachen zusammen und trugen dieselben zum Bürgermeister ... ;
Aus Sparsamkeit hätte Walhorn die Wehr nicht aufzulösen
brauchen, so wenig wie Lontzen-Herbesthal und Hergenrath.
Durch ministerielle Verordnung mußte sich Walhorn nun der
Eupener Wehr anschließen. Nach 64 Jahren hatte die Freiwillige
Feuerwehr Walhorn aufgehört zu bestehen. Ein Stück Zeitge-
schichte hatte sie direkt miterlebt ...
84
Of mengste vlitz, dat düng ent wieh,
wenn douw mech treffst met ding jrön Schlieh?”
Se saat ooch noch en engen Ouhm :
”Dr Vadder spannt dech noch dr Boum,
wenn ech et saag, da kriste Schmiß;
dat könnt drvaan, en nouw adjüß!”
De Bank
En Bank, di stoung wi in en Höhl,
en Höhl vaa luuter Höltertöl.
De Blaar, di ruuschden hejmlech fien,
en dröver loug dr Sonneschien.
En Vlaasfenk soung höör Liedche kloor,
da wejß me, dat et Frühjohr woor.
Et hau op ens e schniewiß Kleed
de auwe Struch; verjeiße Leed
en Rüge, Wenkter, Söreg Nuet;
et jouf weer Wärek en ooch Bruet. X
Wenn i-jen Steng et Möllsche soung
3 en ronk dr Mound ien Blaar dan houng,
da puesde iene Scheem e bißje
dr Juwann met sie liefste Lißje.
Se preese Struch en Scheem en Bank.
De Ziet, di voul hön jaar niet lank
met mulle, dütze, karessiere;
dat kueß ooch angdere passiere.
Wee jonk eß, eß e bißje dööl
en dee Struch va Höltertööl.
Lejder Joods, di jouw auw Ziet
eß verjangde, liet at wiet.
Op di Bank sitt jenge mieh;
bragge, schrabbe früg en spieh,
kümme, meäde, Jeld noloofe,
Huser bouwe, Jronk verkoofe,
Jenge mieh hat hüj noch Ziet;
jouw auw Ziet, wat liehste wiet.
85
Arnold Franck - Cesar Franck
von Eberhard Quadflieg
Um die Ahnen des Komponisten Cesar Franck ist schon viel
gerätselt worden. Sicher ist die Herkunft des ”’Maitre angelique”
aus Lüttich, während sein Vater aus Gemmenich, seine Mutter
aus Aachen stammte. Daher steht er in Zusammenhang mit der
weit verbreiteten Familie Franck, die in der alten Zeit deutsch-
sprachig war. Alfred Janssen hat bei.der Untersuchung der Frage
einer Verwandtschaft zwischen Cesar und Arnold Franck, dem
Stifter des Moresneter Gnadenbildes, den Familienangehörigen
französische Vornamen gegeben. (1) Er beruft sich dabei auf eine
”Chronik”” des früheren Gemeindesekretärs Hubert Franck, die
offensichtlich in französischer Sprache abgefaßt ist. Das darf
allerdings nicht erstaunen, da die Amtssprache zu seiner Zeit in
der Provinz Lüttich ohne Rücksicht auf die Volkssprache das
Französische war. Für die Franck gibt das aber ein falsches Bild.
Wir haben da ein eindeutiges Zeugnis. Cesars Großmutter
Isabella Franck geb. Randaxhe (1748-1826) mußte bei der Heirat
ihres Sohnes Thomas Lambert (1782-1856) mit Johanna Maria
Rüben Wwe Sturm (1764-1857) ihren Consens erteilen. Sie tat es
am 6. Juni 1816 vor dem Notar Jean Gilles Nicolai in Montzen.
(2) Sie wird in dem französischen Akt als ”’Isabella Randaxhe,
veuve du notaire Barthelemi Franck, proprietaire . cultivatrice
demeurante dans la commune de Gimmenich” aufgeführt. Be-
deutungsvoll ist die Feststellung, daß ihre Muttersprache nicht
französisch war, das sie auch nicht verstand. Zum Schluß heißt es
in der Urkunde : ”relu par interpretation'en flamand”. Mit
diesem ”’Flämisch”” ist aber keineswegs die Sprache Flanders zu
verstehen, sondern jenes ”’Limburgische’’, das seit Heinrich von
Veldeke als niederdeutscher Dialekt Verkehrs- und Schrift-
sprache der Lande Overmaas bis zum Kempenland hin geworden
war.
Die Söhne der Familie besuchten seit alters das Jesuitengym-
nasium in der Reichsstadt Aachen (3), aus dem später das
städtische Marien-Gymnasium entstand, der Vorläufer des heu-
tigen Kaiser-Karls-Gymnasiums. Hier hatte schon Bartholomäus
86
Franck studiert. Sein Sohn Stephan Joseph Franck, 1774 gebo-
ren, trat 1784, also als Zehnjähriger, in die Infima ein, um
nacheinander in die Secunda, Syntaxis und Humanitas aufzustei-
gen. Der jüngere Bruder Thomas Lambert stieg 1756 in die
Syntaxis auf. Sie lernten hier neben den Allgemeinfächern an
Sprachen Hochdeutsch, Latein, Altgriechisch und als Fremd-
sprache auch Französisch.
Von Stephan Joseph Franck kennen wir den Titel seiner
Abiturarbeit. Sie war in lateinischer Sprache abgefaßt und gab
einen geschichtlichen Abriß Roms vor Augustus zu Ehren des
Gründers der Gesellschaft Jesu, Ignatius von Loyola. Sie wurde in -
der Aula des Marianischen Gymnasiums im Juli 1783 verteidigt.
Der Titel dieser Disputatio, die später gedruckt wurde, lautete :
”Romanorum Res Gestae ante conditam Monarchiam, quas ad
Honorem D(ivi) Ignatii de Loyola Aquisgrani in Aula Publica
Gymnasii Mariani Anno 1783 Mense Julio publico examini
subjiciunt : Joan(nes) God(efridus) Quadflieg, ex Bardenberg;
Nicol(aus) Jos(ephus) Franck, ex Gimmenich”. Das Reifezeugnis
für Nicolaus Josephus Franck datiert vom 27. Februar 1784. Es
bescheinigt ihm, daß er ”per quinque annos .continuos’”” den
Humaniora oblegen habe.
Cesar Franck, der nach 1870 seine Herkunft so gründlich
verschleierte, tat seinen Biographen Schweres an. Der niederlän-
dische Musikhistoriker und holländische Chauvinist Marius
Monnikendam setzte in seiner musikhistorisch ausgezeichneten
Franck-Darstellung 1949 allem die Narrenkappe auf (4), indem er
das Niederländertum Francks pries. Allen Andersdenkenden aber
sucht er grobe Fehler, wenn nicht gar Fälschungen nachzuweisen,
was Leben und Herkunft seines Helden angeht, ob es nun der
verdienstvolle Hans Bischoff, Reinhold Zimmermann, Wilhelm
Mohr oder auch ich selbst - auch verniederländert Quadvlieg! -
sind, wobei ich argwöhne, daß er meinen Franck-Beitrag von
1940 (S) gar nicht gelesen hat.
Schon 1939 hatte ich keinen ”Stammbaum’”’, aber eine
Ahnentafel des Komponisten zusammengestellt, die im folgenden
Jubiläumsjahr veröffentlicht wurde. Dazu hatte ich die amtlichen
Unterlagen aus den ”Archives de l’Etat”” in Lüttich mit Hilfe des
Deutschen Konsulats besorgen können. Es wurde dabei keine
Generation ”überschlagen’”’, wie Alfred Janssen meint. Beim
87
Durchrechnen der Heirats- und Geburtsdaten wird man sehr
schnell feststellen können, daß hier nirgendwo eine Lücke ist. Die
privaten französischen Aufzeichnungen von Hubert Franck sind
dagegen keine wissenschaftliche Quelle, sondern Privatmeinung
des Verfassers. Die dem Janssenschen Beitrag beigefügte Stamm-
tafel (”Stammbaum”’) ist reichlich wirr und wird der Wirklichkeit
in keiner Weise gerecht.
Daher soll hier ein Stammtafelauszug folgen, der zeigt, wie
weit oder nah der Komponist Cesar Franck und der Gründer des
Moresneter Gnadenortes Arnold Franck verwandt sind.
