Im Göhltal
ZEITSCHRIFT der
VEREINIGUNG
für
Kultur, Heimatkunde und Geschichte
im Göhltal
N°.22
277
Vorsitzender : Peter Zimmer, ”’Regina’’, 4671 Moresnet-Kapelle.
Sekretariat : Rue du Calvaire, 8, 4671 Moresnet
Lektor : Alfred Bertha, Hergenrath, Bahnhofstraße, 20b.
Kassierer : Fritz Steinbeck, Kirchstraße, 20, Kelmis.
Postscheckkonto N° 000-0191053-60
Die Beiträge verpflichten nur die Verfasser.
Alle Rechte vorbehalten.
Entwurf des Titelblattes : Frau Pauquet-Dorr, Kelmis.
Diese Skizze zeigt den Moresneter Göhlviadukt sowie die Hergenrather
Hammerbrücke in ihrer ursprünglichen Form.
Druck. Jacques Aldenhoff, Gemmenich.
3
Inhaltsverzeichnis
Firmin Pauquet, Kelmis Grenzsteine mit Burgunderkreuz im
Preuswald 5
Alfred Bertha, Hergenrath Aus der Pfarrgeschichte Hergenraths 16
(Forts.)
Dr. Gisela De Ridder, Nachlese zum Nationalen Archäo-
Moresnet logen-Kongreß 1977 30
Hubert Jenniges, Kraainem Betrachtungen zum Archäologischen
Kongreß in Kelmis 23.-25.9.1977 42
Walter Meven, Hergenrath Visitationsberichte aus dem Dekanat
Eupen 1828 45
M.-Th. Weinert-Mennicken, Alte Frau (Gedicht) 54
Hermann-Josef Gatz, Hauset Das Portrait : Edgard Cüpper 55
Leonie Wichert-Schmetz, | Rauhreif (Gedicht) 57
Alfred Bertha, Hergenrath Eine Episode aus der Eynattener
Schulchronik 58
Franz Uebags, Kelmis Kelmis Anno dazumal 68
Klaus Brandt, Kettenis Eine interessante Persönlichkeit aus
der Ketteniser Vergangenheit :
Pfarrer Johannes Huschett 81
Dr. G. De Ridder, Schloß Teuven 87
Moresnet
Gerard Tatas, Gemmenich De Overmännschere vane Blyberg 92
(Gedicht)
Leo Homburg, Fossey Mi Läve net mie met e Päed no
Krefeld! 95
Alfred Bertha, Hergenrath Auf dem Büchermarkt 100
Maria Pauly-Schmetz, Hauset im Kranz der Wälder 106
Hauset (Gedicht)
Jean De Ridder, Moresnet Jahresbericht 1977 107
5
. °
Grenzsteine mit Burgunderkreuz
°
im Preuswald (1)
von Firmin Pauquet
Historische Einführung
Preus, Preusbosch, Preuswald ist der Name des nordwest-
lichen Teiles der Waldungen an der belgisch-deutschen Grenze bei
Aachen südlich vom Dreiländereck. Dieser Wald erstreckt sich im
Gebiet der ehemaligen Bank Montzen, d.h. der jetzigen Gemeinden
Kelmis, nördlich des Tüljebaches, und Bleiberg (Plombieres) (2).
Eine Beschreibung aus dem Jahre 1469 1äßt erkennen, daß
dieser Wald ein Teil des limburgischen Reichswaldes war (3). Der
größte Teil des Reichswaldes innerhalb der Grenzen des Herzog-
tums Limburg lag aber im Bereich der Bank Walhorn. Darüber
hinaus dehnte sich der Reichswald auch auf das Territorium des
Aachener Reiches aus (4).
Im Mittelalter besaßen die Bewohner der angrenzenden
Reichsstadt Aachen einerseits und der limburgischen Dörfer
Völkerich, Gemmenich, Montzen, Moresnet und Kelmis anderer-
seits Nutzungsrechte in der Preus. Dies führte zu Jahrhunderte
dauernden Streitigkeiten und verschiedenen langjährigen Prozes-
sen. Am 20. April 1611 kommt es zu einem endgültigen Vertrag
zwischen der Brüsseler Regierung und der Reichsstadt Aachen,
um die gemeinsam benutzten Waldungen zu teilen : Aachen
erhält ein Drittel des auf limburgischem Hoheitsgebiet liegenden
Waldes (5). Es gelingt den Einwohnern der Bank Montzen am 20.
(1) Auf den topographischen Karten, die vom belgischen Militärgeographischen
Institut herausgegeben werden, findet man die Orthographie ”Bois de Preuss”
und ”Preusswald””, jeweils mit doppeltem "s”. Trotzdem gebrauche ich die
Rechtschreibung mit einem ”s”, die in älteren Dokumenten vorkommt. Somit
wird u.a. unterstrichen, daß dieser Flurname nichts mit dem Lande Preußen
gemeinsam hat. Er ist ja Jahrhunderte früher belegt, bevor Preußen im Rheinland
Fuß fassen konnte,
(2) Vor den Gemeindefusionen vom 1.1.1977 gehörte die Preus zum Gebiet der
Gemeinden Neu-Moresnet, Kelmis, Gemmenich und Moresnet. Auf älteren
Karten wird sie auch als ”Moresneter Wald” angegeben.
(3) Allgemeines Reichsarchiv Brüssel. Rechnungskammer Brabant, 2447, Anno
1469, f° 138 v°.
(4) Sieh vor allem KASPERS, Heinrich : Comitatus nemoris. Düren und Aachen,
1957, 265 S.; besonders S. 170-195.
(5) Stadtarchiv Aachen, Urkunden, A 1X/3
Staatsarchiv Lüttich, Herzogtum Limburg, 1042. ä
6
Juli 1615 zu verhindern, daß ein Teil des den Aachenern
zugesprochenen Waldes innerhalb ihrer Bank abgemessen wird
(6). Am darauffolgenden 17. September wird der Preusbosch
dann unter die herzogliche Domäne und die Pfarreien Gemme-
nich, Montzen und Moresnet der Bank Montzen vertraglich
geteilt. Dieser Vertrag wird am 16. Februar 1618 durch die
Brüsseler Regierung der Erzherzöge Albrecht und Isabella bestä-
tigt (7) : der Fürst erhält 700 Morgen (8) längs der Aachener
Grenze. Dieser Domänenwald heißt heute noch im Volksmund
”der König”. Auf der Ferraris-Karte ist die Abgrenzung des
”Konings Bossche”” deutlich eingezeichnet : dieser Wald hat die
eigenartige Form eines Trapez’ entlang der Aachener Grenze. )
Geographische Lage
Auf dem Blatt Gemmenich-Botselaar, Nr 35/5-6, der neuen
belgischen topographischen Karte im Maßstab 1 : 25.000 ist die
viereckige Form der 1615 abgegrenzten königlichen Preus, trotz
späterer Aufteilung zwischen Belgien und Deutschland, noch gut
erkennbar.
Im Nordosten verläuft eine schnurgerade Abgrenzung vom
belgisch-deutschen Grenzstein 1031, etwa 100 m südlich vom
Dreiländereck, bis zum Grenzstein 1017. Diese Linie ist dann in
derselben Richtung bis zur Lütticher Straße fortzusetzen. Im
Südosten ist die königliche Preus durch die Lütticher Straße im
Aachener Stadtteil Bildchen,.etwa zwischen Haus Nr 511 und Nr
566 begrenzt. |
Die südwestliche Abgrenzung ist wieder eine schnurgerade
Linie, die von diesem letzten Hause ausgeht und sich im Walde in
einem Pfad fortsetzt. Diesem Pfade entlang findet man die
Grenzsteine, die ich hiernach beschreiben werde und die auf der
topographischen Karte meistens eingezeichnet sind.
(6) Gemeindearchiv Moresnet, Waldbuch.
Staatsarchiv Lüttich, Kreis Eupen, 286.
(7) Allgemeines Reichsarchiv Brüssel. Rechnungskammer Brabant, 143, f° 2 v°.
(8) Es handelt sich um sogenannte große Morgen von 150 Ruten oder umgerech-
net 32,69175 Ar. In heutigen Maßen muß die königliche Preus 228 Ha 84 Ar
22 m2 gemessen haben.
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Die Skizze veranschaulicht die Lage der im Text erwähnten Grenzsteine.
Die nordwestliche Grenze folgt der Hecke einer dreieckigen
Wiese, die sich mitten im Wald in der Gemmenicher Flur
Botselaar erstreckt. Auch diese Grenze ist mit Grenzsteinen
besetzt, welche auf der Karte aber nicht eingezeichnet sind.
Diese dreieckige Wiese wurde wahrscheinlich gerodet und
von der belgischen Forstverwaltung veräußert, nachdem durch
den Aachener Grenzvertrag vom 26. Juni 1816 dieses winzige
Stück (etwa 4,75 Ha) als einziger Teil des Domänenwaldes bei den
Niederlanden verblieb. Der heute noch bestehende belgische
Domänenwald Preus liegt also gänzlich auf dem Gebiet der
neuen Gemeinde Kelmis.
Vor 1919 unterstand dieser Wäld gänzlich der Kgl. preußi-
schen Forstverwaltung, obwohl ein kleiner dreieckiger Teil von 9
Ha, 59 Ar, 90 m2 Flächeninhalt sich auf Neutral-Moresneter
Gebiet (Gemeinde Kelmis von 1920 bis 1976) befand (9). Der
allergrößte Teil gehörte zum Gebiet von Preußisch-Moresnet
(Neu-Moresnet von 1920 bis 1976).
(9) Die Hälfte der Einkünfte aus dem ”neutralen’” Domänenwald wurden wohl
recht regelmäßig an Belgien ausbezahlt.
8
Nach der Festlegung der belgisch-deutschen Grenze am 6.
November 1922 und der Abtretung des Neu-Moresneter Weilers
Bildchen an Aachen unterstand der südöstliche Teil des Domä-
nenwaldes, von der Grenze zwischen den Grenzsteinen 1017 und
1006 und Lütticher Straße, wieder der preußischen staatlichen
Forstverwaltung. Diese übergab später das isolierte Waldstück der
Stadt Aachen. In diesem dem Aachener Stadtforst einverleibten
Teil wurde im Jahre 1976 die Siedlung Preuswald angelegt.
Beschreibung der Grenzsteine
Es sind vier verschiedene Typen der Grenzsteine mit Burgun-
derabzeichen zu unterscheiden. Das Abzeichen und die Inschrift 1
stehen immer auf der Seitenfläche zur königlichen Preus hin;
deshalb nenne ich diese Seitenfläche die vordere.
1. Ältester Typ aus dem Jahre 1615
Der einzige Grenzstein dieses Typs, der sich ca 20 m
nordwestlich vom Moresneter Bittweg befindet, ist ein 107 cm
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hoher auf allen Flächen schön behauener Stein. Von 27 cm Breite
unten verschmälert sich die vordere Seitenfläche leicht bis auf 24
cm an der oberen Kante, deren linke Ecke abgebrochen ist. In
der obersten Partie, 36 cm von der Oberkante, ist eine trapezför-
mige Fläche leicht ausgehauen. In dieser Fläche sind unten die
Zahl 1615 (Höhe der Ziffern ca 5 cm) und darüber das Goldene
Vlies (11) in einem schönen Flachrelief ausgespart. Das Widder-
fell hängt an einem Ring, der von zwei Lorbeerzweigen flankiert
wird. Oberhalb des Ringes findet man noch das sogenannte
”briquet de Bourgogne’”, woraus die Ordenskette zusammenge-
stellt war. Einige Zentimeter unterhalb des Flachreliefs erkennt
man eine eingemeißelte 7. Die schlecht ausgeführte Einmeißelung
1äßt vermuten, daß diese Arbeit erst später durchgeführt wurde.
Aus einer noch späteren Zeit muß die umrandete, schwarz
eingefärbte, etwas tiefer, aber teils doch in die 7 hineinragende 11
datieren.
2. Typ ohne Angabe einer Jahreszahl
Von diesem Typ besteht ebenfalls nur ein Exemplar, das auf
der Karte: mit ”ancienne borne 15’’ angegeben ist. Auch dieser
Stein ist auf allen Flächen schön behauen. Der obere Teil ist
abgerundet in Form eines liegenden Halbzylinders. An den
seitlichen Seitenflächen mißt er 54 cm und in der Mitte der
vorderen Seitenfläche 66 cm Höhe, bei einer Breite von 27 cm und
einer Mächtigkeit, die sich von 34 cm unten auf 29 cm oben
verringert. In einer ausgehauenen Fläche von 15 cm Breite und 19
cm Höhe, in Form eines Rechteckes mit Rundbogenabschluß, ist
in Flachrelief das Burgunderabzeichen (briquet) ausgespart.. Un-
terhalb des Flachreliefs ist eine schlichte II (=11) eingemeißelt
und darunter eine rechteckig umrandete 15. Beide Zahlen sind
aus 9 cm hohen Ziffern.
3. Typ aus dem Jahre 1723
Auch von diesem Typ ist nur ein einziges Exemplar erhalten,
ca 200 m oberhalb der deutsch-belgischen Grenze. Bei diesem
(10) Siehe auch KÖNIGS, Hans : Vom Jakobstor zum Bildchen. Aus der
Geschichte einer Landstraße, Aachen, Stadtsparkasse, 0.J., 40 S.
(11) Das Goldene Vlies ist das Abzeichen des vornehmen Ritterordens, den
Herzog Philipp’der Gute an seinem Hochzeitstage, dem 10. Januar 1429, zu Ehren
des Apostels Andreas, zum Schutz des christlichen Glaubens und zur Verteidi-
gung der Kirche stiftete. Später ging der Orden auf Habsburg über und wurde in
einen österreichischen und einen spanischen Orden aufgeteilt.
10
Typ ist nur die vordere Seitenfläche sorgfältig behauen. Sie
präsentiert eine rechteckige Fläche, die durch ein Trapez gekrönt
wird. Im oberen Teil ist wieder eine rechteckige Fläche mit
5 trapezförmigem Oberteil ausgehauen. Die ausgehauene Fläche
trägt in Flachrelief unten die ausgesparte Jahreszahl 1723 und oben
das burgundische Andreaskreuz. Zwischen beiden Flachreliefs ist
der Name PREVSE eingemeißelt. Unterhalb der ausgehauenen Flä-
che erkennt man eine eingemeißelte 3. Eine umrandete 7 ist
später eingemeißelt worden, so daß der Name teils dadurch
verwischt wird.
4. Typ aus dem Jahre 1724 N
Von diesem Typ bestehen insgesamt noch neun Exemplare,
wenn auch bei dem einen oder anderen kleine Abweichungen festzu-
stellen sind. Nur die vordere Seitenfläche ist sorgfältig behauen.
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Der aus dem Jahre 1724 stammende Stein mit Andreaskreuz trägt die Inschrift
”PREVSE”.
11
Sie präsentiert eine rechteckige Form mit aufgesetztem Dreieck.
Im oberen Teil ist ein unregelmäßiges Fünfeck ausgehauen, in
welchem das Andreaskreuz in Flachrelief ausgespart ist. Sofort
unter der ausgehauenen Fläche steht der Name PREVSE einge-
meißelt und darunter in größerem Format die Jahreszahl 1724.
Etwas tiefer ist noch eine mehr oder minder lesbar eingemeißelte
Zahl - später eingemeißelt? In späteren Jahren sind die Steine 2
bis 10 neu numeriert worden. Eine rechteckig umrandete Zahl
von 6 bis 14 wurde ohne Rücksicht auf die bestehenden Angaben
eingemeißelt. Ich vermute, dies geschah seitens der preußischen
Forstverwaltung, da diese spätere Numerierung nur im ehema-
ligen preußischen Hoheitsgebiet zu finden ist. Folgende Maße
habe ich dem erhaltenen Stein Nr. 16 entnommen : Gesamthöhe
49 cm; Seitenhöhe 38 cm; Breite 25 cm; Länge der Balken des
Andreaskreuzes 16 cm; Höhe der Buchstaben 4 cm; Höhe der
Jahreszahl 6 cm; Höhe der Numerierung 10 cm.
Wanderung entlang der Preuse-Steine (Vom Dreiländerblick nach
Bildchen, ca 2 Stunden)
Vom Dreiländerblick (320 m Höhe) ausgehend schreitet man
den gut befahrbaren Gemmenicher Weg hinunter, passiert links
am Wegesrand den Grenzstein XXX, der die frühere belgische
Grenze gegen das neutrale Gebiet von Moresnet markierte und
heute noch die Grenze der neuen Gemeinden Kelmis und
Bleiberg anzeigt.
Der fahrbare Weg bildet eine erste große Schlinge, der man
folgt, bis er wieder nach SW einbiegt. Man befindet sich nun ca
20 m tiefer als der Ausgangspunkt und entdeckt links unweit vom
Waldesrand einen behauenen Stein; dessen obere Spitze abgebro-
chen ist. Die dem Wald zugerichtete vordere Seitenfläche zeigt
noch teilweise das Andreaskreuz, die eingemeißelte Jahreszahl (11
cm hohe Ziffern) 1724 und darunter eine 17. Dieser Grenzstein
ohne den Namen PREVSE stellt eine Abweichung des oben
beschriebenen Typs 4 dar. Von hier aus entdecken wir die
Grenzsteine XXVIIII und XXVIII des ehemaligen Neutral-
Moresnet. Der erste befindet sich am südlichen Rand einer alten
tief eingeschnittenen Gracht - der alte Gemmenicher Weg nach
Aachen. Der zweite markiert die nördliche Ecke der Wiese, die
12
durch Rodung des altbelgischen Anteils der Kgl. Preus in
Gemmenich-Botselaar entstanden ist.
Um die nächsten Preuse-Steine zu finden, muß man in die
Wiese eindringen. Etwa 175 m vom Stein entfernt, am westlichen
Rand der Wiese steht der beschriebene Stein 16 vom Typ 4, der
ziemlich tief in den Boden eingesunken ist. Man braucht nur der
Hecke auf ca 200 m zu folgen, um Stein 15 zu entdecken. Dieser
Stein entspricht auch dem Typ 4. Die 15 ist ziemlich groß und
schlecht eingemeißelt. Die obere linke Kante und die Spitze sind
abgebrochen. Kurz danach weist die Hecke eine Lücke auf : hier
führt ein alter Feldweg als Zugang zur Wiese.. Folgt man der
Hecke weiter, so entdeckt man ca 125 m vom Stein 15 und ca 6 m
bevor man den Haupteingang erreicht, bei 260 m Höhe, einen
gebrochenen Stein. Es handelt sich wahrscheinlich um den
ehemaligen Preuse-Stein 14. Von hier aus folgt man weiter der
Abzäunung der Wiese oder peilt in südöstlicher Richtung die
gegenüberliegende Waldecke an, die‘ nasartig in die Wiese
vorstößt. Etwa 20 m vom Ostrand der Wiese befindet sich am
südlichen Zaun der gut erhaltene Preuse-Stein 13 vom Normaltyp
4. Er steht neben einem gebrochenen Stein, der einem älteren
Typ angehören mag, und bei 270 m Höhe. Unweit, und zwar in
der Ecke selbst, steht auch der Neutral-Moresneter Stein XXV.
Die Neutral-Moresneter Steine XXVI und XXVII (dieser liegend)
befinden sich entlang des Ostrandes der Wiese. Nun dringen wir in
den Wald ein und folgen in südöstlicher Richtung dem Pfad, der
die Grenze zwischen Gemeinde-Preuswald und Königlichem
Preuswald markiert. Zuerst wird noch ein ausgefahrener Weg
überquert und dann geht’s steil bergauf. Nach ca 225 m, bei 305
m Höhe, trifft man den Preuse-Stein 12 mit ziemlich verwitterter
Inschrift, aber sonst in gutem Zustand. Er gehört dem Typ 4 an.
Eine große schlecht gezeichnete 12 ist unterhalb der Jahreszahl
eingemeißelt. Auf der Karte ist dieser Stein als ”ancienne borne
16” angegeben, obschon er gar keine Zahl 16 trägt. Logischer-
weise hätte er wohl diese Zahl 16 tragen müssen, wenn er von der
letzten (preußischen) Numerierung erfaßt worden wäre.
Dem Waldpfad wird treu in Richtung Bildchen weitergefolgt,
und nach ca 70 m erreicht man eine Schneise. Diese bildet die
frühere preußische Grenze gegen Neutral-Moresnet und bis vor
3
kurzem die Gemeindegrenze Kelmis Neu-Moresnet. Der Neutral-
Moresneter Grenzstein XXXVII liegt etwa 6 m tiefer in einer
Fichtenanpflanzung. Hoffentlich wird er bald wieder von der
Forstverwaltung an seiner ursprünglichen Stelle aufgerichtet ne-
ben einem kleinen rechteckigen Grenzsteine, der die Zahl 48
(nach Süden) und 49 (?) (nach Norden) aufweist.
Nach einer weiteren Strecke von ca 50 m bei 325 m Höhe
erreicht man den vorhin beschriebenen Preuse-Stein 11-15 vom
Typ 2. der auf der Karte als ”ancienne borne 15°’ angegeben ist.
Der Pfad führt weiter bergauf und erreicht bald das Plateau bei
332 m Höhe und einen breiteren Weg. Hier findet man auch, 125
m vom vorigen, den nächsten Preuse-Stein 10-14 vom Typ 4. Die
14 ist auf die Zahl 1724 eingemeißelt, so daß die 1 zwischen 7 und
2, und die 4 zwischen 2 und 4 zu lesen ist. Auf der Karte ist er
ohne weitere Angaben eingezeichnet.
Bei 340 m Höhe und in einer Entfernung von 150 m vom
zuletzt genannten entdeckt man einen abgebrochenen Stein. Eine
rechteckig umrandete 13 läßt sich noch spüren. Auch dieser
Stein ist auf der Karte ohne Angabe eingetragen.
Nun führt der Weg leicht hinunter und nach 160 m stößt man
auf den abgebildeten Preuse-Stein 8-12, der wieder ohne Angabe
auf der Karte eingezeichnet ist.
Nach weiteren 130 m kommt unweit der Kreuzung mit dem
Moresneter Bittweg der schönste und älteste unserer -Preuse-
Steine, 7-11, zum Vorschein (330 m Höhe). Auch er ist‘ ohne
Nummerierung auf der Karte eingezeichnet.
Der wieder engere Pfad führt nun steil bergab. Nach ca 210
m findet man den Stein 6-10 vom Normaltyp 4 bei 300 m Höhe.
Die kleinere 6 ist unterhalb der 4 der Jahreszahl eingemeißelt und
die umrandete 10 oberhalb des Andreaskreuzes. Auf der Karte
wird der Stein als ”ancienne borne 10” gedeutet.
Nach 100 m stößt man auf einen viereckigen Grenzstein von
35 cm Höhe und 24 cm Seitenkante, der ein ”G” auf der
nordwestlichen Seitenfläche und ”M” auf der südöstlichen auf-
weist. Dieser Grenzstein gehört zur Abgrenzung der Gemeinde-
waldungen von Gemmenich und Montzen, die im Jahre 1870
14
durchgeführt wurde (12).
Etwa 40 m weiter trifft man einen kleinen Grenzstein mit
römischen Zahlen (VI, auf der nordöstlichen Seite VII). Unweit
liegt ein gebrochener Stein (XII-XIII) und unten im Tal steht ein
weiterer kleiner Stein (X1-X).
130 m vom Stein G-Mt überquert man einen Weg und
entdeckt an dessen Südrand am Fuße einer Buche einen abgebro-
chenen Stein. Dieser Stein war auf allen vier Seitenflächen
behauen und könnte dem Typ 2 entsprechen. Vielleicht war es
der Preuse-Stein 5-9? ;
Der Pfad führt wieder bergauf und man entdeckt wieder
kleinere Grenzsteine mit jeweils zwei römischen Zahlen (IV-II;
IX-X). Nachdem eine kleine Anhöhe erreicht wurde, geht’s wieder
bergab und man findet bald den Preuse-Stein 4-8 vom Typ 4, der
ca 275 m vom vermutlichen 5-9 entfernt, bei 280 m Höhe, steht.
Die 4 der ältesten Numerierung ist in Spiegelschrift einge-
meißelt worden und die 8 steht ohne Umrandung oberhalb des
Andreaskreuzes. Auch dieser Stein ist ohne Angabe auf der Karte
eingezeichnet.
Etwas weiter findet man am Südhang eines überquerten
Weges wieder einen kleinen Stein (IX-VIII). Etwa 150 m vom
vorigen Preuse-Stein kommt der nächste 3-7 zum Vorschein, der
vorhin als Typ 3 beschrieben wurde. Er steht übrigens neben
einem gebrochenen Stein, der vermutlich einem älteren Typ
angehört.
Nach weiteren 200 m erreicht man die Landesgrenze beim
Grenzstein B-D Nr. 1006. Neben diesem steht ein kleinerer
viereckiger Grenzstein mit den Buchstaben MT auf der nordwest-
lichen und K auf der südöstlichen Seitenfläche. Er gehört zur
1870 durchgeführten Abgrenzung der Gemeindewälder : diesmal
Montzen gegen Kelmis (d.h. Neutral- und Preußisch-Moresnet
gemeinsam).
(12) Der Teilungsvertrag wurde am 26. Juli 1873 vor Notar L. Verdbois, Montzen,
unterzeichnet. |
15
Der Grenzpfad und alte Grachten sind zu überqueren, man
findet noch zwei kleine Grenzsteine (IV 6 - V und I 6a - III) und
dann ca 150 m von der Landesgrenze den einzigen Preuse-Stein
auf deutschem Gebiet 2-6. Die neuere 6 ist diesmal in den Namen
Preuse eingemeißelt. Auch dieser Stein ist auf der Karte ohne
Angabe eingezeichnet.
250 m weiter erreicht man den verlassenen Bahndamm der
eh. Eisenbahnverbindung Montzen-Aachen Hauptbahnhof.
