Im Söhltal
A
GB Yan
A Tin Il 4 Tl
Ya AU ES
N FAZ —— SS d (eu
ZZ
ES Y | 7 A
WM / den
Ü ( zE AA
1 / Ti 7 Zt
Mei | SEE
—,‚; 4 E HH SA
Zn & A a
U
Sf | ES aa = ER
= an Gronzaum Nordostbelgiens ;
MS
7 AG LEE BE N BE N
BR A A
En A a RE N
BE DE DT
DE SE SO
u EEE TTS A N EA EL A Ma
ES ER NN N SH A A SAN N
ESS AS N N
WE Se A Da NE 3 SE
Bere EEE EA ZU
OA U an a
A AN NE ES NE A
7 . VE A ;
ee) DE N A
N NEN FE DT EEK NE A EEE
A ES NE
SS Sa AS
SEE A N
PR A O EE E
Ep N
N En EDEN A Te ED
N ER a NUN ea
A MEN An SEO NE AL EA
EA N AS A Fig
SS IS BE BROS A
A MS SEAN NE DE
En NN
N NS en SE ES Ö
EC SR ZI A
A en SE U
A BE
N ME
EN DE NE NN MOL
On SE AS EEE
EN MO EC
En Sn EN SEN
EA A ES N RE
BO EA
N SE SE
a ELSE SEE A NESUN En SE N CE
SE N SE SE
ES N ER en SC 5
RD BEE NS
En Sn A SEE a Sa ME
N PN E A A NE Ds
U N En EL ANA A Se
SA RE ESS N
EEE A
EEE ME RE U N TE EEE OT
SR KA AS
MAD Pal FE A EN
VE EN
A N Ss
ME KEN
A N
A N DE A
EN A
CN A
an EM BE NA NS ET
WO DA EN N DE EEE
BA A
NN A NN
N EN
ME Al A ET A K
EEE SD
EN NS RE
EEE BE
a Z SA A A A SR SZ
PK CE Rn
NS A A ET A
ED De EN BE SE
N Se
Zn N (ER DZ Be
ED A A
DE vn
SA He N en EN EB ON a Fa
SE AS N (E
N EN A a
a SE EAN En
VE
SS N CA
SE SR ES
ONE N
SH
N
8 N SE
A SS A A
FE U N DEKA SEO SE NE
A SS
N
Im Göhltal
ZEITSCHRIFT der
VEREINIGUNG
für
Kultur, Heimatkunde und Geschichte
im Göhltal
N° 23
1-78
Vorsitzender : Peter Zimmer, ”’Regina””, 4671 Moresnet-Kapelle.
Sekretariat : Kirchplatz, 6 - 4720 Kelmis.
Lektor : Alfred Bertha, Hergenrath, Bahnhofstraße, 20b.
Kassierer : Fritz Steinbeck, Kirchstraße, 20, Kelmis.
Postscheckkonto N° 000-0191053-60
Die Beiträge verpflichten nur die Verfasser.
Alle Rechte vorbehalten.
Entwurf des Titelblattes : Frau Pauquet-Dorr, Kelmis.
Diese Skizze zeigt den Moresneter Göhlviadukt sowie die Hergenrather
Hammerbrücke in ihrer ursprünglichen Form.
Druck. Jacques Aldenhoff, Gemmenich.
3
Inhaltsverzeichnis
Albert Janclaes, Walhorn _Wiederentdeckung alter Grabplatten
in der Walhorner Pfarrkirche 5
Alfred Bertha, Hergenrath Aus der Pfarrgeschichte Hergen-
raths (Forts.) 11
Franz Uebags, Kelmis Kelmis Anno dazumal 18
Walter Meven, Aachen Gefallene und Vermißte der ””’Großen
Armee” Napoleons, der Jahre 1812/13 36
Die Redaktion Rencontre avec le president du ”’Syn-
dicat d’Initiative des Trois Frontieres’”
Gespräch mit dem Vorsitzenden des
Verkehrsvereins ”’Drei Grenzen” 41
M.-Th. Weinert-Mennicken, Im Frühherbst (Gedicht) 55
Aachen
Peter Claes, Brüssel Zweiter Sippentag der Familie P.
Königs-Radermacher am 4. Juni 1977 56
Peter Emonts-pohl, Raeren Drei Gedichte in Raerener Mundart 62
Jaak Nijssen, Sint-Martens- Deutsche und belgisch-französische
voeren Typen gußeiserner Grabkreuze 66
Alfred Bertha, Hergenrath Notizen zur Schulgeschichte von
Eynatten und Hauset 28
Walter Meven, Aachen Ein Zwischenfall mit spanischen
Soldaten in Lontzen i. J. 1650 79
Charles Cravatte, Kelmis Das adlige Stift Sinnich 87
M.-Th. Weinert-Mennicken, Die Uhren (Gedicht) 9%
Aachen
Freddy Nijns, Walhorn Gedenkfeier zu Ehren des Geheimen
Sanitätsrats Dr. Wilhelm Molly 97
Dr. Gisela De Ridder, Das Portrait : Wilhelm Dithmar 103
Moresnet
Wilhelm Dithmar (+), Jugenderinnerungen an ”’Altenberg”” 107
Aachen
Leo Homburg, Fossey Aus meinem Familienarchiv : Kinder-
sterblichkeit vor 170 Jahren 111
Gerard Tatas, Gemmenich Die geheimnisvolle Truhe 114
5
Wiederentdeckung alter Grab-
°
platten in der Walhorner
Pfarrkirche
von Albert Janclaes
Auf Anregung von Kaplan Josef Evertz wurde Anfang März
1978 der Chorraum der Walhorner Pfarrkirche zur Mitte hin
erweitert. Gemäß der neuen Liturgie feiert der Priester das
Meßopfer nicht mehr den Gläubigen entrückt und ihnen den
Rücken zukehrend am Hochaltar; er ist ihnen zugewandt und
mehr in ihre Mitte gestellt. Derart wurde die hl. Messe auch in
Walhorn seit dem II. Vatikanischen Konzil gefeiert. Dem Wun-
sche des Kaplans folgend, sollte der Standort des Altars nun noch
weiter zur Kirchenmitte verlegt werden.
Zu diesem Zwecke mußten die ersten Bankreihen entfernt
werden. Sie fanden nach Abschluß der Erweiterungsarbeiten
rechts und links vom Altar Aufstellung. Vor allem die Gläubigen
der schwach besuchten Wochenmessen können sich jetzt um den
Altar gruppieren. Somit entsteht eine feierlich-familiäre Atmo-
sphäre.
Das Gestühl der Walhorner Pfarrkirche ist zu Beginn
unseres Jahrhunderts angeschafft worden. Der Blausteinbelag war
schon im ausgehenden 18. oder zu Beginn des 19. Jh. erneuert
worden und die dafür entnommenen herrlichen Grabplatten
gingen verloren. Es schien, als ob die Walhorner Kirche keine
Grabplatten mehr besäße, bis, ja, bis nun die Erweiterung des
Chorraumes in Angriff genommen wurde.
Die entfernten Bänke standen auf einem Holzfußboden,
welcher nach seiner jetzigen Entfernung den Blick auf vier
Grabplatten freigab. Man hatte also bei der Neugestaltung der
Kirche nur die sichtbaren Stellen des Fußbodens mit neuen
B'austeinfliesen belegt. Es ist zu erwarten, daß sich unter dem
restlichen Holzfußboden noch viele interessante Grabplatten
befinden. Vorerst ist jedoch nicht damit zu rechnen, daß wir sie
zu Gesicht bekommen. Auch die jetzt entdeckten Platten wurden
inzwischen wieder durch einen Teppichboden zugedeckt.
Diese vier Platten befinden sich zwischen dem ersten und
zweiten Säulenpaar vom Chorraum aus gesehen, und zwar in
6
einer Reihe in Richtung Nord-Süd, etwa 1,50 Meter vor den
Steinstufen zum Chorraum. Die neuen Holzstufen des nach vorne
gezogenen Chorraumes bedecken die Platten zur Hälfte. In
Blickrichtung Hochaltar liegen zwei Platten links und zwei rechts
von uns.
Die links gelegene erste Platte ist ein Fragment mit den
Maßen 100X92 cm. Ursprünglich ist diese Platte wohl 180 bis
190 cm lang gewesen. Die linke Hälfte wurde wohl bei der
Fußbodenneugestaltung einfach weggeschlagen. Die verbliebene
Hälfte zeigt kein Schriftbild mehr. Siebzehn Zentimeter weiter
nach rechts liegt die zweite 230X 110 cm große Platte. Sie besitzt
einen etwa 10 cm breiten Rand und eine Schrifttafel von 72X42 ‚,
cm, auf der jedoch auch nichts zu erkennen ist. Auf der
verbleibenden Fläche von 160X72 cm war ursprünglich ein
schweres, erhabenes Motiv in Medaillonform angebracht. Leider
muß dieses Motiv die Handwerker beim Verlegen des Fußbo-
dens gestört haben, denn es ist durch wuchtige Meißelschläge
entfernt worden und nur noch in den Umrissen erkennbar.
Nun folgt der 3,20 Meter breite Mittelgang mit neuem
Schachbrettbelag. Es ist zu vermuten, daß hier ursprünglich
ebenfalls eine große Platte lag, die leider für immer verloren ist.
Rechts vom Mittelgang liegt die interessanteste Platte. Ihre
Abmessungen sind 240 X 120 cm. Sie besitzt einen doppelten 14 cm
breiten Rand und liegt mit dem Wappenmotiv in Richtung Norden.
Das die Hälfte der Platte bedeckende Wappen ist in vier Felder
geteilt. Das linke obere und rechte untere Feld zeigen eine
fünfblättrige Blume, die sich oberhalb des das Wappen krönenden
Helms wiederholt. Das recht obere Feld und das linke untere Feld
zeigen jeweils drei französische Lilien, wobei diese Felder noch
einmal unterteilt sind und sich zwei Lilien im oberen und eine Lilie
im unteren Feld befinden.
Vom angedeuteten Helm zum Wappen hin hängt ein Malte-
ser- oder Johanniterkreuz. Das Wappen ist von einer großzügigen
Helmzier umgeben.
Die zweite Hälfte dieser Grabplatte bedeckt eine zur Hälfte
beschriftete Texttafel, deren Text deutlich lesbar ist, jedoch zur
rechten Seite einige Beschädigungen aufweist.
ALHIER LIGHT BEGRA VEN JUFERE a. hrs a treirre re
GUDULA MESSEN GEWESENE eeeeeree nenne EEE
BNNEVANDEN ER HANN era
8
INSYNLEEVEN GEWESEN HE
VANDE THOLLCARMERE DES LAND .. 4.0 leerer lie reee neh
LEIMBOURGH GREFFIER END: OMMIS Olli
DESER BANCKE VAN WALHORN DE DE
GESTORVEN IS DEN 2A PR 1797 Dede
WESENDE 82 JABRBEN RIP ii
40 cm weiter südlich von dieser eben beschriebenen Grabplatte
liegt die vierte Platte mit den Abmessungen 55X95 cm. Ihre Schrift
ist ebenfalls mit der Zeit vollständig abgetreten und unlesbar
geworden. Die Abmessungen lassen jedoch auf ein Kindergrab
schliessen.
Zwei 1765 bzw. 1767 angelegte Verzeichnisse der Walhorner
Grabplatten erlauben uns, den Text der obigen Inschrift zu vervoll-
ständigen. Wir sehen, daß es sich um den Stein der Gudula
Meessen, ”’gewesene gemaelinne van den Heere Johan Heyendal”
handelt. Letzterer war ”’Altrichter”” (gewesener Richter?) der
Zollkammer des Herzogtums Limburg sowie Gerichtsschreiber und
Kommissar der Bank Walhorn gewesen. Gudula Meessen starb am
2. April 1737 im Alter von 82 Jahren.
Wer war nun die Gudula Meessen, deren Grabplatte jetzt
wieder entdeckt wurde?
Will man den Wert des Fundes voll würdigen, so muß man
etwas näher auf die Person der Gudula Meessen eingehen.
Gudula Meessens Vater, Peter Meessen, hatte Maria Lambertz
aus Astenet geheiratet. Diese war eine Schwester des Abtes
Winand Lamberts/Lamberti von Rolduc/Herzogenrath. Gudula
Meessen war also eine Nichte dieses Abtes.
Der Ehemann der Gudula Meessen, Johann Heyendal, starb
1717 im Alter von 62 Jahren und wurde im Mittelgang der
Walhorner Kirche in einem Familiengrab der Heyendal beige-
setzt. Ein schöner heute verlorener Wappenstein zierte die Gruft.
Von den vier Söhnen der Eheleute Heyendal starben drei
verhältnismäßig jung und ohne Nachkommen. Der vierte, Hein-
rich, heiratete Margaretha Goor. Aus dieser Ehe ging unter
anderen Gerhard Heyendal hervor, der 1749 Prior von Rolduc
und. 1757 Pfarrer von Eupen wurde.
10
Gudula Meessen war also die Großmutter dieses Eupener
Pfarrers. Sie war auch die Schwägerin des berühmten Nicolaus
Heyendal, eines Bruders ihres Mannes, der 1695 der erste Pfarrer
der von Baelen losgelösten Pfarre Eupen wurde und von 1712 bis
zu seinem Tode i.J. 1733 der Abtei Rolduc als Abt vorstand.
Von den vier Brüdern der Gudula Meessen finden wir einen
bei den Augustinerchorherren in Rolduc, einen anderen als
Kanonikus am St. Adalbert Stift in Aachen und Regens der
königlichen Kapelle im Aachener Dom; ein dritter war bei der
Schweizer Garde in Rom, ehe er Schöffe und Kommissar der
Bank Walhorn wurde. Der vierte war ”’Stadthalter’’ von Burtscheid,
Schöffe, Kommissar und Einnehmer von Walhorn sowie Mitglied .
des Kapitels ULF in Aachen. Von den beiden Schwestern
Gudulas ging die eine ins Kloster, die andere war geistig
beschränkt.
Johann Heyendal und Gudula Meessen wohnten erst auf dem
heute noch erhaltenen Mützhof in Astenet, später im Panhaus
dortselbst. Soweit die wichtigsten Angaben zur Genealogie der
Toten.
Was den Grabstein angeht, so fällt auf, daß die Hälfte der
für die Inschrift vorgesehenen Fläche frei geblieben ist. Wir
wissen aber, daß 1754 ein Sohn der Gudula Meessen, Heinrich,
im Grab seiner Mutter beigesetzt wurde. Da es sich bei ihm um
den Ehemann der 1767 noch lebenden Margaretha Goor handelt,
darf man annehmen, daß auch diese nach ihrem Tode in derselben
Gruft beigesetzt worden ist. Aus welchen Gründen die Namen von
Heinrich Heyendal und Margaretha Goor nicht auf dem Stein
stehen, wird wohl eine offene Frage bleiben.
11
Aus der Pfarrgeschichte
Hergenraths
(a-Rostsetzung) Von Alfred Bertha
In Erwartung der Neubesetzung der durch den Tod von
Pfarrer Hilligsmann vakant gewordenen Pfarrstelle half Kaplan
Karl Pauquet der Gemeinde wieder mit selbstlosem Einsatz aus.
Am 17.1.1972 konnte die Pfarre dann erleichtert aufatmen : der
Bischof hatte einen noch relativ jungen Geistlichen mit der
Seelsorge in Hergenrath betraut, und zwar den 1932 in Nieder-
Emmels geborenen und 1958 in Zandhoven geweihten Toni
Wiesemes, der dem Orden der Patres der hl. Herzen Jesu und
Mariä (”Arnsteiner Patres’”’, SSCC) angehört. Der neue Pfarrer
war von 1960 bis 1972 Kaplan, erst in Wezembeek-Oppem, dann
in Rijmenam bei Mecheln.
Seine erste hl. Messe in Hergenrath feierte Toni Wiesemes
am 17.1.1972. Im Pfarrblatt drückte er den Wunsch und die
Hoffnung auf gute Zusammenarbeit mit allen aus, damit die
Pfarre eine einzige große Familie werde. Eine offizielle Einfüh-
rung fand nicht statt. 3
Hergenrath hat schon viele Jahrzente lang keinen Geistlichen
mehr hervorgebracht. Doch als am 16. Juni 1973 der Kelmiser
Jungpriester Joseph Evertz in unserer Pfarrkirche aus den Händen
des Bischofs von Lüttich die Priesterweihe empfing, da feierte die
Pfarrgemeinde dieses Ereignis, als ob er einer der ihrigen wäre,
hatte doch Joseph Evertz sein Praktikum in unserer Pfarre
absolviert und ein Jahr lang an der Gestaltung der Gottesdienste
mitgewirkt. Die Feier gestaltete sich zu einer erhebenden Kund-
gebung der Sympahtie für den jungen Priester, der am darauffol-
genden Tag Primiz in Kelmis feierte.
lol EEE
1973 wurde die Lautsprecheranlage in der Kirche erneuert,
1975 begann man mit den Arbeiten am Kirchturm, der im
Sommer 1976 neu geschiefert wurde. 1977 wurde mit der
Renovierung der Orgel begonnen. Durch zu starkes Heizen hatte
die Orgel so sehr gelitten, daß sie unbespielbar geworden war
Vor die Frage gestellt, ob man eine neue Orgel anschaffen,
12
oder eine kostspielige Reparatur der alten vornehmen solle,
entschied man sich zu letzterem, nicht zuletzt auch wegen des
eichenen Orgelkastens, der erhalten werden sollte.
Da die Mittel für eine sofortige Generalüberholung der Orgel
fehlten, wurde in drei Arbeitsstufen vorgegangen. Neben einer
monatlichen Kollekte für die Orgel wurden zusätzliche Mittel
durch Orgelkonzerte und durch den Verkauf ausgedienter
Orgelpfeifen beschafft. Die beiden ersten Arbeitsstufen wurden
1977, die dritte im April 1978 abgeschlossen. Die Arbeiten
wurden durch den Orgelbauer Peter Berretz (Eschweiler) ausge-
führt.
Pfarrer Toni Wiesemes war Neuerungen gegenüber bisher .
sehr aufgeschlossen. Er führte (wohl als erster in hiesiger Gegend)
Bußfeiern ein, ließ in der Christmesse 1973 erstmals die Kommu-
nion von einem Laien austeilen und nahm 1977 Mädchen in die
Meßdienergruppe auf.
ok ok OR RR ko ok okok ok ok ko okalokok k ok kokoookokokkkkkkk
In der vorigen Folge zur Pfarrgeschichte Hergenraths wiesen
wir schon kurz auf die Abtrennung der Gemeinde Neu-Moresnet
von der Pfarrgemeinde Hergenrath hin. Auf dieses einschnei-
dende Ereignis wollen wir hier etwas näher eingehen.
Schon 1895 schrieb Pfarrer Mertz bei Gelegenheit der
Kirchenvisitation, es sei sehr zu bedauern, daß viele Einwohner
von Preußisch-Moresnet (Zahl der Katholiken : 600) die nahe
gelegene Pfarrkirche von Neutral-Moresnet besuchten, statt der
20-30 Minuten entfernten Kirche Hergenrath. Wörtlich schreibt
der Pfarrer : ”’Auch gehen dort sogar, weil herkömmlich, Kinder
dieser Pfarre zur ersten hl. Kommunion, Kranke werden dort
versehen ohne mein Wissen, Wöchnerinnen ausgesegnet etc. Ein
bischöfliches Wort, auf das ich mich berufen könnte, um diesem
Übelstande ein Ende zu machen, wäre da sehr wünschens-
wert.” (1)
Die geographische Nähe zu Kelmis brachte es mit sich, daß
die Neu-Moresneter ihre Bindungen an Hergenrath immer mehr
lockerten und sich zu der 1858 errichteten Pfarre Kelmis hinge-
13
zogen fühlten. Die Gemeinde Neu-Moresnet beteiligte sich zwar
weiterhin an den Kultuskosten der Gemeinde Hergenrath, aber
die Teilnahme am religiösen Leben der Pfarre Hergenrath be-
schränkte sich auf einige wenige Gelegenheiten, wie Taufe,
Erstkommunion (und dies nicht mal in allen Fällen), Trauung
und Beerdigung. Die Fronleichnams- und Bittprozessionen gaben
dem Pfarrer von Hergenrath die Gelegenheit, seinen Amtsbereich
in aller Öffentlichkeit zu dokumentieren.
An der rechtlichen Zugehörigkeit Neu-Moresnets zur Pfarre
Hergenrath wagte niemand zu rütteln. So war denn der Hergen-
rather Kirchenfabrikrat ziemlich schokiert, als er im Juni 1923
durch die Tagespresse erfahren mußte, daß gewisse Kreise in
Kelmis bei der Regierung in Brüssel und beim Bischof von
Lüttich Schritte unternommen hatten, um die Gemeinde Neu-
Moresnet an die Gemeinde bzw. Pfarre Kelmis anzuschließen.
Der Kirchenrat fühlte sich verpflichtet, gegen eine solche Anmas-
sung entschieden Protest anzumelden und Verwahrung einzule-
gen, werde doch dadurch die Pfarre Hergenrath aufs schwerste
geschädigt.
Es blieb auch alles wie gewohnt. Erst 1946 kam wieder
Bewegung in diese Angelegenheit. In einer lakonischen Mitteilung
des Neu-Moresneter Bürgermeister- und Schöffenkollegiums an
den Kirchenvorstand von Hergenrath, datiert vom 16. März 1946,
heißt es, daß durch bischöflichen Beschluß vom 14. März 1946
die Angliederung Neu-Moresnets an die Pfarre Kelmis erfolgt sei.
Infolgedessen sei es der Neu-Moresneter Behörde unmöglich, an
den Einführungsfeierlichkeiten des neuen Herrn Pastors offiziell
teilzunehmen. Die bischöfliche Abtrennungsurkunde trägt das
Datum des 5. April 1946. Sie lautet :
”In Anbetracht des Bittschreibens der Einwohner der Ortschaft
Neu-Moresnet, die eine Trennung von der Pfarre Hergenrath und
eine Angliederung an die Pfarre Kelmis erbitten;
In Erwägung, daß die Ortschaft Neu-Moresnet eine selbständige
Zivilgemeinde bildet, welche ungefähr 3 km von der Kirche von
Hergenrath entfernt liegt und daß dieserhalb fast alle Einwohner
Neu-Moresnets die Pfarrkirche von Kelmis besuchen;
Nach Anhörung der Pfarrgeistlichen von Kelmis und Hergenrath
sowie des Kapitels Unserer Kathedrale;
Trennen Wir hiermit die Gemeinde Neu-Moresnet von der Pfarre
Hergenrath und gliedern sie der Pfarre Kelmis an, und zwar so,
14
daß in Zukunft die Grenzen der Zivilgemeinde Neu-Moresnet als
die Grenzen der Pfarre Kelmis zu betrachten sind.
Gegeben zu Lüttich am 5. April 1946
Ludwig Joseph, Bischof von Lüttich
Auf ein Schreiben des Bezirkskommissars von Verviers zur
Lostrennung Neu-Moresnets vom 25.4.1947 reagiert der Kirchen-
vorstand ziemlich gemäßigt. Er erkennt an, daß die Bevölkerung
von Neu-Moresnet regelmäßig den Gottesdienst in Kelmis be-
sucht und praktisch dieser Pfarre angehört. Wohl habe sie immer
ihre Osterkommunion in der Pfarrkirche von Hergenrath gehal-
ten, auch hätten die Erstkommunion der Kinder sowie Heiraten ü
und Beerdigungen in Hergenrath stattgefunden.
Dennoch erklärt sich der Kirchenvorstand nicht einverstan-
den mit der vorgenommenen Trennung, weil diese zu einem
ungünstigen Augenblick, zum Nachteil der Zivilgemeinde und der
Kirchenfabrik geschehen sei. Die Gemeinde Neu-Moresnet habe
bisher beinahe ein Drittel des Kultuszuschusses getragen und sei
auch teilweise für den Unterhalt des Friedhofes aufgekommen,
was für Hergenrath eine bedeutende Entlastung gewesen Sei.
Die zivilen Behörden waren nicht so schnell wie die geistli-
chen mit dem Anschluß fertig. Im Januar 1949 bat der beigeord-
nete Bezirkskommissar um eine Stellungnahme des Kirchenvor-
standes zu dieser Frage.
Diese Stellungnahme wurde am 23. Januar 1949 durch den
Kirchenvorstand erarbeitet; man wies darauf hin, daß Neu-
Moresnet niemals eine selbständige Pfarre gewesen sei und von
jeher zur Pfarre Hergenrath gehört habe. Der Kirchenvorstand
verwies auf seine Opposition gegen die vorgesehene Trennung, wie
sie schon in einem Beschluß vom 18.5.1947 dem Bezirkskommissar -
mitgeteilt worden sei. Die Trennung Neu-Moresnets von Hergen-
rath sein einseitig geschehen; sie bedeute einen finanziellen
Nachteil für die Zivilgemeinde Hergenrath. Die Gemeindeverwal-
tung von Neu-Moresnet habe diese Machenschaft unternommen,
um finanzielle Vorteile zu erreichen, da sie früher 2/5 der
Kultusintervention gezahlt habe, jetzt aber, nach dem Anschluß
an Kelmis, keinen Kultuszuschuß an die Kirchenfabrik Kelmis zu
zahlen brauche. Der Kirchenfabrikrat sei wie im Jahre 1947 gegen
die vorgeschlagene Trennung.
15
Eine ausführliche Begründung seiner ablehnenden Haltung
gab der Kirchenvorstand am 20. Juli 1949. Neben den schon
gegebenen Argumenten kam die Frage des Kirchenbesitzes zur
Debatte. Eine Teilung dieses Patrimoniums konnte nach Ansicht
der Kirchenvertreter nicht in Frage kommen da
— die Trennung von Hergenrath allein durch die Gemeindever-
waltung Neu-Moresnet gewollt sei und ohne vorherige Befragung
der Kirchenfabrik Hergenrath und der Gemeindeverwaltung
Hergenrath vom Bischof beschlossen worden sei;
— die Gemeinde Neu-Moresnet nicht eine selbständige Pfarre
werden, sondern sich der Pfarre Kelmis anschließen wolle;
— das sämtliche Grundvermögen der Pfarre Hergenrath sich
ausschließlich auf dem Gebiet der Gemeinde Hergenrath befinde;
— Neu-Moresnet einseitig gehandelt habe;
— es nicht gerecht sei, in diesem Falle die Kirchenfabrik von
Kelmis zu bereichern aus dem Grundvermögen, das ursprünglich
einzig und allein Eigentum der Kirche Hergenrath gewesen und von
Hergenrathern gestiftet worden sei;
— die Teilung des Patrimoniums die finanzielle Lage der Kirchen-
fabrik Hergenrath noch verschlechtern und die Lasten der
Gemeinde noch vermehren würde;
— die Kirchenfabrik jedes Jahr bedeutende Zuschüsse benötige,
um lebensfähig zu sein;
— die Kirchenfabrik von Kelmis die Hergenrather nichts angehe,
und die Trennungsfrage allein Neu-Moresnet und Hergenrath
betreffe; aus all diesen Gründen war der Kirchenvorstand der
Ansicht, daß die Kirchenfabrik Hergenrath zu keiner Verpflichtung
gegen die Kirchenfabrik Kelmis gezwungen werden könne.