Lambert Franck zu Bambosch
+ 27.5.1688
co II. Katharina Wertz
Stephan Lambert
1656-1732 00 1696
00 1687 Anna Dobbelstein
Katharina Pelser
1661-1758
| Stephan Joseph |] Lambert ]
1701-1770 1705-1786
co II. 1744 co 1729
Anna Maria (de) Cheneux Elisabeth Pelser
1723-1753 1704-1788
1 Bartholomäus ] Peter Arnold
1745-1796 * 1749-1801
co 1773 Stifter des Gnadenbildes
Isabella Randaxhe "Maria Hilf” am Eicksken
1748-1826 S
1 Nicolaus Joseph 1
1794-1871
oo 1820
Maria Katharina Barbara Frings
1786-1860
f Cesar Auguste Franck 1
1822-1890
Komponist und Organist
zu Paris.
88
Anmerkungen
1) Im Göhlial Nr. 9, 1971, S. 12-14.
2) Brühl, Personensiandsarchiv : Beiakten zum Heiraisakt 23/1816 der Nebenre-
gisier des Standesamts Burtscheid.
3) Matthias Brixius, Schüler des Aachener Jesuitengymnasiums (1601-1773). In :
Mitteilungen der Westdeutschen Gesellschaft für Familienkunde. Bd. XII 2, 1942,
Sp. 46.
4) Marius Monnikendam, Cesar Franck. Amsterdam 1949, S. 16 ff.
5) Eberhard Quadflieg, Caesar Francks deutsche Ahnen. In : Zeitschrift für
Musik. 107. Jg., 1940, Heft 9, S. 517-522 (mit zwei Ahnentafeln).
6) Stephan Joseph Franck ließ seinen beiden Frauen einen gemeinsamen Grab-
siein seizen mir der Inschrift :
LNRE
HIC TERRAE MANDATAE IACENT ELISABETH DOBBELSTEIN s
ET ANNA MARIA CHAINEUX, UXORES D. S. J. FRANCK
PTORIS IN GNCH, OBIERE 17a XBRIS 1743 ET 30a MAII 1753
R sd Pal:
000000000000
+
IHS
Die Abkürzungen bedeuten : D(omini) S(tephani) J(osephi) Franck P(RAE) toris
in G(imme)N()CH.
90
In einer kleinen Schrift (”Unsere Liebe Frau von Mores-
net’), welche im Jahre 1966 durch das Haus Vaessen-Mostert
(Moresnet-Kapelle) herausgegeben wurde, sowie in einem Beitrag
des im Jahre 1969 am Gnadenort verstorbenen Pfarrers Darcis (in
”Im Göhltal” Nr. 6) sind die Geschehnisse, die zur Gründung des
Pilgerorts durch Peter Arnold Frank führten, ausführlich be-
schrieben. Wir lesen dort auch, wie Gott der Herr während der
verflossenen 2 Jahrhunderte auf die Fürsprache Mariens unzäh-
ligen Menschen in Nöten und Anliegen Hilfe und Beistand
gewährt hat.
Wo, wann und durch wen aber im Göhltal nach P.A.
Franks Tod und zum Andenken an ihn Kapellen errichtet
wurden, scheint im allgemeinen weniger bekannt zu sein. Deshalb
werden es sicherlich viele Marienverehrer aus dem Dreiländereck
begrüßen, wenn sie durch unsere Zeitschrift auch hierüber nähere
wissenswerte Einzelheiten erfahren. A
Eine dieser Kapellen befindet sich am Wallfahrtsort, ganz in
der Nähe von zwei Gebäuden, in denen erwähnenswerte Tätigkei-
ten ins Leben gerufen wurden, die für den Pilgerort sowie für die
Bevölkerung der Umgegend von großer Bedeutung waren und
auch heute noch sind. Der kleinste und älteste Bau trug die
Bezeichnungen : ”Höme St. Francois, altes Klösterchen und
Spitälchen”. Heute wird er ”’Foyer de Charite” genannt. Im Jahre
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Rechts im Vordergrund die erste Kapelle zum Gedenken an Arnold Frank,
welche Smaradga Beldimano errichten ließ. Im Hintergrund das St. Josefsheim.
Links das alte Klösterchen, jetzt ”Foyer de Charite” (Repr. A. Jansen)
91
1875 bezogen Aachener Franziskaner, deren Klöster damals in
Preußen durch den Kulturkampf aufgehoben worden waren,
dieses Haus und widmeten ihre ganze Tätigkeit der Gnadenka-
pelle sowie den Pilgern. Dadurch trugen sie wesentlich zur
Entfaltung des Wallfahrtsortes bei, sodaß man dieses Gebäude
als Ausgangspunkt der Wallfahrtsbetreuung bezeichnen kann.
Nachdem die Franziskaner 1885 in das neuerbaute Kloster neben
der Gnadenkapelle umgezogen waren, kaufte 1892 der damalige
Bürgermeister von Moresnet, Jean Michel Schmitz, dieses
Klösterchen als Altenheim. Bis 1977 verbrachten dort zahlreiche
Betagte ihren Lebensabend. Im Jahre 1978 erwarb dann die
”A.S.B.L. Foyer de Charit&€ Notre Dame de Moresnet” dieses
Gebäude, welches im September 1979 durch den Lütticher
Bischof Mgr. Van Zuylen als religiöses Zentrum für Glaubensbil-
dung eingeweiht wurde.
Seit dieser Zeit dient es diesem Zweck und steht im Dienste
Unserer Lieben Frau von Moresnet. Durch Besinnungswochen,
Einkehrtage und Anbetungsstunden, die in diesem Gebäude
stattfinden, trägt es dazu bei, der alten Tradition des Pilgerortes
neue Impulse zu geben.
Das größte Gebäude auf dem Gelände ‚hinter der Kapelle
wurde auf Wunsch einiger Persönlichkeiten der Gegend von der
Ordensgemeinschaft ”Soeurs Franciscaines de la Misericorde”,
deren Mutterhaus sich im Großherzogtum Luxemburg befindet,
errichtet. Die Schwestern wollten Fremde beherbergen und ihnen
Gelegenheit zur Erholung bieten. Der Bau wurde 1905 begonnen
und 1907 fertiggestellt. Er erhielt den Namen St. Josephsheim.
Ab 1919 diente ein Teil des Gebäudes den Schwestern, um
Schulunterricht zu erteilen. Zu Beginn des 2. Weltkrieges verbot
jedoch die deutsche Behörde den Schwestern diese Tätigkeit und
alle Kinder, auch junge Mädchen, mußten die Schule im
Moresneter Ortszentrum besuchen. Während der Kriegsjahre
fanden neben Betagten auch zahlreiche Evakuierte und durch
Kriegseinwirkungen obdachlos gewordene Mitmenschen aller
Gattungen, darunter sogar bettlägerige Kranke, in dem Heim
Aufnahme und Verpflegung. Im Februar 1945 besichtigte das
amerikanische Rote Kreuz das Heim und beschloß, dasselbe als
Krankenhaus für amerikanische Soldaten zu benutzen. Die
Evakuierten wurden nach Aachen zurückgeschickt und im Ge-
bäude wurde ein Feldbettlazarett mit 300 Feldbetten und einem
Operationssaal eingerichtet.
93
Durch die zahlreichen Dienste die der Bevölkerung der
ganzen Umgegend an dieser Stelle zur Verfügung stehen, kom-
men täglich viele Menschen an der Kapelle vorbei, die an den
100-jährigen Sterbetag von P. Arnold Frank (1801-1901) erinnert
und den Namen : "Kapelle der sieben Schmerzen Marias” trägt.
Sie wurde von einer Dame aus Lüttich, die man in Moresnet-
Kapelle ”’Comtesse’”” nannte, gestiftet und von Antoine Bücken,
der damals am Gnadenort wohnte, erbaut.
Heute können sich nur noch einige wenige betagte Ein-
wohner der Ortschaft an diese Gräfin erinnern. Nach deren
. Aussagen war sie gehbehindert und hatte ihren Wohnsitz in der
rue de Fetinne Nr. 94 zu Lüttich. Anhand von Einschreibungen
im Bevölkerungsregister und anderen Dokumenten des Standes-
amtes der Stadt Lüttich konnte aber festgestellt werden, daß die
Dame, die man in Moresnet Comtesse nannte, am 15. Juli 1857 in
San-Donate bei Florenz in Italien geboren wurde und in Wirk-
lichkeit die Vornamen Smaragda, Dimitrievna und den Familien-
namen : BELDIMANO trug. Nach einer vom rumänischen
Konsul am 23. Juni 1915 ausgestellten Nationalitätsbescheinigung
besaß sie die rumänische Staatsangehörigkeit. Ihr Adelstitel
konnte aber nicht mit Genauigkeit festgestellt werden. Diesbezüg-
lich kann man aber ohne Zweifel sagen, daß es sich bei ihr um
eine Persönlichkeit höchsten Ranges handelte, die in ihrem
Bekanntenkreis schlicht und einfach Marie Beldimano genannt
wurde. Die Geburtsstadt ihrer Eltern war eine der bedeutendsten
Städte Rumäniens, die Stadt Jassy, die im politischen und
kirchlichen Leben des Fürstentums Moldau seit den Tagen
Stephans des Großen eine bedeutende Rolle spielte und heute Sitz
des Metropoliten sowie Römisch-Katholische Bischofsresidenz ist.