Rechts der eh. königlichen Preus wächst eine Fichtenanpflanzung
in einem sumpfigen Gelände, wo ein kleiner Nebenbach des
Tüljebaches entspringt. Man überquert den Bahndamm und geht
steil hinunter in das sumpfige Gelände an der Lütticher Straße,
dicht neben den Garten des Hauses 566, einen Entwässerungs-
graben entlang. Nach einem Haken nach Osten erreicht man die
Straße gegenüber der Tankstation, etwa 400 m vom deutschen
Zollamt.
Der Preuse-Stein 1 ist im Laufe der Jahre verschwunden und
es läßt sich auch kein abgebrochener Stein mehr finden. Wahr-
scheinlich stand er am Rande der Lütticher Straße und ver-
schwand bei Wegearbeiten oder ist im Moor eingesunken. Auch
von den Steinen 1 bis 5 der späteren (preußischen) Numerierung
ist nichts mehr vorhanden.
Schlußbemerkungen
Ohne eine genaue Kenntnis der Sache könnte man eventuell
geneigt sein anzunehmen, die Grenzsteine mit Burgunderabzei-
chen im Preuswald markierten die ehemalige Grenze des Her-
zogtums Limburg gegen Aachen. Die oben erklärte Sachlage
belehrt uns eines besseren. Die Preuse-Steine stellen eine innere
Abgrenzung auf limburgischem Hoheitsgebiet dar. Sie sollten die
Benutzer der Gemeindewaldungen mahnen, nicht in den König-
lichen Forst Preus einzudringen. A
Durch die genaue Beschreibung der Lage unserer Preuse-
Steine möchte ich sie den Heimatliebenden besser bekannt
gemacht haben. Dadurch werden sie stärker unter den Schutz der
Öffentlichkeit gestellt : einen Wert haben diese alten Steine nur
da, wo sie seit Jahrhunderten stehen. Hoffentlich sorgt jeder
dafür, daß sie ihre Stelle auch zukünftig behalten.
16
Aus der Pfarrgeschichte Hergenraths
(6. Fortsetzung)
von Alfred Bertha
Vor der Schaffung der Verbandsgemeinde Kelmis umfaßte das
Gebiet der Zivilgemeinde Hergenrath eine Fläche von 946 Ha. Dies
waren nur etwa 2/5 des ursprünglichen Gemeindeterritoriums, von
dem in der Franzosenzeit (1805) etwa ein Drittel, und zwar der
Preuswald, zum Rurdepartement, d.h. zu Aachen geschlagen
worden war. 1848 war Hauset, ein Gebiet von 721 Ha, zur
selbständigen Gemeinde erhoben worden. Die Gemeinde Hauset R
wurde dann 1877 wieder aufgelöst und erneut mit Hergenrath
vereinigt. Erst 1919 wurden Hergenrath und Hauset wieder
getrennt.
Das Gebiet der Pfarrgemeinde hat sich nie mit dem der
Zivilgemeinde gedeckt. Während das östlich gelegene Hauset erst
zur Pfarre Eynatten gehörte und dann 1861 zur selbständigen Pfarre
erhoben wurde, unterstand Preußisch-Moresnet, später Neu-
Moresnet, ursprünglich der Pfarre Moresnet, von der es 1827 zu
Hergenrath kam. Somit lag die Kelmiser Rochus-Kapelle auf dem
Gebiet der Pfarre Hergenrath.
Im Zuge der Grenzziehung wurde 1921 ein 50 Ha großes Gebiet
in der nordwestlichen Ecke Hergenraths abgetrennt und zu
Bildchen geschlagen. Damit kam ein Teil der Pfarre Hergenrath
(Striep, Kaper, Ries, Bonneskoul und Atherstraße zur Pfarre St.
Jakob in Aachen. Im Protokollbuch der Hergenrather Kirchenver-
waltung steht dazu zu lesen, die Bewohner dieser Ortsteile hätten
nun mit vielen Schwierigkeiten zu kämpfen, z.B. sei da der weite
Weg zur Messe bei Taufen, Heiraten und Sterbefällen. Sie hätten
eine Versammlung einberufen und bei 66 Stimmberechtigten habe
die Abstimmung 64 Voten für einen vorläufigen Verbleib bei der
Pfarre Hergenrath ergeben. Es sei dieserhalb ein Gesuch an den
Bischof gerichtet worden. Es ist uns nicht bekannt, welchen
Bescheid das Bistum auf dieses Gesuch gegeben hat.
Eine weitere Änderung der Pfarrgrenzen wurde 1946 mit der
Abtrennung Neu-Moresnets vorgenommen. In der abschließenden
7. Folge zur Pfarrgeschichte Hergenraths werden wir darauf
eingehen.
17
Das kirchliche Leben in der Zwischenkriegszeit weist nur
wenige Höhepunkte auf. Die durch Lazaristen-Patres im Sept. 1925
abgehaltene Volksmission war ein solcher. Ebenfalls die
Anschaffung zweier neuer Glocken. Wir erinnern uns, daß infolge
einer militärischen Verfügung im Jahre 1917 zwei der drei
Hergenrather Glocken abgeliefert worden waren. Der Beschluß,
‚neue Glocken anzuschaffen, wurde schon am 1. Januar 1923 gefaßt.
Die Gemeinde wurde gebeten, beim Gouvernement in Malmedy
eine Beihilfe zu beantragen. Auch wurde ein Glockenfonds
angelegt, der im April 1926 sich schon auf 21.000 Fr belief, welche
vorläufig z.T. in Guldenwährung zu 8%, z.T. in Franken zu 6%
angelegt wurden.
Die Angebote verschiedener Glockengießereien wurden ge-
prüft und der Pfarrer zog Erkundigungen in anderen Pfarren ein,
wo Glocken der Anbieter geliefert worden waren. Schließlich wurde
die Gießerei Serge aus Chenee mit der Lieferung des neuen
Geläutes beauftragt. Die Fa. Serge rechnete 15,75 Fr pro Kg,
zuzüglich Fracht. Der Rechnungsbetrag mußte zu einem Drittel bei
der Auftragserteilung, zu einem Drittel bei der Lieferung und der
Rest ein Jahr nach Ausstellung der Rechnung gezahlt werden. Die
Fa. gab 5 Jahre Garantie.
Pfarrer Piepers schlug vor, die alte Glocke auf den Namen der
Muttergottes umzubenennen, die zwei neuen Glocken sollten der hl.
Luzia und der hl. Cäcilia geweiht sein.
Es war ein großer Tag für Hergenrath, als am 1. Mai 1927 die
beiden neuen Glocken in Kelmis auf der ”’Pavei”” in Prozession
abgeholt wurden. Den Transport von Kelmis bis zur Kirche
besorgten die Gebrüder Radermacher (gen. Nabecks), die ein
Tonlager am Bahnhof ausbeuteten und einen Lastwagen besaßen.
Der Glockenfonds betrug bei Lieferung der Glocken 3.140
Gulden. Dies reichte, um die Glocken mitsamt den Nebenkosten in
Höhe von 1400 Franken zu begleichen. Ein Sachverständiger gab
ein Gutachten über den guten Klang des neuen Geläutes ab.
Ende der zwanziger und Anfang der dreißiger Jahren machte
sich auch hier die Weltwirtschaftskrise bemerkbar. Die Gemeinde
ließ nur die notwendigsten Arbeiten ausführen.
Die Pfarrarchive vermerken nur wenig für das letzte Vor-
kriegsjahrzehnt. Herausheben sollte man dennoch die Primizfeier
18
2
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Pfarrer Piepers
von Joseph Schifflers, Jansmühle/Neu-Moresnet, der am 3. Mai
1938 in der Kathedrale zu Lüttich geweiht wurde und am
darauffolgenden 10. Juli seine Primiz in Hergenrath feierte.
Gleichfalls sollte man das goldene Jubelfest des Cäcilien-Kirchen-
chores am 24. Juli des gleichen Jahres vermerken.
Sehr kurz nur geht Pfarrer Piepers auf das Geschehen des 10.
Mai 1940 ein. ”’In der Frühe des 10. Mai eintausend neunhundert
und vierzig’, so schreibt er im Protokollbuch, ”rückten deutsche
Truppen auch in Holland und Belgien ein, um den Krieg gegen
Frankreich und England fortzusetzen. Dies geschah angeblich, um
England zuvorzukommen. Omen absit!”” Dann vermerkt der
Pfarrer noch, in der Bahnhofstraße hätten belgische Gendarmen
einen deutschen Offizier erschossen, ’’der sehr leichtsinnig im Auto
kam, um die Postanstalt zu besetzen.’” Mit einem furchtbaren
Krach sei die beinahe hundert Jahre alte Hammerbrücke um 6.30
Uhr von Belgien gesprengt worden. ”’Neun belg. Soldaten fanden
unter den Trümmern den Tod. Sie glaubten sich -trotz Warnung-
in der Baracke neben einem der mächtigen Pfeiler sicher gegen
drohende Gefahr.”
19
Nach der Übergangszeit der Baltia-Regierung war das Gebiet
Eupen-Malmedy 1925 dem Bistum Lüttich definitiv inkorporiert
worden. Diese Zugehörigkeit war nach Rückgliederung an Deutsch-
land nach Meinung des Reichsministers für kirchliche Angelegen-
heiten ”untragbar””. So schrieb der Kirchenminister schon am
20.5.1940 an den Regierungspräsidenten zu Aachen : "Alle
kirchlichen Einflüsse von belgischer Seite sind möglichst sofort zu
unterbinden. Die überwiegend deutsche Bevölkerung kann in
Zukunft nur von deutschen Geistlichen betreut werden.” (1)
Wenn auch von Seiten des Vatikans die Bistumsgrenzen nach
der Rückgliederung Eupen-Malmedys ans Reich nicht geändert
wurden, so kam doch die Ernennung des Aachener Weihbischofs
Sträter zum Apostolischen Administrator für Eupen - Malmedy der
faktischen Eingliederung in das in der Zwischenkriegszeit neu
geschaffene Bistum Aachen gleich.
Leider sind keine Aufzeichnungen über das kirchliche Leben in
den Kriegsjahren vorhanden.
Das zivile und kirchliche Leben begann sich nach dem Krieg
wieder bald zu normalisieren. Pfarrer Piepers, seit 1918 hier tätig,
hatte die Gemeinde mit viel diplomatischem Geschick durch die
Kriegsjahre geführt und in der ersten Nachkriegszeit viel zum
Ausgleich und zum Frieden in der Gemeinde beigetragen. Die
Pfarrkinder liebten den leutseligen und volksnahen Priester, der
gerne einen Skat drosch und für jeden das richtige Wort fand. Bis
zuletzt, bis 4 Tage vor seinem Tode, versah Pfarrer Piepers sein
Amt. Als man den schwerkranken Priester ins Eupener Spital
brachte, war ärztliches Bemühen vergebens. Er starb am 13.2.1946,
im Alter von 70 Jahren, wovon er 28 in Hergenrath verlebt hatte. Auf
dem Hergenrather Friedhof fand er seine letzte Ruhestätte.
Zum neuen Pfarrer auf die verwaiste Pfarrstelle ernannte der
Bischof den am 14.10.1888 in Verviers geborenen und am 6.6.1914
zu Lüttich geweihten Joseph Kirch. Dieser hatte erst als Kaplan in
Verviers (1914), Olne (1917) und Stembert (1919), dann als Pfarrer
in Emmels (1923-1940) und in Ben-Ahain (1940-46) gewirkt. Er
wurde am 31.3.1946 feierlich in Hergenrath eingeführt.
Zu den vordringlichsten Aufgaben des neuen Pfarrers gehörte
die Instandsetzung der Kirche.
(1) M.R. Schärer, "Deutsche Annexionspolitik im Westen”, S. 227
2% - . Be
Pfarrer J. Kirch
Wenn Hergenrath auch nie direktes Frontgebiet war, so hatten
die Kriegsoperationen doch Spuren hinterlassen. Besonders die
Kirchenfenster waren in Mitleidenschaft gezogen worden. Auch der
Innenputz der Kirche war schadhaft geworden. Auf seiner Sitzung
vom 20. Mai 1946 faßte der Kirchenfabrikrat den einstimmigen
Beschluß, die schwer beschädigten Fenster noch vor dem Winter
reparieren zu lassen. Die Gemeindeverwaltung genehmigte die
Ausführung der Arbeiten am 27. Juni 1946. Man beschloß, beim
Bischof, beim Gouverneur und bei der Denkmalschutzkommission
um ”’grünes Licht”’ für die Arbeiten zu ersuchen und die Beihilfe des
Staates zu beantragen. Die Gemeinde rechnete damit, daß die
Instandsetzungsarbeiten an den Fenstern auf das Konto der
Kriegsschäden gebucht werden könnten.
Ein beim Glasmaler Biolley in Lüttich eingeholter Kostenan-
schlag belief sich auf 86.350 Fr für sämtliche Seiten- und
Chorfenster. Nachdem Biolley den Zuschlag erhalten hatte, mußte
er feststellen, daß das Glas der alten.Fenster sich sehr vom jetzt
gebräuchlichen unterschied und daß es auch unmöglich war, genau
21
dieselben Farbtöne zu finden. So machte er den Vorschlag, in die
Fenster Medaillons mit Heiligenbildern einzusetzen. Das dadurch
gewonnene Glas würde genügen, die schadhaften Stellen auszubes-
sern. Der Pfarrer konnte sich für diesen Vorschlag nicht recht
erwärmen, denn nach seiner Ansicht ging durch Einsetzen von
Medaillons zuviel Licht verloren, auch wollte er die Arbeiten nicht
ohne vorherige Genehmigung der Behörden ausführen lassen. Der
Kirchenvorstand jedoch befürwortete das Projekt und wollte die
Gläubigen zur Stiftung der Medaillons (Stückpreis 3.600 Fr.)
aufrufen.
Am 6. Oktober 1946 befaßte sich der Gemeinderat wieder mit
der Frage der Fensterreparaturen. Wegen der komplizierten
Bedingungen, die zur Erlangung von Kriegsschädenzahlungen
gestellt waren; weil die Arbeiten ohne vorherige Genehmigung
durch die Prüfungskommission nicht ausgeführt werden durften;
weil es sehr zweifelhaft war, ob die Schäden an den Fenstern
überhaupt als Kriegsschäden anerkannt würden, da sie zum Teil
"eine Folge von Verfallenheit und des Unwetters’’ waren, zum Teil
auf das Konto der ”Ungezogenheit der Schuljungen’’, welche die
größten Schäden aus Leichtsinn durch Steinwürfe verursacht hatte,
gesetzt werden mußten; in Erwägung auch, daß es vielleicht Jahre
dauern würde, ehe die Akten durch die höheren Behörden
genehmigt und die Ausführung der Arbeiten gestattet würde,
inzwischen aber die Kosten für diese Arbeiten erheblich gestiegen
sein könnten; da die Dringlichkeit der Arbeiten keinen Aufschub
duldete und man damit rechnete, daß die Pfarrkinder durch
freiwillige Beiträge die Lasten des Projektes tragen würden, kam der
Gemeinderat zu dem Entschluß, auf die fragliche Entschädigung
seitens des Staates zu verzichten und die Arbeiten sofort ausführen
zu lassen.
Nach Fertigstellung der Arbeiten wurden die Fenster durch ein
Drahtnetz vor den Steinwürfen der Schulkinder geschützt. Auf
Antrag des Pfarrers wurden auch die zwei Obstbäume auf dem
Schulhof abgeschlagen. Der Pfarrer sah nämlich in dem Versuch
der Schuljugend, Obst mit Steinen herunterzuwerfen, die Haupt-
ursache der Beschädigung an den Kirchenfenstern.
Auch der Innenraum bedurfte einer Renovierung, der jedoch
eine Trockenlegung der Außenmauern vorhergehen mußte. An der
Nordostseite stieg die Feuchtigkeit von unten hoch und der ganze
22
Bau mußte neu eingefugt werden. Obschon die dieserhalb notwen-
digen administrativen Schritte schon 1953 unternommen wurden,
konnte erst im Oktober 1955 mit den Arbeiten begonnen werden.
An der Nordostseite wurde 1957 eine Drainage gelegt.
Pfarrer Kirch war in Hergenrath eine ziemlich umstrittene
Persönlichkeit. Man fand ihn vor allem zu konservativ, ja altmo-
disch, besonders in der Frage der für Mädchen und Frauen
schicklichen Kleidung. In diesem Punkte konnte der Geistliche sehr
hart urteilen.
Den Abschluß der Renovierungsarbeiten in der Kirche erlebte
Pfarrer Kirch nicht mehr in Hergenrath. Er zog sich nach -
zwölfjähriger Tätigkeit im April 1958 aus dem aktiven Pfarrleben
zurück und verbrachte die restlichen Lebensjahre bis zu seinem
Tode (15.8.1970) im St. Josephs-Kloster zu St. Vith, wo er den Alten
und Kranken seelsorglichen Beistand gab.
Pfarrer Kirchs Nachfolger in Hergenrath wurde Nicolaus
Xhonneux aus Henri-Chapelle. Der 1907 geborene und 1934 zu
Lüttich geweihte Priester war von 1949 bis 1958 in Moresnet
tätig gewesen. Am 4. Mai 1958 wurde er in Hergenrath eingeführt.
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Einführung von Pfarrer N. Xhonneux |
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Pfarrer Xhonneux ließ die Renovierungsarbeiten in der Kirche
zügig weiterführen. Die beinahe sprichwörtliche Spendenfreudig-
keit der Hergenrather Gläubigen ermöglichte es, daß die Arbeiten
zum Silberjubiläum des Pfarrers (12.7,59) abgeschlossen werden
konnten. Der durch die Feuchtigkeit verrottete Putz wurde durch
eine schöne Eichenholztäfelung ersetzt und die Kirche erhielt einen
neuen Anstrich. (Letzterer wurde durch die Firma H. Wintgens aus
Welkenraedt ausgeführt, während die Hergenrather Fa. Jos. und
Peter Bauens die Wandbekleidung anbrachte). Gleichzeitig ließ
man die bisher mechanisch betriebene Orgel durch die Eupener Fa.
Schumacher-Müller elektrifizieren. 3
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Blick in die Orgel
25
sich Ende April 1963 aus Gesundheitsgründen (1) nach Eupen
zurückzog - wo er heute noch lebt - gab es einen reibungslosen
Übergang zu Pfarrer Willy Brüll, der am 5. Mai 1963 in sein Amt
eingeführt wurde.
Die nachkonziliare Liturgie machte eine Neugestaltung des
Chorraums erforderlich. Im Oktober 1967 benachrichtigte der
Pfarrer mittels Sonder-Pfarrbrief die Bevölkerung über die bevor-
stehenden Änderungen, die eine willkommene Gelegenheit boten,
der chronischen Feuchtigkeit des Mauerwerks abzuhelfen. Nach
Hinzuziehung mehrerer Bauingenieure, die das Mauerwerk mit
elektronischen Meßgeräten auf den Feuchtigkeitsgrad prüften,
kam man zu dem Schluß, daß, sollten.schwerwiegende Folgen für
den gesamten Bau verhütet werden, so schnell wie möglich mit der
Trockenlegung begonnen werden müßte. Die Fa. Liegeois aus
Battice, welche bereits eine vielzahl von Kirchen mittels eines
speziellen Ventilations-Systems trockengelegt hatte, wurde mit
dieser Arbeit betraut. Das gesamte Gewölbe wurde von oben durch
Glaswolle isoliert und da durch die Trockenlegung die gesamte
rechte Seite sowie das Chor neu verputzt werden mußten und
andererseits auch der vorhandene Anstrich schadhaft war, ent-
schloß man sich zu einem Neuanstrich des ganzen Raumes.
In den so renovierten Raum mußte nun die Umgestaltung des
Chores gestellt werden. Sehr behutsam gingen Pfarrer und
Kirchenvorstand an dieses Problem heran, das reiflich überlegt
werden mußte. Von den ersten zaghaften Ansätzen bis zur
endgültigenKlärung der Neugestaltung vergingen ganze 4 Jahre!
Die Planung wurde einem der führenden Architekten, Herrn Peter
Salm aus Aachen, übertragen. Zu den Arbeiten dieses Architekten
gehören u.a. im Aachener Raum : das Aachener Priesterseminar,
St. Paul, St. Johann/Burtscheid, die Pfarrkirche Schmidhof und
die Klosterkirche in der Kleinmarschierstraße.
Der Hochaltar, der, wie der Chronist schreibt, ”’der Nachwelt
in einem würdigen Rahmen erhalten werden sollte’, wurde in den
bis dahin als Taufkapelle benutzten Raum unter der Orgelbühne
aufgestellt und dieser Raum zur Kapelle ausgebaut.
Die Sakristei wurde neben den Aufgang zur Empore verlagert
und durch einige Umbauten wurde der bis zu diesem Zeitpunkt
(1) "In Hergenrath hat es mir sehr gut gefallen; gerne wäre ich dort geblieben”,
sagte uns Nic. Xhonneux in einem Gespräch im November 1977,
26
als Abstellplatz benutzte Raum zu einer zweckmäßigen Sakristei
mit eingebauten Schränken umgestaltet.
Die Nebenaltäre wurden entfernt. Der Martinus-Altar sollte
in Zukunft als Prozessionsaltar dienen, der Marien-Altar in der
Kapelle der Eyneburg eine neue Verwendung finden.
Im Chorraum wurde der Boden mit diskretem grauen
Marmor neu ausgelegt, Altar und Tabernakelsäule aus massivem
Maas-Marmor und farblich zum Boden passend aufgestellt. Der
Tabernakel und ein großes frei hängendes Triumphkreuz sind aus
geschlagenem Silber mit eingebranntem Email. ”Auf diese Weise
werden wir”, so schrieb der Pfarrer in einem Pfarrbrief an seine
Gemeinde, ”einen würdevöllen, geschmackvollen, aber nicht
protzigen Chorraum erhalten, der allen gefallen wird, auch
denjenigen, die sich nicht von Altem trennen können.”
Neben Tabernakel und Kreuz lieferte das Brüsseler Atelier
für sakrale Kunst Vandenhoutte ein Ambo und neue Kreuzweg-
stationen. Die zum neugestalteten Chor passenden Kerzenleuch-
ter kamen aus der Werkstatt des Aachener Goldschmiedemeisters
Gerd Theves.
Ursprünglich sollten die Pläne für die Renovierung und
Umgestaltung hier aufhören. Doch der Architekt vertrat die
Ansicht, daß mit den alten Chorfenstern der neugestaltete
Chorraum nicht zur Geltung käme und der Gesamteindruck
geschmälert würde. Der Kirchenvorstand gab dem Drängen des
Architekten nach Abwägung aller Für und Wider nach und
beschloß die Anschaffung zweier etwas farbenfroheren Fenster.
(Die alten Fenster wurden leider nicht, wie ursprünglich vorgese-
hen unversehrt heruntergenommen. Es war geplant gewesen, sie in
absehbarer Zukunft in eine zu errichtende Luzia-Kapelle einzu-
bauen).
Die im November 1967 begonnenen Arbeiten konnten im
April 1968 zum Abschluß gebracht werden. In einer eindrucks-
vollen Feier wurde der Altar am Palmsonntag, dem 6. April 1968,
durch den Bischof von Lüttich, Msgr Van Zuylen, konsekriert.
Die Finanzierung wurde durch Spenden und Kollekten sowie
durch. private zinslose bzw. zinsgünstige Darlehen möglich.
2%
Insgesamt beliefen sich die Kosten der Renovierung und Umge-
staltung auf 1.120.169. Fr, wovon durch Spenden (Tabernakel,
Kreuzweg) sowie durch Preisnachlässe und Rücknahme von
Mobilar 75.812 Fr abgingen. }
Für die Pfarrfamilie kam die Abberufung von Pfarrer Willy
Brüll im Oktober 1968 überraschend. Der Bischof hatte dem
Seelsorger einen neuen Wirkungskreis als Diözesansreligionsin-
_spektor zugedacht. Am 13. Oktober nahm die Gemeinde im Saale
Bauens von ihrem Pfarrer Abschied und jedermann stellte sich
die Frage, wie es denn nun weitergehen solle.
Vorübergehend versah Kaplan Pauquet den Sonntagsdienst
in Hergenrath. Im Dezember kam die Ernennung eines neuen
Pfarrers. Es war der vormalige Pfarrer von Eupen-Unterstadt, dann
Dechant von Montzen, und zuletzt Rektor im St. Josephsheim in
Eupen, Joseph Hilligsmann. Gerade erst von längerer Krankheit
und den Folgen zweier Operationen genesen, wurde der neue
Pfarrer am 15. Dezember 1968 in sein Amt eingeführt. Joseph
Hilligsmann stammte aus Kelmis, wo er am 25.6.1910 geboren
war. Zum Priester geweiht wurde er in Lüttich am 4.7.1937.
Pfarrer J. Hilligsmann
28
Der schlechte Gesundheitszustand des Pfarrers beeinträch-
tigte seine Arbeit. Trotzdem muß man sagen, daß der Geistliche
bei seinen Pfarrkindern gut ankam und seine Worte - einfach und
direkt - den Weg zu den Herzen fanden.
Einen Höhepunkt im Pfarrleben bildeten. die Feiern zur
125-Jahrfeier der Konsekrierung unserer Pfarrkirche (1846), die
durch eine religiöse Woche in der Zeit vom 10. bis 17. Oktober
1971 begangen wurden. Recht zahlreich nahm die Gemeinde an
den Morgen- und Abendmessen teil, in denen Oblatenpater
Kütting jeweils einen Vortrag hielt. Den Höhepunkt der Feierlich-
keiten bildete der Festgottesdienst mit Dechant Geelen und 5
weiteren Geistlichen des Dekanats am Sonnabend, dem 16:
Oktober 1971. Die Feier wurde umrahmt von Darbietungen des
Trommler- und Pfeifenkorps, des Musikvereins und des Kirchen-
chores.
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Bei der 125-Jahrfeier der Kirchweihe wurde ein Dankgottesdienst in Konzele-
bration gefeiert. V.l.n.r. Pfarrer i.R. Nikolaus Xhonneux, Pater Kütting, Pfarrer
Jos. Hilligsmann (+), Dechant W. Geelen, Diözesaninspektor Willy Brüll, Kaplan
Karl Pauquet.