Zur Frage des Kircheneigentums gab der Kirchenvorstand zu
bedenken, daß die jetzige Hergenrather Kirche im Jahre 1843
begonnen und 1846 vollendet worden sei. Im Urkundenbuch und in
der Gemeindechronik stehe keine Erwähnung, daß die Einwohner
von Preußisch-Moresnet sich an dem Bau der neuen Pfarrkirche
beteiligt hätten. Dieses sei auch kaum anzunehmen, da die
Kirche 5 Minuten entfernter von Preußisch-Moresnet, ungefähr im
Zentrum von Hergenrath gebaut worden sei, was den Leuten von
Preußisch-Moresnet bestimmt nicht gefallen habe. Sie seien ja auch
kaum 25 Jahre von ihrer Mutterkirche (Moresnet) getrennt
gewesen. Ihre Begeisterung und Anhänglichkeit für ihre neue
16
Pfarrkirche sei bestimmt nicht sehr groß gewesen, sicher nicht
größer als 1949. (2)
Abschliessend meinte der Kirchenvorstand zu dieser Frage des
Eigentums : ’’Wenn die Neu-Moresneter ihre eigenen Wege gehen
wollen, daß sie dann mit leeren Händen gehen; sie haben keinen
Anspruch zu erheben auf unser Vermögen, um es in den Schoß einer
fremden Gemeinde oder Kirchenfabrik hineinzulegen!”
Auch auf den Friedhof hatte Neu-Moresnet keine Ansprüche
zu stellen, da dieser schon im 16. Jh. angelegt wurde, zu einer Zeit,
wo Neu-Moresnet noch zur Großpfarre Moresnet gehörte. Ab 1821
wurde er von Neu-Moresnet und Hergenrath gemeinsam unterhal-
ten. Seit März 1946 wurden keine Einwohner Neu-Moresnets mehr *
in Hergenrath beerdigt.
Seine Opposition gegen die Loslösung Neu-Moresnets gab der
Kirchenvorstand erst im Juli 1951 auf, unter der Bedingung jedoch,
”daß das schon so geringe Vermögen der Kirchenfabrik Hergen-
rath, wozu die Gemeinde Neu-Moresnet nie im Geringsten
beigetragen hat und worauf sie also keinen Anspruch erheben kann
und erheben will, unangetastet bleibe.”
Das Justizministerium, dem in unserem Lande das Kirchen-
wesen untersteht, vollzog die Abtrennung Neu-Moresnets von
Hergenrath erst am 27. Oktober 1951.
oo ook OR GR
Mit vorliegendem Beitrag wollten wir die Pfarrchronik Hergen-
raths abschliessen. Der Fund einiger bisher unbekannter Archiv-
unterlagen macht jedoch einen Nachtrag nötig, den wir in der
nächsten Göhltal-Nummer bringen werden.
ko
Quellen und Anmerkungen
(1) Diözesanarchiv Aachen Pfarrakten Hergenrath
(2> Pfarrarchiv Hergenrath
Die Hergenrather Gemeindevertreter irrten ganz offensichtlich, als sie
behaupteten, Neu-Moresnet habe zu den Kirchenbaukosten im vorigen Jahrhundert
nicht beigetragen. Wir besitzen das Protokoll einer durch Bürgermeister von Lasaulx
am 13. Februar 1838 einberufenen Versammlung, daß nach anfänglicher Opposition
gegen den Standort der neuen Kirche schließlich bei der Stimmenzählung doch nur
17
14 ”Kelmiser”” (von der Kelmiser Heide) sich für einen Neubau am Friedhof
aussprachen. Ein Gemeinderatssitzungsprotokoll vom 6. Mai 1850 sagt, man habe
am 25. März 1850 eine Übereinkunft wegen der von der Gemeinde Neu-Moresnet zu
den Kirchen- und Schulbaukosten zu leistenden Beträge erzielt und der Landrat von
Harenne habe Namens der Hergenrather Gemeinde sich mit dem von Preußisch-
Moresnet angebotenen Betrag von 4.723 Taler, 17 Silbergr. und 3 Pf zufrieden
gezeigt. Nach Abzug gewisser Forderungen an Hergenrath blieben 2.500 Taler zu
Lasten Moresnets, zu deren Tilgung Hergenrath der Nachbargemeinde einen Temin
von 8 Jahren setzte. Die Gemeinde Neu-Moresnet beteiligte sich auch mit 318 Talern
an der Anschaffung von Kanzel und Beichtstühlen. Die Anschaffung einer Orgel,
wozu durch Testament des zu Herbesthal verstorbenen Mathias Joseph Schryn-
mecker 1852 tausend Taler zur Verfügung standen, jedoch 1.600 Taler benötigt
wurden, scheiterte damals daran, daß Preußisch-Moresnet sich außer Stande
erklärte, 1/3 der fehlenden 600 Taler aufzubringen; daraufhin weigerte auch der
Hergenrather Gemeinderat sich, den vom Kirchenvorstand erbetenen Gemeindezu-
schuß zur Orgelanschaffung zu bewilligen.
Am 6. Juni 1854 hatte der Gemeinderat über das Vermächtnis des Eupener
Notars Hennen zu beraten. Hennen hatte der Kirche von Hergenrath 1000 Taler
zur Schuldendeckung vermacht. Weil jedoch, wie es wörtlich im Sitzungsprotokoll
heißt, "die Gemeinden, resp. die Gemeinde Hergenrath und Moresnet, alle
Kirchenbaukosten bestritten haben, sind diese 1000 Taler seit dem 1. Januar 1854
in die Gemeindekasse Hergenrath geflossen, und da diese 1000 Taler zur
teilweisen Abtragung der Kirchenbaukosten verwendet werden sollen, und da die
Preußische Gemeinde Moresnet, als hier zur Pfarre gehörend, für 1/3 zu allen
Kultuskosten beizutragen verpflichtet ist und auch zu den Kirchenbaukosten beige-
tragen hat, demzufolge begutachtet der Gemeinderat, daß der Gemeinde Preus-
sisch-Moresnet 1/3 von diesen Tausend Taler gebühren . . . und beschließt und
genehmigt demnach, daß 1/3 von diesen Tausend Taler der Gemeinde Preußisch-
Moresnet aus der Gemeindekasse Hergenrath gezahlt resp. an ihrer Schuld
abgekürzt werden...”
Aus diesen Unterlagen geht wohl deutlich hervor, daß Neu-Moresnet nicht
nur von 1850 an regelmäßig 1/3 der Kultuskosten getragen, sondern daß diese
Gemeinde sich auch vorher aktiv am Kirchenbau in Hergenrath beteiligt hat.
18
Kelmis Anno dazumal
von Franz Uebags
Was wir von der Pfarre wissen
Das Jahr 1958 war für die Pfarre Kelmis ein Jahr von
besonderer Bedeutung, da 100 Jahre zuvor in Neutral-Moresnet
eine eigene Pfarre errichtet wurde. Die Jahrhundertfeier, verbun-
den mit einer Serie außergewöhnlicher Feierlichkeiten und Ver-
anstaltungen, wurde für die Pfarre Kelmis zum einmaligen und
unvergeßlichen Erlebnis.
In den Jahren nach 1835 hatte sich das Werk der Vieille
Montagne, Abteilung Moresnet, erheblich ausgedehnt und da-
durch immer mehr Ansiedler in das neutrale Gebiet gelockt. Im
Jahre 1850 hatten schon 1000 Menschen hier ihr Zuhause
gefunden. Selbst im Pfarrwesen hatte die Gesellschaft des Alten-
berges während langer Jahre großes Interesse und Fürsorge an
den Tag gelegt. Schon im Jahre 1844 hatte sich die Direktion
darum bemüht, Neutral-Moresnet gewisse religiöse Einrichtungen
zu verschaffen.
In der Zeit, wo es hier weder Kirche noch Priester gab, zogen
die hiesigen Gläubigen an Sonntagen nach Alt-Moresnet, um in
der dortigen Pfarrkirche einer heiligen Messe beizuwohnen.
Vermutungen, daß die Einwohner von hier ihre Sonntagsmesse in
der Rochuskapelle hörten, sind nicht begründet. Die Kapelle lag
nämlich damals in der Pfarrgemeinde Montzen und der dortige
Pfarrer mußte dreimal im Jahr in derselben ein Meß opfer
zelebrieren. Laut Chronik geschah dieses am Feste des heiligen
Rochus, sowie am Sonntag und Montag in der Oktav des Festes
Mariä Geburt. Direktor Billaudet der A.G. Vieille Montagne
hatte, um es seinen Arbeitern bequemer zu machen, mit dem
Pfarrer Schmetz aus Moresnet die Vereinbarung getroffen, an
jedem Sonntag auf dem Gelände des Altenberges eine hl. Messe
zu lesen, und zwar im Haus ”ajen Schell” in der Kull (Müllhal-
de). Die Gesellschaft kaufte Möbel und Paramente und zahlte an
Pfarrer Schmetz eine jährliche Entschädigung von 250 Franken.
Am 2. Januar 1845 war das Haus ”ajen Schell” vollständig als
Kapelle eingerichtet. Hier wurde alsdann am 13. April die erste
hl. Messe gelesen. In der Zwischenzeit, von Januar bis April,
wartete der Pfarrer auf die Erlaubnis, zweimal wöchentlich Gottes-
dienst zu halten.
19
Die religiösen Feiern haben in dieser kleinen und primitiven
Kapelle der ständig wachsenden Einwohnerzahl wegen nicht
lange stattgefunden. Es fehlte an Raum, um alle Kirchgänger zu
fassen. Schon am 10. September desselben Jahres las Pastor
Schmetz zum erstenmal die hl. Messe in der neuen Kapelle am
unteren Vonserweg, der seitdem den Namen Kapellstraße erhal-
ten hat. Der Dechant von Aubel hatte das zweite Gotteshaus am
4. September 1845 eingeweiht. Es sei bemerkt, daß nur sonntags
darin ein Gottesdienst stattfand. So ging es nun weiter bis zum
15. Mai 1854, wo der Hw. Bischof, auf Ersuchen der Vieille
Montagne, den Hw. Herrn Aloys Flemmincks, Chorherrn der
Abtei Averbode, als residierenden Kaplan nach Neutral-Moresnet
schickte. Zu diesem Zeitpunkt waren in der Gemeinde 1.650
N /
. A
. be M A
N
2 .
Pfarrer Flemmincks
20
Einwohner eingetragen. Die Bemühungen des damaligen Direk-
tors der Bergwerksgesellschaft, Adolphe Scherpenzeel-Thim, beim
Bischof von Lüttich, im neutralen Gebiet eine unabhängige Pfarre
zu errichten, wurden 1858 von Erfolg gekrönt. Am 25. August
unterzeichnete Msgr. de Montpellier den bischöflichen Erlaß,
welcher Neutral-Moresnet kirchlich von Moresnet unabhängig
machte.
1859 zählte die junge Pfarrgemeinde schon 2.572 Seelen,
wogegen Belgisch Moresnet kaum die Zahl 800 erreichte.
Nachdem nun Neutral-Moresnet zur eigenen Pfarre gewor-
den, erhielt Kaplan Flemmincks 5 Tage später, am 30. August,
die Ernennung zum ersten Pfarrer von Neutral-Moresnet. In
Anwesenheit der Hw. Herren J. Broers, Dechant von Aubel, N.G.
Eymael, Pfarrer von Hombourg, Fred Mahieu, Superior von
Averbode, sowie der Herren Arnold von Lasaulx, Bürgermeister,
und Adolphe Scherpenzeel-Thim, Beigeordneter und Bewerksdi-
rektor, Haupturheber der Pfarrgründung, fand die feierliche
Einführung des Pfarrers am 9. September 1858 statt.
Der 35-jährige Geistliche übernahm somit die Seelsorge von
2.572 Pfarıkindern und trat ein arbeitsreiches Amt an. Sich des
schweren Standes von Pfarrer Flemmincks bewußt, schickte der
Hw. Herr Bischef schon am 5. Oktober 1858 den Hw. Herrn
Philippe Segers aus den Orden der Prämonstratenser von Aver-
bode als Vikar ın die junge Pfarrer von Kelmis. Zwölf Jahre lang
hat Pfarrer Flemmincks die Pfarre betreut, davon 4 Jahre als
Kaplan und die restliche Zeit als Pfarroberhaupt. Er verstarb am
18. März 1866 im Alter von nur 44 Jahren. Die feierlichen
Exequien fanden in Neutral-Moresnet statt. Auf dem alten
Friedhof, da, wo die heutige Gemeindeschule steht, wurde er zur
letzten Ruhe gebettet. Sein Grabstein ist bis jetzt erhalten
geblieben und steht inmitten der Kreuzung des Kirchhofweges
seitlich von Heygraben. Der mächtige Stein bleibt ein stetes
Denkmal für den ersten Pfarrer von Kelmis.
{|
N |
3 6 UM 4x LO
Pa
#9 3 -
1 0 “el
®
Grabstein des ersten Pfarrers
Die Pfarrer und ihre Amtszeit
Unsere Pfarre ist von 1858 bis heute von 9 Pfarrern verwaltet
worden. Es ist anzunehmen, daß das Gros der momentanen
Kelmiser Bevölkerung nicht weiß, welche geistlichen Herrn in
ihrer Ortschaft tätig gewesen sind. Deshalb will ich mich nach-
stehend näher mit den Geistlichen befassen, die seit der Pfarrer-
hebung das hiesige Pfarrleben mit aufopfender Treue und größter
Verantwortung betreut haben. Pfarrer Aloys Flemmincks habe
ich bereits vorgestellt und komme nun zu seinem Nachfolger.
Herr E.H. Lanckohr, Kaplan in Ensival bei Verviers, kam am
17. April 1866 für den Hw. Herrn Bischof in Frage, Pfarrer im
neutralen Gebiet zu werden und wurde am 1. Mai hier feierlich
22
eingeführt. Doch war sein Verbleib nicht von langer Dauer, denn
schon nach 3 Jahren und 4 Monaten verließ er Kelmis am 28.
September 1869.
An seine Stelle kam der in Gemmenich am 18. Mai 1829
geborene Dr. Pierre Hubert Joseph Renardy, der in Rom Theologie
studiert und daselbst am 30. Mai 1863 die Priesterweihe erhalten
hatte, am 12. Oktober 1869 als Pfarroberhaupt nach Kelmis. Als
liebevoller Herr hatte er schnell die Herzen aller seiner Pfarrkinder
gewonnen, die ihm anläßlich des Jubiläumsfestes seiner Priester-
weihe am 31. Mai 1888 einen goldenen Kelch schenkten und als
Abschluß der Feier einen großen Fackelzug organisierten. Das Fest
seiner 25-jährigen Seelsorge in unserer Pfarre feierte Pastor
Renardy am 28. Oktober 1894. Wegen einer Erkrankung zog er im
November 1897 von hier fort und ließ sich in Membach nieder,
nachdem er der Pfarre Neutral-Moresnet etwas mehr als 28 Jahre
ein eifriger Diener Gottes gewesen war. Elf Monate später, am 29.
Oktober 1898, schied er aus dem Leben.
BE
N
N
Ba
2
2 8 oe
8 2 |
N DO
2
SR
VA
[Abbe Pe e Joseph REMAREY.
2
2
N
N
Totenzettel von Pfarrer P.J. Renardy
24
von Kelmis am 18. November 1920 wurde er am 28. November
feierlich in seinen neuen Arbeitskreis eingeführt. Sein 25-jähriges
Priesterjubiläum, am 30. November 1930, wurde in Kelmis zu
einer außerordentlichen Feier. Der lächelnde Pastor wurde am 29.
September 1942 von der deutschen Gestapo mit seinen beiden
Kaplänen Xhonneux und Hendricks verhaftet, weil er diesen
erlaubte, gefangenen Franzosen zur Flucht zu verhelfen. Am 29.
Dezember 1942 erklärte ihn das deutsche Gericht für schuldig.
Vier Monate Zuchthaus, so lautete das Urteil. Der Hw. Herr
Bischof von Aachen rettete ihn vor dem Abtransport in das
Konzentrationslager Dachau. Nach Verbüßung seiner Strafe kam
seine Versetzung nach Norddeutschland. Hier fand er eine
Unterkunft bei den Franziskanern zu Mühlen im Oldenburgi- S
schen. Danach wurde er Rektor in einem Damensanatorium von
Neuenkirchen. Im Mai 1945 kehrte Pfarrer Scherrer in seine
Heimat Kelmis zurück. Bereits am 28. August desselben Jahres
verließ er krankheitshalber seine Pfarre. Er wurde Rektor des
Klosters Pannesheide bei Montzen, wo der Tod seinem Leben am
17. November 1956 ein Ende setzte. Die Kelmiser Einwohner, die
ihn stets hochschätzten, wußten, was sie in Pfarrer Scherrer
verloren.
Nun mag man sich vielleicht die Frage stellen, wie es nach
der Verhaftung der drei Geistlichen durch die Gestapo in der
Pfarre weitergegangen ist?
Zuerst wurde die Pfarre von dem in Kelmis wohnenden
kranken Geistlichen J. Flas verwaltet. Dann kam Pater Schmetz
aus dem Orden der Priester des Heiligen Geistes von Gentinnes,
dem der Hw. Herr Brouwers folgte. Nach ihnen kamen ‘die Patres
Pleus und Schmidt aus Deutschland. Pater Schmidt verließ
Kelmis sofort nach dem Kriege. Am 2. September 1946 kehrte
auch Pater Pleus nach Deutschland zurück.
Nach dem Abschied von Pastor Scherrer aus Kelmis ist es
dem Hw. Herrn Bischof wohl schwer gefallen, für ihn den
richtigen Nachfolger zu bestimmen. Doch die Wahl fiel auf den
kleinen, aber wackeren Diener Gottes Joseph Olbertz. Der am 22.
April in Eupen geborene Geistliche wurde in Köln am 7. März
1927 zum Priester geweiht. Seine erste Stelle trat er 1927 als
Kaplan in Bleyberg an, von wo er 1930 nach Manderfeld berufen
wurde, wo er ebenfalls als Vikar tätig war. Von hier wurde Joseph
Olbertz 1937 nach St. Vith versetzt. Dort verweilte er bis zum 1.
. 25
April 1942, um dann die Pfarre Sourbrodt zu verwalten. In
demselben Jahr, am 16. Dezember, wurde er verhaftet und ins
K.Z. Dachau eingeliefert. Nach- seiner Entlassung aus diesem
schrecklichen Lager kam seine Ernennung zum Pfarrer von
Ondenval. Der Hw. Herr Bischof ließ ihm kaum die Zeit sich
richtig einzuleben und ernannte ihn im Monat Dezember 1945
zum Hirten der Pfarre Kelmis. Wie zahlreich nahmen damals, am
16. Dezember, seine neuen Pfarrkinder an seiner feierlichen
Einführung teil, obschon sie meinten, daß ihnen ein kleiner
Pastor geschickt würde! Jedoch an ”oss Pastüreke’’ hat sich das
alte Sprichwort ”’Klein und wacker, baut den Acker’ vollstens
bewahrheitet. Er war ein Mann von unermüdlichem Eifer, der
weder Hunger noch Schlaf kannte, wenn es hieß, seiner Pfarre zu
dienen. Die Kranken und Altersschwachen lagen ihm sehr am
Herzen. Mitten in der Nacht fuhr er mit seinem Fahrrad durch
die Straßen des Ortes, um hier oder da einen Kranken, dessen
Zustand besorgnisserregend war, aufzusuchen, für ihn zu beten
und ihm Trost zu spenden. Er lebte bescheiden und half, wo es
not tat. Kurz, Pfarrer Olbertz war im wahrsten Sinne des
Wortes ein vorbildlicher Seelsorger, ein Apostel unserer Zeit und
ein gewissenhafter Pfarrverwalter. Nach 27-jähriger Aufopferung
für seine Pfarre Kelmis nahm er 1972 offiziell seinen Abschied,
um ”’in den Ruhestand zu treten.”
"Bas En
SE a 222272. AD
AM A a
A A Sg N
A x An Ad F 4 > ee S A
Romfahrt der J.0.J., Pfarrer Olbertz
zT
zu Lontzen-Herbesthal, am 8. Juli 1962 in Lüttich zum Priester
geweiht, erhielt am 14. Oktober 1978 vom Bistum den Auftrag, an
Stelle des Herrn Pastor Voncken die Pfarre Kelmis zu betreuen. Wie
oben schon erwähnt fand seine Einführung am 4. Dezember 1977
statt. Alle Kelmiser wünschen ihm Glück und Segen in seinem
Apostolat.
Wer waren die Kelmiser Vikare?
Da wir nun schon einiges über das hiesige Pfarrwesen wissen,
will ich damit nicht abschliessen, ohne die Helfer der Pfarre,
nämlich die Kapläne zu erwähnen. Ich möchte zumindest ihre
Namen nennen und die für uns interessanten Daten angeben.
Ausführlich über jeden einzelnen Kaplan zu schreiben würde zu
weit führen, da hier nämlich 29 geistliche Herren in Frage
kommen. Deshalb habe ich die wichtigsten Angaben in Form
einer Tabelle zusammengefaßt.
Aloys Flemmincks Abtei Averbode] 21. Mai 1858 Pfarrer 1858
Philippe Jacques Segers Averbode 1858 7. Juli 1868
Jean Louis Lacroix Henri-Chapelle| 18. Juni 1868 17. März 1878
Hw. Herr Duykaerts [| Hodimont 21. Mai 1878 1. Juni 1883
Hugo Giessen Aachen 1886 19. Januar 1896
Guillaume Kept Luxemburg 7. Februar 1896 {| November 1920
Hw. Herr Frins unbekannt Oktober 1900 1904
Heinrich Bosch Hombourg 1. Oktober 1901 {starb 16.11.1910
Pater Albertus Trapp [| Deutschland 1901 starb 7.11.1908
Joseph Simons Bleyberg 24. Nov. 1908 Mai 1924
Hw. Herr Fis Luxemburg 2. Dezember 1910 [1919
Joseph Wenders Gemmenich {September 1919 [1932
Mathieu Boutsen Bilsen 1924 1931
Joseph Pennings Aachen 1931 1934
Franz Darcis Heukolom 1932 1937
Nicolas Xhonneux Henri-Chapelle [Juli 1934 April 1949
Peter Hendricks Sippenaeken {1937 1949
Hw. Herr Flas Gemmenich {unbekannt starb hier
Pater Schmetz Gentinnes 1942 Ende 1943
28
Hw. Herr Brouwers Membach 1943 1943
Pater Pleuss Deutschland [1943 1946
Pater Schmitz Deutschland {1943 Mai 1945
Victor Franssen Aubel 1947 1957
Louis Eyskens Averbode 1949
Joseph Saassen unbekannt 1950 1952
Camille Locht Homburg 1952 starb 17.12.54
Hermann Thoma Welkenraedt {1955 1958
Hermann Kalpers Rocherath Dezember 1958 3. Juni 1973
Jean-Marie Keutgen | Eupen 1. September 1972| gegenwärtiger
Kaplan *
* Inzwischen zum Pfarrer von Elsenborn ernannt.
Die religiösen Kundgebungen
Bei solchen Kundgebungen hat es hier in der neutralen
Gemeinde nie an Teilnahme und Aufwand gefehlt. Weil die
Leute von damals fest zur ihrer Kirche standen und fromm
lebten, waren sie sehr stolz, bei derartigen Feiern mit dabeizu-
sein. Schon aus diesem Grunde wurden dieselben stets zu einem
vollen Erfolg. Wenn der ”gute Herr’”’, damit ist der Pastor
gemeint, von der Kanzel aus zu den Prozessionen aufrief, gelobte
sich ein jeder, dem Aufruf Folge zu leisten. Genau wie es heute
noch geblieben ist, zog die Fronleichnamsprozession durch den
unteren und die Prozession vom 15. August (Maria Himmelfahrt)
durch den oberen Teil des Dorfes. Kind und Kegel war auf den
Beinen. Jeder, dem etwas Zeit blieb, legte mit Hand an und war
da, wo er gebraucht wurde. Gruppen von Männern zogen in den
Wald, um dort mit Erlaubnis des Gutsherrn Sträucher und
Maien zu holen, die am Vorabend längs der Wege aufgestellt
wurden. Andere dagegen befaßten sich mit dem Aufbauen der
Altäre. Die Mädchen sorgten für die nötigen Streublumen,
während die Jungen wilde Blumen aus Feld und Wiesen herhol-
ten. Wenn sie damit ankamen, banden die Mütter Sträuße
daraus, um sonntags die Fenster zu schmücken. Seitens der
Gemeinde wurden Wassergräben und Straßen in Ordnung ge-
bracht. Kurz, es herrschte großes Reinemachen im Dorf. Wenn
dann Sonntag morgens die Prozession auszog, waren die Häuser
sinnbildlich geschmückt, daß es manchmal eine Pracht war. Die
29
sämtlichen Ortsvereine gleich welcher Art nahmen ander Prozes-
sion teil und wetteiferten um die größte Teilnehmerzahl. Schüt-
zen, Turner und Musiker traten in Uniform an und boten
mitsamt den vielen Mädchen im Engelchenkleid ein farbenreiches
Bild. Die Ideen und Arbeiten der hier ansässigen Schwestern
haben jahrelang zur Verschönerung dieser öffentlichen Glau-
benskundgebung beigetragen. Wenn am Altar des Werkes der
Vieille Montagne auf der Hasardstraße der Segen erteilt wurde,
detonierten eine Serie von Böllerschüssen, die auf Kosten der
Gesellschaft abgefeuert wurden. Diese Tradition hat der Berg bis
zur letzten Prozession vor dem Zweiten Weltkrieg im Jahre 1939
beibehalten. Ja, sagen die älteren Leute, das waren Prozessionen
die sich sehen lassen konnten und viele Auswärtige anzogen!
Immer wieder heben sie hervor, daß sich heute in dieser Sache, im
Vergleich zu früher, vieles geändert hat.
A {
Be . | * z
il, | | |
A 3 AD
Vi Ef v A" |
8 BE nt, A 1 KU
“ns / (Ca .
Wh SR 0a HOA
Pa A "2 ar VW
U 0 Ye N, AT A OS
a N AT a De
7 x 7, 0 A
VA AN nn a A
Prozessionsaltar bei der Vieille Montagne
Auch die Feierlichkeiten gelegentlich der hl. Firmung, die
früher alle drei Jahre stattfand, existieren nicht mehr, sagen sie.