Ihr Vater Demetri oder Dimitri Beldimano war ”Aga” oder
”Agha” der Moldau, dies war ein Titel der in der Türkei
Offizieren ab dem Dienstgrad Major sowie verdienstvollen Zivil-
beamten verliehen wurde. Betreffs ihrer Mutter ist erwähnens-
wert, daß sie eine Prinzessin Ghika war; es ist der Name einer
prinzlichen Familie albanischer Herkunft, aus der vom XVII. bis
XX. Jahrhundert besonders für die Moldau und Walachei 10
Vasallprinzen sowie andere Prinzen und Staatsmänner hervor-
gingen, die beinahe Herrscher und Machthaber waren.
Da aber die Tochter Marie Beldimano 1857 in Italien
geboren wurde, ist es möglich, daß ihre Eltern vor oder nach den
94
Revolutionen, die um das Jahr 1848 in der Walachei, Moldau und
Siebenbürgen ausbrachen, wegen Rang und Stellung ihre Heimat
verlassen mußten, nach Italien auswanderten und sich später
auch in anderen Ländern niederließen, denn der Vater verstarb
1873 in Berlin und Marie Beldimano kam 1886 aus Polen nach
Belgien. Dort wohnte sie zuerst in der Ortschaft Beaufays,
anschließend an verschiedenen Stellen in der Stadt Lüttich, wo sie
am 29. September 1925 in der rue de Fetinne Nr. 94 verstarb.
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Das Haus, in welchem in Lüttich Smaragda Beldimano verstarb. (Heute eine
Apotheke) Photo J.-M. Kohnen
Bei ihrer Ankunft und während ihres Aufenthaltes in Belgien
ist sie nie in Begleitung ihrer Mutter gesehen worden, sondern
nur mit einem Gefolge von 5 bis 6 Dienerinnen und Dienern
deutscher sowie preußischer Staatsangehörigkeit, mit denen sie
zusammenlebte, deren Anzahl aber stets geringer wurde und
95
zuletzt nur aus einer oder zwei Personen bestand. Andererseits
war sie aber mit der Familie des Herrn Emile Digneffe, der von
1921 bis 1926 Bürgermeister der Stadt Lüttich, sowie von 1932 bis
1934 Senatspräsident war, eng befreundet; anläßlich ihrer Be-
suche bei dieser Familie lernte sie auch Fräulein Catherine
Schmetz aus Bois de Breux kennen und sie wurde deren beste
Freundin. Nachdem später Cath. Schmetz mit dem damals in
Kelmis ansäßigen Wilhelm Lüttgens den Ehebund geschlossen
und sie in Moresnet-Kapelle das Geschäft und Restaurant ”’zur
Grotte’”” von ihrer Mutter übernommen hatten, pilgerte eines
Tages Marie Beldimano zum Wallfahrtsort und besuchte dort
auch ihre frühere Freundin.
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Das ehemalige ”Restaurant zur Grotte” in Moresnet-Kapelle. Repr. A. Jansen
Dieses Wiedersehen hatte zur Folge, daß die Lütticher Dame
mehrmals im Jahr längere Zeit am Gnadenort weilte und sogar
vorübergehend ein Haus in der jetzigen Rue Sier bewohnte.
Während ihres dortigen Aufenthaltes war sie außer bei ihrer.
Freundin auch ein gern gesehener Gast bei den Familien Kerff
(Restaurant du Pensionat) und Vandegaar (Hotel du Couvent).
Ferner ist nach Aussagen einiger noch lebenden Angehörigen
9%
dieser Familie Therese Vandegaar, die 1926 Joseph Gätez heira-
tete und 1965 verstarb, ihre Gesellschafterin und vertraute
Freundin gewesen.
Aus dieser kurzen Lebensbeschreibung der Dame und ihrer
Eltern geht hervor, daß sie höchtwahrscheinlich einen schmerz-
und leidvollen Lebensweg gekannt haben, von Land zu Land
fluchtartig unterwegs waren, um Ruhe und Geborgenheit zu
finden, die Marie Beldimano scheinbar am Wallfahrtsort Mores-
net-Kapelle, wo sie herzliche Aufnahme fand und auf einen
kleinen Esel reitend in den Straßen, sowie in der Umgebung zu
sehen war, gefunden hat. Aus Dankbarkeit und zum Andenken an %
Arnold Frank ließ sie die Kapelle der 7 Schmerzen Marias
erbauen.
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Smaragda Beldimano in Moresnet Repr. A. Jansen
Um das Jahr 1955 mußte die Kapelle, infolge Erweiterung
der Straße und Kanalisationsarbeiten sowie dem Fällen der zu
Baumriesen herangewachsenen Lindenbäume, abgerissen werden.
Der damals und auch heute noch ganz in der Nähe wohnende
Herr Theodor Pons durchsuchte das zu einem Schutthaufen
zusammengebrochene Mauerwerk, bevor est abtransportiert
wurde, nach einem eventuell interessanten und noch brauchbaren
Gegenstand. Dabei entdeckte er einen beschrifteten Stein. Da er
befürchtete, daß dieser am nächsten Tag unbeachtet von den
98
Sicherlich haben bis jetzt viele Menschen, besonders der
jüngeren Generation, diese Beschriftung gelesen, ohne zu ahnen,
daß sie von einer anderen Kapelle stammt, die an derselben Stelle
wie die jetzige errichtet wurde. Erwähnenswert ist ebenfalls, daß
Herr Pons bis zum heutigen Tage für die Betreuung dieser
schlichten Gedenkstätte sorgt, die einmal im Jahr, wenn die
Moresneter Pfarrprozession dort vorbeizieht, besonders prachtvoll
geschmückt wird und daß dann an der Kapelle den Gläubigen
der sakramentale Segen erteilt wird.
Die zweite Kapelle zur Erinnerung an den Stifter des
Wallfahrtsortes steht in Hergenrath, und zwar an der Stelle, wo 2
er am 29. November 1801 eines plötzlichen Todes verstarb. Diese
Stelle war schon seit vielen Jahre durch ein eisernes Grabkreuz
gekennzeichnet. Sie ist von der Altenberger Straße aus über einen
Feldweg, der sich unterhalb des Hergenrather Friedhofs befindet,
sowie auch ab Bildchen oder ab Wasserwerk über den Hergen-
rather Weg, Schievenhövel und Roter Pfuhl zu erreichen. Das
vorhin erwähnte Gedenkkreuz stand direkt neben dem Feldweg, der
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Kreuz, welches die Stelle andeutete, wo Arnold Frank 1801 im Hergenrather
Feld verstarb Photo A. Jansen
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Das erforderliche Grundstück wurde sofort kostenlos zur Verfü-
gung gestellt, sodaß kurze Zeit danach schon nach einem Plan
des Lütticher Architekten Poncelet mit den Arbeiten zur Errich-
tung der Gedenkstätte begonnen werden konnte. Die Kapelle
wurde vom Bauunternehmer Peter Bauens aus Hergenrath er-
baut. Andere Hergenrather, die Gebrüder Keutgen, übernahmen
die Schreinerarbeiten, Herr Radermecker fertigte das Schiefer-
dach an. Hans Renardy sorgte für die Bepflanzung der
Grünanlage und die Sägerei Paul Pankert aus Eupen stiftete den
Bretterzaun sowie die Bänke.
Im Innern der Kapelle, an der oberen Mitte der Hinter- |
mauer, über einem Vorbau, der zum Aufstellen von Blumen und
Kerzen dient, erhielt das alte eiserne Kreuz einen Ehrenplatz.
Rechts neben dem Kreuz ist eine Reproduktion des Gnadenbildes
”Maria Helferin der Christen von Moresnet’”’ und an der linken
Seite des Kreuzes eine Beschriftung zur Erinnerung an den
Gründer des Wallfahrtsortes angebracht. Auch befinden sich im
Innern der Kapelle an beiden Seiten Sitzgelegenheiten.