Mit großer Gelassenheit trug Pfarrer Hilligsmann sein
Schicksal, doch leider mußte er zwischendurch immer wieder
über kürzere oder längere Zeit aussetzen. Es war vorauszusehen,
daß Joseph Hilligsmann nur ein Übergangspfarrer sein würde.
29
Als die Nachricht von seinem Tode kam, war die Pfarre zwar
bestürzt, doch nicht überrascht. Die Trauerfeierlichkeiten und
Exequien am 27.11.1971 wurden zu einem Zeichen der Anhänglich-
keit und Dankbarkeit der Pfarrgemeinde, zum Zeichen dafür, daß
der verstorbene Pfarrer es in seiner kurzen Amtszeit geschafft hatte,
als ein Hergenrather angenommen zu werden. Der verstorbene
Seelsorger wurde in seinem Heimatort Kelmis beigesetzt.
Schluß folgt.
30
Nachlese zum Nationalen
Archäologen-Kongreß 1977
von Dr. G. De Ridder
Die Spuren frühgeschichtlicher Besiedlungen im Nordosten
Belgiens waren der Anlaß für den Entschluß des Direktors des
nationalen Amtes für Bodendenkmalpflege, Herrn Dr. H.
Roosens, den Nationalen Archäologen-Kongreß 1977 dorthin zu
verlegen. Die pittoreske Landschaft mit ihrem zum Teil ländlichen
Charakter begünstigte diesen Entschluß zusätzlich. Als Tagungs-
ort wurde Kelmis wegen seiner zentralen Lage in dem ”’Land ohne
Grenzen” gewählt.
Der Göhltalvereinigung fiel die ehrenvolle Aufgabe der
Organisation dieses Kongresses zu, und alles, was an historischen
Bauten und Denkmälern im östlichen Teil Belgiens präsentiert
werden konnte, wurde in einem vielseitigen Programm den rund
200 Berufsarchäologen und Amateurarchäologen aus Belgien,
aber auch aus den Niederlanden, Luxemburg und Deutschland
geboten. In dem Land ohne Grenzen verstand es sich von selbst,
solidarisch die 3 Landessprachen zu pflegen.
Unsere Vereinigung hatte Wochen zuvor schon bis ins
kleinste das Programm des Archäologenkongresses, der in der
Zeit vom 23. - 25. September 1977 in Kelmis stattfand,
festgelegt. Bereits Anfang August begannen die Ausgrabungen im
Preuswald unter der Archäologin Frau Cahen und an der Via
Mansuerisca bei Baraque Michel unter der Leitung der Archäo-
login Frau Corbiau. Alles lief programmgemäß ab.
Am 22.9. wurden die ersten Kongreßteilnehmer im Gemein-
dehaus Kelmis begrüßt. Unterkunftsschwierigkeiten gab es keine.
Am 23.9. eröffnete Herr Dr. Roosens den Kongreß mit einer in 3
Sprachen gehaltenen Rede, in der er auf die heutigen Probleme der
Archäologen in Belgien hinwies. Zusammen mit seinem Attach6e,
Herrn Andre Matheys, hatte er keine Mühe gescheut, um die
Ausgrabungen im Nordosten Belgiens, das Gräberfeld im Preus-
wald und die Mansuerisca, mit neuen archäologischen Unter-
suchungsergebnissen den Korngreßteilnehmern vorzustellen. Im
Namen der Göhltalvereinigung begrüßte der Konservator und
31
Sekretär, Herr Jean De Ridder, ebenfalls in den 3 Landesspra-
chen, die Kongreßteilnehmer.
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Der Leiter des Aallonalen Ausgrabungsamtes Dr. Roosens (r.) und Herr Juvet,
Attache im niederländischen Kulturministerium, beim Empfang in der ”Patrona-
ge” in Kelmis.
Unter den Ehrengästen wurden Herr Firmin Pauquet, Pro-
vinzialrat und Kulturinspektor, sowie die Kabinetts-Attaches Herr
Lejoly vom französischen Kulturministerium und Herr Juvet vom
niederländischen Kulturministerium‘ begrüßt. Mit dem Thema
* ”Aachen in römischer und karolingischer Zeit’” hielt Herr H.
Cüppers, Direktor des nationalen Museums zu Trier, zur Eröff-
nung einen Lichtbildervortrag, der einen guten Überblick über
Aachener Ausgrabungsergebnisse lieferte. In der Mittagspause
dieses Tages lud die Gemeindeverwaltung Kelmis zu einem
offiziellen Empfang in der Patronage ein. Herr W. Schyns,
Bürgermeister und Volksvertreter, hieß die Kongreßteilnehmer in
den 3 Landessprachen willkommen. Gemeinderatsmitglieder‘
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Blick in den Saal während eines Referates
Die Vorträge des Samstagvormittags waren Ausgrabungser-
gebnissen Ostbelgiens gewidmet. Aus der Arbeitsgruppe um Prof.
A. Joris wurde über letzte Ausgrabungsergebnisse aus Herstal
berichtet, wo eine karolingische Pfalz vermutet wird. Über die
Töpferei im ostbelgischen Raum lieferte der Lichtbildervortrag von
Frau Dr. G. De Ridder-Blenska eine gute Übersicht, Herr Jean De
Ridder wollte mit seinem Lichtbildervortrag über die Bank Montzen
die Gelegenheit nutzen, die Kongreßteilnehmer auf die bevorste-
hende Exkursion einzustimmen, was ihm auch vorzüglich gelang.
Im Nachhinein diente dieser. Vortrag als Beispiel für weitere zu
planende Exkursionen. Über die industrielle Archäologie der
Gegend brachte Kulturinspektor F. Pauquet einen beeindrucken-
den Lichtbildervortrag.
Diese Vortragsreihe wurde abgeschlossen mit der Begrü-
ßungsansprache des Präsidenten der Göhltalvereinigung, Herrn
Peter Zimmer, der das Land ohne Grenzen nunmehr integriert
s2h in den nationalen Ausgrabungsdienst, wobei die Verständi-
gung in den 3 Landessprachen als besonders bemerkenswert
herausgestellt wurde. Mit seinem Schlußwort appellierte Herr Dr.
Roosens, Direktor des nationalen Amtes für Bodendenkmalpfle-
ge, an die Kongreßteilnehmer, indem er ihnen nahelegte, eine
34
Initiative zur Archäologie, wenn einmal es möglich sei, auf
lokaler und regionaler Ebene zu ergreifen. Nur in der Zusammen-
arbeit mit örtlichen Interessengemeinschaften und verantwortli-
chen Instanzen könne noch fruchtbringende Arbeit auf diesem
Gebiet geleistet werden.
Das nationale Amt für Bodendenkmalpflege nehme seine
Aufgabe sehr ernst und möchte diese Zusammenarbeit im ganzen
Land in diesem Sinne verwirklichen. Diese gemeinsame Aktion
sei zukünftig Garant der Erhaltung des kulturellen Erbes.
Der Samstagnachmittag war der Exkursion durch die Bank
Montzen, dem Burgenland Nordostbelgiens, und dem Preuswald ;
gewidmet. Unter der Führung von Herrn Jean De Ridder begab
man sich in 3 vollbesetzten Bussen von Kelmis aus zunächst nach
Moresnet, sodann nach Montzen. Schloß Streversdorp aus dem
15. Jh. wurde besichtigt. Der augenblickliche Zustand des
zerfallenen Schloßturmes und die zweckentfremdete Kapelle aus
dem 17. Jh. beeindruckten die Besucher. Von Montzen aus führte
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Streversdorp in Montzen wird immer mehr zur Ruine.
der Weg über Homburg und Remersdael nach Teuven. Dort lud
Herr Mathiessen die Kongreßteilnehmer ein, sein Schloß Teuven,
das aus dem 16. Jh. stammt und das auch unter dem Namen de
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Draeck bekannt ist, zu besichtigen. Vorbei an Schloß Beusdael in
Sippenaeken erreichte man über Gemmenich Moresnet-Kapelle.
Nach einer kleinen Erfrischungspause fuhr man durch den
Preuswald zur Ausgrabungsstätte.
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Der Ausgrabungsplatz im Preuswald, wo am 5. Sept. mit den Arbeiten begonnen
wurde, glich einem Zeltlager.
Auf Grund der methodischen, intensiven Untersuchung von
Frau Cahen war es möglich, bei der Ausgrabung eines Grabhü-
gels mit einem Durchmesser von 19 Metern auf neue Ergebnisse
zu stoßen. Professor Liese, der im Preuswald vor dem Ersten
Weltkrieg tätig war, und belgische Archäologen folgten vor 50
Jahren noch anderen Ausgrabungsmethoden. Ihnen war es damit
nicht vergönnt, etwas Näheres über den Bestattungsritus dieser
Gräber im Preuswald zu erfahren. Die 28 Grabhügel zählende
Nekropole bedeckt ein Gebiet von 60.000 m2 (300 X 200 m).
Viele dieser Grabhügel sind nicht mehr intakt. Selbst der Bittweg
durchschneidet 2 Grabhügel. Frau Cahen hatte das Glück, auf
ein bisher nicht berührtes Grab zu stoßen. Der Grabhügel maß in
seiner höchsten Höhe 1,50 m. Im Mittelpunkt konnten Spuren
eines Baumsarges freigelegt werden. Die Datierung wurde auf
* 1800 bis 1500 v. Chr. festgelegt. Am Rande dieses Grabhügels
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Eine dunkle Färbung des Erdreichs ist die einzige Spur, die ein Baumsarg in der
Mitte des Grabhügels hinterlassen hat.
fanden sich Spuren eines eingeäscherten Körpers mit der Datie-
rung in die mittlere Bronzezeit (1500 - 1200 v. Chr.). Andere
Hinweise zur Datierung, z.B. Grabbeigaben, wurden nicht gefun-
den. Dieses Ausgrabungsergebnis darf als etwas Einmaliges
betrachtet werden und konnte nur mit der modernen Ausgra-
bungsmethode und auch der Geduld der Archäologen erzielt
werden. Es sei zu bemerken, daß nur ein kleiner Teil der hiesigen
Bevölkerung über die Existenz dieses geschichtlich wertvollen
Gräberfeldes im Preuswald weiß.
Der Konservator, Herr Jean De Ridder, ließ es sich ab-
schließend nicht nehmen, den Kongreßteilnehmern unweit dieser -
Ausgrabungsstätte wertvolle alte Grenzsteine im Preuswald zu
zeigen, wie den Grenzstein mit dem Wappen des Goldenen
Vlieses und der Jahreszahl 1615, im übrigen der einzige Stein
dieser Art noch in Belgien. Außerdem konnten zwei Grenzsteine
aus der Burgunder Zeit mit dem Andreaskreuz und der Jahres-
zahl 1724 bewundert werden.
38
Die Bank Walhorn mit den römischen und mittelalterlichen
Wegen war Gegenstand der Exkursion am Sonntagvormittag.
Pfarrer Viktor Gielen führte 120 Kongreßteilnehmer auf Wege,
die er entdeckt hatte und die maßgeblich zur geschichtlichen
Entwicklung unserer Gegend beitrugen, wie z.B. der Öslinger Weg
oder auch Ardenner Weg, eine mittelalterliche, große Nord-Südver-
bindung, der besonders Raeren seine Entstehung verdankt. Auf
seine eigene, so herrlich volkstümliche Art machte er die Ge-
schichte dieser Gegend sehr lebendig.
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Im Raerener Töpfermuseum wurden die Exkursionsteilnehmer durch den Konser-
vator, Dr. Otto Mayer (vorne links) empfangen.
In Hauset, am Landgraben, wurde die Gruppe zu den
Zyklopensteinen, den Grachten und den Harfenbuchen geführt.
Die wuchtigen Buchenstämme des einstigen Landgrabens (Grenze
des Aachener Reiches) bilden hier seit 1920 die deutsch-belgische
Staatsgrenze. Im Raerener Töpfermuseum begrüßte Herr Dr. O.E.
Mayer mit seiner Gattin die Teilnehmer. Die Burg Raeren, in der
Raerener Steinzeug untergebracht. ist, begeisterte restlos alle.
Durch das Hohe Venn führte dann Forstingenieur Letocart.
Mit Spannung begab man sich zu der Stelle, an der Frau Corbiau
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Frau Corbiau (mitte, mit Strickjacke) erläutert den Kongreßteilnehmern den
Aufbau der Römerstraße. Rechts von ihr erkennen wir Pfr.i.R. Viktor Gielen (mit
Schirm).
che. Frau Dr. De Ridder fungierte als Übersetzerin. Ein nicht nur
in der Geschichte der Göhltalvereinigung denkwürdiger Kongreß
ging damit zu Ende.
Es bleibt zu hoffen, daß es dem belgischen Ausgrabungs-
dienst gelingen möge, noch manches Geheimnis des kulturellen
Erbes unserer Gegend aufzudecken.
An dieser Stelle möchte unsere Vereinigung allen danken,
die dazu beigetragen haben, daß der Kongreß zur vollen Zufrie-
denheit der rund 200 Teilnehmer enden konnte. Ganz besonders
sei dem Direktor des nationalen Amtes für Bodendenkmalpflege,
Herrn Dr. Roosens, seinem Attache Herrn Andre Matheys, der
als Moderator und Regisseur fungierte, gedankt. Frau Cahen und
Frau Corbiau sind wir ebenfalls zu Dank verpflichtet. Dank gilt
aber auch der Forstverwaltung, vor allem Forstingenieur M.
Letocart, der die Ausgrabungsarbeiten erheblich förderte. Den
Gemeinden Kelmis und Baelen-Membach sei für ihre Unterstüt-
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WO 2 HH),
Re 222° 82. 25256)
\ "FA HE \
Burg Reinhardstein b. Ovifat
zung ebenfalls gedankt. Beide Gemeinden stellten den Archäolo-
gen Hilfskräfte zur Verfügung. Der freundliche Empfang der
Kongreßteilnehmer durch die Gemeindeverwaltung von Kelmis sei
hier besonders dankend hervorgehoben.
a
42
Betrachtungen zum Archäologischen
Kongreß in Kelmis 23. - 25. 9. 1977
von Hubert Jenniges
Die Tagung stand nicht im Zeichen einer thematischen
Grundidee. Vielmehr wurden in den rund 10 Vorträgen alle
Bereiche der modernen Archäologie, ihre neuesten Methoden und
Erkenntnisse, aber auch ihre materiellen Grenzen aufgezeigt.
Thematisch reichte die Kelmiser Tagung von Aachens römerzeit-
lichem Entstehen über Funde des mittleren Paläolithikums in
Ostbelgien und den Ausgrabungsergebnissen eines Gräberfeldes
in Tongern bis zu der Deutung des merowingischen Sarkophags
in Amay, der zu Beginn dieses Jahres in der Maasstadt gefunden
wurde und in Fachkreisen großes Aufsehen erregte.
Aufschlußreich gestalteten sich auch die Vorträge über die
Karolingerpfalz in Herstal, die Töpferei im ostbelgischen Raum,
die Bank Montzen und die industrielle Archäologie im nordöst-
lichen Teil des deutschen Sprachgebiets.
Eine thematische Fülle also, die zunächst nur den Fachmann
ansprach. Jedoch nicht nur für den Experten waren die beiden
Exkursionen gedacht, die zu den Fundstellen führten, wo - und
zum ersten Mal seit Jahrzenten - Ausgrabungen vorgenommen
wurden : das Feld der Hügelgräber im Preuswald und die
Untersuchung der Baustruktur der ”Via Mansuerisca”. Organi-
sator der Tagung war das Landesamt für Ausgrabungen in
Brüssel. Dr. Roosens umschrieb die Zielsetzung des Kongresses
folgendermassen :
”Es gab für die Veranstaltung dieses Kongresses ein doppel-
tes Ziel und zwar.: erstens die Kontaktnahme mit einem
bestimmten Gebiet und mit den hier tätigen archäologischen und
geschichtlichen Vereinigungen. Hier werden Vorträge gehalten und
Ausgrabungen vorgenommen, um die Arbeitsweise dieser Verei-
nigungen mit dem letzten wissenschaftlichen Stand vertraut zu
machen. Zweitens verfolgen wir das Ziel, auch von diesen
örtlichen Vereinigungen zu lernen, so erfahren wir, wie sie ihre
Tätigkeit gestalten, und welche bedeutenden archäologischen
Fundstellen in dem betroffenen Gebiet vorhanden sind.”
43
Dr. Roosens wandte sich in seiner Einführungsrede gegen
jedes Dilettantentum, aber auch gegen jede Form des Etatismus
bei der Ausübung der Archäologie. Er erläuterte den Sinn
dieser Aussage in folgenden Worten : >
"Ich habe mit Nachdruck darauf hingewiesen, daß wir nicht
unser ganzes Heil vom Staat erwarten können. Warum? Wenn
alles in die Hände einer einzigen zentralisierten Macht gelangt,
dann legt diese Autorität den örtlichen Vereinigungen und den
wissenschaftlichen Forschern Beschränkungen auf und fügt sie in
eine rigorose Gesetzgebung ein. Für jeden Zweig der Wissenschaft
ist es jedoch erforderlich, daß man in Freiheit arbeiten kann, das
ist in erster Linie die wissenschaftliche Freiheit. Wir können
daher ein Übergewicht des Staates oder eine einseitige Einmi-
schung staatlicher Stellen in diese Arbeit nur dann abschwächen,
wenn auch andere öffentliche Institutionen eingeschaltet werden,
wie beispielsweise die Provinz- und Gemeindebehörden, auch die
beteutenden archäologischen und geschichtlichen Vereinigungen,
die sich in der Vergangenheit durch die Errichtung von Museen
Verdienste erworben haben, wenn wir «also diese Einrichtungen
ebenfalls in die wissenschaftliche Forschung der Archäologie
} einschalten. Ich spreche mich also gegen eine Verstaatlichung
unserer Arbeit aus; ich befürworte hingegen eine echte, gesunde
Regionalisierung, in dem Sinne, daß den verschiedenen örtlichen
Forschern und Gruppen ebenfalls eine Rolle in der Forschungs-
arbeit zuerkannt wird.
Auf die Frage, ob das nicht zu einer Zersplitterung führe,
antwortete Dr. Roosens :
”Diese Gefahr ist tatsächlich vorhanden. Darum wünsche ich
auch, und das betone ich, daß die regionalen und örtlichen
Vereinigungen immer in enger Zusammenkeit mit dem Landes-
amt für Ausgrabungen und Bodendenkmalpflege ihre Tätigkeit
ausüben. Das würde schließlich dazu führen, daß wir das gesamte
Land überblicken könnten. Gleichzeitig stärken wir die Bindun-
gen zwischen den einzelnen Geschichts- und Archäologievereinen.
Es muß also eine koordinierende und wissenschaftlich orientier-
te Einrichtung bestehen, die jedoch keineswegs in ein €fatistisches
Fahrwasser abgleiten muß.”
Frage : ”Herr Dr. Roosens, Sie haben zum ersten Mal seit
langer Zeit Ausgrabungen im deutschen Sprachgebiet Belgiens
A
vorgenommen. Ihre Archäologen waren im Preuswald und im
Bereich des Hohen Venns tätig. Haben Sie schon erste Ergebnisse
mitzuteilen?”
Dr. Roosens : "Die Resultate sind recht positiv. Im Preus-
wald liegt eine große Gräbergruppe, vielleicht die bedeutendste
Gräberreihe Belgiens. Ein erster Grabhügel wurde untersucht.
Die Resultate sind wirklich zufriedenstellend. Die Funde können
in die ältere oder mittlere Bronzezeit datiert werden, also
zwischen 1500 und 1000 vor Christus etwa.
Man hat ein zentrales Hügelgrab untersucht, wo die Toten in
einem ausgehöhlten Baumsarg nach der damals üblichen Bestat-
tungsform gebettet worden sind. Außerdem gab es hier eine
sekundäre Bestattungsform : die Leichenverbrennung.
Das zweite Untersuchungsfeld liegt auf dem Hohen Venn, wo
die Via Mansuerisca vorbeizog. Teilweise war diese Römerstraße
schon einer wissenschaftlichen Untersuchung unterzogen worden.
Doch haben wir auch hier neue Erkenntnisse gewonnen. Wir
stellen fest, daß die Via Mansuerisca in der Vennlandschaft auf
Sumpfboden angelegt worden ist. So mußte eine ganze Holzinfra-
struktur als Unterlage der Straße gebaut werden. Nun, diese
Infrastruktur ist je nach Örtlichkeit verschieden. Wir konnten die
Holzbalken freilegen, die als Straßenfundament dienten. Dies ist
von Bedeutung, weil wir nun zu einer genauen Datierung
kommen können, nämlich durch die Dendrochronologie, ein
wissenschaftliches Fach der Archäologie, das vor allem im
Landesmuseum von Trier mit Erfolg angewandt wird.”
Soweit Dr. Roosens. Für den gastgebenden Verein, die
Vereinigung für Kultur, Heimatkunde und Geschichte im Göhltal,
war die Organisation dieser Tagung eine erfolgreiche Bewährungs-
probe.
In 2 Jahren wird der nächste archäologische Kongress in
einem noch nicht bestimmten Ort stattfinden. Für das deutsch-
sprachige Gebiet stellte diese archäologische Tagung in gewisser
Hinsicht einen Durchbruch dar, war es doch seit vielen Jahrzen-
ten das erste Mal, daß man sich für diesen Raum intensiver
interessierte.
(Wir verweisen auch auf die ”Nachlese’”” von Dr. G. De Ridder
auf S. 30-41 dieser Zeitschrift.)
45
Visitationsberichte aus dem Dekanat
Eupen 1828
von Walter Meven
Napoleons Niederlage und die anschließende Neugliederung
der politischen Landkarte Europas sollten ‘auch auf die Organisa-
tion der kirchlichen Amtsbezirke einige Auswirkungen haben. Bis
1818 verblieb das ehedem zum Herzogtum Limburg gehörende
Gebiet der Bank Walhorn bei der Diözese Lüttich, wurde dann aus
dieser ausgeklammert und dem erst 1802 errichteten Bistum
Aachen zugeschlagen. Es wurde vom apostolischen Vikar W.
Fonk verwaltet.
1821 wurde das Bistum Aachen wieder aufgelöst und der
Erzdiözese Köln einverleibt. Die endgültige Eingliederung fand
am 20. Mai 1825 statt.
Im selben Jahre wurde der bisherige Pfarrer von Walhorn,
Franz Joseph Klausener, zum Oberpfarrer von Eupen und kurz
darauf zum Dechanten des Dekanates Eupen erkannt. Dechant
Klausener starb wenige Jahre später, am 27. April 1828, an den
Folgen einer Hirnhautentzündung im Alter von 61 Jahren. Sein
Nachfolger wurde Landdechant Vincken.
Mit Pfarrer und Dechant Klausener verlor das Eupener Land
einen Priester, der sich durch sein tugendhaftes Leben die
Hochachtung aller gesichert hatte. J.G. Heinen schreibt in seiner
”Pfarrgeschichte Eupens”’ : ”Man bezeichnete ihn als die schön-
ste Blüte des Klerus und man bezeugte, daß eine zarte, himmli-
sche Seele in ihm wohnte und jedes seiner Worte eine unwider-
stehliche Liebe zu Tugend einflößte.” (1)
1801 (Klausener war damals noch Pfarrer in Walhorn)
wurden amtliche Erkundigungen über die Geistlichen eingezogen.
Der ”’Maire’””’ von Walhorn stellte dem Pfarrer folgendes Zeugnis
aus : ”’Er ist der mildeste, liebevollste, leutseligste in der ganzen
Gegend. Er ist der Abgott seiner Pfarrkinder. Die öffentliche
Meinung setzt ihn über alle seine Amtsgenossen. Mit seinen
(1) Viktor Gielen : "Die Mutterpfarre und Hochbank Walhorn”, 2. Aufl., S. 68.
46
sittlichen Eigenschaften verbindet er seltene Geistesgaben. Er hat
Kenntnisse in jeder Art von Literatur und eine edle Weise,
dieselben mitzuteilen. Er wäre eher zum Staatsmann geschaffen
als zum Dorfpfarrer.” (1)
Dem Dechanten oblag die regelmäßige Visitation der ihm
unterstellten Pfarren. Dechant Klausener tat dies mit Eifer und
Gewissenhaftigkeit. Wir verdanken ihm ausführliche Visitations-
berichte der Landpfarren seines Dekanates. Diese Berichte gingen
an das Erzbischöfliche Generalvikariat in Köln. Sie lagern heute
im Diözesanarchiv Aachen. (2) Was Dechant Klausener 1827
über das Pfarrleben der damaligen Zeit in unserer Gegend zu .
sagen wußte, wird gewiß auch viele unserer Leser interessieren.
Bericht über den Kirchenbesuch in der Pfarre Walhorn
im Dekanate Eupen
In der Pfarre Walhorn besteht zwischen dem Hrn. Pfarrer
Maehren und seinem Vikar Hr. Yserentant Eintracht und Friede.
Beide leben auch in friedlichen Verhältnissen mit der Pfarrge-
meinde, und mit den Vorgesetzten. Ihr Wandel ist erbaulich.
Auch die Einwohner sind von einem guten Charakter. Die H.
Sakramente werden den Gläubigen fleißig ausgespendet. Die
Geistlichen liegen ihren Amtsverrichtungen mit Eifer ob, besu-
chen fleißig die Kranken, und erfüllen auch alle gestifteten
Dienste. Der Pfarrer besucht oft die Schule. Die Kanzelvorträge
und Katechesen geschehen pflichtmäßig mit Eifer. Die Kirchen-
bücher sind gut beschaffen. Die Geistlichen begnügen sich mit
den hergebrachten Stolgebühren; hierüber fallen nie Klagen vor.
Die Kirche ist die Schönste von allen Landkirchen des Dekanates,
und besitzt auch ein vorzügliches schönes Geläute. Vor der
Revolution war Walhorn eine Mutterkirche, wovon Eynatten,
Hergenrath, Kettenis und Raeren Filial-Kirchen waren. Das
Pfarrhaus ist gut und anständig : die Wohnung des H. Kaplans
ist ein altes, schlechtes, abständiges Gebäude. Die H. Gefäße,
die Paramente, das Leinwand, und die Utensilien überhaupt sind
in gutem Zustande. Die Altäre sind neu, so wie auch die Kanzel,
Kommunionbank, Orgel, Galerie, Sitzbänke, Sakristei. Alle diese
Gegenstände sind teils gut vergoldet, teils schöngefärbt und
(1) Joh. Gerh. Heinen : ”Pfarrgeschichte Eupens” S. 124 f!