30
Ich selbst habe das noch des öfteren miterlebt. Am Vorabend der
Firmung traf der Hw. Herr Bischof am Brandenhövel ein. Hier
erwarteten ihn die Schulkinder, die Firmlinge, die hiesige Geist-
lichkeit, die Ortsbehörde, die Bergwerkskapelle, die Ortsvereine
und viele Mütter mit ihren Kleinen, den Segen des Hw. Herrn zu
erhalten.
Alsdann setzte sich der Zug in Bewegung, den Seelenhirten
zur Kirche zu geleiten, wo anschließend eine kurze Andacht
stattfand. Danach führte der Zug zum Pastorat in der Kapell-
straße, wo der Bischof übernachtete. Aus diesem Anlaß war das
Pastorat immer festlich geschmückt. Bevor der Bischof sich
zurückzog, beehrten ihn die Bergwerkskapelle und der Kirchen- .
chor mit musikalischen und gesanglichen Vorträgen. Am andern
Morgen wurde er wieder feierlich abgeholt und zur Kirche
gebracht, um das hl. Sakrament der Firmung zu spenden. Am
Nachmittag nahm der Hw. Herr Bischof in aller Stille Abschied
von Kelmis.
Die feierliche Taufgelübdeerneuerung hat während vieler
Jahre am ersten Sonntag im Monat Mai stattgefunden. Es hieß
einfach, daß die Kinder die ”’große Kommunion’’ machten. Die
zwölfjährigen Jungen und Mädchen versammelten sich an diesem
Tage im Kloster der ”’schwarzen Schwestern’ in der Kirchstraße
(Gemeindehaus). Nach altem Brauch trugen die Jungen schwarze
oder dunkelblaue Anzüge mit weißer Armbinde und die Mädchen
schwarze Kleider mit kleinem weißem Schleier. Die Schwestern
verteilten die langen Wachskerzen und stellten die Kinder in der
Reihenfolge ihrer bei der Religionsprüfung erhaltenen Punkte
auf. Sodann gingen die Kommunikanten mit der Bergwerks-
kapelle an der Spitze zur Kirche. Damals war es Sitte, daß die
Kommunionkinder des Vorjahres, wie man so sagte, die ”’zweite
Kommunion” machten. Nach der Messe und Kommunionfeier,
die um halb acht begann und meistens bis 9 Uhr andauerte, ging
es wieder zurück zum Kloster, wo dann die Eltern ihr Festtags-
kind in Empfang nahmen und nach Hause gingen. Die langen Ker-
zen blieben natürlich in der Kirche und wurden während des Jahres
bei Zeremonien angezündet.
Im Frühjahr zogen unter Beteiligung aller Schulkinder und
vieler Erwachsenen die Bittprozessionen durch die verschiedenen
Straßen des Ortes.
31
Am dritten Sonntag im Monat September (Nachkirmes)
pilgerten nachmittags nach zwei Uhr die Kelmiser Pfarrkinder
nach Moresnet-Kapelle. Auch bei dieser Gelegenheit ließen die
Kelmiser es sich nicht nehmen, recht zahlreich am Gnadenort zu
erscheinen. An diesem Nachmittag war es sehr einsam in Kelmis.
Wie zu ersehen ist, kennen wir nur einige der früheren
traditionellen kirchlichen Feiern heute nicht mehr. Gott sei Dank,
ist vom Alten doch noch etwas erhalten geblieben, wenn auch an
dessen Ausmaß etwas verloren ging. Gewiß bereitet der dauernd
wachsende Verkehr auf den Straßen in dieser Hinsicht allerlei
Schwierigkeiten, jedoch mit gutem Willen und reichlicher Über-
legung wird es immer möglich bleiben, die wenigen alten Bräuche
zu erhalten.
Die Kirmes
Kirchweihfest ist allgemein mit einem Volksfest verbunden,
das sich nachher alljährlich wiederholt und schließlich die Be-
zeichnung ”’Kirmes”’ erhält. In Kelmis jedoch stimmen die Daten
von Kirchweihe und Kirmes nicht überein. Die Pfarrkirche wurde
am 3. Oktober 1865 eingeweiht und die Kelmiser Kirmes findet
immer am Sonntag nach Mariä Geburt (8. Sept.) statt. Seit jeher
wurde dieses Volksfest mit einem außergewöhnlichen Ausmaß
von Jubel und Trubel in der Doppelgemeinde Neutral und
Preußisch-Moresnet aufgezogen. Verschiedentlich hat die Ge-
meinde Neu-Movesnet versucht, eine eigene Kirmes zu organisie-
ren, die aber nicht zur Tradition wurde.
Bis ausgangs der zwanziger Jahre war die Lütticher Straße
der sogenannte Rummelplatz. Karusselle, Schiffschaukeln und
Buden standen einst beiderseits der Hauptstraße. Natürlich stand
fortwährend anläßlich der Kirmes mehr Zeug auf dem Gebiet der
Gemeinde Neu-Moresnet, da wegen der Kleinbahn von Kalden-
bach an aufwärts nichts aufgebaut werden durfte. Auf der
Kelmiser Seite war es den Kirmesleuten nur erlaubt, ab Cafe
Barth (Malmendier-Keris) bis hinunter zur heutigen Gendarmerie
einen Stand zu öffnen. An der Stelle, wo jetzt die Schule von
Neu-Moresnet steht, sowie vor den Ställen der Vieille Montagne
und dem früheren Gemeindehaus (Garagen Lavalle u. Schreul)
wurden stets die größeren Karusselle aufgebaut. Höher hinauf
reihten sich bis zum Hotel Astoria Buden aller Art nebeneinan-
32
der. Es soll sogar eine Zeit gegeben haben, wo Schau- und
Schießbuden bis zur Maxstraße standen. Der ständig wachsende
Verkehr auf der Landstraße gab den Gemeindevätern zu den-
ken, da sie voraussahen, daß das Abhalten der Kirmes auf der
”Pavei”” eines Tages unmöglich werden würde. Aus diesem
Grunde beschloß der Gemeinderat von Kelmis, neben der Kirche
eine Müllhalde anzulegen, um auf diese Weise das dortige
talartige verwilderte Gelände zu ebnen. Als nun, der neuentstan-
dene Platz an Form und Größe gewonnen hatte, wurde der
Entschluß gefaßt, den Rummelplatz zu verlegen. So ist mit und
mit im Laufe der Jahre neben der Pfarrkirche ein ausgedehnter
Kirmesplatz entstanden. Selbst die mächtigen Lindenbäume vor
dem Gotteshaus sind mit der Zeit der Axt des Holzfällers zum
Opfer gefallen. Seit Anfang der dreißiger Jahren hat auf unserm
Markt- und Kirmesplatz so manches große Fest abgehalten
werden können, das zuvor nur mit Erlaubnis des Eigentümers
auf einer Wiese organisiert werden konnte. An Fläche dürfte der
hiesige Gemeindeplatz einer der größten der Umgebung sein, der
obendrein wegen seiner Lage bei Festlichkeiten keine Verkehrs-
schwierigkeiten hervorruft. Wenn das vorliegende Projekt ”Neu-
gestaltung des Gemeindeplatzes’” in Kürze verwirklicht sein wird,
können alle Kelmiser mit Recht stolz auf ihren Platz sein.
Die Bürgermeister von einst und jetzt
Der Artikel 32 des Versailler Vertrages verlangte von dem
zusammengebrochenen Deutschland, daß es die volle Staats-
hoheit Belgiens über das lang umstrittene Gebiet von Moresnet,
das sogenannte Neutral-Moresnet, anerkenne. Damit hatte das
neutrale Gebiet aufgehört zu existieren. Nun regelte ein am 15.
September 1919 erlassenes belgisches Gesetz die Staatsangehö-
rigkeit der Bewohner der neutralen Ecke. Ab dem 10. Januar
1920 erwarben die hiesigen Bürger von Rechts wegen die bel-
gische Staatsangehörigkeit, sofern sie nicht für die Beibehaltung
der deutschen Staatsangehörigkeit innerhalb einer Frisf von zwei
Jahren optierten. Bis dahin waren die Bürgermeister von Neutral-
Moresnet nicht gewählt, sondern stets von den beiden Kom-
missaren berufen worden.
In der neutralen Zeit ist die Gemeinde von fünf Bürgermeis-
tern geführt worden. Arnold von Lasaulx, erster Bürgermeister,
verwaltete die Gemeinde von 1802-1859. ;
| 33
Grabstein des Bürgermeisters von Lasaulx
Sein Grabstein steht neben der Leichenhalle auf unserm Friedhof.
Von Lasaulx wurde am 24. Januar 1774 zu Moresnet geboren und
verstarb in Kelmis am 18. Juli 1863. Er verwaltete die Gemeinde
Neutral-Moresnet von 1802 bis 1859, hatte also eine Amtszeit von
57 Jahren.
Nach seinem Amtsrücktritt trat der Bergwerksdirektor van
Scherpenzeel-Thim 1859 vorübergehend an seine Stelle; schon
1860 wurde er von der Gesellschaft des Altenberges anderweitig
dienstverpflichtet und mußte sein Amt einem andern überlassen.
Sein Nachfolger, Josef Kohl, ein preußischer Verwaltungs-
sekretär, trat 1860 sein Amt als Gemeindeoberhaupt an. Nach
24-jähriger Tätigkeit beendete er 1884 seine Dienstlaufbahn, um
sich 1884 zur Ruhe zu setzen. 1884 kam der aus Hergenrath
stammende Hubert Schmetz, die hiesigen Amtsgeschäfte zu
34
übernehmen. Er leitete die Geschicke dieser Gemeinde während
31 Jahren, bis ihn der Tod im Jahre 1915 seines Postens enthob.
Von 1915-1919 war es Bürgerineister Kili von Hergenrath (er war
kommissarischer Bürgermeister), der in Neutral-Moresnet den
verstorbenen Hubert Schmetz ersetzte. Noch vor der Unter-
zeichnung des Versailler Vertrags wurde Kill abgesetzt und durch
einen Belgier ersetzt.
Die belgische Verwaltung richtete sich unter Führung des
ersten belgischen Bürgermeisters Pierre Grignard ein. Grignard,
Angestellter bei der Vieille Montagne, wohnte auf der Lütticher-
Straße, Ecke Kapellstraße (Hoven-Noel), und verstarb bereits
1923. Ich erinnere mich noch sehr gut, daß wir Schulkinder an
seinem Begräbnis teilnehmen mußten.
Jean Brandt, Buchhalter bei der Vieille Montagne, wurde
alsdann i.J. 1923 zum Bürgermeister von Kelmis nominiert. Nach
den Gemeinderatswahlen von 1926 blieb er durch die Wiederwahl
für weitere sechs Jahre Vater der Gemeinde. Die Wahlen von
1932 fielen für Brandt ungünstig aus. Anfangs des Jahres 1933
mußte er seinen Posten einem andern überlassen. Victor Moyano,
sein Nachfolger, wurde 1933 vereidigt. Endlich, so hieß es nach
seiner Wahl, ein Mann, der nicht vom Berg abhängig ist!
Moyano war Vertreter einer Zigarrenfirma und außerdem Wirts-
hausbesitzer. Seine Amtszeit dauerte nur eine Session von 6
Jahren, die Ende 1938 ablief.
Nach den Wahlen von 1938 übertrug der neugewählte Rat im
Jahre 1939 dem jungen Peter Kofferschläger das Amt des
Bürgermeisters. Als man ihn zum ersten Mann der Gemeinde
machte, zählte er noch keine 29 Jahre und war, wie es damals
hieß, der jüngste Bürgermeister im Königreich Belgien. Nach 16
Monaten eifriger Arbeit wurde der junge Amtsmann bei Aus-
bruch des zweiten Weltkrieges in eine kritische Situation versetzt.
Er verweigerte der deutschen Besatzungsmacht seine Dienste und
zog mit seiner Familie hinter den Schlagbaum, nach Belgien.
Im Mai 1943 wurde er in Ensival von den Deutschen
verhaftet. In sieben verschiedenen Lagern, darunter Dachau,
Buchenwald und Oranienburg, machte er Schreckliches durch,
ehe er im April 1945 heimkehrte.
Am 1. November 1940 wurde aus den Gemeinden Kelmis,
Neu-Moresnet, Alt-Moresnet und Hergenrath, die durch den
35
Erlaß des Führers am 18. Mai in das Deutsche Reich eingeglie-
dert worden waren, das ”’Amt Moresnet”’. Die vier zusammengefaß-
ten Gemeinden standen nun unter deutscher Verwaltung mit
Amtsbürgermeister Joseph Kriescher an der Spitze. Die deutsche
Verwaltung richtete sich in der Schule von Neu-Moresnet ein. So
ging es nun weiter, bis sich im Monat September 1944 die
amerikanischen Truppen unserer Heimat näherten. Da zog
Kriescher es vor, Moresnet heimlich zu verlassen, um in Deutsch-
land Unterschlupf zu finden. Seitdem hat man ihn nie wiederge-
sehen.
Kaum hatten die deutschen Soldaten belgisches Territorium
verlassen, nahmen die einzelnen Gemeinden separat ihre Verwal-
tung nach belgischem Gesetz wieder auf. Leider konnte Peter
Kofferschläger noch nicht seinen Posten als Gemeindeoberhaupt
wieder aufnehmen, da er noch kein Lebenszeichen von sich geben
konnte, weil das Lager, wo er inhaftiert war, noch von den
Alliierten befreit werden mußte. Sobald nun nach seiner Rück-
kehr aus Deutschland sein Gesundheitszustand es ihm erlaubte,
zögerte er nicht, seine Arbeit als Bürgermeister wieder aufzu-
nehmen. Bis zu seinem Tode am 13. September 1960 hat er der
Gemeinde Kelmis unvergeßliche Dienste geleistet. Nun oblag es
dem Gemeinderat, einen Stellvertreter für den verstorbenen
Kofferschläger zu wählen. So wurde beschlossen, den Schöffen
Peter Zimmer an die Spitze der Gemeinde zu stellen. Was in
seinen Kräften stand, hat Peter Zimmer hergegeben, seiner neuen
Sache gerecht zu werden. Er amtierte bis zum Ende des
Wahljahres 1964. Der Beginn des Jahres 1965 brachte Kelmis
einen neuen Bürgermeister in der Person von Willy Schyns.
Dynamisch und impulsiv wie er ist, steht er nun schon 13 Jahre
an der Spitze der Gemeinde und die Beweise sind da, daß sich in
dieser Zeit in Kelmis vieles verändert hat. Die Gemeindewahlen
vom 10. Oktober 1977 standen ganz im Zeichen der zum 1.
Januar 1978 beschlossenen Gemeindefusionen. Hergenrath und
Neu-Moresnet mußten ihre Verwaltungsautonomie aufgeben.
Hatte man in diesen Gemeinden bisher keine Parteilisten ge-
kannt, so traten diesmal alle Kandidaten als Vertreter der
Christlich-Sozialen, der Liberalen oder der Sozialisten vor die
Wähler. Bürgermeister Willy Schyns konnte sich weiterhin be-
haupten. Doch damit sind wir bei Kelmis in der Jetztzeit, nicht
mehr bei ”’Kelmis Anno dazumal” ...
36
Gefallene und Vermißte der ” Großen
Armee” Napoleons, der Jahre 1812/13
von Walter Meven
Die bisher in unserer Zeitschrift veröffentlichten Soldaten-
briefe, die Zwangsrekrutierte unserer Heimat an ihre Angehöri-
gen schrieben, geben uns, wenn es sich auch meist nur um
Einzelschicksale handelt, ein lebendiges Bild des damaligen
Soldatenlebens.
Harter Dienst, wenig Sold und eine spärliche Verpflegung
waren das Los dieser Menschen. Die Stimmung und die Kampf-
moral dieser Truppen konnte man sicher nicht mit rosig bezeich-
nen.
Caspar Scheen, der Walhorner Dorfchronist, hat uns die
Namen der Zwangssoldaten seines Heimatortes überliefert.
Danach haben 7 ihre Heimat nicht wiedergesehen.
Im Jahre 1799 mußten sich die ersten Rekruten zum Dienst
in der französischen Armee stellen. Viele versuchten sich durch
Flucht dem Wehrdienste zu entziehen. Kommissar Bassenge
berichtete an seine vorgesetzte Dienstbehörde, daß von 1300
Ausgehobenen 500 desertiert seien. Harte Strafen wurden diesen
und ihren Angehörigen angedroht und zum Teil auch verhängt.
Als Napoleon im Jahre 1812 den Rußlandfeldzug begann,
verfügte er über eine Truppenstärke von 648.908 Mann, 191.311
Pferden, 1302 Feld- und 130 Belagerungsgeschützen. Nicht gezählt
wurden rund 25.000 Mann Beamte, Diener und Handwerker
sowie der Marketendertroß. Das gewaltige Heer bezog Mitte Juni
1812 das Lager gegenüber Warschau. Am 21. Juni erfolgte die
Kriegserklärung.
Die Dienstverpflichteten unserer Heimat, die zu den links-
rheinischen Truppenteilen gehörten, kämpften in den verschie-
densten Regimentern, meist in Teilen der Armee Nr. 8, die
"Westfälische Armee’ genannt. Ihr Führer war der Bruder
Napoleons, Jeröme.
Die 8. Armee zählte beim Abmarsch am 2. März 1812
27.832 Mann und 6061 Pferde.
7
Um die Vereinigung der beiden russischen Armeen 2
verhindern, mußten Gewaltmärsche durchgeführt werden.
Die Truppen hatten sich jenseits der Grenze selber zu verpflegen,
was eine geordnete Versorgung unmöglich machte. Hunger,
Durst und eine unerträgliche Hitze führten dazu, daß die
Westfälische Armee ohne Feindberührung schon mehr als 2000
Mann Verluste hinnehmen mußte. Die Einschließung der russi-
schen Armeen mißlang zum Teil durch das Verhalten Jerömes als
Führer unserer 8. Armee.
Sein Nachfolger, der Herzog von Abrantes, Junos, ein
ebenfalls wenig fähiger Heerführer, brachte die Armee erst nach
dem Treffen bei Smolensk in die Schlacht. Napoleon bestimmte
sie daher bei Smolensk und Borodino zu Totengräbern des
Schlachtfeldes. Nach der Schlacht bei Smolensk hatte die 8.
Armee nur noch 15.400 kampffähige Männer und 3000 Pferde.
Nahezu 50 % der Truppenstärke waren verloren. Als Nachhut
erreichten sie am 6. September 1912 mit 10.000 Mann Mohaisk.
Hunger, Durst, Staub und Hitze hatten die Truppenstärke
wiederum stark reduziert.
Am 7.9.1812 kam es zur Schlacht bei Borodino, der wohl
blutigsten der Weltgeschichte. 120.000 Soldaten Napoleons stan-
den 110.000 Russen gegenüber; 600 Geschütze schossen 12
Stunden lang und brachten Tod und Verderben. 80.000 Tote und
Verwundete bedeckten das Schlachtfeld. Dieses Mal hatten auch
die Soldaten der ”’Westfälischen Armee” unter Marschall Ney an
den Kämpfen ruhmreich teilgenommen. Allein 500 Tote und
2500 Verwundete hatten sie zu beklagen. Von den Verwundeten
starben später etwa noch ein Drittel; Kompanien wurden bis auf
8 Mann aufgerieben.
A
EEE u
Das Schlachtfeld von Borodino
38
Nach der Räumung des Leichenfeldes marschierte die 8.
Armee als Sicherungstruppe der Heerstraßen in Richtung Mos-
__kau, Nur ein kleiner Teil erreichte die Stadt, die von den Russen
angezündet wurde und zu zwei Dritteln niederbrannte. Ein
leidensvoller Rückzug nahm seinen Anfang. Einsetzende Schnee-
fälle, Hunger und Durst dezimierten die 8. Armee derart, daß sie
nur noch mit 1500 Mann in Smolensk ankam. Bei Orscha
wurde der Dnjepr überschritten. Die Truppen befanden sich in
einem trostlosen Zustand. Am 22. November 1812 traf man mit
nur noch 1 Bataillon in Bobr ein; die Fahnenstangen wurden
verbrannt; die Fahnen selbst trugen die Offiziere um den Gürtel.
39
Der 28. November war ebenfalls ein furchtbarer Tag. Man
überschritt die Beresina mit ganzen 50 Infanteristen und 60
Reitern. Der Übergang kostete Napoleons ’”’Großer Armee”
30.000 Mann. Zuzügl. fielen den Russen noch 5000 Gefangene in
die Hände. Die deutsche Grenze erreichten sie am 16. Dezember.
Danach befanden sich im Sammellager Thorn nur noch 184
Offiziere und 683 Mann. Napoleon selbst hatte seine Armee
schon am 5. Dezember verlassen. Die ”Große Armee” existierte
nicht mehr. Von ihr kamen nur ganze 5 % in die Heimat zurück.
Franz Overkott hat in seiner Arbeit : ”’In Rußland Vermißte
aus Rheinland und Westfallen nebst angrenzenden Gebieten in
Napoleons ’Großer Armee’ 1812-1813” nach einer kurzen Einlei-
tung über das Schicksal der Armee, in einer Liste 3326 Kriegstote
namentl. aufgeführt, die von russischen Stellen erfaßt wurden. (1)
Die Listen selbst wurden im Jahre 1818 von dem hannoverschen
Leutnant Meyer in Rußland aus Gouvernements-, Gerichts-,
Polizei- und Hospitalakten zusammengestellt und im Jahre 1822
in Berlin abgeschlossen. Die Listen erhielten Beweiskraft für
Todeserklärungen. Nachfolgend wollen wir auszugsweise die
Namen der Vermißten unserer Heimat veröffentlichen. Es finden
nur Orte des damaligen Ourte-Departements hier Berücksichti-
gung, die damals zum preußischen Staatsgebiet gehörten.
’
Name Truppe Heimat/Bezirk Verbleib
Antoine, Joh. Ant. 1 Gr. Gar. Malmedy Ourte Grodno 1.3.1813
Barthelemy, Andr. 4. jg. Gar. Malmedy Ourte Wilna 30.12.1812
Binol, Nic. Jos. 85 Malmedy Ourte Orenburg
Galles, Mich. 13 Gallhausen Riga, zck
Christiane, Etienne 41. Faymoville Tambow, Leg.
Clebanck, Joh. Peter 9 Ari Tr. Eupen Alexandrow 1812
Closset, Math. Gren. Gar. tir. Malmedy Simbirsk 1813
Darimont, Hub. Frz. Jos. Malmedy Paß zum Siedeln
Deneseller, Jos. Nic. 53 Walhorn Orenburg
Esser, Wilh. 51. Montjoi Kremenetz 2.1813
Fourir, Joh. Frz. 51. Hauffraix Kerenz 1812
(1) Franz Overkott, ”In Rußland aus Rheinland und Westfalen nebst angrenzenden
SE m ’Großer Armee’ 1812-1813”. Verlag Degener u. Co, Neustadt
41
Rencontre avec le president
du ”Syndicat d’Initiative des Trois Frontieres”
Gespräch mit dem Vorsitzenden des
Verkehrsvereins ”Drei Grenzen” (1)
Consciente des problemes que pose ä notre region l’essor du
tourisme et plus particulierement de son infrastructure, notre
association a voulu interroger le responsable de l’organisme qui
chez nous s’occupe de la promotion du tourisme sous ses
differents aspects. Il s’agit de M. Albert Stassen de Hombourg.
Nous Iui avons pose differentes questions relatives ä nos
preoccupations dans ce secteur.
M. le president, Pourriez-vous tout d’abord nous brosser rapide-
ment V'historique du Syndicat d’Initiative des Trois Frontieres, ses
composantes et ses buts.
— Le S.I. les Trois Frontieres est une ASBL fondee en 1l’etude de
Maitre Xhaflaire 4 Montzen le 12 decembre 1955 par Maitre
Xhaflaire qui en devint le premier president, par M. Edouard
Laurent de La Calamine (secretaire), par M. Pierre Vandegaar de
Moresnet, (tre&sorier), MM Leopold Cravatte (Remersdael), Jos.
Reinders (Gemmenich), Mathieu Simons (Hombourg), Alphonse
Xhonneux (Neu-Moresnet). Les communes fondatrices etaient
Gemmenich, Hombourg, La Calamine, Montzen, Moresnet,
Neu-Moresnet, Remersdael, Sippenaeken et Teuven. Le si@ge
social est etabli 4 La Calamine. En 1957 son secretaire devint M.
Rutten de Neu-Moresnet (qui l’est encore ä ce jour).
Le 13 d&cembre 1966 M. Xhaflaire devint president d’honneur,
tandis que M. Jean Henkens de Henri-Chapelle devint president,
MM Willy Schyns de La Calamine et Henri Heutz de Hauset
devinrent vice-presidents, M. Joseph Langohr de Gemmenich,
secretaire adjoint et M. Leopold Cravatte devint tresorier (il l’est
encore ä ce jour). M. Charles Cravatte fut charge des relations
publiques, M. Michel Letocart conseiller technique (ingenieur des
Eaux et For@ts), MM Marcel Colyn (Gemmenich) et Firmin
Pauquet (La Calamine) 6tant commissaires. Entretemps d’autres
communes s’etaient jointes au Syndicat d’Initiative des Trois
(1) Deutscher Text S. 48 - 54.
42
Frontiegres tant et si bien qu’ä la veille des fusions de communes,
outre les precite&es le S.I. comptait aussi Lontzen, Walhorn,
Kettenis, Raeren, Eynatten, Hauset, Hergenrath, Welkenraedt,
Henri-Chapelle. Par le jeu des fusions l’ensemble de la commune
de Fourons en fait d&sormais partie, tandis que Kettenis continue
de son cöt€ ä en faire partie en attendant.
En octobre 1977 M. Henkens est devenu president d’honneur,
tandis que j’ai assume la presidence. MM Bauens (Hergenrath) et
Kolvenbach (Eynatten) sont devenus vice-presidents. M. Bivert
est secretaire adjoint (La Calamine), MM Palm (Montzen),
Pinckaers (Teuven), Kevers(Teuven), Smeets (Welkenraedt), Koch
(Welkenraedt), Mme Havenith-Vandeberg (Raeren) et M. Heu-
schen (Walhorn) sont administrateurs. Do
Les buts de l’association definis aux statuts sont la defense et la
promotion du tourisme sur la base locale ainsi que l’accueil
optimal en faveur du touriste. Les täches definies par l’association
dans ses statuts sont :
1° La defense et la mise en valeur des monuments, des sites, des
valeurs artistiques et des Elements d’attraction.
2° La defense et la mise en valeur des productions artisanales en
tant qu’elles interessent le tourisme.
3° La diffusion de renseignements touristiques et hoteliers.
4° L’organisation de manifestations, fetes et attractions de toutes
especes pouvant contribuer ä l’attrait des localites.
5° La creation de toute signalisation touristique n&cessaire.
6° Le developpement de toutes initiatives en liaison avec la
qualite d’attraction et de reception du centre touristique . . .
(publicit&, propagande . . .)
Quelles sont parmi ces täches celles qui preoccupent particulie-
rement le S$.1.?
