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Landschaft im Grenzraum Nordostbelgiens
<N° 26
Im Göhltal
ZEITSCHRIFT der
VEREINIGUNG
für
Kultur, Heimatkunde und Geschichte
im Göhltal
N° 26
2-79
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Vositzender : Peter Zimmer, Sandweg 8 - 3, Kelmis
Sekretariat : Kirchplatz, 6 - 4720 Kelmis - Tel. 087/65.99.62
Lektor : Alfred Bertha, Hergenrath, Bahnhofstraße, 33
Kassierer : Fritz Steinbeck, Kirchstraße, 20, Kelmis
Postscheckkonto N° 000-0191053-60
Die Beiträge verpflichten nur die Verfasser.
Alle Rechte vorbehalten.
Entwurf des Titelblattes : Frau Pauquet-Dorr, Kelmis
Diese Skizze zeigt den Moresneter Göhltalviadukt sowie die Hergenrather
Hammerbrücke in ihrer ursprünglichen Form.
Druck. Jacques Aldenhoff, Gemmenich.
F
3
Inhaltsverzeichnis
} Hubert Beckers, Eilendorf Der Zustand der Galmeigrube
Altenberg i.J. 1816 5]
Walter Meven, Hergenrath Die ”’Herrlichkeit’’ Eynatten
(Forts.) | 11
Leo Homburg, Fossey Notizen um die Hammerbrücke 18
Alfred Bertha, Hergenrath Hergenrather Schulchronik 33
Viktor Gielen, Eupen Heimatgeschichte beginnt bei
den alten Fernwegen 33
Peter Emonts-pohl, 2 Gedichte in Raerener Mundart 58
Iserlohn/Raeren
Gert Pasch, Aachen Nanny Lambrecht, eine ”’wallo-
5 nische” Schriftstellerin 61
Leonie Wichert-Schmetz, Frühling 1915 73
Bad-Driburg
Freddy Nijns, Walhorn In Memoriam Jean De Ridder 74
* Alfred Bertha, Hergenrath Aus der ”’Freien Herrlichkeit
Lontzen” CR
M.-Th. Weinert-Mennicken, Die Kranke 85
Aachen-Forst
Martha Kalff, Aachen Die Raerener Töpferfamilie
Kalff 86
Gerard Tatas, Gemmenich Der Truest 97
Alfred Bertha, Hergenrath Auf dem Büchertisch 98
Dr. Gisela De Ridder, Jahresbericht 1979 99
Moresnet
$
Der Zustand der Galmeigrube Altenberg
im Jahre 1818
(nach einem Bereisungs-Protokoll des Oberberghauptmanns
Gerhard)
von Hubert Beckers
Es war am 1. September 1818, als sich der Königliche
Oberberghauptmann Gerhard auf Anweisung seiner vorgesetzten
Behörde, des Bergamtes Düren, aufmachte, die im Bergrevier
Düren liegende Galmeigrube Altenberg zu bereisen. In seiner
Begleitung befanden sich der Berghauptmann Graf von Beust
sowie der Unterbeamte Mayer. Die Grube lag bei Moresnet, in
demjenigen kleinen Teil des ehemaligen Herzogtums Limburg,
dessen Landeshoheitsverhältnisse nach dem Grenzvertrag vom 26.
Juni 1816 offen geblieben waren. Der auf dem Bergwerk wohnen-
de Vorsteher desselben, Herr Depr6es, ”’beeiferte’” sich, das Werk
zu zeigen und über alles Auskunft zu geben. Das Ergebnis dieser
Bereisung spiegelt sich - ergänzend zu den Ausführungen von
Herrn Uebags über die Grube Altenberg in unserer Zeitschrift - in
folgendem Bericht nieder :
”Das Äußere dieses Bergwerks stellt, wie jeder Pingenbau, einen
Steinbruch dar, dessen größte Ausdehnung nach dem allgemei-
nen Streichen der dortigen Gebirgslager gegen 200 Lachter (1
Lachter entspricht im Bereich des Oberbergamtes Bonn = 2,092
m), nach der querschlägigen Richtung 30 - 70 Lachter und in die
Teufe 8 - 10° (Grad) betragen mag. An vielen Stellen dieses
Raumes zeigt sich der Galmei in ansehnlichen Felsenmassen
anstehend, welche nur theils durch einbrechende Massen eines
sandigen Kalksteins, theils durch Letten-Schichten, welche die
Galmei-Parthien zu umhüllen scheinen, theils durch frühere
Gewinnungs-Arbeiten unterbrochen werden. Weder die Galmei-
noch die Kalkstein-Felsen noch die Lettenpartien lassen eine
ordentliche Schichtung wahrnehmen, nur in einiger Entfernung,
F
3
sowohl in N.W. als S.O. von der Grube hat man den Kalkstein,
abwechselnd mit Grauwacke, mit dem angegebenen allgemeinen
Streichen der Letztern und mit südöstlichen Einfällen beobachtet.
In den Drusenhöhlen des Galmeis findet sich nicht selten
blättriger Galmei in schönen Krystallen, wovon einige Stuffen
vorgelegt worden sind.
Die Gewinnung geschieht jetzt über Tage, durch einen
regelmäßigen Pingen-Bau oder Bruchbau, wobei der Abraum und
die Berge in zwey bis drei 1 1/2° hohen Straßen mit Keile und
Platthauen hereingewonnen und in hinlänglicher Entfernung aus
dem Bruche geschafft werden. Da der Abraum größtenteils aus
alten Halden besteht, so findet dabei noch eine Galmei-
Gewinnung durch Auskluiseln statt. Im Winter werden die
unterirdischen Baue belegt. Diese befinden sich 18 bis 20° unter
der Sohle des Tagebaues und bestehen aus einer Menge, steigend
und fallend, nach allen Richtungen getriebener Strecken und
Weitungen. Sie sind früher von dem Herrn Grafen von Beust und
dem Unterzeichneten (Mayer) befahren worden und gleichen
nach deren Versicherung sehr wenig der Beschreibung, welche
Baillot/ : im Journ. des mines No. 43. p. 515/ : davon gegeben
hat. Es soll davon ein Grubenriß existieren und in 1816 der
damaligen Grenz-Regulierungs-Kommission zu Aachen vorgelegt
worden seyn, auf dem Werke befindet sich aber kein Exemplar,
und eben so wenig hat das Dürener Bergamt bis jetzt eins
erhalten können, ob es gleich die Gewerkschaft zu wiederhohlten
malen darum angegangen hat.
Die Wasserlassung erhalten diese Baue durch eine wohlge-
baute Kunst. Ein 24’ (1’ = 1 Fuß entspricht im Bereich des
Oberbergamtes Bonn = 0,314 m) hohes Kunstrad erhält seinen
Aufschlag bei 15’ Gefälle mittelst gemauertem Kanal aus dem in
der Nähe fließendem Bache Gueule, und arbeitet mit Feldgestän-
ge und zwey mit Krümmlingen und Gegengewicht versehenen
halben Kreuzen in einem gut gemauerten 123’ tiefen Schacht, mit
4 1/2’ Hub und 4 achtzölligen Sätzen, wovon einer zu Tage
ausgießt. Ein ebenfalls gemauerter Kanal führet die Hub- und
Aufschlag-Wasser unterhalb dem Bache wieder zu. 5
8
Der gewonnene Galmei wird jetzt nur geröstet und gemahlen
versandt. Noch vor kurzem geschah die Versendung theils in
rohem Zustand, theils nach einer Röstung im Freien mit Holz.
Seit 1816 röstet man in besonderen Röstöfen mit Steinkohlen. Es
sind deren zwey vorhanden von verschiedener Construktion, von
denen aber nur der eine gebraucht wird. Dieser hat die Construk-
tion der gewöhnlichen Kalkbrennöfen, einen konischen, oben 9’
unten 3’ weiten und 8 1/2’ hohen Schacht, mit 2 Schür- und zwei
Zuglöchern. Die Feuerung geschieht aber außerhalb des Ofen-
schachtes und die Flamme dringt durch eine Menge, im ganzen Um-
fange des Ofenschachtes bis zu 6 1/2’ Höhe deßelben angebrachter
Züge in die zu röstende Masse. Wenn der Ofen in Hitze ist, werden
13000 Killogr. oder 260 Ctr. in 24 Stunden gezogen. Das Feue-
rungs-Material sind Eschweiler Grußkohlen, deren angeblich 35
Kübel a. 50 Litres in 24 Stunden verbraucht werden. Ein Brandt
dauert 10 - 12 Tage, nach welcher Zeit man den Ofen ausgehen
lassen und die Züge reinigen muß. Man kann daher jährlich 26
Brände a. 1800 bis 2000 Ctr. oder ein zu beschaffendes Produk-
| tions-Quantum von 50 - 52/m Ctr. annehmen. Dasselbe soll
indeß nur 38 bis 40 m betragen.
Der geröstete Galmei kommt sogleich unter die Mühle, welche die
| gewöhnliche Einrichtung der hiesigen Galmei-Mühlen hat. Ein |
ca. 18’ hohes Wasserrad bewegt eine stehende Welle, um welche |
zwey 6’ hohe und 15” (1”” = Zoll = ein Zehntel bzw. ein Zwölftel
Fuß = etwa 2,5 cm) starke Mühlensteine an einer gemeinschaft-
lichen Axe, auf der hohen Kante herumlaufen. Der Herr Ober-
berg-Hauptmann bermerkte gegen H. Depres, daß man an
anderen Orten diesen Mühlstein eine kegelförmige Gestalt
gegeben habe, welche ihren Effekt vermehre.
Die Versendung des gemahlenen Galmeis geschieht in 2 bis 3 Ctr.
haltenden schmalen Säcken, hauptsächlich nach Lüttich und in
die niederländischen Messing-Fabricken zu Namur p. Die Stol-
berger Hütten nehmen wenig ab.
Außer den vorerwähnten Gegenständen bermerkte man auch
Muster von der Anwendung des gewalzten Zinkes, zu Röhren,
zum Dachdecken p.p. Die Röhren waren gelöttet, die Dachplat-
ten einfach gefalzt.
Der Oberberghauptmann war mit dem gefundenen Betrieb des
Werkes in technischer und polizeilicher Hinsicht zufrieden und
gab dem Vorsteher desselben seinen Beifall zu erkennen, aber
10
auch den Wunsch, daß, wenn die Umstände es nur. gestatten,
eine Zeichnung des Baues sowohl als besonders der Gegend
aufgenommen und zugelegt und dabey das Verhalten der Lager-
stätte selbst angegeben und deutlich dargestellt werden möge.
gez. Mayer”
Erläuterungen
Zu Bild 1 : Die "Carte Topographique de la Montagne de Calmisberg ou la
Montagne de la Calamine appartenant A Sa Maj(est)€ l’Empereur et Roi situ& pres
d’Aix-la-Chapelle sous le quartier de Kelmis Banc de Montzen au Duche de
Limbourg” (Nationalarchiv Paris, Akten N 4 Atlas (Roerdepartement), Nr. 1,
Aachen) dürfte gegen Ende der österreichischen Zeit entstanden sein. Die in
großen Buchstaben bezeichneten Einzelheiten sind (soweit zu entziffern) :
A u. B : Wohnung des Einnehmers bzw. des Kontrolleurs und Direktors (heutige
Parkvilla)
C. Brunnen
D. Wohnung des Waagemeisters und Lager f. Zink, Kohle, Bauholz. Z.T.
baufällig.
EEEE. Schuppen, wo das Ausglühen (Rösten) der Metalle stattfindet.
F. Schmiede
G. Abdeckung der 3 Pumpen, die das Wasser aus 18 Ellen Tiefe heraufpumpen.
H. Strohabdeckung über den Schächten
I. Straße Herve (Lüttich) - Aachen
K. Für den Abtransport der Erze benutzter Weg
L. Wäsche
M. Wasserlauf
O. Verbindung Lütticher Straße - Direktionsgebäude (heutige Kirchstraße)
P. Privatwohnungen
Q. Schotter u. Abfall
R. Wasserlauf
Zu Bild 2 : Diese Karte zeigt die unterirdischen Stollen, die 3 Pumpen (P) und
(links im Bild) die "hydraulische Maschine”. (Nationalarchiv Paris, Akten, N 4
Atlas (Roerdepartement) Nr. 1, Aachen)
Als Maßstab sind für beide Lagepläne "Toises” d.h. Ellen, angegeben, doch steht als
Zusatz zu dem Grubenriß : "Echelle double de la Carte Superficielle.”
Quelle : Hauptstaatsarchiv Düsseldorf-Kalkum, Bergamt Düren, Akte 443
f
11
Die ”Herrlichkeit’”” Eynatten
von Walter Meven
Die immer wieder aufzuwendenden Ausgaben, die die spani-
sche Krone in ihrem Herrschaftsbereich infolge der andauernden
politischen Krise machen mußte, entlasteten die Staatsfinanzen
nicht im mindesten. Im Gegenteil, es mußten ständig Überlegun-
gen angestellt werden, wie die Finanzmisere zu verbessern oder
gar zu beheben sei. Die Bevölkerung selbst war total verarmt;
irgendeine Soldateska lagerte stets im Ort und mußte bei allem
Elend - wie Hungersnot und Seuchen - von ihr unterhalten
werden. Von dem Wenigen, das einem geblieben, sollte man auch
noch abgeben. Haus, Feld und Flur wurden niedergebrannt. Wen
wundert es nicht, daß eine förmliche Flucht vom Lande in die
etwas sicherere Stadt einsetzte, und dadurch ganze Landstriche
entvölkert wurden? Die nahe, von einem festen Mauerring umge-
bene Reichsstadt Aachen war derart mit den aus dem Limburgi-
schen geflüchteten Menschen übervölkert, daß der Rat sich am
6.2.1659 entschließen mußte, die vor den ”’Condaischen Kriegs-
völkern geflohenen Limburger”” aufzufordern, die Städt zu verlas-
sen und in ihre Heimatorte zurückzukehren. (1) Dabei darf nicht
unerwähnt bleiben, daß die Reichsstadt Aachen selbst Belage-
rungen und häufige Truppendurchzüge erdulden mußte. Im
August 1620 zogen zum Beispiel 25.000 Mann spanischer Trup-
pen vorbei, Im Jahre 1636 erfolgte eine Beschießung durch die
Spanier, weil man ihnen die Einquartierung verwehrte. Die
Folgen waren 1500 Mann Besatzung, die einen Kostenaufwand
von 65.797 Rtl. verursachten. Bei einer Bevölkerung von rund
15.000 Einwohnern eine nicht unerhebliche Belastung.
Das Fürchterlichste und Schrecklichste traf die Stadt im Jahre
1656 : ein Stadtbrand, der beim Bäcker Peter Maw unterhalb der
St. Jakobskirche entstanden war, vernichtete die Stadt in kürzes-
ter Zeit bis auf einige wenige Häuser fast vollständig. 4664
Häuser, die im wesentlichen aus heimischen Hölzern als Grund-
baustoff gebaut waren, versanken in der Glut der Flammen.
12
Ein Bericht des Drossarts von Walhorn über zwei in der
Bank gelegene Orte, die ‚einmal eine solche Brandschatzung
durch feindliche Truppen ertragen mußten, gibt uns ein detail-
liertes Bild des Geschehens. Es heißt da wörtlich : ”Wy Drossardt
ende Schepenen der hoeft Banck Walhorn Land van Lymborg
attesteeren ende certificeeren mitsdesen voorde echte Waerheyt
dat Anno 1656 in Augusto de Franse Partyen van Diddenhoeven
hebben in Dorp van Eynatten resort deser hoeft Banck aftgebrant
ende geheel doer het vuer gedestruert sevenentwintisch Huysen
| mette Stallingen Bouen verthien scheuren met t’gene darinnen was,
| gelyck oeck hebben wenichtyt daernaer tot Hergenrath ooeck
resort derselven Banck in Brant gestoecken de scheuren stallingen
maelmoulen Coepermoulen ende Brouwerye genampt gemeynelick
stoupartsmoulen die oeck syn geheel inden gront affgebrant ende
alsoe gestellt dat de goederen door faulte van woeningen Scheuren
ende Stallingen blyven ten deel ongelaboreert liggen, ende deses
alles vuyt redenen die vande vorß. Banck Walhorn hun nyet en
wilden stellen onderde Sanktionerde des Gouverneurs tot Didden-
hoeven Vorß. Dede want redelycks der Waerheyt getuignisse
tegeven soe hebben wy ten versoecke der affgebranden deses an
onsen medebroeder diende d’officie van Greffier belost t’ onder-
tecken ende onser schepen segele daerneffens t’applicieren actum
Walhorn den 7.12.1660 quod attestor ter ordonnantie.”’ (2)
Beelen
Fast ein Jahrhundert früher, Anno 1582, war dem Quartier
| Eynatten schon einmal ein solches Unglück widerfahren.
| Ein Söldner, der 1572 einem niederländischen Söldnerheere
beigetreten und später als Hauptmann eine Kompanie befehligte,
| berichtet in seinem Tagebuch von einem Kriegszug in unserer
| Heimat, wohin sie ausgezogen waren, um ein feindliches Söldner-
| regiment zu bekämpfen. In der Nacht vom 6. auf den 7. Juli 1582
| lagerten sie vor Eupen und mußten feststellen, daß der Feind sich
| hinter die Festungsmauern von Limburg zurückgezogen hatte.
Der Hauptmann und seine Truppe steckten vor ihrem Rückzug
| die Hälfte des Dorfes Eupen in Brand. Unterwegs eroberten sie
einen feindlichen Bagagewagen und brandschatzten das ganze
| Dorf Eynatten vollständig. (3)
Diese wenigen ‘Hinweise machen uns deutlich, wie arm
unsere Gegend damals durch die vielen langen Kriegsjahre
|
BB
geworden war. So wird uns auch verständlich, daß die spanische
Verwaltung den Einwohnern keine weiteren Opfer mehr abver-
langen konnte.
So beschloß man anno 1643 im Palaste des spanischen
Königs zu Madrid, allgemeine Bedingungen für den endgültigen
Verkauf von Orten, die zu Herrlichkeiten erhoben worden waren,
herauszugeben. Eine Veröffentlichung dieser Verkaufsbedingun-
gen für die Bank Walhorn, die im Jahre 1647 erfolgte, scheint
zunächst keinen ernstzunehmenden Interessenten zum Kauf bewo-
gen zu haben.
Sicher kann man annehmen, daß diejenigen, die bereits
früher mit den Herrschaftsrechten der Bank belehnt worden
waren, den verständlichen Wunsch hegten, endgültig in den
Besitz ihres Herrschaftsgebietes zu kommen.
Erst im Jahre 1654 beauftragte der mit der Herrschaft der
Bank belehnte Arnold Schuyl einen gewissen Derick Teller zu
Gunsten seines Sohnes Arnold Diderich Schuyl dem Gouverneur
in Brüssel ein Kaufgebot zu unterbreiten. Vermutlich wurde
neben anderen Geboten diesem als Höchstbietendem der Zu-
schlag erteilt. Allerdings wurden, wie wir aus dem Kaufvertrag
ersehen, gegenüber der Belehnung im Jahre 1626 einige Ein-
schränkungen festgelegt, u.a. das Recht der toten Hand und zwei
Benden, die Herzogenbend genannt wurden, wovon der eine in
Walhorn und der andere in Astenet gelegen war, sollten dem
Käufer nicht zukommen. Aus dem Ertrag der beiden Benden
erhielt der Statthalter und Drossard des Landes Limburg eine
Entschädigung für seine Dienste.
Dieselben sollen jedoch nach dem Tode oder wenn er auf
seine Ansprüche freiwillig verzichten würde, ”’an den Herrn der
Bank, seinen Erben einbegriffen, zu deren Nutzen fallen und
sollen es als ihr eigenes Gut betrachten”. Der Abdruck der
Verkaufsbedingungen der Bank Walhorn soll der Vollständigkeit
halber und des besseren Verständnisses der Zusammenhänge wegen
hier im Originaltext folgen. (4)
Extract uyt de patente van absolute vercoopinghe der Banck
Walhorn. Philips by der Gratie Godts Connik van Castillien, van
Leon van Arragon etc. opt 2 blat so staet wy volght
Ende Dyenvolgens heeft onsen voors. goeden Neve by advies als
14
voor en om Deselve procuratie ter executie te stellen int regart
vande absolute vercoopinghe der Heerlicheden gelegen in onsen
voors. Lande ende Hertogdomme van Limborch overmaeze Last
gegeven aen onsen seer Lieven ende getrouwen, de hoefft Threso-
rier general ende gecommitteerde van onse Finantien om voorts te
vaeren tot de voors. absolute vercoopinghe van de beleende ende
verpande Heerlicheden ende innecoemen, ende Dyenvolghens die
voors. van onse Finantien denselven Last volbrengende, ende
onder andere ter Hand genoemen hebbende de vercoopinghe
vande hooghe middel ende leege Heerliyckheyten vande Banck
van Walhorn appendentien ende Dependentien van dyen gelegen in
onsen voors. Lande ende Hertogdomme van Limborch overmaeze
soo verre wyt ende breet als hear de Limiten daeraff syn
streckende ende extenderende sonder innecoemen uytgenoemen
het Recht van doode Handt, ’ende twee bempden genoempt de
Hertogenbempden, waervan den eenen is geleghen tot Walhorn
voors., ende den anderen tot Astenet op den Last van Jaerlyix
aenden tegenwoordigen Stathouder ende Drossard des Lants van
n Limborch / : aen denwelcken de voors. twee bempden toecoemen
als emolument van offitie : / te contenteren vernoegen tot onser
ontlastinghe, ende sullen deselve naer Deselfs Stadthouders doet ;
oft affstandt blyven loßleber ende vry tot des Coepers profyt om
deselve voor hem ende syne naercoemelingen te moegen genieten
als syn eygen goet ende voorts met de Jacht volgens de Placcarten
daerop gemaeckt, Voeglerie, Vischerie, Recht van Plantagien,
keuren, breucken, ende alle anderen amenden Civile ende Crimi-
nele, Confiscatie van bastaerde goederen met oock gevonden oft
gestraggerde goeden daer man den proprietaris niet aff en weet,
daerinne niet begreepen de confiscatien ter Saecken van oorloge
oft degene partie tegens ons houdende, oft ter cause van Crimen
Laesae/Mayt. (= 'Majestätsbeleidigungen) godelyck oft weer-
lyck, die wy voor ons hebben‘ gereserweert, mitsgaeders alle
Mineralien gelyck oock den Clockslaegh, Beeden, verheff van Lee-
nen, Hergeweyden, ressort, remissen van overjaerighe Delicten,
Legitimatien, alle octroyen soo van Waeter als Wint ende andere
Dyergleycke regalien hierboven met gespecificeert, behalven dat
den voors. Cooper syne Hoiren, erffven ende naercoemelingen oft
actien van hem hebbende in de voors. Bancke van Walhorn, ende
partyen daervan by hun te scheyden ende te demembreren sullen
vermcgen te stellen alle officieren aldaer noodelyck wesende, die
15
Kennisse, Bericht Judicature ende executie sullen hebben van alle
Saecken Criminele ende Civile met des daeran cleeft, hebbende
om deselve Heerlijkheydt ende Banck van Walhorn ten hoochsten
te brengen, daerop doe doen verscheyde proclamatien ende alome
doen placken billetten van voors. vercoepinghe inhoudende secke-
ren Dagh om deselve te doen anden Meestbiedende ende met den
Derden Stockslagh ende voorts alles op de generale Conditien
ende restrictien daervan gedruckt ende gepubliceert in date van
den lesten September Duysen Sesshondert dryen viertigh, dewel-
cke hier oock worden gehouden voor geinsereert, soo ist dat op
heden den elfden deser maent van Meert de voors. Heerlyckheydt
ende Bank van Walhorn met de twee bempden innecoemende
ende rechten als voren verclaert gebleven ist als aenden Meestbie-
dende, ende met de derden Stockslagh aen Derick Teller ten
proffyte van onsen lieven, ende beminden Arnout Diderich Schuyl
voor de Somme van vierentwintigh Duysent ponden ten pryse van
viertigh grooten onser Munte van Vlandere jeder pont, boven de
Somme van Seven en twintig Duysent gelycke ponden by Arnout
Schuyl synen vaeder betaelt t’onsen prouffyte voor de beleeninge
van voors. Heerlyckheydt etc. opt eynde staet wy volght. Des
t’oirconden hebben wy onsen zegel hier aen doen hangen,
Gegeven in onse Stadt van Brüssele den elften dagh van Meerte
int Jaer ons Heeren Duysent ses hondert vier en vyftigh ende van
ons reycken het vier en dertichste ende was geparapheert A Sch
(?), verder onderstondt by den Coninck, myn Heer den Ertzhertog
Stadthouder Gouverneur ende Capitaen general etc. ende was
geteeckend Vereycken, noch stondt Folio verso Les Chef treso-
riers general et Comis des Domaines et Finances du Roi
consentent et accordent etc. ... Date le 4. de may 1654 ende was
geteeckent le Comte d’Isenburg Donnertiers, J.B. Maes, J.