(2) Diözesanarchiv Aachen, Dekanat Eupen, Visitationsberichte, fol. 43-46.
48
Bericht über Eynatten
Der Pfarrer Herr J.C. Schyns hat der Pfarre Eynatten
nunmehr seit 35 Jahren mit Treue und Eifer vorgestanden, und
ist im Unterrichte der Alten und der Jugend sowohl durch
Predigten als Katechesen allzeit unermüdet gewesen. Er freut sich
sehr seines neuen Vikars, Hrn. Conrads, womit er im besten
Einverständnis lebt. Die Pfarrdienste werden mit vielem Eifer
besorgt, und die H. Sakramente werden fleißig empfangen. Die
Kirche ist in einem guten Zustande. Eine schöne Sakristei ist vor
wenigen Jahren gebaut, und auch übrigens für die innere
Verschönerung der Kirche viel angewendet worden. Die Utensilien ]
sind in einem ordentlichen Zustande; die Paramente und das
Kirchenleinwand rein und anständig. Die H. Gefäße sind sauber
und gut beschaffen; die Bilder der Heiligen sind schön. Das
Pfarrhaus ist ein bequemes und schönes Gebäude; die Kaplanei
ist zwar nur ein gemeines Haus; aber der Herr Vikar klagt nicht
darüber. Die Kirchenbücher sind in gutem Zustande. Der Pfarrer
geht auch oft in die Schule zur Aufmunterung der Jugend. Mit
dem Küster, der zugleich Organist ist, ist der Pfarrer zufrieden.
Von Mißbrauch bei Hebung der Stolgebühren ist keine Klage.
Nebenandachten außer dem Pfarrgottesdienste sind hier nicht
gebräuchlich. Eine Bruderschaft vom bitteren Leiden ist hier seit
vielen Jahren eingeführt : Jeden zweiten Sonntag im Monat ist
dafür eine nachmittägige Andacht zur gewöhnlichen Vesperzeit.
Die Pfarrkinder nehmen daran fleißig Anteil und stellen sich
auch zum Empfang der heiligen Sakramente öfters ein. Übrigens
gibt es hier wie überalle unter dem Haufen guter Christen auch
wohl hier und da einen Schlechten.
Bericht über Lontzen
Der Pfarrer zu Lontzen, Herr J. Corsten, ehemaliges Mit-
glied der Abtei Closterrath, ist ein würdiger Mann, der seiner
Gemeinde als ein eifriger Seelenhirt vorsteht. Sein Vikar, H.
Schyns, ehemals Kapuziner, ist ein alter 76 jähriger Mann, der
seines hohen Alters wegen nicht mehr viel in der Seelsorge leisten
kann. Der Pfarrer, um den alten Mann zu schonen, nimmt desto
mehr von der Bürde auf sich, und so besteht unter beiden der
50
in Katechesen, und die Schule durch den Herrn Pfarrer fleißig
besucht. Die Kranken werden bei Zeiten mit den H. Sakramenten
versehen und auch während der Krankheit oft besucht. In einem
zur Pfarre Lontzen gehörigen, aber von der Pfarrkirche 15 oder
20 Minuten entfernten Weiler, Büsch genannt, besteht eine
ziemlich schöne Kapelle, worin die Woche hindurch mehrmals
gestiftete Messen gelesen werden. Außer dem Pfarrgottesdienst
gibt es keine Nebenandachten. Die sogenannte Stationenandacht
schließt sich an den gewöhnlichen Gottesdienst an. Die Kirche
ist neu, schön und in gutem Zustande. Das Pfarrhaus ist
ordentlich; die ‚»Kaplanei ziemlich. Der Vorrat der kirchlichen
Utensilien ist befriedigend. Vor einigen Jahren ist die Kirche im
Inneren viel verschönert worden : Sie besitzt auch eine schöne
Orgel. Für die Reinlichkeit der Paramente und des Kirchenlein-
wands trägt man Sorge. Über das Betragen des Küsters und
anderer Kirchendiener ist keine Klage vorgebracht worden, was
in diesen Bericht gehöre.
Bericht über Kettenis
Ein kleiner Zwist bestand zu Kettenis, als ich dahin kam
zwischen dem Hr. Pfarrer Maass und seinem Vikar Hr. Ricker,
wegen der Stunde, an welcher der Pfarrer seinen täglichen
katechetischen Unterricht für die Kinder in der Schule hielt.
Dieser Unterricht hinderte den Hrn. Vikar, weil er dadurch die
Messe später verschieben mußte, was ihm doch wegen schwäch-
licher Gesundheit lästig fiel. Dieser Zwist ist nun beigelegt. Der
Pfarrer hält diesen Unterricht in der Schule zu einer Stunde, die
den Schulunterricht nicht stört. Auch vernahm ich, daß der Herr
Pfarrer seine geistlichen Unterrichte in der Kirche aus einem
Buche oder von einem geschriebenen Blatte vorlese, was von
manchen getadelt wurde. Ich habe ihm daher geraten, forthin
seine Predigten auswendig zu lernen, und alle seine Unterrichte
gut vorzubereiten, weil er dadurch viel mehr Nutzen schaffen
würde. Er hat mir versprochen, diesem Rate zu folgen, denn er ist
ein überaus guter Mann, in quo dolus non est. Übrigens sind mir
keine Klagen vorgebracht worden. Auch besteht nunmehr zwi-
schen beiden Geistlichen gutes Einverständnis. Die H. Sakra-
mente werden geziemend ausgespendet, und die Kranken ordent-
lich besucht. Die Kirchenbücher habe ich in gutem Zustande
SI
gesehen; auch ist mir über die Stolgebühren keine Klage vorge-
bracht worden. Auch hier ist vor wenigen Jahren zur Verschöne-
rung der Kirche viel Aufwand gemacht worden und daher
befindet sich dieselbe in einem ordentlichen Zustande. Das
Kirchenleinwand ist gut beschaffen so wie auch die Paramente.
Das Pfarrhaus ist noch ein neues Gebäude und sehr niedlich. Die
Schule wird vom Hr. Pfarrer fleißig besucht. Auch besteht hier
die Bruderschaft de bona morte, wodurch die Andacht sehr
belebt wird. Weiter ist nichts erhebliches zu meiner Kenntnis
gelangt.
Bericht über Raeren
Diese Pfarre, die früher von einigen Brausköpfen angeführt,
ihren Geistlichen lange Zeit mit Trotz und Verachtung begegnete,
und durch diese schlechte Eigenschaft hier weit und breit bekannt
war, hat nunmehr, seitdem der jetzige Pfarrer und Schul-Inspek-
tor Herr A. Vincken sein Amt angetreten, eine ganz andere
Gestalt angenommen. Vom Anfang an erwarb er sich das ganze
Zutrauen seiner Gemeinde und Gott hat seine Arbeit mit dem
besten Erfolg gesegnet. Seine vorzüglichen Kenntnisse des Schul-
wesens hat er für das Wohl seiner Gemeinde unaufhörlich
benutzt, und er hat jetzt die Freude, von seiner fleißigen Arbeit
reiche Früchte zu sammeln. Die Stimmung der Pfarrkinder ist so
umgeändert, daß man fast nicht glaben sollte, es seyen noch die
nemlichen Menschen. Der Gottesdienst wird mit Würde verrichtet,
und der Unterricht sowohl von der Kanzel als in den Katechesen,
geschieht mit unermüdeter Tätigkeit. Der H. Pfarrer lebt mit
seinem Vikar, Hrn. Thomas, in bestem Einverständnisse. Die
Kirche ist in recht gutem Zustande, aber für die volkreiche
Gemeinde zu klein. Die Paramente sind sauber und rein, und das
Innere der Kirche ist seit einigen Jahren viel verschönert. Das
Kirchengerät überhaupt ist gut beschaffen. Das Pfarrhaus ist in
gutem Zustande. Die Kirchenbücher werden gut gehalten. Der
Pfarrer beschränkt sich auf die hergebrachten Stolgebühren. Der
Küster erfüllt seine Obliegenheiten fleißig. Es besteht hier die
Bruderschaft de bona morte, welche jeden Monat einmal sonn-
tags die Nachmittags-Andacht ausmacht, oder sich daran
anschließt : übrigens gibt es außer dem Pfarrgottesdienste keine
Nebenandachten. In der Ausspendung der H. Sakramente und in
52
dem Krankenbesuch wird nichts vernachlässigt. Zwischen den
geistlichen und weltlichen Vorstehern dieser Gemeinde besteht
eine vollkommene Eintracht, wodurch das allgemeinde Wohl sehr
befördert wird und die früheren Mißhelligkeiten ganz in Verges-
senheit geraten.
Bericht über Hergenrath
Der Pfarrer zu Hergenrath, Herr Claes, ungeachtet seiner
schwächlichen Gesundheit, erfüllt seine Pfarrgeschäfte fleißig und
wird von seinen Untergebenen geachtet. Die Pfarre hatte seit 30
Jahren keinen Vicarius mehr gehabt, jetzt aber’wo durch die
neulich statt gehabte Vergrößerung der Pfarre die Last des )
Seelsorgers bedeutend erschwert worden, ist der neue Vicarius,
Herr Chorus, dem schwächlichen Pfarrer und der ganzen Ge-
meinde sehr willkommen. Die Kirche ist.die einzige schlechte in
unserem Dekanate. Schon zur Zeit der Österreichischen Regie-
rung war der Aufbau einer neuen Kirche zu Hergenrath für nötig
anerkannt, und das damalige Aachener Kapitel, als Decimator,
war bereit die Kirche so wohl als das Pfarrhaus neu aufzubauen :
aber die Einwohner waren nicht einig über den Ort, wo die
Kirche hingestellt werden sollte, und so ist die Sache nicht zu
stande gekommen. Die Vorsteher leben in der Hoffnung, daß
ihnen die bei der Hochlöblichen Königl. Regierung nachgesuchte
Kollekte bald werde bewilligt werden, um die Kirche wo nicht neu
aufzubauen, so doch wenigstens in einen dezenten Stand zu
setzen. Sie ist nicht nur alt und baufällig, sondern auch bei der
jetzigen Vergrößerung der Pfarrgemeinde viel zu klein. Das
Pfarrhaus ist auch sehr schlecht, und schier eine Viertelstunde
von der Kirche entfernt, welches sowohl für den Pfarrer als für
die Gemeinde sehr lästig ist. Es ist für den H. Kaplan jetzt eine
neue Wohnung gebaut worden, welche aber auch von der Kirche
bedeutend entfernt liegt. Unter dem vorigen Pfarrer ist für die
Bedürfnisse der Sakristei an Paramenten manches angeschafft
worden, weil damals schier nichts vorrätig war; dem dringendsten
Bedürfnisse ist also nunmehr abgeholfen. Die Utensilien der
Kirche und das Kirchenleinwand habe ich in einem reinlichen
Zustande gefunden, obschon der Vorrat klein ist. Die Kirchen-
bücher sind in guter Ordnung. Für die Schule ist der Herr Pfarrer
gut besorgt, und besucht dieselbe fleißig. Eintracht und Liebe
s3
besteht nicht nur unter den beiden Geistlichen, sondern auch
zwischen diesen und den Pfarrgenossen. Die Ausspendung der H.
Sakramente und der Gottesdienst geschieht mit Anstand. Es gibt
hier keine Nebenandachten außer dem Pfarrgottesdienste. Über
Hebung der Stolgebühren sind keine Beschwerden vorgebracht
worden.
54
Alte Frau
Maria Th. Weinert
Sie geht jeden Tag durch die lauten Straßen,
ohne die bunte Bewegtheit zu sehn,
sie geht wie durch Nebel --
sie wagt nicht, durch stillere Straßen zu gehn - 4
sie ist allein, und sie hat kein Ziel,
sie hat soviel Zeit, wie sie will,
Es kommt nicht drauf an
wie lange sie geht,
ob sie hastet, oder im Regen steht
es erwartet sie keiner,
der sagen würde ”’Wie geht es Dir?”
Und ”’Wie hast du die Zeit verbracht?”
oder am Abend ”’Gute Nacht!”
Da, wo sie wohnt,
warten nur Möbel,
fremde, die keine Erinnerung sind
an früher, als sie noch Mann und Kind
zuhause erwarteten, Liebe und Not,
Sorgenmüssen ums tägliche Brot,
Heimaterde unter den Füßen ...
Nun geht sie immer den gleichen Weg,
als hätte nur das noch Gewicht,
unsteten Schrittes, ruhelos,
Die Augen in ihrem alten Gesicht
suchen groß
nach Verlorenem oder Vertrautem
irgendwo, hinterm Nebel verhangen ...
sie findet es nicht,
es ist schon vergangen.
55
. ..
Das Portrait : Edgar Cüpper
- von Hermann-Josef Gatz
Man schrieb den 1. August 1976. An diesem Nachmittag traf
sich in Montreal die Elite des Reitsports, um den Olympiasieger im
Preis der Nationen zu ermitteln. Favoriten waren : Deutschland,
England, Frankreich, die U.S.A. und das Gastgeberland Kanada.
Unter den krassen Außenseitern befand sich die Mannschaft
Belgiens. Und als der Kampf zu Ende war, hatte die Equipe
Belgiens die bronzene Medaille errungen. Nach 56 Jahren kam
wieder olympisches Metall in unser Land.
Unter den Reitern, welche auf dem Treppchen standen,
befand sich ein Kind unserer Heimat, und zwar Edgar Cüpper.
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56
Wer ist dieser Edgar Cüpper? Geboren am 16. Mai 1949,
verbrachte er die 12 ersten Lebensjahre im Göhltaldorf Hauset,
seitdem ist er wohnhaft in Eupen. Mit 6 Jahren bekam Edgar
einen Esel und mit 8 Jahren ein Ponny.
Der Grundstein zu seiner Karriere wurde mit 12 Jahren
gelegt, als der heutige Medaillengewinner sein erstes ”’großes”’
Pferd bekam. Mit diesem Pferd, auf den Namen ”’King”” hörend,
nahm er in Andrimont zum ersten Mal an einem Turnier teil und
schaffte auf Anhieb den 5. Platz.
Den ersten Sieg auf internationaler Ebene errang er im Jahr
1966, und zwar beim ”Jumping von Brüssel’”’. Von da an ging es S
nur bergauf; die Krönung der Reiterlaufbahn war die olympische
Medaille. Der 10. Platz bei der Weltmeisterschaft in England
1974 und der Sieg im Preis der Nationen beim C.H.I.O. Ostende
1977 zählen mit zu den größten Erfolgen des sympathischen
Sportsmannes.
Im nacholympischen Jahr 1977 sind noch folgende Platzie-
rungen zu vermerken : jeweils 2. in Genf, Donaueschingen,
Aachen, Paris und Antwerpen. Die Elite der Welt bereitet sich
nun auf die Olympiade in Moskau vor.
Edgar Cüpper arbeitet gewissenhaft mit seinen Tieren;
wünschen wir ihm, daß das Reiterglück nochmals auf seiner Seite
steht und daß das Eupener Land auch im Jahre 1980 wieder einen
olympischen Sieger feiern kann.
57
Rauhreif
von Leonie Wichert-Schmetz
Die Doldenstengel sind besät mit Sternen,
Grasrispen schaukeln süß und leicht,
Flaumfederzart und schwanenweiß.
Als höb’ der nächste Ost ihn zu entrückten
Fernen, so seltsam ist der Vogel, der vorüberstreicht
In seinem weißbehauchten Federkleid.
Es geht ein Wind. Wir atmen nur ganz leise.
Es schwingen Fäden sich von Ast zu Ast,
Worauf die Spinne ihren Flug getan.
Oh, rührt die zarte Pracht nicht an!
Zartwinz’ge Dinge gehen auf und nieder,
Zu fein dem Auge uns’rer groben Welt.
Ein leiser, zarter Nebel fällt.
Die Sonne steigt am Winterbogen wieder.
Ein leidverzerrtes Antlitz geht aus unserm Feld.
s Die Luft ist hart, wie klares Glas durchhellt.
(Aus dem Gedichtband ”’Mein Jahr”)
58
Eine Episode aus
der Eynattener Schulchronik
von Alfred Bertha
Bei Übernahme der ehemals limburgischen Gebiete des
Kreises Eupen fand Preußen i.J. 1815 einen wahren Bildungsnot-
stand vor. Durch Heranbildung von Lehrern in dem 1815
gegründeten Lehrerseminar von Brühl, der Einführung der allge-
meinen Schulpflicht (1825), der Einschränkung der Kinderarbeit, Y
dem Bau von Schulen und ähnlichen Maßnahmen versuchte die
Regierung, das Schulwesen auszubauen. Nicht überall stieß sie
mit ihren Bemühungen auf Gegenliebe und Verständnis. Viele
Eltern wollten die Zweckmäßigkeit einer gediegeneren Schulbil-
dung nicht einsehen und auch die Gemeindeverwaltungen streubten
sich manchmal gegen Neuerungen, deren Notwendigkeit sie nicht
als gegeben erachteten. Der Fall der Gemeinde Eynatten mag dies
illustrieren.
Dort hatte man um 1831 einen neuen Schulbau errichtet.
Der Schulsaal lag zu ebener Erde und maß 30 Fuß in der Länge
und 24 Fuß in der Breite, was etwa 73 m2 Fläche ergab. 1837
zählte der Schulverband Eynatten, zu dem auch die der Bürger-
meisterei Hergenrath angeschlossene Ortschaft Hauset gehörte,
220 schulpflichtige Kinder. Die Regierung zu Aachen war deshalb
der Ansicht, daß man ”auf die Vermehrung des Schulraumes
durch Einrichtung eines zweiten Schulzimmers, wie auch auf
Vermehrung der Unterrichtskräfte durch Anstellung eines Unter-
lehrers Bedacht nehmen müsse.”
Herr von Reiman, landrätlicher Kommissar zu Eupen,
vermerkt in einer Notiz zu dem Regierungsschreiben vom 7. Nov.
1837, beim Bau des Schulhauses sei auf einen zweiten Schulsaal
Rücksicht genommen worden und es bedürfe daher nur noch der
erforderlichen inneren Einrichtung, der Anschaffung von Schul-
utensilien und der Trennung vom Gemeindelokal, um die zweite
Lehrkraft einstellen zu können. So wurde denn die Gemeinde
aufgefordert, ihre Vorschläge in betreff eines geeigneten Unter-
lehrers und dessen Besoldung zu unterbreiten.
59
Daß die Gemeinde prinzipiell gegen eine zweite Lehrerstelle
eingestellt sein könnte. hatte man in Aachen nicht erwogen. Hier
die von den zuständigen Ortsbehörden auf einer am 1. Dez. 1837
abgehaltenen Versammlung gegebene Begründung der ablehnen-
den Haltung : 1. Beim Bau der Schule sei auf einen zweiten
Schulsaal keine Rücksicht genommen worden. Ursprünglich habe
der Bau nur ein Erdgeschoß besitzen sollen, und erst nach
Baubeginn habe die Gemeinde den Entschluß gefaßt, ein Stock-
werk höher zu bauen, um so einen Sitzungssaal, einen Archiv-
raum und eine Wachtstube zu haben. Bis dahin war nämlich die
Gemeindeverwaltung in einem gemieteten Raume untergebracht,
”in einem alten und schlechten Hause”.
2. Der Schulsaal sei auch nicht zu klein, da alle Kinder, welche
die Schule besuchten, darin Platz fänden.
3. Eine zweite Schule bzw. Klasse würde den Zweck verfehlen,
weil die Gemeinde Eynatten zu ausgedehnt sei. Die meisten
Häuser seien über 3/4 bis 1 Stunde von der Schule entfernt, und
die Wege im Herbst, Frühjahr und Winter derart sumpfig, daß
die großen Kinder nur mit Mühe, die kleinen aber gar nicht oder
nur unter großer Gefahr durchkommen könnten. Deshalb sei es
den meisten Kindern unter 9 Jahren nicht möglich, in den drei
angeführten Jahreszeiten regelmäßig zur Schule zu kommen. Im
Sommer dagegen sei der Schulbesuch der Kleinen umso regel-
mäßiger, während nun aus guten Gründen mehrere von den
größeren Kindern vom Unterricht dispensiert werden müßten.
Diese größeren Kinder seien ohnehin für ihren künftigen
Stand hinreichend unterrichtet und könnten deswegen vom Schul-
besuch gänzlich dispensiert werden.
Ein Lehrer könne auf diese Weise die in der Schule
anwesenden Kinder gehörig unterrichten und der große Schulsaal
sei mit 150-180 Kindern nie überfüllt.
Schulinspektor Vincken erhebt dagegen den Einwand, daß
das Schulzimmer bei 720 Quadratfuß Fläche, wenn man pro
Kind auch nur 5 Quadratfuß berechne, nur für 144 Kinder Raum
habe. Selbst bei einer angenommenen Schülerzahl von 150-180
müsse demnach die Errichtung einer zweiten Klasse verwirklicht
werden. Ein einziger Lehrer könne überdies eine solche Anzahl
Schüler nicht gehörig unterrichten.
61
tritt der Gemeinde- und Schulvorstand am 3. Mai 1838 wieder
zusammen, um über die Sachlage zu beraten. Dabei kommen die
Gemeindevertreter zu dem Schluß, daß die Errichtung einer
zweiten Schulklasse einstweilen noch unzweckmäßig, unnötig und
schädlich sei, und zwar führen sie folgende Gründe an :
Die Unzweckmäßigkeit gehe aus der Entfernung jener Orte
hervor, die zum Eynattener Schulverband gehören : Eynatten,
Kirch- und Schulort; Eynattener Hardbenden, 1/4 Stunde ent-
fernt; Eynattener Feld, Rover und Heide, 1/2 Stunde entfernt;
Berlotte, Höff und Rattenhaus, 1/2-3/4 Stunde entfernt; Lang-
feld und Lichtenbusch, 1 bis 1 1/4 Stunde entfernt; Hauset, 1/4
bis 1 1/4 Stunde entfernt; Priesteren, 1 1/2 Stunde entfernt;
Hauseter Hardbenden und Landgraben, 3/4 Stunde entfernt.
Die Unzweckmäßigkeit ergab sich nach Ansicht der Ge-
meindevertreter auch ”aus der Verdorbenheit der entfernten
Fußwege’’. Die Regierung glaube wohl, die Lage in Eynatten sei der
im Jülicher Lande vergleichbar, wo alle Häuser dicht beieinander
liegen. ”’Es wäre unmenschlich””, so schreiben die Gemeindever-
treter wörtlich, ’”’die Eltern zwingen zu wollen, ihre kleinen
Kinder in der schlechten Jahreszeit durch Regen, Schnee, Wind
und Kälte zur Schule schicken zu müssen. Dieses hieße der Natur
trotzen, welche dafür auch, bei dem guten Willen der Eltern, ihre
Kinder zur Schule zu schicken, in den drei ersten Monaten des
Jahres ihre Opfer zu nehmen nicht verfehlt hat und noch wirklich
mehrere davon wirklich krank sind.”
Darüber hinaus sei die zweite Schule noch nicht notwendig,
da die Kinder ”’ihren geistigen Anlagen und künftigem Stande
gemäß” hinreichend unterrichtet würden. Davon habe sich der
Konsistorial- und Schulrat Claessen bei einem Schulbesuch im
Febr. selbst überzeugt und er habe der Gemeinde gegenüber seine
volle Zufriedenheit über den Bildungsstand der Eynatter Kinder
ausgedrückt.
Unzweckmäßig, nicht notwendig und schädlich wäre eine
zweite Schule in Eynatten. Schädlich deshalb, weil die Leistungen
des Menschen mit zunehmenden Anforderungen gesteigert wür-
den, bei geringeren Anforderungen jedoch Nachlässigkeit und
Gleichgültigkeit eintrete. Bei Aufteilung der Schüler unter zwei
Lehrer hätten beide nur wenige Schüler. Die ”’gute Ordnung und
62
Eingezogenheit’”” der Kinder aber zeuge davon, daß der Lehrer
Branchart nicht überfordert sei. Das "gesunde und kräftige
Aussehen” des Lehrers beweise auch, daß das Unterrichten der
120-140 Kinder ihn nicht zu sehr ermüde. Dem Schulvorstand
gegenüber habe der Lehrer auch geäußert, es sei für ihn eine
Freude, soviele Kinder in der Schule zu haben und er habe den
Wunsch ausgesprochen, ohne zweite Schule und zweiten Lehrer
zu bleiben.
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Blick vom Kirchturm auf die alte Schule (Vordergrund, rechts, 1976)
Was die Kosten einer Aufteilung angehe, so seien diese zwar
nicht erheblich, doch habe die Gemeinde eine Reihe von Projek-
ten, die sie verwirklichen möchte, so die Bekleidung der Westseite
des Schulhauses mit Schiefer, eine Gartenmauer am Pfarrgarten,
den neuen Weg Eynatten-Raeren sowie in absehbarer Zeit eine
neue Kirche für die ständig anwachsende Pfarrgemeinde; die
Kirche habe nämlich nur 1600 Quadratfuß Raum für 1500
Seelen.
Eine Lehrerstelle würde ein jährliches Gehalt von 130-150
Taler, d.h. ein Kapital von 2.000 bis 3.000 Taler voraussetzen.
Die Anregung der Regierung, die Lehrerstelle dem Küster
anzuvertrauen, findet bei der Gemeinde keine Gegenliebe, da
63
dadurch entweder der Dienst in der Kirche oder der Schuldienst
vernachlässigt würde.
Die z.T. gewichtigen Einwände der Eynatter Ortsbehörden
wurden vom Landrat zwar nicht alle als unbegründet abgetan,
aber doch als nicht genügend erachtet, die Errichtung einer
zweiten Klasse und einer zweiten Schulstelle in Eynatten zu
verhindern.