Pour ma part, je dirai sans ambages que si j’ai accepte la
presidence c’est pour la premiere des täches definies dans les
statuts, ä savoir la defense des monuments, des sites et des
valeurs architecturales ou artistiques de notre terroir, Au cours
des ann6&es pass6&es le S.I. a beaucoup oeuvre pour l’infrastructure
touristique de la region. On mentionnera pour m&moire une
multitude de bancs installes le long de sentiers de promenade
balise&s par le S.I. dans tous les villages qui composent le S.I.
L’amenagement d’une route et d’un parking vers les Trois Bornes
sont aussi ä inscrire ä l’actif du S.I. Un barbecue (A Moresnet),
43
des parkings, des abris, des sentiers amenages, des panneaux
destines ä recevoir des cartes (qui arriveront bientöt) dans chaque
village sont parmi d’autres les activites deployees par le S.I. des
Trois Frontigres.
Sur le plan de la diffusion des informations touristiques sur la
region, la renomm&e des cartes trilingues (avec brochures) n’est
plus ä faire. Si donc.la defense des beaute&s que recele notre
terroir n’a assurement pas 6chappe aux responsables du S.I. qui
m’ont precede, il me semble toutefois qu’A l’heure actuelle cette
preoccupation doit devenir majeure car la societ& hypercultivee et
developpee ne semble pas ä meme en cette fin du XXeme siecle
de sauvegarder ce que nos anc&tres pourtant assez rustauds ont su
nous leguer dans un &tat intact. Jamais notre paysage n’a subi
tant d’atteintes qu’en ces 10 dernieres annees et il est temps que
Nous en prenions tous conscience, car sinon il sera inutile d’&diter
cartes et brochures pour faire visiter notre region puisque,
lorsqu’elle sera deparee, les touristes n’y viendront plus.
Vous semblez attacher une importance primordiale ä la protec-
tion du paysage, de ses sites. Quelles menaces particulieres
voyez-vouS da ce propos?
Poser la question est presque y repondre car un paysage ne
saurait Etre saccage que par une transformation aggressive et
massive. Il n’est pas necessaire d’&tre ”’&cologiste”” pour se rendre
compte de l’effet desastreux sur notre paysage d’etablissements
tels que les villages de vacances et les campings . ..
A-t-on d&jä regarde ä quoi ressemble un camping en hiver lorsque
la verdure qui l’entoure (quand il y en a) a perdu ses feuilles? La
difference avec les bidonvilles de Rio est nulle de loin et il s’agit
d’autant de coups de poing sur le paysage qu'’il y a de campings.
A ce propos il conviendrait de se demander pourquoi la couleur
quasi unanime des caravanes est toujours le blanc alors que des
couleurs plus discretes, se mariant mieux au paysage pourraient
assurement attenuer l’effet de ces plaies. Pourtant les campings
caravanings, s’ils sont assurement affreux, n’en constituent pas
moins un moindre mal, car leur caractere de mobilite (de plus en
plus relative, helas, avec l’apparition des caravanes residentielles)
permet d’envisager l’&ventualite d’un de&menagement en cas de
besoin. Du cöte des villages de vacances par contre, aucune
44
WE
SPA VAN WANN. Bo
NA SS 7 >
a9 | a) |
N ; * ıı“
5 x ne | i
ua a Un : a a 2 A
20 aa U
ba N e 28 3 A
x VO 25 0 5 2 ii
nn \ ars x 2
. RS 5
Le Camping Hammerbrücke
Campingplatz Hammerbrücke
possibilit& de ce genre n’est ä envisager, car c’est de bätiments en
dur qu'il s’agit. Quant ä la longevite de ceux-ci, il ne faudrait pas
trop se leurrer tout de m&me, car dans 20 ans beaucoup d’entre
eux seront de vrais taudis dont les materiaux seront a remplacer.
N’est-ce pas un peu paradoxal qu'un president de syndicat
d’initiative dont la mission est entre autres d’attirer le touriste
s’en prenne ä l’installation des campings et villages de vacances
qui permettent precise&ment aux touristes de visiter notre region.
Ce n’est nullement paradoxal car, comme je l’ai precise plus haut,
la mission primordiale qui me semble desormais devoir &tre
assum6e par le S.I. est de veiller ä 1a sauvegarde du patrimoine
touristique contre ses depredateurs, et si c’est le tourisme ou plutöt
une certaine forme de tourisme qui est le depredateur coupable,
c’est contre Iui qu’il faut travailler. J’assume par ailleurs les
fonctions d’&chevin notamment du tourisme et de l’amenagement
du territoire, ä Plombieres. Je n’ai &videmment pas pu emp&cher
Aa ce titre la continuation d’un projet largement entame de village
de vacances ä Gemmenich. Tout au plus ai-je pu veiller plus
particulierement ä ce que les effets sur le paysage soient atte&nues
au maximum en imposant au promoteur des rideaux de verdure
46
conquete des campagnes en y implantant ces veritables ghettos
tout aussi inhumains qui ne sont absolument pas integres au
milieu oü ils sont implantes. Quels sont en effet les rapports
humains entre les autochtones et ces residants? Il n’existent pas.
Qu’en est-il par ailleurs du ”rapport’”” &conomique que ces
touristes exercent vis a vis du commerce local? En dehors du
boulanger (le pain frais), on peut dire que le commerce local ne
ressent guere l’apport de ce tourisme en vase clos qui importe tout
des Pays-Bas. Tout au plus les autochtones pourront-ils, sans trop
de difficult& semble-t-il, profiter de l’infrastructure sportive creee
(golf, natation, tennis).
Vous ne semblez guere apprecier cette forme de tourisme. Quel +
type de tourisme preconisez-vous des lors pour notre region?
Il existe bien d’autres formules de tourisme plus interessantes
pour notre region. En ce qui concerne le tourisme de s&jour, j’en vois
trois qui sont, helas, fort peu pratiquees dans notre region.
Il y a d’abord l’infrastructure höteli&re; celle-ci est la plus
coüteuse et souvent d’un rapport insuffisant en raison du nombre
de mois creux dans l’annee. Lorsque l’on compare cette formule
de tourisme et le peu de tracas qu’elle comporte (pas ”’d’inten-
dance’”’), avec la formule du caravaning on constate que sur le
plan financier (pour peu qu'il ne s’agisse pas d’un hötel trois
etoiles) le coüt est sensiblement le m&me (le prix d’une caravane
est actuellement prohibitif). Comme precise plus haut, ce n’est pas
tant le client qui pourra se plaindre du syst&me ”’hötel””, mais
l’hötelier aux prises avec la trop longue morte saison qui est le
grand mal du tourisme. Pourtant des projets existent et d’ici peu
un beau projet d’hötel pourrait se concretiser au coeur mö&me du
pays sans frontieres,
La seconde formule ä preconiser chez nous est celle dejä
largement diffusee dans 1’Eifel, oü 1’on voit fleurir ä la belle saison
quantite& de pannonceaux ’”’Zimmer frei’”” qui remportent un
succes appreciable lä-bas. Pourquoi ceux qui chez nous disposent
d’un logement trop spacieux ne pratiqueraient-ils pas cette
formule de tourisme parfaitement integre avec l’habitat? De plus,
le rapport financier irait ici non pas dans l’escarcelle d’un
quelconque promoteur etranger mais dans la poche de l’autoch-
tone. L’industrie touristique n’a de sens que si elle rapporte de
V'argent ä ceux qui vivent dans la region touristiquement accueil-
lante.
47
La 3&me formule enfin est celle du tourisme ä la ferme qui plus
encore que les deux autres offre ä& notre region des possibilites
insoupconnees. Chacun sait que notre agriculture vit un profond
remaniement. Beaucoup de fermes vont disparaitre ä cause de la
rationalisation du secteur; plutöt que de vendre, leur proprietaire
serait bien mieux avis6 en l’amenageant pour y accueillir des
estivants. Ceux-ci aussi seront de la sorte parfaitement integres ä
la population locale. Par ailleurs, 1A oü le fermier continue son
exploitation, il y a aussi le tourisme ä la ferme conventionnel qui
consiste A accueillir sous tente quelques estivants pres de la ferme.
Cette forme-lä de camping est autrement enrichissante tant pour
l’höte que pour l’estivant. En tout cas, elle ne souffre aucune
comparaison avec le camping de masse dans les immenses
bidonvilles que nous connaissons. En definitive, le tourisme bien
compris doit &tre un tourisme ä taille humaine qui respecte
l’habitant. La dimension industrielle du tourisme doit E&tre
proscrite par tous les moyens, car c’est le plus sür chemin vers
l’aneantissement de la richesse touristique d’une region.
Pour arriver ä ce but les röles sont dejä distribues. Aux
mandataires publics il appartiendra dans 1l’Elaboration et l’appli-
cation des plans d’amenagement de veiller ä cette dimension du
probleme. Aux proprietaires fonciers qui croient ”’faire une
operation immobiliere’”’ en vendant un bien ä un promoteur, on
rappellera qu’ä ce jour ceux qui ont vendu leur bien de la sorte
s’en mordent pour la plupart les doigts, car c’est avant tout le
promoteur qui a ”’fait une affaire”,
Il n’y a pas que l’implantation des villages de vacances et des
campings qui doive &tre surveillee en permanence dans une region
comme la nötre. Toute la politique urbanistique demande un
contröle rigoureux. En effet, on peut dire que si le belge a souvent
une ”brique dans le ventre”” il a aussi souvent une tentation
d’urbanisation anarchique. Il suffit pour s’en convaincre de voir
dans notre pays le nombre de villages ”en ruban’”’, c.ä.d.
implantes le long d’une route et se joignant de la sorte les uns aux
autres. Pareil spectacle n’existe pas aux Pays-Bas par exemple, oü
pourtant la densite de la population est plus forte. Il est vrai que
cela est compens€ par une meilleure recherche architecturale chez
nous qu’en Hollande . . .
L’on veillera cependant chez nous ä maintenir en faveur du
secteur agricole un quota de territoire suffisant, si l’on veut encore
pouvoir exploiter touristiquement la region car c’est le secteur
agricole le meilleur garant d’un paysage de qualite.
48
Il convient, en definitive, de se poser en profondeur la question
essentielle. Notre region peut-elle sans risque s’offrir le tourisme
comme comple&ment &conomique? A cette question il peut &tre
repondu que le tourisme n’y sera jamais la source principale de
revenu, ni meme une des sources principales, mais il pourra y jouer
un röle complementaire.
Notre region merite d’&tre connue et peut l’&tre assurement via
certaines formes de tourisme valables mais en aucun cas via le
tourisme industriel.
Maas ko R
Die vielfältigen, mit der touristischen Erschließung unseres
Gebietes verbundenen Probleme verdienen unser aller Aufmerk-
samkeit. Es steht zu viel auf dem Spiel, als daß wir uns mit der
Rolle des stillen Zuschauers begnügen dürften. Wir sprachen
darüber mit dem Präsidenten des Verkehrsvereins ’’Drei Gren-
zen’’, Herrn Albert Stassen aus Homburg. 4
Frage : Herr Präsident, könnten Sie uns in großen Zügen etwas
über die Entstehung und Geschichte dieses Verkehrsvereins
sagen? Wie ist er zusammengesetzt? Welches ist seine Ziel-
setzung?
Der Verkehrsverein ”’Drei Grenzen” ist eine am 12. November
1955 vor Notar Xhaflaire in Montzen durch die Gemeinden
Gemmenich, Homburg, Kelmis, Montzen, Moresnet, Neu-
Moresnet, Remersdael, Sippenaeken und Teuven gegründete
Gesellschaft ohne Erwerbszweck. Notar Xhaflaire wurde der erste
Präsident, Eduard Laurent (Kelmis) wurde Schriftführer, Pierre
Vandegaar (Moresnet) Schatzmeister. Neben den genannten Her-
ren waren Joseph Reinders, Mathieu Simons, Leopold Cravatte
und Alphonse Xhonneux bei der Gründungsversammlung anwe-
send. Sie vertraten die Gemeinden Gemmenich, Homburg, Sip-
penaeken und Neu-Moresnet. Die Gesellschaft hat ihren Sitz in
Kelmis. Seit 1957 ist Herr Rutten (Neu-Moresnet) Schriftführer.
Am 13. Dezember 1966 wurde Herr Xhaflaire zum Ehren-
präsidenten gewählt. Neuer Präsident wurde Jean Henkens aus
Henri-Chapelle, Vize-Präsidenten wurden Willy Schyns (Kelmis)
und Heinrich Heutz (Hauset). Joseph Langohr (Gemmenich)
49
wurde beigeordneter Schriftführer und Leopold Cravatte Schatz-
meister. (Er hat dieses Amt bis heute inne.) Charles Cravatte
übernahm die Öffentlichkeitsarbeit, Forstingenieur Michel Leto-
cart kam als technischer Berater hinzu, während Marcel Colyn
und Firmin Pauquet (Gemmenich resp. Kelmis) zu Kommissaren
ernannt wurden.
Inzwischen hatten sich weitere Gemeinden dem Verkehrs-
verein angeschlossen, so daß am Vorabend der kommunalen
Neugliederung außer den schon genannten Gemeinden Lontzen,
Walhorn, Kettenis, Raeren, Eynatten, Hauset, Hergenrath, Wel-
kenraedt und Henri-Chapelle dem Verein angehörten. Diese
kommunale Neugliederung brachte es mit sich, daß nunmehr die
gesamte Voergemeinde dazugehört, während Kettenis - nunmehr
Stadt Eupen - noch keine Entscheidung für die Zukunft gefällt
hat.
Die in den Statuten festgelegten Ziele des Vereins sind der
Schutz und die Förderung des Fremdenverkehrs auf lokaler
Ebene sowie die bestmögliche Unterbringung der Erholungs-
suchenden.
Als besondere Aufgaben hat der Verkehrsverein :
1/ Denkmäler, Landschaften und Sehenswürdigkeiten zu schüt-
zen und zur Geltung zu bringen;
2/ das Kunstgewerbe, soweit es den Fremdenverkehr berührt, zu
schützen und zu fördern;
3/ Informationen über den Fremdenverkehr und das Gaststätten-
bzw. Hotelgewerbe zu vermitteln;
4/ die Anziehungskraft der einzelnen Ortschaften durch die
Veranstaltung von Festen etc. zu erhöhen;
5/ die für den Fremdenverkehr notwendige Beschilderung durch-
zuführen;
6/ Initiativen, die die Qualität des Tourismus heben können
(Werbung), zu ergreifen.
Frage : Welche der vorgenannten Aufgaben liegt dem Verkehrs-
ve, ein nun besonders am Herzen?
Ohne Umschweife muß ich sagen, daß ich den Vorsitz des
Verkehrsvereins vor allem übernommen habe, um im Sinne des
ersten in den Statuten festgelegten Punktes zu arbeiten, d.h: zum
Schutze der Denkmäler, der Landschaften, der architektonischen
und künstlerischen Sehenswürdigkeiten. In den vergangenen
50
Jahren hat der Verkehrsverein viel für die Infrastruktur getan.
Erinnern wir nur an die Vielzahl von Bänken, die entlang der
ausgeschilderten Spazierwege aufgestellt worden sind, sowie an
den Ausbau eines Weges und eines Parkplatzes zu den drei
Grenzen hin. Ein Grillhäuschen (Moresnet), Parkplätze, Unter-
stände, Spazierpfade, Anschlagbretter für Karten in den einzel-
nen Orten : das sind einige der vom Verkehrsverein durchgeführ-
ten Initiativen.
Was die Information angeht, so müssen wohl an erster Stelle
die dreisprachigen Karten genannt werden.
Meine Vorgänger haben die Notwendigkeit, die touristischen
Schönheiten unseres Gebietes zu schützen, sehr wohl erkannt. -
Mir scheint, daß dies nunmehr unsere vorrangige Aufgabe sein
muß, da die überzivilisierte Gesellschaft des ausgehenden 20. Jh.
nicht imstande zu sein scheint, das Erbe der Vorfahren zu
bewahren. Noch nie hat es so tiefgehende Eingriffe in unsere
Landschaft gegeben, wie in den letzten 10 Jahren. Es ist höchste
Zeit, daß wir uns dessen bewußt werden, wollen wir nicht Gefahr
laufen, Karten und Prospekte für eine Gegend zu drucken, die
ihren Reiz verloren hat und keinen Fremden mehr anzieht ...
Frage : Sie schreiben also dem Schutz von Denkmälern und
Landschaften eine große Bedeutung zu. Welche Gefahren sehen
Sie in diesem Bereich?
Ein aggressiver und massiver Eingriff in die Landschaft
zerstört diese. Man braucht kein Umweltschützer zu sein, keiner
"grünen Liste’”” anzugehören, um zu erkennen, welche zerstöreri- |
sche Wirkung Feriendörfer und Campingplätze besitzen...
Haben Sie schon einen Campingplatz im Winter, ohne den
Schutz der Grünpflanzen betrachtet? Der Vergleich mit den
”bidonvilles’’, den Elendsvierteln mit Wellblechhütten von Rio
und anderswo, drängt sich auf und jeder Campingplatz ist wie ein
Faustschlag ins Gesicht der Natur! Man soilte sich auch fragen,
ob die Campingwagen alle weiß sein müssen, ob es nicht andere,
diskretere Farben gibt, die diese Schandflecke etwas mildern
könnten ... Es muß jedoch gesagt werden, daß die mobilen
Campingwagen nur das kleinere Übel sind, wenn man auch, Gott
sei’s geklagt, immer mehr zu feststehenden Wohnwagen über-
geht. Es bleibt die Möglichkeit eines Platzwechsels im Falle, wo
sich dies als notwendig erweisen sollte. Bei Feriendörfern ist diese
51
BB “N
GEREGELTEN a 2 2
N
Feriendorf ”Country Club Benelux” Neu-Moresnet
Le village de vacances ”Country-Club” a Neu-Moresnet
Möglichkeit hingegen nicht gegeben, da es sich um Bauten
aus Festmaterial handelt. Man sollte sich, was die Lebensdauer
dieser Bauten angeht, keine Illusionen machen; in 20 Jahren
werden viele dieser Ferienhäuser zu Elendswohnungen geworden
EN
Frage : Ist es nicht paradox, daß der Präsident eines Vereins,
dessen Ziel es unter anderm ist, Fremde in das Gebiet zu lotsen,
sich gegen die Einrichtung von Feriendörfern und Campingplät-
zen ausspricht, \wo. doch gerade solche Einrichtungen es dem
Fremden erlauben, unsere Gegend kennenzulernen?
Paradox? Ganz und gar nicht. Wie schon eben erwähnt, ist
es nun erstes Gebot des Verkehrsvereins, landschafts- und
denkmalschützend tätig zu werden. Wenn eine gewisse Form des
Fremdenverkehrs Landschaften und Denkmäler zerstört, dann
muß man gegen diese Form des Fremdenverkehrs angehen. Ich
habe in der Gemeinde Bleyberg auch das Amt des Schöffen für
Tourismus und Raumordnung. Es war mir unmöglich, ein schon
begonnenes Projekt eines Feriendorfes in Gemmenich zu stoppen.
Es ist mir nur gelungen, den Bauherren zur Auflage zu machen,
durch Grüngürtel die landschaftszerstörende Wirkung des Pro-
jektes etwas zu mildern. Doch wird es leider 15 Jahre dauern, ehe
82
die Grüngürtel den Schandfleck verdecken werden!
Ich habe nicht das Recht, die Entscheidung meiner Vor-
gänger, die, das mag gesagt sein, damals wohl nicht genügend
über die Probleme, die solche Projekte aufwerfen, nachgedacht
haben, zu kritisieren. Der spekultative Charakter dieser Projekte
ist jedoch offensichtlich. Ich glaube, daß wir für die Zukunft
daraus lernen müssen.
Diejenigen Gemeindeväter, die um den Schutz ihrer Ge-
meinde bedacht sind, haben leider keinen leichten Stand, wenn
sie das schmutzige Zusammenspiel der Bauherren (meist Nieder-
länder) mit Architektenbüros durchkreuzen wollen. Die Haltung
höchster Dienststellen ist ebenfalls manchmal mehr als verwir- "
rend. Im übrigen stellen sich bei uns in Belgien auf dem Gebiet
der Stadtplanung und Raumordnung schwerwiegende Probleme,
da es keine klare Trennung zwischen einerseits den privaten
Architekten und andererseits den Verwaltungsstellen gibt. Ist es
etwa normal, daß der Minister einen Architekten mit der
Ausarbeitung eines Sektorenplanes beauftragt und daß wenig
später derselbe Architekt ein Feriendorf, das er selbst im
Sektorenplan vorgesehen hat, baut? So geschehen bei uns und in
Stavelot-Malmedy!
Eine Gegend gehört an erster Stelle denjenigen, die dort
wohnen, den Einheimischen also. Diese sind die ersten Nutznies-
ser der vorhandenen Schönheiten. Was aber tun die Bauherren
der Feriendörfer? Nachdem sie die Stadtzentren durch .den Bau
riesiger unmenschlicher Komplexe unbewohnbar gemacht haben,
stürzen sich sich nun auf die Eroberung des flachen Landes, wo
sie ebenfalls ihre Ghettos hinsetzen, die keinerlei Verbindung
zum umgebenden Milieu bieten. Welche Kontakte bestehen denn
zwischen den Bewohnern eines Feriendorfes und den Einheimi-
schen? Welchen wirtschaftlichen Nutzen zieht die Gegend aus
diesen Dörfern? Abgesehen vom Bäcker gibt es kaum einen
Einzelhändler, der etwas von diesem Touristenzustrom verspürt,
denn die Fremden werden aus den Niederlanden mit allem
versorgt. Einziges Plus : die Einheimischen können die Sportan-
lagen des Feriendorfes (Golf, Schwimmen, Tennis) benutzen.
Frage : Diese Form des Fremdenverkehrs findet also nicht Ihre
Zustimmung. Welche Form würden Sie denn für unser Gebiet
empfehlen?
83
Es gibt viele andere für unser Gebiet interessante Formen des
Fremdenverkehrs. Reden wir nicht vom Durchgangstourismus,
sondern von denjenigen Fremden, die bei uns ihre Ferien
verbringen wollen. Ich sehe da drei verschiedene, bei uns leider
viel zu wenig praktizierte Möglichkeiten :
Zuerst sei der Ausbau der Hotels genannt. Dies ist die kostspie-
ligste Form des Tourismus und wegen der bei uns nur kurzen
Saison ist sie auch wenig ertragreich. Für den Fremden selbst ist
das Hotel, wenn es nicht eine Drei-Sterne-Luxusherberge ist,
kaum teurer als der sündhaft teure Campingwagen. Nicht der
Kunde darf über das Hotel klagen; nein, der Hotelier hat
Schwierigkeiten, weil die tote Saison zu lang ist. Dennoch gibt es
Projekte, die Hotel-Infrastruktur auszubauen, und ein solches
Projekt könnte im Herzen der Drei-Grenzen-Region Wirklichkeit
werden.
Eine andere Form der Unterbringungsmöglichkeiten ist die
der Privatzimmer, wie sie in der Eifel in großem Stile durchge-
führt wird. ”’Zimmer frei’”” lesen wir dort allenthalben. Warum
sollten diejenigen Privatleute, die bei uns über freie Räume
verfügen, nicht auch Gästezimmer herrichten? Diese Art des
Tourismus führt zu einer völligen Integration des Fremden in die
Dorfgemeinschaft. Zudem geht der Gewinn in die Tasche des
Vermieters, nicht eines ausländischen Spekulanten. Der Touris-
mus hat nur dann einen Sinn, wenn der Ertrag den Einheimi-
schen zukommt.
”Ferien auf dem Bauernhof” : das ist die dritte und voller
unausgeschöpfter Möglichkeiten steckende Form des Fremden-
verkehrs. Wie jeder weiß, steht unsere Landwirtschaft im Um-
bruch. Viele Bauernhöfe werden aufgegeben aus Mangel an
Wirtschaftlichkeit. Anstatt den Hof zu verkaufen, sollten es sich
die Eigentümer überlegen, ob es nicht klüger wäre, denselben für
die Aufnahme von Sommerfrischlern herzurichten. Diese würden
dann ebenfalls in die Ortsbevölkerung integriert.
Ferien auf dem Bauernhof kann der Landwirt auch bieten,
indem er in der Nähe des Hofes einige Zeltplätze zur Verfügung
stellt. Sowohl der Einheimische wie der Fremde werden durch
diese Form des Fremdenverkehrs bereichert. Ein Vergleich mit
den riesigen ”Bidonvilles”” unserer Campingplätze ist nicht mög-
lich.
54
Lassen Sie mich abschließend sagen, daß ein wohlverstan-
dener Tourismus ein menschliches Ausmaß behalten muß; einen
Tourismus industriellen Ausmaßes muß man auf jeden Fall
ablehnen, da er das sicherste Mittel ist, die touristischen Reich-
tümer einer Gegend zu zerstören.
Den gewählten Vertretern der Gemeinden fällt die Aufgabe
zu, bei der Ausarbeitung und Anwendung der Landschaftspla-
nung auf diese Dimension des Problems zu achten. Den Grund-
besitzern, die meinen, ein Geschäft zu machen, indem sie einer
Erschließungsgesellschaft ihren Grund verkaufen, sollte man
sagen, daß diejenigen, die bisher zu diesem Zwecke Grund und
Boden verkauft haben, sich inzwischen darüber im klaren sind, -
daß nur der Bauherr das große Geschäft gemacht hat.
In einer Gegend wie der unsrigen muß jedoch nicht nur die
Errichtung von Feriendörfern und Campingplätzen im Auge
behalten werden. Die gesamte Stadt- und Landschaftsplanung
(Urbanismus) verlangt nach einer strengen Kontrolle. Es heißt,
jeder Belgier habe den Wunsch nach dem eigenen Häuschen. Das
stimmt. Es stimmt aber auch, daß der Belgier die Neigung hat,
die Landschaft zu zersiedeln; um sich davon zu überzeugen
genügt es, die große Reihe der sich entlang der Straßen wie
Bänder hinziehenden Dörfer zu betrachten. Das führt dazu, daß
die Dörfer miteinander verschmelzen, eins ins andere übergeht.
Ähnliches gibt es nicht in der Niederlanden, wo doch die
Bevölkerungsdichte höher liegt als bei uns. Man muß allerdings
sagen, daß die schönere Architektur bei uns zu finden ist.
Es muß darauf geachtet werden, daß der Landwirtschaft
genügend große Nutzflächen zur Verfügung bleiben, denn der
landwirtschaftliche Sektor ist der beste Garant für eine touristisch
wertvolle Landschaft.
Letztendlich müssen wir uns die Frage stellen, ob der
Fremdenverkehr in unserem Gebiet wirtschaftliche Bedeutung
erlangen kann. Und darauf ist zu antworten, daß er niemals die
Haupteinnahmequelle und auch keine der Haupteinnahmequellen
sein wird. Er kann jedoch zusätzliches Einkommen sichern.
Unsere Gegend verdient es, touristisch erschlossen zu werden,
doch darf dies auf keinen Fall über eine Tourismusindustrie
geschehen!