Cockaerts noch stondt onder op heden den 7. May 1654 syn dese
openen brieven van absolute vercoepinghe gesien ende gelesen
geweest ten Burde van syne Mayts. = Reckencaemer in Brabant
etc. ende was geparapheert Parys ... (?) ende geteeckent T.
Tenarte, Legerstondt dit Extract accordeert met syn original quod
attestor, was geteeckent J. Beelen.
Die veränderten Rechtsverhältnisse sollten jedoch ohne Ein-
fluß auf die vertraglichen Bindungen sein, die der Vater des
16
neuen Besitzers der Bank Walhorn mit dem Herrn der Herrlich-
keit Eynatten und Hauset beim Verkauf der Letzteren eingegan-
gen war.
Schon beim Vertragsabschluß im Jahre 1650, hatte die
Familie Amstenrath - Familie von Meersen gewisse nun rechtsver-
bindliche Passagen, die ihre Nachfolge im Erbfall regeln sollten,
aufnehmen lassen.
Wobei der Zusatz ... ”erblich und ewiglich”” auf das miterwor-
bene Waldstück bei Lichtenbusch zu beziehen ist.
Wenige Monate nach dem Verkauf der Bank Walhorn, im
August des Jahres 1654, wurde erneut zwischen der Familie Schuyl
und dem Arnold Huyn von Amstenrath sowie seiner Ehefrau
Anna Maria von Meerssen vor einem Notar eine Vereinbarung
getroffen, die deren Rechte und die Erbfolge als ”Herr und Frau”
der Herrlichkeit Eynatten und Hauset festlegen sollte. Danach
sollten sie ihr Leben lang behalten die Herrlichkeit Eynatten und
Hauset. ... ”’gelyck sy deselve tegenwordigs besitten mit aenstel-
linge van Meyer, Schepenen ende alle andre officieren nodigs
ende gerequiriert tot de Administratie vande hooge, middele ende
lege justicie derselven””.
Für den Fall, daß ihnen ein Sohn geboren würde oder der
eine oder der andere stürbe und der Längstlebende eine neue Ehe
eingehen sollte, aus der ein Sohn hervorgehen würde, so sollten
auch diese ihr Leben lang ”sein und bleiben die Herren von
Eynatten und Hauset”.
Sollten jedoch der derzeitige Herr und seine Ehefrau und die
Söhne sterben, so sah der Vertrag vor, daß die Herrlichkeit
Eynatten und Hauset an den Herrn der Bank Walhorn wieder-
kehrte. Ihren Erben und auch ihren Gläubigern sollte dann eine
Entschädigung von 7000 Gulden Brabanter Währung, nämlich
die Summe, die seiner Zeit für die Belehnung aufgebracht wurde,
ausbezahlt werden.
Zur Bekräftigung und Sicherheit dieses haben sowohl der
Herr von Walhorn und dessen ältester Sohn, der die erbliche
Herrschaft der gesamten Bank Walhorn erhalten und von seiner
| Majestät gekauft, wie auch deren Söhne und Brüder versprochen,
diese Vereinbarungen nicht zu brechen oder gar etwas dagegen zu
unternehmen. Sie versprechen sogar diesen ’”’Contract”’ vor allen
Herren und Gerichten eintragen zu lassen, wo man es verlangen
17
wird. Auch ihrerseits versprechen die Herrschaften der Herrlich-
keit Eynatten und Hauset, nichts zu tun, was dem Inhalt des
Vertrages widerspricht. Alle Beteiligten garantieren dies mit ihrer
Person und ihren Gütern, die sie besitzen oder in deren Besitz sie
kommen sollten. (5)
(Fortsetzung folgt)
Anmerkungen
1) Stadtarchiv Aachen, HS 286
2) Staatsarchiv Lüttich, Gerichtsakten Walhorn, 169
3) G. Loup in "Geschichtliches Eupen”, Bd. 2, S. 5
4) Stadtarchiv Aachen, ungeordnete Akten d. Hochbank Walhorn, ohne AZ.
5) Ebd.
|
18
Notizen um die Hammerbrücke
3 von Leo Homburg
In der ersten Maihälfte 1940 herrschte herrliches Frühjahrs-
wetter. Jeder ging seiner Arbeit nach und hoffte, der Friede werde
nicht gestört. Ich hatte damals schon ein Radiogerät und am 9.
Mai hörte ich, wie Göbbels versprach, er werde die Neutralität
Hollands und Belgiens schützen.
Am nächsten Morgen begann der Westfeldzug. Gegen 5 Uhr
flog die in der Nähe der Fossey gelegene Hammerbrücke mit
einem gewaltigen Explosionsknall in die Luft. Für kurze Zeit
wurde das Dröhnen der in Richtung Belgien fliegenden deutschen
Flugzeuge übertönt.
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Der ”Viaduct über das Geul-Thal” gezeichnet von dem Eisenbahn Ingenieur
Friedrich Witfeld, der den Bau in den Jahren 1840-1843 leitete.
19
Von unserem Hause aus sah ich die Brücke in eine Staubwol-
ke gehüllt. Da unser Vieh nur wenige hundert Meter von dort wei-
dete, ging ich hin, um mich zu überzeugen, daß alles in Ordnung
war. Ich begegnete dem Hergenrather Zollbeamten Stock und
seinem Chef, die beide versuchten, im Schutz der Hecken in
Richtung Belgien zu entkommen. Sie trugen noch Uniform; ich
riet ihnen, es mal in Zivil zu versuchen, das aber lehnten sie ab.
Zwischen Astenet und Lontzen wurden beide gefangen genom-
men.
Ich ging weiter bis zur Brücke. Dort vorbeiziehende deutsche
Soldaten riefen mir zu, in den Trümmern befänden sich noch Le-
bende, ich solle Hilfe holen, sie hätten keine Zeit. Ich kletterte
den Trümmerberg hinauf, hoch über mir hingen die Geleise mit
den Schwellen, unter mir, in einem Trichter, stöhnend und sich
an einen Balken klammernd, lag ein belgischer Soldat. Es war
Marcel Renard aus Seraing. Seine Beine waren zwischen Mauer-
blöcken eingeklemmt. Neben ihm, in einem Gewirr von Balken
und Mauerblöcken wider den stehen gebliebenen rechten Pfeiler
gepreßt, ragte ein mit einem Helm bedeckter Kopf sowie Schul-
ter und Arm eines Toten heraus. Von einem zweiten Toten sah
man Schulter und Arm mit einer Uhr. Zwischen dem Einge-
klemmten und den Toten war kaum Platz zum Stehen.
Da ich allein war und ohne Werkzeug nichts machen konnte,
brachte ich unsere Kühe zum Melken in den Stall, nahm Ham-
mer und Meißel und ging zurück. Auf halbem Wege sah ich einen
belgischen Doppeldecker, der unter Gewehrbeschuß deutscher Sol-
daten (vom Eckersbusch aus) die Brücke umkreiste. Als er ab-
drehte, flog er so tief, daß ich, obschon ich hinter einer Hecke in
Deckung gegangen war, außer seiner Nationalitätskokarde (un-
ten) hinten seitlich die Zahl 122 lesen konnte. Wenig später ist
der Doppeldecker im Walhorner Feld niedergegangen.
Als ich an der Brücke ankam, waren dort schon mehrere
Helfer eingetroffen. Als erster begann der Bauunternehmer
Cornel Bauens von einem der Ziegelsteinblöcke, zwischen denen
Renard eingeklemmt war, Stein um Stein abzuschlagen. Da für
die losgelösten Steine unten kein Platz vorhanden war, es sei
denn, man hätte sie über dem Toten aufgestapelt, ließen andere
einen an Drähten befestigten Soldatenmantel hinunter, mit dem
sie dann die losgelösten Steine seitwärts hochzogen. Neue Helfer
20 A
Se
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Dieser belgische Doppeldecker mußte im Walhorner Feld landen.
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Diese Postkarte, die 1940 gedruckt wurde, zeigt die Brücke vor der Sprengung
(oben) sowie die frei hängenden Schienenstränge (unten)
21
kamen und lösten die ersten ab. Als in Hergenrath die Mittags-
glocke läutete, war der Eingeklemmte frei. Er war die ganze Zeit
über bei Bewußtsein geblieben; nun aber wurde er ohnmächtig,
als der Sanitäter der Hergenrather Feuerwehr, Martin Maeger, ihn
auf eine Tragbahre bettete, um ihn nach Eupen ins Spital bringen
zu lassen. De da BE
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Auf diesem Foto erkennt man den herunterhängenden Arm eines verschütteten
Soldaten (Foto meiner Schwester Maria)
Ein Soldat, der die Sprengung der Brücke unverletzt über-
standen hatte, lief verstört am Hammerhof vorbei und rief immer
wieder : ”’Ils sont tous morts’”’. Später wurde er mit einem Nerven-
zusammenbruch auf der Lontzener Heide aufgegriffen und zu
seinem Kameraden ins Eupener Spital gebracht. Der Name dieses
Soldaten war Chav6e.
In sechsstündiger mühevoller Kleinarbeit war es gelungen,
den eingeklemmten Renard zu befreien. Dabei gefährdeten die
Helfer das eigene Leben und verhielten sich den Toten gegenüber
äußerst pietätvoll. Die beiden Toten hätten auch noch geborgen
"
22
werden können, denn erst am Abend des 13. Mai - es war Pfingst-
montag - brachen der stehen gebliebene Pfeiler und ein Teil des
folgenden Brückenbogens über ihnen zusammen.
PROVINCE DK LIEGE | PROVINZ LÜTTICH
ARRONDISSEMENT DE VERVIERS
BEZIRK VERVIERS IE go rgenrath ne WE nei71946.
ADMINISTRATION COMMUNALE
GEMEINDEVERWALTUNG
HERGENRATH
TELEPHONE HERGENRATH NO 17
Ja SE ERS
Il est certifik& par leu prtoentes jue le nouil
mAZGER, Xartin, ne & „er, enrath, le 12.8.1%94 et 7
domicilie& rue d'Aix-le-Jinpeise 10.18,
infirnicr dipldne de la Jroix louge de Belzique,
dipl. lo. 13.686 - 27.8.1933 - u, le LU uni 1940,
ä 5,30 h. du aatin, orzanise spuntaneg;ent la vcolynnNe |
de volontaires qui s’'est portbe au secours des soidats
belges ensevelis au pont d' "GA. ZBROSn4" d Ser jenrath.
Je ne fut qu'au prix d'efforts aurauunins que vette
colonne parvint a sauver ic g0ldat velze U .LAND. Jelui-
ci, grievenent blesse&, recut les yewiers 30iny par
“artin mA, qui applilyqua des panse: ents ee. anysura
l'’bvacuation du iallıcureux bless8& vers ı'nNöpital
d’Eupen.
öräce a cette initiative tres louabie
le soldat belge fut vauv6 d’une ort certuine, car
quelques heures pluv tard un autre grand pilier (57 u) |
a'8croula, Fecouvrant de sa uasse Unor.ıe i'ue&Ccutoube M
des autres ..niieureux soldats, coura.euau ent victiies |
de leur devoir. . |
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Bescheinigung der Gemeindeverwaltung Hergenrath, - ausgestellt am 11.5.1946 -, |
daß Sanitäter Martin Maeger mit einer Kolonne freiwilliger Helfer dem einge- |
klemmten Soldaten Renard erste Hilfe leistete und ihn so vor dem sicheren Tod |
rettete,
23
In den Morgenstunden des 10. Mai mußte in der Nähe der
Hammerbrücke auch ein deutscher Soldat das Leben lassen. Es
war der 25-jährige Gefreite Walter Elsner aus Duisburg. Als
Fahrer eines Trupps, der das Hergenrather Postamt besetzen soll-
te, bekam er einen Halsschuß, als sein Wagen von belgischen
Gendarmen, die im Straßengraben Deckung genommen hatten,
beschossen wurde. Walter Elsner war sofort tot, er wurde auf dem
Aachener Ehrenfriedhof beigesetzt. Bei der Besetzung Eupen-
Malmedys hatten die Deutschen: keine weiteren Verluste.
oo
Schon kurz nach der Mobilmachung im September 1939 be-
gannen belgische Pioniersoldaten in den mittleren Pfeilern der
Brücke auf 1,30 m Höhe Sprengkammern anzulegen. Nach Fer-
tigstellung derselben sah man - provisorisch zugemauert - die Ein-
füllöffnungen. C
Die Bewachung der Brücke geschah durch Grenzschutzsol-
daten der Kaserne von Henri-Chapelle. Später, als die Kammern
gefüllt waren, wurden ihnen noch einige Pioniersoldaten zugeteilt. %
Als Unterkunft stand eine 25 m vor der Brücke an der rechten
Seite errichtete geräumige Holzbaracke zur Verfügung. Sie war
mit Strom, Telefon und Radio versehen.
Anfang April 1940 begannen belgische Soldaten von der
Brücke diesseits der Göhl in Richtung Hammerweg eine 8 m brei-
te Drahtsperre zwischen Pfählen und kreuz und quer verlaufend
anzulegen. Am 10. Mai waren sie damit bis zum ”Hammer”’ fer-
tig geworden. Von da an hatten sie bis zum Hergenrather Weg
die längs der Göhl stehenden Eichenbäume auf ein Meter Höhe
gefällt, um sie in die Drahtsperre einzubauen. Ein Haufen Sta-
cheldrahtrollen lag noch dafür bereit; schon am 10. Mai wurde
der Haufen kleiner, am 11. war er verschwunden: &
Auf der Brücke am Weiher hatten die Soldaten eine Sperre
errichtet, die bis Donnerstag, den 9. Mai, noch von Fußgängern
passiert werden konnte. Als meine Frau morgens nach Kelmis
zum Markt ging, war die Sperre noch offen; als sie zurückkam,
war sie geschlossen.
Anfang Mai begannen Soldaten unter dem zweiten Brücken-
bogen, links von dem dicken Pfeiler, aus schweren Balken und
Bohlen einen Unterstand zu bauen. Links davon befanden sich
24
zwei Pfeiler ohne Sprengkammern. Zum Zeitpunkt der Spren-
gung, die von den Soldaten selber ausgeführt wurde, befanden
sich alle in dem noch nicht fertigen Unterstand. Hätten sie den-
selben einen Bogen weiter nach rechts gebaut, wären sie alle am
Leben geblieben.
Am Morgen des 11. Mai landete in unserer Wiese ein Fiese-
ler Storch, in dessen Fahrwerk sich Ähren verfangen hatten : ein
Zeichen dafür, daß er. schon einmal auf einem Acker gelandet
war. Ihm war der Treibstoff ausgegangen. Als die zwei Mann
Besatzung wieder abhoben, steuerten sie ihr Flugzeug unter die
hängenden Schienenstränge der Brücke hindurch.
Am Donnerstag, dem 16. Mai, begannen deutsche Pioniere
mit dem Wegräumen der Drahtsperre. Nachdem sie zwei Tage
mehr in der Sonne gelegen als gearbeitet hatten, wurden sie sams-
tags wieder abgezogen. Den bereits abmontierten Draht und
die noch stehende Restsperre übergaben die Deutschen dem
Pächter des Hammerhofes, M. Connotte, zum Besitz. Zu 10 Fr
oder 1 Mark pro laufenden Meter verkaufte derselbe den Sperr-
zaun zum Selbstabmontieren an die umwohnenden Bauern. Ich
kaufte zehn Meter und hatte, als ich mit dem Abmontieren fertig
war, über 4000 m (!) Stacheldraht und dazu noch die Pfähle.
Am Trümmerberg der Brücke, hinter dem sich ein kleiner See
gebildet hatte, wurde es ruhig. Noch immer hingen die Geleise
mit den Schwellen hoch in der Luft. Am 4. Juli kam
aus Richtung Herbesthal ein von einer Lokomotive ge-
schobener Materialzug, der bis in Brückennähe heranfuhr. Von
der Hergenrather Seite geschah dasselbe, während unten vor der 5
Brücke Lastwagen mit Material anfuhren. Von allen Seiten stell-
ten sich Arbeiter ein. Jeder, der seine Arbeit durch die neue
Grenzziehung verloren hatte oder sich sonst um Arbeit bemühte,
wurde auf die Brücke hingewiesen. Wenn er an anderer Stelle
Arbeit fand, konnte er die Brückenbaustelle wieder verlassen. Es
fanden sich oft mehr Arbeiter ein als dringend benötigt wurden.
Sie verdienten als ungelernte Arbeiter 65 Pf, Schreiner und Ein-
schaler 75 Pf, Schlosser und Eisenbieger 80 und Elektriker 82 Pf
je Stunde. Ein Eisenbahnarbeiter mit 2 Kindern verdiente im Juli
1940 rund 180 Reichsmark,
26
lange, miteinander verzahnte Eisenträger mit einer Dampf-
ramme in die Erde getrieben. Das dadurch angezeigte Viereck
wurde für die Betonfüllung tief ausgebaggert. Als die beiden Eck-
pfeiler standen, wurde von zwei Seiten aufeinander zugehend
mit dem Bau begonnen. Am 2. November wurde die neue Brücke
mit mehreren Lokomotiven überprüft und dem Verkehr überge-
ben. Ungefähr 100 m vor der Brücke war eine Weiche für die
Schienenverbindung eingebaut worden. Sie wurde ”’Block Ham-
merbrücke”’ genannt.
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Im Oktober 1940 ging die Brücke der Fertigstellung entgegen. Rechts im Bild der
erbreiterte Bahndamm (Aufnahme meiner Schwester Maria. Reprod. A. Jansen)
An einem gewaltigen Block des dicken linken Pfeilers, den
die Erbauer an der anderen Seite der Göhl im alten Bahndamm
liegen ließen, hatte man den Grundlegungsstein der alten Brücke,
der in einem der mittleren Pfeiler in etwa 1 m Höhe eingefügt
war, sowie den Fertigstellungsstein, der den Abschluß desselben
Pfeilers in der Höhe gebildet hatte, angebracht. Hinzugefügt
hatte man das Datum der Sprengung und des Wiederaufbaues
sowie ein Hakenkreuz. Die beiden genannten Steine hatten die
Arbeiter in den Trümmern wiedergefunden.
27
1944 wurde auch die Hochbrücke fertig. Ich war damals Sol-
dat und habe davon nichts gesehen. Doch im vorletzten Brief, den
ich von meiner Frau erhielt und der vom 1. September datiert
war, stand wörtlich : ”Die zweite Hammerbrücke ist auch jetzt
fertig geworden und ich glaube, daß dies nicht lange dauern wird.”
Und in ihrem letzten Brief vom 5.9.1944, der mich am 8.10 er-
reichte, schrieb sie : ”Züge fahren nur für Soldaten, ohne Ende.”
Beide Brücken wurden am 12.9.1944 um 6.30 Uhr von den Deut-
schen gesprengt, ehe die Amerikaner sie am Mittag des 12. Septem-
ber erreichten.
Auch deutsche Soldaten haben auf der Brücke ihr Leben g‘:-
lassen. Am 22. Mai 1944 um 15.30 Uhr griffen ‚sechs Flugzeuge
den Flakstand an der rechten Seite auf dem Bahndamm an und
beschossen denselben mit Bordkanonen. Sie trafen das Muni-
tionslager der Flakschützen; dasselbe explodierte, wobei es 6
Tote, 3 schwer und 3 leicht Verwundete gab. Dr. Hans Keutgen
und zwei Frauen vom Roten Kreuz leisteten erste Hilde. Mit Un-
terstützung des am ’’Block Hammerbrücke”” diensttuenden M.
Broun wurden die Verwundeten und auch die Toten auf einer
Bahnarbeiterlore zum Bahnhof Hergenrath geschoben. Einer der
Verwundeten starb noch auf dem Transport zum Lazarett ins
Kloster Blumenthal (Bloemendael) bei Vaals.
Als ich Ende 1945 aus der Kriegsgefangenschaft entlassen
wurde, war die Hochbrücke wieder in Betrieb. Die Pfeilerruine
lag noch im Bahndamm, doch die 1940 daran angebrachten Ge-
denksteine und Inschriften waren verschwunden. Man sah deut-
lich, daß sie zerschlagen oder herausgebrochen worden waren.
Die Flachbrücke lag noch bis 1948 zerstört am Boden. Der
mittlere Pfeiler hing nach rechts hinüber. Er wurde beim Wieder-
aufbau mit einem Betonmantel umgeben; darum ist er heute so
mächtig. .
1952 wurde an ihm eine Gedenktafel mit den Namen der
dort am 10. Mai 1940 gefallenen Soldaten angebracht. Hier findet
auch jetzt noch an jedem 10. Mai eine Totenehrung statt. Die
Gedenktafel wurde am 22, Juni 1952 in Anwesenheit von General
Verhaegen als Vertreter des Königs, der Generale Jacques, Beau-
pain und Antoine, des Obersten Tassen, des Provinzgouverneurs
Leclercq, des Bezirkskommissars Bissot, des beigeordneten Kom-
missars Hoen, der hohen Geistlichkeit, der Bürgermeister von
(Nach Augenzeugenberichten fand die 2. Sprengung nicht am
12. 9. morgens, — Angaben der Bahn —, sondern am 11. 9. abends
um 18 Uhr statt. Der Verfasser) %
28 )
Ende 1945 war die Hochbrücke wieder in Betrieb. Die Flachbrücke wurde erst
1948 wieder aufgebaut.
Hergenrath und Umgebung, der Vereine und patriotischen Ver-
einigungen, des Abgeordneten Kofferschläger, vieler weiteren
Persönlichkeiten und einer großen Volksmenge enthüllt. Dem
1940 geretteten Soldaten Renard kam die Ehre zu, das schlichte
Denkmal zu enthüllen, während die Truppe eine Ehrensalve feu-
erte.
Die Toten der Hammerbrücke waren :
1. Joseph Jean Victor PIROTTE, Unterleutnant des 23. Pionier-
bataillons, geb. am 30.7.1913 in Vouroux-les-Liers, wohnhaft in
Rocour, ledig. +
2. Korporal TAVERNIER wohnhaft in Ougree.
3. Albert LECLERCQ,
wohnhaft in Xhendelesse (Herve), ledig.
4. Robert BAERT, Berufssoldat des 1. Radfahrerregiments, geb.
18.2.1921 in Mouscron, dortselbst wohnhaft, ledig.
5. Seraphin Justin BOURGE, 1. Radfahrerregiment, geb.
4.7.1916 in Anderlecht wohnhaft in Laeken, verheiratet.
6. Jacques Georges Pelagie DEMORTEEL, 1. Radfahrerregi-
ment, geb. 14.9.1919 in Laeken, wohnhaft in Anderlecht, ledig.
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Die Gedenktafel an der Hammerbrücke
7. Theo Emile Ghislain 1 ANNOY, 1. Radfahrerregiment, geb.
7.12.1918 in Han-sur-Lesse, dortselbst wohnhaft, ledig, Berufs-
soldat.
8. Joseph Niessen, 1. Radfahrerregiment, wohnhaft in Welken-
raedt, ledig.
Der gerettete Marcel Renard hat seine Erlebnisse vom 10.
Mai’ 1940 handschriftlich in einem vom 4. Juni 1946 datierten
Bericht niedergeschrieben. Wir bringen abschließend diesen Be-
richt und einen Artikel des Grenz-Echo vom 12. März 1947, der
sich auf ”’’La Wallonie”” und eine in dieser Zeitung gegebene Schil-
derung der Vorfälle durch denselben Marcel Renard stützt.
