Im Göhltal
ZEITSCHRIFT der
VEREINIGUNG
für
Kultur, Heimatkunde und Geschichte
im Göhltal
N° 20
; Z ae 800
Vorsitzender : Peter Zimmer, Kelmis, Siedlung P. Kofferschläger, 10.
Sekretariat : Rue du Calvaire, 8, 4671 Moresnet
Lektor : Alfred Bertha, Hergenrath, Bahnhofstraße, 20b.
Kassierer : Fritz Steinbeck, Kirchstraße, 20, Kelmis.
Postscheckkonto N° 000-0191053-60
Die Beiträge verpflichten nur die Verfasser.
Alle Rechte vorbehalten.
Entwurf des Titelblattes : Frau Pauquet-Dorr, Kelmis.
Diese Skizze zeigt den Moresneter Göhlviadukt sowie die Hergenrather
Hammerbrücke in ihrer ursprünglichen Form.
Druck. Jacques Aldenhoff, Gemmenich, -
3
Inhaltsverzeichnis
Die Redaktion Zum Geleit 5
Franz Uebags, Kelmis Ein interrssanter Bericht über die
Konzessionen des ”’Altenberger
Grubenfeldes’’ (Schluß) 8
Alfred Bertha, Hergenrath Aus der Pfarrgeschichte Hergen-
raths (Forts.) 27
Leonie Wichert-Schmetz, Mir geht es wie den Weiden (Gedicht) 41
Bad-Driburg
Walter Meven, Aachen Der Aussichtsturm im ”Aachener
Busch” 42
Leo Homburg, Fossey Das Pulverlager von Herbesthal 49
Alfred Bertha, Hergenrath Unveröffentlichte Soldatenbriefe aus
und Walter Meven, der Franzosenzeit 53
Aachen
M.-Th. Weinert-Mennicken, Im Spätherbst (Gedicht) 66
Aachen-Forst
Dr. Gisela De Ridder, Ein Fachwerkhaus im Weiler Hof 67
Moresnet
Alfred Bertha, Hergenrath Der Grabstein des Ketteniser
Kirchenerbauers 72
Gerard Tatas, Gemmenich Auf den Tod meiner Mutter
(Gedicht) 78
Walter Meven, Aachen Die St. Anna Kapelle zu Lontzen-
Busch DD
Erich Barth, Hauset Zur Einführung des ersten
Hauseter Pfarrers 95
Leonie Wichert-Schmetz, Kirche und Schule in Hergenrath
Bad-Driburg (Gedicht) 98
Alfred Bertha, Hergenrath Streit um den Kartoffelzehnt in der
Bank Walhorn 9
Wilhelm Dithmar, Aachen Erinnerungen an Nanny Lambrecht 103
M.-Th. Weinert-Mennicken, Pieta (Gedicht) 106
Peter Zimmer, Kelmis Der Bergmannsverein Sankt Barbara
Gemmenich 107
Gerard Tatas, Gemmenich Wat de Jöhl vertelle könnt. (Lied) 110
Peter Ohn, Kelmis Zum Kelmiser Karneval : Der Klub
”Mascherang”” 112
Peter Zimmer, Kelmis Das Portrait : Josef Reip 114
Alfred Bertha, Hergenrath Auf dem Büchermarkt 116
Gerard Tatas, Gemmenich In Memoriam Franz Straet 122
Jean De Ridder, Moresnet Tätigkeitsbericht 1976 124
5
Zum Geleit
Lieber Leser !
Bei der Gründung unseres Geschichtsvereins legten die
Initiatoren mit dem Namen zugleich ein Programm fest : Kultur,
Heimatkunde und Geschichte im Göhltal sollten die Schwer-
punkte der Tätigkeit bilden.
Inzwischen sind 10 Jahre vergangen und unsere Vereinigung
hat sich einen festen Platz im hiesigen Grenzraum gesichert. Von
Anfang an hat das zuständige Kulturamt unsere Arbeit gefördert
und zu deren finanzieller Absicherung erheblich beigetragen.
Auch bei den meisten Gemeinden des Göhltales haben wir stets
wohlwollende Unterstützung gefunden; bei einigen mußten wir
erst Vorurteile und Mißtrauen abbauen. Das Prinzip der politi-
schen Neutralität haben wir jedoch von Anfang an uns zum Gebot
gemacht und weder unsere Zeitschrift noch unsere sonstigen
vielfältigen Tätigkeiten konnten provozierend wirken
Der Interessenbereich der Vereinigung ist weit gesteckt.
Pflege und Erhaltung des Kulturgutes erstreckt sich auf Mundart
und Hochsprache, Architektur und Landschaft, Fauna und
Flora. In Vorträgen und Ausstellungen, in Besichtigungsfahrten
und Wanderungen bemüht sich die Vereinigung, den Menschen
im Dreiländereck das Bild der Heimat näherzubringen, ihnen die
Schönheiten dieses Fleckchens Erde zu zeigen, bei ihnen die
Bereitschaft zu wecken, sich für deren Pflege einzusetzen, d.h.
letzten Endes, etwas für die Erhaltung unserer Lebensqualität zu
tun. Unsere Kampagnen für den Schutz der Galmeiflora und
besonders seltener Naturschönheiten wie das Hornbachtal zielten
in diese Richtung.
Mit der Zeitschrift ”Im Göhltal’” versuchen wir im engen
Rahmen unseres Gebietes, das Geschichtsbewußtsein zu wecken
und zu einem besseren Verständnis der Gegenwart zu führen.
Alexandre Dumas d. Ältere soll gesagt haben, die Geschichte sei
6
nichts als der Nagel, an dem das Bild hänge. Unsere geschicht-
lichen Beiträge versuchen, dem ”’Nagel’’ Gestalt zu geben, damit
das Bild einen guten Halt bekomme.
Verglichen mit den ersten Nummern vor 10 Jahren, hat
unsere Zeitschrift einen stattlichen Umfang angenommen. Die
Entwicklung auf dem Papiermarkt und in der Druckindustrie hat
uns jedoch gezwungen, vom Buch- zum Offsetdruck überzuge-
hen. Die vorige Nummer dieser Zeitschrift wurde nach dem
Offsetverfahren hergestellt. Dieses Verfahren hat seine Tücken
und der Leser möge etwas Nachsicht zeigen. Redaktion und
Druckhaus werden versuchen, die auftretenden Schwierigkeiten zu
meistern und die Zeitschrift auch in Zukunft so abwechslungs- .
reich und vielseitig wie nur möglich zu gestalten.
Es bleibt das Problem der Mitarbeiter. Dem ”Göhltal”” wäre
es gewiß zu wünschen, daß die Zahl der aktiven Mitarbeiter noch
um einige Einheiten zunähme ...
Die mannigfachen Tätigkeiten und die Veröffentlichungen
unserer Vereinigung haben im In- und Ausland bei der Presse
und bei amtlichen Stellen ein lebhaftes Echo gefunden. Allent-
halben wurde ihr Engagement gewürdigt und gelobt. Die von Jahr
zu Jahr ansteigende Mitgliederzahl beweist, daß unsere Arbeit
anerkannt wird. Als einen ganz besonderen Vertrauensbeweis
sehen wir es an, daß wir in diesem Jahre mit der Ausrichtung des
nationalen archäologischen Kongresses vom 23. - 25. September
betraut wurden. Wir werden versuchen, auch in Zukunft das in
uns gesetzte Vertrauen nicht zu enttäuschen.
Der Vorstand
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Ein interessanter Bericht über
die Konzessionen des
”Altenberger Grubenfeldes”
(2. Fortsetzung und Schluß)
von Franz Uebags
In vorfranzösischer Zeit war der Galmeiabbau im Kelmiser
Raum je nach den Umständen mal vom Staate selber (Regie),
mal von Pächtern betrieben worden. 1806 wurde Daniel Dony aus
Lüttich die Konzession zur Ausbeutung des Altenberges für eine
Dauer von 50 Jahren erteilt. Am 21. April 1810 wurde die
französische Grubengesetzgebung dahingehend abgeändert, daß
alle bisherigen Konzessionäre zu Eigentümern der von ihnen
betriebenen Gruben wurden; das Grubensteuersystem wurde im
ganzen Kaiserreiche vereinheitlicht. Neu war ebenfalls der Begriff
des von der Oberfläche abgesonderten Eigentums : Grundeigen-
tum und Grubenbesitz können in unterschiedlichen Händen
liegen.
Zahlte Herr Dony vor 1810 eine jährliche Abgabe von 40.500
Fr, so mußte er nun als Eigentümer eine fixe Steuer entrichten,
die sich nach dem Umfang des Bergwerks richtete (10 Fr pro
qm) und eine proportionelle Steuer, die in direktem Verhältnis
zur geförderten Erzmenge stand.
1816 wurde das Gebiet der Konzession in drei Teile gespal-
ten : der eine .wurde preußisch, der andere belgisch, der dritte
neutral. Das 272 Ha große neutrale Gebiet unterstand zwei von
Holland und Preußen (-später Belgien und Preußen-) ernannten
Kommissaren. Im Grenzvertrag wurde in Art. 31 festgelegt, daß
”kein Regierungswechsel, welchen Namen er auch haben möge,
die Rechte des Herrn Dony und Cie betreffend den Betrieb des
Galmeibergs beeinträchtigen solle, dergestalt, daß seine Conces-
sion in allen Fällen unangetastet bleiben und auch fernerhin
dieselben Rechte und Privilegien genießen solle, welche ur-
sprünglich damit verbunden gewesen sind.”
Herr Dony hatte inzwischen mit großen finanziellen Schwie-
rigkeiten zu kämpfen gehabt. Ein Kredit in Höhe von 300.000 Fr,
den ihm Herr Chaulet unter der Bedingung gewährte, ihn auf 12
8
Jahre am eventuellen Gewinn des Betriebes zu beteiligen,
genügte nicht, den Kelmiser Betrieb zum Florieren zu bringen.
Von 1813 an kaufte Herr Mosselman nach und nach den
größten Teil der Eigentumsrechte Donys und auch cr investierte
viel Geld und viel Mühe darin, den Altenberg zu einem blühen-
den Unternehmen zu machen und dem Zink neue Absatzmärkte
zu gewinnen,
Mit den Königlichen Kommissaren gab es Ärger, als diese
1821 den Herren Mosselman und Dony eine Zahlungsaufforde-
rung über 202.085 niederl. Gulden zukommen ließen. Dies sei, so
die Kommissare, der Pachtzins für die Jahre 1811-1820. Es kam
zu schwierigen und langwierigen Prozessen, die erst 1831 bzw.
1833 durch Vergleiche endeten.
Kernfrage war dabei, ob das Kelmiser Grubenfeld in den
Besitz Donys und Mosselmans geraten sei. Diese Frage war
natürlich auch für Mosselmans Nachfolger, die Gesellschaft der
”Vieille Montagne”” von Interesse und so nahm der Verwaltungs-
ratsvorsitzende Graf Le Hon die Verwaltungsratssitzung vom 16.
April 1849 zum Anlaß, einen detaillierten Bericht über die
Konzessionen des Altenberger Grubenfeldes vorzulegen. Aus
diesem Bericht brachten wir in Nr. 18 und 19 dieser Zeitschrift Le
Hons Ausführungen zu den Konzessionen in vorfranzösischer
Zeit, der französischen Grubengesetzgebung und der Teilung des
Grubenfeldes i. J. 1816. Im dritten Teil seines Vortrages ging der
Graf dann auf die weitere Entwicklung ein und kam zu dem
Schluß, daß die ”’Vieille Montagne’”’ unantastbarer Eigentümer
des von ihr ausgebeuteten Grubenfeldes sei. Doch folgen wir
seinen Ausführungen :
Gegenstand und Ergebnis der gerichtlichen Contestationen
Ich habe oben angeführt, daß durch den Beschluß des
Präfecten des Ourthe-Departements vom 11. Januar 1812, in
Vollziehung des kaiserlichen Decrets vom 11. Mai 1811, das
Galmei-Bergwerk der Vieille Montagne in das jenem Beschluß
selbst beigefügte Register der concessionirten Bergwerke dieses
Departements eingetragen worden war.
Ich habe gleichzeitig nachgewiesen, daß seit dem 1. Januar
1811, als dem Tage, wo das Gesetz vom 21. April 1810 in Kraft
trat, bis zum Jahre 1814, wo unsere Trennung von Frankreich
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stattfand, lediglich die durch die Artikel 33, 34 und 35 dieses
Gesetzes festgesetzten neuen Steuern erhoben worden waren.
Ich habe somit dargethan, daß die oberen Behörden Frank-
reichs, die gewiß den Geist und die Bedeutung des ganz neuen
Gesetzes von 1810 kannten, dasselbe unverzüglich auf die Vieille
Montagne, wie auf die übrigen concessionirten Bergwerke ange-
wendet hatten.
So war die Lage der Dinge in dem Augenblick, wo in dem
Gebiet von Moresnet das exceptionnelle Verhältnis der Neutra-
lität und der gemischten Administration durch Commissarien
eingesetzt wurde.
Seit dieser Zeit bleibt unsere Concession außerhalb des
Verwaltungs-Systems Preußens und der Niederlande. Sie unter-
liegt der ausschließlichen Leitung (direction) der Commissarien
des neutralen Gebiets, wenngleich der Umfang desselben nur 272
Hectaren beträgt, während unsere Concession sich über eine
10
Fläche von neun Stunden (lieues) ausdehnt (1). Ohne die Präce-
dentien der französischen Administration zu berücksichtigen,
erheben die Commissarien nicht die neuen Steuern, sondern sie
wollen die früheren Abgaben wieder in’s Leben rufen.
Am 31. Dezember 1821 ließen sie in ihrem Namen den
Herren Mosselman und Dony einen Zwangsbefehl zustellen zur
Zahlung von 202.085 niederländischen Gulden, als des declarirten
Betrags des - wie sie es bezeichnen - verfallenen Pachtzinses für
die Jahre 1811 bis 1820, auf Grund einer Verpachtung des
Bergwerks der Vieille Montagne an Herrn Dony vom 26. Frimaire
des Jahres XIV.
Sie nannten also Pacht, Pächter und Pachtzins (bail, fermier, *
fermage), was in allen kaiserlichen Decreten und Ministerial-Ver-
ordnungen die anerkannte Benennung : Concession, Concessio-
när und Steuern (concession, concessionaire et redevance) erhal-
ten hatte; der Unterschied, welchen sie in Worten suchten, führte
darum, wie sie eben gesehen haben, keinen andern Stand der
Dinge herbei.
Herr Mosselman beeilte sich, wegen dieser Zumuthung die
berühmtesten Rechtsgelehrten und die, so zu sagen, officiellen
Ausleger des Gesetzes vom 21. April 1810 zu Rathe zu ziehen.