SS
Im Frühherbst
M. Th. Weinert
Schau nach den Wolken, die fliehen,
sieh nach dem springenden Fisch!
Während die Wildenten ziehen,
wechselt die Beere zum Tisch.
Laß Dir vom Murmelbach schildern
schnelle, bewegte Forelle,
hinter den wechselnden Bildern
öffnet sich Türe und Schwelle.
Korn bricht aus bergender Hülle,
gelb segelt Laub mit dem Wind...
höre die Stimmen der Stille,
die hinter den Dingen sind!
56
Zweiter Sippentag der Familie
P. Königs-Radermacher am 4. Juni 1977
von Peter Claes
Am 30. Mai 1952 fanden sich die Nachkommen der Eheleute
Peter Königs-Radermacher - die um die Jahrhundertwende die
Rochuskapelle im Göhltal betreuten - zum ersten Mal zusammen.
Der damalige Bürgermeister von Kelmis, Peter Kofferschläger,
Enkel dieses Ehepaares, hatte dessen Nachfahren zu einem
Wiedersehen in der Heimat eingeladen. Dieses Treffen war von
großem Erfolg gekrönt.
Ein Vierteljahrhundert ist seitdem vergangen. Dieses Datum
wollten einige der Ältesten nicht unbemerkt vorübergehen
lassen. Sie beschlossen daher, am 4. Juni 1977 ihrer Verwandt-
schaft erneut eine Gelegenheit zu bieten, sich wiederzusehen oder
sich kennenzulernen. Begeistert wurde diese Anregung von den
meisten aufgenommen.
Die Zusammenkunft war für halb elf an der Rochuskapelle
in Kelmis angesetzt worden. Pünktlich waren die 70 angemelde-
ten Teilnehmer aus Kelmis, Montzen, Verviers, Brüssel, Aachen,
Stolberg, Würselen und Essen zur Stelle. Unter der fast 400jähri-
gen Linde gab’s ein lautes und lebhaftes Begrüßen und Vorstel-
len, denn viele Jüngere und Angeheiratete hatten sich noch nie
gesehen.
Darauf feierte Pfarrer Voncken aus Kelmis in der Kapelle,
die zwar nicht alle Teilnehmer fassen konnte, eine heilige Messe
für die Lebenden und Verstorbenen unserer Großfamilie. Er
gratulierte den Anwesenden zu dieser glücklichen Initiative zur
Erhaltung des Familiensinns und Pflege des Ahnenkults. Die
liturgischen Lesungen, Gebete und Antworten wechselten ab in
Deutsch und Französisch.
Am Ende des Gottesdienstes wurde dem Pfarrer aus Dank-
barkeit die kurzgefaßte Geschichte der Rochuskapelle überreicht.
Es handelte sich um einen kalligraphierten Text, der im Inneren
des Bethauses als Erinnerung an den Sippentag 1977 aufgehängt
wurde.
Nach der religiösen Feier wurde fleißig geknipst und gefilmt.
Kapelle und Linde boten einen einzigartigen Hintergrund für die
57
Geschichtlicher Überblick
Diese Kapelle ist dem heiligen Rochus geweiht, der als Schußheiliger
gegen die Pest verehrt wurde.
Die erste Erwähnung der Kapelle stammt aus dem Fahre 1646.Da5s
Glöcklein im z3ierlichen Dachreiter trägt folgende Inschrift:
"1651 + 5. Maria ora pro nobis”,
Die Rochuskapelle stand ursprünglich inmitten des Weilers Kelmis,
der am 28.5September 1650 zur Herrschaft Kelmis’erhoben wurde, und
kirchlich zu drei Pfarreien gehörte : Mongzen, Moresnet und Walhorn.
Das Kirchlein ist auf MonBener Pfarrgebiet errichtet worden.
Am 20. Mai 1662 vewillgte König Philipp einen Antrag der Ortsbe-
hörde zur Genehmigung des Verkaufs von Gemeindegrund, dessen
€rtös zur Anstellung eines Kaplans dienen sollte. Dieser war beauf-
tragt, täglich eine Messe für die Bergarbeiter in der Kapelle oder auf
dem Bergwerksgeldnde 3zu lesen.
Während der zweiten Hälfte des 17. Fahrhunderts litt das Gebad-
de arg unter den Verwüstungen der französischen Soldateska. Doch
wurde es auf Anregung des Montzener Pfarrers Johann Birven mit
Unierstüßung der Einwohnerschaft instandgesegt. Der jeBige Barock-
bau wird wohl aus dieser Zeit stammen. S
Aufgrund des Aachener Grenzvertrags vom 26. Juni 1816 wurde
die "Mairie de Moresnet”, die unter der frangösischen Herrschaft aus
Moresnet und Kelmis gebitdet worden war, in drei geteilt. Infolge die-
ser Teilung wurde die neuentstandene Gemeinde Preußisch Moresnet
der Pfarre Hergenrath einverleibt. Diese Zugehörigkeit endete 1946
als Neu Moresnet der Pfarre Kelmis angegliedert wurde.
Bei Umbauten im Jahre 1967 um der konzilgemäßen Liturgie gereck
Zu werden, wurde ein 30 cm dicker Altarstein von 74 x 84 cm freigelegt,
der noch der gotischen Bauzeit anzugehören scheint. Er {st vor der süd-
lichen Wand im Altarraum eingeseBt worden.
Infeige der am 1.Januar 1977 bewirkten Gemeindefusion steht”
die Rochuskapelle jetzt wieder auf Kelmiser Gebiet, auf welchem sie
ursprünglich erbaut wurde.
Anfang dieses Jahres ist der Innenraum unter Leitung des Aachener
Dombaumeisters Dr. C. Hugot renoviert worden.
Kelmis, den 4. Funi 1977
Zur Erinnerung an den Sippentag wurde diese Zeittafel in der Rochuskapelle
aufgehängt.
a ;
ALT ICE 13 ‚ben Pad |
; ea 7 nd Tem DES OS
|
60
Erinnerungsbilder. Die Enkelkinder liessen sich vor dem in der
Nähe der Kapelle noch stehenden Wohnhause der Stammeltern
aufnehmen.
Nun begaben sich alle zum Park-Caf@, der geeignetsten
Gaststätte in Kelmis für unsere Tagung. Hatten doch dazumal
hier die Direktoren der ”Vieille Montagne” gewohnt, in dessen
Dienst viele unserer Ahnen gestanden hatten. Für die Kinder war
es auch sehr angenehm, sich von Zeit zu Zeit im schönen Park
mit seinen Spielplätzen austoben zu können. Außerdem stand uns
hier im ersten Stockwerk ein Raum zur Einrichtung einer kleinen
familiengeschichtlichen Ausstellung zur Verfügung.
Nach einer kurzen Begrüßung der erschienenen Verwandten -
erläuterte Peter Claes die interessantesten Stücke der Schau.
Bemerkenswert waren der eigens für das Treffen ausgeführte
Stammbaum und die Ahnentafel, die 71 Voreltern und 93
Nachkommen aufwiesen. Vorhandene Lücken und Unstimmig-
keiten sind übrigens im Laufe des Tages ausgefüllt und berichtigt
worden. Ferner waren ein Bildbericht vom Sippentag 1952, alte
Urkunden, Dokumente,. Haushaltsgegenstände sowie Porträts
und Familienbilder von Anno dazumal ausgestellt, die bei den
meisten Anklang fanden. Eine Bildreportage über die Rochuska-
pelle zeigte Photos und Zeichnungen dieses ersten Gotteshauses
der ”Herrschaft Kelmis’” (1650). Landkarten und Bilder aus
alter Zeit sowie eine Luftaufnahme des heutigen Kelmis rundeten
das Ganze ab.
Nach dieser Familiengeschichtsstunde wurde zu Tisch gela-
den. Während des ausgezeichneten Mittagsmahles wurden die
Stammesältesten, Peter Brixhe und seine, Gemahlin, geehrt. Es
traf sich dabei gerade, daß es ihrer Enkelin Nicole als jüngstes
Glied der Großfamilie zufiel, ihnen einen Blumenstrauß zu
überreichen.
Als das Dessert serviert wurde, meldete sich die Presse. Voll
guter Laune folgten indes alle der Aufforderung zur Aufnahme
der Gesamtgruppe, die den Bericht im ”’Grenz-Echo” illustrieren
sollte.
Um sich nun etwas zu entspannen, besuchten die meisten
Teilnehmer das Kelmiser Sportzentrum, wo sie dem Kegelsport
huldigten. Andere spazierten währenddessen zum Friedhof und
61
schmückten die Gräber der verstorbenen Angehörigen.
Mittlerweile hatten sich alle Gäste wieder im Park-Cafe
eingefunden, wo Festtagskuchen und Kaffe bereitstanden. An
diesen gemütlichen Kaffeeschmaus schloß sich dann ein geselli-
ger Abend an. Dem Kelmiser Musiker und Stimmungsmacher
Steinbach gelang es, gleich zu Beginn die Versammlung in die
rechte Atmosphäre zu versetzen. Wie von einem Funken gezün-
det, nahm die Unterhaltung einen spritzigen Verlauf. Musik,
Gesang, Humor, Schunkeln wechselten sich fast pausenlos ab.
Hierbei zeichneten sich die Essener besonders aus. Unterdessen
war die Stimmung so heiter und gesellig, daß sie ihren Busfahrer
veranlaßten, die Heimreise eine Stunde später als vereinbart
anzutreten.
Doch dem Ende war nicht zu entrinnen, auch dieses Fest
klang aus. Aber Gott sei Dank kehrten alle frohgesinnt und sehr
zufrieden heim in der Hoffnung, daß das nächste Familientreffen
sich nicht wieder 25 Jahre hinauszögern wird.
63
Wee däch de Sonn n&it wiest ömesöjß,
wee op de Jagd jeht met en Knaböjß,
wee noch no Oche jeht ze Fouß
en n&t mieh pieft uus luuter Bouß,
dee maht n&itt vööl Behei,
märr &ß e b&Eßje neuj.
Wee mengt, dat Wien wie@r aojesonk,
sie Leeve lank märr Wajßer dronk,
de höllt et hongded Joor vlötz uus,
löett an sing Ereve Jronk en Huus,
au Klejer, Möubele, Jeld wi Höj,
de woor e b&ßje neuj.
64
.. .. .. ...
Et reckt s£&ch beijßer op e Päed
Dr Juwann hau schönn vett en ronk
e Väreke, knapp dr&jhongded Ponk, D-
en weil dee Küsch mu€ß Uusloof haan, CAS BD Ve
doung höösch de Staaldöör op dr Jaan. x 2
Da ku&ß et wöuhie &-jene Hauf ® (A a
en fröötele en Stond of ongderhauf. DR F
S 8
Dat Väreke souch di offe Döör £ ß Di W .
en möt e-ne jru&ße Spronk no vöör MS 7 zZ
flott no dee Värekenstall eruus, PL
wow & Jalopp et öm je Huus
et öschte e paar Rongde driehne x
en sproung dr Jaan bau op-en Ziehne. ) V
N ;
Dee hau jeweldeg söch verschreckt }
en wiegr noch jann op Sij jejräckt; Da: - f
dat flupde n&ht, e woor jett kleng, e / 1 =
et Väreke sproung em töusche jen Beng di
en droug em met op singe Röck, Z3
e houl söch a-ne Stätz zum Jlöck. - ZE A
Y/y k, +
En dörech dat Wecksche ongder Bööm, € PS
en eng Kaljäer, verkieht eröm,
no räehts, no lenks, jraduus, em Kreis,
Jesecht en Krüng zerkratzt va Näjß.
Jao, op e-sö Väreke sött me schläeht,
et röckt söch beijßer op e Päed.
E schnappt söch an dr d&&pste Najß ES 8
en hällt sch met zwei Hengd dra vajß, ( U PS
e boumelt töusche Hömmel en Äed, VY CP A
sött n&&t mich op dat aadesch Päed. ÜR Beil
Äs Abschluß van die lejste Strooph AZ
spaz&@t jrad langs e-ne Philosoph, ZZ
de laacht &n söch : ”Das kommt davon, 7 >
hier hängt ein zweiter Absalon”’.
66
°
Deutsche und belgisch-
.. °
französische Typen gußeiserner
Grabkreuze
von Jaak Nijssen *
Mit dem beginnenden 19. Jahrhundert verlieren die herkömm-
lichen steinernen Grabkreuze auf unseren Friedhöfen ihre
Vorherrschaft (5). Neue Formen der Grabdenkmäler tauchen auf.
Sie sind im Stil klassizistisch und werden monumentaler. Mit der
Zeit greift der Individualismus um sich. Das sich ausdehnende
Transportnetz und der Wegfall der Zollschranken erleichtern die ”
Anlieferung von Stein und Roheisen aus entfernteren Gegenden
und ermöglichen die Verbreitung der Fertigprodukte auf das
ganze Land. In Wallonien und später auch in Flandern entstehen
viele Eisengießereien. Das gußeiserne Grabkreuz hält seinen
Einzug.
Die Formen gußeiserner Kreuze sind chronologisch und
geographisch bedingt. Ihre Studie wird dadurch erschwert, daß
sogar Kreuze mit datierter Inschrifttafel ihrem Entstehungsdatum
nach nicht sicher einzureihen sind, da Wiederverwendungen nicht
selten waren. Ein paar Kreuze die offensichtlich älter sind, finden
sich heute z.B. noch in Gemmenich (Abb. 1) und in Hergenrath
(Abb. 2) (4). In Deutschland sei auf die älteren Kreuze von
Pattern (Kreis Düren) hingewiesen.
Unter den späteren gußeisernen Kreuzen sind diejenigen ’
deutschen Ursprungs schon auf den ersten Blick von denen
belgisch-französischer Herkunft zu unterscheiden. Die deutschen
Kreuze sind meistens kleiner und der Form nach kompakter, die
belgisch-französischen filigranartig ausgearbeitet. Erst wenn man
versucht, die deutschen Kreuze in einer für belgische Erzeugnisse
gedachten Klassifizierung unterzubringen, merkt man, wie
grundsätzlich die Unterschiede sind. In Ost-Belgien trifft man die
beiden genannten Gruppen nebeneinander an.
* Anschrift fes Verfassers : Veurzerveld 28 A, B - 3790 Sint-Martensvoeren (Belgien)
68
Das Kreuz aus Moresnet (Abb. 3) ist ein NESTOR—
MARTIN-Typ Nr. 1712. Es ist also belgisch. Das von Dill (1) als Typ
IV/1 beschriebene ”sehr schönes, sehr häufig vorkommendes
2 V
A DU
a
202
NS ]
nV,
8 A
u 2 a a
0 2 mıra, aA
2 N | A
ME $ 7
EB YES a
E, WE En
KK MA 44 3 2
a 7)
ac AN | ar a
A ® | | A n
EO Wi PN nn A
) KENT
Aa er
Abb. 3 Moresnet, H: 1587; Br : 825 Typ wie im Nestor-Martin-Katalog, Nr 1712, wo
es mit Abmessungen 1590X830 erscheint. Unsere Numerierung : 1010.M 1.712.
Für unser Klassifizierungssystem Siehe (2,3).
Kruzifix mit Altarunterbau””’ 1äßt sich in Montzen (Abb. 4) sowie
in Machtlfing (Bayern, s. weiter) finden. Im letztgenannten
altbelgischen (*) Ort steht es neben einem Kreuztyp (Abb. 5), dem
man auch in Fumay und Haybes in den französichen Ardennen
sowie überall in Belgien und in Niederländisch Limburg
begegnet. Kreuze in Moresnet (Abb. 6) und Welkenraedt (Abb.
* Gemmenich, Moresnet, Montzen u. Welkenraedt waren vor 1918 Grenzdörfer.
70
Se On 2 N ) dd A 2 ) 2 } 0
CO a ZU
UM KA Ran
kuf m WEM
A
A Ss ) ARE he ae
8458 ‚aD
AT | ae
HN A
a9 | a 2 a
1 U HAN x
HEN nn m
Abb. 5 Montzen. Diesen Typ numerieren wir 1010.42.000 H : 1718; Br : 792
gerade auf diesem Gebiet Untersuchungen angesetzt sind, gehe
ich auf die genannten Friedhöfe nicht weiter ein.
Ein wichtiger Unterschied zwischen Friedhöfen in Deutsch-
land und Belgien ist, daß gußeiserne Grabkreuze in Belgien sehr
häufig, in Deutschland dagegen seltener vorkommen. Das ist der
Fall sowohl im Rheinland, als auch in Oberbayern : zwischen
Starnbergersee und Ammersee fand ich auf mehreren Friedhöfen
als einziges Exemplar das Kreuz von Machtlfing. In der Süd-
Pfalz und in Nord-Lothringen sowie auch im Hunsrück scheinen
. gußeiserne Grabkreuze selten zu sein. Hat man in Deutschland
auf den Friedhöfen mehr aufgeräumt, oder hat es da nie soviele
gußeiserne Kreuze gegeben?
X
URN TAT
5 8. 00H
72 2 A BO
Ba N a
5 A
UN BE
A
SSH
VE
a0
UN
BE
VE
BE
a 5
Ye 1
We cl Ban
iM 5 8
a a a
3] P ee
2 | - vv»
Abb. 6 Moresnet. H : 1466; Br : 448. Typ Dill I1/2 ebenda mit Höhe 1450
Noch ein Wort zur Wertung dieser Grabkreuze aus Eisenguß
(8). Sie sind handwerklich-industrieller Fertigung, stehen also
ihrer Erzeugung nach zwischen Volkskunde und Industrie-
Archäologie. Zur örtlichen Volkskunde gehören sie ihrer Form
nach kaum. Ihre Gestaltung beruht auf überregionalen Ideen,
ihre Symbolik, am ”’grünen Tisch’” ausgedacht, ist, wie auch auf
Totenbildchen (6) manchmal widersprüchlich : Christliche Hoff-
nung steht oft neben humanistischer Trauer und Verzweiflung.
Aus dokumentarischen Gründen wäre es wünschenswert,
möglichst viele der gußeisernen Grabkreuze der Nachwelt zu
erhalten. Dabei hat die Tatsache, daß in unserer Gegend Formen
zweier großer Erzeugungsgebiete nebeneinander vorkommen,
einen besonderen Reiz.
WE
Notizen zur Schulgeschichte von
Eynatten und Hauset
von Alfred Bertha
Durch einen Schenkungsakt vom 26. April 1715 überließ die
in Aachen wohnende, aber aus Eynatten stammende Maria
Catharina Hannot der Gemeinde Eynatten zwei Häuser mit daran
anliegenden Gärten und Hauswiesen, beide zwischen ”’zwei engen
Straßen oder Gassen’’ gelegen. Das erste wurde ”’Mert”’ (d.h.
Markt) oder ”’Willem Crommen Haus und Hof” genannt, das
zweite ”Müschen Hermens Haus und Hof”. Beide zusammen
hatten eine Grundfläche von ungefähr 7/4 Morgen. Wwe Hannot
überließ Eynatten diesen Grund ”für eine passende Schule mit
Behausung und Hof und Garten für einen Lehrer”. Sie knüpfte
daran folgende Bedingung :
1. Der ”’Schulmeister’”” soll gehalten sein dort zu wohnen und
selbst ”’Schule zu halten’ sowie die Kinder in Lesen, Schreiben und
in "christlicher Lehre und Sitten”” zu unterrichten.
2. Er muß zur Winter- und Sommerzeit Schule halten, wenn
auch nur einige Kinder die Schule besuchen wollen.
3. Wenn es der Wunsch eines Kindes sein sollte, Latein zu
lernen, so soll der Lehrer dasselbe in die Grundlage der lateini-
schen Sprache einführen, und zwar mindestens soweit, daß das
Kind fähig ist, in Aachen oder anderswo in die erste Schule, die
infima grammatica genannt wird, aufgenommen zu werden.
Da der Kaplan oder Frühmeßner von Eynatten und Hauset
durch Stiftung der Kaplanei gehalten war, auch den Schuldienst
zu versehen, will Wwe Hannot demselben die Nutznießung der
vorgenannten Güter lassen, dieselben aber nicht als Eigentum der
Kaplanei verstanden wissen. Wenn der Kaplan nicht fähig oder
nicht gewillt sein sollte, die Schule zu halten oder wenn er in
diesem Amt ”’säumig””’ sein sollte, hat die Gemeinde das Recht,
74
ihn aus dem Schulhaus zu verweisen. Der Kaplan verliert dann
jedes Recht auf die Nutznießung der genannten Güter, die dann
einem anderen, durch Eynatten und Hauset zu bestimmenden
Lehrer zukommen.
Der Schulkaplan ist auch gehalten, als Gegenleistung alljähr-
lich eine Seelenmesse für den verstorbenen Ehemann der Frau
Hannot sowie der Freunde von beiden zu zelebrieren. Während
der Messe sollen die Eheleute Hannot in das Gebet der Schul-
kinder und der anderen anwesenden Gläubigen eingeschlossen
werden. Im Falle, wo ein anderer als der Kaplan die Schullehrer-
stelle innehat, soll die Gemeinde die besagte Seelenmesse durch
den Pfarrer zelebrieren lassen. }
Das Haus ”’Wilhelm des Krummen’”’ bleibt belastet mit zwei
Kapaunen, die zu zwei Schillinge jeder gerechnet und dem König
bezahlt werden, sowie mit einem halben Faß Hafer, das mit fünf
Stüber abgegolten und dem Pfarrer geschuldet wird.
Aus diesem Dokument geht hervor, daß die Einführung eines
mehr oder weniger regelmäßigen Schulunterrichts auf die Errich-
tung der Kaplanstelle in Eynatten zurückgeht.
Nach der Franzosenzeit gab es kaum noch Schulkapläne.
Der Schulunterricht wurde von Laienlehrern gegeben. Manche
dieser Lehrer besaßen keinerlei theoretische Vorbildung und
neben den offiziellen Gemeindeschulen hielten sich noch lange
Zeit vom Staat nicht unterstützte, aber geduldete Privatschulen.
So z.B. in Hauset, wo der Bürgermeister 1820 ”’wegen mehrerer
vespürter Fahrlässigkeit in dem Schulbestande von Eynatten”
einen gewissen Franz Raimund Hendrigs zum Lehrer ernannte,
der nun eine Privatschule unterhielt. Der Bürgermeister von
—__ Hergenrath und Hauset schreibt 1820 in einem Monatsbericht an
den Landrat, Hendrigs sei von der Regierung ”’als einen in dem
methodologischen Lehrkursus erfahrener Mann erkannt”. Er
gebe ”ebenmäßig’” in der deutschen Sprache, mit welcher der-
selbe gut vertraut sei, so wie in der Arithmetica Unterricht. Die
Schule in Hauset werde von 11 Mädchen und 15 Jungen besucht.
Lehrer Hendrigs war 1827 noch im Amt und die Hauseter
Privatschule weiterhin geduldet. Allerdings erhielt der Lehrer
keine Besoldung, sondern mußte sich mit dem von den Schülern
erhobenen Schulgeld zufrieden geben.
Vielen Hauseter Kindern blieb damit der weite Weg nach
75
Eynatten erspart. Im selben Jahre 1827 schloß die Gemeinde
Eynatten einen Anstellungsvertrag mit einem neu einzustellenden
Lehrer ab. Im folgenden der Wortlaut dieses ”’Berufsbrief”
genannten Vertrages, der die damalige schulische Situation in
Eynatten erhellt.
ok ok
Berufsbrief für den Herren Joseph Derikat als Lehrer an der
katholischen Elementar-Schule zu Eynatten, Kreis Eupen.
Wir geben hiermit zu erkennen, daß wir den Herren Joseph
Derikat aus Aachen, früher Lehrer in der Fabrik-Schule des
Herren Schervier zu Aachen, zum Lehrer an der hiesigen
Elementarschule erwählt haben.
I. Die Pflichten
deren Erfüllung wir von demselben
1/ als Lehrer erwarten sind folgende :
a) Er hat täglich 3 Stunden vormittags (im Sommer von 8 Uhr bis
11, im Winter von 9 Uhr bis halb 12) und 3 Stunden nachmittags
(von 1 Uhr bis 4 Uhr) öffentlichen Unterricht zu erteilen, doch mit
Ausnahme der Mittwochs- und Samstags-Nachmittage.
b) Die Gegenstände des Unterrichts sind : Lesen, Schreiben,
Kopf- und Tafelrechnen, Gesang, das wesentlichste der Geogra-
phie und Geschichte (besonders vaterländische), Naturbeschrei-
bung und Religion. Halbjährig wird von demselben ein Lections-
plan entworfen und dem Schulvorstande zur Genehmigung vorge-
legt.
c) Wir erwarten dabei, daß der Lehrer es sich werde angelegen
seyn lassen, seine Schüler nicht nur zu verständigen und geschei-
ten, sondern auch zu rechtschaffenen und frommen Menschen
zu bilden und sie zur treuen Anhänglichkeit an den Landesherrn
und den Staat und zum Gehorsam gegen dessen Gesetze und
Anordnungen anzuleiten, wobei besonders auch das eigene gute
Beispiel vorausgesetzt wird.
d) An vier Wochentagen, nämlich Montags, Donnerstags und
Freitags hat derselbe Abends von 5 bis 7 Uhr noch überdies für
diejenigen, welche es wünschen, Unterricht im Französischen zu
erteilen.
76
e) In Betreff der Schulferien ist der Vorschrift im Amtsblatt der
Königl. Hochl. Regierung zu Aachen vom Jahre 1823 N° 12, S.
98 (Bekanntmachung N° 61) Folge zu leisten.
2/ In jeder amtlichen Beziehung ist überhaupt den Vorschriften
Folge zu leisten, welche darüber von Seiten der betreffenden
höheren Behörde erlassen werden.
Dagegen werden dem Erwählten für die Übernahme vorge-
nannter Pflichten
II. folgende Vorteile zugesichert :
1/ Ein freies Schulzimmer für dessen Reparaturen der Schulvor-
stand sorgt; die Kosten zur Möblierung dieses Schulzimmers und
eines jährlichen einmaligen Weißens desselben werden gleichfalls -
von dem Schulvorstande besorgt und durch die resp. Gemeinde-
kasse aus dem dafür im Gemeinde-Budget bewilligten Fonds
bezahlt.
2/ An jährlichem Gehalt erhält der Lehrer 150 Thaler, geschrie-
ben hundert fünfzig Thaler Pr.ct. In Erwägung aber, daß der
hiesige Schulbezirk aus der Pfarre Eynatten und aus dem Dorf
Hauseth, hier ebenfalls zur Pfarre gehörig, Bürgermeisterei
Hergenraed, besteht, so soll, wenn eine Königl. Hochl. Regierung
dieses zu genehmigen geruhet, die Gemeindekasse von Eynatten
nach Verhältnis ihrer jetzigen schulpflichtigen Kinder davon 100
Thaler, und die Gemeindekasse Hergenraed für ihr Dorf Hauset
nach Verhältnis dessen 55 schulpflichtige Kinder davon SO Taler
übernehmen; im Falle aber das die Gemeinde Hergenraed diese
erwähnte 50 Thlr für ihr Dorf Hauset nicht zu zahlen gesonnen
sey, so mag für Hauset eine eigene Erhebungsliste auf dessen
schulpflichtige Kinder für diese 50 Thlr. angefertigt werden und
daß dann für die Armen daselbst die Gemeindekasse von
Hergenraed in Anspruch genommen wird.