Sie wurde am 8. Oktober 1978 durch Pfarrer Wiesemes im
Beisein von Pater Blokker aus Moresnet-Kapelle, der Königlichen
Harmonie Hergenrath sowie zahlreichen Pfarrangehörigen feier-
lich eingeweiht. Es ist die einzige Kapelle, die in der Pfarre
Hergenrath steht. Am Tage ihrer Einweihung ergriff man auch
die lobenswerte Initiative und gründete zur Pflege der Gedenk-
stätte eine Vereinigung mit dem Namen ”’Arnold Frank Gedenk-
stätte”, der alle Personen, die dieses Vorhaben unterstützen
wollen, als Mitglied beitreten können. Die Satzungen der Gesell-
schaft, die ihren Sitz im Pfarrhaus der Hergenrather Sankt
Martinus Pfarre hat, wurden anläßlich der Gründungsversamm-
lung am Tage der Einweihung, genehmigt und gleichzeitig auch
aus den Reihen der Gründer folgende Personen als Mitglieder des
Verwaltungsrates gewählt : Pfarrer Toni Wiesemes, Josef Bern-
rath, Maria Hick, Guido Pankert, Hubert Palm und Peter
Bauens. Dieser Rat ernannte anschließend die Herren Hubert
Palm zum Präsidenten, Josef Bernrath zum Schriftführer und
Guido Pankert zum Kassierer.
Das oberste Organ der Vereinigung ist die Mitgliederver-
sammlung, die alljährlich in der ersten Jahreshälfte stattfindet.
102
Nachdem ihr Gebet erhört worden war, folgten immer mehr
Gläubige dem Beispiel der Moresneter und Hergenrather Marien-
verehrer und pilgerten in Prozessionen zum Gnadenbild, das
seitdem allgemein ”’Unsere Liebe Frau Maria Hilf”” genannt
wurde. Daß diese Ereignisse Ursprung der öffentlichen Vereh-
rung des Bildes an der Eiche gewesen sind, beweist ein Relief,
welches am Gnadenaltar in der Wallfahrtskapelle angebracht
wurde und auch heute noch unterhalb des Gnadenbildes zu sehen
ist. Auf diesem Relief sind links die Eiche mit dem Bild, rechts
unten eine kniende Männergestalt, die den Gründer des Wall-
. fahrtsortes darstellt, sowie rechts oben, hinter einer Schranke,
zwei Kühe abgebildet. Diese 2 Kühe erinnern an die beiden
vorhin erwähnten Vieseuchen und die Schranke weist darauf hin,
daß diesen Seuchen durch das gemeinsame Gebet Einhalt gebo-
ten wurde und sie vollständig erloschen.
Angesichts dieser Tatsachen darf gesagt werden, daß dieses
Relief für die jetzigen Bewohner der Orte Moresnet und Hergen-
rath eine besondere Bedeutung hat, weil es bekundet, daß ihre
Vorfahren schon zu Lebzeiten von Arnold Frank große Marien-
verehrer waren und sie, als deren Nachkommen, dieses frommen
Bauernsohnes nach dessen Tode durch die Errichtung der Ge-
denkstätte würdig gedacht haben. Hierzu benutzte die Gemeinde-
verwaltung von Moresnet im Jahre 1955 die Gelegenheit und
errichtete in der Nähe des Elternhauses von Arnold Frank, wie
bereits erwähnt, ungefähr an derselben Stelle, wo die frühere
gestanden hatte, die jetzige Kapelle.
Betreffend die Gedenkstätte in Hergenrath bleibt noch
darauf hinzuweisen, daß sie nicht nur die Stelle andeutet, wo
Gott der Herr seinen treuen Diener aus diesem Leben zu sich rief,
sondern auch, da sie sich inmitten einer Wiesenlandschaft
befindet, daran erinnert, daß durch Arnold Frank auf die
Fürbitte Mariens zahlreiche Bewohner verschiedener Göhltalort-
schaften, die vom Ertrag der Viehwirtschaft lebten, die ersten
waren, denen Gottes Hilfe und Beistand durch den Wallfahrtsort
Moresnet gewährt wurde.
Mögen darum diese Gedenkstätten alle Gläubigen der jetzi-
gen und kommenden Generationen an das Erbe erinnern, welches
Arnold Frank hier im Göhltal hinterlassen hat, und zur Mithilfe
anspornen, damit die Marienverehrung, die unsere Vorfahren
103
uns nachahmungswert vorgelebt haben, stets in unserer Gegend
lebendig erhalten bleibe und die Gnadenstätte, die vor zirka 150
Jahren, am 4. September 1831, kirchlich anerkannt wurde, weiter
wie bisher ein Ort bleibe, wo gläubige Menschen in allen
Wechselfällen des Lebens Stärkung, Trost und Gnade finden.
Für die mir bei den Nachforschungen geleisteten Dienste und
erteilten Auskünfte gebührt nachstehenden Personen herzlicher
Dank : L’Echevin Gilberte Evrard, Officier de 1l’Etat Civil de la
Ville de Liege (Mons). A. Musch, Bourgmestre de Chaudfontaine,
Pfarrer J. Ossemann, Soeur Marie Maurice (Clinique St. Joseph),
Geschwister Kerff, Guill. Bucken, Karl Luttgens, Pierre Vande-
gaar, Theodor Pons, Francois Gätez, alle aus Moresnet. Jean-
Marie Kohnen (Plombieres) und Guido Pankert (Hergenrath).
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Die jetzige Kapelle in Moresnet-Kapelle, welche die Gemeindeverwaltung i.J. 1955
erbauen ließ. Photo A. Jansen
104
”Schmuggel” an der Grenze Neutral-
Moresnet/Preußisch-Moresnet
von Alfred Bertha
Daß der Staat legitimiert ist, auf Einfuhren aus dem Ausland
Zoll zu erheben, bestreitet wohl niemand. Dennoch wird immer %
wieder versucht, die Zollgebühren zu sparen und im Ausland
gekaufte Waren über die Grenze zu schmuggeln. Je höher die
Preisunterschiede im In- und Ausland, umso größer ist der
Anreiz, nicht in heimischen Geschäften, sondern jenseits der
Grenze zu kaufen und die vom Staat eingerichteten Zollabgabe-
stellen zu umgehen. Das ist heute nicht anders als zu Großmut-
ters Zeiten.
Neutral-Moresnet (das heutige Kelmis) war durch den Son-
derstatus, den es von 1816 bis 1919 genoß, in vielerlei Hinsicht
ein Einkaufsparadies. Nur die Lütticher Straße, die sogenannte
”Pavei”, trennte das preußische Gebiet (Preußisch-Moresnet)
vom neutralen Kelmis. Der deutsche Zoll hatte eine Nebenstelle
(-genauer gesagt : einen statistischen Anmeldeposten-) am heuti-
gen Hotel Reinartz eingerichtet, wo sich damals eine Art Garten-
lokal befand; die belgischen Zöllner saßen etwas höher, auf der
gegenüberliegenden Straßenseite, in einem kleinen Anbau der
früheren Garage Kreusen. Wer aus dem neutralen oder dem
preußischen Gebiet Waren nach Belgien einführen wollte, mußte
diese dort verzollen lassen.
Es war ein ziemlich langer Grenzabschnitt, den die deut-
schen Zöllner zu bewachen hatten, erstreckte er sich doch von der
Göhlbrücke im Bruch bis nach Bildchen, wo ein Nebenzollamt
eingerichtet war.
Die Grenzbewohner profitierten damals wie heute von der
Grenznähe und versuchten, ungesehen von Kelmis ins deutsche
Gebiet ‚überzuwechseln. Bevorzugter Übergang war der vom
”Fröschepol” (neben Zahnarzt E. Snoeck) unter die Straße
durchführende Kanal, der auf deutschem Gebiet mündete.
105
Die Zöllner patrouillierten meist die Maxstraße entlang bis
hinunter zum schwarzen Weg. Sie waren sehr gewissenhaft und es
war nicht gut, ihnen mit unverzollter Ware in die Hände zu
fallen. Manchmal durften die Grenzbewohner eine begrenzte
Zeitlang gewisse Freimengen an Butter, Schweinefleisch und Brot
aus Altenberg herüberbringen. Es war nämlich für die Bevölke-
rung von Hergenrath und Preußisch-Moresnet sehr schwer, ihren
Bedarf an diesen Grundnahrungsmitteln zu decken, da die
Gutsbesitzer ihre Produkte direkt nach Aachen lieferten. Weder
”für Geld noch gute Worte”, so heißt es in einem von 96
Hergenrathern und Preußisch-Moresnetern unterzeichneten Brief
an die Aachener Regierung (1906), könne man Butter bekom-
men; in Neutral-Moresnet sei es jedoch ein Leichtes, in den vielen
dort befindlichen Geschäften Butter, Schweinefleisch und Brot
zu kaufen.