Herr Dupin der Ältere, in einer Denkschrift vom 22. März
1822 erörterte in ausgezeichneter und höchst gründlicher Weise
das durch das Gesetz vom Jahre 1810 eingeführte neue System
(”Regime”’), die Motive, welche die Abfassung desselben veran-
laßt hatten und die Grundlagen, auf welchen das Eigenthums-
recht der Bergwerke beruht. Diese Arbeit übertrifft an Kraft der
Logik und der Beweise Alles, was die Redner der Regierung und
des gesetzgebenden Körpers darüber geschrieben haben. Ich
führe einige Stellen aus seiner Arbeit hier an :
”Erkennen wir vor Allem”, sagt Herr Dupin, ”’daß die
belgische und die preußische Regierung die Geltung des Gesetzes
von 1810 nicht verwerfen.
”In einer Denkschrift des Commissärs Sr. Majestät des
Königs von Preußen sucht man bloß zu beweisen, daß dieses
1) Diese Berechnung scheint auf einem Irrthum zu beruhen, da die Oberfläche der
Concession nur 8.500 Meter = 85 Quadratkilom. = circa 1/2 Quadratmeile,
also 4 Quadratstunden beträgt. Anmerk, des Übersetzers
Mu
Gesetz nicht auf die fragliche Concession anwendbar ist; daß die
Concessionäre, welchen die Regierung den Betrieb eines Berg-
werks überlassen hatte, dessen Eigenthümerin sie selbst war,
nicht diejenigen seyen, denen der Art. 51 des Gesetzes das
Eigenthum des Bergwerks zuspricht, und daß die dem Herrn
Dony auferlegten Steuern jedenfalls unter die Zahl der durch Art.
41 vorbehaltenen gehöre. (=Renten, Rechte für Abtretung von
Grund und Boden u.ä.).
Wenn die Regierung das Eigenthum der Oberfläche behält,
so kann sie in dieser Hinsicht die nämlichen Rechte in Anspruch
nehmen, welche jedem Eigenthümer eines Terrains zustehen,
welches Lagerstätten enthält und durch den Concessionsact die
Summe festsetzen, die zufolge der Art. 6 und 42 des Gesetzes ihr
zu entrichten ist.
”Sie wird demnach in zwei sehr verschiedenen Eigenschaften
handeln : Zuerst kraft des ihr zustehenden Rechtes, Bergwerke zu
verleihen (conceder) indem sie dafür die gesetzlichen Abgaben
und Steuern erhebt; und dann als Eigenthümerin der Oberfläche,
als welche sie eine bestimmte, von der Steuer ganz unabhängige
Summe in Anspruch nehmen kann. Der Landesherr (Souverain)
ertheilt in seinem Staatsrath die Concession : der Schatz erhebt
die Steuern; die Domänen-Verwaltung wahrt ihr Interesse als
Eigenthümerin der Oberfläche.
”Aus der Feststellung dieser wohl zu unterscheidenden
Begriffe folgt, daß das Grundeigenthumsrecht der Domäne nichts
an dem Wesen der Concession des Bergwerks selbst ändert. Sie ist
in der nämlichen Eigenschaft verliehen; die Regierung überträgt
die nämlichen Rechte gegen dieselben Abgaben. Alles was sich
auf Boden und Oberfläche bezieht, ist Gegenstand verschiedener
und gesonderter Rechte, welche nichts mit der Concession des
Bergwerks gemein haben, noch mit jenem speciellen Eigenthume
der Gegenstände, woraus dasselbe besteht. Hieraus folgt, daß
wenn das Gesetz von 1810 von ”’Concessionaire de mines”
spricht, dieser Ausdruck allgemein ist; er umfaßt alle Conces-
sionen, er bezieht sich auf die in Domanial-Grundstücken gele-
genen, wie auf alle übrigen, da in Betreff des concessionirten
Bergwerks kein Unterschied zwischen ihnen besteht, weder in
den Rechten der Regierung, welche concessionirt, noch in dem
Wesen derjenigen, welche den Concessionären verliehen worden
sind.
12
”Diese Folgerung ist nothwendig. Sie entspringt aus den
allgemeinen Bestimmungen des Gesetzes und aus den Grund-
Begriffen der Sache selbst.
”Es ist also gleichgültig, ob die Regierung Eigenthümerin
der Oberfläche war oder nicht; dies kann nie ein Grund sein, die
Concession als einen einfachen Pachtvertrag zu betrachten und
sie der Anwendung des Gesetzes von 1810 zu entziehen; denn,
noch einmal, Grundeigenthümerin oder nicht, die Regierung
vergibt das Bergwerk nicht leihweise, sondern sie concedirt es und
immer in gleicher Eigenschaft, kraft desselben Rechtes, welches
ihr ebensowohl auf die Bergwerke unter ”’Privat’’ als auf die unter
Domanial-Grundstücken zusteht. ”
”Fassen wir die Hauptpunkte dieser Discussion zusammen,’
fährt Herr Dupin fort.
”Die Gesellschaft ist in Folge des Gesetzes von 1810 unan-
tastbare Eigenthümerin (proprietaire incommutable) geworden;
denn
”1) bezieht sich dieses Gesetz auf alle Concessionäre ohne
Unterschied;
”2) hat die Regierung das Bergwerk der Vieille Montagne
kraft desselben Rechts verliehen (concede) wie alle
andern Bergwerke, kraft des dem Landesherrn zuste-
henden allgemeinen Rechtes;
”3) ist es gleichgültig, ob die Grube unter Staats-Eigenthum
gelegen ist, da der Staat Eigenthümer aller Bergwerke
ist;
”4) erhellt aus den, dem Gesetze von 1810 vorhergegangenen
Reden und Berichten, daß die Übernehmer (adjudica-
taires), denen die Staatsbehörde (regie) Bergwerke, wel-
che in den vereinigten Departements auf Staats-Eigen-
thum lagen, in Pacht gegeben hatte, in den Bestimmun-
gen des Gesetzes einbegriffen sind.
Die Compagnie Dony ist von allen im Concessionsacte
festgesetzten Steuern befreit worden.
”In der That : .
”1) waren diese Steuern der Preis der Bergwerks-Concession;
sie sind durch jene des Gesetzes von 1810 ersetzt
worden;
13
”2) hatte der Staat keine Abgaben festgestellt, welche den
Rechten der Domäne als Eigenthümerin der Oberfläche
entsprechen, und in Ermangelung einer Übereinkunft
über diesen Punkt, haben die zu Eigenthümern geworde-
nen Concessionäre, nach Art. 51 nicht für die Rechte des
Eigenthümers der Oberfläche zu bezahlen.
”3) war der Wille des Gesetzes, alle Steuern für Bergwerks-
Concessionen aufzuheben, selbst in dem Fall, daß die
Domäne Eigenthümerin der Oberfläche war, da eines
Theiles der Art. 40 alle in Folge der von durch die Regie
genehmigten Pachtverträgen dem Staate schuldigen
Steuern abgeschafft und weil anderseits aus den Berich-
ten hervorgeht, daß die durch die Verwaltung in den
vereinigten Departements festgesetzten Pachtverträge,
aufhören sollen, bezahlt zu werden.
”4) kann der Art. 41 hier keine Anwendung finden, da die
Regierung der Gesellschaft Dony keine der Domäne als
Eigenthümerin gehörigen Ländereien noch Liegenschaf-
ten abgetreten hat und weder von Arbeiten zur Herrich-
tung der nöthigen Gebäude spricht, noch einen Preis
dafür angesetzt hat.’
Die Herren Stanislaus de Girardin und Gendebien Vater,
welche als Berichterstatter so großen Antheil an dcr Abfassung
des Gesetzes vom 21. April 1810 genommen hatten, drückten sich
im Jahre 1823 in allen Punkten übereinstimmend mit der
Meinung des Herrn Dupin aus : ich habe Ihnen oben einige
Auszüge aus ihrer Schrift gegeben.
Es sei hier beiläufig bemerkt, daß die so überaus treffenden
und logischen Schlüsse des Herrn Dupin in den Jahren 1840 und
1841 von dem Civil-Tribunal und dem Königl. Gerichtshofe zu
Paris vollständig adoptirt worden sind und zwar bei Gelegenheit
eines Incidenzpunktes bezüglich der Ausführung eines Spruches
des Lütticher Gerichts, dessen ich sogleich Erwähnung thun
werde.
Gestützt auf das Urtheil dieser gewichtigen Autoritäten hatte
Herr Mosselman der Aufforderung vom 31. December 1821 keine
Folge geleistet. Eine neue gerichtliche Aufforderung ward ihm
unter dem 29. December 1824 zugestellt, betreffend die Zahlung
der verfallenen Bergwerkspacht von 1811 bis incl. 1823 im Belaufe
14
von 268.710 holl. Gulden 69 1/2 Cens oder ungefähr 570.000
Francs.
Die Sache war beim Civilgericht zu Lüttich anhängig ge-
macht worden und wurde unter’m 28. Juli 1826 wie folgt
entschieden :
”Der Gerichtshof”;
”In Erwägung, daß die Ausbeutung der Vieille Montagne
unter der Österreichischen Regierung in vollem Betriebe war und
gleich allen Gütern und Renten, welche diese Regierung im
Lande Limburg in Besitz hatte, ein Privat-Eigenthum (propriete
particuliere) bildete;
”daRß nachdem die französische Regierung der vorhergehenden *
gefolgt war, das Etablissement des Galmeiberges sich nicht ver-
ändert hatte und so wie es war, als ein Privat-Eigenthum auf
die französische Regierung übergegangen war, welche mit
der Ausbeutung gleich der österreichischen fortgefahren hat;
”daß, nachdem das Gesetz vom 28. Juli 1791 die Bergwerke und
Gräbereien zur Verfügung der Nation gestellt hatte, die Regie-
rung zufolge des Concessionsrechtes, welches jenes Gesetz in ihre
Hände gelegt hatte, für gut gefunden, den Grenzen, in welchen
ihr Etablissement eingeschränkt war, eine größere Ausdehnung
zu geben;
”daß in diesem Zustande der Dinge die Regierung, welche nicht
selbst den Betrieb führen wollte, nach ihrem Belieben darüber
verfügt und ihn auf einen Zeitraum von fünfzig Jahren durch
öffentlichen Zuschlag vergeben hat (mis en adjudication);
”daß sie dadurch eine wirkliche Verpachtung vorgenommen hat,
nach den bei Verträgen gewöhnlichen Regeln;
”daß die Abgabe von 40.500 Franken nicht in die Classe der
steuermäßigen (redevances contributives), welche das Gesetz den
Bergwerken auferlegt, gerechnet werden könne;
”daß sie der Preis war für die zeitweilige Nutznießung (jouissan-
ce), welche die Regierung durch ihren Pächter zu besitzen
fortfährt; daß sie durch den Art. 41 des Gesetzes aufrecht
erhalten worden war, indem der Vertrag eine zeitweilige Abtre-
tung von Grund und Boden und bereits errichteten und in Betrieb
befindlichen Etablissements betrifft;
”daß folglich die Beklagten das Gesetz vom 21. April 1810 nicht
auf sich anwenden konnten, weder in Bezug auf das unwiderruf-
liche und absolute Eigenthum der Bergwerke, noch in Bezug auf
die Aufhebung der Abgaben;
s 15
verurtheilt aus diesen Gründen den Herrn Mosselman zur Zah-
lung der geforderten Summe als Hauptpreis der in Rede stehen-
den Pacht sowohl, als auch an Statt der neuen Abgaben. Er
verutheilte gleichzeitig den Herrn Chaulet Vater, als Mitbethei-
ligten, dem Herrn Mosselman für die Hälfte der vom 1. Juni 1814
bis 17. September 1819 (an welchem Tage die Nutznießung der
Herrn Chaulet Vater, aufgehört) aufgelaufenen Rückstände Dek-
kung zu gewähren.
Dieses Urtheil, welches in seinen Motiven schlagende Wider-
sprüche enthielt, und in welchem der Richter bei Anführung des
Art. 40 des Gesetzes vom 21. April 1810, die mit seiner
Argumentation unvereinbaren Worte: ”... oder endlich auf
Grund von Pachtungen und öffentlichen Zuschlägen zum Vortheil
der Domänen-Verwaltung an den Staat bezahlten Abgaben ...
sollen wegfallen ...’” ausgelassen hatte, in welchem er ferner, bei
Berufung auf den Art. 41 desselben Gesetzes, welches ”’die unter
dem Titel von Renten oder Prästationen irgend welcher Art, für
Abtretung von Grund und Boden, dem bestimmten Text des
Gesetzes die Worte ”’zeitweilige Abtretung von Grund und
Boden”’ substituirt hatte; dieses Urtheil sage ich, wurde folgenden
ausgezeichneten Advocaten zur Begutachtung vorgelegt:
Vom Barreau zu Lüttich, den Herrn de Sauvage (gegenwärtig Präsi-
dent am Cassationshofe); Raikem (gegenwärtig General Procurator
am Gerichtshof zu Lüttich); de Wandre, Teste, J.F. Lesoinne und
Charles Bellefroid; Vom Barreau zu Brüssel, den Herren A.
Gendebien Sohn, Barthelemy und Dotrenge, diese beiden letzteren
damals Mitglieder der Generalstaaten; endlich vom Barreau zu
Aachen dem Herrn Pelzer,
Alle erklärten, daß der Gerichtshof zu Lüttich durch das
soeben angeführte Urtheil die Grundlage des Gesetzes vom 28.
April 1810 verkannt und den ausdrücklichen Text desselben
verletzt habe.
Es wurde gegen dieses Urtheil Appell eingelegt, und nach
langen Verhandlungen erließ der Appellhof von Lüttich am 6.
März 1828 sein Urtheil :
”In Erwägung” - heißt es darin unter andern Motiven, - ”daß
aus den Grenzbestimmungen (vom 30. Ventöse des Jahres XIV) und
aus den Acten des öffentlichen Zuschlags (vom 26. Frimaire des
16
Jahres XIV) in Verbindung mit dem Bedingungs-Verzeichnis
(cahier des Charges) hervorgeht :
”daß es die Absicht der Regierung gewesen ist, eine wirkliche
(veritable) Concession im Sinne des Gesetzes vom 28. Juli 1791 zu
ertheilen, deren Grenzen, ohne irgend einen Einspruch des
Grund-Eigenthümers auf neun Stunden Umfang festgesetzt wor-
den : -
”In Erwägung, daß dies die Sachlage war, als das Gesetz vom 21.