3/ Was das der Schule zu Eynatten zugehörige Grundstück, der
Markt genannt, ebenfalls zu Eynatten gelegen, betrifft, so soll der
davon zu erhebende Pacht von 6 Thlr und die später noch zu
erhebenden Zinsen, von den noch zu erhebenden Geldern, von dem
erwähnten Grundstück Markt durch die Anlage der neuen
Landstraße weggenommenen Gründen und Obstbäume, in die
resp. Gemeindekasse, nämlich 2/3 für Eynatten und 1/3 für Hauset
fliessen, welches alsdann mit zum Gehalt des Lehrers solle
verwendet werden.
77
4/ Im Falle die Königl. Hochl. Regierung nicht genehmigt, daß
die resp. Gemeindekassen für das Gehalt des Lehrers nicht sollte
in Anspruch genommen werden, so soll das ganze Schulgeld von
jedem Schüler der Elementarschule monatlich 3 Silbergroschen
betragen; für Feuerung im Winter zahlt jedes für jedes der beiden
Winterquartale den Betrag des monatlichen Schulgeldes, welcher
Betrag auch ohnehin durch die Schüler müßte entrichtet werden,
wenn auch die resp. Gemeindekassen das Gehalt des Lehrers über-
nehmen. Doch behält sich der Schulvorstand vor, die Schüler nach
den Vermögens Umständen zu klassifizieren und diejenigen zu
bestimmen, welche nur die Hälfte oder ein Drittel des Schul- und
Feuerungsgeldes zu zahlen haben und für diejenigen, welche auch
dieses nicht zahlen können, übernimmt die allgemeine Armen-
kasse die Zahlung.
5/ Für die Abendschule zahlt jeder Schüler 10 Silbergroschen
monatlich und für Feuerung und Licht für jedes Winterquartal
den Betrag des halben monatlichen Schulgeldes. Das Schulgeld
nebst dem für Feuer und Licht soll auf dem Grund der vom
Schullehrer angefertigten und vom Schulvorstand revidierten
Liste vierteljährig von dem Gemeinde-Empfänger erhoben und
nach Abzug von 2 Prozent Hebegebühren dem Lehrer ausgezahlt
werden.
Dabei kann der Berufene in Voraussetzung seiner Pflichterfüllung
sich unserer Liebe und Achtung sowie derjenigen Unterstützung
versichert halten, welche zur Aufrechterhaltung seiner Ansehung
und zur Beförderung seiner Wirksamkeit erforderlich ist.
Nachdem dieser Beruf die definitive Bestätigung der Königl.
Hochl. Regierung erhalten haben und dadurch in Kraft getreten
sein wird, bleibt derselbe für uns bindend und er kann nicht
anders als durch eine verfassungsmäßige höhere Entscheidung
oder Versetzung oder Entsetzung des Lehrers aufgehoben werden.
Dem Lehrer steht es frei, einen anderen Beruf anzunehmen,
indessen darf er nur im Vierteljahr nach vorher geschehener
Aufkündigung seine Stelle verlassen. Nachdem derselbe sich
durch seine Unterschrift für die Annahme des Berufs’erklärt hat,
soll die Bestätigung bei der Königl. Hochl. Regierung zu Aachen
nachgesucht werden.
Eynatten, den 16. julius 1827.
Der Gemeinderath, gez. H. Stickelmann, Wilh. Scheif, Joh.
Rotheut, And. Jos. Vequeray, Nicol. Leon. Schmetz, Egid. Jos.
Goebels.
78
Der Schulvorstand, gez. Joh. Caspar Schyns, Pfarrer, N. Jos.
Pelzer, von Agris. Für die Annahme vorstehenden Berufs unter-
zeichnet Eynatten den 16. julius 1827, gez. Jos. Derikat.
oo oO Ro RR
Lehrer Derikat blieb bis 1829 in Eynatten. Ihm folgte Philipp
Jacob Jonas. Dieser gab nach Kündigung durch die Gemeinde
seine Stelle im Jahre 1835 auf. Darauf organisierte der Schulvor-
stand eine Prüfung, der sich drei Bewerber um die Lehrerstelle in
Eynatten unterzogen. Schriftlich mußten sie auf folgende Fragen
antworten :
1/ Was ist und soll der Elementarlehrer
a) in Beziehung auf die ihm anvertraute Schuljugend?
b) in Beziehung zu seinen unmittelbaren Vorgesetzten?
c) in Beziehung auf Gemeinde, König und Vaterland?
2/ Wozu können und müssen die Kinder in der Schule angeführt
werden und was muß darin nicht geduldet werden, damit eine
gute Zucht in der Schule sey?
3/ Wie kann und muß der Lehrer seine Schüler dazu anführen,
daß sie beobachten, was eine gute Schulzucht erfordert?
Die Antworten des Kandidaten Albert Branchart aus Broich-
weiden entsprachen wohl am meisten den Erwartungen des
Schulvorstandes, denn sie stellten ihn als neuen Lehrer ein. Die
Regierung allerdings befand, daß der Schulvorstand durch die
Abhaltung dieser Prüfung seine Kompetenzen überschritten
habe. Dennoch blieb Lehrer Branchart in Eynatten, wo er bis
zum Jahre 1839 als einzige Unterrichtskraft den Schuldienst
versah und nach Aussagen zeitgenössischer Quellen trotz einer
Schülerzahl von 120-140 gute Arbeit leistete.
Quellen :
Staatsarchiv Lüttich, Akten d. Kreises Eupen, 121. Siehe auch ”’Im Göhltal.. Nr.
22; 8:58:
79
° °
Ein Zwischenfall mit spanischen
Soldaten in Lontzen i.J. 1650
von Walter Meven
Die bewegten Zeiten des eben beendeten Dreißigjährigen
Krieges (1618-1648) waren immer noch nicht vorbei. Überall im
Herzogtum Limburg unterhielten die Spanier Garnisonen, um
jederzeit bei wiederaufflammenden Unruhen eingreifen zu können.
Auch in Lontzen lagen spanische Soldaten.
Die Bevölkerung, der langen Kriege und der vielen Abgaben
überdrüssig, war in gereizter Stimmung. Immer häufiger kam es
zu Ausschreitungen der ”’Schutztruppen’’. Diebstähle und ähn-
liches waren an der Tagesordnung. Aus Kettenis meldete man,
daß einem Bauern ein Schwein gestohlen wurde und einem
anderen seine Bienen. Es kam häufig zu Streitereien zwischen der
Bevölkerung und den Garnisonssoldaten. Freundlich war man
den Spaniern, die ein hartes Regiment führten, nicht gesonnen.
Doch holen wir etwas weiter aus, um die geschichtlichen
Zusammenhänge besser zu verstehen.
Seit der Reformation, die auch in den Niederlanden ihre
Anhänger gefunden hatte, schwelte es. Schon Karl V. wollte die
weitere Ausbreitung der ”’neuen Lehre” mit grausamer Härte
unterbinden. Viele Anhänger der Reformation wurden hingerich-
tet.
Das Instrument dieser Bekämpfung wurde die ”Inquisition””
(Ketzergericht), die jeden Ketzer zum Tode auf dem Scheiterhau-
fen verurteilte. König Philipp II. ein Sohn Karls V., betrachtete
das katholische Spanien als ein Bollwerk der Rechtgläubigen
gegen die Ketzerei. Schon bald nach seinem Regierungsantritt
war es zu Unruhen gekommen, die 1566 als ”große Volksbe-
wegung” durch den sogenannten Bildersturm in den reformier-
ten Städten alle bildlichen Darstellungen aus den Kirchen ent-
fernte und vernichtete.
König Philipp versuchte, durch die Unterstützung der katho-
lischen Sache die Zentralisation der Macht zu vollenden.
80
42 Jahre kämpften die Niederländer um ihre Freiheit. Die
Aufständischen wurden Geusen (gueux) - Bettler - genannt.
Doch diese Beschimpfung betrachteten sie für sich als einen
Ehrentitel.
Auch in unserer Gegend, am Bildchen, erinnert noch heute
ein nach ihnen benannter Weg, (Geusenweg), den sie als
”Schleichweg”” nach Vaals benutzten, an den damaligen Streit
zwischen Katholiken und Reformierten. .
1579 schließen die katholisch gebliebenen Südprovinzen -
also das heutige Belgien - Frieden mit den Spaniern. Ihre
ständischen Rechte wurden ihnen dabei bestätigt. Die Nordpro-
vinzen sagten sich 1581 von Spanien los und wollten ihre
Unabhängigkeit.
Als versöhnende Geste schenkte Philipp II. die Niederlande
seiner Tochter Isabella; die Schenkung wurde aber erst nach
Isabellas Heirat mit dem Öösterreischischen Erzherzog Albert
rechtskräftig. Statt der Versöhnung jedoch wollten auch sie die
Rückeroberung der von den Nordprovinzen bes tzten Lüund-
striche. 1604 besetzten sie Ostende und die angrenzenden Ge-
biete. Mit dem 1609 geschlossenen Waffenstillstand erreichten die
Nordprovinzen mit der Unterstützung Englands und Frankreichs
ihre Unabhängigkeit.
Nach einer kurzen Zeit des Friedens weitete sich ein inner-
deutscher Konflikt zwischen den Protestanten und den Katholiken
zum offenen Krieg aus. Von 1618 bis 1648 währte der Kampf, der
nicht an den Grenzen des Reiches halt machte. Die Spanier
versuchten, ihre Herrschaft über die Nordprovinzen wiederzuer-
langen. Es gelang ihnen nicht. Die Nordprovinzen eroberten
sogar 1632 das Herzogtum Limburg. Obwohl die Spanier im
Jahre 1635 die Macht wieder in der Hand haben, müssen sie beim
Frieden von 1648 bestimmte Teile der Nordprovinzen und den
Raum Maastricht abtreten. Damit erkannten sie zwangsläufig die
Unabhängigkeit der ”Vereinigten Niederlande’”” an. Unsere Hei-
mat verblieb bei Spanien.
Nach dem Tode Isabellas, im Jahre 1633, setzten die Spanier
Statthalter ein, oft unfähige Männer, die die Regierungsgeschäfte
erledigten. Viele Freiheiten wurden den Bürgern genommen, so
daß sich in weiten Kreisen eine steigende Unzufriedenheit bemer-
bar machte.
81
Vielleicht war sie es auch, die im Fall des Claes Schuyl in
Lontzen zu Auseinandersetzungen mit den Soldaten führte . . . Die
wahre Ursache kennen wir nicht - darüber schweigen unsere
Akten.
Der Hof des genannten Claes Schuyl war schon häufig in den
letzten Jahren mit Einquartierungen belegt worden. Hohe Ab-
gaben, Naturalleistungen zum Unterhalt der Garnison und
Spanndienste waren an der Tagesordnung; und die spanischen
Soldaten nahmen, was sie brauchten, nicht nur in Feindesland.
Vermutlich hat Claes Schuyl ihnen wehren wollen. Das
führte zu einem Streit und einer der Spanier machte von seiner
Schußwaffe Gebrauch. Claes Schuyl brach tot zusammen.
Die Bewohner des Dorfes fanden sich nach und nach am
Ort des Geschehens ein - zum Teil sogar bewaffnet. Jeder Ort
hatte so eine Art Heimwehr, die, wenn dem Dorfe und seinen
Einwohnern Gefahr drohte, eingreifen mußte. Hier liegen die
Ursprünge unserer Schützenbrudergesellschaften. Sie hatten
echte Verteidigungsaufgaben zu erfüllen und wurden durch den
Schützenmeister gedrillt, wie wir aus einem Rechnungsbuch des
Hauseter Quartiers für das Jahr 1668 wissen. Neben Wachdiens-
ten mußten sie die ’”’Bronk’’ (Prozession) begleiten und sogar
einen Delinquenten zum Richtplatz führen. Es heißt da in einem
Aktenstück des Jahres 1670... . ”die Maria Barth wurde von den
Schützen zum Johberg geleitet und ist dort vom Aachener
Scharfrichter ausgegeißelt worden. Die Schützen wurden mit
Käse und Bier entlohnt.”
Unser ”Gewährsstück’”” ist ein Protokoll des Notars Peter
Loop, der in Heinrichskapelle residierte. In erster Linie geht es
darum, daß noch nach dem ausdrücklichen Verbot des Meyers
Lambert Hübsch geschossen wurde. Claes Momboir, Karis Sohn
von Lontzen Busch, durch den Tod des Claes Schuyl außer sich,
hatte einen Schuß in Richtung der Unterkunft der spanischen
Soldaten abgegeben, wobei Kaerst Heut und die Hausfrau von
Peter Lauterman verletzt worden waren. Der Meyer stellte den
Corporal der Soldaten zur Rede und befahl ihm, die schuldigen
Soldaten auf die Lontzener Halle zu bringen, damit man sie dort
gefangen setze.
Die aufgebrachte Menge wollte ebenfalls die Schuldigen
ausgeliefert haben und drohten widrigenfalls mit Niederbrennen
des Hauses. 5
82
Um welchen Hof es sich gehandelt hat, wissen wir heute leider
nicht mehr. Ein altes Rentregister des 17. Jh., weist mehrere
Schuyl auf :
Thonis Schuyl tzo Busch 1613 Hosteren (Heisteren)
Meiß Schuyl op den Weg nach Welkenrath
Claes Schuyl Bongartzgen
Claes Schuyl einen Hof in der Scherpstraße 1641
Aus dem Umstand, daß die zu dem Vorfall vernommenen
Zeugen zum großen Teil aus Lontzen-Busch kommen und die
Vernehmung selber in Lontzen-Busch im Hause des Heyn Fred-
derigs stattfindet, könnte man jedoch schließen, daß der Hof des
Claes Schuyl ebenfalls in jenem Ortsteil lag. .
Wir bringen nun das Vernehmungsprotokoll des Notars Peter
Loop im Originaltext; einige schwer verständliche Wörter und
Ausdrücke meinen wir jedoch erläutern zu müssen.
Op huiden desen twelfden septembris 1651 Comparerende voor
my Peter Loop als openbaerer Notaris by den Souverainen Raede
von van syne Co, Mayt. geordonnert in Brabant geadmittiert tot
Hendrix Capelle Lande van Limborg Ouvermaeze residirende
ende inde presentie vande getuygen hironder genompt in Eygene
Persoonen deersame Frederig Hermans Onder Vaigt (1) der
Heerlyckheyt Lontsen denwelcken heft op syne Manne Waerheyt
in plaetse van gestaafden eede dyen hy Presenterden altyt bereet
syn te doene des versocht synde Verclaert hem kennelyckt te syne
dat ten dage doens wylen Claes Schuyl - woonachtig tot Lontzen
Inden Jaer 1650 tot Lontzen vorrsc. t’synem Huyse door enige
Spaensche Soldaten is doot geschooten wordden. Den Meyer Sr.
Lambert Hüpsch is aldaer aengecommen Alwaer een groot deel
vande Naebueren sich Inde Waepen waeren vindende, Als oyck
den Corporal Vande Spaensche Soldaten ter selver tyt tot Lontzen
voorser. in garnison synde. Ende heft alsdoen Gesien ende
gehoort dat den voorscr. Meyer aende voorscr. Naebueren was
seggende ende gebiedende dat sy met schieten souden ophouden,
midts dat men de Soldaten hem Meyer tot Lontzen op de Halle
(2) gevanckelyck soude Lieveren diehet Feyt gedaen Hadden,
(1) Onder Vaigt = Untervogt
(2) Die ”Halle’”” war der Versammlungsort des Lontzener Schöffengerichts und
auch der Sitz der Gemeindeverwaltung. Sie stand südlich der Kirche, neben der
Kaplanei. Sie mußte der Vergrößerung des Friedhofes weichen. Siehe G. Grondal,
”Notices historiques’”’, S. 41, Fußnote 111.
83
Verclaerende voirts wel te weten dat ter selver tyt onder andere
der voorscr. Meyer aldaer int ge (3) ... quamp Claes Momboir
Karis soone vanden Busch mit syn Rour (4) inde Handt, aenden
Welcken der voorscr. Meyer Particulierlyck was gebiedende nyet
te schieten, Ende dat daerover den voorscr. Meyer naerden
Koilhofft (5) Vanden voorscr. afflyvigen (6) is Hingegangen,
Alwaer sich oyck het mestendeel vande vorrscr. Naebueren in
Waepen (7) waeren vindende, Aldaer andermael roepende ende
gebiedende datmen nyet meer en schoude schieten tselve einesche
reysen (8) repiterende, Ende dat dyenyettegenstande (9) alsdoen
evenwel eenen schot (10) Heft hooren affgaen Waerbey dat Karst
Heut ende de Huyswrouwe van Pieter Louterman syn gequetst
(11) wordden, het welck men aldoen seyden gedaen te syn
doorden voorscr. Claes Momboir, Eyndende hirmede etc. ...
Verclaerende ende Consenterende etc. . ..
Claes Ponsen Woonende Inden Loutenberg Inde Heeriyck-
heyt Lontzen Verclaert dat hy ten tyde voorscr. als der voorscr.
herr Meyer tot Lontzen is aengekommen aen oft ontrent den
Huyse van wylen Claes Schuyl doens denselven t5ynem Huyse was
doot liggende, ende alsdoen gehoort ende gesien, dat der voorscr.
Meyer was vuytroepende ende gebiedende naer dyen Hy Meyer
metten Corporal vande Spaensche Soldaten gesproecken, dat men
nyet meer en soude schieten, midts dat der voorscr. Corporal
aenden voorscr. heer Meyer hadde beloft hem die Soldaten die
Het Feyt gedaen Hadden (12) op de Halle gevanckelyck te
lieveren, Ende dat alsdoen voorscr. Claes Momboir vanden busch
sich in Persoone by oft ontrent (13) den voorscr. heer Meyer was
vindende met syn Rour inde Handt gaende vandaer naerden Hoff
aen het huys tot aenden kollhoff toe ende heft Hy Comparent
alsdoen gesien dat naer het voorscr. gebot des Meyers den
(3) Unleserliche Textstelle
(4) Rour = Schießrohr, also Gewehr
(5) Koilhoff=Kohlgarten, Garten
(6) Afflijvig= tot
(7) In Waepen=in Waffen, bewaffnet
(8) Einesche reysen=mehrere Male
(9) dyen (n) yettegenstande =trotzdem
(10) Schot=Schuß
(11) Gequetst=verwundet
12) Die het Feyt gedaen hadden =die die Tat begangen hatten
13) ontrent=in der Nähe
84
voorscr. Claes Momboir met syn Rour voorscr. eenen schot heft
gedaen naerde Staaft oft kamer toe daer de soldaten sich waeren
vindende, van welcke schot de Persoonen van Heut ende Huys-
wrouwe van Pieter Louterman syn gequetst wordden, Eyndende
herme de etc. . . . Verclaerende en consenteerende etc. . . .
Vaeß kryscher woonende tot Busch Verclaert dat hy ten tyde
voorser. sich heeft gevonden inden Kollhoff vanden afflyvigen
Claes Schuyl tot Lontzen, Alwaer den voorscr. heer Meyer meet
den Corporal vande Spaensche Soldaten was spreckende ende
alsoe der Comparent aenden voorscr. Corporal seyden dat de
Huysliedens (14) de Spaensche Soldaten t’feyt gedaen hebben
wilden gelievert hebben oft dat anders sy luydens souden het p
Huyse affbrenen ende Soldaten doot slaen Ende . . . (15) doorden
voorser. Heere Meyer aenden voorser. Corporal geexpliciert synde
haff . . . (16) denselve Meyer aende Huyslude geseyt dat hem den
voorser. Corporal geloft hadde de soldaten gevanckelyck te
lieveren midts dat nyemant meer schieten en soude, Waerant den
voorscer. Meyer was verbiedende niet meer te schieten, Synde
daernaer gebuert dat yemandts inden voorscr. kollhoff oyck heft
geroepent t’gebot van den Meyer te wesen nyet meer te schieten
ende dat dyenyetegenstande eenen Rheynert Kaa (17) evenwel was
roepende schiet al, (18) ter wylen dat der voorscr. Claes Momboir
syn Rour aen t’Hooft was Houdende staende inden Hoff aenden
koolhoff aenden thuyn achter het Huyse vanden voorscr. Claes,
Ende heft naardehandt gehoort dat Kaerst Heut sich beklaegden
eenen schot in syn beene ontfangen te hebben Eyndende hermede
etc... . Verclaerende ende Consenterende etc. ...
Willem Vaerbuchel woonende tot Busch Verclaert dat hy ten
voorscr. tyde is mede tot Lontzen Present gewest doens wylen
Claes Schuyl doot tot synen Huyse vande Spanignerts is gescho-
ten, Ende alsdoen gesien ende gehoort dat den Meyer staende
opden Steenweg aende kollhoffs duere aent Huyse des voorscr.
afflyvigen met luyder stimme vuytroepende ende gebiedende dat
men by Iyve nyet meer er soude schieten ter wylen dat den
voorser. Claes Momboir van de busch was staende ontrent thien
14) de Huysliedens= die Leute, die Einwohner
(15) Unleserliche Stelle
(16) idem
(17) Unleserlicher Name
(18) Schiet al=Schieß schon, schieß doch.
86
gebot soe wel als andere gebuerlyck conste verstaen ende gehoort
hebben, Eyndende hermede syne Verclaering ende Consenterende
(a
Alsdaens gedaen ende gepassert tot Lontzender busch ten
Huyse van Heyn Frederigs ten daege maende ende Jaere alsboven
ter presentie vanden selven ende Claes Momboir byde schepenen tot
Lontzen als getuygen hirtoe sunderlinge geroepen ende gebeden
ende van my hebbende voorscr. Comparanten mette getuygen de
minutte deser neffens my onderteckent
Quod Attestor
P. Loop Notarius
87
° ° ° °
Das adlige Stift Sinnich
von Charles Cravatte
In dem landschaftlich so reizvollen, nordwestlichen Zipfel
des Dreigrenzenraumes liegen mehrere alte Burgen. (Beusdael,
Obsinnich, Remersdael). Doch steht in dieser herrlich stillen
Ecke unseres Raumes noch ein feudaler Herrensitz, das Schloß
Sinnich in Teuven, das ursprünglich ein adliges Damenstift der
Augustinerinnen gewesen ist und der Prämonstratenserabtei
Rolduc (auch Raede, Hertogenraede) bei Heerlen (holl. Limburg)
unterstand.
Schloß Sinnich, das heute der Familie de Secillon gehört,
liegt recht verborgen unweit der von Teuven nach Sippenaeken
führenden Straße am Saume eines prächtigen Waldes, der den
ganzen südöstlichen Höhenzug bedeckt. Nur das muntere Ge-
plauder eines Bächleins, Gulpe mit Namen, das an dem Herren-
sitz vorbeiplätschert, unterbricht hier die wahrhaft traumhafte
Stille und Ruhe.
WANN EEE U A
000 Pi ARE
N EN La
. Sa A AO E
nn 2 A > zz SC
>
5 i 0 “a {98
IEHEBELHEHUD ML
UBER HERNUL
5 88
Das ehemalige Augustinerinnen-Stift Sinnich (Teuven)
88
Ursprung des Stiftes Sinnich
Bekanntlich hat es in der Herrschaft Rolduc, die nördlich der
herzoglichen Hauptbank Montzen im Bereiche der Grafschaft
Valkenburg lag, bereits sehr früh eine Prämonstratenserabtei
gegeben, die im 11. Jh. durch einen Kanonikus der Kathedrale
von Tournai, Ailbert mit Namen, gegründet wurde und in
religiöser Hinsicht fast im ganzen Herzogtum Limburg sehr bald
einen großen Einfluß gewann. 1108 wurde dort die erste (hölzer-
ne) Kirche durch Bischof Otbert von Lüttich konsekriert. Ab
1139 bildeten die Mönche von Rolduc ein Kapitel von Kanonikern,
das unter dem Patronat des hl. Augustinus stand.
Wie dies bei den meisten ähnlichen Einrichtungen der Fall *
war, gab es auch in Rolduc schon sehr früh ein Frauenkloster,
das von dem Abteikapitel abhängig war.
Da die Kanonissinnen dieses Kloster, sowie der beiden
andern von der Abtei abhängigen (Marienthal und Schaarn)
immer zahlreicher wurden, suchte der Abt Marsilius (Beginn des
13. Jh.) einen geeigneten Ort, um ein Stift zu errichten, das
sämtliche Kanonissinnen aufnehmen konnte. Da die Abtei in
Sinnich bei Teuven ausgedehnte Liegenschaften besaß, beschloß
Marsilius, hier ein geräumiges Stift zu errichten.
Sinnich, das 1141 erstmalig erwähnt wurde, besaß bereits
zwei Kapellen, die eine in Ober-Sinnich (Obsinnich, Remersdael),
die andere in Nieder-Sinnich (Sinnich, Teuven). Am letzteren Ort
begann Marsilius Anfang 1243 zu bauen, Ende des Jahres
konnten sämtliche Stiftsdamen dort einziehen.
Zunächst diente die zweitgenannte Kapelle den Stiftsdamen
als Gotteshaus. Sie bemühten sich natürlich um eine stiftseigene
Kirche und es gelang ihnen, diese nach einiger Zeit auch zu
erbauen.
Dis Stiftsgebäude
Die erste stiftseigene Kirche, die bis 1870 stand, war 1297
konsekriert worden. Mit Unterstützung der geistlichen Herren,
darunter der Erzbischof Konrad von Hochstaden von Köln, war
es den Kanonissinnen gelungen, die Bausumme für die Kirche
aufzubringen. Beendet wurde der Bau allerdings erst Ende des
13/Jh.
89
Die Kirche nahm den südöstlichen Flügel des Stiftsgebäudes
ein und trug die Merkmale der ländlichen Klosterkirchen, die im
romanischen Stil des 13. Jh. erbaut wurden. Die Stiftskirche
bildete ein langes Rechteck, das auf der Westseite von einem
Turm abgeschlossen wurde und dessen Chor am östlichen Ende
lag. Die rundbogige Wölbung war aus leichtem naturfarbenen
Holz.
1622 ließ die Äbtissin Marie von Golstein Teile der Kirche
restaurieren und zugleich ein neues Krankenrevier einrichten,
das an der Stelle der heutigen Stallungen des Wirtschaftshofes
lag.
Durch Arkaden war mit der Kirche auch eine Barbarakapel-
le verbunden, die 1720 sehr baufällig geworden war und daher
niedergelegt werden mußte. In dieser Kapelle befand sich jedoch
die Totengruft der Herren von Beusdael, so daß Abt Heyendael
von Rolduc weitere Arbeiten verbot. Die Äbtissin wandte sich an
den Lütticher Bischof J.K. von Bayern, der dann die Umände-
rung gestattete.