31
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32
Das "”Grenz-Echo”” schrieb :
Altiwoch, den 11, März 1947,
(8 BEE IANLEETER ZUGELASSENE EN
a 6 = ; ;
Wie der Geulviadukt gesprengt wurde...
Einer der beiden Uberlekenden von Hergenrath erzählt
hen "mit erster Mwe in das, Wachlokal, wo
das Telephon läutet, Befehl zum Scharfmachen
der Minen, Leutnant Piro:te und . Korporal
R Tavernier machen sich an der kleinen Zinkdo-
se zu schaffen, welche die Zünder enthält.
Marcel Renard aus Seraing war am 3. Ja-| Um 4.45 Uhr kommt ein Flugzeug in nur 20
nuar 1938 18 '/z Jahre alt, als er an diesem | Meter Höhe über die Brücke weg. Aus dem
Tage seinen Dienst beim Grenzechutz antrat. | Telephon schrillt eine schneidende Stimme: Das
Er hatte noch 584 Tage vor sich. Der Grenz: | Feuer eröffnen! Mein Kamerad Bourge zeigt
‚posten von Heide zwischen Henri-Chapelle und [eine unerschüt!erliche Ruhe, ich biete ihm el-
Weilkenraedt hatte eine besondere Aufgabe zu |ne Zigaretle an und zauche selber. Der Leut-
erfüllen: den 52 Meter hohen und 400 Meter [nant nimmt aus! dem Geheimschrank einen ver-
jangen Viadukt über die Geul zu sprengen, |schlossenen Umschlag und reißt ihn auf, auf
über den die Bahnstrecke Ostende-Köln „führt. | dem weißen Bogen darin steht nur das einzige
Es waren 1500 Kilo Dynamit in die Pfeiler ein |Wort: Adolf, Die Offiziere tauschen das Pa“
gelassen worden, die nach der Berechnung 3 |rolewort aus. Nach der Vorschrift sollen ‚wir
Bogen zum Einsturz bringen sollten, Die Spreng_ [uns jetzt in den noch unvollendeten Unter-
mannschaft sollte zwischen dem 8. und 9. Pfei- | stand zwischen dem 8. und 9. Pfeiler begeben:
der Deckung finden, Die für dort geplante Dek- | Plötzlich empfangen wir eine Salve der Stu-
kung war aber am 10. Mai moch nicht fertig. |kas: die Feuertaufe. Chavee versichert uns,
gebaut, trotzdem mußte der Befehl ausgeführt | daß die Decke des Unterstandes nachgeben wer”
werden, kosie er, was er wolle. Die Spren- |de, falls der Viadukt auffliegt, Der Leutnant
gung blockierte auf. mehrere Monate die wich- [und der Korporal stehen hınter der Schulz
4igste von Deutschland zum Westen hin füh- |mauer, welche das Hinausfliegen der Zünd-
rende Bahnstrecke: 4 SE ladung bei der Explosion verhindern soll.
In der Nacht vom 9. zum 10. May 1940 hiel- | Mit'lerweile ist es 5 Uhr geworden, und je-
ten 8 Grenzschutztadfahrer von Henri-Chapelle | der sucht sich eine Stelle, die ihm Schutz zu
„die Wache am Viadukt unter dem Befehl des | bieten verspricht. Wir haben nur 2 Lagen
Unterleutnants Joseph Pirotte aus Rocour. Rundhölzer von 20 cm Durchmesser über uns.
Der Wachthabende, Korporal Marcel Taver- |Ich werfe einen schnellen Blick um mich. De
nier, eaß in der Bretterbude, die als Wachlo- |Moortel und Nyssen haben ihre Zeigefinger
kal diente und schnitzte an einem weichen Stein [in die Ohren gesteckt. Baert und die Ordon-
herum, um einen Aschenbecher daraus zu ma- |nanz Leclercq eind dicht bei mir; Bourge hält
chen. Der alte Wecker hinter ihm stand auf [sich in der Nähe der Schutzmauer, Lannoy
halb drei. Vier Mann des Postens echliefen, | liegt links von mir. Der Leutnant und der Kor-
die übrigen vier standen auf Posten. Der Sol- |poral kommen zu uns und knien eich nieder.
«dat Chaves träumt‘ dabei von seinen vier Ta- | Um 5 Uhr läßt die erste Explosion den ganzen
‚gen Urlaub, die am nächsten Tag beginnen sol- | Viadukt erzittern, um uns ziehen blaue Schwa-
Jen und, fühlt sich glücklich. den. Die zweite Explosion spaltet unsere Decke
;7 Um Vierie] nach vier Uhr hört man einen | völlig auf, Mauerbrocken von mehreren Kubik-
Flugzeugmotgr.. brummen. Die Unterhaltung | metern schlagen durch die Rundhölzer auf uns
hört auf. Hinten, auf die holländische: Grenze |hinunter ...
‘zu, 'eieht man ein ganzes Geschwader, Mein | von dem Leutnant, dem Korporal und der
Kamerad Lannoy sieht 40 Apparate, ich sl° | Ordonnanz ist nichts mehr zu sehen. Ich habe
ber sehe noch weitere 30 folgen. mich gegen den 9. Pfeiler gepreßt und halte den
„Wir versammeln uns alle vor dem Wachlo- |Kopf von Lannoy zwischen der Mauer und mir,
Kal. ‚Während der Leutnant seine Nachttoilette [als die dritte Explosion aufflieg‘. Bourge, der
in Ordnung bring‘, gibt. er einige kurze Be- |seine Hand auf meiner Schulter hält, wird völlig
fehle. ® verschüttet, doch höre ich seine Uhr unter den
Um 4.25 Uhr {st es heller Tag geworden, | Trümmern weiterticken. Es sind genau 5,02 Uhr.
der Himmel sst ganz blau, Ich rufe den Leut-| Das ist aller! — Renard konnte nach 5 bis 6
nant in Welkenraedt telephonisch an und er" |Stunden befreit werden, aber. er erlitt“
statte hm Meldung. Inzwischen kommen be- |vier Knochenbrüche, Die linke große Zehe
reits andere Flieger auf uns zu, gerade über |mußte ihm amputiert werden, und er behielt
den Viaduk: hinweg. Es ist genau 4.35 Uhr. [eine Verstümmelung des Beines bei, die ıhm
Der Kriegszuetand ist gegeben: Verletzung‘des |eine weitere Ausübung seines früheren Berufes
belgischen Territoriums, Einige Kameraden ge- ‘unmöglich macht,
33
Hergenrather Schulchronik
von Alfred Bertha
1. Die Anfänge des Schulwesens bis zur preußischen Zeit
Von den Ortschaften der ehemaligen Bank Walhorn hatte
Walhorn selber wohl als erster einen geregelten Schulunterricht
anzubieten, sind doch schon 1625 zwei Lehrer dortselbst urkund-
lich belegt. Arnold Schuyl, Besitzer des Schlosses Crapoel, gab
diesem Unterrichtswesen 1625 durch eine testamentarische Schul-
stiftung eine gesicherte finanzielle Grundlage. (1)
Auch die anderen Bankorte konnten, wenn sie dies wünsch-
ten, ihre Kinder in die Walhorner Schule schicken. Das wird
jedoch nur in wenigen Fällen möglich gewesen sein. Man denke
an die erheblichen Entfernungen und die ehemals recht schwieri-
gen Wegeverhältnisse zwischen Walhorn und den Orten Raeren,
Eynatten, Hauset und Hergenrath.
Für die Hergenrather Schulkinder stellte die Göhl, die im
Winter und bei starken Regenfällen zu einem reißenden Wild-
bach anschwoll, ein fast unüberwindliches Hindernis dar.
Den frühesten bisher bekannten Hinweis auf eine Schule in
Hergenrath finden wir im Protokoll einer Einwohnerversammlung
vom 12. Dezember 1765. Der Pfarrer hatte am davorgehenden
Sonntag in der Kirche die Gemeinde darum gebeten, ”dem
Küster Peter Bart als Schulmeister etwas Brand zu stellen für
die Schule’’, Förster Peter Mager hatte am 8. Dezember auf dem
Friedhof die Versammlung durch Anschlag einberufen und so
kam man im Hause des Hubert Laschet zusammen und beriet
über die Angelegenheit. Die Versammlung beschloß,’”” ungezwun-
gen und ohne dadurch einen Präzedenzfall zu schaffen’, dem
Küster vom Einnehmer die Summe von achtzehn Schillingen
auszahlen zu lassen für Brand ”unter der Bedingung, daß er
einen guten und regelmäßigen Schulunterricht hält, wie es in
(1) S. Viktor Gielen, Muütterpfarre und Hochbank Walhorn, S. 130.
34
seinem Anstellungsvertrag als Küster vorgesehen ist, und daß er
selbst morgens von acht bis elf und nachmittags von eins bis vier
in der Schule anwesend ist”. <
Weiter heißt es, die Gemeinde wolle dem Küster Peter Bart
diese 18 Schillinge ”’Feuergeld’’ jährlich solange zahlen, wie der
Küster ”einen guten Schulunterricht geben und dazu fähig sein
wird”. Der Küster könne, wenn er selbst nicht mehr fähig sei,
den Unterricht zu geben, einen anderen ”’capablen’” Schullehrer
stellen, der dann den Unterricht zu den gleichen Bedingungen.
geben müsse.
Die Vereinbarung trägt die Unterschriften von Anton Bonni,
Jakob Foberjan (beide Bürgermeister), Ferdinandus de Ringler,
Gerard Lambers, P. Bart (Küster), Hubert Laschet, Labert
Raermecker, Peeter Hennen, Albertus Bounie, Gillis Foberjan,
Mattis Schreiber, Winand Paulis (d. Ältere), Henric Stickelman
: und Henric Schreul. Pfarrer L. Smitz verfaßte das Protokoll der
Versammlung und bezeugte die Echtheit der Unterschriften.
Der Küster Peter Bart scheint bis 1759 die Schullehrerstelle
versehen zu haben. Im Juli 1759 schloß die Gemeinde einen
Anstellungsvertrag mit dem Kaplan Martin Schmitz ab. In
diesem Vertrag heißt es, der Kaplan erhalte wie vordem der
Küster fünf Stüber monatlich für jedes Kind, das lesen und sechs
Stüber für jedes Kind, das zusätzlich schreiben lernen wolle.
Außerdem das ”’Feuergeld’” und ein nicht näher ausgewiesenes
Einkommen aus einer Schulstiftung.
Die Gemeinde verpflichtete sich auch, dem Kaplan bis Mai
1760 eine freie Wohnung zu stellen. Schulkaplan Schmitz blieb in
Hergenrath bis Mai 1763. Er verließ unser Dorf, weil die
Gemeinde einer Erhöhung seines Gehaltes von 100 auf 140
Gulden nicht zustimmen wollte. Aus einer sehr viel später, und
zwar im März 1775 vorgelegten Forderung nach ”Feuergeld” |
sehen wir, daß Kaplan M. Schmitz ein Oheim des Peter Moresnet |
(Hergenrath) war und im Hause seines Neffen Unterricht gab. |
Anfang 1764 war durch den Tod des Küsters Bart die |
Küsterstelle in Hergenrath erledigt. Unter den durch die Gemeinde
mit dem Küsteramt verbundenen Aufgaben heißt es auch, der
Küster sei gehalten, Schule zu halten von St. Andreas-Tag bis |
Ostern eines jeden Jahres. Von den Begüterten solle er pro Kind |
und Monat 5 Stüber an Schulgeld für Lese- und 6 Stüber
35
für Schreibunterricht erhalten. Die armen Kinder müsse er ”um
Gottes Willen” unterrichten.
Auf Vorschlag des Pfarrers wurden die Söhne des verstor-
benen Küsters, Lambert und Peter Baert*, mit dem Küsteramt
betraut. Aus dem Protokoll einer Bürgerversammlung vom 15.
Dezember 1771 ersehen wir, daß Peter Baert als Küster und
Schullehrer fungiert. Seit einigen Jahren habe er, so heißt es dort,
kein ”Feuergeld’” mehr erhalten und deshalb den Unterricht
nicht regelmäßig geben können. Dem will die Gemeinde in
Zukunft vorbeugen. Der Küster soll von Allerheiligen bis zum 15.
April Schule halten und aus dem Verkauf von Holz jährlich neun
Gulden ”Feuergeld” erhalten. Das Schulgeld belief sich weiterhin
auf fünf bzw. sechs Stüber pro Kind und Monat.
Am 3. August 1777 waren die Bürger wieder versammelt im
Hause des Bürgermeisters Jacobus Fober. Auf der Tagesordnung
stand die Wahl eines Küsters, da, wie es heißt, ”’die Gemeinde
seit einigen Jahren ohne Küster ist’. Peter Baert wird als ”’abge-
standener”” Küster bezeichnet. (Abgestanden=gewesen). Der
”Kaplan und Schulmeister” Beckers erklärte sich bereit, die Küs-
terfunktionen auszuüben, doch der Pfarrer van Weertz war dage-
gen, was die Gemeinde dazu bewog, drei Wochen später eine
neue Versammlung einzuberufen. Diesmal setzte sich die Ge-
meinde über den Willen des Pfarrers hinweg und betraute Hein-
rich Beckers mit dem Küsteramt.
Wann Kaplan Beckers Hergenrath verließ, ist nicht belegt,
doch muß dies vor 1780 gewesen sein.
Die Bedingungen, zu denen der nächste Lehrer angestellt
wurde (-es war der aus Hergenrath stammende Theologiestudent
Joh. Hennen-) waren dieselben wie bei seinen Vorgängern. Der
Pfarrer und die Gemeinde beschlossen,” daß der Herr Hennen
gehörig Schule wird halten können” und versprachen, ”’demsel-
ben das zu überlassen, was für die Schule gestiftet ist, sowie neun
Gulden Feuergeld zu zahlen. Von jedem Kind, das lesen und
schreiben lernt, soll er pro Monat sechs Mark bekommen, und
von denjenigen, die blos lesen lernen, fünf Mark. Die Armen muß
er, wohl verstanden, um Gottes Willen unterrichten.”
(*) Für diesen Familiennamen finden sich die Schreibweisen Bart, Barth, Baert
und Baerth.
36
Pastor von Weertz fügte handschriftlich hinzu : ”’Der Pastor
stimmt von Herzen zu, daß endlich durch den Herrn Hennen ein
guter Schulunterricht gegeben wird.”
Nun, Heinrich Hennen wurde bald darauf Kaplan und dann
Pfarrer von Hergenrath. Übernahm der Küster nun wieder die
Schule? Wir wissen es nicht. Der Anstellungsvertrag des Küsters
Ferdinand Barth vom 29. Juni 1789 beinhaltet auch, daß der
Küster ”Schule hält’ von St. Andreas bis Pfingsten sowie immer
dann, wenn in der Schule zwölf Kinder anwesend sind”.
In der Franzosenzeit wurde auch Wert auf einen geregelten
Schulunterricht gelegt. Im Gemeindebüdget von 1804-05 ist ein
Posten von 60 Fr für das Gehalt des Lehrers eingesetzt. (Zum
Vergleich : der Gemeindesekretär verdiente 360 Fr). Wohl hatte
der Lehrer freie Wohnung. Im Büdget des Rechnungsjahres 1807
sind 100 Fr für den Lehrer vorgesehen. Als Lehrer fungierte 1808
Winand Nicolas Paulis. Bürgermeister von Lasaulx schreibt in
seiner 1826 begonnenen Gemeindechronik, nach der durch die
Franzosen durchgeführten Priesterverfolgung sei Johan Joseph
Dietgens Lehrer in Hergenrath gewesen. Diese Angaben lassen
sich leider nicht nachprüfen.
2. Entwicklung der Hergenrather Volksschule von 1815-1920
Zu Beginn der preußischen Verwaltung (1815) waren die
Schulverhältnisse in Hergenrath arg zerrüttet.
Im November 1817 lesen wir in einem Bericht des Hergen-
rather Bürgermeisters Schrijnmecker an den Landrat zu Eupen,
es sei notorisch bekannt, daß wohl keine Gemeinde des Kreises
Eupen so dürftig und unvermögend sei wie Hergenrath und in
gleichem Maße einer staatlichen Unterstützung im Schulwesen
bedürfe. Beinahe alle Gemeinden, so der Bürgermeister, seien mit
Schulhäusern und mit mehr oder weniger Mitteln zur Besoldung
eines Lehrers versehen. Die Hergenrather Kinder könnten von der
Walhorner Schulstiftung profitieren, doch ”unsere Jugend hat
dieselbe wegen der Entlegenheit dieses Orts und besonders bei
Winterzeiten wegen das Gewässer, für Kinder unzugänglichen
Wegen, schier niemahlen benutzen können. Daher ist sogar im
Anfang der französischen Regierung mehrmahlen die Errichtung
37
eines Schulhauses in hiesiger Gemeinde zur Sprache gekommen,
aber auch immer wegen mangelnden Mitteln, ohne Erreichung
seines Zweckes, zurückgestellt worden, aus deren Folgerungen
unter unsere Jugend eine solche finstere Ignorance und Unwissen-
heit entstanden, daß der größte Teil, um nicht alle zu sagen,
unfähig geworden sind, ihre eigene, mehr oder weniger bedeuten-
de Geschäfte vorzustehen, viel weniger dem Staate oder der
Gemeinde einige nützliche Dienste zu leisten, auch dieses bevor-
stehende Übel zum Nachteil des Staates und Gemeindewesens
überhand nehmen wird, falls solches nicht mit Nachdruck
abgeholfen wird.”
Die Gemeinde bat den Landrat, er möge bei der Regierung
in Aachen für sie intervenieren und eine Beihilfe von 600 Talern
zur Erbauung einer neuen Schule erwirken. Den Mehrbetrag des
Kostenaufwandes wollte die Gemeinde durch freiwillige Beiträge,
”Corveyen” (Hand- und Spanndienste) etc. aufbringen.
Der Verwaltungsbericht vom Dezember 1817 enthält einige
weitere interessante Details zum Schulwesen. Das Schulhaus, so
schreibt der Bürgermeister, sei ”’in einem finsteren, sumpfigen
Orte gelegen” und könne kaum als solches gebraucht werden.
Der Lehrer bewohne dieses Haus in Pacht. Die Mittel zur
Erbauung eines neuen Schulhauses seien aber ”’weder vorhanden
noch wegen dürftiger Umstände aufzubringen”.
Immer wieder klagt der Bürgermeister in den folgenden
Monaten über den zerrütteten Zustand des Schulwesens in seiner
Gemeinde und die Aussichtslosigkeit einer Verbesserung dessel-
ben, wenn nicht die Regierung großzügig Hilfe anbiete. Er
verspricht, wenn eine solche Unterstützung gewährt werde,
"würden wir gewiß die Hand mit ans Werk legen und mit nichten
eine solche Wohltat als müssige Zuschauer unbeachtet lassen.”
Im Dezember 1818 kann der Bürgermeister melden, die
getanen Anstrengungen hätten dazu geführt, daß nun mehrere
Kinder die Gemeinde-Elementarschule besuchten, ”’wodurch die-
selben, wenigstens, wo nicht vollkommen, so doch einigen Begriff
der deutschen Sprache erlernen.’” Im darauffolgenden Monat
besuchten schon 19 Jungen und 6 Mädchen die öffentliche
Gemeindeschule. 7 Jungen und 6 Mädchen besuchten eine
geduldete Privatschule.
38
Es war nicht immer Bildungsfeindlichkeit, die die Eltern |
davor zurückhielt, ihre Kinder der Schule anzuvertrauen. Oft-
mals fehlten den Eltern die Mittel, das Schulgeld zu bezahlen. Im
Mai 1819 kann der Bürgermeister stolz darauf hinweisen, daß es
ihm gelungen sei, den Lehrer dazu zu bringen, auch die Kinder
unvermögender Eltern von der Straße weg in die Schule zu |
nehmen. Allenfalls würden diese Kinder zum Schulbesuch ge-
zwungen, um so doch wenigstens ihren Namen schreiben zu
lernen. Der Bürgermeister hatte jedoch dem Lehrer eine Besol-
dungszulage versprechen müssen. |
Der Lehrer Joh. Jos. Dietgens war ”’ein alter und abgenutzter
Mann”, den der Bürgermeister gerne durch einen jüngeren
ersetzt hätte, wenn der Lehrer ”’dadurch nicht Gefahr liefe am
Bettelstock zu geraten’’”. Dietgens starb am 14. Dezember 1819
im Alter von 72 Jahren, was die Lage des Schulwesens vollends
zerrüttete. Es meldeten sich mehrere Kandidaten, die freie Stelle
einzunehmen, doch ”wenn dieselben in Erfahr der allhier vor-
handenen schwachen Besoldung kommen, kehren dieselben ohne
sich weiter zu empfehlen zurück.”
Unter den Kandidaten war jedoch auch ”ein junger Mann
ledigen Standes von ungefähr 32 Jahren, Herr Sittart, genannt,
aus Aachen gebürtig, welcher der Aussage unseres Herrn Pfarrers
zufolge genugsame Fähigkeiten besäße’’. Einem Amtsantritt des
Herrn Sittart stellten sich jedoch viele materielle Hindernisse in
den Weg. Es fehlte der Gemeinde an Schreibtischen, Bänken,
einem Sessel für den Lehrer, Heizmaterial und sogar einem Ofen.
Zur Anschaffung all dieser Gegenstände waren jedoch keine |
Mittel vorhanden.
Dennoch kam man mit dem jungen Lehrer zu einer vorläu-
figen Übereinkunft, weicher 8 Monate später der hiernächst |
wiedergegebene Anstellungsvertrag folgte.
Im ”’Dienst-Contract zwischen dem Schulvorstand und Ge-
meinderath zu Hergenraed im Landkreis Eupen und ihrem
Schullehrer Herrn Peter Alexander Sittart”” vom 12. Oktober 1820
heißt es in der Präambel, daß besagter Lehrer sich bei einem in
Aachen stattgehabten ’’Lehr-Coursus’”” hervorgetan habe und laut
Zeugnis ein fähiger Schullehrer sei. Sittart war nach Prüfung
durch den Schulkommissar, Hw. Vincken, am 1. Februar 1820 ad
interim angestellt worden. Vincken hatte dem Kandidaten be- |
39
scheinigt, daß er in ”’der neuen Methode noch nicht vollkommen
fähig sei”, daß er aber ”’bald ein bequemer Schullehrer”” sein
werde,
In Artikel I des genannten Kontraktes heißt es :
ӆbernimmt der obbenannte Herr Schullehrer die hiesige Ele-
mentarschule unter der Verpflichtung, den schulbesuchenden
Kindern nach der neuen Methode von morgens neun bis mittags
zwölfe und nachmittags von ein bis vier Uhr täglich Unterricht zu
ertheilen”.
Eine Ausnahme bildete der Donnerstagnachmittag, der der
Erholung des Lehrers und dem Spiel der Kinder vorbehalten
blieb. e
Artikel II
”Verspricht derselbe, insofern es die Geistesgaben der Kin-
der gestatten, sie so weit zu unterrichten, daß sie flüssig lesen,
schön und recht schreiben, kleine Aufsätzen aufstellen und
wenigstens die vier Species im Rechnen verstehen.’
In Artikel drei verpflichtet sich der Schulvorstand dem
Lehrer freie Wohnung, einen Garten und Obstgarten zur Verfü-
gung zu stellen, sowie Schulgeld zu erheben. Dieses solle für die
Schulanfänger nicht mehr als zehn Aachener Mark betragen. Für
die Kinder jedoch, die Unterricht im Schreiben und Rechnen
erhalten, beträgt das Schulgeld fünfzehn Mark. (Letztere Zahl ist
ohne Gewähr, da.das Dokument durch Feuchtigkeit z.T. unleser-
lich geworden ist.)
Artikel IV
”Verbindet sich der Schulvorstand, durch milde Beiträgen,
das Schulgeld der unvermögenden Kinder, zu deren Unterrichts
Ertheilung der Schullehrer ebenfalls verbindlich ist, die Hälfte
des Schulgeldes zu entrichten; hat deswegen der Lehrer dem
Schulvorstand ein monatliches Verzeichnis der zahlungsunfähigen
Kinder zur Untersuchung einzureichen.” (Sic).