April 1810 erschien, welches Bestimmungen enthält, die auf jede
Art der damals in Betrieb stehenden Bergwerke anwendbar sind;
”In Erwägung, daß die dem Herrn Dony beim öffentlichen Zuschlag
gestellten Bedingungen nur in so weit bestehen konnten, als sie nicht ”
durch jenes Gesetz aufgehoben wurden, und folglich der genannte
Dony nach dem Art. 51 des Gesetzes unantastbarer Eigenthümer
des verliehenen Bergwerks wurde.
”In Erwägung ferner, daß die Absicht des Gesetzgebers gewesen ist :
1) die einfachen Bewilligungen zum Betrieb der Bergwerke unent-
geltlich zu ertheilen;
2) dieselben zur Aufmunterung dieses wichtigen Industriezweiges,
mit Auferlegung einer ganz leichten Taxe zur Deckung der
Kosten einer schützenden Beaufsichtigung zu begünstigen;
3) die Rechte der ersten Finder und derjenigen, welche die Kosten
und Gefahren getragen haben, für die vergangene Zeit aufrecht
zu erhalten und für die Zukunft zu sichern;
4) daß endlich die Abgabe von 40.500 Francs nothwendiger Weise
zu denen in Art. 41 des Gesetzes aufgeführten gehört; denn sie
würde auf keinen Fall anwendbar sein, wäre sie es nicht auf den
Gegenstand eines legalen Besitzes, der gleichbedeutend ist mit
einem Eigenthumsrechte und unbewegliche Gegenstände‘ um-
faßt, welche von der Instandsetzung des Betriebs herrühren, der
seit undenklicher Zeit, bis zur Concession vom 24. März 1806,
immer in Tätigkeit war; hat der Appellhof die Appellation und
den Gegenstand derselben verworfen; die Sache selbst ange-
hend, verurtheilt :
1) Chaulet direct zu der Hälfte der Abgabe von 40.500 Francs
für die Jahre 1817, 1818 und bis zum 17. September 1819;
2) M. Mosselman zu der anderene Hälfte und zur Zahlung der
späteren Rückstände, nicht des Pachtzinses (fermages), sondern
der Abgaben (redevances), nicht als Pächter, sondern als Conces-
sionär, nicht für die Dauer einer Pachtung, sondern iür so lange,
als er in Besitz des Betriebes (exploitation) bleibt”.
a7
Beide Partheien suchten Cassation nach; die Gesuche sind
durch Beschluß vom 24. Juni 1829 abgewiesen worden. Es sey mir
erlaubt, hier daran zu erinnern, daß es im Jahre 1829 eine
Kammer des Appellhofes von Lüttich war, welche als Cassations-
hof in allen Sachen seines Ressorts bei verschlossenen Thüren
berieth und erkannte.
Was das Gesuch des Herrn Mosselman in der Hauptsache
betrifft, so hat der Hof in Erwägung gezogen, daß die Abgabe von
40.500 Frances nur als Preis der von der Regierung, in ihrer
Eigenschaft als Eigenthümerin der Vieille Montagne, dem Unter-
nehmer (adjudicataire) zuerkannten Nutznießung anzusehen und
folglich nicht von derselben Natur sey, wie die durch den Art. 40
aufgehobenen Abgaben, daß sie vielmehr durch den Art. 41
aufrecht erhalten worden sey.
Über den Incidenzpunkt in dem Gesuch der Regierungen hat
der Cassationshof in Erwägung gezogen, daß es Princip sey, daß
die ganze Gewalt und alle Wirkungen eines Urtheils oder eines
Spruches (arret) in seinem Dispositiv enthalten seyen; daß das
Dispositiv des Appell-Urtheils keine Bestimmung enthalte, welche
das Eigenthum der Vieille Montagne dem Herrn Mosselman
übertragen oder zuerkannt habe, oder welche bewiese, daß die
Wohltat des Art. 51 des Gesetzes vom 21. April 1810, auf ihn
angewandt worden wäre. Was diesen Punkt betrifft, war der
Cassationshof der Meinung, daß die Eigenthumsfrage unberührt
(entiere) geblieben sey; durch die Motive vorbeurtheilt (prejugee),
aber keine abgeurtheilte Sache constituirend.
Wie dem nun auch sey, da dies Dispositiv des Cassations-
spruches nun in der einfachen und alleinigen Abweisung der
beiden Gesuche bestand und der höchste Gerichtshof nicht den
Beruf hatte, die in der Appell-Instanz erlassenen Entscheidungen
zu modificiren oder zu interpretiren, so ist es lediglich der
Beschluß des Lütticher Appellhofes vom 6. März 1828, welcher
den Titel feststellt, wonach sich die Rechte der Partheien
reguliren. Sie haben aber gesehen, daß dieser Beschluß dem
Verdingungs-Act vom 24. März 1806 Eigenschaften einer wahr-
haften Concession im Sinne des Gesetzes vom 28. Juli 1791, so
wie alle Vortheile des Art. 51 des Gesetzes vom 21. April 1810 in
Bezug auf das Eigenthum der Exploitation beigelegt hat.
18
Diese Meinung wird durch die des Herrn Delebecque,
General-Advocaten am belgischen Cassationshofe, bestätigt. Die-
ser gelehrte Rechtskundige bespricht den Beschluß vom 6. März
1828 in seinem Traite sur la legislation des mines francaises et
belges, Ausgabe 2, Seite 283. Art. 971, und ist der Ansicht, der
Appellhof habe mit Recht angenommen, daß die Adjudication
\Jem Herrn Dony eine wahrhafte Concession übertragen habe :
der Beschluß des Cassationshofes vont 24. Juni 1829 hat in seinen
Augen keine andere Wirkung, als die einer reinen einfachen
Abweisung der Cassationsgesuche. Außerdem haben gewichtige
Interpretationen als unbestreitbar festgestellt, daß der Beschluß
vom 6. März nicht allein ein vorläufiges Urtheil (prejug®) d.h. ,
eine sichere aber noch nicht formulirte Entscheidung) über das
Eigenthum enthalte, sondern noch mehr als dies, endgültige,
souveräne und unwiderrufliche Entscheidung, welcher der Auto-
rität der abgeurtheilten Sache beiwohnt.
Dies war, im Jahre 1833, die einstimmige Überzeugung der
Herren Verhaegen d. Aelt., Blargnies, Wyns de Raucour und
Barbanson, ausgezeichneter Rechtsgelehrten zu Brüssel, welche
jetzt, der erstere Präsident der Repräsentantenkammer, der
zweite Rath am Appellhofe, der dritte Mitglied des Senats sind :
im Jahre 1837 : der Herren Odilon Barrot, Berryer, Philippe
Dupin und Dalloz, der Elite des Barreau’s von Paris; im Jahre
1838 : des Herrn Pelzer, berühmten Advocaten von Aachen, und
der Herren Sandt, Reinhardt und Kunowski, ausgezeichneter
Rechtsgelehrten zu Berlin.
Alle haben anerkannt, daß das unantastbare (incommutable)
Eigenthumsrecht des Herrn Mosselman auf der unumstößlichen
Grundlage der durch Ausspruch (arre&t) vom 6. März 1828
abgeurtheilten Sache beruhe, und durch keine ordentliche Macht,
welche sich auf das Recht und nicht auf die Gewalt stütze,
wiederum in Frage gestellt werden könne. (1)
Zu dieser Autorität der Wissenschaft in Betreff der Stärke
unseres juristischen Rechtstitels gesellt sich eine neue glänzende
Bestätigung in Bezug auf die Begründung unserer Rechte.
Es ist die der zu Paris erlassenen Entscheidungen; die eine
von dem Civil-Gerichtshof am 21. Februar 1840, die andere vom
Königlichen Gerichtshof am 9. Januar 1841; beide in dem von der
1) Die eigenen Worte der französischen Consultationen vom 15, Dez. 1837,
19
preußischen und belgischen Regierung gegen die Erben Chaulet
erhobenen Processe.
Sie erinnern sich, daß Herr Chaulet zu gleicher Zeit mit
Herrn Mosselman im Jahre 1828 verurtheilt wurde, an beide
Regierungen die Hälfte der Abgaben für die Jahre 1817, 1818
und 1819, letztere bis zum 17. Septbr. zu zahlen. Seine Schuld
belief sich für diese auf etwa 50.000 Frances.
Wegen der Bezahlung dieser Summe sind die Erben Chaulet
im Jahre 1840 bei den französischen Gerichten verklagt worden,
und es ist ihnen zugestanden worden, die von den belgischen
Gerichten entschiedenen Fragen von neuem zur Discussion zu
bringen. L
Der Gerichtshof von Paris wies die Klage von Preußen und
Belgien ab, und vernichtete demzufolge das Urteil des Lütticher
Gerichtshofes, soweit es Chaulet und die Frage der früheren
Abgaben betraf, aus folgenden Gründen :
”daß Frankreich, an dessen Stelle jetzt die klagenden Regierun-
gen auftreten, niemals die Galmeiwerke der Vieille Montagne
anders als in Kraft des Titels der Landeshoheit (souverainete®)
besessen habe;
”daß das Französische Gouvernement, als es im Jahre 1806 dem
Herrn Dony die Concession dieser Bergwerke, nach geschehener
Erweiterung der Grenzen ihres Grubenfeldes, zugeschlagen, eine
wirkliche Concession im Sinne des Gestzes vom 28. Juli 1791
ertheilt habe;
”daß diese Concession die ganze Anwendung des Gesetzes vom
21. April 1810 erhalten mußte; daß mithin die im Jahre 1806 im
Betrage von 40.500 Francs Abgabe, zufolge der förmlichen und
bestimmten Anordnung des Art. 40 dieses Gesetzes, zu bestehen
aufgehört habe.
”daß der Concessionär, der Kraft des Art. 10 des Gesetzes von
1810 zum unantastbaren Eigenthümer der Bergwerke geworden,
höchstens genöthigt werden könne, nach Art. 41 des genannten
Gesetzes, den Werth von 4 Hectaren Grund und Boden, von
einigen Gebäuden und Maschinen zu berechnen, welche allein
Eigenthum des Staates, als Gegenstand einer Güter-Abtretung
(cession de fonds) hätten betrachtet werden können; daß aber die
vorliegende Klage sich nicht auf die Zahlung seiner Summen
bezöge, sondern einzig und allein auf die Zahlung der Abgabe
20
von 40.500 Frs.,welche offenbar in Aussicht auf den vom Bergbau
abzuwerfenden Gewinn des Bergwerks und nicht der zur Conces-
sion gehörigen Nebendinge festgestellt war.”
Dieses so kräftig begründete Urtheil des Civil-Gerichtshofes
der Seine wurde dem Königl. Gerichtshofe zu Paris unterbreitet
und in der zweiten Sitzung auf der Bank, und ohne nur das Ende
der Vertheidigung der Erben Chaulet abzuwarten, von demselben
bestätigt;
Ich muß hier hinzufügen, daß bei Gelegenheit der Appella-
tion der beiden Regierungen, der belgische Minister seinem
Advocaten, Herrn Porcher de la Fontaine, besondere und sehr
bestimmte Instructionen ertheilte aus welchen ich folgenden
wichtigen Auszug entnehme.
”Was die Frage von dem Eigenthum des Bergwerks der
Vieille Montagne betrifft, so ist sie nach unserm Dafürhalten der
gegenwärtigen Streitsache ebenso fremd, als sie es Herrn Chaulet
ist; für den Fall aber, daß sie in der Verhandlung berührt werden
sollte, müßte die im Namen der belgischen Regierung zu beo-
bachtende Haltung und Sprache mit der Ansicht, welche sie
bereits durch das Organ eines ihrer Mitglieder ausgesprochen
hat, übereinstimmen, nämlich :
”daß selbst in der Voraussetzung, der Concessionär sei nicht
befugt zu behaupten, daß diese Frage bereits abgeurtheilt sei,
man nichtsdestoweniger anerkennen müsse, daß das Urtheil vom
6. März 1828, eine Vor-Entscheidung (prejug€) zu seinen Gun-
sten feststellte, die sich jedem neuen Anspruch der Regierung auf
ein Eigenthum, welches uns durch Art. 51 des Gesetzes vom 21.
April 1810 dem Concessionär und seiner Familie endgültig
verliehen worden zu sein scheint, entgegen stellen muß.”
Der Minister sagt ferner in dieser Instruction, daß er, indem
er die Ausführung dieses definitiven Urtheils betreibe, nicht
gesonnen sei, die Motive desselben zu verwerfen, noch den Sinn
desselben zu verdrehen, daß er für Recht halte, es vollständig zu
acceptiren.””
Es würde schwer halten, ein Recht auf gewichtigere Titel und
zahlreichere Stützpunkte zu begründen. Demnach können wir
den vorhergehenden noch einige andere anreihen.
21
Die Revolution von 1830 hatte Herrn Mosselman den drin-
genden Forderungen der belgischen und preußischen Regierung
wegen Deckung der durch die Urtheilssprüche aufrecht erhalte-
nen Abgaben ausgesetzt. Klagen waren bereits eingeleitet, da
versuchte Herr Mosselman Unterhandlungen anzuknüpfen und es
gelang ihm, sich successive, 1831 mit Preußen und 1833 mit
Belgien, abzufinden. Diese Vergleiche bezweckten die Ermäßi-
gung des Betrags der durch das Urtheil anerkannten Rückstände
und die Herabsetzung der jährlichen Abgaben für die Zukunft.
Einige Belege in Bezug auf die Vollziehung jener Übereinkünfte
werden hier am Platze sein und bilden die nothwendige Ergän-
zung meiner Arbeit.
Als im Jahre 1835 zu Brüssel in der Sitzung der Repräsen-
tanten-Kammer vom 22. December ein Mitglied die Mittheilung
des in Betreff des Galmeiberges zu Moresnet abgeschlossenen
Vergleiches verlangte, in welchem er eine Verfügung über einen
Theil des Staats-Eigenthums zu erblicken glaubte, antwortete
der Finanz-Minister Baron d’Huart : daß der jetzige Eigenthümer
ein bedeutendes Capital eingezahlt habe; daß, wenn die Kammer
von der Sache Kenntniss zu nehmen verlange, er sich beeilen
würde, die desfallsigen Acten vorzulegen. Die Versammlung,
sagte er, würde daraus ersehen, daß die Rechte des Staates
sorgfältig gewahrt seien und daß der jetzige Eigenthümer jährlich
eine Summe von 7500 Francs als Abgabe bezahle.”
In der Sitzung vom 23. wurden die Acten auf das Büreau der
Kammern niedergelegt und im Moniteur Nro. 363 vom 28.
December 1835 veröffentlicht.
Eine Commission wurde mit deren Untersuchung beauftragt;
sie bestand aus den Herren Milcamps, Kervyn, Liedts, Zoude,
Heptia, Desmanet de Biesme und Coppieters.