Daraufhin gibt die Regierung am 21.5.1838 dem Landrat
den Auftrag, die Einrichtung einer zweiten Schulklasse sowie die
Fertigung der dazu erforderlichen Einrichtung ”ohne auf weitere
grundlose Einsprüche zu rücksichtigen’”” vornehmen zu lassen.
Die Regierung bedauert, daß die Beratungen und Verhandlungen
des Gemeinderates ’”’den Glauben aufdringen muß, daß die
angesehensten Männer der Gemeinde den hohen Zweck eines
regelmäßigen Schulbesuches nicht zu würdigen verstehen”. Es sei
nämlich unbegreiflich, wie behauptet werden könne, eine zweite
Schule sei in einer Pfarrgemeinde von 1500 Seelen unzweckmäßig
und ein Lehrer könne die etwa 300 schulpflichtigen Kinder
hinlänglich unterrichten, ja mehrere Lehrer seien sogar schädlich.
Selbst wenn man wegen der Entfernung und der schlechten
Wege die Schulpflichtigkeit erst mit dem vollendeten 7., ja sogar
mit dem 8. Lebensjahr eintreten lasse, bleibe es nichtdestoweniger
klar, daß ein einziger Lehrer die verbleibende Zahl der zum
Schulbesuch verpflichteten Kinder unmöglich gehörig unterrich-
ten könne.
Es könne auch nicht darauf ankommen, ob der Gemeinderat
Lust habe, das bisherige Beratungszimmer als Schulsaal her-
zugeben. Dasselbe sei einstweilen und bis ein anderer Saal
beschafft sei, dazu zu nehmen.
”Weitere Bemerkungen wollen wir aus Schonung gegen den
gedachten Vorstand unterlassen”, heißt es abschließend.
Die massiven Vorwürfe der Regierung weist der Schul- und
Gemeindevorstand auf seiner Sitzung vom 25. Juni 1838 energisch
zurück. Wenn behauptet werde, die Eynattener Behörden wüßten
den hohen Zweck eines regelmäßigen Schulbesuches nicht zu
würdigen, so könne dies nur darauf zurückzuführen sein, daß die I
Regierung ”übel benachrichtigt” worden sei. Der Schul- und
64 ;
Gemeindevorstand bittet die Regierung, alle erhobenen Einwände
und vor allem folgende Punkte nochmals prüfen zu wollen :
a) Sind soviel Kinder vorhanden, daß der Schulsaal dieselben
nicht alle fassen und der Lehrer sie nicht gehörig unterrichten
kann?
b) Werden die Kinder jetzt nicht gehörig unterrichtet?
c) Ist der jetzige Lehrer nicht im Stande, die Kinder ohne zweiten
Lehrer gehörig zu unterrichten?
d) Hat der jetzige Lehrer vielleicht auf einen zweiten Lehrer
angetragen?
Sollte die Regierung auf ihrem Beschluß beharren, so bitten
die Gemeinderatsmitglieder, die bei ihrem Amtsantritt den Eid
geleistet haben, stets das Interesse der Gemeinde zu fördern, sich
in dieser Angelegenheit ’’Höheren Orts” verwenden zu dürfen. Sie
sind nämlich der Meinung, daß im Augenblick noch kein zweiter
Lehrer notwendig sei und daß durch die Anstellung eines solchen
die Gemeindekasse Eynatten über Gebühr belastet werde. Wenn
man, um das Lehrergehalt zu zahlen, das Schulgeld von 3 auf 5
Silbergroschen erhöhte, würden die Kinder der abgelegenen Orte -
wie Lichtenbusch, Berlotte, Hauset und Theeheid nach Kuhheid,
Raeren, Hergenrath oder Walhorn zur Schule gehen, wo nur 3
Silbergroschen Schulgeld monatlich erhoben werden. Die Ge-
meindekasse erlitte dadurch erheblichen Schaden.
Wenn aber die Regierung aus besonderen der Gemeinde
unbekannten Gründen ’”’diese Erlaubnis auch nicht zu gestatten
geruhen möchte”, so würden die Gemeinderäte als Repräsentan-
ten der Gemeinde Eynatten, um ihrem Gewissen und ihrem
Amtseid nicht untreu zu werden, nochmals gegen die Anstellung
eines zweiten Lehrers, welcher allein aus der Eynattener Gemein-
dekasse entlohnt werden müßte, protestieren und alsdann ihr
Amt als Gemeinderäte der Gemeinde Eynatten niederlegen,
”weil dadurch vorderhand das Interesse der Gemeinde benachtei-
ligt würde und worin sie glauben, ihre Zustimmung versagen zu
müssen”.
Die Gemeinderatsmitglieder drücken jedoch ihre Zuversicht
aus, daß eine ”Königliche Hochlöbliche Regierung’ bei einer
näheren Untersuchung der Sache ”’für die unterzeichneten Ge-
meinderäte sich günstiger zu stimmen geruhen möge.”
65
Das Schreiben trägt die Unterschriften von H. Stickelman,
Nicola Kessel, N.L. Schmetz, Egidius Joseph Göbbels, J.A. Jack,
N.L. Cremer, J.A. Coenen, Andre Jos. Vecqueray und Bürger-
meister N.J. Pelzer.
Die Regierung in Aachen ließ sich jedoch nicht umstimmen.
Da sie der Ansicht war, daß 220 Kinder unmöglich von einem
einzigen Lehrer unterrichtet werden könnten, gab sie dem Landrat
Anweisung, unverzüglich alles zu tun, damit die zweite Schul-
klasse eröffnet werden könne. Die Regierung gab ihrer Hoffnung
Ausdruck, daß ”’die persönliche Einwirkung (des Landrats) wohl
die endliche beschleunigte Ausführung der verfügten Anordnung
fördern werde”.
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Schulbild a.d. Jahre 1911. Links die Lehrerin Caroline Schmetz, rechts Lehrer
Edmund Nußbaum.
Baumeister Habes wurde damit beauftragt, einen Umbau-
plan auszuarbeiten. Dieser mißfiel der Gemeinde doch sehr, da
der verbleibende Sitzungssaal nur noch zehn Fuß Breite aufwies
und ”nach Proportion der Länge” viel zu schmal war, ”mithin
durch diese Teilung ganz verdorben wird”.
Sollte Lehrer Branchart nun seine Wohnstube als Sitzungs- .
saal hergeben? In dem Falle müßte er sich wohl von seinen bei
ihm wohnenden Eltern trennen. Der Schulvorstand ist überzeugt,
66
daß der Lehrer lieber die Gemeinde als seine Eltern verlassen
würde. Die Gemeinde macht nun den Vorschlag, in Hauset eine
neue Schule auf Kosten der Gemeinde Hergenrath zu bauen. Den
Hauseter Beitrag zum Bau des Eynattener Schulhauses, 565 Taler,
würde Eynatten in diesem Falle zurückzahlen und auch das zum
Bau einer neuen Schule noch fehlende Geld vorstrecken. Man
erwägt auch eine Zusammenlegung des Weilers Hauset mit der
Zivilgemeinde Eynatten. Eine vorläufige Lösung des Schulpro-
blems sehen Schulvorstand und Gemeinderat darin, daß die zwei
oberen Klassen nur vormittags, die zwei unteren aber nur
nachmittags Unterricht hätten.
Ein von der Regierung gemachter Vorschlag, das Archivzim- "
mer als Sitzungssaal zu nehmen, konnte nicht berücksichtigt
werden, da dieser Raum zu klein war. Den einzigen Ausweg aus
der Raumnot sah die Regierung dann darin, den gesamten
Sitzungssaal zum Schulsaal umzubauen und die Gemeinderatssit-
zungen in die Zeit nach Schulschluß oder auf schulfreie Tage zu
verlegen, wo der Schulsaal dazu zur Verfügung stünde. Was den
Bau einer Schule in Hauset angehe, so könne ein solches Projekt im
Augenblick nicht erwogen werden, da die Gemeinde Hergenrath
mehrere dringende Großarbeiten plane, die ihre Kräfte voll in
Anspruch nähmen.
Am 18.7.1839 konnte der kommissarische Bürgermeister von
Harenne dem Landrat berichten, daß das Schulzimmer vollständig
* eingerichtet sei. Zum Unterlehrer werde von Schul- und Ge-
meindevorstand Wilhelm Renerken vorgeschlagen.
Wilhelm Renerken war der Sohn des Küsters. Lehrer Bran-
chart stellte ihm folgendes Zeugnis aus :
”Auf Verlangen wird dem Wilhelm Renerken das Zeugnis
erteilt, daß er als Zögling der hiesigen Schule, stets lobenswerten,
auf alle Lehrfächer gleichmäßig gerichteten Fleiß bewiesen und
dem gemäß auch gute Fortschritte gemacht hat; da er sich dem
Elementar-Schulfache widmen will, so ist ihm der Gang des
ersten Unterrichtes gezeigt worden, den er auch schon bei den
Kleinen mit Erfolg zur Anwendung gebracht.”
; Auch Schulinspektor Vinken stellte dem Junglehrer ein
günstiges Zeugnis aus. Daraufhin genehmigte die Regierung
dessen Anstellung, bat jedoch den Schulinspektor, nach drei
67
Monaten ”über den Fleiß, die Führung und das ‚amtliche
Wirken” desselben zu berichten.
So fand diese Episode in der Schulgeschichte Eynattens ein
alle Seiten doch mehr oder ‚weniger befriedigendes Ende, zum
größten Nutzen der Eynatter und Hauseter Schulkinder. Die
durch die Errichtung einer Schulklasse verursachten Gesamtkos-
ten (Plan des Baumeisters Habes und durch den Raerener
Schreinermeister Bernard Jos. Creutz gelieferte Schulutensilien)
beliefen sich auf 152 Taler, 8 Silbergroschen und 3 Pfennige,
wovon Hauset nach Proportion der Schulkinder (etwa 65-70) ein
Drittel tragen mußte.
Quellen : Staatsarchiv Lüttich, Akten d. Kreises Eupen, 121 u. 251.
68
Kelmis Anno dazumal
von Franz Uebags
In der vorigen Nummer dieser Zeitschrift untersuchten wir
u.a. den Zustand des Wegenetzes und der Kanalisation in Kelmis
vor mehr als S0 Jahren. Dabei übergingen wir den Kirchplatz.
Ehe wir also zu einem neuen Kapitel übergehen, wollen wir das
Versäumte nachholen und unsere Schritte zum Kirchplatz len-
ken.
Zu den vielen Neugestaltungen der Nachkriegszeit in der
Gemeinde Kelmis dürfte an erster Stelle der ganz veränderte
Kirchplatz stehen. Vor der Kirche ist ein völlig neues Bild
geschaffen worden. Von der früheren Aussicht ist nichts mehr
geblieben. Wenn man heute noch einmal über den damaligen
Kirchplatz reden will, brauchen sogar die älteren Leute eine Zeit
des Nachdenkens, ihn so zu schildern, wie er früher ausgesehen
hat. Mit der Jugend ist es allerdings anders, weil sie nur den
geräumigen und belebten Platz kennt. Sie ist vielleicht der
Meinung, daß das Leben und Treiben hier immer so gewesen ist.
Doch der Kirchplatz galt früher als eine ruhige Stätte. Wie er,
früher ausgesehen hat, wollen wir anschließend beschreiben.
Was die Größe anbetrifft, kann kein Vergleich gezogen
werden, da die jetzige Fläche sich im Laufe der Zeit gewaltig
ausgedehnt hat. Der eigentliche Kirchplatz war einst nur der
Platz von der Kirche bis zur Kirchstraße. Von Asphaltierung war
keine Spur. Genau wie die Dorfstraßen, so war auch der
Kirchplatz mit Sandsteinen belegt, also uneben und holprig. Auf
demselben standen dicke Lindenbäume dicht aneinandergereiht,
die mit ihren mächtigen Kronen die Kirche beinahe verbargen.
An und für sich bot das Ganze ein idyllisches Bild. Die ganz alten
Leute behaupten, vor Jahren habe die Kirche auf einem würdige-
ren Platz als jetzt gestanden. Zwei Meter neben den Stufen, die
zur Hauptpforte der Kirche führen, stand damals ein mit
Karbolineum gestrichenes Holzgitter. Hinter diesem Gitter, das
hinunter bis zur Hecke verlief, lag ein vier Meter breiter
Landstreifen. Dieser Streifen war lange Jahre der Garten des
Kaplans Wenders gewesen. Ich kann mich noch gut erinnern,
daß der Vater des Geistlichen den Garten bestellte. Weiter östlich
69
des Gartens lag verwildertes, talartiges Land. Bei der Kirche,
direkt vor dem Holzgitter, verlief ein ganz primitiver Weg, der
zum Kloster der Dominikanerinnen führte. In der Richtung des
heutigen ”’Unic’”’ bahnte sich ein alter Pfad, wir nannten ihn den
”Kuhweg”, hinauf zum alten Friedhof, dahin, wo jetzt die
Gemeindeschule steht. Nach der Vesper am Allerseelentage zogen
die Erwachsenen und wir Schulkinder prozessionsweise dorthin.
Zu der Zeit war der Gottesacker schon zum Weideland geworden.
Hier’ und da standen noch steinerne Grabmäler, die verrieten,
daß man auf einem Friedhof war. Die Geistlichen nahmen
alsdann die Segnung der Gräber vor.
Es muß damals schon das Bestreben der Gemeindeväter von
Kelmis gewesen sein, hier im Ort einen größeren Platz anzulegen.
Als man nun keine Lagerstätte für den Dorfmüll mehr hatte,
wurde auf einer Gemeinderatssitzung der Beschluß gefaßt, bei
der Kirche eine Müllkippe zu errichten. Es muß dies um 1928
gewesen sein. Der Garten des Kaplans verschwand und das
dahinterliegende Land sollte mit dem Unrat der Kelmiser Bevöl-
kerung eingeebnet werden. Zu der Zeit wurde der Müll per
Fuhrwerk dorthin gefahren. Wie nicht anders zu erwarten, kam
es auf der Müllhalde zu einer Rattenseuche. Die Bewohner der
unteren Kirchstraße wissen sich dessen noch gut zu erinnern und
vergessen nie die Last, die sie mit den Nagetieren gehabt haben.
Es war eine Genugtuung für die Schulkinder, denn mit Vorliebe
gingen sie dorthin, um zwischen dem alten Gerümpel Rattenjagd
zu halten.
Anfangs der dreißiger Jahre fing man damit an, bei
Gelegenheit der Dorfkirmes auch Buden auf dem Kirchplatz
aufzustellen. Es war vorauszusehen, daß unsere Kirmes wegen
des immer wachsenden Verkehrs nicht mehr auf der Lütticher
Straße abgehalten werden konnte. Von Jahr zu Jahr dehnte sich
der neue Platz aus und mit und mit verlagerte sich die ganze
Kirmes dorthin. Die dortstehenden Lindenbäume wurden somit
zum Hindernis und fielen letzten Endes leider der Axt zum Opfer.
Bei der Straße blieben etliche stehen, die erst später gefällt
wurden. Somit hatten die Kirmesleute keine Komplikationen.
Buden, Schaukeln und jedes Karusell konnte da aufgebaut
werden, wo dem Besitzer ein Platz angewiesen wurde. Außer der
Kirmes beschloß die Gemeinde im Jahre 1936, wöchentlich, und
70
zwar jeden Donnerstag, auf dem Platz Markt abzuhalten. (1)
Momentan weiß die hiesige Bevölkerung nicht mehr anders. Der
Platz gilt als Kirch-, Markt-, Kirmes- und Gemeindeplatz. Im
Monat Mai des Jahres 1949 ist das Kriegerdenkmal eingeweiht
worden.
Und wie es hier in Kürze aussehen wird, möge für jeden
Kelmiser eine Überraschung werden!
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Der Kelmiser Kirchplatz heute
(1) Der Gemeinderat von Neutral-Moresnet beschloß am 18.4.1861 einen Wochen-
markt einzurichten. Im ”’Korrespondenzblatt des Kreises Eupen’” vom 27.4.1861
fand sich dazu folgende Bekanntmachung : ”Mit Rücksicht auf die große
Bevölkerung hiesiger Gemeinde und die weite Entfernung der zunächst gelegenen
Marktorte hat der Gemeinderath die Einrichtung eines Wochenmarktes für alle
Arten Viktualien hier im neutralen Gebiete beschlossen. Nachdem dieser Beschluß
höheren Orts genehmigt worden ist, mache ich auf den Markt mit dem Bemerken
aufmerksam, daß derselbe von Mai ab jede Woche hier auf der neutralen Straße
zu Hazard stattfinden soll und daß Marktstandsgeld vorläufig nicht erhoben wird.
Moresnet Neutral, de, 18. April 1861
Der Bürgermeister, J. Kohl’”
Wir wissen nicht, bis wann dieser Wochenmarkt abgehalten worden ist.
74
Die polizeilichen Verordnungen von Neutral-Moresnet
In Neutral-Moresnet gab es keine eigene Gesetzgebung,
keine eigene Rechtsprechung und keine eigene Verwaltung.
Gesetze wurden auch keine erlassen. Die Rechtsprechung war
Sache der preußischen und belgischen Gerichte. Die Verwaltung
lag in den Händen zweier von Preußen und Belgien bestellten
Kommissare. Im Laufe der Zeit jedoch wurde es für gewisse
Materien erforderlich, sie auf dem Wege der Polizeiverordnung
zu regeln. Bis zum Jahre 1914 erließ man in Neutral-Moresnet 25
Polizeiverordnungen, wovon die erste am 30. Dezember 1850
erschien, und zwar mit sofortiger Wirkung. Sie enthielt die
Anzeigepflicht für Wirtshäuser, eine festgesetzte Polizeistunde
und verpflichtete die Inhaber, in ihren Betrieben selbst für Ruhe
und Ordnung zu sorgen. Glücksspiele jeglicher Art wurden
verboten und für die erlaubten Spiele wurden die Einsätze
vorgeschrieben. Lustbarkeiten aller Art wurden der vorherigen
schriftlichen Genehmigung des Bürgermeisters unterworfen. Bei
gleichwelcher Veranstaltung mußte eine Armengabe entrichtet
werden. Für alle Übertretungen in dieser Hinsicht kam es zu
Geldstrafen bis zu 15 Franken und je nach den Umständen noch
zu einer Gefängnisstrafe bis zu 5 Tagen. Die vielen Wirtshäuser
haben der Gemeinde stets viele Probleme und Sorgen verursacht.
Diesem Gegenstand wurden nicht weniger als zwölf Polizeiver-
ordnungen gewidmet. Eine dieser Verordnungen, unterschrieben
von den Kommissaren The Losen und Bleyfuess, bestimmte, daß
ab dem 23. Oktober 1908, alle Kaffeehausbesitzer, Gastwirte,
Schankwirte und Herbergsinhaber nicht mehr als eine weibliche
Person, wozu auch die Ehefrauen und die Töchter zählten, zur
Bedienung oder Unterhaltung der Gäste, verwenden durften. Der
weiblichen Bedienung war es nicht erlaubt, sich zu den Gästen an
den Tisch zu setzen, noch weniger mit ihnen zu trinken. Die
Polizeiverordnung vom 1. September 1894, unterzeichnet von den
Kommissaren Landrat Gülcher und Bezirkskommissar Bleyfuess,
war in ihrer Eigenart bemerkenswert und zugleich teilweise
erheiternd. In der Einteilung wurde betont, daß den beiden
Kommissaren allein die allgemeine und örtliche Verwaltung
zustehe und sie demnach das Recht hätten, Polizeiverordnungen
zu erlassen und darin bei Zuwiderhandlungen gewisse Strafen
festzusetzen. Im Interesse einer guten Polizei sei es aber von
72
Wichtigkeit, gewisse Handlungen, welche im neutralen Gebiet
von Moresnet begangen würden und die weder durch Strafgesetz
noch durch eine der bestehenden Polizeiverordnungen vorgesehen
seien, nicht unbestraft zu lassen.
Zu diesen strafbaren Handlungen gehörte u.a. das Hinein-
stecken von Gegenständen in das Schlüsselloch der Tür eines
fremden Hauses oder eines andern Gebäudes, um das Öffnen der
Tür zu verhindern. Ein solcher Witz konnte den Tunichtgut
teuer zu stehen kommen, da er mit der schon vorhin erwähnten
Strafe rechnen mußte.
Mit der gleichen Strafe wurden bedroht : 5
Diejenigen, die vor einem Wohnhaus Gegenstände. niederlegten,
die von der Bevölkerung als Verspottung, Verhöhnung oder
Beschimpfung eines Bewohners dieses Hauses angesehen werden
konnten;
Diejenigen, die, wenn auch nicht: mit der: Absicht des Betrugs,
böswilligerweise Sachen, die sich auf dem Eigentum eines andern
befinden, wegnehmen oder versetzen;
Diejenigen, die mit Vorbedacht die Schranke einer Wiese oder
einer Einfriedigung, in der sich Vieh aufhält, öffnen oder sogar.
offen stehen lassen;
Diejenigen, die böswillig gesetzlich angeschlagene Bekannt-
machungen abreißen und vernichten;
Dieselben Strafen galten ebenfalls denjenigen, die Akte der
Grausamkeit an Tieren verübten, sowie denen, die, wenn auch
durch Unvorsichtigkeit, Beschädigungen an Telegrafendrähten,
Stangen und Apparaten verursachten. Strafbar machte sich auch
jener, der in privaten Haushaltungen Personen beherbergte, die
bei der Polizei nicht angemeldet waren.
Polizeiverordnungen von außergewöhnlicher Bedeutung tra-
ten erst in Kraft, nachdem die Genehmigung des Königs von
Preußen und des Königs der Belgier bei der Ortsbehörde einge-
troffen war.
Wareneinfuhr und Verzollung
Preußen und Belgien betrachteten das ’’Neutrale Gebiet’,
wie aus früheren Darlegungen hervorgeht, staatsrechtlich als
Inland. Dabei hatte Preußen das vertragsmäßige Recht auf seiner
Seite. Zollamtlich galt für beide Staaten die Regel, daß Waren
73
aus Preußen und Belgien in beliebiger Quantität zollfrei einge-
führt werden konnten. Anders aber war es z.B. mit Waren, die
aus Frankreich nach Neutral-Moresnet gelangten. Solche unter-
lagen, weil sie die belgische Grenze passierten, dem belgischen
Zoll. Kamen nun Waren aus andern Ländern über Deutschland
nach hier, mußten die selbstverständlich auf deutschem Gebiet
verzollt werden.
Güter, die aus dem neutralen Gebiet nach Preußen oder
nach Belgien ausgeführt wurden, mußten in dem Empfängerland
verzollt werden.
Es gab auch eine Zeit, wo Waren aus Holland ebenfalls
zollfrei über die Grenze gebracht werden durften. Hier handelte
es sich zum größten Teil nur um die Einfuhr von Kaffee. Der
Waldweg, der nach Vaals führte und über den die braunen
Bohnen nach Kelmis geholt wurden, später benutzten ihn die
Schmuggler, hatte recht bald im Volksmund die Bezeichnung
”Bohnenweg” erhalten. In kurzer Zeit nahm das Kaffeeschieben
von Holland nach hier überhand und führte zu Unzuträglichkei-
ten. Da erließen die beiden Kommissare am 12. November 1883
eine Polizeiverordnung, wonach holländische Waren, sofern sie
nach preußischem oder belgischem Recht zollpflichtig waren,
entweder dem preußischem Zollamt in Vaalserquartier oder im
belgischen Zollamt in Gemmenich vorgeführt werden mußten.
Sowohl die preußischen wie die belgischen Zollbeamten
hatten die Befugnis, gesetzwidrige Warentransporte bis auf
neutralen Boden zu verfolgen. Hier war ihnen sogar erlaubt,
Ware und Transportmittel zu beschlagnahmen und den Zuwider-
handelnden festzuhalten, bis eine eventuelle Bürgschaftsleistung
stattgefunden hatte. Jede Verordnungsübertretung wurde so an-
gesehen, als wäre sie im Land des einschreitenden Beamten
geschehen. Infolge der eigenartigen Lage von Neutral-Moresnet
und seinen aparten Verhältnissen ist es begreiflich, daß der
Schmuggel in diesem Gebiet zu einem mehr oder weniger
blühenden Gewerbe wurde.
Ein weiteres einträgliches Gewerbe machte den Grenzschutz-
beamten in dieser Gegend um die Jahrhundertwende viel zu
) schaffen. Es entstand zusätzlich noch die Industrie der Schnaps-
brennerei. Da es keine Kontingentierung, noch Sonderabgabe,
75
Dorf nur wenige Anhänger gefunden hat. Im allgemeinen wollte
man mit der Sache nichts zu tun haben. Der Kreis der Esperan-
tisten muß sich nicht erweitert haben, da von seinem Bestehen und
von seinem Wirken sehr wenig zu erfahren ist. Es ist anzunehmen,
daß diese Handvoll Idealisten nichts Besseres tun konnten, als die
Flinte ins Korn zu werfen. Lebte noch jemand von den Damen
oder Herrn, die auf einem erhaltenen Gruppenphoto zu sehen sind,
könnte vielleicht einiges mehr darüber geschrieben werden.
Hatte Neutral-Moresnet eine Zeitung?
Was die Presse betrifft, so wurde in Neutral-Moresnet am 1.