Artikel V
”Verbindet sich der Schulvorstand, dem Lehrer zur Ein-
heitzung des Schulzimmers oder Schulzimmern jährlich eine
Fuhre Kohlen von ungefähr sieben oder acht Thaler im Werthe,
mit ungefehr Anfange November zu verschaffen und zukommen
zu lassen”.
40
Der Artikel sechs bezieht sich auf das Küsteramt, das Sittart |
gleichzeitig übernimmt. Dafür bekommt er 21 Thaler jährlich
sowie den Nießbrauch einer Graswiese ”’von zwei Magdebourger
Morgen” und die eines ”Wäldleins von einer ungefehren gleichen
Größe”. Er muß läuten und dem ”zeitlichen’” Pfarrer zu Dienst
sein.
In Artikel sieben wird festgelegt, daß das Dienstverhältnis nach
dreimonatiger Kündigung gelöst werden kann.
Das von den beiden Parteien unterzeichnete Dokument ging
an den Landrat von Scheibler, der es an die Königliche Regie-
rung in Aachen weiterleitete. Letztere hatte gegen den Kontrakt
keine Bedenken, nur bestimmte sie, daß das Schulgeld einheitlich
auf zwölf Mark Aachener Währung festgesetzt werden müsse.
Aus dem Bericht des Bürgermeisters an den Landrat vom
Februar 1820 geht hervor, daß die Gemeinde dem Lehrer Sittart
eine Gehaltszulage von 31 Talern, 12 Silbergroschen versprechen
mußte, ”’ohne welche derselbe die Stelle anzutreten weigerte.”
Die Gemeinde hatte sich in den Monaten, die der Vertrags-
schließung vorausgingen, von den Qualitäten ihres Lehrers über-
zeugen können. Schon nach dreiwöchiger Tätigkeit in Hergenrath
schreibt der Bürgermeister über den Lehrer, dieser habe sein Amt
zur "völligen Zufriedenheit der Einwöhner fortgesetzt.”
Die Einrichtung eines Schulraumes mit den nötigen Utensi-
lien und Sitzgelegenheiten wurde noch im Februar 1820 vorge-
nommen. Der Bürgermeister ließ ”einen Schreibtisch von 11 Fuß
Länge, zwei Sitzbänke von gleicher Länge, und zwei andere
jegliche von 5 Fuß Länge” herstellen und dem Lehrer zustellen.
Die Schülerzahl betrug zu Beginn von Sittarts Amtszeit in
Hergenrath 25, und zwar 13 Knaben und 12 Mädchen, welche
der Lehrer in der deutschen Sprache, im Lesen und Schreiben
unterrichtete. Außerdem besuchten im Februar 1820 16 Erwach-
sene Personen männlichen Geschlechts die Abendschule. ”An
diese gibt er ebenfalls in der deutschen Sprache, mit welcher
derselbe gut bekannt zu sein scheint, so wie auch in Arithmetica
Unterricht.”
Lehrer Sittart war auch imstande, auf Wunsch Latein- und
Französischunterricht zu erteilen.
|
41
Da die Gemeinde falls notwendig einen Teil des Schulgeldes
trug, gingen nun auch die ärmeren und unvermögenden Kinder
zur Schule, ”so daß sich gegenwärtig keine armen Kinder wie
vorhin auf der Straße, die Vorbeigehenden aushöhnend, befin-
den’. Dem Staate wurden so ”’statt unnütze und überlästige
Bettler nützliche und getreue Untertanen erzogen”,
Schon nach 3-monatigem Wirken in Hergenrath hatte Lehrer
Sittart das Schulwesen so vollständig erneuert, daß diese Ort-
schaft sich rühmen konnte, die beste Elementarschule der ländli-
chen Gemeinden des Kreises Eupen zu besitzen. Der Lehrer
"welcher nach Aussage vieler Sachkundiger viele Wissenschaften
besitzt, bezeigt großen Eifer zur Zufriedenheit des ganzen Dor-
fees”,
Im Juli 1820 nahm Sittart an einem Lehrerkursus in Aachen
teil, wo er sich derart hervortat, daß er zur Anstellung für ein
Jahr als fähig erkannt wurde. Die Gemeinde war denn auch sofort
bereit, ”’dies ohne Anstand zu bewirken”.
Nicht nur das Schulwesen, auch der Lehrer selber wandelte
sich innerhalb kurzer Zeit. ”Wie er aus Burtscheid, seinem
Geburtsort hierher kam”, so schreibt der Bürgermeister, ”’war er
kränklich, hatte auch außerdem ein sehr andächtig eingezogenes,
mehr geistliches als weltliches Wesen, ist aber seit seines Hier-
seins an seine Gesundheit gebessert, hat das geistliche Gesicht
gänzlich abgelegt und außerdem das zweite Geschlecht im
Grunde kennengelernt, so daß er gegenwärtig sich zu heiraten
entschlossen, was ich umso lieber sehe, als ich ein tätiger
Geheirateten die andächtige geistliche Gesichter weit vorziehe.””
Schulinspektor Vincken, der am 10. August 1820 der Her-
genrather Schule einen Besuch abstattete, ”’äußerte seine Zufrie-
denheit mit dem Bedenken, daß er in allen ländlichen Gemeinden
des Kreises Eupen keinc dergleichen angetroffen und für die beste
ansähe”,
Die Schülerzahl stieg rasch an und schon im Oktober 1820
faßte der einzige Raum die Lernwilligen nicht mehr. Mit der
Hergenrather Schule ging es stetig aufwärts und im Juni 1821
konnte Bürgermeister Schrijnmecker dem Landrat berichten, im
Kirchen- und Schulwesen gebe es nichts zu bemerken, es sei denn
42
"allein den Umstand, daß unser Lehrer solchen Eifer und
Tätigkeit in seine Verrichtung erzeigt, daß auch die Einwöhner |
der benachbarten Dörfer als Astenet und Kelmis ihre Kinder
haufenweise hierhin zum Unterricht schicken, welches gewiß
sowohl für den Schullehrer als für die Einwöhner nichts anderes
als schmeichelhaft ist”.
Über Peter Alexander Sittart heißt es in einem Bericht des
Jahres 1826, seine Aufführung sei gut, er besuche regelmäßig den
Lehrkursus und es bedrückten ihn schwere Nahrungssorgen, da
seine Familie sich alljährlich vermehre. Der Bürgermeister bat die
Regierung um einen Zuschuß für den jungen Lehrer, was jedoch
in jenem Jahre abgelehnt wurde.
Zu Sittarts Zeiten war das Schulgebäude in einem sehr
schlechten Zustand. Wo das Schullokal vor der preußischen Zeit
sich befunden hat, läßt sich nicht mehr sagen. Die mündliche
Überlieferung weiß heute nur noch von der Schule im ”’Ponssen-
winkel” zu berichten. Von der Kirche, am heutigen Friedhof
gelegen, führte ein Wiesenpfad, der in den Königshof mündete,
zur Schule. Diese muß etwa auf halbem Wege zwischen Altenber-
ger Straße (”Gut an der alten Kirche”) und dem Königshof
gelegen haben. Das Ponssen- bzw. Punzenhäuschen hatte die
Gemeinde 1825 von den Erben Berners erworben.
1827 schreibt der Bürgermeister, es müßte Platz für 130
Kinder sein. ”Da- mehrere Kinder aber bei den Fabriken
arbeiten, so beabsichtigen wir, für diese eine Sonntagsschule
einzurichten, wodurch dann die Zahl der Kinder geteilt würde,
und so wird man sich wohl behelfen müssen, bis Zeit und
Umstände es erlauben, ein größeres Lokal einzurichten, was wohl
aber schwer halten wird, da es ohne Bauen nicht gehen kann.”
1829 sind 148 schulpflichtige Kinder registriert; sie werden
unterteilt in zahlungsfähige (zum halben oder vollen Satz) und in
arme Kinder. 1836 zählt man 129 zahlungsfähige und 48 arme
schulbesuchende Kinder.
43
Die Kosten für Reinigung und Heizung der Schulzimmer
mußten von den schulbesuchenden Kindern aufgebracht werden
und betrugen für die 6 Wintermonate soviel wie der einmonatli-
che Betrag des Schulgeldes. (Verordnung der Kgl. Reg. zu
Aachen v. 31. Jan. 1827).
Peter Alexander Sittart wurde 1831 ”’der Dienst aufgekün-
digt”; aus welchem Grunde, ist unbekannt. Er übernahm eine
Lehrerstelle in Forst bei Aachen. Nach seinem Weggang wurde
im November 1831 der aus Konzen stammende Peter Wilhelm
Schmitz als Lehrer hier angestellt. Er wirkte in Hergenrath bis
zum 21. Dezember 1842 und starb hier am 29. April 1843 ”nach
12-jähriger allseitig anerkannter tüchtiger Wirksamkeit im Alter
von 43 Jahren”, wie es in der Chronik heißt.
Über die Raumnot hatte von Lasaulx schon 1826 geklagt.
Ein beredtes Zeugnis der schwierigen räumlichen Verhältnisse
bietet das Protokoll einer von Bürgermeister Lasaulx einberufe-
nen Versammlung. Von Lasaulx schreibt :
”Heute den dreizehnten Februar tausend acht hundert acht
und dreißig, versammelten sich auf die Einladung des Bürger-
meisters der Gemeinde Rath, der Kirchen Vorstand von Hergen-
rath, die Meistbeerbten von Moresnet und außerdem noch
mehrere achtbare Einwohner von Hergenrath sowohl als von
Moresnet um über den projektierten Kirchen und Schulhaus Bau
zu berathen. 8
Der Bürgermeister trug der Versammlung den Gegenstand
‚der Verhandlung folgender Maßen vor :
Euch allen, liebe Nachbarn und Freunde, ist es bekannt, daß
schon vor beinah fünfzig Jahren beabsichtigt wurde hier eine neue
Kirche zu bauen, weil damals schon die Kirche zu klein wurde,
die Uneinigkeit der Einwohner, die Revolutionen und Kriege
welche gleich nachher ausbrachen verhinderten damals den Bau,
wie viel nothwendiger ist er jetzt als damals! Die Seelen Zahl der
Pfarre ist durch die Vereinigung eines Theiles der Pfarre Mores-
net mit derselben und die alljährliche Vermehrung der Bevöl-
kerung vielleicht noch einmal so groß als damals. Ich brauche
darüber nicht mehr zu sagen, ihr seht und empfindet es selbst
jeden Sonntag : nur will ich hinzusetzen, daß der bauliche
44
Zustand des Chores, der Sakristei, besonders aber des Thurmes
bei weitem nicht so gut ist als jener des Schiffes. Eben so
nothwendig, vielleicht noch dringender ist der Bau eines neuen
Schulhauses : Es ist allen Einwohnern, besonders den Familien
Vätern bekannt, wie schlecht wie ungesund das jetzige Schulhaus
ist, auch ist es nie die Absicht gewesen, dieses sogenannte Punzen
Häuschen auf immer als Schulhaus zu benutzen. Als man
dasselbe mit dem Bernerschen Gute ankaufte wollte man der
Gemeinde die Miethe des bisherigen, noch kleineren Schulhauses
ersparen und lebte der Hoffnung, in wenigen Jahren ein neues
Schulhaus bauen zu können, allein sind seitdem rund 10 - 12
Jahre verflossen, das Schulhaus, an welchem große Reparaturen
Kosten zu verwenden unverantwortliche Verschwendung gewesen
wäre, ist nun nicht nur viel zu klein und ungesund, sondern
auch in so schlechtem baulichen Zustande, daß man ohne zu
übertreiben sagen kann, daß es den Einsturz droht. Die Zeit ist
also gekommen, wo Kirchen und Schulbau nicht länger ausge-
setzt werden kann.
Zu diesen nothwendigen Bauten sind nun in der Gemeinde
Kasse vorräthig laut Gemeinde Rechnung für 1836 und Büdget |
für 1837 ... 4843 Thaler. Hinzu kommen die auf dem Büdget für
1838 zur verzinslichen Anlage bestimmten 274 Thaler.
In allem sind also in der‘ Gemeinde Kasse vorräthig nach
Abzug von 1000 Thaler, welche der Armen Kommission vorge-
streckt worden sind, 4117 Thaler, der größte Theil dieser Gelder
ist allerdings zur Schuldentilgung bestimmt. Da die Gemeinde
aber keine anderen Schulden mehr hat als jene an die ehemalige
limburgische Amortisations Kasse und seit 1830 verboten wor-
den ist, desfalls etwas an die belgischen Kassen zu zahlen, auch
nicht abzusehen ist, wann dieses Verboth wird aufgehoben |
werden, so war der Herr Regierungs Rath Reinke, als er die |
hiesige Gemeinde besuchte, der Meinung, die Regierung würde |
gern erlauben, daß diese vorräthigen Gelder zu dem Kirchen und |!
Schulbau verwendet würden, auch versicherte gesagter Herr
Regierungs Rath, in dem Falle, wo die Schuld an die Amortisa- |
tions Kasse wieder bezahlt werden müßte, so würde die Königli-
che Regierung jedenfalls gestatten und dafür sorgen, daß diese
Schuld nicht auf einmal, sondern in ausgedehnten Terminen
45
bezahlt werden könnte. Diese Erklärung des Herrn Regierungs-
Rath Reinke scheint mir genügend, um die Gemeinde über den
Punkt zu beruhigen, daß wenn die vorräthigen Gelder zum
Kirchen und Schulbau verwendet würden, nachher zur Schulden
Tilgung wieder drückende Umlagen würden nothwendig sein, und
ich bin daher der Meinung, daß jene 4117 Thaler unbedenklich
zu den Bauten verwendet werden könnten.
Außer dieser Summe besitzt die Kirchen Verwaltung noch
Seehandlungs Prämien Scheine, welche einschließlich der Zinsen
jetzt gegen 1200 Taler werth sind, der Bürgermeister erklärt
jedoch, daß er in die Veräußerung derselben jetzt nicht einwilli-
gen kann, weil die Kirche aus diesen Scheinen durch Gewinnung
einer Prämie weit mehr Nutzen haben könnte, zudem die
Prämien Scheine immer im Preise steigen, auch der vorrätige
Fonds zum Anfangen der Bauten hinreicht, mithin gar keine
Veranlassung gegeben ist, die Prämien Scheine jetzt zu veräus-
sern, welche man überhaupt nur dann veräußern muß, wenn die
Noth es wirklich erfordert.
Doch wenn man zu der vorräthigen Summe noch die 1200
Thaler rechnet welche durch Veräußerung der Seehandlungs Prä-
mien Scheine gewonnen werden könnten, so bleibt dieselbe doch im-
mer noch zu klein um die Bauten ganz zu beendigen. Ein Mittel zu
finden, das fehlende herbei zu schaffen ohne die Gemeinde durch
Umlagen zu drücken, war seit langem der Gegenstand unseres
Nachdenkens. Unzählige Male ist die Sache im Gemeinde Rath
und Kirchen Vorstand zur Sprache gebracht worden, jetzt finde
ich ein durch das Mitglied des Gemeinde Rathes und Kirchen
Vorstandes Johann Mathias Laschet in Vorschlag gebrachtes
Verfahren zur Erreichung des gewünschten Zweckes sehr geeig-
net. Wir beabsichtigen daher bei den Einwohnern der Pfarre
Hergenrath eine Subskriptions Liste zirkulieren zu lassen, auf
welcher jeder eingeladen wird, den Beitrag zu unterzeichnen, den
er nach seinem guten Willen und Mitteln jährlich zum Kirchen
Bau zu geben sich verpflichtet; nach Maßgabe der unterzeichne-
ten jährlichen Beiträge wird die Gemeinde dann ein Kapital
aufnehmen, dessen Zinsen durch die jährlichen Beiträge gedeckt
werden. Es versteht sich, daß die Beiträge so lange fortdauern
müssen, bis das aufgenommene Kapital wieder getilgt ist, welche
Tilgung durch Verwendung aller disponiblen Gemeinde Gelder so
46
bald als möglich bewirkt werden wird. Ebenso versteht es sich,
daß diejenigen Einwohner, welche die Gemeinde verlassen, von
dem Augenblick ihrer Abreise an zu keinem weiteren Beitrag
mehr verpflichtet sein sollen.
Ehe aber zu diesem Werke die Genehmigung der Königli-
chen Regierung nachgesucht werden kann, muß gemäß einer
Verordnung der Kgl. Reg. vom 25. März vorigen Jahres 1837, N°
5231 I, vor allem ein Projekt zu den beabsichtigten Bauten
entworfen werden, es sind daher zwei Fragen zu erörtern und zu
entscheiden :
1) Was wird zuerst gebaut, die Kirche oder die Schule?
2) An welcher Stelle wird gebaut?
Hinsichtlich der ersten Frage bemerkt der Bürgermeister,
daß er im Interesse der Gemeinde, nach Pflicht und Gewissen,
nicht dafür stimmen kann, daß die Schule zuerst gebaut würde |
aus folgenden Gründen :
1° Wenn die Schule zuerst gebaut wird, so wird dieser Bau die
disponiblen Gelder absorbieren, die Kirche muß am Ende dann
doch gebaut werden, wird aber erst in vielen Jahren und mit viel
größeren Kosten für die Gemeinde gebaut werden können.
2° Wenn die Kirche hingegen zuerst gebaut wird, so kann die
jetzige Kirche zum Schulhaus eingerichtet werden, nach der
Aussage des Baumeisters Pesch wird dieser Bau etwa 1000 Taler
kosten, somit eine Ersparnis von wenigstens 2000 Taler für die
Gemeinde entstehen.
3° Können die Seehandlungs Prämienscheine, da die für die
Kirche gesammelten Kollekten Gelder zu deren Ankauf verwen-
det worden sind, in keinem Falle zu dem Schulbau verwendet
werden, wodurch der zu dem Schulbau zu verwendende Fonds
vermindert wird. Sn
Gegen den Vorschlag, daß die Kirche zuerst gebaut werden
soll, geschieht keine einzige Bemerkung, es ist allso einstimmig
entschieden, daß die Kirche soll zuerst gebaut werden.
Man schreitet zur Entscheidung der zweiten Frage. Der Bür-
germeister erklärt, daß er dafür stimmen muß, daß die Kirche
auf der angekauften Wiese, Plei genannt, gebaut werde aus fol-
genden Gründen :
|
47
1° Ist das Pfarrhaus und Vikariehaus ganz in der Nähe dieser
Wiese gelegen. Wenn die Kirche wieder ungefähr an der alten
Stelle gebaut wird, so bleibt sie vom Pfarrhaus und Vikariehaus
entfernt und am Ende wird unbezweifelt ein neues Pfarr- oder
Vikariehaus in der Nähe der Kirche erbaut werden müssen.
2° Ist es doch wünschenswert, daß die Kirche nicht so ganz iso-
liert liege wie sie jetzt liegt, und im Winkel, wo die genannte Wie-
se liegt, ist eigentlich das Herz der Gemeinde, die Stelle, wo die
meisten Häuser zusammenliegen; wenn die Kirche auf dem Plei
gebaut wird, so erfüllt sich das Sprichwort ”’’Erbaut die Kirche in
der Mitte des Dorfes’”’; um so mehr kann sie dort gebaut werden,
als nur die jetzt an der Kirche gelegenen zwei Häuser und der
Theil der Bürgermeisterei Moresnet jenseits der Geul etwas weiter
von der Kirche entfernt sein werden, doch nur höchstens 8 bis 10
Minuten.
Der Beigeordnete Theodor Mostert und Leonard Hermens
erklärten, sie wünschten lieber die Kirche dort behalten, wo sie
jetzt ist. Ihnen gesellten sich die meisten Einwohner der Kelmiser
Heide bei, andere, alle Einwohner von Hergenrath, erklärten sich
für den Bau auf dem Plei, bei der Stimmensammlung ergab sich
indessen, daß nur vierzehn Einwohner von Kelmis dafür stimm-
ten, daß die Kirche an der Stelle bleibe wo sie ist. Demnach ist
durch eine ganz überwiegende Mehrheit der Stimmen entschie-
den, daß die Kirche auf dem Plei gebaut werde. Also geschehen
zu Hergenrath am Tage wie oben. |
J.M. Laschet, L.J. Stütgens, J.P. Kittel, von Lasaulx, Fr.
Lambertz Pfr., Ohleforst Vicar, J.W. Schiff, L. Kever, J.C.
Barth, J.W. Timmerman, J.L. Palm, N.J. Keutgens, J.J. Palm,
J.J. Lambertz, Jo. St. Laschet, D. Heuschen, J.J. Mennicken,
Franz Zimmer, J.L. Noldus, J. Chabert, C. Pauli, J.J. Beckers,
J.A. Huppertz, Franz Chantrain, Johann Yserentant, P.L.
Laschet.
Obschon die Entscheidung zugunsten der Kirche gefallen
und der Bau der Schule vorerst zurückgestellt war, beschloß der
Gemeinderat am 8. November 1838 gemeinsam mit dem Kir-
chenvorstand, beschleunigt an den Bau eines neuen Schulhauses
zu gehen. Die Kirche solle anschließend durch einen Erweite-
rungsbau das nötige Fassungsvermögen bekommen. Man will die
neue Schule neben der alten Kirche, auf der Wiese des Herrn
48
Bidault aus Lüttich, errichten. Die Gemeinde möchte das Bauge-
lände im Tausch mit dem ”’Pley”’, einer ihr gehörenden Parzelle
an der Aachener Straße, erwerben. Bidault geht jedoch nicht auf
diesen Vorschlag ein; er möchte der Gemeinde sein ganzes Gut
verkaufen, was jedoch die finanziellen Möglichkeiten der Ge-
meindekasse sprengen würde.
Nach mancherlei Erwägungen kommt man zu dem Ent-
schluß, daß der ”’Pley’’ für die Schule doch die bessere Lage ab-
gebe, liege sie doch da, ”’’wo die meisten Häuser zusammenliegen”’
und "unmittelbar neben dem Pastoratgebäude’. Was die Kinder
aus Kelmis, Tülje usw. angehe, so müßten sie ohnehin täglich zur
Kirche kommen und sie könnten ”’ohne große Beschwerden den
um 5 Minuten weiteren, bequemen, über Wiesen führenden Weg
zur Schule machen”.
Der Bau einer neuen Schule an der Aachener Straße
Der mit der Ausarbeitung eines Planes beauftragte Baukon-
dukteur Habes legte den Bau so an, daß die ”’Schulstube”” sowie
die Wachtstube und Küche für den Lehrer im Erdgeschoß, die
Lehrerwohnung hingegen auf der 1. Etage untergebracht waren.
Ursprünglich sollten die Baukosten 2.500 Taler nicht übersteigen.
Donnerftag, den 2) Auguit, Morgens 10 Uhr,
wird bei Wittwe Mathias Schreiber zu Yergenrakb,
die Erbauung eines neuen Schulhaufes dafelbit, öfz
fentlich dem Wenigftrordernden in Verding gegeben
werden. — Plan, Koftenanfchlag und Bedingungen
fönnen jeden Montag und Donnerftag auf dem Burs
germeijterei-Lokale zu Hergenrath, an den ubrigen
Mochen-Tagen aber in der Wohnung des Unterzeichs
Neten zu Moresnet eingefehen werden,
Der Bürgermeifter, v. Lafaulr.
Anzeige im ”Korrespondenzblatt des Kreises Eupen”
Vv. 2. August 1839
Einem gewissen Bouge aus Aachen wurde beim öffentlichen
Verding am 29. August 1839 der Zuschlag erteilt. Bouge ver- |
langte 2.821 Taler, 9 Silbergroschen und 4 Pfennige. Das waren
12% weniger als die veranschlagte Summe. Schon bald stellte sich
heraus, daß der Unternehmer wenig zuverlässig war. Herbst und
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49
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Vorderansicht der Schule an der Aachener Straße, erbaut 1840-41,
erweitert 1869-70 (Foto von Jos. Cloot, Hergenrath, um 1910)
Winter 1839/40 ließ er ungenutzt verstreichen. ”’Bald wollte er in
Ziegeln, statt in Bruchsteinen bauen, weil er keine Steine finden
könne, bald fehlte es an Arbeitern etc. etc. Der Bau rückte daher
nur sehr langsam vorwärts. Endlich mochte den Bürgen des
Bouge, Goebels und Kessel von Eynatten, Angst werden, daß die
Sache ein schlimmes Ende für sie nehmen würde. Sie fanden sich
daher mit Bouge ab und unternahmen es, den Bau zu vollführen.