Herr Milcamps, zum Berichterstatter ernannt, faßte nach
geschehener Berathung und im KEinverständnisse mit seinen
Collegen, seinen Bericht ab; der Antrag ging dahin, daß die
Kammer in dieser Sache keinen Beschluß zu fassen habe.
Dieser vor 10 Jahren abgefaßte Bericht ist nicht vorgelegt
worden. In einer Instruction, welche derselbe Finanzminister
unterm 11. August 1838 an den belgischen Commissär bei
der Verwaltung des neutralen Gebietes erließ, drückte er sich
folgendermaßen aus :
22
”Das Urtheil vom 6. März 1828 hat, obwohl es in der
Hauptfrage der Abgaben zu Gunsten der Domaine entschied,
erklärt, daß Herr Dony, Vorgänger des Herrn Mosselman, Kraft
des Artikels 51 des Gesetzes vom 21. April 1810, zum unantast-
baren Eigenthümer des concessionnirten Berwerkes geworden Sei.
”Diese Ausdrücke finden sich zwar nur in den Motiven des
Urtheils, allein sie sind in Verbindung mit dem Dispositiv,
welches Herrn Mosselman verurtheilt, die Abgaben so lange zu
entrichten als er im Besitz des Grubenfeldes bleibe : dies beweist,
daß der Besitz als ein solcher anerkannt worden ist, dessen Wesen
sich durch die dem Herrn Mosselman in den Motiven beigelegte
Benennung : Unantastbarer Eigenthümer (proprietaire incom- .
mutable) erklärt.”
Dieser Minister erklärt demzufolge am Schluß seines Schrei-
bens, daß der Beschluß des Lütticher Appellhofes sich jedem
neuen Anspruch der Regierung auf ein dem Concessionär defini-
tiv zuerkanntes Eigenthum opponiere.
Diese hohe Würdigung des Rechts und der abgeurtheilten
Sache findet übrigens ihre moralische Sanction in der ganz
besonderen Natur der Thatsachen.
Denn, wenn eine unter der Geltung des Gesetzes vom 28.
Juli 1791 . erlangte Concession die Anwendung des Gesetzes vom
21. April 1810 verdient hat, so ist es doch gewiß die, deren Zweck
die Wiederherstellung und Ausdehnung alter, in Verfall gerathe-
ner, bergbaulicher Anlagen, die Benutzung des Galmei-Erzes zur
Darstellung eines neuen Metalles, endlich die schwierige, müh-
same und langwierige Aussuchung der Absatzquellen für ein bis
dahin unbekanntes Product war.
Und wenn es Concessionäre gibt, deren Arbeiten und Lei-
stungen die Voraussicht, die Principien und den Zweck des
Gesetzes von 1810 gerechtfertigt haben, sind es nicht diejenigen
der Vieille Montagne, die nach vierzigjährigen Bemühungen mit
unendlichen Schwierigkeiten kämpfend und durch Opfer aller
Art, vermittelst ihrer Capitalien und ihres unermüdeten Fort-
schreitens die Bearbeitung der Galmei-Erze erweitert und vervoll-
kommnet haben ? neue Lager im Umfang ihrer Concession ent-
deckt und aufgeschlossen und neue Anlagen gegründet, sowie
dem: Zinkhandel in ganz Europa einen neuen Impuls verliehen
23
und für Preußen wie für Belgien unversiegbare Quellen von
Arbeit und Reichtum eröffnet haben ?
In Anerkennung des glücklichen Einflusses jener Ergebnisse,
wie der Unvergänglichkeit unserer Rechte, hat in Belgien ein
Königlicher Erlaß vom 22. Februar 1847 die Dauer unserer
Gesellschaft vom 1. Januar 1837 ab auf 90 Jahre festgestellt, mit
der Befugniss, bei Ablauf dieser Frist ihr Bestehen auf einen
neuen Zeitraum von 90 Jahren zu verlängern.
RECAPITULATION UND SCHLUSS
Dies sind, meine Herren, die bisher größtentheils unbekannt
gebliebenen officiellen Urkunden, welche den durch die Lüstern-
heit rivalisirender Interessen absichtlich verbreiteten und genähr-
ten Irrthum : ”daß die Concession der Vieille Montagne nur
temporär sei’ vollständig zerstören.
Diese Urkunden, denen ich noch viele andere von gleicher
Authenticität hätte beifügen können, verleihen unseren Rechten
an die immerwährende Concession Gewißheit und die Kraft der
Wahrheit.
Sie ergeben in der That, bis zu Evidenz, den Beweis für
folgende Thatsachen :
1) Seit den ältesten Zeiten bis zur Publication des Gesetzes vom
28. Juli 1791 haben die Landesherren, welche in der Regierung
des Herzogthums Limburg aufeinander gefolgt sind, die Galmei-
Gruben der Vieille Montagne unter demselben Titel ausgebeutet,
verpachtet oder concedirt, wie alle übrigen Berwerke dieses
Herzogthums, d.h. nicht unter dem Titel von Privat-Domänen,
sondern Kraft des der Landeshoheit zustehenden herrschaftlichen
Privilegiums : den ausschließlichen Nutzen aus den verborgenen
Schätzen und den in der Erde gelegenen Erzen jeder Art zu
ziehen.
2) Das Gesetz vom 28. Juli 1791 hat die Abschaffung dieses
Herrschaftlichen Rechtes des Landesherren über die Bergwerke
decretirt, es hat die Letzteren zur Verfügung der Nation gestellt
mit ausschließlicher Gewalt, sie in Concession zu vergeben und zu
beaufsichtigen, und hat zu gleicher Zeit festgesetzt (Art. 4), daß
keine Concession länger als 50 Jahre dauern solle.
24
3) Unter Geltung dieses Gesetzes und bei diesem System tempo-
rärer Concession, waren, wie der Berichterstatter beim gesetzge-
benden Körper Frankreichs, Herr Graf Stanislaus de Girardin
gesagt hat, die Gewerken oder Grubenbesitzer (exploitants de
mines) eigentlich nichts anders als Staatspächter.
4) Am 30. Ventöse an XIII (20. März 1805) verordnete die
französische Regierung, daß die Bergwerke des sogenannten
Altenberges unverzüglich in Concession vergeben werden sollten,
und zwar in einer vorher begrenzten Ausdehnung von neun
Lieues, in welcher die Domänen-Verwaltung höchstens 3 bis 4
Hectare Grundbesitz hatte.
5) Diese, von dem Präfecten des Departements der Ourthe am”
26. Frimaire an XIV (16. December 1805) dem Herrn Dony, an
dessen Stelle jetzt unsere Gesellschaft getreten ist, auf die Dauer
des gesetzlichen Maximums von fünfzig Jahren und in dem Sinne
der Allgemeinen Bedingungen vom 28. Juli 1791 öffentlich
zugeschlagene (adjugee) Concession ward durch Kaiserl. Decret
vom 24. März 1806 bestätigt (homologu&e).
6) Der Herr Dony war seit vier Jahren ausbeutender Concessionär
der Vieille Montagne, als das Gesetz vom 21. April 1810 erschien:
es schuf - in der Absicht dem Bergbau eine neue Tätigkeit und
Entwicklung zu geben - ein neues Eigenthum : dasjenige der
Bergwerke -, unterschieden von dem Eigenthum des Grund und
Bodens; es führte anstatt der Ungleichheit der alten Abgaben für
alle Bergbautreibenden ein gleichmäßiges System fixer und pro-
portioneller Steuern ein, und decretirte (Art. 51), daß alle älteren
Concessionäre als dieses Gesetz, vom Tage seiner Publication an,
unantastbare Eigenthümer seien.
7) In Folge dieses neuen Princips, wurden alle Concessionen, aus
temporären, wie sie nach den Bestimmungen des Gesetzes von
1791 waren, zu immerwährenden (perpetuelles).
Alle mit rechtmäßigem Titel Bergbautreibenden ohne Aus-
nahme, die bis dahin Pächter des Staates waren, wurden zu Eigen-
thümern.
8) Vom 1. Januar 1811 ab, wo das Gesetz von 1810 in Kraft trat,
bis 1814, wo die französische Herrschaft in Belgien zu Ende ging,
war das Bergwerk der Vieille Montagne, wie alle anderen
Concessionen, in das Register der concessionirten Bergwerke
eingetragen und nach der Rolle der neuen Abgaben besteuert.
25
Während dieser vier Jahre erhob die französische Regierung
lediglich diese Abgaben und regulirte sie, auf das Verlangen des
Herrn Dony nach dem Abonnements-Modus, welchen das Gesetz
(Art. 35) zu Gunsten der Bergwerks-Eigenthümer gestattete.
9) Der Grenzvertrag vom 26. Juni 1816, welcher das concessio-
nirte Gebiet theilte, stellte gleichsam die Einheit der Concession
und die Rechte des Concessionärs unter den Schutz des öffentli-
chen Rechts, und zwar durch die ausdrückliche Bestimmung des
Art. 31: ”daß eine etwaige Änderung der Herrschaft oder
Regierung den Rechten der Herren Dony und Consorten in
Betreff der Ausbeutung des Galmei’s keinen Nachteil bringen, so
daß seine Concession in allen Fällen unangetastet bleiben solle.”
10) Als im Jahre 1828, bei Gelegenheit der von den Commissa-
rien des neutralen Gebiets angestellten Klage auf Bezahlung der
alten Abgaben, der Lütticher Appellhof die Natur und die
Wirkungen des Titels, unter welchem sich Herr Dony seit dem 24.
März 1806 im Besitz der Vieille Montagne befand, zu beurtheilen
hatte, erklärte er, ”’daß die Absicht der französischen Regierung
gewesen sei, eine wirkliche (veritable) Concession im Sinne des
Gesetzes vom 18. Juli 1791, deren Grenzen ohne irgend einen
Einspruch der Grund-Eigenthümer auf neun Stunden Umfang
festgesetzt worden waren, zu verleihen;
”daß die Bestimmungen des Gestzes von 1810 auf jede Art von in
Betrieb stehenden Bergwerken anwendbar seien;’”
”daß folglich Herr Dony unantastbarer Eigenthümer des conce-
dirten Bergwerks geworden sei.”
11) Diese Entscheidung über die Eigenthumsfrage, welche in der
Debatte mit der Hauptfrage über die alten Abgaben in nothwen-
digem Zusammenhang stand, war übereinstimmend mit der im
Jahre 1823 von den Berichterstattern, Herren Stanislaus de
Girardin und Gendebien Vater, im Schoße des gesetzgebenden
Körpers Frankreichs ausgesprochenen Meinung. Sie ist ferner im
Einklang mit der einstimmigen Ansicht mehrerer der ausgezeich-
neten Rechtsverständigen von Paris, Berlin, Brüssel, Lüttich und
Aachen.
12) Sie hat die positive Zustimmung der belgischen Minister
erhalten, als diese in den Jahren 1838 und 1840 in dem Falle
waren, amtliche Instructionen bezüglich der Vollziehung des
endgültigen Urtheils vom 6. März 1828 zu ertheilen, indem diese
26
Minister keinen Anstand nahmen, zu erklären, daß dieses Urtheil
sich jedem künftigen Anspruch der Regierung auf ein Eigenthum,
welches der Art. 51 des Gesetzes von 1810 nach ihrer Ansicht dem
Concessionär und seinen Rechtsnachfolgern definitiv zugespro-
chen habe, wiedersetzen würde.
13) Endlich hat eine hohe und letzte Sanction die immerwäh-
1ende Dauer (perpetuite) unserer Anrechte bestätigt und gehei-
ligt, die des Königlichen Gerichtshofes von Paris, der zwischen
denselben Partheien und über dieselben Fragen, wie die durch
den Lütticher Appellhof entschiedenen, durch seinen Beschluß
vom 14. März 1841 in letzter Instanz entschieden hat, daß der
Act vom Jahre 1806 eine wahrhafte Bergwerks-Concession im .
Sinne des Gesetzes von 1791 sei; daß Herr Dony, welcher bis zum
1. Januar 1811 Concessionär auf Zeit wie alle anderen war, durch
die Wirkung des Art. 51 des Gesetzes von 1810, wie jene,
immerwährender Concessionär und Eigenthümer seiner Berg-
werke in aller Form geworden sei.
SCHLUSS
Angesichts dieser unwiderstehlichen Verkettung von Thatsa-
chen, Beweisen und gewichtigen Autoritäten, kann die Geseil-
schaft der Vieille Montagne, stark durch die übereinstimmenden
Rechtssprüche des Appellhofes von Lüttich und des Königlichen
Gerichtshofes von Paris, ohne Scheu den Gerüchten freien Lauf
lassen, welche sich über die Dauer ihres Bestehens mehr oder
minder feindselig aussprechen. Denjenigen, welche sich davon
beunruhigen lassen, kann sie nur die eine Antwort geben :
Nämlich ihnen, mit den Herren Odilon Barrot, Berryer,
Dalloz und Philippe Dupin in den kräftigen Ausdrücken ihrer
Schlußfolgerungen vom 15. Dezember 1838 sagen :
daß ihr Recht des unantastbaren Eigenthums auf der unzer-
störbaren Grundlage der abgeurtheilten Sache beruht und durch
keine, auf das Recht und nicht auf die Gewalt gestützte,
regelmäßige Macht wieder in Frage gestellt werden kann.
27
Aus der Pfarrgeschichte Hergenraths
(4. Fortsetzung)
von Alfred Bertha
In der dritten Folge zur Pfarrgeschichte Hergenraths (1)
hatten wir darzustellen versucht, wie in den Jahren 1824-1842 die
anfänglichen Umbaupläne der Hergenrather Kirche dem Gedan-
ken Platz machten, daß nur ein Neubau die Lösung der Raum-
probleme bringen könne. Es wurde auch gezeigt, welche Mittel
und Wege zur Finanzierung erwogen und eingeschlagen wurden.
1842 waren die Pläne des Baukondukteurs Habes so weit gedie-
hen, daß die Gemeinde das Brennen der Ziegel vergeben konnte,
als die Regierung in Aachen völlig überraschend die Baupläne in
der vorliegenden Form ablehnte. Der Gegenvorschlag von Regie-
rungs- und Baurat von Heinz stieß jedoch bei der Hergenrather
Bevölkerung und vor allem beim Gemeinderat auf heftigsten
Widerstand. Den von Heinz vorgeschlagenen Raum mit flacher
Decke und ohne Säulen (-eine rechteckige Halle im Verhältnis
1:2-) sahen die Hergenrather nicht als ein Gotteshaus, sondern als
einen Tanzsaal an; auch auf den hohen Kirchturm wollten sie auf
keinen Fall verzichten, da erst eine solche hohe Kirchturmspitze
dem Bau, wie sie sich äußerten, ”ein katholisch kirchliches
Aussehen” verleihe. Ebenso waren sie gegen den von Heinz
geplanten runden Chorschluß, da die Einbeziehung der Neben-
räume in die Umfassungsmauern den Altar einschnüre und
gerade dort Raum wegnehme, wo er am nötigsten gebraucht
werde. (Bei dem Plan v. Heinz lagen zwei Sakristeien bzw.