Januar des Jahres 1872 die ”Grenz-Zeitung”” gegründet. Im
Untertitel nannte sie sich ”’Wochenschrift für Neutral-Moresnet
und Umgebung”. Das Blatt erschien im Format 40 mal 25
Zentimeter und bestand aus vier Seiten. Es kostete dreimonatlich
1 Franken oder acht Silbergroschen. Für Schriftleitung, Druck
und Verlag zeichnete ein gewißer Carl Thumm in Neutral-
Moresnet verantwortlich. Auf der ersten Seite war regelmäßig ein
von ihm verfaßter Wochenbericht zu lesen. Die Bekanntma-
chungen nahmen in dem Blatt den meisten Raum ein. Somit
waren die Anzeigen nur spärlich. Mit Nachdruck deutete Thumm
immer darauf hin, daß man in Kelmis in einem ”neutralen’”” Land
lebe und er erlaubte sich eine dauernde Kritik an den Vorgängen
bei den Nachbarn. Eine Tageszeitung könne es nicht gewesen
sein, meinen ältere Leute, dafür sei nun doch der Preis etwas zu
bescheiden gewesen. Über die Auflage des Blättchens ist nichts zu
erfahren. Am 12. August 1876 erschien es zum letzten Mal. Zu
späterer Zeit fanden die Aachener Tageszeitungen ”’Die Aachener
Rundschau” und ”Der. Volksfreund’ viele Abonnenten im
Kelmiser Raum. Die in Aubel gedruckte Wochenzeitung ”’Die
fliegende Taube” wurde auch während vieler Jahre in Kelmis
vertrieben. Die ”’Kelmiser Zeitung”, Organ für die deutschspra-
chige Gegend, kam aus Dolhain und wurde den Lesern zweimal
wöchentlich zugestellt. Das Erscheinen mußte, so meinte man
damals, wegen Unrentabilität eingestellt werden.
Etwas über das Steuerzahlen
In der neutralen Gemeinde war die Steuerschraube nicht
allzufest angedreht. Die Steuerlast war nicht erdrückend. Infolge-
77
Die Schulen
Auf das Schulproblem der damaligen Zeit möchte ich an
dieser Stelle nicht mehr zurückkommen, weil darüber im Aufsatz
"Erinnerungen aus meiner Schulzeit’” im Göhltal N° 11, Seite 45,
schon berichtet wurde.
Die Wirtshäuser
Mit und mit nahm das Werk der Vieille-Montagne auf
neutralem Gebiet größeren Umfang an. Viele Arbeitnehmer
mitsamt ihren Familien ließen sich hier nieder. Mit dem sicheren
Arbeitsplatz fanden sie in Kelmis eine stete Bleibe. Es ist seit
Alters her immer so gewesen, daß da, wo eine Industrie entsteht,
auch die Wirtshäuser aus dem Boden wachsen. Das war in
Kelmis ebenfalls nicht aufzuhalten. In den achtziger Jahren soll
es hier im Ort an die 70 Wirtshäuser gegeben haben. Wenn eine
ältere Person, die diese Zeit noch miterlebte, beginnt dieselben
aufzuzählen, dürfte diese Zahl keinesfalls übertrieben sein. Ich
unterhielt mich darüber mit einer älteren Dame, die mir folgen-
des erzählte :
”In meiner Jugendzeit befanden sich auf der Hasardstraße,
angefangen beim Haus Ahn am Jägerpfahl bis hinauf zum Haus
Jongen beim Friedhof ”nur”” 21 Gaststätten. Diese Häuser haben
uns Frauen zur damaligen Zeit viel Kummer und Verdruß
bereitet. Es waren sogenannte Lasterhäuschen, die ganz beson-
ders uns Frauen in einen schweren Stand brachten. Ich und viele
andere Frauen haben Gott weiß wieviele Male den Mann am
Lohntag dort herausholen müssen, damit wenigstens noch einiges
Geld für den Haushalt übrigblieb. Von Bier haben unsere
Männer nicht viel gehalten. Nein, es mußte immer wieder
Schnaps sein. Sie hatten in der Tat eine Sucht für das brennende
Zeug. Der Schnaps hatte sie dazu verleitet, die Moral beiseite zu
legen. Kamen sie halb betrunken nach Hause und wurde ihnen
von ihrer sorgenden Gattin ins Gewissen geredet, brachen sie in
Wut aus und es kam öfters zu Handgreiflichkeiten. Die Kinder
wurden Zeuge der Niederträchtigkeit ihrers Vaters. Der Alkohol
machte die Väter rücksichtlos den Frauen und Kindern gegen-
über. Die Armut war Trumpf und es mußte viel entbehrt werden,
weil die Geldmittel nicht reichten. Fast in allen Gaststätten hing
das Bild mit dem Mann an der Pumpe, worauf in dicken
78
Buchstaben geschrieben stand ”’Hier wird nicht gepumpt”. Doch
daran haben sich die meisten Wirtschaftsinhaber wenig oder
garnicht gehalten. Es wurde den Kunden Kredit gewährt. Am
Lohntage mußte alsdann die 14tägige Zeche beglichen werden.
Nun stelle sich einer vor, was dem Lohn hier abgeknöpft wurde,
anstatt dafür Butter und Speck kaufen zu können. Bedauerlicher-
weise gab es unter den Wirtsfrauen solche, die es geschickt
verstanden, die Familienväter möglichst lange aufzuhalten, so
daß ein Ehekrach unvermeidlich war. Im Laufe der Zeit pflegte
man diese Wirtshäuser ”’Kapellchen’’ zu nennen, doch in diesen
Kapellchen saß der Teufel drin. Ich glaube, daß sich die Frauen
von heute derartige Ausschreitungen nicht gefallen ließen. N
Es ist ihr gutes Recht, sich ein solches Leben, wie wir es
gekannt haben, nicht aufzwingen zu lassen. Gott sei Dank, daß
sich die Jugend von heute auf diesem Gebiet eines Bessern
besonnen hat. Das soll nun nicht heißen, daß alle Wirtschaften
von früher unter meine Anklage fallen, nein, es gab auch Wirte,
die es verstanden, ihr Geschäft sauber und reell zu führen, und
die ihr Handeln mit ihrem Gewissen vereinbaren konnten. Ebenso
gab es auch Familienväter, die nur für ihre Familie da waren,
ihren Lohn auf Heller und Pfennig der Frau abgaben und sich
von ihren tiefgesunkenen Kollegen nicht auf die schiefe Bahn
bringen ließen.”
Nachdem die alte Dame mir dies alles erzählt hatte, ging sie
dazu über, mir alle Wirtshäuser von früher aufzuzählen. Alle
diese Namen zu nennen, würde zu weit führen. Um einen bessern
Überblick hinsichtlich ihrer Zahl zu haben, möchte ich jedoch
zeigen, wie sich die vielen Wirtshäuser im Dorf verteilten. Wir
wissen bereits, daß auf der Hasardstraße 21 solcher Gaststätten
existierten. Hinzu kommen : Brandenhövel 2, Tannenbaumstraße
7, Dörnchen 1, Schützenstraße 4, Neustraße 4, Krickelstraße 7,
Kapellstraße 3, Patronagestraße 4, Steinkaul 2, Ruhr 2, und
Lindenstraße 1 Wirtschaft. Zusammengezählt ergibt das die
schöne Zahl von 69 Wirtshäusern. In dieser Branche ist hier im
Dorf ein beträchtlicher Rückgang zu verzeichnen. In Kelmis gibt
es momentan noch 25 dieser Betriebe. Also 44 weniger als anno M
dazumal.
79
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Carneval 1908!
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Am Resenmontag, den 2. März
Carnevals-Club ‚Lustige Brüder”
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Karnevalsplakat der Gesellschaft ”Lustige Brüder” 1908
Als mir nun die alte Dame so vieles erzählt hatte, meinte sie
letztlich, daß es nicht weniger interessant sei, auch zu wissen, was
für komische Bezeichnungen man verschiedenen Wirtschaften
zugelegt hatte. Nachstehend möchte ich dieselben wiedergeben,
die ihr in Erinnerung geblieben waren. Sie nannte u.a. ”’Ijene
Schwöngel”, ”Bij Tant Schänn”, ”Ijene Nekke Nekk”, ”’Ijene
80
Kenkepess”, ”Ijene Putes’”, ”’Bij der Kritesche”, ”’Bij Stukke”,
”Bij der Deutsch”, ”Ije Panneschopp”, ”Ije Stöbes”, ”Bij
Marjänn”’, ”Bij Schauwau’’, ”Bij Zeejes’”, ”Bij Vottze Jupp”,
und ”’Ijene schwatte Büll’”’. Alle diese plattdeutschen Lokalbenen-
nungen sind längst aus dem Volksmund verschwunden und
werden nur dann erörtert, wenn gelegentlich von früher erzählt
wird.
Wie sie nun mit dem Erzählen zu Ende war, hätte ich noch
gern gewußt, ob es außer den Sälen, Schützenlokal, Bergerhof,
Grosch und Meessen noch andere gegeben habe. Oh ja, meinte
sie, z.B. bei Tant Schänn (Zahnarzt Snoeck) und bei Schöenauen 7
auf der Hasardstraße. In der Patronage, betonte sie, habe man
nicht tanzen dürfen, das habe der Herr Pastor nicht gewollt.
”Ich”’, so meinte sie, ”bin immer zum Tanzen bei Franssen auf
preußischer Seite (Neu-Moresnet/Astoria) gegangen. "Später, in
unserer Zeit, sind noch die Säle Reinartz, Schöffers (Putes)
Everts (Panneschop) und der zweite Saal im Hotel Bergerhof
hinzugekommen.
81
Eine interessante Persönlichkeit aus der Ketteniser
Vergangenheit :
Pfarrer Johannes HUSCHETT
von Klaus Brandt
Der im Jahre 1742 in Holler/Luxemburg, geborene Pfarrer
Johannes Huschett war zweifelsohne eine der interessantesten
Persönlichkeiten unter den alten Ketteniser Pastören. Er war
offenbar ein geistig hochstehender Herr, besaß eine lebhafte,
selbstbewußte Autorität und einen ausgeprägten Sinn für Ord-
nung, wovon seine saubere, gut lesbare Handschrift zeugt.
Er wagte die schwierige Aufgabe, die von Kaiserin Maria
Theresia im Jahre 1779 vorgeschriebenen erweiterten Taufproto-
kolle in neuhochdeutscher Sprache anzufertigen.
Als Pastor Huschett im Jahre 1778 die Pfarrstelle in Kettenis
antrat, mußte er bald feststellen, daß die dem Pfarrer zustehen-
den Rechte seitens der Gemeinde sowie seitens zahlreicher
Einwohner mißachtet wurden. Aber in entschiedener Weise holte
er die Rechte, die unter seinem Vorgänger verlorengegangen
waren, zurück. Und da er sich zu dem als Luxemburger den
Limburgern etwas überlegen fühlte, nahm sein erstes Amtsjahr
einen sehr bewegten Verlauf. Er hat über seine Zusammenstöße
mit der Gemeinde im Pfarrarchiv einen Bericht hinterlassen,
welcher erbaulich die damaligen Zustände schildert.
So finden wir eine eigenhändige Eintragung in lateinischer
Sprache, die er im Jahre 1778 merkwürdigerweise ins Heiratsre-
gister vorgenommen hat. Der neue Herr hatte irgend etwas
angeördnet, was der Gemeinde nicht paßte. ”’Am zweiten Juni
erschienen vor dem Pastorat Schoenbrodt, Jennes, Pleps
(Philipps), und Knops. Diese vier Gegenspieler erzeugte das
Herzogtum Limburg, den Huschett aber Holler im luxemburgi-
schen Lande. Der eine Huschett (der ein anderer Kerl ist als diese
Limburger) war stärker als alle vier. Mögen die Ketteniser
schimpfen! Dem Sieger Huschett Heil!’ - Wie mag er die bisher
so selbstbewußten Bauern abgekanzelt haben!
Die beiden Bürgermeister hatten die Armenpflege, den
Schlüssel der Armenkasse und sogar der Kirche an sich genom-
82
men. Huschett verlangte sie einfach und erhielt sie, wenn auch
mit starkem Widerstand, zurück. Als die Bürgermeister auf die
Tür, die zur Orgel und zu den Glocken führt, ein Schloß legen
ließen, den Schlüssel aber behielten, drohte Huschett mit Auf-
brechen und bekam so den Schlüssel.
An der Bahre Verstorbener mußten bei Exequien und
Begräbnissen Wachskerzen aufgestellt werden, von denen nach-
her die Hälfte dem Pastor zufiel. Um zu sparen, hatte der
Bürgermeister Jakob Koch zwei hölzerne Kerzen machen lassen,
die man nun benutzte. Huschett entfernte diese und warf sie in
einen Winkel des Pfarrhauses, wo sie den Kettenisern unerreich-
bar waren : das alte Recht war wieder eingeführt. )
Seit 1770 war vorgeschrieben, daß bei Leichenbegräbnissen
die Totenbahre und der Altar nur dann mit weißen Tüchern
verkleidet wurden, wenn es sich um Kinder handelte, die vor
Gebrauch der Vernunft gestorben waren; die Ketteniser aber
hatten auch für unverheiratete Erwachsene die weiße Farbe
eingeführt. Auch hier verlangte und erreichte Huschett Unterwer-
fung.
In Kettenis befand sich außer Huschett und seinem Kaplan
noch ein dritter Geistlicher mit Namen Hamel auf’m Öertgen, der
bei der Bevölkerung anscheinend beliebter war als Huschett; an
Sonn- und Festtagen hatte die Gemeinde durch Anschlagen der
kleinen Glocke zu dessen Gottesdiensten eingeladen, sodaß viele
Pfarreingesessenen nicht zum eigentlichen Pfarrgottesdienste ka-
men. Huschett verfügte sehr bald eine neue strenge Läuteord-
nung, die unter anderem das Läuten zu den Messen des Herrn
Hamel untersagte. Und stolz fügt er seinem Bericht hinzu : ”’Ich
habe niemand darum gefragt! Niemand hat widersprochen!”
Vor 1778 waren von gebefreudigen Kettenisern an den Stufen
des Altars zwei große kunstvolle Kerzenhalter aus Holz aufgestellt
worden, die den an sich schon schmalen Raum noch mehr
beengten. Um die Rechte des Pastors offenkundig zu machen, der
allein in der Kirche zu befehlen habe, ließ er sie beseitigen. ”’Ich
habe niemand gefragt! Und niemand hat widersprochen!”
Im Chor der Kirche war überhaupt mehreres nicht nach dem
Geschmack des neuen Herrn. Schon im Jahre 1764 hatte es
zwischen dem damaligen Pfarrer Johannes Radermacher und dem
83
Inhaber von Liberme einen Streit gegeben. Letzterer hatte auf der
Evangelienseite des Chores parallel zur Kirchenachse Bänke
aufgestellt, wahrscheinlich willkürlich. Den Pastor störten die
Blicke der Frauen und ihrer Töchter in der Nähe des Altares.
Auch die Pfarrangehörigen waren über eine solche Zurschaustel-
lung verärgert. Darum holten einige Leute aus dem Dorfe, deren
Namen nie bekannt geworden sind, heimlich die Bänke heraus,
zertrümmerten sie und warfen sie auf die Stelle, die Calvaria
hieß, wo sich wahrscheinlich ein großes Kreuz befand. Der Herr
von Liberme geriet in große Wut. Da er die Täter nicht kannte,
den Pastor Radermacher aber als Mitwisser ansah, griff er diesen
mit einer gerichtlichen Klage an. Radermacher, der etwas unbe-
holfen war und von den Dingen der Welt und Rechtsangelegen-
heiten nichts verstand, wurde zu einer Buße von 28 Reichstalern
verurteilt. Ferner erneuerte der Burgherr von Liberm6e trotz der
Empörung der Gemeinde die Bänke am alten Platze. Aber im
Jahre 1778 kam Pastor Huschett nach Kettenis. Sofort setzte er
sich mit dem Pfarrer von Walhorn in Verbindung und beide
strengten gegen den eigenmächtigen Herrn einen Prozeß auf
Entfernung der Bänke an. Und siehe da! Der Burgherr gab nach
und ließ 14 Tage vor Weihnachten die Bänke auf seine Kosten
entfernen.
Nun hatte auch der Herr von Weims, der zu der Zeit
höchster Beamter des Bezirks war, vor fünf Jahren sich beim
Predigtstuhl eine besondere Bank anbringen lassen. Klug nutzte
Huschett das Zurückweichen des Herrn von Liberme, um auch
diese Bank zu verschieben ”’um aller Welt offenbar zu machen,
keiner habe ein Recht, solche Sitze zu benutzen”, ohne Zustim-
mung des Pastors. Aus dem Chore entfernte er weiter die an den
Wänden aufgehängten Totenschilde der Familie von Halley,
frühere Inhaber von Liberm6.
Man darf vermuten, daß Pastor Huschett nach diesen
Erfolgen bereits Ende des Jahres 1778 wenigstens einen großen
Teil der Gemeinde auf seiner Seite sah. Als der Herr von Weims,
Drossard Rasquin, starb, wies der Bürgermeister für diesen,
unter Umgehung des Pastors, eine bevorzugte Grabstelle an. Als
Huschett davon hörte, befahl er, das aufgeworfene Grab wieder
zu schließen und ein anderes anzulegen, wo es ihm gut schien.
Und die Familie des Toten fügte sich.
85
Am Neujahrstage 1779 ernannte Huschett in aller Öffentlich-
keit vom Predigtstuhl herab der Armenmomber (Verwalter), ”’um
das Recht des Pastors öffentlich zu zeigen und für die Zukunft zu
wahren”. Der Neuernannte hielt zum Pastor und zahlte nicht
ohne dessen Zustimmung.
Auch auf dem Gebiet der Kirchenmusik hatte Huschett seine
Forderungen zu stellen. Da es im 18. Jh. noch keine Cäcilienge-
sangvereine gab, sang der Küster allein den Choral, gelegentlich
mit dem Schullehrer zusammen. Den Gesang begleitete auf der
Orgel ein Organist, der eben etwas Klavier und Orgel spielen
konnte und vermutlich häufiger zum Tanze aufspielte, als Kir-
chenmusik zu betreiben. Diesen Mann, einen Eupener, leider
nennt Huschett nicht seinen Namen, fand er 1778 vor und schon
kurze Zeit später hatte er zu bemängeln, daß von der Orgel her
Tänze und weltliche Melodien ertönten, die für den Gottesdienst
völlig unpaßend waren. Er läßt den Organisten durch den Küster
auffordern, zurückhaltender zu sein, gelassener und mehr in
kirchlichem, choralischem Geiste zu spielen.
Da diese Mahnung nur kurze Zeit Erfolg hatten, stellte der
Pfarrer selbst den Organisten unter dem Glockenturm, wo er ihn
erwartet hatte, zur Rede. Auch diese Aussprache hatte keine
dauernde Wirkung. Nach abermaliger Ermahnung ließ der
leichtsinnige Musikus die Gemeinde einfach im Stich, und an den
Ostertagen des Jahres 1783 erklang zum Gottesdienst keine
Orgel. Als der Organist acht Tage später erschien, um die Orgel
zu spielen, wollte Huschett ihm dies erst nach Annahme seiner
Forderungen gestatten. Der sonderbare Kirchenangestellte ging
nicht darauf ein, als er dann aber doch wiederkam und seinen
Dienst aufnehmen wollte, war es Huschett der Zuchtlosigkeit,
Unordnung und Unsicherheit zu viel und er ließ ihn auch trotz
Bitten der Bürgermeister nicht mehr zu.
Nunmehr schien eine grundsätzliche Neuordnung anläßlich
einer Gemeindeversammlung zu erfolgen. Huschett erklärte sich
bereit, unter bestimmten Bedingungen einen Organisten anzustel-
len. Dieser sollte die Orgel spielen, fein und entsprechend dem
gregorianischen Choral und den kirchlichen Vorschriften. Er
sollte alle weltlichen Töne, alle Konzertlieder, alle Straßenlied-
chen, überhaupt alles, was auch nur einen Schein von einem Tanz
86
an sich hatte, vermeiden. Die kirchliche Musik sollte nur solche
Melodien bringen, die für das Haus Gottes paßten. Dann folgte
eine Aufzählung all der kirchlichen Ereignisse, wo die Orgel zu
spielen hatte.
Huschett verlangte endlich, daß der Organist pünktlich zur
Stelle sei, sonst durfte er ihn ohne weiteres entlassen und einen
anderen verpflichten. Für seine Dienste sollte er aus einer
Stiftung 25 Pattakons (1 P = 1 Reichstaler) oder 72 Aachener
Mark bekommen.
Bürgermeister Gielen besorgte nun auf diese Bedingungen
hin einen neuen Organisten, Dieudonne Rahier aus Eupen, ohne .
das Gutachten des anderen Bürgermeisters, Croppenberg, zu
hören.
Da aus der späteren Zeit keine Klagen mehr bekannt sind,
herrschte nach 1783 wohl auch auf dem Gebiet der Kirchenmusik
in Kettenis die Ordnung, die Huschett für das Gotteshaus
forderte.
Aus späterer Zeit ist von Streitfällen zwischen dem Pastor
und der Gemeinde nichts mehr bekannt. Durch sein entschiede-
nes Auftreten hatte er in kurzer Zeit die verlorenen Rechte
wiedergewonnen. Es herrschte im gemeinlichen Leben wieder
Ordnung und Ruhe. Huschett war erst 48 Jahre alt, als er an
einem grauen Februartage (21.) des Jahres 1790 starb.
87
Schloß Teuven
von Dr. G. De Ridder
Im Tal der Gülpe, am Rande des Teuvener Waldes, nördlich
des Dorfes Teuven, unweit der Straße nach Slenaeken, findet
man an einer Anhöhe ein Schlößchen aus grauen Natursteinen,
das unter dem Namen Schloß Teuven oder Schloß De Draeck
bekannt ist. Ein L-förmiger, älterer Bauabschnitt aus dem 16. Jh.
und ein rechteckiger Längsbau späteren Datums -wahrscheinlich
18. Jh./konvegieren- westlich in einen rechteckigen Turm. Dieser
einstöckige, nunmehr U-förmige Komplex, der einen Innenhof
formiert, ist durch seine Lage am Hang und durch den Höhen-
unterschied von Süden her über eine Brücke zugänglich, die über
einen Graben führt. An dieser Stelle befand sich ehemals eine
Zugbrücke. Verstärkungspfosten links und rechts der Brücke sind
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1
Grundriß des Schlosses Teuven
1-4 Wohnbereich
1 Turm
2 Westbau - Bauabschnitt 18 Jh.
3 L-förmiger älterer Teil des Schlosses aus dem 16. Jh.
4 Innenhof im Wohnteil
5 Brücke
6 Innenhof der Wirtschaftsgebäude
7 Wirtschaftsgebäude
Überbleibsel dieser Zugbrücke. Vom Innenhof kann man durch
eine bogenförmige Tür den Westbau und durch zwei rechteckige
hohe Türen mit Oberlicht den älteren nordöstlichen Teil des
Schlosses betreten. Der letztere Teil des Schlosses zeichnet sich
durch seinen maasländischen Renaissancestil aus, wobei 120 cm
hohe und 70 cm breite Fenster in Blausteinrahmung, zweimal
übereinanderstehend, einen wuchtigen Eindruck hinterlassen. 5
88
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Blausteingerahmtes Doppelfenster des L-förmigen, ältesten Bauabschnitts aus dem
16. Jahrhundert
Gewölbekeller liegen hier nach Norden. Der Bau des Schlosses
neueren Datums ist an seiner Westseite durch eine Fensterreihe
gekenntzeichnet, deren 5 Fenster um ein Vierfaches größer sind.
Die Fenster der ersten Etage sind etwas kleiner. Über eine breite
Treppe mit anschließendem Balkon bietet eine Terrassentür
Zugang zu diesem Haus. Der rechteckige Turm mit einer Etage,
der heute durch eine Art Glockendach abgeschlossen ist, soll
ehemals eine andere Form gehabt haben. Niemand vermag jedoch
hierüber eine Auskunft zu erteilen. An der Außenseite des
Turmes ist eine Grabplatte mit dem Wappen des Barons De
Draeck und der Jahreszahl 1666 angebracht. Die Platte soll nach
dem Brand der Teuvener Kirche dorthin gelangt sein. Während
90
Palant, die Gattin von Adrien von Uytenhoven, erbte die Herr-
. schaft Teuven. Erben verkauften die Herrschaft am 4.7.1612 an
Walram Draeck, dessen Familie über 180 Jahre diesen Besitz
innehatte. Gerard de Draeck, Walrams Enkel, sah sich Schwie-
rigkeiten gegenüber, als er den Damen des Augustiner-Stiftes
zu Sinnich die Lehensrechte über Sinnich absprach. König
Philipp IV. von Spanien mußte ihn durch einen Erlaß am
5.10.1649 eines Besseren belehren. Ebenso der Rat von Brabant
i.J. 1656 . Gerard de Draecks Enkel und in der Folge seine
Enkelin, die Baronin von Negri, übernahm 1719 den Besitz.
Durch Heirat folgten in der Besitzerfolge der Baron van Blanc-
kart, weiter 1851 Walter Moulan, ein Advokat aus Lüttich. 1876 ”
ging durch Erbschaft der Besitz an die Lütticher Familien
Kersten und durch Heirat an die Familien Quoidbach und
Coenegracht. Durch einen öffentlichen Verkauf erwarben am
2.4.1901 die Herrschaft Teuven Emil Sano und seine Gattin
Emma Demeyer aus Brüssel. Als deren Tochter 1964 starb, fiel
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ap 22 aa Man
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Empfang der Exkursionsteilnehmer auf Schloß De Draeck
91
das Schloß mit seinen Wirtschaftsgebäuden und 32 ha Land am
27.2.1947 an Herrn Hubert Duesberg-de Grenade aus Verviers.
Ihm ist die heutige gelungene Restauration des Schlosses nach
dem 2. Weltkrieg zu verdanken, die Architekt Albert Duesberg
leitete. Die Tochter Hubert Duesbergs, verehelicht mit Herrn
Mathyssen, führt mit ihrem Mann das Schloß im Sinne ihres
Vaters weiter. Am 23.9.1977, als unsere Vereinigung anläßlich
des Nationalen Archäologen-Kongresses eine Exkursion durch die
Bank Montzen unter Leitung von Herrn Jean De Ridder organi-
sierte, bewunderten über 100 Teilnehmer die Räumlichkeiten des
Westteiles des Schlosses Teuven. Der Familie - Mathyssen-
Duesberg sei für diese Geste nochmals herzlich gedankt.
(Benutzte Literatur für den genealogischen Teil: G. Poswick : ”Les delices du
duche€ de Limbourg”.)