”Der Schulbau wurde von den neuen Unternehmern ebenso
nachlässig fortgeführt wie von Bouge. Sie hatten auch bei der
Eisenbahn Arbeiten und Lieferungen unternommen und ließen es
am Schulhause an Material fehlen. Daher konnten die Maurer oft
nicht arbeiten, und an dem Schulhause, welches am ersten No-
vember (1840) ganz fertig hätte sein sollen, waren Ende Novem-
ber die Mauern noch nicht fertig und im Dezember erst wurde es
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Bis zum Jahre 1973 wurde die Rückfront der Schule durch das noch aus der
preußischen Zeit stammende Arrestlokal verunziert.
notdürftig gedeckt. Da aber schon am 25. November Frost einfiel
und den ganzen Dezember hindurch fortwährte, und es sehr kalt
wurde, steht zu fürchten, daß die frischen Mauern ganz durchfro-
ren und verdorben sein werden”. (Gemeindechronik 1840)
”In diesem Jahr sind die Arbeiten am Schulneubau auf Kos-
ten der Unternehmer von Seiten der Gemeinde fertiggestellt wor-
den, nachdem solches mittels Verfügung der Königlichen Regie-
rung vom 7. August 1841 infolge andauernder saumseliger Aus-
führung der Arbeiten von Seiten der Unternehmer angeordnet
worden war. Laut Revisionsprotokoll des Baumeisters Habes be-
trägt die Summe der von dem Unternehmer Bouge resp. dessen
Bürgen Goebels und. Kessel ausgeführten Arbeiten 1.523 Taler, 8
Sgr, 7 Pf. Dieselben waren veranschlagt zu 3.234 Taler, 10 Sgr, 7
Pf.” (Gemeindechronik 1841) ü
Die Anfertigung von 20 Schreibpulten mit Bäns
fen verfehen, von 8 einzelnen Banken und andere
Schul: Utenfllien, wird
am Montag, den 30. Auguß d. I,
Nachmittags 2 Uhr, bei Wittwe Schreiber,
“Dffentlih an den Wenigftfordernden in Verding ges
geben werden. Plan und Koften« Anfehlag Förmen
dei dem Unterfchriebenen eingefehen werden.
Der Bürgermeißter, O9, Lafanlg.
Anzeige im ”Korrespondenzblatt des Kreises Eupen”
v. 20. Aug. 1841
51
Soweit der Bericht über den Schulneubau. Nach dem Tode
von Lehrer Schmitz waren 1843 bis 1847 nacheinander der Hilfs-
lehrer Bach, der Aspirant Gatzweiler und der Lehrer Fensky hier
tätig. Mit dem Lehrer Joseph Schmetz, der bis dahin in Wirtzfeld
unterrichtet hatte, bekam Hergenrath am 1. Mai 1847 wieder eine
nicht nur provisorisch angestellte Lehrkraft. (1)
Der Schulbetrieb lief in den nächsten Jahren ohne besondere
Vorfälle. Erst 1856 trat eine bemerkenswerte Neuerung ein : an
den Mittwoch- und Samstagnachmittagen wurde in der Hergen-
rather Schule der weiblichen Jugend Unterricht in Handarbeit
erteilt. Die Lehrerin war Fräulein Sophia Schneichel.
Eine getrennte Mädchenklasse wurde nach den Osterferien
1864 eröffnet. Bis dahin hatte ein einziger Lehrer in gemischten
Klassen die Kinder des 1. - 8. Schuljahres unterrichtet. Waren
1827 89 Schulkinder registriert worden, so betrug ihre Zahl i.J.
1836 schon 178! Gewiß, der Schulbesuch war weniger regelmäßig
als heute. Die Armut der meist kinderreichen Familien führte
häufig dazu, daß die größeren Kinder entweder zuhause mithel-
fen mußten oder zum Geldverdienen in die Textilfabriken ge-
schickt wurden. Eine Verfügung der Königlichen Regierung zu
Aachen vom 9, März 1839 schränkte die Kinderarbeit in den
Fabriken insoweit ein, als von nun an ”’vor zurückgelegtem neun-
ten Lebensjahre” niemand in einer Fabrik oder bei Berg-, Hütten-
und Pochwerken zu einer regelmäßigen Beschäftigung angenom-
men werden durfte. Wer noch nicht einen dreijährigen regelmäs-
sigen Schulunterricht genossen hatte, oder durch ein Zeugnis des
Schulvorstandes beweisen konnte, daß er seine Muttersprache ge-
läufig lesen konnte und einen Anfang im Schreiben gemacht
hatte, durfte vor zurückgelegtem 16. Lebensjahr nicht in die Fa-
brik, es sei denn, diese unterhielte eine eigene Fabrikschule. Die
Fabrikbesitzer hatten die Beweisscheine aufzubewahren und die-
selben auf Verlangen den Polizeibeamten vorzuzeigen.
(1) Jos. Schmetz, geb. in Kettenis i.J. 1818, Lehrerdiplom erworben in Kempen
1844.
52
Die erste Volksschullehrerin in Hergenrath war die Schul-
amtskandidatin Anna Gert. Beck aus Eupen. Der große Schul-
saal, in dem bisher alle Kinder gemeinsam unterrichtet worden
waren, wurde in zwei gleich große Räume unterteilt. Die Lehrerin
bekam eine Wohnung in den zu entbehrenden Räumen der Bür-
germeisterei.
]
Zu jener Zeit war die Gemeindeverwaltung unter demselben
Dach wie die Schule untergebracht. Wir wissen, daß dem noch im
ersten Jahrzent unseres Jahrhunderts und bis 1913 so war.
Nunmehr waren also zwei Lehrpersonen in Hergenrath tätig.
Anna Gertrud Beck wurde 1867 definitif angestellt. Die Zahl der
Schüler und Schülerinnen stieg unaufhaltsam. Vom Jahre 1870 |
an verfügen wir über jährliche genaue Zahlenangaben. Hergen-
rath zählte in jenem Jahr 935 Einwohner. Schulkinder sind
240,119 Knaben und 121 Mädchen, registriert. Doch kommen
diese 240 Kinder nicht alle aus Hergenrath. Preußisch-Moresnet,
das heutige Neu-Moresnet, gehörte nämlich zum Hergenrather
Schulverbande. Aber auch wenn man dies berücksichtigt, ist die
Schulkinderzahl beträchtlich. Bei den engen räumlichen Verhält-
nissen wurde sowohl Kindern wie Lehrern viel abverlangt. Das
soziale Ansehen des Lehrers trug auch nicht dazu bei, diesen Be-
ruf attraktiv zu machen. In einem Spottlied jener Zeit heißt es :
”X ist eine schöne Stadt,
die auch eine Schule hat.
Die Schule ist aus Lehm gebaut;
die wackelt, wenn der Lehrer haut;
Wenn die Uhre achte schlägt,
kommt der Lehrer angefegt.
Mit dem Stöckchen unter’m Röckchen
haut den Kindern blaue Fleckchen,
blaue Fleckchen sind gesund ”
Lehrer ist ein ..... Forts. folgt
53
Heimatgeschichte beginnt bei den alten
Fernwegen
von Viktor Gielen
Für die Wahl eines Siedlungsplatzes waren durchweg zwei Fakto-
ren von entscheidender Bedeutung : Wasser und günstige Ver-
kehrslage. Die alten Verkehrswege haben das Werden und die
Entwicklung unserer Städte und Dörfer maßgeblich beeinflußt.
Siedlung und Eroberung, Handel, Religion und Kunst folgten
den Wasserwegen oder Fernstraßen.
Auch die Geschichte unserer Heimat muß darum bei den Fernwe-
gen beginnen.
Da ist zunächst die römische Fernstraße, die von Bavai kommend
über Limburg, Baelen und Kornelimünster nach Köln führte.
Zwischen Garnstock und Merols führt sie auch heute noch den
alten Namen Hochstraße. Von dieser Straße zweigen zwei andere
wichtige Fernwege ab, die unsere Heimat mit Aachen verbanden.
Es sind :
1. — Der Winweg (Wynweg) oder auch Aachener Straße. Bei
der heutigen Rochuskapelle (früher Zwölfapostelkapelle) an der
Hochstraße zweigt er ab, um über Walhorner Kreuz, Latenbau,
Lindchen, Preismühle, Astenet, Hergenrath und Bildchen nach
Aachen zu führen. Daraus ist schon ersichtlich, daß Astenet und
Hergenrath an dieser Straße entstanden sind. Auch der Ort Wal-
horn liegt z.T. an diesem Fernweg, wenn auch das Zentrum an
den außerordentlich ergiebigen Quellen des Groetbach in der
Nähe der heutigen Molkerei entstanden ist.
2. — Die Pilgerstraße. - Unterhalb von Schloß Merols (heute)
Waldenburgshaus), bei Magererb, unweit der Brigida-Kapelle,
zweigt sie von der Hochstraße ab, um über Langmüs, Johberg,
Eynatten und Linzenshäuschen nach Aachen zu führen. Mit Vor-
liebe benutzten die Eupener diesen Weg auf ihrer Pilgerfahrt zu
den Heiligtümern in Aachen, die alle sieben Jahre gezeigt wur-
den : daher der Name Pilgerstraße.
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56
An dieser Straße ist das Dorf Eynatten entstanden und zwar
wiederum an einer Stelle, wo sich sehr ergiebige Wasserquellen
(in der Nähe von Vlattenhaus) befinden, die auch in den trocken-
sten Jahren nicht versiegen.
3. — Der Öslinger Weg. - Er war seit dem Mittelalter - und viel-
leicht noch früher - die Nord-Süd-Verbindung im Gebiet der Ar-
dennen. Das Wort Ösling hat die gleiche Bedeutung wie Arden-
nen. Noch im Hochmittelalter rechnete man Aachen zu den Ar-
dennen. Öslinger Weg bedeutet also : Weg durch die Ardennen.
Als Anfang des Öslinger Weges, soweit er außerhalb des heutigen
Stadtumfangs Aachens sichtbar wird, darf man die tiefen Hohl-
wege im früheren Karrenausfahrgebiet zwischen Hirtzplei und
Köpfchen ansehen. Als tiefer Hohlweg überquerte der Öslinger
Weg Köpfchen und führte an den. Zyklopensteinen vorbei zur
Göhl, die er bei Wesselbend überschritt. Über Steinkaul und
Stestert ging es dann weiter nach Berlotte. Hier, wo er die Römer-
straße Bavai-Kornelimünster-Köln schneidet, entstand der Weiler
Berlotte, wo sich auch Töpfer niederließen.
Auf Berlotte gabelte er sich. Eine Linie ging über Höf, Bickel-
stein, Gracht, an Burg und Haus Raeren vorbei (dort ergiebige
Wasserquelle!) in Richtung Petergensfeld, Roetgen.
Die zweite Linie, der direkte Nord-Südweg zwischen Aachen und
Trier, der aufgrund seiner noch vorhandenen tiefen Hohlwege als
der verkehrsreichere anzusehen ist, bog bei Berlotte leicht nach
rechts ab nach Vergevenis, am Neuenbau vorbei zur heutigen
Bachstraße nach Neudorf. Weiter ging es dort durch den tiefen
Hohlweg der Borngasse in Richtung Weser.
An den beiden Linien des Öslinger Weges sind die Ortschaften
Raeren und Neudorf entstanden. Dies erklärt auch, warum das
Dorf soweit auseinander gezogen ist.
An der linken Linie liegt Alt-Raeren mit den Höfen und Häusern
in der Gracht und Heck, mit Born und den beiden Burgen.
An der rechten Linie - der Hauptlinie - entstand der Hof Neudorf
mit den Häusern im Sträßchen, am Altenbach, in der Borngasse
und auf der Pfau.
Die außerordentlich verkehrsgünstige Lage der Siedlung-Raeren-
Neudorf wird wohl auch ausschlaggebend gewesen sein für die
Niederlassung der Töpfer gerade an dieser Stelle. Die Siedlungen
57
Raeren und Neudorf lagen am Öslinger Weg, also an der so wich-
tigen Nord-Südverbindung. Außerdem führte im Norden Raerens
die ”Kinkebahn‘” vorbei, die Römerstraße Bavai-Kornelimüns-
ter-Köln, die West-Ostverbindung also. Wo es gute Fernstraßen
gibt, da siedelt sich die Industrie an. So ist es heute mit den
Autobahnen; so war es im Mittelalter mit den Fernstraßen. Die
Töpfer mußten ihre Erzeugnisse sehr weithin exportieren, dafür
war es sehr wichtig, daß sie in der Nähe von guten Fernstraßen
wohnten. +
59
Wat wow de Keäl ?
Nee, Fingsche, denk dech wie’t mech joung! -
Wie’t düster aan ze weäde foung, SO
et woor jee Waißer e-jen Huus, A |
ech schnappde Tobbe mech en Haam VS z
en joung flott op-ene Boen obaan, EV N en
du steht ne Keäl do, staats en jrueß. DD u
De kickt mech aan, KZZ2U 5 ;
ech kick em aan, Din S
e sätt mech necks, VE
ech saag em necks
en 1äß ming Tobbe röjeg stuehn. X x
e- ) VERA (A
En wi di Tobbe vool nouw sönt, ? ANA IM Fin
saag ech a minge Haam : ”’Ver jönt”. NE E Sl fe SM
Du könnt de Keäl - ech well mech zauwe - SZ ZE Ss
du leet-e mech de schwore Jank 5 << :e DR ZZ
janks fröngdlech op en striecht ming Hank (7 Mi {} 5 Ä %
janks fröng| pP 8 PA
en kickt mech adesch e-jen Owe. EZ f FE
E kickt mech aan, A VE UM
ech kick em aan, A Ze
e sätt mech necks, U Zi EZ
ech saag em necks
en nömm de Tobbe op en jue. =
ES
En wi ech juen op heem obaan, Mar 19 a U
do jeht-e met - nouw denk ens aan - SE ZA Se
op Schrett en Trett, ech hau esö wärem, an | 17
ech setz de Tobbe ooch ens aaf, KK ga
du könnt-e nooder, wellt mech brav je I
e beßje krije en sing Ärrem. fl ( A | |
E kickt mech aan, 0! NG {4 MC
ech kick em aan, | MM 3
e sätt mech necks, „VI AZ
ech saag em necks, ET CAD?
en ech juen weer op heem obaan. EEE
60
En wi ech a-jen Husdöör koum
en minge Jank eraaf do nouhm,
en stoot hej ming zwei Tobbe neer,
du kreeg-e mech e singen Ärem
en döckt en peäscht en puckt mech wärem,
en denk ens aan - ech puck em weer.
E kickt mech aan, ech kick em aan,
e sätt mech necks,
ech ssag em necks,
du koum ous Vrow no-jen Huus eruus,
du woor et met dat Pucke uus.
Nouw saag ens aan : Wat wow de Keäl?
61
Nanny Lambrecht - eine ”wallonische”
Schriftstellerin
von Gerd Pasch
Land und Leute, das Leben in Neutral-Moresnet sind die
Themen, die Nanny Lambrecht in ihrem Roman ”Die Suchen-
den” aufgegriffen, niedergeschrieben, für die Nachwelt festgehal-
ten hat. {
Wer ist überhaupt Nanny Lambrecht? Was verbirgt sich
hinter dem Romantitel ”’Die Suchenden”’? Und was hat das alles
mit Neutral-Moresnet zu tun?
In Aachen beim Morgenkaffee erfuhr ich von Nanny
Lambrecht das erste Mal. Eine katholische Schriftstellerin soll sie
gewesen sein. Nie gehört. Und was hat sie geschrieben? Mein
Gegenüber grinste. Schlimme Dinge in den Augen der katho-
lischen Kirche, Tabus hat sie brechen wollen.
Na, ja, dachte ich mir. Aufklärung gibt es immer schon.
Aber was ist an der Nanny Lambrecht so besonderes?
An die Lehrerin aus Malmedy und engagierte Schriftstelle-
rin erinnert sich heute kaum noch jemand. Wenige kennen sie
persönlich, nicht allzu weit verbreitet sind ihre vielen Romane,
Erzählungen, Skizzen.
Die Bücherei in Aachen wußte mit meiner Buchbestellung
nicht viel anzufangen. Sie reichte den Zettel an die Fernleihe
weiter, in vier bis sechs Wochen sollte ich eine Antwort bekom-
men.
In Händen hielt ich später dann einen vergilbten, bereits re- ‘
parierten Buchband; ein Stempel der Stadtbücherei Wuppertal-
Elberfeld zeigte mir, wo er im Regal gestanden haben muß.
”Die Suchenden” steht in Goldlettern auf dem schwarzen
Karton. ”Nanny Lambrecht” - die Autorin - sie wird gezeigt als
Steinrelief, gehauen von einem Aachener Künstler, Josef Matare.
62
Beim Lesen wurde ich gefesselt : da streift vor meinem
geistigen Auge ein Förster durch den Ardennenwald, Arbeiter aus
den Zinkgruben bei Aubel streiten in verräucherten Kneipen,
Kindergeschrei dringt aus engen, dunklen Wohnungen. Land und
Leute, Heimatgeschichte, Kampf ums Dasein - sie spielten sich
vor mir ab wie in einem Film. Und das Ganze ist erstaunlich haut-
nah : es spielt nur wenige Autominuten von Aachen entfernt im
heutigen Kelmis.
Die Geschichte der ”’Vieille Montagne”’, Skandale und Ereig-
nisse in dem über 100 Jahre als neutral deklarierten Gebiet an
der Landstraße von Aachen nach Lüttich, die Armut der Arbei-
terfamilien dort, das Festhalten an religiöser Tradition, die Ent-
bindungsklinik der Hebamme von Moresnet und die vielen unehe-
lichen Kinder, die fortan ihre weggelaufenen Eltern suchen
müssen - Nanny Lambrecht beschreibt, klärt auf, mahnt, klagt
an. Realistisch, als wenn die Personen, die Gebäude, die Wälder,
Straßen, Wiesen heute noch so wären, führt sie den Leser in den
Roman hinein - und nicht den Romaninhalt zum Leser, |
Nanny Lambrecht lebte in - und man kann sagen von den |
Ardennen - dem Hohen Venn. Es war ihr Gebiet. Sie liebte die
rauhe, einsame Landschaft, die herzlichen, einfachen Menschen
in diesem ärmsten der armen Landstriche Deutschlands.
Wenn die Trierer Schriftstellerin Clara Viebig - die sicherlich
hier sehr bekannt ist - als die Dichterin der Eifel bezeichnet wird,
° so muß man Nanny Lambrecht die Dichterin des Hohen Venns
nennen. Denn in über 30 Werken beschäftigt sich Nanny
Lambrecht ausschließlich nur mit den Geschehnissen zwischen
Malmedy und Aachen.
Auf der Suche nach mehr Einzelheiten über Nanny
Lambrecht geriet ich an ein katholisches Nachschlage-Werk. In
”Das katholische Deutschland’” des Herausgebers Kosch wird
zitiert :
”Lambrecht, Nanny - Pseudonym Alca Ruth -, geboren am 15.
April 1868 in Kirchberg (Hunsrück) als drittes Kind deutsch-
amerikanischer Eltern, Mutter (kath.) ist eine geborene Wum,
Tochter des bekannten Kirchenerbauers auf dem Hunsrück. In
früher Kindheit nach dem Tode des Vaters zog sie mit der Fami-
lie nach Malmedy in die damals preußische, heute belgische Wal-
lonie. Hier und bis weit nach Belgien hinein ist der Schauplatz
63
ihrer Romanwerke, wie ja auch durch sie erstmals die Wallonie in
die deutsche Literatur eingeführt wurde, Nanny Lambrecht ver-
ließ später die Wallonie mit einer wesenverwandten Kameradin
und verbrachte mehrere Jahre auf Reisen in Italien, der Schweiz,
England, Holland. Bei den Kölner Blumenspielen, die damals
unter Johannes Fastenrath in hoher Blüte standen, wurde Nanny
Lambrecht mit dem ersten Preis der goldenen Heckenrose be-
dacht. Auf diesen Anlaß hin erschien ihr erstes Novellenbuch
(”Was im Venn geschah” 1904) nachdem vorher schon Romane
und Erzählungen in Zeitschriften und Tageszeitungen veröffent-
licht waren. Vor dem ersten Weltkrieg lebte Nanny Lambrecht in
Aachen, aus dessen unmittelbarem Erleben heraus ‚ihre Kriegs-
romane entstanden. Nach 1919 lebte sie in Bad Honnef am
Rhein. Sie starb am 1. Juni 1942 in Schöneberg an der Sieg.”
Aus lauter Liebhaberei verfolgte ein katholischer Küster das
Leben und die künstlerische Entwicklung der Schriftstellerin.
Sebastian Elverfeldt aus Aachen war in einem verstaubten Archiv
fündig geworden. Auf Mikrofilm bereits übertragen stand da eine
Autobiographie, ein Lebenslauf, den Nanny Lambrecht 1917
bereits verfaßte und der wenige Tage nach ihrem Tod 1942 in der
”Kölner Zeitung” abgedruckt worden ist :
"Ich kann nicht sagen, daß mein Eintritt in die Welt ein
schönes Ereignis war. Ich bitte Sie, wenn einem das bißchen
Leben vom eigenen Vater verargt wird - er streikte und wollte
mich nicht auf dem Amt anmelden. Weil ich das dritte Mädchen
war und kein Junge. Eigentlich hätte ich nun in meinen Milch-
brunnen zurückkehren müssen. Aber Säuglinge haben ja kein
Ehrgefühl. Und so wurde ich am 15. April 1868 höchst unwill-
kommen in das Geburtsregister eingeschrieben.
Erschwerend für mein Dasein war nun noch, daß ich in dem
weltverlorenen Hunsrücker Städtchen Kirchberg in die Windeln
kam, während meine Schwestern in Amerika, in Boston, geboren
sind. In meinen frühen Kinderjahren wußte ich von meinem Va-
ter nur, daß nach Jahr und Tag ab und zu spät in der Nacht und
unvermutet ein Mann an der Tür schellte und sagte : ”Macht auf,
ich bin’s!” Vor diesem amerikanischen Vater mit der französi-
schen Blutmischung - seine Mutter war Französin - hatte ich
64
einen romantischen Respekt, um so mehr, da er meine Mädchen-
haftigkeit einfach übersah, mich in Hosen umherlaufen ließ und
als seinen "Jung" erzog.. Ich fing an zu pfeifen und der weitesten
Umgebung furchtbar zu werden. Die Mädchen strafte ich mit
Verachtung, die Buben mit standesgemäßen Prügeln. Meine
Hochachtung galt der dicksten Faust. So kam’s daß ein Alltags-
Philosoph des Städtchens den Finger hob und sagte : ”Den Mittelweg
geht das nicht, das wird mal sehr gut oder sehr schlimm.” Natür-
lich war man felsenfest von letzterem überzeugt. Doch war etwas
in mir, das unaufhörlich und sehr entschieden sagte : ”Laß sie
schwatzen und behalt, was in dir ist, es ist gut.” Damals wußte
ich nicht, daß es eine innere Stimme gibt; aber heute weiß ich
viel, viel mehr darüber und habe nie meiner inneren Stimme un-
recht zu geben brauchen. Auch nicht, als ich auf der Schulbank
langsam und sicher immer weiter um eins heruntersank, meine
ersten weltschmerzlichen Gedichte im Schulranzen trug, Reichs-
tagsreden auswendig lernte, malte, schnitzte, Musik klimperte
und mit den benachbarten Justizratssöhnen zur Jagd auszog.
Die quälende, drängende Hinaussehnsucht hatte ich von
meinen Eltern ererbt. Mein Vater hatte den amerikanischen Bür-
gerkrieg mitgemacht, blieb dann in Boston, übernahm mit Ober-
bürgermeister Childs, der nebenamtlich ein smarter Geschäfts-
mann war, den Vertrieb des amerikanischen roten Sohlleders,
kehrte heim und führte es auch auf dem Hunsrück ein, kaufte
einen großen Landbesitz an, um Rüben anzubauen, eine Zucker-
fabrik einzurichten, verspekulierte sich, schmolz zu einem kleinen
Kalfmann zusammen, starb und hinterließ uns arm. Danach
sollte ich Hals über Kopf zur Lehrerin gedrillt werden, und man
steckte mich in den sogenannten ”Kasten”. Im Kasten nahm
man zunächst Anstoß an meinem hängenden dicken Zopf und der
aufreizenden Schleife sowie an meinem unkalenderhaften Namen
Nanny und meinen Visitenkarten. Nach ein paar weiteren solcher
Anstößigkeiten und Purzelbäume auf die Hausordnung flog ich
mit drei anderen Genossinnen. Just am Weihnachtsvorabend.