Nebenräume rechts und links des Altares, innerhalb der Längs-
mauern, waren also nicht wie üblich vorgebaut. (Siehe Skizze in
Nr. 19, S. 33).
Der Regierung‘ hatte von Heinz den Landbauinspektor
Cremer oder Baumeister Ulich für die Ausarbeitung der Pläne für
ein neues Gotteshaus in Hergenrath vorgeschlagen. Cremer wurde
am 21. November 1842 mit dieser Aufgabe betraut. (2)
Johann Peter Cremer verfügte über eine große Erfahrung
sowohl im Profan- wie im Kirchenbau. Da jedoch das Habessche
Projekt auch von ihm als ”unter null’”’ eingestuft wurde, konnte er
dieses nicht als Vorarbeit benutzen. Die Regierung drängte auf
eine schnelle Ablieferung des Entwurfs, doch Cremer ging die
28
Sache ohne Hast an. Auch dem gewandtesten Architekten sei es
nicht möglich, innerhalb einer so kurzen Frist, wie der von der
Regierung anberaumten, ein solches Projekt zu entwerfen, meinte
er.
Dem am 20. Februar 1843 an die Regierung eingesandten
Entwurf legte der Landbauinspektor ein Begleitschreiben bei, in
dem es hieß, er habe sich nach dem Sinne des genannten
Dekretes (3) und auch nach den Anforderungen des Bürgermei-
sters gerichtet. Der Wunsch der Gemeinde nach einer dreischif-
figen Kirche sei unabdingbare Voraussetzung (”’conditio sine qua
non”) gewesen. Durch eine bessere Wahl der Konstruktionsmittel
sei es ihm übrigens gelungen, unter der veranschlagten Summe zu -
bleiben.
Von Heinz nannte Cremers Entwurf beifallswürdig. Die
Anwendung des Rundbogenstils gebe dem Bau ein würdiges
Aussehen; dieser sei ein interessantes Denkmal. Der Regierungs-
und Baurat plädierte dafür, daß man Habes 1/3 der Gebühren,
Cremer aber 2/3 zugestehe. Die Gemeinde hatte jedoch inzwi-
schen Habes mit der Ausarbeitung eines Schulprojektes betraut
und auf ihren ausdrücklichen Wunsch hin erhielt der Baukon-
dukteur sein volles Honorar von 142 Taler, 19 Sgr, 6 Pf, während
Cremer 149 Taler, 5 Sgr und 2 Pf erhielt.
Da die Regierung dem Projekt ebenfalls ihre Zustimmung
gab, konnte nun endlich mit dem Kirchenbau begonnen werden,
nachdem auf Wunsch der Gemeinde der Plan dahingehend ab-
geändert worden war, daß die vorgesehenen in Ziegeln ausge-
fürten Pfeiler durch solche aus Werkstein ersetzt wurden. Dies
verursachte bedeutende Mehrkosten, doch genehmigte die Regie-
rung nachträglich die dazu notwendige Kostenanschlagserhö-
hung. (4)
Über den Baubeginn schreibt der Gemeindechronist von
Lasaulx :
”Mit dem Bau der neuen Kirche konnte endlich im Laufe
dieses Jahres vertrauend auf den Beistand und Segen Gottes
vorgegangen werden. Die Gemeinde hatte schon im Jahre 1837
die zum Bau der neuen Kirche ausersehene Stelle, eine Wiese
ganz in der Nähe des neuen Schulgebäudes, genannt ”’Pley’’, von
den Erben Hahn zu 214 Thaler, 19 Sgr, 1 Pf angekauft. Der vom
30
Verdinggabe der neuen Kirche. Nachdem die einzelnen Titel des
Kostenanschlages zum Verding ausgestellt worden, und darauf ein
Abgebot von 484 Thalern erfolgt war, wurde der ganze Bau zu
11.595 Thaler ausgesetzt und nach mehreren Abgeboten dem Herrn
Hubert Krott aus Eynatten mit einem Abgebote von 2,5% von
vorstehender ermittelter Hauptsumme unter Bürgschaft des bei-
geordneten Bürgermeisters Johann Wilhelm Schmetz und Ma-
thias Laschet zu Hergenrath zugeschlagen. Am 18. September
1843 wurde der Grundstein zu diesem Bau im Fundament des
Thurmes feierlich gelegt ...”
ä Die Segnung des Grundsteines wurde entweder von Landde- ,
chant Vincken aus Eupen oder von Pfarrer Lambertz selber
vorgenommen. Angaben hierzu fehlen. Wohl liegt ein Brief
Pfarrer Lambertz’ vom 1. Sept. 1843 vor, in dem er das
Generalvikariat in Köln bittet, ihm ”’die Erlaubnis und Vollmacht
huldreichst verleihen zu wollen’’, bei der projektierten Grund-
steinlegung zur neuen Kirche die Benediktion und den Segen
darüber sprechen zu können. Die Kölner Kirchenbehörde leitete
das Schreiben an den Landdechanten in Eupen weiter und
bemerkte dazu, daß es in der Regel die Fakultät der Grundstein-
segnung dem Dechanten überlasse; die von Pfr. Lambertz
erbetene Befugnis wurde so dem Dechanten erteilt, allerdings mit
der Möglichkeit der Subdelegation oder Weitergabe an den
Pfarrer von Hergenrath. (5)
In den Grundstein wurde folgende Urkunde eingelassen :
”Im Jahre 1843, den 18. September, wurde im Vertrauen auf
den Segen und die Hilfe Gottes dieser erste Stein zu der Kirche zu
Hergenrath gelegt unter der Regierung seiner Majestät Friedrich
Wilhelm IV., König von Preußen, Landrat des Kreises Eupen war
Herr von Reimann, Landdechant des Dekanates Eupen Herr
Vincken, Pfarrer zu Hergenrath Herr Lambertz, Bürgermeister
Herr von Lasaulx, beigeordneter Bürgermeister Herr Johann
Wilhelm Schmetz, Mitglieder des Kirchenvorstandes P.W.
Scheiff, J.W. Kauw, J.M. Laschet, J.P. Kittel, J.J. Palm, F.
Zimmer, J. Laschet aus Hergenrath, J. Bischoff, L. Kever, J.
Radermacher und P. Kuckartz aus Hauset. Den Plan zum Bau
verfertigte der Landbauinspektor Cremer und leitete den Bau.
Unternehmer des Baus war Hubert Krott aus Eynatten, welcher
3}
den Bau übernommen hatte für 11.803 Thaler. Die Gemeinde
stellte die Ziegel und Bruchsteine. Alles zur größten Ehre
Gottes.” (6)
Die ersten Arbeiten zum Bau der neuen Kirche gestalteten
sich jedoch schwieriger als angenommen, denn ”erst fand sich in
den Fundamenten nicht so fester Boden als selbst der Landbau-
inspektor Cremer vorausgesetzt. Die Fundamente mußten des-
halb tiefer ausgegraben werden, welches unter beständigem
Regenwetter stattfand. Die Gräben füllten sich mit Wasser,
‚wodurch die Wände derselben einstürzten. Nachher mußte das
Wasser und die eingestürzte Erde herausgeschafft und die durch
das Einstürzen entstandenen Lücken mit Mauerwerk ausgefüllt
werden, wodurch bedeutende Mehrkosten entstanden. Da der
Winter heranrückte, wurde das Mauerwerk, nachdem die Fun-
damente fertig waren, zugedeckt.” (7)
Der Gemeindechronist berichtet nicht über die Unstimmig-
keiten, die schon bald zwischen Cremer einerseits, dem Bauun-
ternehmer und der Gemeinde andererseits aufkamen. Cremer
hatte ausdrücklich verboten, die Ziegelöfen während der Winter-
monate 1843-44 zu öffnen und die Steine zur Baustelle zu
transportieren. Die Gemeinde jedoch setzte sich über dieses
Verbot hinweg und erwirkte bei Cremers vorgesetzter Behörde die
Genehmigung zur Abfuhr der Steine.
Neuen Ärger gab es nach Wiederaufnahme der Arbeiten im
März 1844. Der Unternehmer Krott, der gegen den Willen
Cremers den Zuschlag erhalten hatte, mußte zugeben, daß er
nicht mal eine Maurerprüfung abgelegt hatte ! Cremer hatte
Krott keine schwierigen Wölbungen zugetraut. Nun bestand er
darauf, daß ein geprüfter Maurermeister eingestellt würde, was
die Regierung in Aachen dann auch anordnete.
Inzwischen gingen die Arbeiten an der Kirche weiter, doch
nur einem glücklichen Zufall ist es zu verdanken, daß keine
längere Unterbrechung im Bau eintrat. Es stellte sich nämlich
heraus, daß die im Pannes gebrannten Ziegel (600.000 Stück)
zum Teil ungeeignet waren. Der letzte Ofen ergab nur 150.000
brauchbare Steine. So sah sich, wie der Chronist von Lasaulx
erwähnt, die Gemeinde gezwungen, eine größere Anzahl Ziegel
hinzuzukaufen. Der Zufall wollte, daß 1843 der Göhltalviadukt
”Hammerbrücke” fertiggestellt worden war und überschüssige
32
Ziegelsteine zum Verkauf kamen. Die Gemeinde konnte so durch
die Gebrüder Schmetz noch zusätzliche 290.000 Steine erwerben,
von denen der Großteil am Kirchenbau selber (Turm und
Seitenschiffsgewölbe), der Rest an der Freitreppe vor der Kirche
vermauert wurde.
1845 konnte man den Rohbau unter Dach bringen. Dies gibt
dem Chronisten Gelegenheit, den Bau näher zu beschreiben :
”Die Kirche hat drei Schiffe, eine Länge von 133 Fuß und
eine Breite von 55 Fuß. Die Höhe des Schiffes bis zum Dach
beträgt 34 Fuß (ein Fuß = 0,31385 m). Der Turm bis zum Hahn
ist 145 Fuß hoch, wovon auf den Turm 70, auf den Helm 60, auf
das Kreuz inklusive Hahn 15 Fuß kommen. Das Gewölbe ”
derselben ruht auf 6 bausteinernen Pfeilern, welche auf den
Antrag der Gemeindeverwaltung statt der vorgeschriebenen vier-
eckigen Pfeiler angebracht wurden und bedeutende Mehrkosten
verursachten.”
Die erwähnte Änderung hatte einige Aufregung verursacht,
denn die Gemeinde hatte geglaubt, Cremer habe die Trennung
von Mittel- und Seitenschiffen durch Rundsäulen vorgesehen.
Dem war jedoch nicht so : Cremer war für quadratische Pfeiler
mit einspringenden Ecken, weil solche, wie er sich ausdrückte,
”die Gurtbogen richtiger auffassen, auch dem Baustil der Kirche
anpassender sind als jede andere Form.” Der Landbauinspektor
behauptete, runde Säulensteine mit dem Durchmesser der Sei-
tenlänge der quadratischen seien billiger als eckige, was für den
Unternehmer einen Gewinn bedeuten würde.
Die Hergenrather gaben jedoch nicht nach. Ihre Kirche, die
so hohe Opfer erforderte, wollten sie wenigstens nach ihren
Vorstellungen erbaut sehen. Ihre Hartnäckigkeit führte schließ-
lich dazu, daß von Heinz und auch die Regierung sich mit der
gewünschten Änderung einverstanden erklärten. (8)
Am 26. 3. 1846 konnte der Kirchenbau als vollendet
betrachtet werden, Laut Revisionsprotokoll des Landbauinspek-
tors vom 25. Oktober 1846 wurde der Bau dem Unternehmer
Krott zu der Summe von 12.072 Taler, 6 Sgr, 10 Pf abgenommen.
Die gesamten Baukosten betrugen jedoch 18.208 Taler, 24
Silbergroschen und 11 Pfennige. Für die Brustmauer vor der
Kirche wurden zusätzlich 395 TIr, 15 Sgr und 3 Pf ausgegeben.
33
Zwei neue Glocken und Umguß der alten kosteten 924 Taler und
3 Silbergroschen. Somit beliefen sich die durch den Kirchenbau
verursachten Gesamtkosten auf 19.528 Taler, 15 Sgr und 2 Pf.
Nach der Revision stand dem Einzug in die neue Kirche nun
weltlicherseits nichts mehr im Wege. Noch ehe Cremer das
Revisionsprotokoll abgefaßt hatte, wandte sich Pfarrer Lambertz
am 29. Sept. 1846 an das Generalvikariat mit der Bitte, dem
Dechant Vincken oder auch ihm selber die Befugnis zur Benedik-
tion der neuen Kirche zu erteilen. Der Dechant sei schon
hochbejahrt und Eupen liege überdies zwei Stunden von Hergen-
rath entfernt, schreibt der Pfarrer. Aus dem Unterton des Briefes
geht hervor, daß Lambertz gerne selber die Benediktion vornäh-
me. Er äußert die Vermutung, daß es dem Erzbischof selber wohl
zu ”’beschwerlich und fatigant”’ sei, in der vorgerückten Jahreszeit
die Kirche noch vor dem Winter zu konsekrieren.
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Die St. Martini Pfarrkirche : Ostansicht
34
Gleichzeitig weist der Pfarrer darauf hin, daß Möbel und
Gerätschaften der alten Kirche alt, schlecht und abgenutzt seien,
doch habe der Kirchenbau die Gemeinde allzuviel gekostet, so
daß man nicht in der Lage sei, neues Mobilar anzuschaffen. (9)
Die Erlaubnis zur Benediktion der neuen Kirche wurde dem
Dechant am 2. Oktober 1846 erteilt. Am 28. des gleichen Monats
wurde der Bau durch Dechant Vincken unter Assistenz der
gesamten Geistlichkeit des Dekanates Eupen feierlich eingeseg-
net. Man versicherte ihn bei der Rheinischen Provinzial-Societät
zu 18.000 Taler. (10)
In der Zwischenzeit hatte die Gemeinde ihre alten Glocken
ohne behördliche Zustimmung durch Glockengießer Gaulard in ”
Aachen enschmelzen lassen. Nachträglich bat sie dann um die
‘ Erlaubnis, dies tun zu dürfen; gleichzeitig ersuchte sie um die
Genehmigung, das Gelände um die Kirche abräumen und
planieren zu dürfen, wozu die Regierung am 10.8.1846 ihre
Zustimmung gab. (11)
Auf Anweisung des Erzbischöflichen Generalvikariats durf-
ten die drei Altäre aus der alten Kirche in die neue übernommen
werden. Vorerst fanden auch die Bänke aus der alten Kirche in
dem Neubau weiter Verwendung. Erst 1862 konnten neue Bänke
für das Mittelschiff angeschafft werden.