92
De Overmännschere vane
Blyberg
Wie ech hann jehuet vertelle,
Hausde vröjer wie e Kölle
Op ne Blyberg och noch völ
Overmännschre ajjen Jöl,
Zwerge met ’ne lange Bat
Wore dat, die ejjen Naht
Heusch, wenn alle Lüj vas schlope.
Öv’rne janze Blyberg lope.
Helpe Jonge se da do, .
Wu ne Minsch va vrösch bes spo
Werkde en hauw doch der Pech
Date nex tesame kräch.
Pech? Nee, schöldeg te erkläre
Wore janz bestemmt de Häre
Met henn Schlösser huech en breet
Van der Werkman singe Schweet.
Denn wenn och de Lüj vör Johre
Werketeg en fliesseg wore,
Lävde se doch döks e Nuet
En verdende kom vör Bruet -
Be ensön Lüj, wie jesat.
Jonge Zwerge ejjen Nahı
Kauchec, backe. niene, strecke,
Schrubbe, waische, spöle, flecke.
Strieke en de Hose stope,
Säge, hubele en klope.
Schöpe, hacke, ville, schure.
Värve, tapezere. mure, ;
Alles wie et sech jehuet.
Bes der Dag koem ejjen Luet.,
Da äl lope se wer flott
Sech verstäcke en hönn Grott,
Denn se lote, schöj wie Rihe,
Van de Lüj sech niemals sie.
Wä va Werklüj ov va Bure
Hön en Kier äl ut wol lure,
Hat — sö es de Sag — deswäje
Strov van hön en Pis’le kräje
Denn en auw Nöjschierjenas
Troff der janze Zwergehas. —
Now, stong en dä auwe Tiet —
Wie de Chronik meld — net wiet
Van die Zwergskere hönn Höl
Och en‘ Möhle ajjen Jöl.
Kurt, der Möller hauw och Led.
Denn e stöng et sech net bret.
93
Moss sech strecke no de Decke,
Vör sing Kenger jruet te trecke
Sörg hauw och de Mölleschvrow.
Sörg en Werk en weneg Row.
Ens och eine Wengterdag
Volt se sech ens krank en schwach.
Mä se stong noch mit hör Fing,
Spo an’t waische ajjen Ting,
Bes se schliesslech net mie koss
En sech doch doläje moss.
»Now«, sö daht et Fing tereck
En verstock sech ene Eck
Atren Dör, bang vör te ohme,
»Wäede wall de Zwerge kome
En de Waisch hej wier due,
Die de Mam mot lote stue!«
Wie et Fing. dat vätie Johr
En ne klenge Vörwitz wor,
Sech et justement jedaht,
Sö jeschoch et och die Naht,
Kom dat ene Eck hät stong,
Huet et jätt en plötzlech jong
Met ne Retsch de Dör now op
En ne Zwerg stok singe Kop
Heusch erän en rop die ander
Vov ov ses kleng Overmannder.
Stomm jov häe ne klenge Wenk.
En now ströpde se sech flenk
Allemol de Mowe op,
Hollde Water en ne Top,
Wosche kräfteg bes se kümde
En de Waischting överschümde
Wie de Waisch du wor jedue
En de Zwerge wole jue,
Ohne Dank en Luhn dervör,
Ruet et Fing sech atren Dör
Fiott woed dat erutgehollt,
Kräch se jot verkamesollt,
Woet aregel vasjebonge
Met twei Selder, die do honge,
En du ho-ruck övren Jöl
Metjeschleppt bes ejjen Höl,
Wu vör Bedder, Döesch en Siov
Hät now sörge moss vör Strov. —
Wie et Dags derno et mörjens
En et meddags och noch nörjens
Jätt wor van et Fing te sie,
Du bejonn me Angst te krie,
No de Meddag vond der Pap
Ajjen Dör en Zwergekapp:
94
En du woss me also klor,
Dat et Fing jevange wor
Van de Zwergskere, die onde
Ejjen Overloker wonde.
Vör sie Keng jue te bevrejc,
Hauw der Möller jauw verscheje
Nobeschluj Besched jesat,
Die sech troffe vör de Naht.
Jedderenge kräch en Hack
Ov en Axt sech op en Nack,
Watte eben jrad koss krie,
En now jong et dörch’ne Schnie
Met e Stöck ov ver, vov Man
Op en Overloker an.
Do woet tüchteg ncw jehackt )
En ne Aejang vrij jemakt
Wie se no en Höl ädronge,
Log et Fing do vasjebonge,
Aever jenge enge Zwerg
Wor te sie mie enne Berg.
Wie et hescht, no Seppenaecke
Kosste sej noch vut sech make,
Denn se hauwe Jottsedank
Ondren Aet ne iange Jang.
Domet wor et Fing now vrej.
Mä de Overmännschre hej
Ut os Land sönd och verdräve
Dörch et Fing vör allmeläve.
Dat es schad. dat kann me sage,
Denn et es doch te beklage,
Dat ’me hüj wer jäer ov nue
Mot sie Werk janz selver due.
Gerard TATAS
95
”Mi Läve net mie met e Päed
no Krefeld’!
von Leo Hombourg
Meine Zuchtstute hatte ein schönes Fohlen geworfen. Natür-
lich mußte ich das Jungtier nach einem Jahr abliefern, nicht
umsonst, oh nein, Geld war während der Kriegsjahre genug im
Umlauf, doch meistens fehlte die Ware. Wir waren September
1943, als der Bescheid kam, ich müßte das Fohlen nach Krefeld
in die Versteigerungshalle bringen. Das hieß, daß ich das Tier in
Aachen - West in einen Waggon verladen und nach Krefeld
begleiten mußte. Gleichzeitig hatte auch der Hauseter Landwirt
Viktor Lennert die Aufforderung zur Ablieferung seines Fohlens
bekommen; doch sah sich der Man den Strapazen einer solchen
Fahrt nicht gewachsen und darum bat er mich, ich solle mich
doch auch um sein Tier kümmern. Einen Treiber stellte er zu
Verfügung. Es war Franz Janssen, der Sohn eines Nachbarn.
Um die weitere Geschichte zu verstehen, muß ich hier etwas
weiter ausholen. In den sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts
lagen in unserer Gegend viele Bauernhöfe brach. So sieht man
z.B. aus dem Korrespondezblatt des Kreises Eupen vom Jahre
1867/68, daß in jenen Jahren allein in Hergenrath der ”’Hergen-
rather Hof”’ (120 Morgen), die Jonasheide, der Hoppenkohlhof,
die Vergaedering und der Hof Vauer leerstanden. Die Bauern
waren durch die Importpolitik der Regierung zum Aufgeben der
Betriebe gezwungen worden. Um diesem Übelstand abzuhelfen,
erließ Bismarck eine Verfügung, der zufolge diese brachliegen-
den Güter von Belgiern und Holländern bezogen werden konnten.
Die neuen Pächter durften ihr Vieh und ihre sonstige Habe
zollfrei mitbringen. So kommt es, daß heute noch viele Nach-
kommen der damaligen Altbelgier.oder Holländer in unserem
Raume leben. Während für die Ersteren das Problem der
Staatsangehörigkeit durch den Versailler Vertrag gelöst wurde,
blieben die Letzteren holländische Staatsbürger. Während der
Kriegsjahre 1940-45 wurden beide Gruppen, sowohl die Nach-
kommen der Altbelgier wie die der Holländer vom Wehrmachts-
dienst ausgenommen.
Um nun zum Nachbarssohn zurückzukommen : er war ein
Nachkomme eines im vorigen Jahrhundert in Hauset ansässig
gewordenen holländischen Landwirten und er besaß die holländi-
96
sche Staatsangehörigkeit. Der Transport verlief reibungslos. In
Krefeld kamen die Tiere in die große Versteigerungshalle. Mein
Fohlen, das von einer im Rheinischen Pferdestammbuch einge-
tragenen Zuchtstute abstammte, erzielte den stolzen Preis von
1400 Mark, während der Normalpreis für ein Gebrauchspferd
etwa die Hälfte davon gewesen wäre.
Obschon bis dahin alles reibungslos verlaufen war, konnten
wir die Rückreise erst am nächsten Tage antreten. Und dann kam
in Aachen die böse Überraschung : Fliegeralarm! Hinein in den
Luftschutzbunker! Als wir ihn wieder verließen, war es 10 oder
halb elf Uhr abends. Dunkelheit überall. Straßenbeleuchtung ‚,
gab’s keine. Was nun?” fragte der Junge. ”’Züu Fuß nach
Köpfchen’’ antwortete ich. So marschierten wir also drauf los.
Wir sahen ziemlich abenteuerlich aus, waren weder gewaschen
noch rasiert. Wie wir so auf Köpfchen zugingen, hörten wir
plötzlich ein Auto, das von Aachen herauf kam. ”’Der nimmt uns
vielleicht mit’”’, meinte mein Begleiter. Wir gingen langsam
weiter. Mit quietschenden Bremsen hielt der Wagen neben uns.
Zwei Männer sprangen mit vorgehaltener Waffe heraus.
”Heeresüberwachungsstreife. Ihr Ausweise bitte. Ihren Wehr-
paß!” Den Wehrpaß hatte ich nicht in der Tasche. Bei der
Musterung in Eupen hatte man mir gesagt, den solle ich erst
wieder mit dem Gestellungsbefehl bei der Einberufung vorlegen.
Ich war damals schon gemustert und KV (= Kriegsverwendungs-
fähig) erklärt worden, doch hatte man mich vorläufig UK (=
unabkömmlich) geschrieben. Daß ich meinen Wehrpaß nicht
hatte, brachte die beiden Männer auf. Doch als sie den Paß
meines Begleiters sahen, platzte ihnen der Kragen. ”’Was sucht
ein Holländer nachts auf deutschen Straßen?’, schrien sie den
Jungen an. Und schon wurden wir ins Auto geschoben und
zurück ging die Fahrt nach Aachen. Wohin genau, das habe ich
bis heute nicht ausfindig machen können. Waren wir auf dem
Polizeipräsidium? Ich weiß es nicht. Wiederum die Frage : ”Wo
haben Sie ihren Wehrpaß?”” Ich versuchte, so ruhig wie möglich
zu bleiben, wußte ich doch, daß man bei zu forschem Auftreten
leicht Schläge veziehen konnte. So sagte ich, was ich schon den
Herren im Aachner Wald gesagt hatte. Den Wehrpaß, hätten die
Eupener Musterungsstellen mir gesagt, sollte ich erst bei der
Einberufung wieder mitbringen.””Typisch Eupen!”, sagte einer
9%
KRETA ZED .
if Tinfenffift ausfüllen! £
3) Für den Verkäufer 8, Auflage
Dfepdo-Schluffehoi w
Pferde-Schiußfdhein M 27088
Verkäufer (Name, Beruf, Wohnork, Kreis): Leo Homburg; Hauserkt. A
Post: Herbsenrath Kreis ED
Verkaufstag: —...T.n.9...1 943... Verkaufsort: „KLELE Lens
Dermiiiier (Name, Del, Won, KO dene ee ee Beer een
-——Rheinisehe-Pferde-Zentrake; Bonn: WA
Käufer (Name, Beruf, Wohnort, Kreis): ..... Richard-Dietri eh de
Pomehrendorf-,- Kr. Elbing/Westp u ling .
Befchreidbung des Pferdes; Warmbiut, Kalfbluf, Mijgbluk (Nigtzutreffendes durdfireihen:)
Ge ES be BrzeSchueen
SE ae En E17 I A EN
Bringen ON BASS RK SA SE EM
Liegt ein gefeßliher FEDIET DOTT anne he He n
Sind darüber hinaxs noch befondere Zufiderungen gemacht? Wenn ja, welche?
Wo erfolgte der Verkauf? (Markt, Berffeigerung, Stulkbsatzveranstlg.
Alte Schlußfohein-Nr. des gekauften Pferdes: mann Son
Dekatipe ÄLEN = RM. 3
wein bee vahie vb az gA bin ame
De Span AMD kn OS
Rheinische Pferde-Zentrale.
a8 ÜUnterforiften il Für die Richtigkeit
98
der Vernehmenden. Wo wir herkämen, wollte man wissen. Ich
erklärte, daß wir in Krefeld zwei Fohlen abgeliefert hätten. ”In
Krefeld? Wie sah die dortige Versteigerungshalle aus?” ”Das
Dach war weg”, sagte ich. ”Ist Ihnen sonst in der Nähe der
Versteigerungshalle etwas aufgefallen? - ”Ja, nun, aus dem
Polizeipräsidium schauten eine Menge Polizisten heraus. Das
Polizeipräsidium hatte auch nur noch ein halbes Dach.”
Das schien den Herren genug zu sein.
”Und Sie?” wandte man sich nun an meinen Begleiter. Wo
ist Ihr Arbeitspaß?”” Der junge Mann war sprachunfähig. So
versuchte ich nun, den Herren klarzumachen, daß die Nach-
kommen jener unter Bismarck ins Land geholten Belgier und
Holländer im ersten Weltkrieg ungeschoren gelassen wurden und
daß sie auch bisher nicht behelligt worden seien. Den Herren in
Aachen war dies neu. Sie trauten mir nicht.
”Wie heiß Ihr Ortsgruppenleiter?’”” schnauzte mich einer an.
Ich marterte mein Hirn, kam aber nicht auf den Namen, da der
Ortsgruppenleiter mehrere Male gewechselt hatte. ”Leider muß
ich passen”, sagte ich. Unser Amtsbürgermeister heißt Zielinsky
(Kettenis), der Ortsbauernführer ist Herr Timmermann und der
Kreisleiter ist mein spezieller Freund, Herr Herwangen”’, sagte
ich.
”Sie kennen den Herrn Kreisleiter? sagte einer der Herren,
”Wieso?” ”Das herauszufinden überlasse ich Ihnen, meine
Herren!”
Daraufhin ging einer der Herren hinaus und der andere
sagte : ”’Sie können gehen. Sie sind frei.”
So hätten wir uns nun wieder auf den Weg nach Köpfchen
begeben können. Doch wo waren wir? So sagte ich zu dem
Vernehmungsbeamten : ”Entschuldigen Sie, aber wir wissen
nicht, wie wir jetzt aus Aachen herausfinden sollen. Können Sie
uns nicht bis Morgen früh hierbehalten? Schließlich sind wir 2
Tage und Nächte im Dienste des Reichsnährstandes unterwegs!”
Der Beamte lehnte das ab, doch kurz darauf hieß es : ”Ein Wagen
steht für Sie vor der Tür.’”” So wurden wir bis Köpfchen gebracht.
Unterwegs fragte ich den Fahrer, ob er denn glaube, daß wir, wenn
wir wirklich das gewesen wären, für das man uns hielt, nämlich
Deserteure, uns so frei auf die Straße hingestellt hätten. Wir
99
wären doch in den Graben oder in den Busch gesprungen und so
der Streife niemals aufgefallen! Mein junger Begleiter aber sagte
nur eines immer wieder : ”Mie Läve net mie met e Päed no
Krefeld!” ‘
Den Kreisleiter Herwangen kannte ich tatsächlich gut. Man
hatte mich nämlich mit dem Einsammeln der Gelder für das
Winterhilfswerk, das Rote Kreuz und den NSV beauftragt. Als ich
dies nicht annehmen wollte, fragte man mich : ”’Wollen Sie lieber
in Rußland an der Front stehen, als hier sammeln?” Die
Warnung war deutlich. So ging ich also allmonatlich mit einer
Liste von Haus zu Haus. Ich hatte 64 Haushalten nachzugehen
und die Beiträge fürs RK, NSV, und WHW einzusammeln. Kam
ich zum Kreisleiter, so fragte mich dieser ganz unverfänglich :
”Na, was sagen denn die Leute so zur Kriegslage?”” Ein unvor-
sichtiges Wort hätte die Leute in Schwierigkeiten bringen können.
”Wissen Sie, Herr Kreisleiter, war dann meine Antwort, ”’ich bin
8 bis 10 Stunden unterwegs, um diese Sammlung durchzuführen.
Ich habe Hof und Familie. Wenn ich nun begönne, bei den
Leuten lange Diskussionen zu führen, könnte ich meine Runde
nicht an einem Tage abschliessen.’” Der Kreisleiter mußte sich
mit dieser ihn ganz und gar nicht befriedigenden Antwort
zufrieden geben.
Doch soviel nur als Erklärung des Umstandes, daß ich den
Kreisleiter persönlich kannte. Franz Janssen, mein junger Beglei-
ter von damals, heute in Rabotrath ansässig, seh ich noch von
Zeit zu Zeit und wenn er nicht als erster anfängt, dann sage ich :
”Mi Läve net mie met e Päed no Krefeld!”
100
Auf dem Büchermarkt
von Alfred Bertha
Eine Neuauflage des 1967 erschienenen Standardwerkes über das
”Raerener Steinzeug” von. H. Hellebrandt und Dr. O. E. Mayer tat
angesichts der starken Nachfrage und der auf dem Antiquariatsmarkt
gezahlten Phantasiepreise not. Der Aachener Geschichtsverein, der das
Werk vor zehn Jahren seinen Mitgliedern als Jahresgabe überreichte,
konnte sich jedoch nicht ’’zu einem einfachen Nachdruck verstehen, es
galt vielmehr, die seit 1967 neu gewonnenen Erkenntnisse gebührend zu
berücksichtigen”. (Dr. Lepper). So wurde die Abhandlung von Hein-
rich Hellebrandt um einen Anhang aus dem Nachlaß des ‚Verstorbenen *
erweitert. Dr. Otto Eugen Mayer, Konservator des Raerener Töpfer-
museums, überarbeitete seinen Beitrag über die Grabungen im Raerener
Land und Leo Hugot, Stadtkonservator von Aachen, behandelt in
einem abschließenden Artikel das Aachener Steinzeug und besonders
die in der Franzstraße gemachten Funde. So ist der vorliegende Ausgabe
”Steinzeug aus dem Raerener und Aachener Raum” wirklich mehr
als ein Nachdruck der Erstauflage, was auch aus dem abgeänderten Titel
hervorgeht.
Heinrich Hellebrandt geht sehr ausführlich auf alle Aspekte der.
Raerener Töpferindustrie ein. Tongewinnung, Herstellung, Entwick-
lung der Töpferindustrie von ihren Anfängen im 15. bis zum Nieder-
gang im 18. Jh. werden eingehend beschrieben. Hellebrandt widmet
aber vor allem seine Aufmerksamkeit den Kunst-, nicht so sehr den
Gebrauchsgegenständen der Raerener Töpferei. Sehr reichhaltiges
Bildmaterial zeigt uns die Prunkkrüge der Emens, Baldems Mennicken
etc., die in der Blütezeit der Potbäcker wahre Künstlerdynastien bildeten
und deren Erzeugnisse heute in vielen Museen der Welt bewundert
werden.
In ”25 Jahre Grabungen im Raerener Land” gibt Dr. Mayer einen
Überblick über den Aufbau des Raerener Museums, den Handel mit
Raerener Tonwaren, die chronologische Entwicklung ( in die Eynatten
mit einbezogen wird) und die verschiedenen Typen von Gebrauchsge-
fäßen, die das Museum zur Schau stellt. Grabungen der letzten zehn
Jahre förderten u.a. einige bisher nicht bekannte Typen zutage, so ein
Aquamanile bislang unbekannter Form, Vorratsgefäße und eine Vari-
ante eines ”’Bauerntanzes’’. Eine schwarze Scherbe aus dem 12. Jh. stellt
die Frage einer Rückdatierung der Raerener Töpferei bis in jene frühe
Zeit. Bisher war nur Eynatten als Töpferort im 12. Jh. belegt.
101
Schon Christian Quix hatte den ”’Kruchenofen’”” und die ”’Franz-
straße’ als Töpferzentren Aachens genannt. 1898 wurde auf dem
Krugenofen ein Ofen mit Inhalt freigelegt.
In der Franzstraße machte man 1909, 1928 und 1963 Funde, die
auf die Existenz von Töpferöfen in jenem Bereich hinwiesen. Auch alte
Flurbezeichnungen wie Krechelberg (Krechelkohle = Holzkohle), Düp-
pengraben, Scherbgasse und Scharportsgrave (= Scherbtorgraben)
wiesen auf Töpfereien in Aachen hin. Dennoch genügte dies nicht, von
einer Töpferindustrie und von ”’Aachener Ware” zu sprechen.
In den Jahren 1969-70 wurden nun bei Ausschachtungsarbeiten
beiderseits der oberen Franzstraße mehrere Töpferöfen freigelegt und
dadurch die Existenz einer grösseren Töpferindustrie belegt. Wenn
auch vieles durch den Bagger zerstört wurde und große Mengen von
Steinzeug mit dem Abraum auf die Schutthalden gefahren wurden oder
als Anfüllmaterial Verwendung fanden, so gelang es doch in mühsamer
Kleinarbeit, eine stattliche Anzahl Krüge und andere Töpfereierzeug-
nisse zusammenzutragen.
Die von Leo Hugot vorgestellten Fundexemplare zeigen, daß
Aachener Steinzeug vom Typus her nicht von Raerener Ware unter-
schieden werden kann. Muß man Aachen gar als Wiege der Raerener
Töpferindustrie ansehen?
Die Datierung der Aachener Funde war aufgrund einer Bodenfliese
mit dem Wappen des Abtes Heinrich von Binsfeld möglich, der von
1498 (1) bis 1531 Abt von Kornelimünster war und in dessen Amtszeit
die Klosterkirche umgebaut wurde. Da in einem Annexbau von
Kornelimünster Bodenplatten des gleichen Typus gefunden wurden,
Jäßt sich die Aachener Platte annähernd datieren und der gesamte
Fund der Franzstraße in die Zeit von 1500 bis 1530 einordnen.
(”Steinzeug aus dem Raerener und Aachener Raum”, Ausgabe 4 der
Aachener Beiträge für Baugeschichte und Heimatkunst, im Auftrag des
Aachener Geschichtsvereins herausgegeben von Dr. Herbert Lepper, 272
S., Großformat, Kunstdruckpapier mit vielen Abbildungen, erschien im
Verlag J.A. Mayer. Preis 45 DM.)
Bei einer Neuauflage wäre es angezeigt, die Hinweise im Text von
H. Hellebrandt auf Abbildungen im Beitrag von Dr. Mayer mit denselben
in Übereinstimmung zu bringen, was durch eine Erweiterung des
Bildmaterials von Dr. Mayer notwendig geworden ist.
(1) Hellebrandı (S. 158) schreibt 1491.
102
Im ”Text zu den Abbildungen Mayer” S. 269 wäre unter Nr. 19 der
Satz : "Wird heute noch in Hergenrath für die Ziegelindustrie abgebaut”
zu streichen, da dies nicht mehr zutrifft.
Dies jedoch nur als Randbemerkungen, durch die in keiner Weise
der positive Gesamteindruck geschmälert werden soll . . .
In das durch Hellebrandt, Mayer und Hugot behandelte Thema
fügt sich auch eine kleine Schrift ein, die unsere Vereinigung im
September 1977 als Ausgabe 2 ihrer Sonderreihe veröffentlicht hat. Unter
dem Titel
”Spätmittelalterliche Töpferöfen aus Hauset und Raeren” be-
schreiben Dr. Gisela De Ridder, Dr. Otto Eugen Mayer und Jean -
Papeleux den Aufbau zweier Töpferöfen, von denen der eine 1971 in
Hauset, der andere 1972 in Raeren-Neudorf gefunden wurde. Der
Raerener Ofen konnte im dortigen Museum im Modell (verkleinert)
nachgebaut werden. Die Wände der Öfen bestanden aus in Lehm
gebetteten Töpfen der verschiedensten Formen, die uns den Typen-
reichtum der Töpferindustrie zeigen. Das Hauseter und Raerener
Fundmaterial wird in der Schrift typologisch geordnet und in Foto und
Skizzen vorgestellt. (Zu beziehen über unser Sekretariat oder durch
Überweisung von 120 Fr auf das PSK Nr 000-0191053-60 der ”Vereini-
gung für Kultur, Heimatkunde und Geschichte im Göhltal””)
BA
Ebenfalls um Raeren geht es in einem Heimatbuch, das Peter
Emontspohl und Paul Mennicken im Auftrag des Kirchenvorstandes
anläßlich der 250-Jahrfeier der Raerener St. Nikolaus Pfarrkirche
verfaßt haben. ”Rund um den Kirchturm” ist ein Heimatbuch beson-
derer Prägung. Es bringt Erlebnisse, Anekdoten, Gedichte und Balla-
den in Hochdeutsch und in Raerener Mundart, wobei als Bezugspunkt
das Kirchenjahr mit seinen Festen und seinem Brauchtum genommen
wird. Absicht der beiden Autoren ist es, die Verbundenheit der
Raerener Bevölkerung mit ihrer Pfarre wiederzuspiegeln und zu festi-
gen.
Der Text wird aufgelockert durch zahlreiche schöne Federzeich-
nungen von Peter Emontspohl. Die Eupener Druckerei Braun sorgte für
einen geschmackvollen Druck und Einband. (”Rund um den Kirch-
turm”, 200 Seiten, Leinen, ist erhältlich in Raeren bei K. Raderma-
cher, Driesch, in Eupen bei H. Creutz, Klötzerbahn, oder durch
Überweisung von 400 Fr auf das PSK Nr. 000-0752865-46 der
Kirchenfabrik Raeren.)
; 3. Sa
103
Die starke Bebauung der Eupen und Kettenis verbindenden Straßen
hatte schon seit Jahren zu einer immer stärkeren Verwischung von
Stadt- und Landgrenze geführt. Dennoch waren die Ketteniser stolz auf
ihre Eigenständigkeit und bis zuletzt wehrten sie sich gegen die von
Minister Michel verfügte Angliederung ihres Ortes an die nahe Stadt
Eupen. Jahrhundertelang hatte sich Kettenis erst als ”Quartier”” der
Bank Walhorn, dann als ”Mairie’”” (Franzosenzeit), ”’’Bürgermeisterei””
(Preußische Zeit) und schließlich als ”’Gemeinde’” behaupten und zu
einem blühenden Gemeinwesen entwickeln können.