Just ein schöner Tag, um unverständige Kinder in die Welt
hinauszujagen. Wir saßen angstzitternd zusammen, schwuren uns
Treue bis in den Tod, und danach wollten wir ins Kloster gehen,
gingen bis zur Pforte des Hospitals, überlegten es uns nochmals
und kehrten um. Danach wollten wir des Todes sterben, gingen
zur Apotheke und verlangten Rattengift. Da aber der Apotheker
65
einen Schein vom Direktor forderte, begnügten wir uns einstwei-
len mit Brausepulver. Danach schwuren wir uns nochmals Treue
bis in den Tod, schrieben Abschiedsbriefe an die Eltern, wir zö-
gen weit in die Welt hinaus, und wenn wir etwas geworden wären,
hörten sie weiter von uns usw. Dann machten wir eine wahrhaft
abenteuerliche Fahrt zu meinem Onkel Pastor in die Eifel. Dieser
fütterte uns zunächst heraus und schob uns den besorgten Müt-
. tern wieder zu. Von nun an warf ich mich mit einer wahren Lei-
denschaft aufs Studium, und-ich wurde an der zweisprachigen
Schule in der, wallonischen Kreisstadt Malmedy angestellt. Warm
und freudig kam nun doch die Liebe zum Beruf über mich, aber
eine Lehrerin nach der Formel des Paragraphen, nein, das war
ich nicht. Heiliger Pestalozzi, ob du nicht trotzdem bedenklich
geworden wärest, wenn du die Wallonenlehrerin hoch auf den
Pouhonbergen auf einem Zwergbirkenast sitzen und dichten gese-
hen hättest? In dieser Zeit fesselte mich außerordentlich die His-
torie der Eifel, besonders die glanzvolle Vergangenheit der Fürst-
abtei Malmedy-Stavlot und der Abtei Prüm. Ich schrieb eine An-
zahl Eifelromane, geschichtliche, die in Tagesblättern erschienen.
Auch moderne Romane, die ich im Familienkreise vorlas und die
meiner Mutter zuviel "Ehebrüche‘ enthielten, aber meiner
Schwester Margaret höchstes Wohlgefallen erregten.
Eine junge Wallonin, Fanny Madeleine Bierens, wollte mit
der Nanny Lambrecht weit, weit in die Welt hinausziehen, wollte
sie dahin führen, wo sie hingehörte, wo ihr Geist heimisch war
und wo zwei gleich- und idealgesinnte Menschen ein wunderbar
glückliches Dichterheim errichten wollten. Ich schied aus dem
Amt aus, um nur meiner Kunst zu leben, wir machten Reisen
nach Holland, Belgien, der Schweiz, Italien, England usw. und
ließen uns zeitweilig in der alten Kaiserstadt Aachen, der Wallo-
nie und dem Hohen Venn, dem Schaffensgebiet meiner Kunst
nahe, nieder. Das Leben hat mir viel Leid, aber auch unendlich
viel Liebe und treue Hingebung auf den Weg gestreut. Doch als
du zu mir kamst, Fanny Madeleine, da gabst du mehr als deine
selbstlose Freundestreue, du hast mir die Sehnsucht beschwingt,
die ich schon in leidenschaftlicher Wehmut begraben wollte : alles
zu überwinden und den Flug wagen - frei und den Sternen entge-
gen!”
66
Fanny Madeleine Bierens war der ruhende Pol, der Freund,
Helfer, Weggefährte, Sekretär in dem rastlosen, schnellen Leben
der Nanny Lambrecht, die ohne Fanny Bierens nicht zurecht
kam. Als sich Fanny Bierens in Honnef einmal den Fuß brach
beim Stolpern über eine Treppe, zogen beide, die eine Pflegebe-
dürftig, die andere ohne ihren "rechten Arm” hilflos, ins Erho-
lungsheim Schöneberg an der Sieg. Dort ist Fanny Bierens - neun
Jahre nach dem Tod der Schriftstellerin - gestorben.
Ob Nanny Lambrecht nun so ganz freiwillig Malmedy ver-
ließ, wie sie in ihrer Autobiographie schrieb, oder ob sie mehr auf
sozialen Druck der Malmedyer Öffentlichkeit ausschied, ist nicht
ganz genau zu klären. Für die letztere Annahme spricht, was ich
von Schwester Veronia erfuhr.
Schwester Veronia ist eine heute 77jährige Ordensfrau, die
1942 kurz persönlich mit der Schriftstellerin zusammentraf, als
beide in dem Erholungsheim Schöneberg an der Sieg lebten -
Schwester Veronia als Pflegeschwester, Nanny Lambrecht als
kranker Mensch, gezeichnet bereits vom Tode.
”’Sie hatte die Schwindsucht. Sie war manchmal so in ihre Ar-
beit vertieft, daß sie tagelang nichts mehr gegessen hatte, nur ge-
schrieben - wie eine Besessene. Da mußte man ja krank werden.
Und Frau Lambrecht war keine ruhige Person. Immer mußte sie
kämpfen, Auseinandersetzungen führen, sich behaupten. Es war
schon nicht leicht für die Frau.
Es wurmte Nanny Lambrecht auch, daß sie nicht die rechte Aner-
kennung gefunden hatte mit ihren Werken. Malmedy mußte sie
ja verlassen. Wir haben Schwestern hier im Haus, die stammen
aus Bütgenbach. Die erzählten, daß Nanny Lambrecht, ich glaub
es war mit ihrem Roman ”’Statuendame”’, die Malmedier sehr
verärgert hat. Sie muß in dem Buch die Praktiken einiger
angesehener Familien haarklein beschrieben haben. Sie wurde
daraufhin in Malmedy sehr angefeindet. Als Lehrerin konnte sie
dort wohl nicht mehr arbeiten.”
Die Freundin Fanny Bierens war diplomatischer, nicht so
___ hart im Umgang mit der Wahrheit wie ihre Lebensgefährtin
Lambrecht. Sie versteckte allzu markige Werke, allzu scharfe
Kritiken an der Kirche vor unserer Ordensschwester. Doch gera-
de unter diesen Kritiken fand ich einen ”’Versuch einer Charakte-
risierung der Person und der Kunst Nanny Lambrechts”’, den Dr.
K 67
Paul Hankamer 1914 in den ”Mitteilungen der Literarhistori-
schen Gesellschaft Bonn” veröffentlichte.
Aus diesem Werke stellte ich die wichtigsten Aussagen des
Kritikers zusammen :
"Bis 1914 - der Zeit als Kriegsromanschreiberin - gliedert sich das
literarische Schaffen Nanny Lambrechts in drei Phasen : Die erste
umfaßt die Zeit von 1904 bis 1908. Die erste Sammlung von Skiz-
zen und Erzählungen erschien 1904 unter dem Titel ”Was im
Venn geschah”. Mit diesem Werk erzielte sie auf den Kölner Blu-
menspielen einen Preis, die goldene Heckenrose - Nanny
Lambrecht wurde bekannt, gelesen. Zuvor hatte sie sich unter
dem Pseudonym Alca Ruth als Autorin versucht.
1906 wurde der Eifelroman ’”’Das Haus im Moor” veröffentlicht,
eine zweite Sammlung kürzerer Erzählungen und Novellen sowie
der Roman ”Die Statuendame’” entstanden. ’’Das Land der
Nacht” ist ein reiner Erzählroman - geschrieben 1908 und weist
auf die zweite Phase mit dem Bekenntnisroman ”’Die Armsünde-
rin” hin. Die dritte Phase und der Höhepunkt ihres schriftstelle-
rischen Schaffens bildet der Roman ”’Die Suchenden’”” aus dem
Jahre 1912.
Hinter jedem ihrer Bücher steht die Dichterin ganz. Man sieht
sie : die eckige Gestalt mit dem scharffurchigen Gesicht, dessen
klare, kühne Profillinie sich aufdrängt. Die dunklen Augen voll
glühenden Temperaments. Und die Hände schaut man, die
langen schmalen mit den dürren Fingern, die eine furchterregen-
de, nervöse Kraft suggerieren. In prachtvoller Entschlossenheit
hat sie sich ihre Weltanschauung vor sich aufgebaut.
Kampf war's, was fast jedes Werk in der Arena der Öffentlichkeit
empfing. Ein Waffengang um jedes Buch, jede Idee, um jeden
Schritt breit Wahrheit, jeden Protest, jede Anerkennung, jedes
Bravo, jedes Pfui der sentimentalen, landläufigen Lüge ...
Nanny Lambrecht ist Autodidaktin, sie schreibt aus sich heraus,
ohne Stil und Regeln der Literatur zu beachten. Diese stürmi-
sche produktive Persönlichkeit hätte sich auch nie in ein Normal-
schema pressen lassen. Eine kluge, feine Hand hätte jedoch
manchmal das allzu schroffe, kantige ihres Ausdrucks mildern
können.
|
68
Das künstlerische Schaffen der Nanny Lambrecht hat den Impuls
des erlebten Problems in hohem Maße nötig. Sie braucht die Aus-
einandersetzung mit dem Thema aus der eigenen Person heraus.
”Es gibt eine Verwandschaft zwischen dem Künstler und seinem
Werk wie die zwischen Mutter und Kind”, muß Nanny
Lambrecht einmal gesagt haben. ,
Zum Schaffen der Nanny Lambrecht gehören Probleme : z.B. das
Eheproblem der Frau wie in der ”’Statuendame”, z.B. die Religiö-
sität wie in der ”Armsünderin”’, z.B. das Recht des Kindes in
”Die Suchenden”.
Zur Dichterin gehören eine leise Verneinung der Ehemoral der
katholischen Kirche, ein Kampf der Frau um Selbstbestimmungs-
recht. Frauenegoismus gegen Männeregoismus. Es gehören zu ihr
die Anklage‘ und Auseinandersetzung gegenüber denjenigen,
die in der Welt lieblos und hartherzig sind, im Tempel jedoch
christgläubig stehen und sich an die Brust klopfen : Herr, wie
danke ich dir, oder so. Und die moderne, damals wie heute so
heiß umstrittene Frage des Geburtenrückgangs und ihrer ethisch-
moralischen Berechtigung sucht Nanny Lambrecht zu lösen. Ehr-
lich wie immer gibt sie eine Antwort : ”Ihr habt kein Recht die
Ungeborenen zu rufen, wenn ihr ihnen nicht die materielle Mög-
lichkeit einer menschenwürdigen Existenz verschaffen könnt.”
Nanny Lambrechts Probleme sind Zeitprobleme. Frauenemanzi-
pation, religiöses Erleben, Kinder- und Armsünderinnenfrage -
wer hat nicht von ihnen gehört, ja wer hat nicht versucht, eine
Antwort zu finden?
Zur Beurteilung ihres Stils ist sehr wichtig zu sagen, daß Nanny
Lambrecht - wie man in der Psychologie sagt - ein akustischer
Typ ist. Sie hört ihren Satz, den sie schreibt, der gesprochen wer-
den muß und mit dem schwebenden Rhythmus artikulierten
Sprechens ein ungeahntes Leben empfängt. Sie schafft eine Fülle
neuer Wörter, und was einzig ist, Nanny Lambrecht verfaßt glän-
zend im Schriftwort Dialekte, die bislang nirgends niedergeschrie-
ben waren.
Und wie der Rhythmus des Einzelsatzes offenbart der Dialog das
Dramatische. Schon der allzu häufige Gebrauch beweist das Dra-
matische. Es gibt kaum eine Gefühlsregung, die Nanny
Lambrecht nicht im Dialog zu fassen sucht, die sie nicht als Anti-
these mit Rede und Gegenrede verarbeitet, die sie zu möglichster |
Schärfe zuspitzt. |
69
Die Erzählungen, Novellen, Romane der Nanny Lambrecht sind
letztendlich Milieuschilderungen, Beschreibungen von Sein und
Sollen. Nanny Lambrecht kann nie anders sehen als Kampf, star-
ke Bewegung, Konfrontation. Immer wieder treten Personen,
Weltanschauungen, Mächte miteinander und gegeneinander an.
Ein tiefer, wütender Kontrast. Bei Nanny Lambrecht wird alles
zum Drama, mag sie auch Romane schreiben. Sie wird eins in der
Darstellung mit dem Dargestellten - das dramatische Urerlebnis
vollzieht sich bei ihr. Sie schreibt ihre Romane in einer geheimen
Ich-Form, sie kämpft mit, erlebt mit, steht mitten im Geschehen.
Aber Nanny Lambrecht ist zu wenig Nur-Künstlerin, die
Pädagogin läßt sich nicht verleugnen. Wirken muß sie, praktisch
sein, Vorschläge machen, soziale Caritas betreiben. So fällt
denn auch in ein wunderbares Märchen von den Gottsuchenden
plötzlich der Klang statistischer Zahlen. Die unehelich Geborenen
will sie sammeln, ihnen ein Recht auf Existenz geben, ihnen die
Schuld der Eltern von den Schultern nehmen.”
Das Drama, von dem Nanny Lambrecht zeitlebens geträumt
haben muß, versuchte sie in der Bad Honnefer Zeit zu verwirkli-
chen. Sie leitete eine kurze Zeit ein kleines Theater, war Bühnen-
autorin, Schauspielerin, Dramaturg, Regisseur. Das Projekt
scheiterte vermutlich am Geld. Nach einer erfolglosen Saison
wurden die Theaterpläne wieder vergraben.
Erfolgreicher war da die Schriftstellerin vor dem Ersten
Weltkrieg als Beobachter und - ja man kann sagen als Journalist
im neutralen Moresnet vor den Toren Aachens. Die politischen Er-
erignisse, die sozialen und wirtschaftlichen Probleme der damali-
gen Zeit sorgten auch in diesem von der Weltpolitik fast vergesse-
nen Landstrich für Unruhe. Nanny Lambrecht war mittenmang
dabei. Hier fand sie den Stoff für ihr bestes Romanwerk, ”Die
Suchenden’”’,
Vor Ort lebte Nanny Lambrecht auf der Jansmühle des
legendären Moresneter Sanitätsrats Dr. Molly, des heimlichen
Königs der vergessenen Republik am Altenberg. Wilhelm Dith-
mar, ein Enkel des gefeierten Arztes, vermachte kurz vor seinem
Tod im vergangenen Jahr der Geschichtsvereinigung im Göhltal
ein paar Aufzeichnungen über seine Begegnung mit der Schriftstel-
lerin.
70
Nanny Lambrecht soll in Kelmis auch ein Theaterstück ge-
schrieben haben, ”’Der König”, in dessen Mittelpunkt das Leben
des Dr. Molly geschildert wird.
Alle Werke der Schriftstellerin aufzuzählen ist recht müßig,
viele sind als Kurzgeschichten auch in Sammelbänden veröffent-
licht worden. Ein erster Sammelband war die Novellensammlung
”Was im Venn geschah”. Das Leben der Bauern, der Soldaten in
Elsenborn, die Dauner Kirmes, Erlebnisse mit Zöllnern, Grenz-
bewohnern u.s.w. sind dort niedergeschrieben.
Der Roman ”Die Statuendame” spielt in Malmedy, ”Die
Mädchen” ist ein Versuch Nanny Lambrechts, ihre Studentener-
lebnisse in ein Drama zu fassen. Höhepunkt ihres Wirkens als
Schriftstellerin sind die Romane ”’Die tolle Herzogin’”” und ”Die
Suchenden” - Problem- und Bekenntnisromane zu den The-
men Emanzipation und Geburtenkontrolle, zwei Themen, die
um die Jahrhundertwende noch zu den Tabus gehörten.
Mit dem Beginn des Ersten Weltkrieges ist ein Bruch in der
Arbeit der Dichterin zu verzeichnen. Es folgen jetzt Kriegsro-
mane, die ”die Greuel des Franktiereurkrieges mit eisenhartem
Griffel in das Schulbuch des belgischen Volkes einzeichnet”” -
so damalige Kritiken. Nanny Lambrecht war betont deutsch-
freundlich, schrieb aber detailliert die Ereignisse von der Mobil-
machung über die Stürmung der Feste bei Vise bis zur Kapitula-
tion 1918 in der Region zwischen Lüttich und Aachen nieder.
Nanny Lambrecht schreibt über diese Phase in ihrer Autobio-
graphie :
”Einen erschütternden Umschwung brachte der Ausbruch des
Weltkrieges. Das gewaltige Erlebnis warf mich wolkenhoch. Wir
hier an der Westgrenze haben ja die ersten großen Ereignisse mit-
erlebt. Ich fuhr fast kurz hinter unseren Truppen nach Belgien
ein, sah bei Vis€ die schrecklichen Verheerungen des Schlachtfel-
des, fuhr dann ein zweites und drittes Mal bis nach Antwerpen
hinauf und weiter zur französischen Grenze. Das Ergebnis dieser
Fahrten sind die Kriegsromane : Die eiserne Freude, Die Fahne
der Wallonen, Die letzte Schlacht, Der Gefangene von Belle-
Jeanette sowie die Novellensammlung Die Hölle”.
71
Nach dem Ersten Weltkrieg kann Nanny Lambrecht kaum
noch an ihre früheren Erfolge anknüpfen. Ihr fehlt auch im fer-
nen Bad Honnef der direkte Kontakt zum einstigen Schaffensge-
biet, der Wallonie, dem Stoff, aus dem ihre künstlerische Kraft
entsprungen ist.
In dieser Zeit schreibt Nanny Lambrecht noch acht Romane,
von denen ”’Overstolz’”’, die Geschichte einer rheinischen Familie,
am bekanntesten wird und der Autorin finanzielle Sicherheit bis
zu ihrem Tod sichert. Seit 1927 sind keine Werke der Nanny
Lambrecht mehr veröffentlicht worden. Über ihren Nachlaß ist
nichts mehr bekannt.
Für die hiesige Region ist Nanny Lambrecht sicherlich eine
wichtige Persönlichkeit. Sie hat zum erstenmal den Dialekt der
Menschen in der Wallonie bis in den Aachener Raum festgehal-
ten, hat Land und Menschen in der Literatur verewigt. Darin
liegt ihr Verdienst.
Als Autorin bediente sie sich zuerst des Auges, dann der
Phantasie. Probleme waren ihr Stoff, ihr Engagement der Antrieb
fürs Schreiben. Und geschrieben hat sie: mit der Hand einer
Liebenden, zumindest was die Menschen in diesem kargen Land
angeht.
Nanny Lambrecht beobachtet und nennt dann das, was ihr
nicht gefällt, analysiert, mahnt, schimpft. Dabei zeigt sie weniger
auf die armen Schlucker unten, viel mehr prangert sie die
Machenschaften der Herrschenden in Staat und Kirche an. Nicht
zuletzt deswegen wurden ihre aufklärischen Werke von Strö-
mungen in der katholischen Kirche heftig kritisiert. Vor allem
ihre Art mit Tabus zu brechen, rief Moralapostel auf den Plan -
nicht nur unbedingt Zeichen der damaligen Zeit. Damals gab es
eine Reihe Tabus, die auch heute noch aktuell sind : Abhängig-
keit, Sexualität, antiautoritäre Erziehung, Emanzipation der
Frau.
Nanny Lambrechts Romane sind gleich erlebten Geschich-
ten, zeigen einen Kampf für die Armen, Unterdrückten, Schwa-
chen auf.
Nanny Lambrecht ist aber auch und vor allem politisch. Sie
vertritt eine nationale allemannische Richtung im Grenzgebiet
zwischen Belgien und Preußen. Im Fall des Neutral-Moresnet ist
sie Anwältin des Deutschtums.
72
Sicherlich auch von ihren sozialen und nationalen Ideen aus-
gehend mag sie später Sympathien für die Nationalsozialisten
übrig gehabt haben. Mehr als nur Sympathisant wird diese kämp-
ferische Person allerdings nicht gewesen sein. Dazu war sie wohl
auch zu kritisch. Aber ihre Auseinandersetzungen hatten nicht
länger mehr den Grad der Popularität, den sie vor dem Ersten
Weltkrieg kannte. Sie zog sich selbst wohl auch etwas zurück,
wurde ruhiger.
Ruhm und Erfolg hatte Nanny Lambrecht allerdings über-
haupt nur in Insider-Kreisen genießen können. Selbst ihr Roman
”Die Suchenden” wurde nur mit einer Auflagenhöhe von etwas
über 1000 Exemplaren gedruckt, zu wenig, um in breiten Kreisen
der Bevölkerung bekannt und gelesen zu werden.
Nanny Lambrecht hat als Schriftstellerin der Ardennen und
des Hohen Venns sicherlich den Stellenwert verdient, den Clara
Viebig als Eifeldichterin innehat.
Vielleicht gelingt eine Wiedergeburt der Lambrecht’schen
Werke, vielleicht wird rund 40 Jahre nach dem Tode der Schrift-
stellerin eine größere Bekanntheit ihrer Werke in Ost-Belgien
erreicht. Denn Nanny Lambrecht hat als eine der wenigen Künst-
ler die Wallonie zu ihrem Schaffensgebiet gemacht, hat Dialekte,
Eigentümlichkeiten, Menschen und Landschaft einer Region im
Winkel der Geschichte literarische Bedeutung verschafft.
(Wer sich Werke der Schriftstellerin Nanny Lambrecht aus-
leihen und lesen möchte, findet über die Stadtbibliothek in
Aachen noch eine Reihe Romane und Erzählungen.)
DB
Frühling 1915
von Leonie Wichert-Schmetz
Des Frühlings Blumenaugen seh’n mich an
Und können doch nicht lachen.
Die Quelle leise rieselnd rann
Und scheut sich zu erwachen.
Die Erde wagt zu atmen kaum,
Der Himmel fließt vor Tränen;
Es zittert der Strauch, es bebt der Baum,
Was will mir den Atem nehmen?
Ein Dröhnen kommt mit dem Winde an,
Ein Stöhnen wimmert von ferne;
Es blitzt in den Wolken dann und wann,
Zersplittern am Himmel die Sterne?
Der Krieg reckt den gewaltigen Arm
Und 1äßt seine Klinge springen,
Er trinkt das Herzblut rot und warm,
Die Geschosse pfeifen und singen.
$ Die Sonne schaut so trübe drein,
Zieht den Schleier vor die Augen,
Sie will nicht das Weinen und Schrei’n.
Wozu soll das Grauen denn taugen?
Die ganze Schöpfung liegt im Bann,
Die Menschen vom Haß wie verblendet,
Sie kämpfen verbissen Mann gegen Mann.
Wann wird das Gericht beendet?
Wann wird das schreckliche Schauspiel ruh’n,
Die Helle des Himmels strahlen?
Wann wird beendet das Grausen nun,
Beendet Peinen und Qualen?
74
In Memorian Jean De Ridder
Im Rahmen der ”’Heimatkundlichen Funkbilder”” des BRF
sprach Verwaltungsratsmitglied Freddy Nijns am 21. Nov. 1979
folgenden Nachruf.
Liebe Zuhörer!
Gestatten Sie, daß ich an Stelle der üblichen Art dieser
Rubrik einen Nachruf verlese auf den langjährigen Schrift-
führer, Archivar und Konservator unserer Göhltalvereinigung,
Herrn Jean De Ridder, um dessen Heimgang der Verwaltungsrat
mit seiner Familie zutiefst trauert.