In Neutral-Moresnet gab es auch Kaffee, Streichhölzer und
Zwieback zu günstigeren Preisen als diesseits der Landstraße. In
Alt-Moresnet, besonders in Moresnet-Kapelle, kaufte man güns-
tig Schuhe.
Erlaubte Freimengen durften ab März 1904 nur noch über
das Nebenzollamt Tülje eingeführt werden, was für viele Grenz-
bewohner einen Umweg von 2-3 Km bedeutete. Auch dieser
Umstand mag dazu beigetragen haben, daß manch einer auf
einem kürzeren Nebenweg wieder nach Hause zu kommen
versuchte. Schließlich war es auch nicht immer klar, ob eine
bestimmte Ware zollfrei eingeführt werden durfte oder nicht.
War es da nicht besser, erst gar nicht beim Zoll nachzufragen?
So mag auch Hubertina Schönauen geb. Rocks gedacht
haben, als sie am 12. Februar 1904 auf einem Nebenwege von
Neutral-Moresnet nach Hergenrath, wo sie ansässig war, zurück-
ging. Es war zwischen 2 und 3 Uhr nachmittags und Zollaufseher
Berges fiel die Frau, die so schnell auf Hergenrath zuging, auf. Er
witterte Schmuggel und faßte sie ab. Es war nutzlos, leugnen zu
wollen. Das Corpus delicti konnte Berges aus der Handtasche der
Frau Schönauen herausholen : ein Kilo unausgelassenes Schwei-
nefett hatte sie versucht ”’in das Reichsgebiet einzuschwärzen”’,
Unter Aufsicht des Zollaufsehers mußte Frau Schönauen das
Fett zur Zollstelle Tülje bringen, dort 1,30 Mark zahlen und dann
die Ware nach Kelmis zurückbringen! Ihre Einfuhr verstieß
106
gegen das Fleischbeschaugesetz. Dann wurde die Frau vorläufig
freigelassen.
Am 7. März 1904 wurde die Beschuldigte in Hergenrath vom
Bürgermeister zu den ihr zur Last gelegten Fakten vernommen.
Die junge Frau - sie hatte drei Kinder im Alter-von 7, 4 und 1
Jahr - gab zu, 1 kg Schweinefett unverzollt eingeführt zu haben,
doch habe sie dies nur getan, weil der Metzger Meessen aus
Neutral-Moresnet, wo sie das Fett gekauft hatte, ihr gesagt
habe, sie könne diese Menge frei einführen.
Das Königliche Amtsgericht in Eupen, daß die ”’Delinquen-
tin’’ aburteilen mußte, setzte die zu zahlende Strafe auf 39,40 .
Mark fest.
Der Ehemann der Verurteilten, als Packer arbeitend, konnte
unmöglich eine solche Summe in einem Male abzahlen. So
richtete er das Gesuch an das Amtsgericht, in zwei Raten zahlen
zu dürfen, was der Bürgermeister von Hergenrath befürwortete. Es;
ist anzunehmen, daß dem Gesuch stattgegeben wurde.
Wenn man eine Vorstellung von der Höhe dieser Strafe |
gewinnen will, so ziehe man folgende Preise von Februar 1904
zum Vergleich heran :
1 kg Schweinekoteletten : 1,35 Mk
1 kg ungesalzene Feder : 1,25 Mk
1 kg geräucherter Schinken : 1,80 Mk
1 kg Bratwurst : 70 Pf
1 kg Erbsen : 42 Pf
1 kg Brechbohnen : 34 Pf
1 kg Kaffee : 1,60 - 3,20 Mk
1 kg Margarine : 1 Mk bis 1,60 Mk
Zu Tanzveranstaltungen betrug der Eintritt selten mehr als 50 Pf.
Auf heutige Verhältnisse übertragen, war die Strafe von 39,10
Mark für zwei Pfund unausgelassenes Schweinefett der Straftat,
gelinde gesagt, nicht angemessen.
In den Grenzakten der Gemeinde Hergenrath finden wir
einen weiteren Fall, der zeigt, wie kleinlich sich oft die Behörde
gab. Eine Aachener Zeitung, das Achener Politische Tageblatt,
brachte Anfang November 1906 eine Leserzuschrift ”’zur Beleuch-
tung der unhaltbaren Zustände, die mit dem hier in nächster
Nähe befindlichen neutralen Gebiete verknüpft sind’, wie der
Einsender sich ausdrückte. Er schildert dann folgenden Vorfall :
107
”Am Sonntag Morgen wurde ein Mädchen aus Hergenrath
nach der auf dem neutralen Gebiet liegenden Apotheke in
Altenberg geschickt, um dort eine ihr verschriebene Arznei
anfertigen zu lassen, da sich andere Apotheken im näheren
Umkreise nicht befinden. Auf dem Rückwege nach Hergenrath
wurde das Mädchen von einem Grenzbeamten angehalten, dem
es nach dem etwa 1/4 Stunde entfernten Zollamt an der Tülje
folgen mußte, wo die Arznei für zollpflichtig erklärt und einem
Eingangszoll von 1,20 Mark unterworfen wurde, den das Mäd-
chen aber nicht bezahlen konnte, da sie kein Geld bei sich hatte.
Die Arznei selbst hatte 1,10 Mark gekostet. Erst nachdem es sich
das Geld anderweitig geliehen hatte, konnte das Mädchen
schließlich nach langem Aufenthalt mit der Arznei weiterziehen.
Hätte es sich um einen Schwerkranken gehandelt, so wäre die
Arznei möglicherweise schon zu spät gekommen. Eine vor länge-
rer Zeit ans Ministerium gemachte Eingabe, die vom Neutralen
Gebiet geholte Arznei freizugeben, ist bis jetzt unbeantwortet
geblieben. Wir halten es für unsere Pflicht, uns hiermit an die
Öffentlichkeit zu flüchten, da es uns hohe Zeit scheint, daß hier für
Abhilfe gesorgt wird.”
Dieser Leserbrief wurde dem Regierungspräsidenten vorge-
legt, der sich an den Landrat mit der Bitte wandte, sich dazu zu
äußern. Landrat Gülcher gab die Angelegenheit an den Bürger-
meister von Hergenrath weiter, Bürgermeister Kyll gelang es, das
betroffene Mädchen ausfindig zu machen. Es war die 16-jährige,
an der Hammerbrücke wohnende Fabrikarbeiterin Maria Gier.
Als Spinnereiarbeiterin im Betrieb Schweinem und Klein (Inhaber
Oskar Eckmeyer) hatte sie sich am Samstag, dem 27. Oktober
1906, krank gemeldet und einen Krankenschein zur Behandlung
durch den Fabrikskrankenkassenarzt Dr. Müller erhalten. Die
Fabrikkasse trug die Kosten der Untersuchung und auch der vom
Arzt verschriebenen Arzneimittel. Diese hatte sich das Mädchen
in der Altenberger Apotheke Kahlan geholt und war dann,
nachdem sie die Aachen-Lütticher Straße überschritten hatte, an
der Abzweigung nach Hergenrath von einem Grenzaufseher
angehalten und zum Zollamt Zülje geführt worden. Wie auch
schon in dem Leserbreif dargelegt worden war, erklärte Maria
Gier, man habe 1,20 Mark Zollgebühren verlangt. Da sie das
Geld aber nicht zur Verfügung gehabt habe, sei sie nach
Neutral-Moresnet zurückgegangen und habe es sicht dort besorgt.
108
Dann sei sie erneut zum Zollamt gegangen, um die dort
festgehaltene Arznei abzuholen.
Diese Angeleghenheit muß wohl einigen Staub aufgewirbelt
haben. Man vermutete, daß der Einsender des Leserbriefes der
Fabrikbesitzer Eckmeyer war. Am 19. Dezember 1906 machte
Landrat Gülcher den Bürgermeister Kyll auf zwei Bekannt-
machungen des Provinzialsteuerdirektors vom 29. Oktober und
19. November 1906 aufmerksam, betreffend Zollerleichterungen
für den Bezug von Arzneien aus Neutral-Moresnet.