40 Jahre später, 1760, wurde die Kirche auch den Ein-
wohnern des Weilers Sinnich zugängig gemacht, für die Äbtissin
und ihre Stiftsdamen blieb das Chor reserviert. ,
Wie bereits gesagt, stand die Kirche bis 1870, doch war
bereits seit vielen Jahren in derselben nicht mehr zelebriert
worden.
Die meisten Kirchenmöbel, sakralen Gefässe, Meßgewänder
und Wertsachen verschwanden zur Zeit der französischen Revo-
lution und der sich hieraus ergebenden Besetzung des limburgi-
schen Landes. Einiges war allerdings noch 1808 vorhanden. Die
damalige Leiterin des Stiftes, die Ehefrau des Verwaltungsbeam-
ten Reul, C.G. de Vlierberghe, suchte zu retten, was eben noch
möglich war. Sie verkaufte u.a. eine große Glocke von 1100
Pfund an die Gemeinde Baelen, eine kleinere von 357 Pf. an
einen Aachener Händler, drei Altäre, den Beichtstuhl und den
Predigstuhl für 300 Fr. an den Kirchenfabrikat von Teuven, alles
im Namen und zu Gunsten des Stiftes.
Nördlich der Kirche und im Winkel mit derselben (Chor-
seite) lag die Wohnung des amtierenden Geistlichen, die im 17.
Jh. restauriert wurde, nach dem ersten Weltkriege jedoch nieder-
gelegt werden mußte. Auf der Ostseite befand sich die Wohnung
90
des Priors, die bereits 1534 restauriert wurde und dann im 18. Jh.
infolge Baufälligkeit verschwand.
Das Hauptgebäude des Stiftes nahm (und nimmt noch) den
gesamten südwestlichen Flügel der Anlage ein.
Es ist der Teil des Stiftes, der am meisten den Plünderungen >
und Verwüstungen ausgesetzt war und daher auch mehrmals
restauriert wurde. In der ersten Hälfte des 18. Jh. war der Bau
derart verfallen, daß die regierende Äbtissin C. van den Berghe
de Trips sich entschloß, einen ganz neuen Bau aufzuführen und
dies trotz der vielen Schwierigkeiten auch erreichte. So entstand
1754 das prächtige, langgestreckte Gebäude, das wir heute noch
bewundern können.
Im Mitteltrakt der Fassade liegt die Eingangstür, zu der eine
doppelte Freitreppe hinführt, deren Giebelfront das Wappen der
Familie de Berghe de Trips trägt. Das Erdgeschoß hat 16 Fenster,
HZ
Aa Ye 6 „A X \S EA
4 BA we LINE ;
- WO VARTA A v .
VEN
= BEN A N
gb BED x =
SE ZN
> ei : —— if
Wappen der Familie -de Berghe de Trips an der Stirnseite der Freitreppe
das Obergeschoß 17. Außerdem besitzt das letztere einen ge-
schweiften Rundbogengiebel mit demselben Wappen de Berghe
de Trips. Das Mansardendach weist 6 Fenster auf.
Im Erdgeschoß liegen 8 schöne weite Räume, die ehemals als
Wohnung der Äbtissin und der jeweiligen Stiftsgäste dienten. Im
Obergeschoß liegen der frühere Kapitelsaal und die ehemaligen
Wohnungen der Stiftsdamen.
92
Vorhofes sieht man die ehemalige Stiftskirche, die den südöst-
lichen Flügel des Klosters einnahm. Nordwestlich vom Kirchturm
schloß sich der Flügel der Stiftswohnungen an, der nach Norden
hin verlief .und sich in dieser Richtung durch eine hohe Mauer
fortsetzte. Östlich lagen die Wohnung des Kaplans und die
Gemeinschaftsräume. Das alles umgab einen kleinen Innenhof.»
Im allgemeinen ist die Lage auch heute noch so, doch ist
manches denn doch verschwunden.
Zu bermerken ist noch, daß hart am Eingang der Zufahrts-
allee die sogenannte Sinnicher Mühle liegt, die bereits 1147
bestand und 1243 in den Besitz der Stiftsdamen kam. ‚Diese
Mühle wurde im 19. Jh. gänzlich umgebaut und hat keine
geschichtlichen Besonderheiten mehr aufzuweisen.
Zur Geschichte des Stiftskapitels. - 1. Von 1243 bis 1500
Das Stift von Sinnich unterstand, wie bereits angedeutet,
dem Abt von Rolduc. Die Stiftsdamen entstammten sämtlich den
Ritterfamilien des limburgischen Landes, legten bei ihrer Auf-
nahme ein einfaches Gelübde ab, verwalteten jede ihre eigenen
Güter und bildeten ein Kapitel, dessen allgemeine Einkünfte z.T.
unter die Stiftsdamen aufgeteilt wurden. Die Äbtissin wurde
durch Wahl erkoren.
‚Diese etwas merkwürdige «Hausordnung» zeitigte sehr bald
weltliche Gewohnheiten sehr zum Nachteil der klösterlichen
Ordnung. Dazu suchten die Äbtissinnen sich von Rolduc unab-
hängig zu machen und gerieten mit den Äbten von Rolduc gar
oft in Zwist und Streit. Es gelang ihnen jedoch nie, sich dieser
Abhängigkeit zu entledigen, doch vermochten auch die Äbte bis
etwa 1500 nicht, die interne Lage des Stiftes abzuändern. Das
gelang erst später mit Hilfe von außergewöhnlich frommen und
auch klugen Äbtissinnen.
Manche der ersten Äbtissinnen von Sinnich sind nur dem
Vornamen nach bekannt, andere mit vollem Namen. Immer
waren es adelige Damen, unter ihnen keine von wirklichem
Format.
2. von 1500 bis 1796
Ende des 15. Jh. setzte dann doch eine Reform ein, die
bereits unter Marie von Walhorn (1487-1508) begann und unter
Odilie von Ratloe tiefgreifend durchgeführt wurde.
93
Diese edle, sehr fromme und auch hochintelligente Frau, die
zunächst im Kloster Limburg und einem Kloster Süddeutschlands
weilte, wurde, nur 25 Jahre alt, 1508 auf Vorschlag des Abtes
Jean de Goer als Äbtissin nach Sinnich berufen. Sie nahm das
schwierige Amt an, führte sehr bald klösterliche Reformen durch
und verstand es außerdem, die Einkünfte des Stifts beträchlich zu
mehren. Die bescheidene Frau beschwor jedoch immer wieder
den Abt, sie von ihrem Amt zu entbinden, so daß derselbe
schließlich ihrem Wunsche nachkam, allerdings unter der Be-
dingung, als Unter-Priorin im Stifte zu bleiben und die Verwal-
tung weiterzuführen. ‚Ihre Nachfolgerin Marie von Imstenraedt
führte die Arbeit im selben Sinne weiter, starb aber bald, so daß
die hochbetagte Odilia das Amt wieder übernehmen mußte, bis
sie 1571, 88 Jahre alt, verstarb.
Eine andere, sehr bedeutsame Äbtissin war Catherine von
Golstein (1644-1655), die das Stift im Sinne von Odilia weiter-
führte. i
Diese Äbtissin mußte einen langen Prozeß mit dem Herrn
von Teuven, Gerard de Draeck, führen, der dem Stifte altherge-
brachte Rechte streitig machen wollte. Cath. von Golstein appel-
lierte an den Rat von Brabant (1648), der dem Kapitel das
Besitzrecht der Grundherrschaft Sinnich und eines Gerichtshofes
zusprach, unter der Bedingung, daß den Herren von Teuven das
Recht der hohen Gerichtsbarkeit verblieb.
Unter der Äbtissin Isabelle de Schwartzenberg (1676-1712)
kam 1697 bzgl. der ewigen Streitigkeiten zwischen Sinnich und
Rolduc ein Abkommen zustande, das sehr zum Vorteile des
Stiftes war.
Dennoch gab es auch später immer wieder Meinungsver-
schiedenheiten zwischen den beiden Klöstern, geistliche wie
weltliche Obrigkeiten mußten noch wiederholt als Schiedsrichter
fungieren.
Dazu war gerade diese Epoche (17. und 18. Jh.) eine
kriegerische Zeit, in der das Herzogtum Limburg einen wirt-
schaftlichen Niedergang verzeichnen mußte. Die fremden Trup-
pen, die das Land in bunter Reihenfolge besetzt hielten, verlang-
ten immer wieder Abgaben und Steuern. Dazu kamen noch
Plünderungen und Brandschatzungen. Auch das Stift Sinnich
94
mußte sich mit Not und Elend abfinden. Es kam sogar soweit,
daß die Stiftsdamen 1703 nach Aachen flüchten mußten und erst
Jahre später wieder nach Sinnich zurückkehren konnten.
Die sehr energische und verwaltungstechnisch hervorragende
Äbtissin Anne-Caroline de Berghe de Trips (1747-1769) verstand
es dann, die wirtschaftliche Lage des Stiftes zu sanieren, die
Gebäude des Stiftes zu restaurieren und auch die klösterliche
Ordnung im Zügel zu halten. Wenn auch die Gemeinschaft
zahlenmäßig stark zurückgegangen war, so gelang es A.C. de
Berghe doch, die dem Stift zukommenden Einkünfte regelmäßig
einzuziehen und mit ihren Damen ein verhältnismäßig ruhiges
Leben zu führen. .
Beim Dahinscheiden der energischen Äbtissin Anne-
Caroline konnte ihre Nachfolgerin Gertrude Francoise de Heusch
de la Zangrie ein Stift übernehmen, das wieder merklich aufge-
blüht war.
Diese Äbtissin war die letzte des Stiftes
3. Unter französischer Herrschaft
Der französische Revolutionsgeneral besiegte 1794 die
Oesterreicher, die sich endgültig zurückziehen mußten. Die
Franzosen besetzten das ganze Land, auch das Herzogtum
Limburg. Die Stiftsdamen, die wilde Soldateska fürchtend,
erwirkten die Erlaubnis, sich in ihre jeweiligen Familien zurück-
zuziehen und vertrauten ihrem Verwalter Reul die Stiftsgebäude
und das gesamte Eigentum an. Die französische Verwaltung legte
nun die Hand auf das Stift Sinnich und ließ die ganze Einrich-
tung desselben öffentlich verkaufen.
Die Stiftsdamen suchten zu retten, was eben noch möglich
. war, und konnten sich auch noch eine Weile auf Sinnich halten,
doch das Gesetz vom 1. September 1796 zwang sie, das Stift
endgültig aufzugeben. Die Äbtissin Gertrude Francoise starb am
31. Mai 1820 auf Schloß Oost.
Der Verwalter Reul kaufte das Stift mit einigen Liegen-
schaften. Seine Frau veräußerte den Besitz 1809 an E. Sou-
magne, der ihn 1843 seiner Tochter, Mme Kaison, überließ.
Diese verkaufte Sinnich 1846 an Herrn Emmanuel Coenen-
gracht. Das Gut kam in der Folge an dessen Sohn Eugene und
95
schließlich durch Heirat an die Familie de Secillon, in deren
Besitz es sich heute noch befindet.
Man möge die vorstehenden Ausführungen als das betrach-
ten, was sie sein wollen, ein bescheidener Beitrag zur Geschichte
unseres schönen Drei-Grenzen-Raumes. Sie erheben keinen An-
spruch auf erschöpfende Vollständigkeit.
Als Quelle diente uns vor allem ein Werk von D.D.
Brouwers, das die Geschichtsvereinigung Verviers 1903 als Ausgabe
5 herausgegeben hat. Außserdem griffen wir auf das Buch
«Delices» von G..Poswick zurück. Das Werk «Histoire du chapitre
noble de Sinnich» von Brouwers stellte uns Herr Ch. Kevers-de
Secillon freundlicherweise zur Verfügung.
96
°
Die Uhren
M. Th. Weinert
Die Uhren gehen,
alle Uhren der Welt...
sie haben den gleichen Ton, 4
sie tragen die Zeit davon.
War es nicht gestern, im alten Haus?
Knarrten die eichenen Stufen?
Deutlich wird mir des Vaters Gesicht.
die große Stube im Dämmerlicht
und der Mutter Rufen.
Zerbrochen im Garten die Sonnenuhr,
wie Kinderträume und Spiel,
aber die Zeit tickt die alte Spur
und wechselt Tage und Nächte nur
zu einem andern Ziel.
Niemand weiß, wenn der Schatten [illt
warum gerade jetzt der Zeiger hält,
die Uhren gehen
alle Uhren der Welt.
97
Gedenkfeier zu Ehren des Geheimen Sanitätsrats
Dr. Wilhelm Molly
von Freddy Nijns
Auf die Verdienste dieses außergewöhnlichen Mannes ist in
unserer Zeitschrift schon öfters hingewiesen worden. Doch die
Erinnerungen verblassen; an den Arzt und Menschenfreund Dr.
Molly, der mehr als ein halbes Jahrhundert in unseren Göhltal-
gemeinden gewirkt hat, erinnerte kein äußeres Zeichen mehr.
Seine letzte Ruhestätte hatte der große Mann auf dem evange-
lischen Friedhof in Neu-Moresnet gefunden, doch war sein
Grabstein, wie so viele andere, inzwischen weggeräumt worden.
Der Göhltalvereinigung war es daher ein besonderes Anlie-
gen, das Andenken an Dr. Molly wachzuhalten und diesem Mann,
der bei uns seine wahre Heimat gefunden hatte, einen neuen
Erinnerungsstein zu setzen. Nach langen Vorplanungen konnte
dieses Vorhaben am 23. April 1978 verwirklicht werden. Zahl-
reiche Gäste aus dem In- und Ausland hatten sich in der
Johaniskapelle von Neu-Moresnet eingefunden, um Dr. Molly diese
späte Ehrung zu erweisen. Das Programm der Gedenkfeier sah wie
folgt aus :
* Orgelspiel durch den Organisten Herrn Schunk der Evangeli-
schen Kirchengemeinde Eupen - Neu-Moresnet
* Gemeinsames Lied
* Ansprache der Pastoren Amann und Altdorf
* Psalmlesung
* Es singt der Chor der Evangelischen Kirchengemeinde Eupen -
Neu-Moresnet
* Festansprache von F. Nijns
* Es singt Frau Wate von der Ev. Kirchengemeinde Eupen -
Neu-Moresnet
* Begrüßungsansprache durch den Enkel des Geheimen Sanitäts-
rats Dr. Molly, Herrn W. Dithmar
* Ansprache in Esperanto durch Frau Vertongen, Vorsitzende des
Esperanto-Clubs Eupen + Aachen
99
Laudatio auf Dr Molly bei der Gedenkfeier vom 23. April 1978
in Neu-Moresnet
Wenn es je einen vielseitig begabten, lebensfrohen, unter-
nehmungslustigen, freundlichen, hilfsbereiten, charakterfesten
Mann und treuen Gatten sowie sorgenden Vater einer kinder-
reichen Familie gegeben hat, dann war es wohl Dr. Molly.
Mehr als ein halbes Jahrhundert war Dr. Molly in Neu-
Moresnet zu Hause und mit der Göhltalgegend und ihrer
Bevölkerung engstens verwachsen. Hier hat er gewirkt; hier wurde
er eine Persönlichkeit, nicht nur stellvertretender Bürgermeister,
sondern eine Art von ungekröntem König der sogenannten
Republik Neutral-Moresnet. Geboren 1838 in Blasbach bei
Wetzlar, kam Dr. Wilhelm Molly 1863 als Landarzt zuerst, dann
als Knappschaftsarzt der ”’Vieille Montagne”” nach Neutral-
Moresnet, wurde im Jahre 1891 Sanitätsrat und 1904 Geheimrat.
Als Medizinmann des Galmeibergwerkes wirkte er in vorbildli-
cher Weise zum Wohl der Bevölkerung des ganzen Göhltals - von
Walhorn bis Sippenaeken - bis zu seinem Tode im Jahre 1919,
also während 58 langer Jahre. Seine ärztliche Praxis erstreckte
sich bis weit in das angrenzende belgische Gebiet. Er durchkreiste
Tag und Nach bei allen Wettern die Gegend, um seine kranken
Patienten zu betreuen und vergaß dabei mehr als einmal, sein
Honorar zu berechnen oder einzustecken. Er schrieb nie Rech-
nungen aus, und seine Patienten bezahlten nach Gutdünken in
Geld oder in Naturalien. Unter einer rauhen Schale verbarg er ein
gutes Herz.
Dr. Molly war nicht nur Arzt, sondern auch Urheber vieler
historischer und anderer Bewegungen. Er war ein Mensch vielsei-
tiger Begabung : sprachgewandt, philanthropisch vielseitig inte-
ressiert, zahlreichen Hobbys und verschiedenen Sammlungen
frönend, ob Flora, Fauna, Mineralien, Philatelie, Alt- und
Neusprachen, Numismatik, usw. Er korrespondierte mit aller
Welt und knüpfte viele internationale Kontakte, wurde dabei
mehrere Male vom In- und Ausland ausgezeichnet.
In der Gegend weiß man noch von seiner berühmten
Freimarken-Besessenheit zu reden; sie ging ja so weit, daß er
100
1886 in Neutral-Moresnet eine Postanstalt errichten ließ, wo
einige Briefmarken mit dem Aufdruck ”’Kelmis’” herausgegeben
wurden. Nach siebzehn Tagen wurden diese Briefmarken aber
schon vom belgischen und preußischen Staat aufgehoben und die
Poststelle geschlossen, denn die Marken waren illegal, standen
nicht in Katalogen und wurden nicht offiziell gehandelt. Trotz-
dem hätten sie heute - wenn man sie noch auftreiben könnte -
einen Kuriositätenwert!
Der völkerrechtliche Sonderstatus von Kelmis - damals
Neutral-Moresnet - inspirierte den rührigen Herrn Molly zur
Schaffung eines unabhängigen Esperantostaates namens ”Ami-
ceo” d.h. "Ort der Freunde’. Mit seinen vielen Freunden von *
weit und breit gelang es ihm, die Weltzentrale der Esperantisten
nach Kelmis zu verlegen. Kelmis war somit bis zum ersten
Weltkrieg, der aber alle Bemühungen zunichte machte, die
Welthauptstadt der Esperantistischen Friedensbewegung. Aber
die angestrebte politische Autonomie von Kelmis scheiterte letzt-
lich am allgemeinen Mißfallen der Großmächte.
Es fehlte auch an Mitgliedern aus dem Ausland, und die
gehobene Schicht von Neutral-Moresnet, u.a. Prominente wie die
Familie Bruch, der katholische und der evangelische Pfarrer, die
Apotheker Michels und Dovifat, der preußische und der belgische
Bürgermeister, die Direktion der Grube, usw. konnten das
Unternehmen nicht tragen und retten. Die ganze Geschichte
schlief ein. Und was ist von ”’Amiceo” übrig geblieben? Einige
Ansichtskarten, Bücher, Pressemeldungen, ein Photo der Grün-
dung, Berichte der Geheimpolizei und nicht zuletzt die Partitur
des vom Kelmiser Komponisten Willy Huppermann vertonten
Marsches des gleichen Namens . ..
Dr. Molly beteiligte sich aber auch in anderer Form am
öffentlichen Leben; so war er z.B. eng am Bau der
Schule und der St-Johanneskirche in Neu-Moresnet beteiligt, die
die zugezogenen evangelischen Pfarrkinder kirchlich versorgen
mußte und die Kinder für einen geordneten Religionsunterricht
unterbringen sollte. Deswegen wurde der Wunsch geweckt, eine
eigene Gemeinde zu bilden und eine eigene Kirche zu besitzen. Es
ist sicher, daß Molly hier bis 1919 mitgewirkt hat.
Ein anderes Kuriosum : 1881-1882 wurde Dr. Wilhelm Molly
Schützenkönig bei den St. Stephanus-Schützen von Walhorn. Im
Jubeljahr zum 175-jährigen nachweisbaren Bestehen der Gesell-
101
PP,
7) }
€ Ar a
N
Zur Denkmalenthüllung hatten die ‚Walhömner‘ Schützen eine Delegation entsandt.
An der Schützenkette hängt u.a. die Plakette des Schützenkönigs Dr. Wilhelm
Molly (1881-82)
schaft trug er die kostbare und geschichtlich äußerst wertvolle
Königskette, wie eine daran befestigte Medaille noch bezeugt.
Es blieben noch viele Anekdoten von und über Dr. Molly zu
schreiben, denn das vielfältige Leben und Wirken dieses Mannes
bieten genügend Stoff für Dutzende von Büchern, die jemand mit
der umfassenden nötigen Dokumentation verfassen und heraus-
geben könnte ...
Im Jahre 1919 starb Dr. Molly, tief betrauert von den
Gemeinden Preußisch und Belgisch Moresnet als Ehrenbürger
seiner Ortschaft. Am. Tage seines Begräbnisses wurde die Grenze
geöffnet, damit ein langer Zug Leidtragender zum hiesigen
evangelischen Friedhof hinter der Kirche kommen konnte. Dort
ruht nun schon fast 60 Jahre der gute Dr. Molly neben seiner
Gattin. Dort hat die Göhltalvereinigung einen Gedenkstein zum
Andenken an den großen Bürger der Gemeinde errichtet.
Die Vereinigung für Kultur, Heimatkunde und Geschichte
im Göhltal hofft auch am ehemaligen Wohnhaus von Dr.
102
Molly an der Jansmühle eine Gedenktafel anbringen zu lassen.
Vielleicht könnte sogar eine neue Straße nach der berühmten
Persönlichkeit Mollys benannt werden. Dann würden Mitbürger
und Touristen und alle Freunde stets durch diese drei Erinne-
rungszeichen an das Wirken einer so seltenen Prominenz
denken, und die Begeisterung zu Ehren des lieben Geheimrates
würde nimmer nachlassen! . ..
Möge es unter uns, in unserer Umgebung, in der ganzen
Welt, viele Menschen geben, wie unser lieber Dr. Molly einer
war!
103
Das Portrait : Wilhelm Dithmar
von Dr. G. De Ridder
Für die Ausstellung, die unsere Vereinigung als Beitrag zum
Jahre des Denkmalschutzes im April 1975 zu organisieren beab-
sichtigte, fehlte noch dokumentarisches Material über Neutral-
Moresnet. Eng mit der Geschichte um Neutral-Moresnet war der
Geheime Sanitätsrat Dr. Molly verbunden, der 58 Jahre als Arzt
in diesem Gebiet tätig war. Aus dem Bekanntenkreis hatte ich
erfahren, daß es noch Gemälde und Orden bei einem Verwandten
von Dr. Molly in Aachen geben sollte. Nach etlichem Suchen
gelang es mir, diesen Verwandten als den Enkel des Geheimen
Sanitätsrats Dr. Molly ausfindig zu machen.
Im März 1975 saß ich Wilhelm Dithmar in seiner Dach-
stube im Evangelischen Frauenheim in Aachen zum ersten Mal
gegenüber. Über seine Schreibmaschine gebeugt erinnerte er
mich an ein Spitzweg-Gemälde. Die Art seines lebendigen Erzäh-
lens begeisterte mich; noch nie gehörte Geschichten über Aachens
Vergangenheit und manche Erinnerung aus seiner Kindheit
erfuhr ich bei dieser ersten Begegnung, der‘ noch viele andere
folgen sollten.
Im Mai 1978 verließ uns Wilhelm Dithmar für immer. Die
Erinnerung an sein Wirken verdient festgehalten zu werden. Am
17.4.1896 wurde Wilhelm Dithmar als 4. Kind des aus Homberg
bei Kassel gebürtigen Ferdinand Dithmar und der Clara Molly
aus Altenberg in Aachen geboren. Sein Vater war der Gründer
der ältesten Aachener Drogerie. Die zweitälteste Tochter des
Geheimen Sanitätsrates Dr. Wilhelm Molly aus Altenberg war
seine Mutter. Seine Kindheit verlebte der Junge zunächst in der
Großkölnstraße in Aachen. In der väterlichen Drogerie ver-
brachte er viele Stunden, denn dort gab es seltene Dinge zu
sehen. Neben den Medikamenten gab es Produkte, die heute kaum
noch bekannt sind, wie Krebsaugen, Cochenilli-Läuse zur Kar-
mingewinnung, Meerzwiebel, Blutegel in Wasser u.a.
Als Bub führte ihn sein Weg oft zu seinen Großeltern nach
Altenberg, die in der Jansmühle (heute Kelmis/Neu-Moresnet)
wohnten.
104
Manches Mal hat er den Großvater begleitet, wenn dieser von
seinem Kutscher Wendt über Land gefahren wurde, um seiner
Praxis nachzugehen. Gerne erinnerte sich Wilhelm Dithmar an
die Kirmesfeste zu Altenberg. Auf dem Casinoweiher vergnügte
man sich bei Musik auf Kähnen und abends bei Lampionbe-
leuchtung. Die markante Persönlichkeit seines Großvaters war
ihm sein Leben lang lebendig geblieben.
Nach dem Besuch des Kaiser-Wilhelm-Gymnasiums in
Aachen mußte er ins väterliche Geschäft, denn sein Vater, ein
echter Patriarch, wie Dithmar in ”’’Mein Leben” schreibt, bestimm-
te, was er werden sollte. In der Ausbildung zum Drogisten ,
wurde ihm nichts geschenkt. Seine Arbeitszeit war von morgens 8
Uhr bis abends 9 Uhr mit einer halben Stunde Mittagspause, und
das als Vierzehnjähriger. Sonntags war von 12 Uhr mittags bis 2
Uhr nachmittags Dienst. Dann kamen die Bauern aus der
weiteren Umgebung aus Raeren, Eynatten und Eupen und ließen
sich besonders viele Arzneimittel herstellen, wie Krupp-Pulver für
Pferde (Fenchel- und Bockshornsamenpulver). In ruhigen Stun-
den ging der Junge seiner Lieblingsbeschäftigung nach : fleißig
las er Klassiker und andere größere Werke. Schon in seiner
Kindheit verspürte er seine Neigung zur Dichtkunst. Seine
”Erst”-Werke, die er mit 8 Jahren schuf, warf sein Vater ins
Feuer. Er sollte sich mit ”’nützlichen’’ Dingen befassen. Er wurde
Drogist und stand 57 Jahre hinter der Ladentheke. Auf die Frage,
ob er gerne Drogist geworden sei, so wie es der Vater einfach für
ihn bestimmt hatte, mußte er offen gestehen : Drogist ja, aber
Kaufmann nein. Jede Buchführung war ihm stets verhaßt. So
hatte er also versucht, sein Leben lang Kaufmann zu spielen, was
ihm seiner Meinung nach nie recht gelungen ist. Wissenschaftler
wäre er viel lieber geworden.