Als der Schlußpunkt unter diese selbständige Entwicklung gesetzt
wurde, war der Augenblick gekommen, auf den Werdegang des Dorfes
zurückzuschauen. Dies tut Bernhard Heeren in
”Kettenis - ein Heimatbuch”, Markus-Verlag, Eupen, 368 S.,
Leinen, 550 Fr, das kurz vor Weihnachten erschien und wohl manchen
Gabentisch bereichert hat.
Als letzter Gemeindesekretär von Kettenis hatte der Autor direkten
Zugang zu dem reichhaltigen Archivmaterial der Gemeinde. Darüber
hinaus konnte er auf Grondal (”Notices historiques”), Hashagen
(”Geschichte der Familie Hoesch”) von Coels (Lehenregister”) und
andere Veröffentlichungen zurückgreifen. x
”Kettenis, ein Heimatbuch”” bringt -mit Ausnahme der Pfarrge-
schichte- "alles über Kettenis’’, von den Anfängen bis zum heutigen Tag.
Besonders ausführliche Kapitel widmet B. Heeren der Land- und
Forstwirtschaft, dem Straßennetz, der demographischen und sozialen
Entwicklung, dem ”’Weberdorf’”” Kettenis, den Industrieansiedlungen
und den Verwaltungseinrichtungen vergangener Epochen. Ein sehr
ausführliches Inhaltsverzeichnis erleichtert das Auffinden der einzelnen
Kapitel. Reichhaltiges statistisches Material und eine ansprechende
Bebilderung lockern das Schriftbild auf.
Mit diesem neuen Heimatbuch wird die heimatgeschichtliche
Literatur um ein wesentliches Glied erweitert und die Geschichte der
”neuen” Stadt Eupen im Sinne des Autors zu einem Ganzen abgerun-
det.
BES
Eine Bereicherung des heimatkundlichen Büchermarktes stellt
ebenfalls der im Dezember 1977 im Maastrichter Verlag Vroom en
Dressman erschienene Bildband
”Mijn Geuldal”” dar. Das großformatige 176 Seiten starke Buch
stellt das Göhltal im belgischen und holländischen Raum als ein
104
zusammenhängendes Ganzes dar. Fotograph Jan van Eijk und Text-
autor Jac. van Term laden den Betrachter ein, mit offenen Augen und
offenem Herzen diese Landschaft zu durchwandern, die so reich an
Naturschönheiten ist, von uns Menschen aber viel zu wenig gepflegt
wird. Besonders auf belgischer Seite liegt hier manches im argen. Die
Niederlande haben in ihrem Göhltalbereich allein 20 Naturreservate
angelegt und auch im Kampf gegen die Wasserverschmutzung beach-
tenswerte Resultate erzielt. Man ist versucht zu fragen, welche konkre-
ten Maßnahmen solcher Art bei uns bisher getroffen worden sind . . .
Nachdem die Autoren uns all die Schönheiten des Göhltales
vorgestellt haben, stellen sie denn auch die bezeichnende Frage : Wird
die Göhl wieder das werden können, was sie einst war : der schönste
Bach? Wird es gelingen, ist vor allem der Wille ‚vorhanden, der
Schändung der Landschaft und der Verschmutzung des Bachlaufes ein
Ende zu setzen? ”Mijn Geuldal’”” sollte für alle Verantwortlichen
beiderseits der Grenze auch als Aufforderung verstanden werden,
Umweltschutz als eines ihrer vornehmsten Aufgabengebiete zu betrach-
ten. ("Mijn Geuldal” ist erhältlich in :der Buchhandlung Ria Schyns,
Kirchstr. 21, Kelmis, zum Preise von 295 Fr. Mitglieder unserer
Vereinigung erhalten 10 % Ermäßigung.)
DE
Unseren Lesern ist der Name Leonie Wichert-Schmetz inzwischen
ein Begriff geworden. In zahlreichen im ”Göhltal”” veröffentlichen
Gedichten hat sie in den letzten Jahren Natur und Heimat besungen
und bei den Lesern viel Anklang gefunden. Diesen Erfolg verdankt die
Dichterin nicht so sehr der ausgereiften Verstechnik und dem Sprach-
reichtum, als vielmehr ihrem tiefen Einfühlungsvermögen und der
Gabe, eine Brücke zum Leser zu schlagen, ihn anzusprechen.
Von unserer Heimatdichterin (-sie wurde in Hergenrath geboren-)
liegt nun eine Sammlung von 63 Gedichten vor, die den Wechsel der
Jahreszeiten von Januar bis Dezember umspannen. In den Jahreszyklus
eingespannt ist der Mensch mit all seinen Nöten, Ängsten und
Hoffnungen, wobei diejenigen Verse, die einen direkten historischen
Bezug haben, besonders hervorgehoben werden müssen, wie z. B.
das 1935 enstandene Gedicht ”’Trauriger Frühling” :
”Krieger sehe ich, Heer an Heer,
Schwarzes Gewimmel vor der Sonne,
Feuer und Regen von giftigen Bränden,
Wasser vergiftend und Fleisch ertötend.”
Doch schon 1933 sah die Dichterin das Unheil heraufziehen, sah
das "große Tier’” sich zum Sprunge ducken und fragte angstvoll :
105
”Wo wird es seine Pranken niederschlagen?
Wo seine Zähne reißend niederblecken?”
Wir wissen heute, wie wahr die Visionen der Seherin waren,
wievielen Müttern die Söhne genommen wurden, ”Garben, bleich wie
Gebein”, und wieviele Knaben hoffnungsvoll spielten, während Venus
und Mars aufgingen, ”Rötlichem Mond im Lauf
Schreckhaft gesellt.””
Doch diese dunklen, unheilverkündenden Verse gehören einer
unheilvollen Zeit an. In den meisten Gedichten schwingt die Hoffnung
mit, ist Harmonie zwischen Mensch und Natur, wird Stimmung
eingefangen und weitergegeben. ”’Mein Jahr -der Titel dieses Gedicht: -
bändchens- ist eine Lektüre für besinnliche Stunden und wird gewiß
auch bei unseren Lesern ein lebhaftes Echo finden. (’””’Mein Jahr”,
Gedichte, 68 S., ist zu beziehen durch unsere Vereinigung zum Preis
von 60 Fr.)
106
Hauset im Kranz der Wälder
von Maria Pauly-Schmetz
Kleines Dorf im Kreise deiner Schwestern
Liegst eingebettet du als schönstes ganz
Inmitten saft’ger Wiesenketten
Umrahmet von der Wälder Kranz
Du kannst dich nicht der Burgen rühmen 4
Vergangenheit gab dir nicht Glanz
Bescheiden, schlicht, fern vom Gewühle
Schützt dich jedoch der Wälder Kranz
Es schmücken dich die Jahreszeiten
Wenn Beter schreiten fromm mit der Monstranz
Der Glocken Klang es trägt in alle Weiten
Dann neigt sich tief der Wälder Kranz.
107
0
Jahresbericht 1977
von Jean De Ridder
JANUAR :
Am 23.1. Generalversammlung im Park-Cafe Kelmis. Unter dem Vorsitz des
Präsidenten Herrn Zimmer versammelten sich zahlreich die Mitglieder zur
jährlichen Generalversammlung. Ganz besonders herzlich wurden begrüßt :
Kulturhauptinspektor Firmin Pauquet und Herr Wilhelm Dithmar, ‚Enkel des
Geheimen Sanitätsrates Dr. Molly.
Herr Jean De Ridder gab einen Überblick über die rege Vereinstätigkeit von
1976. Der Kassierer, Herr Steinbeck, verlas den Kassenbericht. Bei der Endab-
rechnung stellte sich sogar ein kleiner Überschuß heraus. Das Heft "Im Göhltal””
kostet nun im Selbstkostenpreis 90,50 Frs. Der Mitgliedsbeitrag wurde nicht
erhöht, obwohl er gerade die Druckkosten für die beiden Hefte pro Jahr deckt.
Wiedergewählt wurden alle Vorstandsmitglieder, Herr Alfred Bertha, Frau
Dr. De Ridder, Herr Helmut Heydasch, Herr Freddy Nyns und Herr Peter
Zimmer. Das langjährige Vorstandsmitglied, Herr G. Herff, schied aus.
Das Vorhaben der Vereinigung, einen Gedenkstein für den im Jahre 1919
verstorbenen Geheimen Sanitätsrat Dr. Molly zu errichten, stieß auf Begeisterung.
Herr Wilhelm Dithmar umriß kurz die Größe dieses Mannes.
Auf den am 23.-25. September 1977 in Kelmis stattfindenden Archäologen-
Kongreß, der durch die Göhltalvereinigung organisiert werden wird, wurde
besonders hingewiesen.
Im Anschluß an die Generalversammlung hielt Herr Pater Muth aus Aachen
einen Lichtbildervortrag über die Ikonenmalerei. Sein Vortrag gab einen Über-
blick über eine Kunstrichtung, in deren Mittelpunkt seit über 1000 Jahren die
Frömmigkeit steht. Über den geplanten Bildband ”’Landschaft im Grenzraum”
wurde ausführlich berichtet.
MÄRZ :
16.3. : Herr Dr. Roosens, Präsident des Nationalen Amtes für Bodendenkmal-
pflege, besuchie Kelmis. Die Ausgrabungsstätten im Preuswald und die ”via
mansuerisca”” wurden durch Herrn P. Zimmer, Herrn Jean De Ridder und Frau
Dr. De Ridder gezeigt.
19.3. : Der Heimatabend in Hauset im Cafe Kockartz, der durch das Vorstands-
mitglied, Herrn Hermann Josef Gatz, organisiert wurde, war ein besonderer
musikalischer Genuß. Ein volles Haus und ein gutgelauntes Publikum erfreuten
sich an dem Non-Stop-Programm. Ansager war‘ Herr Albert Janclaes. Es spielten
auf : der Cercle Musical von Kelmis unter der Leitung von Gilbert Servas, der St.
Cäcilien-Gesangsverein aus Hauset unter der Leitung von Arnold Pauly, das
Mandolinen-Orchester der Volkshochschule Aachen unter der Leitung von
Siegfried Kirschfink, der Kelmiser Kinderchor unter der Leitung von Freddy'
Plum. Dieses herrliche musikalische Programm war der Rahmen für die Vorträge
der Heimatdichter : Josef Bindels, Gerard Tatas, H. Heutz gelesen durch
Hermann Josef Gatz, P. Emontspool und H. Schiffer gelesen durch Otto
Nußbaum, und Peter Zimmer.
26.3. : 19. Grubenfahrt, die durch die Vereinigung organisiert wurde. Unter der
Leitung des Präsidenten, Herrn Peter Zimmer, konnten 53 Teilnehmer, darunter
23 Frauen, die ober- und unterirdischen Anlagen der Grube Waterschei besichti-
gen.
108
APRIL :
10.4. : Herr Zimmer und Herr A. Janssen gaben im Altersheim Regina in
Moresnet einen Lichtbildervortrag über die Tätigkeit Kelmiser Grubenarbeiter,
deren Einsatz bei den Pilgerfahrten nach Lourdes von den Anwesenden mit
Bewunderung hingenommen wurde.
24.4. : Mit bester Laune begaben sich 50 Teilnehmer unter der Führung von Frau
Dr. De Ridder ins Tal der Ourthe und ins Tal der Hoyeux. Die aus dem 14. Jh.
stammende Burg Modave wurde besichtigt. In Huy wurde die Gruppe von Frau
Christophe, Gattin des Sekretärs des lokalen Geschichtsvereins, durch den Dom
zu Huy geführt. Die wertvollen Schätze des Domes aus dem 11. Jh. konnten
bestaunt werden.
MAI :
22.5. : Der Lektor, Herr A. Bertha, unter der Mitwirkung von Herrn Schultheis,
Aachen, organisiert eine Wanderung entlang der ehemaligen Grenze des Neutral-
Moresneter Gebietes. Die West- und die Ostgrenzen wurden. nach erhaltenen +
Grenzsteinen erforscht. Die seltenen Grenzsteine der ”’Burgunderlinie”” mit dem
Goldenen Vlies (1615) und dem burgundischen Andreaskreuz (1724), wurden im
Preuswald bewundert. Das frühgeschichtliche Gräberfeld, ebenfalls im Preuswald
gelegen und nur wenigen Teilnehmern bekannt, wurde aufgesucht, zumal es in
Kürze vom belgischen Ausgrabungsdienst intensiv untersucht werden wird.
Nach dieser Wanderung war manch müder Teilnehmer glücklich, hatte er
doch an einem Nachmittag ein ganzes Land, ein geschichtliches Territorium, das
über 100 Jahre seine Neutralität bewahrte, in wenigen Stunden umwandert. Und
dieses Ländchen nennt sich heute Kelmis.
JUNI :
26.6. : Unter der Leitung von Herrn Pastor Gielen und Frau Dr. De Ridder wurde
eine Busfahrt auf römischer Spur über die Kinkebahn und durch die Bank
Walhorn durchgeführt. Die Gruppe besuchte anschließend Schloß Reinhardstein,
die Metternich-Burg, in der ihr durch den Schloßherrn, Prof. Overloop, die
dortigen Sehenswürdigkeiten vorgestellt wurden. Pfarrer Gielen gebührte an
diesen: Nachmittag ein besonderer Dank, da er es auf seine volkstümliche Weise
verstand, die Teilnehmer für die Geschichte dieser Gegend zu begeistern.
AUGUST :
Die Ausgrabungsarbeiten im Preuswald unter der Leitung von Frau Cahen und
an der ”via mansuerisca” unter der Leitung von Frau Corbiau begannen. Der
Konservator, Herr Jean De Ridder, stand den Archäologinnen täglich mit Rat und
Tat zur Seite.
SEPTEMBER :
Im Rubensjahr begab sich am 4.9. unter der Leitung von Frau Dr. De Ridder eine
Gruppe von 47 Teilnehmern nach Antwerpen. Im Königlichen Museum der
Schönen Künste konnte ein Einblick in das riesige Werk Rubens’ genommen
werden. Sein Schaffensplatz im ”Rubens-Haus’” wurde nicht nur vom Architekto-
nischen her bewundert. Die letzte Stätte Rubens’ wurde in der St. Jakobskirche
besichtigt. Die geschmückte Stadt und ein Folklore-Umzug mit Kostümen aus der
Rubenszeit rundeten diese Exkursion ab.
Vom 23.-25.9. fand der Nationale Archäologen-Kongreß in Kelmis statt, zu dem
sich rund 200 Berufs- und Amateur-Archäologen versammelt hatten. Es wurde ein
voller Erfolg. Siehe dazu Artikel ”Nachlese”” zum Archäologen-Kongreß.
OKTOBER :
8.10 : Vorstandsmitglied Hermann Josef Gatz stellte nach zweijäriger Arbeit seine
Lichtbilder über Hauset im Saal Kockartz in Hauset vor. Seine Lichtbilder, aber
109
auch die seiner Schwester, die ab und zu eingeblendet wurden, bestachen durch
Qualität. Daneben schilderte Herr Gatz auf lustige Weise manche Hauseter
Legende.
9.10 : Der Ornithologen-Verein Aachen und die Kreisgruppe Aachen-Düren des
Bundes für Vogelschutz besuchten das Göhltal. Die Vogelliste des Tages wurde
durch Sing- und Rotdrossel und durch 6 Meisenarten auf 40 erweitert. Trotz
der herbstlichen Jahreszeit blühten noch auf den Galmeihalden das Galmeiveil-
chen, die Galmeigrasnelke, der aufgeblasene Taubenkropf, die rundblättrige
Glockenblume u.a,
12.10 : Der 2. Vizepräsident, Herr Albert Janclaes, führte eine Gruppe von 32
Lehrern und Studienräten aus dem Kreis Euskirchen durch Kelmis und Moresnet.
Er begleitete diese Gruppe auch beim Besuch in Eupen. Sinn dieser Studienreise
war, die geschichtlichen Verhältnisse und aktuelle Begebenheiten Ostbelgiens
kennenzulernen.
NOVEMBER :
18.11. : Mit dem Lichtbildervortrag des Dipl. Ing. Marres im Park-Cafe Kelmis
über die Denkmalpflege im holländischen Limburg organisierte die Vereinigung
ihre letzte Veranstaltung im Jahr 1977. Herr Marres, ein Fachmann im
Restaurieren von Bauwerken, der über eine mehr als 30-jährige Tätigkeit
zurückblicken kann, begeisterte die Besucher für Limburg, so daß man beschloß,
sobald wie möglich eine Besichtigungsfahrt durch das holländische Limburg
durchzuführen, um an Ort und Stelle sich von der geleisteten Restaurierungsar-
beit des Rijksdienst Monumentenborg ein Bild zu machen.
23.11. : Nach einem aufregenden Briefwechsel mit der Gemeinde Kelmis erhielt
die Vereinigung die Bestätigung, daß endgültig das Museum im ehemaligen
Gemeindehaus von Neu-Moresnet eingerichtet werden wird. Zusammen mit der
Kulturkommission des Gemeinderates Kelmis wird im kommenden Jahr ein
Verwaltungsrat des Göhltalmuseums gegründet werden. Herr Marchal, ein
Fachmann für Museums-Einrichtungen, besuchte Kelmis und wurde durch das
ehemalige Gemeindehaus Neu-Moresnet begleitet von Schöffe Bauens, Hauptins-
pektor F. Pauquet, Konservator Jean De Ridder und der Vizepräsidentin Frau Dr.
De Ridder.
DEZEMBER :
4.12. : Der Alsdorfer Eifelverein besuchte das Göhltal unter der Leitung seines
Präsidenten, Herrn Mund, und des Ornithologen, Herrn Moll. Frau De Ridder
begrüßte diese Gruppe an der deutsch-belgischen Grenze und wies anschließend
in‘ Kelmis auf die geschichtliche Bedeutung dieser Gegend hin.
Verwaltungsratssitzungen und Gespräche 1977
18.1. Wegen des zukünftigen Göhltal-Museums fand ein Treffen mit den
Mitgliedern des Kulturkomitees des Gemeinderates Kelmis im ehemaligen Ge-
meindehaus Neu-Moresnet statt. An diesem Gespräch nahmen teil : der Schöffe
Bauens, die Gemeinderatsmitglieder Vanaschen und Hilligsmann, von der Göhl-
talvereinigung Herr Peter Zimmer und Herr Jean De Ridder.
14.2. Verwaltungsratssitzung der Vereinigung. Die Organisation des in Hauset
stattfindenden Heimatabends wurde besprochen. Es wurde über die Zusammen-
kunft mit dem Kulturkomitee des Gemeinderates Kelmis wegen der Schaffung
eines Heimatmuseums berichtet. Der Präsident, Herr Zimmer, teilte mit, daß die
Spendenaktion für die Errichtung des Gedenksteines zu Ehren des Geheimen
Sanitätsrates Dr. Molly gut angelaufen ist. Wahl des engeren Vorstandes. Herr
Albert Janclaes aus Walhorn wurde zum 2. Vizepräsidenten gewählt.
110
15.3. Die wichtigsten Punkte der Tagesordnung dieser Verwaltungsratssitzung
sind : Der Heimatabend in Hauset und das zukünftige Museum.
6.4. Herr Kulturhauptinspektor F. Pauquet, Herr Peter Zimmer und Herr Jean
De Ridder besuchten Herrn Prof. Kestelot in Brüssel. Herr Prof. Kestelot, in
seiner Eigenschaft als Vorsitzender der Königlichen Akademie der Naturwissen-
schaften, gab wichtige Hinweise auf das zukünftige Göhltalmuseum und ver-
sprach, mit Ausstellungsmaterial auszuhelfen.
20.4. Verwaltungsratssitzung : Die Programmgestaltung des Nationalen Archäo-
logen-Kongresses wurde festgelegt. Sodann legte Herr Janclaes einen Plan vor, wie
das zukünftige Göhltalmuseum aussehen soll, und erklärte, daß sich hierfür auch
Möglichkeiten im Landhaus seines Vaters in Walhorn bieten. Dieser Plan sollte
jedoch nur dann erwogen werden, wenn das ehemalige Gemeindehaus in
Neu-Moresnet nicht in ein Museum transformiert werden könnte.
10.5. Wegen der Unterkunftsfrage zum Archäologen-Kongreß fand ein Gespräch
mit dem Vorstand des lokalen Verkehrsvereins statt. Es wurde beschlossen, alle
Unterkunftsmöglichkeiten auf einem Informationsblatt herauszubringen. An
diesem Gespräch nehmen teil : Herr Barth, Herr Meesen, Herr Peter Zimmer, Herr
Jean De Ridder und Frau Dr. De Ridder.
15.6. Verwaltungsratssitzung : Zur genauen Durchführung der Organisation des
Archäologen-Kongresses fand nochmals eine Programmbesprechung statt. Der
zweite Veranstaltungskalender für 1977 wurde festgelegt.
31.8. Verwaltungsratssitzung : Einzelheiten zur Durchführung der Organisation
zum Archäologen-Köngreß mußten besprochen werden. Das künftige Museum
des Göhltals wird laut Gemeinderat doch im Gemeindehaus in Neu-Moresnet
untergebracht werden.
14.9. Verwaltungsratssitzung : Letzte Vorkehrungen zum Archäologen-Kongreß
werden besprochen. Herrn Jakob Demonthy wurde zu seinem 78. Geburtstag
gratuliert.
* 19.10. Verwaltungsratssitzung : Das Göhltal-Museum ist Gegenstand der Sitzung.
Die Gemeinde teilte mit, daß endgültig das künftige Museum im Gemeindehaus
Neu-Moresnet untergebracht wird. Das Kulturkomitee des Gemeinderates Kelmis
wird zusammen mit der Göhltalvereinigung als Verwalter fungieren. Rundfunk-
sendungen und Veranstaltungen für die nächsten Monate werden besprochen,
23.11. Gespräch mit Dr. Kohnemann, Raeren, wegen der Statuten des künftigen
Museums.
Am 29.10. und am 30.11. Verwaltungsratssitzungen : waren Hauptgesprächspunkte
das Göhltal-Museum. Nach eingehendem Studium der lokalen Verhältnisse im
Gemeindehaus Neu-Moresnet zeichnete Herr Janclaes einen Entwurf unter
Einbeziehung der Außenanlagen des ehemaligen Gemeindehauses. Dieser Plan
wurde der Gemeinde vorgelegt. Das 1. Veranstaltungsprogramm für 1978 wurde
festgelegt.
30.11. Es fand nachmittags im Gemeindehaus Neu-Moresnet eine Besichtigung
statt, an der teilnahmen : Herr Marchal aus Lüttich, als Fachmann für Museums-
einrichtungen, Kulturhauptinspektor F. Pauquet, Schöffe C. Bauens, Herr Jean
De Ridder und Frau Dr. De Ridder. Noch am selben Abend wurde der
Verwaltungsrat über dieses Zusammentreffen genauestens unterrichtet.
16.12. Der Verwaltungsrat beging festlich den 70. Geburtstag des Präsidenten,
Herrn Peter Zimmer, zusammen mit seiner Gattin.
111
Sekretariat
In bewährter Weise wurde auch im Jahre 1977 das Sekretariat durch Herrn
Jean De Ridder geführt. Herr Janclaes hat seit seiner Ernennung zum Vizepräsi-
denten die Kartei der Mitglieder übernommen.
Briefwechsel :
Vom 1.1. bis 31.12.77 erhielt unsere Vereinigung 185 Briefe. 160 Briefe
wurden verschickt. Unsere Mitglieder erhielten : die Hefte ”’Im Göhltal”” Nr. 20
und Nr. 21, die Veranstaltungsprogramme für das 1. und 2. Halbjahr 1977 sowie
für das 1. Halbjahr 1978, zusammen mit der Einladung zur Generalversammlung
im Januar 1978, Alle Mitglieder wurden zum archäologischen Kongreß eingela-
den.
Anzahl der Mitglieder : 1973 1974 1975 1976 1977
Mitglieder und Abonnenten
= zahlende Mitglieder 1 EEE
Austausch 16 13 12 13 13
Pflichtempfänger N 10 20 16 16 16
Gesamt 430 465 465 476 549
Veröffentlichungen 1977 :
Im März erschien das 128 Seiten starke Heft Nr. 20 "Im Göhltal”. Diesen
Jubiläumsband gestalten 13 Autoren, die ihm dadurch eine große Vielseitigkeit
verliehen. Im Oktober erschien der 103 Seiten starke Ausgabe "Im Göhltal” Nr 21, in
dem 11 verschiedene Autoren Geschichte und Geschichten unserer Gegend
zusammentrugen. G. Tatas berichtete über beide Hefte ausführlich in der Presse.
Zum archäologischen Kongreß erschien : "Spätmittelalterliche Töpferöfen
aus Hauset und Raeren”” von Dr. G. De Ridder-Blenska, Dr. O.E. Mayer, J.
Papeleux. Eigene Ausgrabungsberichte liegen diesem Ausgabe zu Grunde.
Rundfunksendungen 1977
An jedem 3. Mittwoch im Monat wird vom BRF zwischen 18.00 und 19.00
Uhr die Sendung "Geschichtliche Funkbilder’” ausgestrahlt, in der unsere
Vereinigung durch folgende Beiträge vertreten war :
19. Januar Über den Göhlverlauf (P. Zimmer)
16. Februar Über Mundart (P. Zimmer)
16. März Moresneter Schlösser (Dr. G. De Ridder)
20. April Dr. Molly (F. Nyns)
18. Mai Montzener Burgen (Dr. De Ridder)
15. Juni Kettenis (K. Brandt)
20. Juli Mundart (G. Tatas)
17. August Galmei (P. Zimmer)
21. September Archäolugen-Kongreß (Dr. De Ridder)
19. Oktober Die Bockreiter in unserer Gegend (F. Nyns)
16. November Galmei (P. Zimmer)
21. Dezember Galmei (P. Zimmer)
Pressemitteilungen 1977 -
Alle Veranstaltungen : Generalversammlung, 8 Verwaltungsratssitzungen,
1 Heimatabend, 8 Exkursionen, 4 Lichtbildervorträge und der archäologische
Kongreß wurden ausführlich in der Presse behandelt. Für die Presseberichte war
Frau Dr. De Ridder verantwortlich. Herr Janclaes unterstützte sie gelegentlich.