Kleine Grenzzwischenfälle wie der genannte hat es gewiß in
großer Zahl gegeben. Nicht alle haben ihren Niederschlag in -
Akten gefunden. Die wenigen, von denen wir wissen, sind jedoch
kleine Mosaiksteinchen in der Geschichte Neutral-Moresnets,
Preußisch-Moresnets und Hergenraths, die heute gemeinsam die
Gemeinde Kelmis bilden und für die diese ”gute alte Zeit’, weit
zurückliegt ...
110
Et Tagebok
von Gerard Tatas (f)
Ne Sondeg es et, kot en schro.
En dovör kromt hüj Knipse Jean,
Ne klenge Ziedongsphotograf,
Vör Tietverdrief et Bökerschaf.
Op enmol höllte ejjen Hand =
E Tagebok - höm onbekannt.
Dat schleete en de Medde op -
En kritt va Wut ne rue Kop.
»Dat es doch ... He, Karling, Karling!
Now kom ens Vrow! - Dat es en Fing!
Now kik ens, wat os Doeter schrift
En ater ose Röck bedrift!
Ech vont hej jrad hör Tagebok,
Dat tösche auw Kalendre stok.
Nee, dat os Petronella at
Met Jonge löpt - do ben ech platt!«
Sö sätt der Jean wöst an sing Vrow,
Die net wett, wat se sage sow.
»Verliebt es dat at, Sapristi,
Verliebt met achtie Johr, en wie!
Wat dat hej schrift, hür dech ens an,
Dat es der reinste Schundroman.
Hej steht : »Ech vond höm - wat e Jlöck!
Der fingste Jong - et betzte Stöck!
Ech ben verliebt janz kolossal -
Häe es en blitt mie Ideal.
E hat je Jeld, mä wal schönn Owe,
En wellt mech no de Kermess trowe.
En spieder wäed vör alles krie :
E Schloß, ne Auto en noch mie.
En rese könn vör öm de Welt,
Den spieder krij vör hell völ Jeld,
111
Weil häe bestemmt noch, wie sätt,
Ens Generaldirektor wätt!« -
»Nee, nee, ech les der Quatsch net mie,
Dat mot ne finge Wengbüll sie,
Dat es doch klopp en klor bewese!«
Sö onderbrekt der Jean sie Lese.
Hött op e Bok : »Esö te lege!«
Hött werrem drop, dat Blar drut vlege;
En wie e rapt et letzte op,
Du völlte sech ens a ne Kop
En sätt : »Wat steht da now noch do?
Mie Ideal heescht Knipse Jean.«
Now stehte do, kikt wie e Koof,
En wie e rönnt de Sak at hoof,
Du küsst sing Vrow höm onder Trone,
Se lacht en junkt : »Dow has jerone,
Dow los jrad mie Tagebok,
Dat ech verwahde en verstok
At vofentwienteg Johr beno -
Herr Generaldirektor Jean!«
1
Weshalb waren die Friedhöfe um die
Kirche und mitten im Dorf?
von Freddy Nijns
In längst vergangenen Zeiten behauptete man - vielleicht nicht
zu Unrecht - daß die Verstorbenen und die Lebenden zu ein und
derselben großen Gemeinschaft gehörten.
Durch sein ”Absterben”” ging der Mensch in eine neue
”Altersstufe’”” hinüber, die nützliche Funktionen für die menschli-
che Gesellschaft besaß, welche dem Toten ”als Entgelt’ einige
Dienste leisten mußte. Die Verstorbenen blieben fast ”organisch’”
verbunden mit der Dorfgemeinschaft; daher die zentrale Lage des
Friedhofes (Volksetymologisch ”’Hof, wo die Toten in Frieden
ruhen” : richtige Deutung : eingefriedeter Hof), in der Mitte der
Ortschaft, also an der Kirche oder um dieselbe (deswegen auch
Kirchhof genannt).
Es war so, daß die Lebensbedingungen der Lebenden unter
dem gewichtigen Eindruck der Toten standen.
Die Kirche bestimmte aber nicht allein die Modalitäten der
Komplizität zwischen den Lebenden und den Verstorbenen. Viele
Bräuche, Verfahren und Anschauungen blieben ihr ein Rätsel. So
z.B. derjenige, immer noch geläufig, auch bei uns, die Gräber
mit Blumen zu schmücken : ein Brauch, der von den Heiden
stammen soll!
In unserer traditionellen Gesellschaft bleibt das "heilige
Heidnische” und das geweihte Christliche, (d.h. das Magische
und das Religiöse) nebeneinander leben.
Der hl. Augustinus kritisierte die Handlungsweise derjenigen
Christen, die weiterhin den Toten Nahrungsgaben trugen.
Eine große Anzahl von vergangenen Bräuchen, die außerhalb
des Christentums lagen, haben überlebt und sind in die Riten und
Bräuche, die die Kirche empfahl, integriert worden. Der einfa-
che Gläubige, der den ”Geschmack fürs Wunderliche”’ beibehal-
ten hatte, fand nicht immer im Glauben, was ihm Genugtuung
brachte. Er flehte Gott und die Heiligen an, aber auch Satan und
113
seine Teufel, neue Wunder zu wirken. Daher eine ganze Reihe
von Sitten, die wir jetzt ”’Aberglauben”” nennen. Sogar die
Geistlichkeit sprach sich nicht frei davon; so gestatteten z.B. die
französischen Bischöfe im 18. Jht. die Exkommunikation von
Tieren!
Das christliche Dogma der Unsterblichkeit der Seele ist
verschmolzen mit dem heidnischen Glauben des Überlebens. Die
Toten bilden eine Gesellschaft, die ständig in Kontakt mit der
unsrigen ist und nicht isoliert dasteht. Die Erscheinung der Toten
stimuliert ihre Anverwandten den ”letzten Willen’” genau auszu-
führen; die Erscheinung der Seelen aus dem Fegefeuer regt zu
mehr und besseren Gebeten für ihre Läuterung an. Der kleinste
Unfall, der geringste Zufall wird so interpretiert, als ob er aus
dem ”Übernatürlichen” stamme.
Der Mensch erlebt, wie der Verstorbe von ihm geht, obwohl
er noch dessen Gegenwart.spürt, sich seiner erinnert oder von ihm
träumt! ...
Volkstümliche Bräuche wurden durch die hl. Schriften, die
Konzilien, die Päpste, die Theologen, verbannt. Trotzdem ‚hatten
sie viele Anhänger; jeder Staat, jede Provinz, jede Diözese, jede
Stadt, jede Pfarre hat ihre eigenen.
Trotz Befürchtungen, Ängsten, Qualen und Geplagtsein galt
der Tod unseren Vorfahren als ”’sanft und heilig’’. Das Leben war
ein Kampf ohne Hoffnung; es war gar nicht der Mühe wert, so
hartnäckig verteidigt zu werden. Für das christliche Volk des
alten Regimes war die Erde ein ”Tal der Tränen”, Und wer
dächte schon daran, diesen durch Gott’ verdammten Boden” in
ein menschenfreundliches Land zu verwandeln?
Der Tod ist auf jeden Fall gegenwärtig mitten im Leben,
genau so wie der Friedhof in der Mitte des Dorfes.
Nie sind die Ausgabee, die Familie, Heirat oder Gemeinschaft
knüpfen, zerstört. Der Verstorbenen läßt nicht nur, wie heute,
ein Andenken, das die Zeit sehr schnell auswischen wird; er bleibt
”anwesend’” unter den Lebenden. Und, wie der Tod selbst,
vergißt er sie nicht! ...
115
Anschließend fesselte Kulturhauptinspektor Firmin Pauquet die Zuhörer, die
dichtgedrängt nebeneinander saßen, mit einem spannenden und lehrreichen
Vortrag über die erste urkundliche Erwähnung der Ortschaften Kelmis und
Hergenrath am 22. März 1280. Er erklärte seine Nachforschungen. Anhand der
Regesten der Reichsstadt Aachen von Dr. Wilhelm Mummenhoff, die im Jahre
1961 erschienen, fand er Urkunden zwischen 1251 und 1300, die irgendwie mit
der Reichsstadt Aachen in Verbindung standen, Im Orts- und Personenverzeich-
nis dieses Werkes entdeckte Herr Pauquet die Namen der Ortschaften Kelmis und
Heyenrot. Die dazu gehörige Originalurkunde aus der ehemaligen Zisterzienserab-
tei Kamp befindet sich heute im Hauptstaatsarchiv Düsseldorf.