1915 wurde er in Berlin-Moabit Soldat. An der Front bei
Cambrai und Douai.an der Somme lernte er die Schützengräben
kennen und sammelte maich bittere Erfahrung. Eine schwere
Kopfverwundung beendete vorerst diese Laufbahn. Nach der
Genesung kehrte er nach Berlin zurück. Erst im März 1919 kam
der Unteroffizier und Träger des Eisernen Kreuzes nach Aachen
zurück.
1921 heiratete er Lili Stöhr, Tochter des Direktors einer
bekannten Aachener Tuchfabrik. 2 Töchter gingen aus dieser Ehe
105
hervor. 1968 starb seine Frau und Wilhelm Dithmar fand im
Altersheim in der Aureliusstraße Aufnahme.
In ”Mein anderes Leben” erklärt Dithmar : ”’Ich bin nie ein
echter Kaufmann gewesen, mein Leben gehörte der Kunst. Es
war ausgefüllt mit der Beschäftigung um die Aachener Heimatge-
schichte. Der Schriftstellerei bin ich von Jugend an verbunden
gewesen”. Zunächst schrieb er eine Reihe von Gedichten, dann
folgte das erste Drama : ”’Der unheilvolle Mönch”. Er erhielt
dafür eine günstige Kritik und war dadurch zu weiterem Schaffen
ermutigt. Das bekannte, damals in Aachen weilende Schauspieler
Willy Birgel beschäftigte sich mit seinen Arbeiten und brachte
ihm einige Zeit lang Dramaturgie bei. Über die Künstlergruppe
”Die Kuppel”, die unter der Leitung von Professor Brüggemann
stand, lernte er auch den Dichter Josef Ponten kennen. Für die
Öcher Schängchen schrieb er über 30 Stücke, wie ”Das
Marienkind”’, ””Zwerg Nase”, ”Rattenfänger in Aachen”, ”’Der
Wunderkessel”’, die allesamt zur Aufführung gelangten. Zwei
Originale Aachener Typen : Nieres und Veries verdanken ihm
ihre Entstehung. 1974 feierte er beim Öcher Schängchen sein
50-jähriges Bühnenautor-Jubiläum. Wilhelm Dithmar, der ehe-
mals auszog, die große Bühne zu erobern, diente der Puppen-
bühne von ganzem Herzen. Die Freude der Kinder machte ihn
glücklich, wurde hier doch sein Schaffen anerkannt.
Nach dem Krieg brachte Dithmar einige Büchlein heraus.
”Das Aachener Narrenschiff”” stellt eine Reihe köstlicher Kleiner-
zählungen über Aachen dar. Mit dem Buch ”’Großer Aachener
Sagenkreis’’, - es enthält 125 Sagen - hat Dithmar eine kleine
Kostbarkeit geschaffen, die heute in allen Aachener Schulen
gelesen wird und auch darüber hinaus sich eines großen Leser-
kreises erfreut. Nach Aufgabe seines Geschäftes vertiefte sich
Dithmar immer mehr in die Aachener Geschichte. Hatte er früher
nur die wenigen Abendstunden für das Studium der Aachener
Geschichte genutzt, konnte er nun seine ganze Zeit mit geschicht-
lichen Arbeiten verbringen. So liegen jetzt Arbeiten im Stadtar-
chiv über Gerbert von Aurilac, später Papst Silvester II, die
Geschichte des ersten Kreuzzuges von Albert von Aachen, das
Räderschiff zu Kornelimünster und das Narrenschiff des Sebastian
Brand (letztere Arbeit liegt im Stadtarchiv Basel), die Aachener. .
Reformationszeit, u.a.
Dithmars größter Wunsch war, als Historiker anerkannt zu
sein. In über SO0jährigem, Schaffen bemühte er sich um die
107
°
Jugenderinnerungen an
” Altenberg”
von Wilhelm Dithmar (#)
Vor 70/75 Jahren kannte man kaum eine andere Bezeich-
nung für jene Gegend als ”’Altenberg”’. Meine Mutter sagte, wie
viele Bewohner jener Gegend : ”Ich bin auf dem Altenberg
geboren !”” Heute heißt dieses Gebiet (früher eingeteilt in ”’Preus-
sisch Moresnet’”” und ”Neutral-Moresnet’”’) Neu-Moresnet und
Kelmis. (Auf den von Dr. Molly herausgegebenen Freimarken für
”Neutral-Moresnet”’, die allerdings nur 16 Tage im Umlauf waren
und dann behördlicherseits eingezogen wurden, stand ebenfalls
der Aufdruck ”’Kelmis’”” (dem Namen nach von Galmei, dem
Grubenzinkerz, abgeleitet. Auf den um 1910 fahrenden Aachener
Kleinbahnen stand ebenfalls richtungweisend nur das Wort
”Altenberg’”’. Wenn wir Kinder nach ”’Altenberg’” zu den Groß-
eltern wollten, dann gingen wir von Aachen aus sehr oft zu Fuß,
und zwar entweder über die Lütticher Straße auf dem direkten
Wege, oder bei sehr schönem Wetter vom Preusweg aus durch
den Preuswald über kleine Höhenzüge, die übersät waren mit
Heidekraut und blühender Glockenheide, auf ”’Neutral-
Moresnet’”’ zu. Mit der Bahn fuhren wir selten und wenn, dann
über Ronheide (natürlich vierter Klasse) nach Hergenrath, von wo
wir durch ”’Galmei”-Wiesen ins Tal hinabspazierten.
Die ”Jansmühle’””, so hieß das groß elterliche Gebäude,
efeuumrankt bis zum Dach, lag in einem großen Park mit hohen
herrlichen Bäumen. Der Fahrweg ging unterhalb dieses Terrains.
Heute stehen rechts der Straße noch einige kümmerlich anzu-
schauende Bäume und versuchen von alter Zeit zu erzählen. Die
”Jansmühle”” heute nur einen Trackt aufzeigend, hatte früher
noch einen längeren Anbau, in dem der Ingenieur Markstein,
Abteilungsdirektor der ’”’Vieille Montagne’’, des Bergwerkes,
wohnte. Mit den Marksteintöchtern, heute noch befreundet von
der Kinderzeit her, komme ich noch hier und da einmal
zusammen.
Bei Großmutter Molly, der ”Frau Rat”, waren wir Kinder
sehr gut aufgehoben, wenn wir in Altenberg die Ferien verbrach-
ten. Großmutter war zwar streng, aber auch sehr lieb zu uns.
108
Über die Haupttreppe zum ersten Stock hinauf, die sogenannte
”Sonntags-Treppe”’, durfte kein Kind. Diese Treppe erglänzte
immer im Bohnerglanz. Wir durften von der Küche über eine
kleine Wendeltreppe uns hinaufschleichen. An der Küchen-
schwelle war eine große Pumpe. Eine Wasserleitung gab es nicht.
Aus einer großen Zisterne wurde frisches Quellwasser in die Höhe
gepumpt.
Am zweiten Weihnachtstag versammelte sich im Großeltern-
haus der Großteil der Familie : Töchter, Söhne und deren Gatten
und Gattinnen . . . und eine Reihe von Enkelkindern. Nachmit-
tags Kaffee und Kuchen . . . dann spazierten mein Vater und die
Herren Onkel durch den großen Park und hielten einen heftigen
politischen Diskurs. Jeder vertrat eine andere politische Richtung.
Abends gab es dann immer Heringssalat. Anders gab es das
einfach nicht. Wir Kinder bekamen auch einen Weihnachtsteller.
Darauf lagen sechs größere Anisplätzchen, ein Apfel und einige
Nüsse. Ein Onkel stiftete noch je einen Nürnberger Lebkuchen
dazu.
Solche ”’Anisplätzchen” wie die von Großmutter habe ich im
Leben nie mehr zu essen bekommen. Meine Frau gab sich die
größte Mühe im Backen, aber jenen Geschmack von den Plätz-
chen aus Altenberg bekam sie einfach nicht heraus. Ich habe den
Grund erst später entdeckt. Durch das Efeulaub am Haus war
irgendwie das ganze Haus etwas muffig. Dieser Geruch beherr-
schte das ganze Haus . . . und somit auch die von der
Großmutter gebackenen Plätzchen.
In einem früheren Aufsatz habe ich bereits beschrieben, wie
Großvater sein fünfzigjähriges Doktor-Jubiläum im Altenberger
Casino feierte. Doch auch noch ein anderes Fest durfte ich
miterleben, die ”Goldene Hochzeit’”” am 2. Februar 1914. Alle
Söhne, Töchter und Angehörige waren erschienen. Dazu 16
Enkelkinder, von denen wir Dithmars die ältesten waren. Gratu-
lanten kamen und gingen.
Die Kinder wußten, daß Großmutter auch an Sonn- und
Feiertagen beim Auftragen der Suppe immer einen Blechschöpf-
löffel benutzte. Einige, ohne sich leider vorher abzusprechen,
beschlossenen, Großmutter nun endlich einen schönen silbernen zu
schenken. So erhielt an jenem Feiertage Großmutter gleich fünf
Silberschöpflöffel, sehr zu ihrer Freude. Denn sie sagte ...:
109
”Drei habe ich schon im Schrank . . . dazu fünf . . . so kann ich
acht, wenn ich einmal sterbe, an meine Kinder vererben!”
Vor dem Hause wurde ein großes Foto gemacht. Alle
Verwandten, die Großeltern in der Mitte (-ich besitze dieses
Fotobild noch-) gruppierten sich. Der Herr Fotograf erschien mit
hohem Stativ und einer großen braunen Kamera . . . Darüber ein
schwarzes Tuch, unter das er kroch, und kommandierte die
Bildordnung. Dann wollte er knipsen. Er wollte, aber es stellte
sich heraus, er hatte die Platten vergessen. Zu jener Zeit wurden
noch große ”Naßplatten”” benutzt, die in großen Kassetten
steckten. Wir blieben sitzen und der Fotograf eilte ins Dorf und
kam dann endlich zurück ... Neue Gruppierung, dann durften
wir alle ”lächeln”” und drei Aufnahmen wurden gemacht.
Wenn ich bei den Großeltern war, wurde ich von der
Großmutter auch schon mal als Botenjunge benutzt. So schickte
sie mich auch eines Tages Mehl beim Bäcker Creutz holen.
Gleich zwei Kilo. Ich drückte die Tüte brav und fest an mich,
und kam den ”schwarzen Weg” hinunter, der von der Haupt-
straße zur Jansmühle führte. Die Tüte wurde immer leichter und
dann rückwärtsschauend sah ich die Bescherung . . . in einer
Zickzacklinie war ein guter Teil des schwarzen Weges weiß
geworden. Ein andermal im Winter sah ich, wie Kinder auf dem
Casinoweiher sich auf dem Eise tummelten.
Vom Weiher führte ein Abflußbach zum ”schwarzen Weg”,
Auch hier war eine Eisdecke. Also versuchte ich die Stärke,
rutschte an der kleinen Böschung ab, die Eisdecke brach, und ich
lag bis zu den Hüften im Wasser. Triefend naß eilte ich zur
Jansmühle. Großmutter zog mich aus . . . und steckte mich in
”Mädchenkleider””, da sonst an Bubensachen nichts vorhanden
war. Darin saß ich, bis alles wieder trocken war.
Mit zwei älteren Kusinen spazierte ich zur Emmaburg, die
damals dem Herrn Baron von Nellessen gehörte. Wir wollten
unbedingt die Zwergenhöhlen sehen an den hügeligen Waldun-
gen, von denen man uns erzählt hatte. Aber es waren zu unserer
Enttäuschung nur Kaninchenlöcher. Als wir noch so da standen,
hörten wir eine wütende Stimme von der Burg her. Der Herr
Baron versuchte mit einem geschwungenen Stock drohend auf
uns zuzukommen. Wir nahmen reißaus . .. und kletterten über
den hohen Eisenzaun. Ich war zuerst herüber und half dann den
110
Mädchen. Eine Kusine riß sich ein großes Dreieck in ihren Rock.
Aber wir kamen gesund wieder nach Hause.
Am Abend im Casino schimpfte der Herr Baron über die
frechen Eindringlinge in sein Terrain, worauf mein Großvater
ruhıg sagte : ”Das waren meine Enkel”. Da schwieg Baron
Nellessen.
Es ist erstaunlich, welch große Erfolge Dr. Molly in seinem
Beruf aufweisen konnte. Zu seiner Zeit stand die pharmazeutische
Industrie noch in den Kinderschuhen. Großvater Molly griff
daher zu Naturheilmitteln. Er wußte in der Heilpflanzenkunde
sehr gut Bescheid. Ich besitze noch Rezepte von ihm, zumal ein
hervorragendes Keuchhusten-Rezept, aus den Extrakten ver-
schiedener Heilpflanzen und Giftpflanzen bestehend, wie Bella-
donna, Lactucae virosum, Trifolii usw.
Wie Bombastus Paracelsus lernte er auch vom fahrenden
Volk und von den Bauern. Diesen sah er manche alte Volkskunst
wie Pfarrer Kneipp ab. Auch versuchte er das Fleisch von wilden
Vogelarten und Kleinwild. Er behauptete, an der Art des
Fleisches könne man den Charakter der Tiere erkennen und
umgekehrt.
Er hatte große Heilerfolge bereits durch Auflegen seiner
Hand. Dann strömte bereits eine große Beruhigung auf den
Patienten ein. Dies zumal bei Geburten. So half er den Frauen in
ihrer Stunde. Sein Blick unter buschigen Augenbrauen hatte eine
ausströmende Gewalt. Das hatte mit irgendeiner Übersinnlich-
keit nichts zu tuen. Es war vielmehr eine große Herzensgüte, die
von ihm ausging .. . und das Wissen, daß er etwas leisten konnte.
Er hat es ja auch bewiesen. Sonst würde man ja heute nicht mehr
davon sprechen.
111
Aus meinem Familienarchiv :
Kindersterblichkeit vor 170 Jahren
Aufzeichnungen des Peter Joseph Emonts 1802-1814
von Leo Homburg
Die ersten Impfungen (gegen Pocken) wurden in unserer
Gegend zu Beginn des 19. Jh. vorgenommen.(1) Die Kindersterb-
lichkeit blieb jedoch bis in unser Jahrhundert hinein erschreckend
hoch. So entstand ein natürlicher Ausgleich zu den hohen
Geburtenraten, die sont gewisse große Ernährungsprobleme ver-
ursacht hätten.
Von den Filtern wurde der Tod eines Kindes zwar als ein
schmerzlicher Verlust empfunden, doch auch mit großer Gotter-
gebenheit und tiefem Glauben getragen. Zur Kindersterblichkeit
vor 170 Jahren nun einige Aufzeichnungen des am 22. August
1774 in Raeren geborenen und am 13.10.1815 dortselbst gestor-
benen Peter Joseph Emonts-Holley, der zu meinen Vorfahren
gehört.
”Ich hab mich Verheratet mitt annamarey Junker in das
jahr 1802 Den 6 janwar. johannes Miegel Emonts holley Ende
jenemareia junker als gezeugen herteu
Johan Gregorius Reuter als pastor in heseger vaehrr Amen auf
drey koenigendaeg
Peter joseph Emonts Holley
”Meinen Sohn johannes Leionardus Emonts holley ist ge-
bohren in das jahr 1803 Den 22 julius morgens um 2 ohr auf
maria magdalenen dag im Zeichen des Schoetsen Paett und goed
istt gewesen Leonartus Menneken holley Ende Jennmareia Zelles
Wedwe Johannes Coch. Pastor isst gewesen johannes Gregorius
Reuter alher.
(1) S. dazu "Im Göhltal” Nr. 12, S. 47, Bericht des Hergenrather Bürgermeisters
Chabert an den Unterpräfekten in Malmedy. Der Bürgermeister berichtet, er habe
als erster seinen Sohn gegen Pocken impfen lassen. Im Bericht Chaberts für das
Jahr 1804 heißt es, die Impfung setze sich nur sehr langsam durch.
112
”Meyn Sohn johannes Leonartus istt gestoerben in das jahr
1807 Den 6 februarius Morgens um Ses ohr gelobt Sey jesus
Christus amen
Peter Emonts holley Leonarts
Annamareya junker Dretz
Anno 1807 Amen...
”Meine dochter Marecatrein Emonts holley ist gebohren in
das jahr 1805 Den 19 September morgens ump 4 uhr patt und
gott sund gewesen peter Zelles und Marecatrein Meneken dochter
von Adam Mennecken Selbege ist gedauft worden vom heren
Schmetz in Abwesenheit unsers pastor hartmann 7
”Mein Sohn johannes Adamm Emonts holley ist gebohren in
das jahr 1808 den 3 aprell abens 5 moenoetten voer tewelff ohr
patt und goedt sund gewesen arnordus hausmann und mareka-
trein junker dretz derselben ist gedauf worden vom heren pastor
hartmann als pastoer alher
Peter joseph Emonts holley
Anno 1808 den 5 aprell
Ge Bag Dann Apem a ee Oo Dan
VAR hLer WU CLELRT CELL Cap CHTD beilej
SE ME EM AS {
ES SE VE RR. Pa) VA MSOZEETE
£ . ZEN EZ ST 3 Hetzer Eee
DE A ab nn Dü SED € SS
GG LE ZEV“ JO) GEBE ZZ Ölrpptl LEE
ze BETZ Bi } T FF DD
Ban nt en m.
VA RD Laß focle BeEEs 24
V er E<
CE Ge FE Da ZZ g N WS u
ZZ VE Calfele Den Hell 70 LTE VA
ARE 1/65 ,
A ; ZA A he Az MS
U CHE. ZU EMI A. DR DE sr GEÖLIEL
BEE “o ;
VA OL LES CH.. JELGLE Z MY BC Zefgeer
AHA ale Sn MN
113
”In das jahr 1810 ist mein Sohnn johannes Leonartus
gebohren den 12 julie Vor medaegh ump halber Zweleff paett und
goeti sind gewesen Leonartus Emonts und Marikatrin Mennecken
derselbigen ist gedauft worden von heren pastor hartmans Als
pastor in Raeren und Neudoerff
Peter Emonts annemareia junker Eleuth
”Mein Sohn johannes Leonartus ist gestoerben in das jahr
1811 den 12 Mey Eyn verdel nach twelff ohr des nachts gelobtt
Sey iesus Christus amen.
”Meinen Sohnn johannes Leonartus istt gebohren in das jahr
1812 den 30 märtz Nach medaeg ump drey ohr auf ostermoendaeg
derselbigen ist getauft worden von heren pasthor harttmann in .
Raeren Neudorf patt und gott Sind gewesen beide johannes
Kremer Raeren und marekatrin Menneken Ehefraen von johan-
nes meghell Emonts Anno 1812 Peter joseph Emonts Annamarey
junker Ehleuth mein Sohn johannis Leonartus ist gesteurben den
21 Mertz 1813 morgens "ump halber Eihn gelobtt sey jesus
cristus Amen.
”Mein dochter annamareia francoesca Emonts holley istt
gebohren in das jahr 1814 den 10 Aprill abens um 11 1/2 oer das
selbe istt gedauff worden von heren pastor hartmann patt und
godt sind gewesen Wellelmus Kever und jenemareia juncker dris
Nemplich auf Oester Oeventt.
”Meine dochter Annamareia francoesca Emonts ist gestoer-
ben den 20 April morgens ump 10 Aeur in das jahr 1814 gelobtt
sey jesus cristus Amen
Von den sechs Kindern, die den Eheleuten Emonts-Junker
von 1803 bis 1814 geboren wurden, überlebten also nur zwei. Der
Vater, Peter Joseph Emonts-Holley, von Beruf Töpfer, starb im
Alter von 41 Jahren. Die Mutter, geb. am 16. Mai 1777 als
Tochter von Adam Junker und Katharina Mennicken-Holley,
starb am 29. Juni 1818 im Alter von 40 Jahren.
114
°
Die geheimnisvolle Truhe
Eine Schmunzelgeschichte vom Dreiländereck von G. Tatas
Mein Großvater mütterlicherseits hatte die Ehre, ab initio
mit dabei zu sein, als Anno domini 1873 in der Knabenschule zu
Gemmenich die St. Hubertus-Schützengesellschaft diesen Plane-
ten betrat.
Diese Ehre hat er zeitlebens so zu schätzen gewußt, daß ihm
der geliebte Verein zum Ausgangspunkt aller edleren Emotionen,
zum Horizont seines Interessengebietes und zum scharfen Umriß
seines Weltbildes wurde.
Laue Vereinsmitglieder, worüber jeder Vorstand heutzutage
zu klagen hat, werden mich hier wohl der Übertreibung bezichti-
gen. Aber diese Erzählung wird ihnen beweisen, daß es damals
Menschen solcher Art gab, als Ferienreisen in aller Herren
Länder, Fernsehen und sämtliche technischen Errungenschaften
bis zur Erforschung des Makrokosmos ihnen noch nicht den Blick
auf ein weltweites Lebenspanorama geöffnet hatten.
Nun, das Beweisobjekt ist eine alte wurmstichige Truhe, die
auf Großvaters Stube in meinem Elternhaus hermetisch verschlos-
sen neben seinem Bett stand. Ich war ein Bub von acht Jahren
und durfte mit Großvater alles anfangen, was Enkeln gewöhnlich
zum Schaden ihrer Erziehung erlaubt ist : Ich durfte ihn für alle
meine Eigensinnigkeiten und Launen gefügig machen und ihm
zum Beispiel auf Spaziergängen mit quängelndem Zerren an den
Rockschößen immer wieder einen neuen Kurs diktieren und
durfte alles, sogar seine Taschenuhr kaputt machen, nur - mit
einem Finger die alte Truhe berühren - das durfte ich nicht. Die
Truhe war ein geheimnisvolles Tabu.
Ich erinnere mich, daß ich eines Tages, als mehrere Söhne
und Töchter bei Großvater auf der Stube zu Besuch weilten, und
ich vor lauter Onkeln und Tanten keinen freien Stuhl mehr hatte,
in meiner Unschuld die Truhe als Sitzgelegenheit benutzen
wollte. Da verlor der sonst so nachsichtige und gutmütige Opa
sein seelisches Gleichgewicht und seinen Sinn für die übliche
Verwöhnungstaktik. In einem cholerischen Anfall langte er mir eine
herunter, daß ich als verzogener Bengel aus allen Wolken fiel und
115
merkte, wie verdammt heilig ihm die alte Kiste sein mußte, denn
Großvater sah wie der feuerschnaubende Drache aus, der vor dem
heiligen Haine das goldene Vlies bewacht.
Die ganze Familie bekam einen Schreck und man begann
der Truhe gegenüber eine scheue und ehrfürchtige Haltung
einzunehmen. Weil niemand etwas über den Inhalt wußte, erhielt
sie die Bedeutung eines geheimnisvollen Schatzes in einem
Abenteuerroman. Jahrelang bildete die Truhe das Flüsterge-
spräch der Familie. Was konnte sie blos enthalten, das Großvater
sogar vor seinen Kindern so sorgfältig verbarg und ihn hinreißen
konnte, seinen vergötterten Liebling zu züchtigen? Geld, ein
Testament, Wertpapiere, Schmucksachen? Es war des Ratens
kein Ende. Ich selbst hielt das hölzerne Ungetüm für so etwas wie
eine große Büchse der Pandora, aus der alles Übel der Welt kam,
denn es hatte mir meine erste Ohrfeige im Leben eingebracht.
Indessen blieb das Geheimnis der Truhe ungelöst, bis
Großvater im 81. Lebensjahr eines Morgens die letzte große Reise
antrat, wohin er seine Kiste nicht mitnehmen konnte. Als man
nach der Beerdigung zusammenkam, um die Truhe zu öffnen,
war kaum einer je so gespannt gewesen wie in diesem Augenblick.
Der große Moment kam, der Schlüssel knarrte im alten Schloß,
der Deckel hob sich - doch dann sah man nach der ersten
Überraschung auf allen Gesichtern nur ein gerührtes Lächeln.
Obenauf lag der vergilbte goldene Kranz, den Großvater als
Goldjubilar der St. Hubertus-Schützengesellschaft bei den
SO0jahrfeiern um den Zylinder getragen hatte. In der Mitte des
Kranzes die Medaille mit der eingravierten 50 und bis auf den
Boden der Kiste förderte man nur alte Tombola-Heftchen, alte
Plakate, Eintrittskarten und Programme mit dem Titelkopf «Kgl.
St. Hubertus-Schützengesellschaft» zutage. Nicht mal einen Ver-
sammlungsbericht oder eine Vereinschronik, diese Dokumente
verwahrte der Schriftführer des Vereins, und bis zu diesem Posten
war Großvater nie aufgestiegen. Seine Sprößlinge und Erben
umstanden zwar etwas ratlos dieses Vermächtnis, doch bedurfte
es keiner Testamentsverfügung wie in Jean Pauls «Flegeljahre»,
um ihnen eine Träne der Rührung zu entlocken. Glaubt man
jetzt, daß Vereinstreue und -anhänglichkeit die Lebenserfüllung
unserer Großeltern sein konnte?
E Eg1 Z Sn
FFS
{ Has’ die SEEN eis ud LE Diablo A
f SE ns BETT HE SED CS vote} Ko ;
® S SE Jean wod 2ERV Snsblos 285 anieH nsgllien CC
1 ANARRSd Ma Da A0sida2 asia mpdod oflms 3 axiısa. sid 4 8
77 arten io ehr bieriben Die sd an Tata E
| lets ‚Suw Heat npb 1508 zwwie Ansmann LaW. ‚gemnenusnie * 3
0 pre Re EEE Brise U S
14 ad Et a Ba ; }
= ZN SE DA SS Rn Ha
ea IRBESHAM: adi ‚br gıschey sBlötgroe be anısbaf nenise 16V 1E0E E
07 ale Lö 0E Seile ic heNdohl et lög emo Star
00 Ansieilekeb Varia Ans loeiepa Rr ietgeAN. Kteoneia
105 7 a bar ke üäeteb Meier ehr
577 7 ame N ba 163 Zug „S1cba8T 150 sedalE sAcıg anie! 3
NE S
181 Mae ih et Mei Ocean beein aeadchn. 7 A
117 ARE SE ahnen Einen.
& nein tn aeblientmoM lo 20
>) ei geb ba EEE ER ie dot a ab
ES SRGE DES N ne BA wet CASE ATEHEs {
5 ne. A A
ES ; 88 rn Be 7 A a
AS A ET a IE MATTER. ERS HE a 37 -
DB A here LE, DEE A U
N EA
WE VE OA EHE HEN, DER if 8
0 Re A Op en ea
RE SO Ka RER SEAN
A dad Das Ad [88106 sata „Aal alt aalavÄonO aaw CM
5 at N A ER
7 Bahia ST a
> dpa Dean Le En
27 weite. Da verlor. dar Xopst- a Dee
ZA Veen $eäaches Gleichgewicht 5a seinen Says Tür die Bbliche | A
SA Verwühn upgstaküik, Jnginen cholerischen Anfall Janzio 2r mir eis a
U A alt vergbgener Bengel aus allen Wolken fiel und.
N Z HI S Se i GEN >