Die Gemeinde hatte die Absicht, zu einem späteren Zeit-
punkt einen neuen Hochaltar anzuschaffen.
Im Mai 1847 erteilte die Regierung Bauinspektor Cremer den
Auftrag, eine neue Kanzel und zwei Beichtstühle zu entwerfen.
Nach Fertigstellung und Bezahlung solle auch ein neuer Hochal-
tar folgen. Cremer nahm den Auftrag an, um zu verhindern, daß
die Einrichtung der ”Willkür unkundiger Meister überlassen
bleibe und das Auge eines jeden gebildeten beleidigen und alle
Bemühungen des Staates durch Verbreitung guter Muster an
Gewerk- und Handwerksschulen zunichte machen würden.” (12)
Am 18. Juli 1848 legte Cremer dem Landrat in Eupen die
gewünschten Zeichnungen von Kanzel und Beichtstühlen sowie
den Entwurf eines neuen Hochaltares vor. Kanzel und Beicht-
stühle lieferte 1851 der Eupener Schreinermeister Gottfried
Recker. Dieser hatte in öffentlicher Verdinggabe den Zuschlag zu
20 1/4 % unter der Anschlagsumme von 135 Taler für die Kanzel
38
und 110 Taler für die Beichtstühle erhalten. Außerdem lieferte
Recker noch für jeden Beichtstuhl eine Tür zu 5 Taler und 10
Sgr. Die Anfertigung eines Hochaltars wurde zurückgestellt. (13)
Obschon laut Testament vom 18. Juni der hiesigen Kirche
von Mathias Joseph Schrynmecker 1.000 Taler zum Bau einer
Orgel geschenkt wurden und 1854 die Jungfrau Elisabeth Doum
zum selben Zwecke der Kirche 300 Taler zur Verfügung stellte,
wurde dieses Projekt vorläufig nicht ausgeführt. Die Kölner
Kirchenbehörde war gegen den Bau einer Orgel, solange die
Kirche weder ausreichende Bänke noch gute Altäre besaß. So
begnügte sich die Gemeinde weiterhin mit einem Harmonium.
In einem Brief des Landrats von Reimann an die Regierung in
Aachen vom 3. Nov. 1848 heißt es, bereits vor 7 bis 10 Jahren sei
in Hergenrath eine neue Schule errichtet worden, welche voll den
Bedürfnissen entspreche; somit sei der ursprüngliche Plan, die alte
Kirche als Schulgebäude zu benutzen, gegenstandslos geworden.
Der Kirchenvorstand sei für den Abbruch der alten Kirche und
Einbeziehung des Geländes in den Friedhof, der bei steigender
Bevölkerungszahl voraussichtlich in 10 Jahren zu klein sein
werde. Durch den Abbruch könnten auch eine ganze Menge
unbeschäftigter Arbeiter im künftigen Winter Gelegenheit zum
Verdienst bekommen. (14)
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Die untere Aachener Str. mit Westansicht der Kirche
36
Auf die Frage der Regierung an das Generalvikariat, ob
einem Abbruch der alten Kirche in kirchlicher Hinsicht etwas im
Wege stehe, gab Landdechant Pauls am 24. November 1848 dem
Generalvikariat folgenden Bericht :
”Die Erhaltung der alten Kirche erscheint in keiner Weise
mehr vorteilhaft, zumal da dieselbe ganz baulos ist und somit
wird nichts übrig bleiben als dieselbe wegzuräumen und den
dadurch entstehenden Raum als Beerdigungsplatz zu dem gegen-
wärtigen sehr beengten Friedhofe zu benutzen. Nach genauer
Untersuchung der örtlichen Verhältnisse muß ich aber als durch-
aus unzweckmäßig halten, die Mauern der alten Kirche zu
verkaufen, indem dieselben zur Abhilfe dringender anderweitiger ”
Bedürfnisse sehr passend zu verwenden sein dürften. Der jetzige
Kirchhof liegt ohne alle Umzäunung, dem Betreten des Viehes
und jeder Ungebühr preis gegeben, und es würde unverzeihlich
sein, wenn man die an der Stelle sich vorfindenden Steine der
alten Kirche zu einem anderen Zwecke als zur Anfertigung einer
passenden Kirchhofsmauer verwenden wollte.”
Pauls schlug vor, übrigbleibende Steine zum Bau einer
kleinen Einfassungsmauer am Terrain der neuen Kirche zu
verwenden. Bedachung, Holzwerk und Eisen der alten Kirche
sollten in Einzellose aufgeteilt zur Versteigerung kommen.
Schließlich meinte der Dechant, einige innere Kirchengegen-
stände, wie eine gut erhaltene kleine Kanzel, eine Kommunion-
bank, einige Absätze von Altären, Beichtstuhl etc, welche Gegen-
stände für arme Kirchen immerhin noch Wert hätten, sollten
durch Zeitungsannonce angeboten werden. Bei zunehmendem
Abbruch der Kirche würden diese Gegenstände verkommen oder
doch ganz wertlos gemacht werden. (15)
Das Generalvikariat schließt sich in allen Punkten der
Meinung des Dechanten an; was das Mobilar angehe, so werde es
”’das Geeignete an den Kirchenvorstand gelangen lassen”. (Leider
sind darüber keine Unterlagen mehr vorhanden). Wir haben
schon früher einige dieser Gegenstände vorgestellt : die kleine
Kanzel, in Form eines trapezförmigen Schranks, ist mit schönen
Schnitzereien versehen und trägt das Wappen des Herrn von
Eyneburg, Johann Carl von Dobbelstein und dessen Gattin
Helwige de Horion. Hinter dieser abnehmbaren Wappenplatte
befindet sich ein Geheimfach. Die drei vorderen Seiten sind in je
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Wappen der Familie Scheibler
vierziger Jahren unseres Jahrhunderts in einem desolaten Zustan-
de ohne Rahmen und in vier gefaltet, in den Besitz der Familie
Goka auf Schloß Neuhaus.
Ein weiterer Gegenstand aus der ersten Hergenrather Kirche
ist der Taufstein, der die Jahreszahl 1619 trägt und sich ebenfalls
in Privatbesitz befindet. (Abb. in Nr. 16 dieser Zeischrift, S. 19).
In der Kirche selber befindet sich noch eine einzige alte
Bank, welche mit Sicherheit aus der alten Kirche übernommen
wurde. Sie ist geschmückt mit dem Wappen des Barons Johann
Albert von Beelen-Bertolf und dessen 1779 verstorbener Gattin
Anne Catherine d’Ansillon. Eine andere Bank trägt das Wappen
der Familie Scheibler, der früheren Besitzer von Schloß Neuhaus.
Sie wurde vermutlich mit den übrigen heutigen Kirchenbänken i.
J. 1862 angefertigt.
Keiner der Gegenstände, die eventuell ärmeren Gemeinden
überlassen bzw. veräußert werden sollten, scheint einen Lieb-
haber oder Käufer gefunden zu haben.
Fortsetzung folgt.
40
Quellen und Anmerkungen
1) ”Im Göhltal” Nr. 19, S., 24-35.
2) Ingeborg Schild, ”Die Brüder Cremer und ihre Kirchenbauten'’ (Veröffent-
lichungen des Bischöflichen Diözesanarchivs Aachen, Ausgabe 23), S. 196.
Johann Peter Cremer war einer der hervorragendsten Aachener Architekten
der ersten Hälfte des 19. Jh. Der 1785 in Köln geborene Cremer hatte schon in
Paris und Düsseldorf baumeisterliche Erfahrungen gesammelt, ehe er 1817
nach Aachen kam, wo er Regierungs- und Baurat von Heinz’ unterstellt wurde
und als Aufgabenbereich die Überwachung und Revision aller Garnison-,
Dikasterial-, Kirchen-, Pfarr-, Schul- und Domänenbauten des Regierungs-
bezirkes zugeteilt bekam. Daneben wurde er mit der Planung größerer
”Prachtbauten” in der Stadt Aachen beauftragt. (Schauspielhaus, Regie-
rungsgebäude, Brunnenanlage ...) Johann Peter Cremer entwarf 16 Kirchen-
bauten, 15 wurden verwirklicht. Dabei nimmt Hergenrath insofern eine Son-
derstellung ein, als Cremer hier erstmals mittelalterliche Formen, nämlich
den romanischen Rundbogen, anwendete. ”
3) I. Schild, op. cit. S. 197.
4) Ebd. S. 198.
5) Bisch. Diözesanarchiv Aachen, GVO Hergenrath. (13.191)
6) Gemeindechronik Hergenrath (Gemeindearchiv).
7) Ebd.
8) I. Schild, op. cit. S. 198.
9) BDA, GVO, Hergenrath (6227).
10) Gemeindechronik Hergenrath.
11) I. Schild, op. cit. S. 199-200.
12) Ebd.
13) Gemeindechronik Hergenrath.
14) BDA, GVO Hergenrath (7084).
15) Ebd. 7427.
41
Mir geht es wie den Weiden
von L. Wichert-Schmetz
Mir geht es wie den Weiden,
Denen die Krone fiel,
Seit ich von dir mußte scheiden,
Bin ich ein Weg ohne Ziel.
Wie das Geäder der Stämme,
Wie die Stämme ohne Gezweig,
Strömt mein Gefühl ohne Dämme
In ein unbekanntes Reich.
Ob mir auch Zweige treiben ?
Aus lang gesparter Kraft
Sich diese Zweiglein beleiben
Mit Blättern aus Pore und Saft ?
Es ist kein frisches Sprießen,
Es ist ein hartes Müh'n.
Die Kräfte langsam fließen,
Sie kommen nicht zum Blüh’n.
Mir geht es wie den Weiden;
Nur mühsam ist mein Tun.
Und alles Tun ist Leiden,
Unruhig ist mein Ruh’n,
Aus meinen schweren Träumen
Wache ich plötzlich auf.
. Ich such’ dich in allen Räumen,
Bis die Sonne steigt herauf.
Mir geht es wie den Weiden,
Denen die Krone fiel.
Mein Wachen ist jetzt Leiden,
Sonst war es heitres Spiel.
42
Der Aussichtsturm
im ”Aachener Busch”
von Walter Meven
Viele unter uns und ganz sicher die, die den Zenith ihres
Lebens vermutlich schon überschritten haben, werden sich beim
Betrachten der Bilder an den Turmhelm erinnern, der bis zum
Herbst 1944 ehern hoch über dem Aachener Wald herausragte.
Der Aussichtsturm, im Jahre 1915 erhielt er den Namen
”Pelzerturm”’, benannt nach dem geheimen Regierungsrat und
Oberbürgermeister der Stadt Aachen Ludwig Pelzer, wurde in -
den Jahren 1897-98 erbaut und am 21.6.1899 fertiggestellt.
Der Volksmund nannte ihn auch ”’Finger Gottes’”’, weil man
seine Silhouette aus der Ferne wie eine erhobene Hand mit
mahnendem Zeigefinger deuten konnte.
Der Turm war ein beliebtes Ziel ausgedehnter Waldwande-
rungen, die wir bescheiden an der Hand unserer Eltern am
Sonntagnachmittag absolvieren mußten. Damals, als der Geld-
beutel allgemein schmäler war, traf man sich im kleineren oder
größeren Familienverband an einer in der Stadt verabredeten
Stelle, um sich ”’zu Fuß” auf den Weg zu machen. Kleinbahn gab
es - jedoch nicht für uns !!
Leider wurden der Turm - und zwangsweise auch unsere
schönen Waldspaziergänge - ein Opfer wahnwitziger Politik,
deren Folge der gräßliche Krieg war.
Zunächst wurde er für Zivilisten gesperrt. Man entfernte die
charakteristische Turmspitze, um dem Gegner eine Orientie-
rungshilfe zu nehmen und ihn als Beobachtungsstelle für den
Luftraum einzurichten. Ein Funkfernkabel, ein Novum damals,
stellte eine Nachrichtenverbindung direkt mit Calais her. Man
wählte diese Art der Kommunikation der Geheimhaltung wegen.
Dem Vernehmen nach muß der Dienst auf dem Turm ein
ruhiger und beschaulicher‘ gewesen sein. So mancher Bierkasten
soll an einem Seil außen am Turm in die Höhe gezogen worden
sein, da der normale Aufstieg mit geistigen Getränken die
Vorgesetzten auf den Plan gerufen hätten. Bei den Kampfhand-
43
lungen erhielt der Turm zunächst schwere Artillerietreffer. Den
Amerikanern gelang es nämlich, ihn in einem schnellen Vorstoß
zu erobern. Um ihn als Beobachtungspunkt auszuschalten, soll
die deutsche Artillerie ihn unter Beschuß genommen haben. Bei
einem späteren Gegenstoß der Deutschen wurde er kurz den
Amerikanern entrissen und gesprengt.
Baugeschichtliches :
Der steinerne Turm hatte, wie manche von uns aus der
mündlichen Überlieferung wissen, einen hölzernen Vorgänger.
Es war ein einfaches Holzgerüst, das auf Veranlassung des
damaligen Oberförsters Oster, als Brandbeobachtungsturm ge-
baut wurde. Die Waldaufseher sollten gegebenenfalls von oben
aus mit einer roten Fahne in die Richtung des Feuers weisen, um
eine schnelle Brandbekämfung einleiten zu können.
Bis zum Bau des Holzgerüstes wurden die Waldwärter durch
Soldaten der Aachener Garnison verstärkt. Jeweils etwa 20
Soldaten wurden dazu abgestellt.
An den Oberförster Oster erinnert noch heute der ”’Oster-
weg”, der unweit der Waldschenke von der Lütticherstraße
abzweigt. Dieser Weg wurde von seinen Waldarbeitern nach
seinen Plänen angelegt. Sie nannten ihn fernerhin kurz den
”Osterweg”’, was eine Anfrage eines Stadtverordneten an den Rat
zur Folge hatte. Normalerweise wurden und werden nämlich
Straßenbenennungen nur durch den Rat beschlossen. In einer
Sitzung der Stadtverordneten des Jahres 1885 wurde der Tages-
ordnungspunkt ”’Schutzmaßnahmen gegen Waldbrände” behan-
delt. Lesen wir auszugsweise den Wortlaut des Protokolls :
....”Es sei hier einzuschalten, bemerkt der Redner, daß Herr
Oster bereits früher die Herstellung eines Aussichtsturmes auf
den höchsten Punkte des Stadtwaldes, dem Steinknippskopf,
vorgeschlagen hatte, daß aber von Seiten des städtischen Komitees
wegen der augenblicklichen Finanzlage von diesem Projekte
vorläufig abgesehen werde. Nunmehr hat der hiesige Verschöne-
rungsverein (Reit- und Fahrverein) dem Herrn Oster 500 Mk. für
den Aussichtsturm zur Verfügung gestellt und ist mit dem Bau
desselben bereits begonnen worden. Vorläufig wird der Zugang
zum Plateau des Turmes durch Leitern hergestellt werden, sodaß
derselbe zunächst nur von schwindelfreien Personen zugänglich
44
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Der 1. Aussichtsturm : eine Holzkonstruktion Foto : Stadtarchiv Aachen
sein wird, bis für den beabsichtigten Ausbau mit Stein- oder
Eisentreppen genügend Geldmittel vorhanden sein werden.