Dieser Vortrag war die Einführung zur Geschichte ’”’700 Jahre Kelmis-
Heyenroi”. Für diesen großartigen Vortrag dankte Präsident‘ Zimmer sehr
herzlich. Alle Anwesenden versprachen, bei der Gestaltung der Feiern anläßlich
des 700. Jahrestages der urkundlichen Ersterwähnung von Kelmis und Hergenrath
aktiv mitzuarbeiten,
26. Januar
Wiederum konnte die Göhltalvereinigung zu einem interessanten Lichtbildervor-
trag einladen. Herr Helmut Heydasch, Verwaltungsratsmitglied, konnte in Raeren
”Zum Onkel Jonathan” den 40 Besuchern Herrn E. Gilles, (Raeren) vorstellen,
der in vierjähriger Arbeit das Hohe Venn zu den verschiedenen Jahreszeiten im
Lichtbild festgehalten hat. Mit 350 Lichtbildern ließ Herr Gilles das Hohe Venn
durch verschiedene Spaziergänge lebendig werden. Mit dem Dankeswort von Frau
Dr. De Ridder, in dem diese zum Ausdruck brachte, daß diese Vennlandschaft,
ein Kleinod der Natur, vom Menschen nicht hoch genug eingeschätzt und gehütet
werden kann, endete dieser Abend.
März
Am 7.3. lud die Vereinigung im Kelmiser Park-Caf& zu dem Vortrag ”’Geschichte
und Zivismus” ein. Der Redner, Herr Dr. van Sandbergen, Inspektor für
Geschichte, aus Lüttich, wurde durch Kulturhauptinspektor Firmin Pauquet
vorgestellt. Dieser leitete das Referat mit Zitaten aus dem Zukunftsromarn von G.
Orwell ”1984” ein. Der Vortrag leistete einen weiteren Beitrag zum besseren
Verständnis der Geschichte und deren Bezug zur Gegenwart. Die wichtige Aufgabe
der Geschichtslehrer wurde herausgestellt. Der Vortrag wurde in französischer
Sprache gehalten,
Vom 22. bis zum 30. März gelang es der Vereinigung, eine Ausstellung mit hohem
dokumentarischem Wert im Gemeindehaus Kelmis zusammenzustellen. Zahlreich
waren die Urkunden, die die Geschichte von Kelmis und Hergenrath von der
Ersterwähnung 1280 bis zur Franzosenzeit wiedergaben. Die Originalurkunde der
Ersterwähnung Kelmis war ebenso zu sehen wie weitere wertvolle Urkunden aus
den Archiven von Düsseldorf, Aachen, Lüttich, Brüssel, der Vieille Montagne
(Angleur) und aus Privatbesitz. Anläßlich der Eröffnung der Ausstellung und der
700-Jahrfeier der Gemeinde überreichte Präsident Zimmer dem Bürgermeister
und Abgeordneten Willy Schyns eine Kopie der Original-Urkunde mit der
Namensnennung von Kelmis-Heyenroth vor 700 Jahren. Die Austellung fand
reichlich Anklang bei der Kelmiser Bevölkerung und den hiesigen Schulen.
April
Im Rahmen der Veranstaltungen zur 700-Jahrfeier hielt der Mineraloge Dr.
Nikolaus Schmitz am 11.4. einen hochinteressanten Vortrag über ”’Gesteine und
Erze im Kelmiser Raum und ihr geologischer Rahmen”. Er erklärte die Bildung
von Zinkgesteinen, die den Kelmiser Raum prägten und das Altenberger
Grubenfeld bildeten.
117
Mai
11. Mai : Zum 150-jährigen Bestehen Belgiens besuchte die Göhltalvereinigung
Waterloo, denn wurde nicht nach der Schlacht von Waterloo, beim Wiener
Kongreß, der erste Grundstein zum heutigen Belgien gelegt? Unter der Leitung der
Verwaltungsratsmitglieder Walter Meven und H.J. Gatz verließ bei strahlendem
Sonnenschein ein bis auf den letzten Platz besetzter Autobus Kelmis. Nach der
Begrüßung durch Herrn Gatz und der geschichtlichen Einleitung durch Herrn
Meven wurde Waterloo durch den Besuch des Museums und des Schlachtfeldes
lebendig. Als man nach dem Besuch des zentralafrikanischen Museums in
Tervuren sich auf den Heimweg begab, waren alle beeindruckt von diesem
erlebnisreichen Tag.
Juni
29.6. : Auf der letzten Fahrt vor der Ferienperiode lud die Vereinigung zu einem
Ausflug in die Mergelhöhlen des Maastales ein. Fast 60 Teilnehmer, darunter alle
Altersgruppen, konnte Frau Dr. De Ridder begrüßen. Wieder sollte es die
Geologie mit ihren sichtbaren Beweisen und ihrer praktischen Verwendung im
täglichen Leben sein, die studiert werden sollte. Die Gebrüder Felder, Geologen,
Jeiteten die weitere Exkursion, Die Mergelhöhlen von St. Pietersberg bei Maas-
tricht, die schon von den Römern zur Bausteingewinnung benutzt wurden, stellen
nicht nur ein Kulturdenkmal und ein geologisches Denkmal dar, sondern sind vor
allem ein Denkmal der Arbeit. Tief beeindruckt verließ man diese Stätte, einen
"wahrhaft ausgemergelten Berg”. Herr Willi Jacquemin aus Kelmis, Busunter-
nehmer und Champignonzüchter, leitete die Gruppe nach Zichen. Hier konnte
eine Champignonzucht besichtigt werden. Die Gebrüder Felder führten anschlies-
send durch das Feuersteinbergwerk aus der Zeit von vor 500 Jahren bei Rijkholt.
Dieses jungsteinzeitliche Feuersteinbergwerk faszinierte alle Teilnehmer.
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Unser sympathischer Fremdenführer in Wien : Karl Wieshaider
118
Juli
In der Zeit vom 13. bis 24.7. organisierte die Vereinigung eine Reise, die 55
Teilnehmer nach Österreich, nach Wien und Umgebung, führte. Nach Zwischen-
station in Salzburg und der Besichtigung der Ausstellung in Hallein, ”’die Kelten
in Mitteleuropa” folgten 9 Tage Wien. Der erste Eindruck der prachtvollen Stadt
wurde durch eine Führung des Wiener Kulturamtes dank der Bemühung von
Kulturhauptinspektor Pauquet vermittelt. In das historische Wien wurde die
Gruppe durch einen Empfang im Rathaus eingeführt. Hier empfingen Dr.
Lovoczek, Chef des Niederösterreichischen Kulturamtes, der Oberbürgermeister
Gratz vertrat, sowie Amtsrat Dr. Rendl die Teilnehmer aus Kelmis. Frau Dr. De
Ridder überreichte hier die Kelmiser Gedenkmünze, die zur 700-Jahrfeier von
Kelmis und Hergenrath geprägt wurde und von Bürgermeister W. Schyns mit
einer Widmung für den Wiener Bürgermeister versehen war. Außerdem verlas sie
ein Schreiben von Bürgermeister Schyns an den amtierenden Wiener Bürgermeis-
ter. In ihrer darauffolgenden Ansprache verwies sie auf die verbindende Geschich- .
te mit Österreich, auf die Kaiserin Maria Theresia und den Wiener Kongreß, der
Neutral-Moresnet entstehen ließ, Grund genug, Wien als Reiseziel in dem
historischen Jahr Belgiens und Kelmis’ zu wählen. Unter Führung von
Herrn Karl Wieshaider, einem sympathischen Wiener, wurden Wien, seine
Umgebung und das Burgenland zu einem unvergeßlichen Erlebnis.
Wohlbehalten erreichten alle Teilnehmer ihre Heimatorte wieder, wo noch lange
und nachhaltig über diese Reise mit viel Freude gesprochen wurde.
September
5.9. : Durch einen Lichtbildervortrag ließ Frau Margarethe Wahl aus Neu-
Moresnet die historische Vergangenheit Ägyptens lebendig werden. Unter dem
Titel "Ägypten, ein Geschenk des Nils” (nach dem Ausspruch von Herodot) legte
Frau Wahl mit ausgezeichneten Lichtbildern und mit vielen eindringlichen
überzeugenden Worten, aus denen man die Liebe zu Ägypten spürte, Zeugnis ab
von dem alten Reich mit seiner Kunst und hohen Kultur, aber auch von dessen
Bedeutung für unsere heutige Kultur. Dieses Referat sollte auch als Einführung
verstanden werden zu der bedeutenden Tutenchamun-Ausstellung, die in Köln
Millionen von Besuchern anlockte.