Der 1920 in Brüssel/St-Gilles geborene Jean De Ridder absolvier-
te seine mittlere Reife in Mecheln und machte sein Abitur in der
Hauptstadt am College St-Louis. Nach Jahren des Widerstandes
bei der Geheimen Armee während des Krieges und der Tätigkeit
beim Staatssicherheitsdienst auch in unserer Gegend ging er zur
Marine, wo er es zum Schiffskommandanten und schließlich zum
Geschwaderbefehlshaber brachte. Als solcher beteiligte er sich
mit der ersten belgischen Einheit 10 Jahre nach dem Kriege an
der ”’Kieler Woche”. Dort lernte er auch seine Frau kennen, die
spätere Frauenärztin Dr. med. Gisela De Ridder-Blenska. Zuletzt
war er belgischer Verbindungsoffizier bei der NATO und als sol-
cher ging er ein paar Mal nach Amerika. 1968, drei Jahre vor
seinem Ausscheiden aus dem Militärdienst, ließ er sich mit seiner
8 Familie in seiner Wahlheimat, die ihm so gut gefiel, in Moresnet-
Kapelle, nieder, wo er viele Beziehungen in den kulturellen, sport-
lichen und politischen Kreisen anknüpfte. Als Volleyball-
Enthusiast hatte er 1949 in Ostende den Club ”’Neptunus” ge-
gründet und nachdem er zuerst Präsident des Provinzialverbandes
in Westflandern war, wurde er Landesvorsitzender der Volleyball-
Föderation, ein Amt, das er 3 Jahre lang innehatte. Schließlich
wurde er zum Mitglied des Hohen Rates für Leibeserziehung und
Sport und des Nationalen Olympischen Komitees ernannt.
75
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|
Seine weitere Liebe galt der Geschichte und Kultur; er war eines
der aktivsten Mitglieder des Verwaltungsrates der Göhltal-
Vereinigung, der er als Schriftführer und als Archivar stets neue
Impulse gab und für deren Belange er sich unermüdlich einsetzte.
In letzter Zeit widmete er sich mit Begeisterung der Galmei-Flora
und der Archäologie, und er war bestimmt worden, um als Kon-
servator des künftigen Museums im ehem. Gemeindehaus von
Neu-Moresnet zu fungieren. Jean De Ridder war ferner noch Mit-
begründer des Elternrates der Kelmiser Staatlichen Mittelschule
und in Moresnet Hauptinitiator der lokalen Christlich-Sozialen
Partei.
Er verstarb Ende Oktober in einem Aachener Krankenhaus im
Alter von knapp 59 J. Die Beisetzungsfeierlichkeiten fanden am
3. November 1979 in der Johanneskirche zu Neu-Moresnet im
Beisein von zahlreichen Persönlichkeiten aus der Welt der Kultur,
des Sports, der Politik sowie Freunden und Bekannten aus dem
Göhltal statt. Peter Zimmer, Präsident des vollständig angetre-
tenen Verwaltungsrates der Göhltalvereinigung, sprach Worte des
76
Dankes und des Abschieds. Jean De Ridder hat seine letzte Ruhe-
stätte gegenüber dem Grabe von Dr. Molly, einer anderen Per-
sönlichkeit aus dem Göhltal, die um die Jahrhundertwende eben-
falls Förderer der Kultur und der Geschichte im Dreiländereck
war. Beide ruhen nun für immer auf dem protestantischen Fried-
hof, nur wenige hundert Meter vom Museum entfernt, mit dem
die Göhltalvereinigung große Pläne schmiedet.
Jean De Ridder war ein Mann der Tat und der Initiative; er
machte keine halben Sachen. Als Förderer des Sports bei der Ju-
gend und der Geschichte und Kultur bei den Erwachsenen war er
von einer übersprudelnden Aktivität. Verwachsen mit unserer
schönen Gegend, war er mit Begeisterung und Aufopferung noch
im letzten Monat seines Lebens bei jeder Sitzung, jeder Vorberei-
tung und jeder Veranstaltung der Göhltalvereinigung. Er war ein
guter Organisator, auch ein Mann der Toleranz und ein guter
Freund, der eine warme Sympathie ausstrahlte. Er hatte noch viel
verwirklichen wollen! Sein Geist soll weiterleben in der Vereini-
gung, wo er schwer zu ersetzen sein wird, denn er hatte die Zeit,
die Fähigkeit und den nötigen Enthusiasmus.
Er möge nun ruhen in Frieden!
Wir werden ihm ein ehrendes Andenken bewahren!
Den trauernden Angehörigen gilt das tiefste Mitgefühl der ganzen
Göhltalvereinigung, der Welt der Kunst, der Kultur, der Ge-
schichte und des Sports, sowie des Rundfunks und der Presse.
WM
Aus der ”Freien Herrlichkeit Lontzen”
von Alfred Bertha
Die Lontzener Gerichtsakten (18 geordnete und 13 ungeord-
nete Bündel) (1) bestehen zum großen Teil aus Realakten, d.h. der
Registrierung von Grundstücksverkäufen, aus Rechnungsabla-
gen, Wegebegehungsprotokollen u.ä. Nur sehr selten haben die
Schöffen über Beleidigungsklagen oder gar Schlägereien zu Ge-
richt zu sitzen. Noch seltener natürlich müssen die Fälle gewesen
sein, in denen das Gericht die Todesstrafe verhängte, wenn auch
nach heutigem Rechtsempfinden früher recht schnell der Henker
gerufen wurde. Dies zu illustrieren, brachten wir in Nummer 19
dieser Zeischrift den Fall des Pferdediebes Mathijs Pons aus
Lontzen, der i.J. 1762 von den Lontzener Schöffen zum Tode ver-
urteilt wurde. (2)
Die Unverhältnismäßigkeit der Strafe zum begangenen De-
likt springt noch mehr ins Auge, wenn wir den Fall des Arnold
Wintmeulen untersuchen. Stand auf Pferdediebstahl die Todes-
strafe durch Erhängen, welche Strafe hielt dann das Lontzener
Gericht für angemessen im Falle eines evidenten Totschlages?
Die Akte Wintmeulen im Lütticher Staatsarchiv (ohne A Z)
umfaßt 17 numerierte und einige nicht numerierte Stücke, von
denen das erste das Datum des 30. August 1731 trägt.
Am Vorabend jenes Tages hatten sich gegen 21-22 Uhr
Arnold Wintmeulen, Claes Heudt, Heinrich Buchel und Nellis
Cramp zum Walhorner Feld in der Nähe des Gutes Benesse bege-
ben, um nachzusehen, ob sie die Schäfer ”nicht im Schaden fän-
den” oder ob diese nicht ihre Schafe auf dem Besitz der Wwe
Wintmeulen, des Claes Heudt oder der Familie Buchel hüteten.
Sie wollten, wenn sie die Schäfer auf dem gen. Besitz anträfen,
selbige ”lostrekken”’, d.h. verprügeln.
(1) Staatsarchiv Lüttich, Cours de Justice, Lontzen.
(2) "Im Göhltal” Nr 19, S. 42-55
|
78
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Der Hof Benesse
Beim Rückweg kamen sie an der ”’Benesse”” vorbei, der
Hund begann zu kläffen und sie warfen mit Steinen nach ihm.
Als Pächter auf der Benesse lebte damals Laurent Cool, dessen
Sohn Nijs und Knecht Leonard Peters in unserem ”’Fall Wint-
meulen’”” Hauptrollen spielen. Nachdem der Hund angeschlagen
hatte, kam der Knecht aus dem Haus und bedrohte die vier ge-
nannten Lontzener mit einer Gabel. ”’Schelmen, vuylighen, hons-
fotten”” beschimpfte er sie und verfolgte sie bis ”’buiten het valder
naer den cant vande heyde”. Er rief ihnen noch nach : ”’Ihr mort-
dievische hondt, ich ken auch altemael, ich sal Euch krijgen, eer
der deuffel Euch krijght.”
Claes Heudt soll dem Lennert Peters einen Schlag mit einem
Stock auf die Schulter oder den Arm gegeben haben.
Nach Hause zurückgekehrt, schirrten Arnold Wintmeulen
und Claes Heudt ihre Pferde an und zusammen mit Jan Smets
von der Lontzener Heide begaben sie sich - es war inzwischen 11
79
Uhr vorüber - auf den Weg zur Kohlengrube. Sie fuhren von
Lontzen Heide in Richtung Lontzener Mühle. Es war ziemlich
dunkel in jener Nacht. Claes Heudt fuhr als erster, ihm folgte in
einiger Entfernung Arnold Wintmeulen, Jan Smets war weiter zu-
rückgeblieben, doch noch immer in Rufweite. Am Langendriesch,
in der Nähe des Lauterbergs angekommen, wurde Claes Heudt
"met furie”” durch zwei aus dem Versteck hervorspringende Män-
ner angegriffen. Jan Smets, der die Schläge hörte, rief : ”Wat is
daer te doen?” und hörte Wintmeulen zurückrufen : ”De hou-
weelen vuyt, het sijn Schelmen hier.” Er nahm seinen Houweel (1)
und ging auf die Stelle zu, aus der das Geräusch der Schläge zu
kommen schien. Er kreuzte zwei Männer, die er im Dunkeln
nicht erkennen konnte.
Inzwischen hatte sich weiter vorn ein Drama abgespielt. Der
angegriffene Claes Heudt hatte mit dem Rufe : ”Kright de
houweelen vuyt, het sijn schelmen hier” den nachkommenden
Wintmeulen zu Hilfe gerufen. Sofort schlugen die beiden Täter
auf Wintmeulen ein; sie versetzten ihm einen schweren Schlag
vorne auf den Kopf, ”’in solcher furie und solcher Manier, daß er
zu Boden fiel”. Sie schlugen dann weiter auf ihn ein, gaben ihm
"viele harte und grausame Schläge mit den gen. Stöcken, bis daß
er ins Gesträuch taumelte und wieder aufstand”. Wintmeulen
versuchte nun, sich zurückzuziehen und in Richtung Kieselberg
zu entkommen. Er ließ seinen ”Houweel’”’, seine ”Schmick’”” und
sein ”’Holz” zurück. Doch die Angreifer verfolgten ihn weiter und
versetzten ihm einen schweren Schlag auf den Hinterkopf, so daß
er zur Erde stürzte. Der Überfallene jammerte : ”Jesus, Maria,
ich hebben es genoegh”’, doch die Angreifer ließen nicht von ihm
ab, bis daß er regungslos liegenblieb. Jan Smets sagte aus, er habe
auch noch Schläge ”naer den cant vanden flisch” gehört und
habe eine Stimme hören rufen : "Jesus, Maria, Joseph, ich hann
voor al mijn leven genoch.” Er sei weitergefahren und habe unter-
wegs den ”Houweel”” von Arnold Wintmeulen gefunden. Am
(1) Der Houweel od. Houwiel ist eine Rodehacke.
80
nächsten Tag erst habe er gesehen, daß Wintmeulen mehrere
große Kopfwunden hatte. 1
Wie der Verletzte nach Lontzen zurückgeschafft wurde, ist
nicht beschrieben. Ein Arzt war verhältnismäßig schnell zur Stel-
le. Dr. J.H. Grall untersuchte den schwer mißhandelten Wint-
meulen zwischen zwei und drei Uhr morgens. Er stellte drei
Wunden fest : eine an der Stirn, eine über der Augenbraue und
eine am Hinterkopf. Am 3. September 1731 gibt der Arzt zu Pro-
tokoll, man habe zweimal trepanieren müssen und eine Prognose
sei bei dieser Art Operation, die bekanntlich sehr gefährlich sei,
noch nicht möglich.
Der Verletzte war am Morgen nach dem Überfall wieder bei
Sinnen und konnte ”’im Bett liegend, doch bei vollem Verstand”
aussagen, daß er auf dem Weg nach Langendriesch am Lauter-
berg dem vor ihm fahrenden Claes Heudt auf dessen Ruf hin zu
Hilfe geeilt sei und dann von zwei Männern, nämlich Nijs Cool,
dem Sohn des Pächters auf der Benesse, und Lennert, Knecht
dortselbst, angegriffen worden sei. Es sei hell genug gewesen, die
beiden deutlich zu erkennen.
Am 3. September läßt der Meier J. Hüpsch durch den
Schultheißen M. Goor den beiden mutmaßlichen Tätern die Auf-
forderung zukommen, am folgenden Freitag, dem 7. September,
morgens 10 Uhr in Lontzen ”’auf der Halle” zu erscheinen, um zu
der Anklage Stellung zu nehmen. Der Schultheiß begibt sich zur
Benesse, trefft aber den Nijs Cool‘ nicht an. Der Vater dagegen
weigert sich, die Vorladung in Empfang zu nehmen, worauf dann
der Schultheiß ihm die genannte Vorladung zu Füßen legt.
Zur Gerichtsverhandlung erscheint nur Nijs Cool. Doch hat
er auf alle 22 Punkte der Anklage nur immer ein ”’Nein’” bzw.
”Davon weiß ich nichts’” zu entgegnen. In der fraglichen Nacht
sei er zu Haus gewesen und nicht ausgegangen. Er habe mit dem
ganzen Überfall nichts zu tun und wisse nichts davon.
81
Aus der Aussage des Peter Peters aus Walhorn, Vater des
Angeklagten Lennert Peters, wissen wir, daß Cool die Unwahrheit
sagt. Peters gab zu Protokoll :
”Gegen Mitternacht erschien bei mir Nijs Cool. Er bat mich,
meinen Sohn zu wecken, da er dringend etwas mit ihm zu bespre-
chen habe.
Ich hörte wie Cool zu meinem Sohn sagte, daß sie beide eine
persönliche Vorladung vor den Offizier von Lontzen hätten und
daß er ihn warnen wolle, sich nicht von dem Priem, einem Ohm
und Neffen des verstorbenen A. Wintmeulen ”’betoutelen”” zu las-
sen, um etwas zu bekennen; er solle alles leugnen. Darauf hat
mein Sohn geantwortet : ”Ich habe keine Not, denn ich weiß
wohl, was wir zu Hause auf der Benesse zusammen gesprochen
haben.”
Nijs Cool sagte, er werde mit seiner Vorladung zum Küster
gehen, und dann zu einem Rechtsanwalt.
Am Abend Userer Lieben Frauen Tag, am 7. September,
kam Lorent Cool gegen Mitternacht zu uns und sagte, er brauche
ein paar Worte von mir, um seinen gefangenen Sohn freizube-
kommen. Meine Frau sagte, ich und der Sohn seien nach Verviers
gegangen; darauf L. Cool : ”Ich muß dabei sein, es koste, was es
wolle.”
Am nächsten Tag kam Lorent Cool nach Verviers und ging
dann mit uns nach Limburg ins Haus des Notars Reul, wo er ver-
langte, unser Sohn solle Nijs schriftlich entlasten und den Tot-
schlag auf sich selber nehmen. Er versprach, 100 Gulden binnen
drei oder vier Tagen zu zahlen und sobald sein Sohn frei sei, wer-
de er ihn zu meinem Sohn Lennert bringen und zusammen wür-
den sie dann weggehen für immer. Ich habe meinem Sohn davon
abgeraten, auf den Vorschlag von L. Cool einzugehen und habe
ihm gesagt, wenn er das tue, würde ich ihn nicht mehr als meinen
Sohn betrachten, da er unsere Familie in Schande stürze. Darauf-
hin bin ich aus dem Hause Reul weggegangen.
Am nächsten Tag bin ich zur Benesse gegangen und habe
Cool gefragt, ob mein Sohn ihm das verlangte Schriftstück gege-
ben habe und ich habe ihn gebeten, jetzt, da sein Sohn frei sei,
sich des Schriftstückes nicht zu bedienen, wenn er ein braver
82
Mann sei. Darauf sagte er : ”Ich werde Euch auch was geben,
wenn Ihr wollt.” Ich habe ihm gesagt : ”’Gott hat mir bis heute
Brot gegeben, und ich hoffe, daß er mir auch in Zukunft noch
Brot geben wird, ohne daß ich dieses annehmen muß.”
Mit meinem Sohn habe ich schließlich über den Vorfall ge-
sprochen. Er sagte, er habe zweimal den Nijs Cool zurückgehalten
beim Schlagen, da dieser sonst den Arnold Wintmeulen auf der
Stelle totgeschlagen hätte. Auf dem Nachhauseweg habe Cool ihn
deshalb an den Hals gefaßt und angegriffen.”
Soweit Peter Peters. Wie wir sehen, ist Nijs Cool nach der
Gerichtsverhandlung vom 7. September nicht sofort auf freien
Fuß gesetzt worden. Am Abend des 8. September ist er jedoch
wieder frei.” |
Inzwischen ist der Verletzte dem Tode nahe. Am Morgen des
7. September findet ihn der Zeuge W. Wintmeulen ”’soo fabuleus
swaegh ende onmachtigh”” daß er in Kürze sterben werde. Und
Nijs Cool wird wieder verhaftet und ins Lontzener Schloßgefängnis
gebracht. Er ist guter Dinge, ”lustig und fröhlich”, wie die Wär-
ter sagen. Doch als er hört, dem Verletzten Wintmeulen gehe es
sehr schlecht, schlägt seine Stimmung um. War er vorher ”’sin-
gend und springend”, so beschreiben die Wärter ihn nun als ”’ver-
ändert und bleich’””. Zwei Lontzener Bürger hielten dauernd
Wache vor dem Schloßzugang und regelmäßig schauten sie auch
in die Zelle des Gefangenen. Am 9. oder 10. September zwischen
5 und 7 Uhr sind es Willem Drouven und Johannes Chantraine,
die auf der Brücke stehen. Da erscheint die Schwester des Ange-
klagten Cool mit einem Korb und will zu ihrem Bruder. Chan-
traine weist das Mädchen zurück, da der Gefangene keinen Be-
such bekommen dürfe, doch der Schultheiß bringt den Korb per-
sönlich zum Inhaftierten. Als ihre Wachtzeit vorüber ist, gehen
Chantraine und Drouven in die Zelle des Gefangegen. Dieser
steht am Fenster mit einem Buch, das in dem Korb gewesen war.
Vielleicht zwei Vater Unser lang liest Cool so am Fenster stehend,
schließt dann das Buch, legt es aufs Fenster und tut einen Sprung
bis an den Tisch. Mit einem weiteren Sprung ist er an der Tür
und hinaus. Chantraine ruft : ”’Auf, auf, Nijs ist weg!” x
Die gesamte Schloßwache - 10 Mann - läuft dem Flüchtling
nach, doch gelingt es nicht, ihn wieder einzufangen. Einige
83
schießen mit ihren ”fusicquen’’ auf ihn, ohne jedoch zu treffen.
In Astenet müssen sie die Verfolgung abbrechen. Als einziges Be-
weisstück bringen sie den Rock des Angeklagten, den dieser
unterwegs abgeworfen hat, zurück.
Nach Aussage von Wilhelm Drouven hatte der Häftling vor
seiner Flucht den beiden Wächtern eine Prise Tabak angeboten,
war dann etwas in der Zelle auf und ab gegangen und schließlich
mit einem schnellen Sprung zur Tür hinausgelaufen. Seinen Ver-
folgern soll er nachgerufen haben : ”’Mort dieu, ghij en sijt maer
Schelmen.‘
Nijs Cool und Peter Peters waren also beide in Freiheit.
Peters hielt sich in Verviers auf, wo ihm am 13. September Len-
nert Smets, der Sohn des Jan Smets von Lontzener Heide, bege-
gnete. Auf die Frage des Lennert Smets, wie die Sache mit Arnold
Wintmeulen abgelaufen sei, antwortete Peters : ”Ich en weet nijt,
hoe het gagangen heeft, den Duyvel heeft moeten helpen mede
slaen, dan ick vermeende nijt, dat hij so veel slaeghen gecreeghen
hadde.”” Ich weiß nicht, wie sich das abgespielt hat, der Teufel
hat beim Schlagen helfen müssen, denn ich meinte nicht, daß er
soviele Schläge bekommen hatte.)
Die Lontzener Schöffen sehen keine Möglichkeit, der beiden
Angeklagten habhaft zu werden. Durch Ausrufen und Anschlag
am Kirchenportal werden dieselben zweimal aufgefordert, sich
binnen vierzehn Tagen zu stellen. Vergebens. Am 21. Okt. 1731
verkündet der Schultheiß nach Ausgang der hl. Messe eine dritte
Aufforderung an die Flüchtigen, und am folgenden Tage über-
bringt er eine Abschrift dieser Aufforderung auf die Benesse, wo
Lorent Cool sich jedoch weigert, sie entgegenzunehmen. Darauf-
hin legt Schultheiß M. Goor das Papier ”’voor sijne voeten”.
Nijs Cool scheint sich ebenfalls ins Limburger oder Vervier-
ser Land zurückgezogen zu haben. Durch den Notar J.J.A. De
Reul läßt er erklären, der Haftbefehl gegen ihn sei nicht gültig,
da nur von 3 Schöffen unterzeichnet. Im übrigen spreche das
Nicht-Erscheinen des Lennert Peters zum Gerichtstermin am 7.
September für dessen Schuld, sein eigenes Erscheinen beweise
seine Unschuld.
Arnold Wintmeulen war inzwischen am 10. September gegen
Mitternacht den schweren Verletzungen erlegen. Die Ärzte G.J.
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84 |
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_Cocquelet und J.H. Grall untersuchten am 11. September 1731 |
den ”’dode lichaam” des Verstorbenen in Gegenwart von Meyer
und Schöffen von Lontzen sowie der Mutter des Toten. Sie stell-
ten fest, daß die Schädeldecke am_Hinterkopf eingeschlagen war
und nach zweimaligem Trepanieren sahen sie, daß auch das Hirn
selbst verletzt war und große Knochensplitter darin steckten. Dies
sei ”incurabel’”’ und habe den Tod des Arnold Wintmeulen verur-
sacht. Die Wunde am Vorderhaupt sei zwar groß, aber nicht
lebensgefährlich gewesen. Der Chirurg G. Charlier bestätigt die
Aussage seiner beiden Kollegen.
Erst Mitte Juli 1732 wird in der Sache Wintmeulen das Urteil
gefällt. Es ist allerwelt bekannt, daß das Allgemeinwohl erfor-
dert, daß die Missetaten bestraft und reprimiert werden”,
schreibt Schöffe und Gerichtsschreiber (?) P.A. Pelsser am 14.
Juli 1732. Doch wie die Missetäter Cool und Peters bestraft wur-
den, darüber findet sich nur noch ein indirekter Hinweis in den
Akten des Gerichts. Am 25. Juni 1746 schreibt der Generalbevoll-
mächtigte der Kaiserin Maria Theresia für die Niederlande, Graf
S Wenceslaus Anton von Kaunitz, an das Lontzener Schöffenge-
richt :
”Auf das Gesuch des Denis Cool sowie Ihre Stellungnahme
zu diesem Gesuch finden Sie anbei die Kopie des Dekretes, das
wir bezügl. betreffenden Gesuchs erlassen ... s
Ihr Exzellenz ... gewährt dem Bittsteller Rückkehr aus der
ewigen Verbannung, wozu er durch Gerichtsurteil vom 14. Juli
1732 verurteilt wurde. S
So geschehen zu Aachen, am 25. Juni 1746.”
+ 85
Die Kranke
von M.-Th. Weinert
Der Herbst kam in mein Zimmer
mit einem bunten Strauß,
die roten Weinlaubranken,
die wachsen hinterm Haus.
Wenn ich die Augen öffne,
kann ich die Blätter sehn,
die von den gelben Birken
im Wind herunterwehn
Die roten Vogelbeeren,
die blaubehauchten Schlehn,
die werden - wenn ich schlafe -
noch lang am Strauche stehn.
86
Die Raerener Töpferfamilie Kalff
von Martha Kalff
Willem Kalff töpferte 1575 ”auf born”
(070) calffsignierter Krug- Scherbe-
Catharina Kisteman befindet sich im Töpferei-
Museum in Raeren
Aus gleicher Zeit sein signierter Krug im Hetgens-Museum in
Düsseldorf ”Willem Kalf’s’”’, das heißt : Willem Kalf, Sohn des
Willem Kalf.