Herr Oster hat nun folgende Maßnahmen vorgeschlagen,
durch welche der Aussichtsturm noch anders als zu Verschöne-
rungszwecken etc. dienlich gemacht wird : Auf demselben sollen
nämlich im Frühjahr ständige Posten, die sich etwa stundenweise
ablösen, aufgestellt und mit weithinschallendem Horne und mit
roten Fahnen versehen werden. Bei Wahrnehmung des Feuers
hätte der Posten die im Walde zerstreut patrouillierenden Wach-
mannschaften zu alarmieren und die Fahne in der Richtung der
Feuerstelle auszuhängen.””
....Die günstige Aufnahme, welche die Eröffnung von Fernsich-
ten allseitig gefunden hat, veranlaßte dazu, diesem Zweig der
Waldästhetik ein besonderes Augenmerk zu widmen,’ schreibt
Oster in einem Bericht an die Stadtverordneten. In der Tat, schon
45
im Jahre 1887 erfreute sich der Turm einer solchen Beliebtheit,
daß man ihn ”’jüngst”” mit einer eisernen Treppe versehen hat.
Die Baukosten beliefen sich bis dahin auf ganze 670 Mark und 50
Pfennig. 192 Mk davon wurden durch private Stiftungen abge-
deckt. Die Stadt hatte die 216 Mk Bauholz bewilligt, sodaß sie nur
noch einen Betrag von 209,50 Mk zu übernehmen hatte. Herr
Oster beantragte nämlich, die obenerwähnten 500 Mk zum Bau
eines Weges vom Aussichtsturm nach der Station Hergenrath zu
verwenden, zu dessen Anlage diese Gemeinde ihre Einwilligung
nach vielfachen Verhandlungen gegeben hat.
Für nicht ganz schwindelfreie Personen wurde noch ein
Zwischenboden eingebaut.
Der Turm fand auch den Beifall der Verwaltung. Das
spiegelt sich in dem Verwaltungsbericht des Jahres 1887 wieder,
wo es heißt : ”’Das Panorama ist von überraschender Großartig-
keit und Vielgestaltigkeit und zeigt nach den verschiedenen
Himmelsrichtungen hin die reichste Abwechslung der Bilder von
Stadt und Land”,
Im Jahre 1891 baute man sogar einen zweiten Fahrweg
dorthin. Nach Fertigstellung desselben begann man mit dem Bau
der Aufseherwohnung und eines Restaurants, das den Ansprü-
chen des "gehobenen Publikums entsprechen sollte”. Ordinären
Schnaps sollte man dort nicht kaufen können, war man der
Meinung.
Leider nagte der Zahn der Zeit und die Witterungsunbilden
an der Holzkonstruktion, so daß häufig Reparatur- und Anstrich-
arbeiten zu ihrer Erhaltung vorgenommen werden mußten.
Nachdem die Verwitterungsschäden die Holzkonstruktion
und damit die Standsicherheit gefährdeten, entschloß man sich,
den Turm zu sperren.
Es wurde zu einer Spendenaktion aufgerufen, die es ermög-
lichen sollte, einen neuen, steinernen Turm zu errichten. Ein
namhafter Betrag kam zusammen, sodaß zur Ausschreibung
eines Wettbewerbs geschritten wurde.
Ein Berliner Architekt mit Namen Hermann Jansen erhielt
den Zuschlag für seinen Entwurf, ”’der so: ganz im Stil der Zeit, -
trutzig und mächtig ausgefallen war.””
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Pelzerturm Ees.: Heinrich Mönicks
Cab Ren an Burtscheider Markt 14/20. F. 233 07.
Walde, co. 400 m über »dem Mod: fl „Th ä
Meere. Ausblick auf Aachen u. 8 —Fichtennadelbäger, Duschen. Mas 3
Umgebung. Autoanfahrt. über sagen, Fangopackungen, ele\tr.
sierwag, such Sonntags. Giühlichtbäder, Paraffinbehand-
lung, Kohlensäurebäder, Dampf-
duschen, Diathermie, Zander-
onstalt, Höhensonne,
Webers HMote: | Lift bis in die Badehalle,
Rosenbad Esser, Frl. Luis Neuß 0. Ph.
7 veiter, Alfre Jagen
Acchen-Bertscheid Fischer, Frau Elise W.-Barmen
de en BEE Betty_ re
. i- 5gotä C ie
heizung. Fernrai 35388. | Auto. CGeßnar Walter 900m
Anzeige im ”Aachener Leben”, Mai 1937
Lesen wir den Wortlaut des Verwaltungsberichts des Jahres
1898 :
....”Nachdem im Herbst des Vorjahres die Fundamente des
Turmes hergestellt worden waren, konnte im Berichtsjahr annä-
hernd die Fertigstellung des Bauwerks bewerkstelligt werden,
sodaß dasselbe demnächst seiner Bestimmung übergeben werden
wird. Dasselbe besteht aus einem mächtigen Turmbau von
rechteckiger Form und einem nur Erdgeschoß enthaltenden Vor-
bau. Im ersteren befinden sich zwei Treppen, von denen die eine
zum Aufstieg, die andere zum Abstieg dient. Der Turm ist in
halber Höhe mit einer massiven Zwischendecke versehen, einmal
um hier schon eine Verbindung zwischen Auf- und Abstieg zu
erzielen, dann aber, um die innere Turmhöhe in günstiger
Weise zu unterbrechen. Die beiden Treppen, welche aus Eisen
und Beton hergestellt sind, bestehen aus je 8 geraden, je 16
Stufen enthaltenden Treppenläufen, von denen jedesmal zwei
durch Podeste von rund 3,50 Länge verbunden sind. In einer
Höhe von 22,00 m befindet sich eine geschlossene Halle, mit
großen, nach allen Seiten hin Ausblick gewährenden Fenstern.
47
Von dieser Halle führt eine massive Steintreppe, welche teils im
Hauptturme selbst, teils in einem ausgekragten Treppentürmchen
liegt, zur Turmplattform, deren Fußboden sich in einer Höhe von
27.00 m über Terrain befindet. Bei der Ausführung des Turmes
wurde darauf Bedacht genommen, daß eventuell späterhin ein
mechanischer Personenaufzug eingebaut werden kann, zu wel-
chem Zwecke das Gebäude mit einem Kellerraume, welcher
seinen Eingang von außen erhalten hat, versehen worden ist. Das
Gebäude ist in mittelalterlichen Stilformen erbaut und in seinem
unteren Teile möglichst einfach gehalten, wohingegen der Haupt-
schmuck auf den oberen den Wald überragenden Teil gelegt
wurde, Das Mauerwerk ist aus Kohlensandstein hergestellt,
während zu den Architekturteilen Sandstein und Ettringer Lava
verwandt wurde. Es wird beabsichtigt, in der Vorhalle demnächst
zwei Bronzetafeln anzubringen, welche folgende Inschriften er-
halten sollen :
Der 1897-98 errichtete Pelzerturm
Foto : Stadtarchiv Aachen
48
Die eine Tafel :
Unter der Verwaltung des
Oberbürgermeisters, Geheimen Regierungsrat
Ludwig Pelzer
von dem Architekten Hermann Jansen
entworfenen,
preisgekrönt in dem vom Verschönerungs-Verein veranstalteten
Wettbewerb
erbaut unter der Verwaltung des Oberbürgermeisters
Philipp Veltmann
von der Stadt Aachen
durch den Stadtbaurat Joseph Laurent, .
stehe ich hier zum Schutz und Schmuck
heimischen Waldes, hinausschauend
über Stadt und Reich in fremde Lande,
als Stolzes Wahrzeichen der alten Kaiserstadt.
1899
Die zweite Tafel :
Zur Erbauung des Aussichtsturmes wurden die Mittel aufge-
bracht von der Stadt Aachen, von dem Verschönerungs-Verein
unter dem Vorsitz des Stadtverordneten Peter Kuetgens und von
nachstehenden edlen Geschenkgebern, die einzelne Bausteine
stifteten. (folgen 74 Namen)
Der alte hölzerne Aussichtsturm, welcher während des Roh-
baues des massiven Turmes zu Rüstzwecken noch gute Verwen-
dung finden konnte, wurde im Herbst 1898 abgebrochen.”
So weit der Verwaltungsbericht.
Bald interessierte sich auch der Kaiserliche Generalstab für
den Turm, denn er glaubte schon damals, dessen strategische
Bedeutung zu erkennen !!
Übrigens, ganz in der Nähe des Turmes befand sich schon
zur napoleonischen Zeit eine optische Signalstation, wie aus den
Tranchotplänen ersichtlich ist. Wir wissen, daß von Paris aus
solche Stationen in bestimmenten Abständen bestanden, um
Nachrichten zu übermitteln. Henri-Chapelle, Aachener Wald
und Verlautenheide jenseits von Aachen waren solche Relaissta-
tionen.
49
Das Pulverlager von Herbesthal
von Leo Homburg
Wenn man von Herbesthal kommend in die Grünstraße
einbiegt, sieht man nach einigen hundert Meter links der Straße
eine kleine Holzung. Im Schatten ihrer Bäume liegt noch gut
erkennbar ein ehemaliges preußisches Sprengstofflager, im Volks-
mund Pulverlager genannt.
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Das Wäldchen mit dem Pulverlager, von der Straße aus gesehen
Als die preußische Regierung i. J. 1908 den Beschluß faßte,
dieses Lager anzulegen, protestierte ein Teil der Herbesthaler
Bevölkerung erfolglos gegen das Projekt, das 1911 ausgeführt
wurde. Im hinteren Teil einer etwa 1 Ha großen Wiese wurde mit
den Arbeiten begonnen. Der Kern des Lagers besteht aus einem 5
XS m großen Raum mit leicht gewölbter Decke, dessen Höhe
2,30 m beträgt. Die Mauern sind fast zwei Meter dick und eine
Türe aus dicken Eisenplatten verschloß diesen Raum einst. Daran
schließt sich ein zwei Meter breiter Vorraum an, dessen Mauern
eine Dicke von 80 cm aufweisen. Das rechte Drittel des Vorrau-
mes bildete mit eiserner Tür einen Gang zum Hauptraum, der
Rest des Vorraumes mit einer besonders dicken Eisentür diente
als Haupteingang. Mit Ausnahme des Haupteingangs war das
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Grund if
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Polverlagers
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Ganze von einem mächtigen Erdwall umgeben, aus dem heraus
zwei Entlüfter mit eisernen Kappen und kleinen Schlitzen ragten.
Dazu kamen zwei Blitzableiter, die in verschiedenen Höhen
mehrmals nach allen Seiten hin mit Eisendrähten verankert
waren.
Um den Kern herum zog sich, nur durch einen schmalen
Weg davon getrennt, ein vier bis fünf Meter hoher, unten breit
angelegter und nach oben hin spitz auslaufender Erdwall. Darauf
standen, dicht nebeneinander eingegraben, hohe, oben zugespitz-
te Holzpfähle, die unter einander mit Eisen verbunden waren.
An sichelförmig vorstehenden Eisenstangen waren zusätzlich noch
einige Reihen Stacheldraht angebracht. Den schmalen Durch-
gang dieses Walles verschloß ein hohes, mit Eisen beschlagenes
und oben spitz auslaufendes Holztor.
Vom Lager bis zur Grünstraße führte ein Weg. Da zum
Aufschütten der Wälle viel Erde benötigt worden war, lag dieser
Weg höher als die Umgebung und war deshalb beiderseits mit
Steinen abgesichert worden, um ein Abrutschen zu verhindern. Der
Wauerbach war durch Rohre unter den Weg hindurch geleitet
worden.
54
Die ganze Wiese war von einem Stacheldrahtzaun mit einem
dazu passenden Holztor mit Drahtgitter umgeben. Von hier aus
führte ein Schmalspurgleis über den eben beschriebenen Weg
zum Pulverlager. Mit Loren konnte der Sprengstoff so dorthin
gebracht werden. Die Grünstraße war damals noch ohne festes
Steinbett. Sie wurde in jenen Jahren bis zum Lager ausgebaut.
Nutzen davon hatten auch die Höfe Stöck, Wauer, Heistern und
Kredel.
Die nun einsetzenden Sprengstofftransporte mit eisenbereif-
ten, von Pferden gezogenen Fahrzeugen, waren für unsere Eltern
mit einem unguten Gefühl verbunden. Sie fürchteten, die Spreng-
ladungen könnten, wenn sie an unserem Hause zur Grünstraße
einbogen, jeden Augenblick explodieren und unser Haus würde
mit in die Luft fliegen. Sie waren nicht wie wir durch zwei Kriege
mit Sprengstoff vertraut gemacht worden.
En
Das Haus an der Grünstraßecke i.J. 1908
Der damalige Sprengstoff konnte nur in Verbindung mit
einer Zündkapsel, die über 300 Grad Hitze erzeugte, zur Explo-
sion gebracht werden.
Als 1914 der Krieg ausbrach, wurde das Pulverlager durch
Soldaten des Infanterie-Landsturmbataillons 25 aus Aachen be-
wacht. Kurz darauf wurde es geräumt. Auf den Erdwällen
begannen die ersten Bäume zu wachsen.
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Der Eingang zum Pulverlager
In den Tagen nach dem Abzug der deutschen Truppen, noch
ehe die belgischen Soldaten nachgerückt waren, schlugen Diebe
eine Bresche in die Palissaden und holten die Blitzableiter
herunter. Es hieß damals, sie hätten es auf die wertvollen
Platinspitzen abgesehen gehabt. Die belgischen Soldaten benutz-
ten das Gelände, um von den Deutschen zurückgelassene Muni-
tion zu sprengen.
1924 wurde die ganze Anlage vom belgischen Sequester
verkauft. Während des letzten Krieges wurde der Hauptraum
durch ein kleines Fenster belichtet und der Erdwall vor diesem
Fenster durchstoßen, so daß dieser Raum der umliegenden
Bevölkerung als Luftschutzkeller dienen konnte. Damals waren
noch die schweren Eisentüren vorhanden.