6.9. : Unter der Leitung von Vizepräsident Albert Janclaes organisierte die
Vereinigung eine Fahrt nach Köln zur Tutenchamun-Ausstellung. Nach. der
geschichtlichen Einführung durch Herrn Janclaes war es den Teilnehmern
möglich, gut informiert den einmaligen Schätzen aus dem Tutenchamun-Grab mit
noch größerer Ehrfurcht zu begegnen.
28.9. : Im Rahmen der Feierlichkeiten aus Anlaß des 700. Jahrestages der
urkundlichen Ersterwähnung von Kelmis und Hergenrath organisierte die Verei-
nigung eine Fahrt zum modernen Verhüttungswerk der Vieille Montagne nach
Balen-Wezel in der Provinz Antwerpen unter der Leitung von Frau Dr. De
Ridder. Insgesamt 74 Teilnehmer, unter ihnen Kulturhauptinspektor Pauquet
und seine Familie, wurden in Balen von 7 Ingenieuren unter der Leitung von
Oberingenieur Pastuer bereits erwartet. Die Zinkverhüttung bildete das Haupt-
thema, wobei die verschiedenen Phasen der Extraktion der Zinkmineralien
erläutert wurden. Nach dem Besuch des Werkes wurden die Teilnehmer zu einem
Essen im Werkskasino eingeladen. Anschließend besuchte man die Abtei Postel,
die 1140 durch Norbertiner gegründet wurde. Dieser Ausflug vermittelte einen
Einblick in das Leben und Wirken der Menschen im Kempenland mit seinem
typischen Landschaftsbild. Ein Dank gilt an dieser Stelle dem Generaldirektor der
Vieille Montagne, Herrn H. Ghyssens.
123
Zeitungsexemplaren. Nur wenigen war bekannt, daß die erste Zeitung für den
Montzener Raum am 3. März 1848 in Aubel, und zwar in deutscher und
französischer Sprache, erschien. Diese war zweispaltig und hatte die Größe eines
Schulhefies. Unbekannt ist die Auflageziffer, Herausgeber war Johann Heinrich
Willems aus Eupen, ein Schuster, der nebenher noch ein Devotionaliengeschäft
betrieb.
2. Sekretariat :
Das Sekretariat wurde im Jahre 1980 durch Herrn Willy Palm, die Mitgliederkartei
durch Herrn Albert Janclaes geführt. Herrn Palm war es in mühevoller Arbeit
nunmehr gelungen, alle Mitglieder mit dem Komputer zu erfassen.
Briefwechsel :
Vom 1.1. - 31.12.1980 erhielt unsere Vereinigung 201 Briefsendungen, 549 Briefe
wurden versendet. Die Zeitschrift Im Göhltal’” (Nr. 26 u. 27) konnte unseren
Mitgliedern zugestellt werden, ebenso die Veranstaltungsprogramme für das 1. u.
2. Halbjahr 1980 sowie die Einladung zu den Feierlichkeiten und der Ausstellung
700 Jahre Kelmis - Heyenroth.
3. Veröffentlichungen 1980
Im Monat Februar erschien das Heft im Göhltal Nr. 26, im November das Heft
Nr. 27. Beide Nummern wurden in der Presse vorgestellt. Unserem langjährigen
Lektor, Herrn Alfred Bertha, ist mit der Gestaltung dieser beiden Hefte wieder ein
bleibendes Dokument für die Geschichte des Göhltales gelungen.
4. Pressemitteilungen 1980
In der lokalen Presse wurde über alle Veranstaltungen der Vereinigung, (10
Exkursionen, 1 Vortrag, 5 Lichtbildervorträge und eine Ausstellung) eine Ankün-
digung sowie ein ausführlicher Bericht veröffentlicht. Dies geschah ebenso mit den
Verwaltungsratssitzungen, Frau Dr. De Ridder war für Presseberichte verantwort-
lich.
5. Verwaltungsratsitzungen :
14.3. - Unter dem Vorsitz von Präsident Zimmer kamen die Ratsmitglieder aus
Raeren, Hauset, Walhorn, Eynatten, Kelmis, Hergenrath und Moresnet zusam-
men. Zur Freude aller konnte der Präsident Herrn Kulturhauptinspektor F.
Pauquet herzlich begrüßen. Hauptpunkt der Tagesordnung war die Gestaltung
der Ausstellung, die in der Zeit vom 23. - bis 30.3.80 im Gemeindehaus Kelmis
unter dem Titel "Dokumente zur Geschichte : 700 Jahre Kelmis - Heyenroth”
stattfand, Diese Ausstellung hatte zum Ziel, einen dokumentarischen Überblick
124
von 1280 - bis zum 19. Jahrhundert zu geben. Herr Zimmer dankte für das große
Entgegenkommen dem Bürgermeister Willy Schyns, der durch seine Vermittlung
mit Herrn Oberbürgermeister Malangre aus Aachen das Ausleihen der deutschen
Urkunden ermöglichte. Die Organisation der Wienreise wurde besprochen.
21. Mai 80 - In Abwesenheit des erkrankten Präsidenten kam der Verwaltungsrat
unter der Leitung der Vize-Präsidentin Frau Dr. De Ridder zusammen. Haupt-
punkt der Tagesordnung galt dem augenblicklichen Stand des künftigen Göhltal-
museums. Wie zu vernehmen war, liegen alle Pläne bei der Provinz vor. Der
Verwaltungsrat sprach nochmals dem langjährigen aktiven Ratsmitglied Leo
Homburg und dessen Gaitin die herzlichsten Glückwünsche zur goldenen
Hochzeit aus. Der Kauf eines Megaphons wurde beschlossen. Das Programm der
Wienreise wurde fesigelegt.
3.9.80 - Unier dem Vorsitz des Präsidenten irat der Rat zusammen. Die Wienreise
wurde kritisch betrachtet,
20.11.80 : Es wurde beschlossen, die Auflage der Zeitschrift ’’Im Göhltal” nunmehr -
auf 800 Hefie zu erhöhen und zwar ab Nr. 28. Der Mitgliedsbeitrag für 1981
wurde auf 250,- frs festgesetzt. Das Veranstaltungsprogramm für das 1. Halbjahr
1981 wurde erstellt.
6. Göhltalmuseum
Monate vergingen, ehe alle Pläne des künftigen Göhltalmuseums genehmigt
werden konnten. Im Dezember 1980 wurde der Gemeinde Kelmis endlich seitens
der Minister für die französische und flämische Gemeinschaft das Einverständnis
für die Umwandlung des ehemaligen Gemeindehauses Neu-Moresnet in ein
Museum erteilt. Nun kann mit den Ausschreibungsarbeiten begonnen werden.
Damit erfüllt sich ein langgehegter Wunsch der Vereinigung.
7. Mitgliederkartei
Die Göhltalvereinigung weist bis zum 31.12.80 folgende Statistik an Mitgliedern
auf :
1973 1974 1975 1976 1977 1978 1979 1980 1981
Mitglieder ; 404 432 437 447 520 S41 551 592 652
” Tausch : 16 13 12 13 13 14 15 18-20
Pflicht : 10 20 16 16 16 15 15 15 15
Total : 430 465 465 476 S49 570 581 625 687
8. Rundfunksendungen
Jeden 3. Mittwoch im Monat in der Zeit von 19.00 - 19.30 Uhr nahm unsere
Vereinigung an der Sendung ”’Geschichtliche Funkbilder”” der drei Geschichtsver-
eine Ostbelgiens teil.
Durch folgende Beiträge war unsere Vereinigung vertreten :
16.1. - F. Pauquet : ”Urkundliche Ersterwähnung von Kelmis 20.3.1280”
21.2. - P. Zimmer : ”Neutral-Moresnet’’
19.3. - L. Goebbels : ”’Das Postwesen von Neutral-Moresnet’”
16.4. - A. Beriha : "Evangelische Kirchengemeinde Neu-Moresnet”
- 21.5. - H.J. Gatz : ”’Sankt Rochus”
16.7. - W. Meven : ”150 Jahre Belgien. Die geschichtliche Bedeutung unserer
Wienreise”
20.8. - G. De Ridder : ”’Die Zinkverhüttung der Vieille Montagne”
17.9. - F. Nyns : "Die Bockreiter”
22.10. - A. Janclaes : ”Ostbelgiens Schützen im europäischen Bund”
19.11. - A. Bertha : ”Grenzgeschichten””
17.12. - H. Heydasch : ”(In Mundart) Raerener Gedichte von P. Emontspohl”
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