Wilhelm Kalff
geb. 1614 2.11. Raeren,
Walhorn Register Seite 50
00 T 1680 1.5. Seite 195 Raeren-
May Sieferts Merols, Walhornregister
Kannebecker, Bürgermeister,
auf gen Botz-Newdorp (Weiler
von Raeren)
Nicolei Kalff (Clais)
geb. um 1653 t 1727 26.3. Seite 274 Raeren-
oo um 1680 register, Neudorferbergh
Maria Kannebecker
geb. um 1655 if
Kinder :
1. Wilhelm Kalff Kannebecker, töpferte ”’op die
geb. 1681 5.3. Seite 32 Phaw””
Raerenregister
oo 1708 16.7. Seite 11/14
Catharina Königs
geb. 1685 14.12. S. 45 Raeren T 1718 25.11. Seite 261 im
filia Krisi Königs Kindbettfieber
87
2. Mathias Kalff
geb. um 1683 +
oo 1719 8.9. Seite 63 in Corneli-
münster, dortige Register Ü
Susanne Adams
filia Bartholomäus Adams hinter-
lassene Tochter von Kennem/Cornelimünster
3. Catharina Kalff
geb. 1686 18.6. Seite 46 Raeren T 1756 24.11. Seite 6 vidua
oo 1716 6.5. Seite 22
Leonard Kittel
geb. 1689 16.12. Seite 56
Seine Eltern : Jacob Kittel 00
Barbara Emonts-butz
4. Nicolas Kalff, Töpfer
geb. 1689 11.4. Seite 54 Raeren T 1742 5.4. Seite 293
oo 1715 30.8. Seite 21 Dispens
Maria Emonts Holley &
geb. 1693 1.3. Seite 65 -
Ihre Eltern : Petri Emonts Holley
00 Catharina Emonts-butz
5. Leonardi Kalff, Töpfer
geb. 1692 18.5. Seite 62 S
00 1724 26.2. Seite 38 Raeren
Gertrud Mennicken Holley
geb. 1695 1.11. Seite 77
6. Barbara Kalff
geb. 1700 19.3. Seite 2 T 1769 17.12. Seite 18 vidua
00 1. Ehe 1725 28.1. Seite 40
Dispens 4. Grad
Petri Emonts Holley
geb. 1693 9.8. Seite 67 T 1733 16.7. Seite 284
Seine Eltern : Leonard Emonts Holley,
Töpfer, 00 Johanna Kisteman
00 2. Ehe 1735 1.9. Seite 56
Johannes Poque
geb. 1711 22.9. Seite 63 T 1769 8.12. Seite 18
Seine Eltern : Jois Pauque 00
Catharina Kisteman «
88
Töpfer, Raeren-Botz-Knippchen, sein Grabstein ist heute noch
vorhanden, und ist in der Seitenfront seines. ehemaligen Hauses
angebracht. (1973)
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Grabstein des Leonard Kalff und seiner Ehefrau Gertrud Mennecken Haffner,
heute an der Seitenfront des Hauses Hochstr. 44 stehend.
Das Sterbedatum der Ehefrau fehlt. Unter der Inschrift ist ein Krug zu erkennen. |
Das bedeutet, daß der Verstorbene ein Töpfer war.
Leonardi Kalff
geb. 1692 18.5. Seite 62 T 1744 31.5. Seite 295
00 1724 20.2. Seite 38 Dispens
3. Grad
89
Gertrud Mennicken Holley,
Töpferin
geb. 1695 1.11. Seite 77
Ihre Eltern : Leonardi Mennicken Holley Jonck, Kannebecker 00
Gertrudis Mennicken Butz
Kinder :
1. Adam Henricus Nicolaus Kalff
geb. 1725 2.3. Seite 139 8
2. Anna Maria Kalff
3. Nicolaus Kalff Lennerts
geb. 1731 4.4. Seite 170 t 1725 17.5. Seite 3 puella
4. Maria Josepha Kalff
geb. 1733 12.12. Seite 188 + 1782 17.5. Seite 3 puella
5. Leonard Wilhelm Kalff
geb. 1736 8.7. Seite 193
00 1766 30.5. Seite 193/109
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Gegenüber dem Wohn- und Werkhaus, auch seines Vaters, errichtete Leonardus
Kalff und Maria Ganser dieses Heiligenhäuschen oder Kniefall.
90
Anna Maria Gansser
geb. 1743 30.3. In Breinig
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Im Kopfteil steht eingemeißelt :.”1776 Leonardus Kalf und Maria Ganser
Eheleuth haben diese Staceiun (Station) zu Ehren Gottes aufgericht”
Potier, Raeren-Botz-Knippchen, errichtete einen Fußfall, der
heute noch steht, gegenüber seinem Elternhause und seinem
Wohn-Werkhause (1972)
Leonard Wilhelm Kalff Leonards
geb. 1736 8.7. Seite 193 7 1786 18.1. Seite 214, Raeren
00 1766 30.5. Seite 109/225
91
Anna Maria Ganser (Gansser) (Janser)
geb. 1743 30.3. in Breinig + 1808 16.1. Seite 113 Raeren
Ihre Eltern : Henrich Ganser in Breinig
00 Christine Thoelen
Kinder :
1. Potier, ouvrier potier, Ackerer, Raeren-Botz-Neudorf, Haus
450
Tilman Leonardus Kalff Leonards S
geb. 1767 16.4. Seite 52/60 t 1828 12.7. Nr. 30 Raeren
00 1798 30.9. Nr. 61 Dispens 3. Grad
Maria-Anne-Joseph Mennicken Rott
geb. 1778 2.2. in Eynatten t 1838 9.8. Nr. 61 Raeren
Ihre Eltern : Hubert Mennicken Rott
00 1772 2.2. Maria Isabella Wilh.
de Lamboy
2. Johannes Henricus Kalff 5
geb. 1769 24.10. Seite 66 T 1794 8.3. Seite 190/23 Jahre
3. Peter Jacobus Kalf
geb. 1775 1.11. Seite 85
00 1799 30.6. Seite 202
Maria Anna Schauff
geb. 1780 7.10. Seite 160
4. Nicolaus Joseph Kalf ;
geb. 1776 3.12. Seite 107/91 + 1778 19.1. Seite 203/29
5. Anna Gertrud. Kalf (ff)
geb. 1779 9.6. Nr. 28, Seite 134 +} 1854 18.4. Nr. 22
oo 1805 19.2. Seite 245
Jean Lambert Krott, Bäcker, Müller,
Mühlenbesitzer, R.-Botz-Knippchen
geb. 1778 18.5. Seite 121 4.1851 10.2, Nri;22
Seine Eltern : Jois Crott, Bäcker
00 1770 19.5. Seite 234 Anna Maria
Mennicken Lentz %
6. Johannes Joseph Kalf
geb. 1783 19.4. Seite 84 T 1803 19.4. Seite 84
7. Maria Anna Kalf
geb. 1786 1.6. Seite 136 t 1786 3.11. Seite 343
92
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Haus in der Mitte mit rechter Hälfte des links anschließenden Hauses, auf
Raeren-Botz, Knippchen, heute Hochstraße, 44, seit Generationen Wohn- und
Werkhaus Kalff.
1848 Teilung mit Lambert Crott & Gertrud Kalff
Heutige Besitzer sind Nachkommen : Fam. Steffens-Crott
Potier, Ackerer, Bauersmann, Raeren-Botz-Knippchen, Haus Nr.
440
Peter Jacobi Kalf (ff) Leonards
geb. 1773 1.11. Seite 85 Raeren. + 1846 16.12. Nr. 89 Raeren
oo Kirchliche Urkunde : Raeren,
1799 30.6. Seite 202 Dispens 3. Grad
oo Weltliche Urkunde : Raeren 1801 9.3.
Maria Anna Schauff
geb. 1780 7.10. Seite 160 Nr. 69 * 1818 16.10. Nr. 53 Raeren
Ihre Eltern :
Johann Schauff Mathissen 00
Maria Josepha Looslever
oo 2. Ehe als Wittwer 1821 15.11. Seite 40
93
Anna Barbara Pitz, Wittwe von
Adam Mennicken Holley, Töpfer
geb. 1781 13.2. Seite 40 1844 18.8. Nr. 45 Raeren
Ihre Eltern : Johann Pitz oo 1774 12.2.
in Eynatten Joh. Cath. Roetheut
Kinder :
1. Anna Maria Kalf (ff)
geb. 1799 24.10. S. 56 Nr. 74 +} 1859 3.9. Nr. 56 Raeren
oo 1827 23.5. Seite 15
Nicolaus Mennicken Sohn Leonard, Töpfergeselle
geb. 1795 25.11. Nr. 448
Seine Eltern :
Leonard Mennicken Jacobs 00
1790 5.6. Seite 115
Anna Barbara Emonds-Botz-Botz
2. Johann Leonardus Kalf (ff)
geb. 1802 5.9. Seite 119 Raeren
oo 1833 19.6. Nr. 16 Raeren
Johanna Catharina Mennicken Deris
geb. 1808 7.6. Seite 24 Raeren
3. Johannes Hubertus Kalf
geb. 1805 16.4. Seite 182 T 1808 17.6. lettre 28 Raeren
4. Peter Jacobus Kalff (ff), Pliesterer,
geb. 1808 19.2. Seite 13 Raeren
00 1839 18.4. Nr. 5 Raeren
Anna Elisabeth Bragard 5
geb. 1809 17.11. Raeren
Ihre Eltern : Heinrich Bragard, Fuhrmann, Raeren-Rott
oo Johanna Maria Mennicken-Lentz
5. Joes Joseph Kalf (ff)
geb. 1810 28.4. Seite 31 t 1811 1.4. Seite 125
6. Maria Josepha Kalff (ff)
geb. 1812 25.2. Seite 45 T 1813 10.1. Seite 130
7. Johannes Bartholomäus Kalf (ff)
geb. 1813 11.12. lettre 51 t 1818 25.12. Nr. 68
8. Johannes Henricus Kalf (ff),
Plavonneur, Raeren-Drisch
94
geb. 1816 10.11. lettre 39 t 1896 19.4. Nr. 28
Nr. 76 Grabstätte : Schumacher/Kalff
00 1846 29.5. Nr. 10
Raeren, Friedhof, Iks.
Maria Josepha Croe
geb. 1816 10.5. Raeren } 1896 13.4. Nr. 26
Grabstätte : Schumacher/Kalff
Raeren, Friedhof, Iks.
Ihre Eltern :
Winand Cro6e, Schuster, Raeren
00 Maria Ida Roedtheuts
Aus 2. Ehe :
9. Pliesterer, Steinhauer, wohnte mit seiner Familie in Eynatten,
Wesselbend Nr. 62, über der Haustüre der Name der Eheleute
eingemeißelt (1972) sie hatten 12 Kinder
Johann Joseph Kalf (ff)
geb. 1822 29.9. Nr. 70 Raeren 7 1884 9.4. Nr. 8 Eynatten
oo 1850 14.8. Nr. 20 Raeren Register
Catharina Theresia Hubertina Lambertz
geb. 1822 23.2. in Hauset t 1877 25.2. Nr. 6 Eynatien
Register
Ihre Eltern :
Johann Heinrich Lambertz,
Gemeindeförster
00 Catharina Böttchenbach
10. Maria Catharina Kalf (ff) n
geb. 1825 26.11. Nr. 85 Raeren 7} 1870 11.1. Nr. 5 Eupen
00 1835 15.4. Nr. 4 Raeren
Jacob Johann Schauff, Bäcker,
Steinhauer
geb. 1825 7.4. Raeren "ft 1888 14.2. Nr. Raeren
Seine Eltern :
Joseph Nicolaus Schauff,
Ackerer
00 1818 10.4. Nr. 4 Raeren
Register
00 Anna Maria Pabst
95
Pliestermeister, Neudorp-Botz-Knippchen, im Hause 448, seit ca.
1845 in Aachen wohnhaft. d
Johann Leonard Kalff
geb. 1802 5.9. Seite 119 P. + 1889 13.11. Aachen,
Leonardstraße 5
00 1833 19.6. Nr. 16 Raeren Grabstätte Aachen, Ostfriedhof
Johanna Catharina Mennicken Holley Deris
geb. 1809 7.6. Seite 24 Raeren 7 1862 12.4. Aachen, Wallstr. 3
Grabstätte Aachen, Ostfriedhof
Ihre Eltern :
Jean Theodor Mennicken Holley Deris
00 1804 19.9. Seite 241 Raeren Anna
Margaritha Pitz, Mathissen, Töpferin
Kinder :
1. Jacob Hubert Kalff
geb.. 1835 24.1. Nr. 7 Raeren
00 1865 11.9. Aachen
Maria Magdalena Hubertine Contzen
geb. 1843 14.8. Aachen f
2. Johann Nicolaus Hubert Kalff
geb. 1837 24.4. Raeren T Altersheim, Stotzheim/
Euskirchen
‚ T 1905 31.5. ledig, Aachen
Leonardstraße 11, Ostfriedhof
3. Mathias Hubert Kalff, Baumeister
geb. 1839 24.12. Raeren T Nizzaallee 3a, Aachen
oo 1872 5.8. Aachen t 1922 7.4. Aachen, Ostfried-
hof
Johanna Malmedy
geb. 1848 17-1, Aachen T 1910 15.10. Aachen, Ost-
friedhof Aachen, Nizzaallee 3a
Ihre Eltern :
Franz Joh. Wilhelm Vinzens Malmedy
00 1834 23.5. Gertrud Hambock
4. Maria Anna Kalff Aachen, Leonardstraße 11
geb. 1842 14.2. Raeren * 1937 30.5. ledig, Stotzheim/
Euskirchen, Altersheim.
Aachen, Ostfriedhof
97
Der Truest
von Gerard Tatas
Bejrave hat der Pierre sing Vrow,
Jott, jäv hör Siel de ew’je Row! -
Now völle Vrönde, Nonke, Tante, €
De janze noh en wij Verwandte
Tesame op et Duedemohl
De Schötz sech en et Kamesol.
Be Kaffee, Pick en Beer en Platz
En Brötsch’re, Kies en Värkesbatz
Wätt allgemein derva jekallt,
Dat sech der Pierre, dä dat betallt
En ajjen Thek steht janz e schwat,
Hell tapfer hüj jehauwe hat,
”E hat jeng Tron hüj valle lote!”
Sätt enge van sing Kamerote.
Ne jowe Vrönd äl, wie et schingt,
Däm jeht et häl, dä jringt en jringt,
En makt drej Schnüteplagge nat,
Dat deht der Pierre Ping ajjen Hat,
Häe jeht bes bej höm stell en lätt
En Hand höm op e Knee en sätt :
”Now trües dech doch, behauw jätt Mot,
Et wätt doch alles werrem jot.
Ech sag dech, leve Florian,
Ech schaff mech äl en Vrow wer an!”
98
Auf dem Büchertisch
von Alfred Bertha
Unsere Mitarbeiterin Maria-Theresia Weinert schreibt nicht
nur Gedichte. Seit Jahren kennen die Hörer des BRF sie als
”Märchentante””, die fast allwöchentlich in der Kindersendung
am Samstagabend zu hören ist. 1968 erschien im Verlag Wissen-
schaftliches Archiv Bad Godesberg der Märchenband ”’Die Reise
nach China”, der die Autorin erstmals einem größeren Leserkreis
bekannt machte. Unter dem Titel
”Cölestin Zappel erzählt” (1) legt nun M.-Th. Weinert einige
der im BRF gesendeten Märchen vor. Cölestin Zappel ist ein
Hausgeist in einem der alten Häuser, ”wo es keine Zentralhei-
zung, keine schön eingerichteten Badezimmer und keinen Fern-
sehapparat gibt. Dort brennt noch ein Herdfeuer, alte Stand-
uhren haben seit urdenklichen Zeiten ihren festen Platz, und der
Holzwurm tickt in der knarrenden Holztreppe”.
Der kleine Kobold ist mit dem Ururgroßvater in ein solches
Haus eingezogen und im Laufe der Zeit hat er so allerlei
miterlebt, was er in dem vorliegenden Bändchen den Kindern
erzählt. An seinen Geschichten werden Kinder eine helle Freude
haben. Besonderes Lob verdient die sehr einfühlsame Illustrie-
rung von Gabriela De Ridder, die großes zeichnerisches Talent
zeigt. (2)
(1) ”Cölestin Zappel erzählt”, mit Bildern von Gabriela De Ridder, herausgege-
ben vom Elternverband FAPEO-Ost, 108 S., erhältlich in allen Buchhandlungen
unseres Gebietes, sowie bei den Elternratsvertretungen der FAPEO-Ost (100 F.).
(2) Wir dürfen hier noch erwähnen, daß der in Nr. 25 unserer Zeitschrift erschie-
nene Aufsatz über die Via Mansuerisca von Gabriela De Ridder ins Deutsche
übersetzt wurde.
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Jahresbericht 1979
1. Veranstaltungen
JANUAR :
Am 14.1.79 wurde die jährliche Generalversammlung im Hotel Reinartz Neu-
Moresnet durchgeführt. Im vollbesetzten Versammlungsraum konnte Präsident
Peter Zimmer neben den vielen Mitgliedern auch zahlreiche Gäste aus nah und
fern begrüßen, unter ihnen Kulturhauptinspektor Firmin Pauquet und Gattin und
den Referenten des Nachmitiags, Prälat Dr. Erwin Gatz aus Rom. Den
Tätigkeitsbericht für das Jahr 1978 verlas die Vizepräsidentin, Frau Dr. De
Ridder. Dieser Bericht war ein beeindruckender Spiegel der vielseitigen Tätigkeit
der nunmehr seit 12 Jahren bestehenden Göhltalvereinigung, deren Vorsitz von
Herrn Peter Zimmer seit. 10 Jahren und 7 Tagen ausgeübt wird. Der Vizepräsident
A. Janclaes berichtete über seine Arbeiten an der Mitgliederkartei. Bis zum
31.12.78 zählte die Vereinigung 581 Mitglieder. In Sachen Naturschutz verlas
Herr Janclaes das Protestschreiben gegen die Mülldeponie-bei Campo in Prestert-
Hauset. Der Vereinigung ist es eine wichtige Aufgabe, die Natur zu schützen;
folglich wird sie auch alle solche Aktionen unterstützen. Herr Steinbeck, der
Kassierer, gab einen ausführlichen Finanzbericht, aus dem hervorging, daß der
Haushalt 78 nur wegen der Zuschüsse, insbesondere des Kulturamtes, mit einem
Bonus abgeschlossen werden konnte. Präsident Zimmer ergriff danach das Wort,
indem er einen Dank an das Kulturamt und vor allem an die Gemeinde Kelmis
richtete, die die Vereinigung als einzige im Göhltalraum finanziell unterstütze.
Sein Dank galt auch Herrn Jean De Ridder, der das Sekretariat bis zur
Übernahme durch Herrn Palm im Herbst 1978 sechs Jahre in vorbildlicher Weise
führte. Er erwähnte dankend den Lektor, Herrn Bertha, der sich unermüdlich für
die Gestaltung der Zeitschrift ”Im Göhltal”’ einsetzt. Vor allem aber hob er die
Mitglieder lobend hervor, die sich getreu an allen Veranstaltungen beteiligt
haben.
Bei dem anschließenden Lichtbildervortrag durch den Prälaten Dr. Erwin Gatz,
Rektor des Collegium Teutonicum im Campo Santa Maria in Rom, gab dieser mit
seinen 150 Lichtbildern ein sehr eindrucksvolles Zeugnis von dem Schaffen
Michelangelos (1475-1564), des größten Künstlers der Renaissance. Er zeigte, wie
dieser in vierjähriger Arbeit die in aller Welt berühmten biblischen Deckenfresken
der Sixtinischen Kapelle auf geniale Weise darstellte,
MÄRZ :
Zu einem interessanten Vortrag lud die Vereinigung am 16.3. im Park-Cafe
Kelmis ein. Frau Dr. De Ridder konnte Herrn Dipl.-Ing. Beyer aus Netteshöve
(Eifel) begrüßen, der sich seit Jahren mit der Mineralogie und Geologie,
insbesondere der Eifel, befaßt. Diesmal ging es um die Veränderung an einem
Kristall unserer Mineralien. Mit dem Vorgang der Kristallisation wollte Herr
Beyer darlegen, daß Mineralien nicht leblose Zustände einer toten Welt, sondern
Produkte eines lebendigen Wachstums und einer fortschreitend sich ändernden
Entwicklung sind und Teil einer Stoffgemeinschaft, die das äußere Erscheinungs-
bild des Kristalles prägt. Und das sollte zum Nachdenken anregen.
25.3. : Mit 23 interessierten ”Bergleuten”” konnte Herr Peter Zimmer wieder nach
Genk zur Grube Waterschei fahren. Die Besichtigung der unterirdischen Anlagen
begeisterte wiederum sehr.
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NOVEMBER :
16.11, : Über die Numismatik in unserem Gebiet und ihre Frühgeschichte bis zum
14. Jahrhundert sprach der bekannte Numismatiker, Herr Peter Ramjoie, vor
einem sehr interessierten Kreis im Park-Cafe Kelmis.. Sein Vortrag über das
Münzwesen im Land von Rhein und Maas zeigte sehr anschaulich die Entwick-
lung des Geldverkehrs bis in unsere heutige Zeit. Dieser Vortrag stellte einen
wichtigen Baustein auch zur Erfassung der Geschichte unserer Gegend dar.
2. Sekretariat
Im Jahre 1979 wurde das Sekretariat durch Herrn Willi Palm geführt, die
Mitgliederkartei durch den Vizepräsidenten Herrn Albert Janclaes,
Briefwechsel : S
Vom 1.1. bis 31.12.1979 erhielt unsere Vereinigung 137 Briefsendungen, und 236
Briefe wurden verschickt.‘ Unseren Mitgliedern wurden die Zeitschrift ”Im
Göhltal”” Heft Nr. 24 und 25, sowie die Veranstaltungsprogramme für das 1. und
2. Halbjahr 1979 und für das 1. Halbjahr 1980 übersandt.
3. Veröffentlichungen 1979 :
Das Heft im Göhltal Nr. 24 erschien im Mai, Ende Oktober das Heft Nr. 25. In der
hiesigen Presse wurden diese Veröffentlichungen durch Herrn Gerard Tatas
ausführlich besprochen. Die Gestaltung dieser Hefte obliegt unserem Lektor,
Herrn Alfred Bertha, der sich sehr dafür einsetzt.
4. Pressemitteilungen 1979 :
Über alle Veranstaltungen : 6 Exkursionen, 2 Vorträge, 4 Lichtbildervorträge und
1 Grubenfahrt, wurde in der hiesigen Presse ausführlich berichtet, ebenso über die
Verwaltungsratssitzungen. Für Presseberichte war Frau Dr. De Ridder verantwort-
lich.
5. Göhltal-Museum
Am 20.11. wurden in der Gemeinderatssitzung in Kelmis alle Pläne des künftigen
Göhltal-Museums genehmigt. Mit Beginn des Jahres 1980 werden nunmehr
endgültig die Arbeiten beginnen. Das Museum findet Aufnahme in dem ehema-
ligen Gemeindehaus in dem Ortsteil Neu-Moresnet, Maxstraße, vorerst im
Hochparterre und in den Kellerräumen.
6. Mitgliederkartei :
Die Göhltalvereinigung weist bis zum 1.1.80 folgende Statistik an Mitgliedern
auf :
1973 1974 1975 1976 1977 1978 1979 1980
Mitglieder : 404 432 437 447 520 541 551 592
Tausch : 16 13 12 13 13 14 15 18
Pflicht : 10 20 16 - 16 16 15 5 15
Total : 430 465 465 476 549 570 581 625
7. Rundfunksendungen :
Unter der Leitung von Hubert Jenniges wurden an jedem 3. Mittwoch im Monat
ab 19 Uhr die ”Geschichtlichen Funkbilder”” der drei Geschichtsvereine unserer
Gegend gesendet. Unsere Vereinigung war durch folgende Beiträge vertreten :
17.1. Peter Ramjoie : 2. Teil über ”’Die Numismatik in unserem Gebiet”.
21.2. H.J. Gatz : ”3 Fahrten der Göhltalvereinigung”.
21.3. Dr. G. De Ridder : ”Die Göhltalvereinigung in Sachen Naturschutz”.
28.4. Peter Zimmer : Über das soziale. Engagement im Bergbau der ”Vieille
Montagne”’.-
107
16.5. Dr. G. De Ridder ”Das Portrait eines Dorfes - Gemmenich”.
20.6. H. Heydasch : Gedichte in Mundart von Peter Emonts-pohl.
19.9, Albert Janclaes : ”Der Stangenschützenverband”.
17.10 Dr. G. De Ridder : "Schloß Teuven”.
19.11. Freddy Nyns : ”Posthum ein Gedenken zu Ehren Jean De Ridder”.
15.12. M.-Th. Weinert liest aus eigenen Werken vor : ”Cölestin Zappel
erzählt”.
S Dr. G. De Ridder
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