Inzwischen ist der bei der Anlage des Pulverlagers ausge-
schachtete Teil der Wiese durch Erdanfüllung wieder auf die
ursprüngliche Höhe gebracht worden. Heute bieten die Räume
des Depots einigen dort weidenden Jungrindern Schutz bei Regen
und Kälte. Zusammen mit den Wällen werden die Räume wohl
noch lange die Erinnerung an das Herbesthaler Sprengstofflager
wachhalten, von dem es wohl kaum ein Bild oder Photo aus
früherer Zeit gibt.
53
Unveröffentlichte Soldatenbriefe
aus der Franzosenzeit
von Alfred Bertha und Walter Meven
Im Lütticher Staatsarchiv wurden kurz nach 1930 etwa 1200
Soldatenbriefe aus der Franzosenzeit aufgefunden, darunter mehr
als 100 Briefe in deutscher Sprache von Soldaten aus dem
Eupener und St. Vither Land. (1) Zwei Briefe des Hergenrather
”conserits’”” Joh. Heinr. Berners haben wir in einer früheren
Nummer dieser Zeitschrift abgedruckt. (2) Daß diese Soldaten-
briefe erhalten blieben, ist dem Umstand zu verdanken, daß der
Nachweis eines dienenden Bruders zur Zurückstellung oder sogar
Freistellung vom Militärdienst führen konnte. Als Beweisstück
des Bruderdienstes galt auch ein kürzlich eingegangener Brief des
betreffenden Soldaten. Die Verwaltung hob diese Briefe als
amtliche Beweisstücke auf und so sind sie bis auf den heutigen
Tag erhalten geblieben.
Wir wissen nicht, durch welchen Zufall auch Soldatenbriefe
aus dem Walhorner Land in ungeordnete Akten des Lütticher
Staatsarchivs sowie des Aachener Stadtarchivs gekommen sind.
Sechs dieser Briefe veröffentlichten wir in Nr. 18 unserer Zeit-
schrift. Sie kamen aus Perigueux (Dep. d. Dordogne), Saint
Martin auf der Insel Re, Palmanova (Italien), Landau (Pfalz),
Ulm und Linz.
Diese Soldatenbriefe ”’sind nicht nur inhaltlich interessant,
sondern enthalten auch bedeutsames Material für die Kenntnis
der sprachlichen Situation in diesem Gebiet und ermöglichen
wichtige Einblicke in die Mundart, die Umgangssprache und die
zwischen Maas und Rur gebrauchte Schriftsprache”, schrieben G.
de Smet und F. De Bock einleitend zu den Briefen des Joh.
Heinrich Berners aus Hergenrath (3). Das gilt auch für die
hierunter abgedruckten Briefe, die sich in der Thematik kaum
von den schon veröffentlichten unterscheiden.
Die Verschiedenheit des Schriftbildes zeigt, daß die meisten
Rekruten aus unserer Gegend im Schreiben doch soweit geübt
(1) E. Fairon u. H. Heuse : Lettres de Grognards de ”L’Epopee Napol&onienne”,
Paris - Lüttich, 1936.
(2) ”Im Göhltal” Nr. 11, Juni 1972, S. 21-25.
(3) Ebd. S. 20.
54
waren, daß sie selbst einen Brief schreiben konnten, wenn auch
oft in ungelenker Schrift und in für uns unklaren Formulierungen.
Besonders erschwert wird das Verständnis oft durch das Fehlen
jeglicher Zeichensetzung.
Der erste der hierunter folgenden Briefe kommt aus Mainz.
Johann Peter Counotte schreibt seinen Eltern und Geschwistern
in Rabotrath b. Walhorn. Seinem Brief entnehmen wir, daß es
ihm gut geht und daß er mit einem Eupener Namens Peter J.
Taelmaes zusammen ist.
* Maynes, Den 16 Mertz a 1810
Beminde Vatter ende Mutter Swester und Brutter
Ich grusse euch alle viellemael ich verhoeft daes ihr euch
Noch in goedte gesoentheit bevint wie ich mich Auch bevint ich
laes meinnen alsten Bruder siehr Begrueszen wie auch die van buek-
ken Driez und auch allen frunden und allen verwantten und be-
kaennten auch den pastour und auch der mirre (=maire = Bürger-
meister) und den herren toummerman Vaen Contenus und ich laiz
auch meinnen allerliebtten Siehr begrusen pietter raedermekker
van buekken driez waell woer is ist und ich bein meinnen
camaraten S. worden und ich haebt nuen pietter J. taelmaes van
eupen und er laest sennen vatter muter Siehr begruezen und daes
Sie aen meinnen vatter Solten Saggen daes er Sie auf het
aufaebarecht list Siehr begrueszen Christiaen taelmaes
daermit Sleit ick bien en verbleift euweren getreuesten Soehn
Jann petter Connotte
Seine Adresse gibt J.P. Connotte folgendermaßen an :
A Jann Soldat danne le Ime
Battallion Bis Du
tiren d’artilerie 3 Compaynie
au depot ä mayence dept
Du du montoner (1)
ä mayence
Jann Jacques Heyck
(1) Mainz gehörte in der Franzosenzeit zum Departement Mont-Tonnerre
(”Donnerberg”)
as
Der Brief war gerichtet an
Jann p. Connotte
Cultivateur ä Rabottreadt
Caton d’Eupen arrondissement de Malmedy
departement de l’ourt ä Walhorn
RE
Renier Havenith aus Walhorn ist des Schreibens unerfahren
und läßt seinen ersten Brief aus Grenoble von Mathias Jos.
Frantzen, dem Sohn des Eynattener Küsters, schreiben.
Grenoble den 21 May 1811
Vielgeliebster Vater und Mutter
Wege länge unser Reise habe ich nicht eher schreiben
können, da ich aber jetz angekommen sind, habe ich die ehre
euch Kund zu machen das ich noch frisch und gesund bin, wie
ich hoffe das gegenwärtiges euch antreffen wird, nichts fehlet mir
als ein wenig gelt. Denn die länge unser Reise hat uns gelt all
verzehret, dencket wir haben 220 Stunden gemacht um unsere
Depöt zu erreichen, wo wir jetz glücklich angekommen sind. nun
meine liebe Eltern ich hoffe ihr werdet mir etwas gelt schicken,
damit ich leben kann, ich erwarte denn eine Carolin Gelt, in
Kurtzem, weiter weis ich ihnen in diesem Augenblick zu schrei-
ben, als grüssen Kirschfinck von die Wahlender heit und Max
Klinckenberg von Astenet, haben sie die Güte wenn sie, zu
Eynatten kommen an der Kuster seyn sohn wäre bey mir, und er
hatte diesen briff geschrieben.
Aber alle in guter gesundheit. Den 20ten haben wir ange-
fangen zu Exerzieren.
Ich erwarte gleich antwort mit das geforderte, ich Mathias Joseph
Frantzen Grüsse vielmahl mein vatter und mutter wenn sie ihn
sehen
bin und verbleibe euer Getreuer
Sohn bis in den Todt
Renerus Havenith
Adresse
A Monsieur Renier Havenith soldat
au Seme Regiment D’Infanterie de Ligne
56
3eme Compagnie S5eme Bataillon en
Garnison ä Grenoble Departement de
Lizerre ä Grenoble
ko
Die beiden nächsten Briefe stammen aus der Feder von
Gerard Kerrs, der sowohl im Namen seines Kameraden Havenith
wie auch in seinem eigenen schreibt, Adressiert sind sie wie der
vorhergehende an Wilhelm Havenith in Walhorn. Wir erfahren,
daß die Einheit von Havenith und Kerrs am 28. Juni 1811 aus
Grenoble abmarschieren soll. Am 26. Juli 1811 schreiben die
beiden aus Marseille. Die Rede geht, sie müßten nach Spanien. .
Es ist sehr warm in Marseille, ”so daß man bald verbrennen
muß” und alles ist teuer. ”Man kann nicht leben ohne Geld”
heißt es in dem Brief.
Durch Feuchtigkeit hat der Marseiller Brief gelitten und ist
stellenweise unleserlich geworden. Wir kennzeichnen die unleser-
lichen Stellen durch ein *, wobei ein * für ein Wort steht.
Grenoble den 20 juny 1811
Vielgeliebter Mutter Euren brieff Van den 9 juny hab ich
Den 19 juny mit fruden empfangen. gott lob und dank das ich
euch in selven Stand antrieffen hab mit den esten brieff also
verhoffen ich euch auch mit desen antreiffen in selvegen Stand
und desen auch angetrieffen.
ich lassen euch auch das noch konden zuhaust kommen also
verhoffen ich mit der liebe gott biander kommen. Die Nuegeit
(= Neuheit) die ich weist die schriben das unseren regiment
campagnie will aus Grenoble getrucken Den 28 desen mans den
20 erhelt man die orden namidaag ver ab zurissen den selve dag
und geleich werden sie ankommen und ich haben keinen bekom-
men und ich bein ja noch in Grenoble alwil vordann weist ich
euch nicht zu schriben. Da von ich mut erwarten of ich mein
abscheit bekommen oder nicht. Wan es nich ist gottes/namt
ergieben in gotteshand wan ich bekom auch twee monat zuhaust
seit wan die Elten van gerardus Kessel das geld gesickt haben so
brauchen sieh noch nicht zusicken wil er hat mussen vort riesen
wan er auf seinen post ist, so werden er gelich werum schriben wo
er ist das verhoffen ich in zusehagen auf es gewinten das molich
57
ist (=so geschwind wie möglich) so lange Schwigen das sie es
aushalten. valso lassen er euch von hertzen frundlich begrussen
Vater und Mutter bruder schwester verwanten alle vielgeliten
Johannes Gerardus Kerres gelichs et Renieres Havenith van
Walhorn wan sie das geld noch nicht haben von haust so
brauchen sieh es nicht zu sicken bist das er noch einmal schriben
werd die esten Commeit und die twee und dei 3 und die 4 die 12
und dei 3 es zu besoesen (Besancon) einen dag oder twee oder
drey : nach vort reisen sie nun alle verth mascheiren van
leonardus haveineth musen sieh die jahren schriben wie alt das er
ist wan er noch einmal schriben; er musen seinen alter wisen so
bruchen sieh nicht zu schriben wan sieh nicht geschriben haben.
alle lassen Euch herztlich grussen Vater und Mutter und bruder
verwanten und pastor von Walhorn einen frundliche gruet. er hat
noch an gott gedat. Er ist noch dellich inde Kirche in geweist und
sieh solten inen halten was sieh gelocht (=gelobt) haben de dohn;
also lassen er frundlich grusen alle ich beihlen das sieh das sagen
das sieh solten dohn was sie befuhlen haben das er noch gesund
ist und wie er hoffen das sie zuhaust sind so bleiben er Eueren
getruer Deiner ich lasse Euch weissen, das den II juny einen
paniul (Espagnol= Spanier) ist dodgeschossen worden er ist gedij-
dert (=desertiert) sieh haben ihn gevonten so war er den dod
schuldig. so mus er den sterben. Also schliesen ich hirmit desen |
brieff und grusen Euch alle Mutter und alt Mutter, und ohmen
tanten und verwanten und bekanten.
Also thuen Euch hetzlich gruessen tausendfältig und ich
wunsch das ich zuhaus werden wan das heiligthum gesient
werden. Ich konten ein gelicht haben von der gehalt komm dowan
meinen ohm geschriben hat of er der Zeit geschiben hat wan ich
noch lang solten bleiben also schlisen hirmit desen brieff und
Grusen alle von herzten besoder Casper Scheen seinen ganzen
haus und Danck In vor den Scheinen brieff den er mir geschriben
hat. So verbleiben ich Euer getreuer Deiner wan Sieh den brieff
bekommen haben, dan schriben sieh mir antwort auf desen brief
es kosten Eich nicht vor mir
Dan schriebn sieh mir auch was einen brieff kostet das ein Y
jeder die halbscheit triecht.
Wilhelmus Havenith von Walhorn
dan beschriebn mir Euren nuheit.
ko
58
A Marsielle Den 26 Julius 1811
Veilgelibten Vater und mutter
ich kan euch nicht unter lassen mit schriben weegen unser langen
reicht (= Reise) haben ich nicht ken iehr Schriben er musen mir
versehen (= nachsehen, verzeihen) das ich so lang hab auf gehalten
mit Schriben weigen wir nicht haben die geleicheit (Gelegenheit)
gehab haben
Wir sind den 1 desen mans von grenoble abreicht und sind
den 13 zutoluel gekommen weigen unser orden (= Befehl) war da
zubleiben weigen es aber nicht geseinen kent (=nicht sein konnte) +
musten wir hier zu marsielle komen welche wir im garsun
(=Garnison) sind und wissen nich wie lang oder wie keurt wir
sind am mer wie auch zutoluel und wir sind auf den grensen van
spangen es aeber zu gelauwen das wir nach Spangen mus auf das
friahiar (= Frühjahr) wie man minen es so warm das man bald
verbreinen muste hier ist alles theur man kant nich leben sonder
geld Also verhoffen ich ihr werden uns geld scheicken vor renieres
havenith 11 franzen Cronnen und vor gerardus Kerss frants geld
14 Conren
Also verhauffen wir doch die geileickeit (= Gelegenheit)
haben und schicken uns mit desen brieff Iehr musen auf der post
ein welsen breiffen thaun langen (= einen "französischen Brief
tun holen’) sont komt das geld nicht an.
meinen ohem wessen das von meinen ohem gerard von
lenardus havenith ob er in die Contionen jet oder nicht sont wan
er haber mus met threiken mut dan in den esten brieff schriben
wie ist Gerardus Keers wie ich in Grenoble war bein ich vevocht
(= erkältet) geweisen aber ich bein weider gut er kant worden
nun west ich euch da von zuschriben wie es sich beveint
ich hab geschriben den 20 junij ein Grenobele ich weiss nicht
ob den breif ist ankommen welch ich den 19 juni mit greussen
Freuden erhalten haben welich ich in gute gesundheit war wie auch
noch beiden sind gott lob und danck so verhauffen das wir euch
auch zuhaust antref in euren gesundheit verhoffen wir mit der
libe gott Er wollen uns die mutter gottes bewahren wir sind auf
grensen der franzen hat einen breiff geschriben voruns beiden
S9
wan den brief zu haus kont so leigen ihr man nicht im (= ihm)
mit en lassen Caspar Schin schrieben er hat (*) keinen brief dar
in besonder mit was geld wan der angekommen ist so lassen
meinen elten geleich weissen so weiss sieh was sieh de dohn haben
Also schlissen weir hirmit desen breiff und lasen euch tausendfal-
tig grussen vatter und mutter bruder schwester verwanten und
bekanten der herr pastor von walhon einen frundlich grusse so
lasse gerardus auch von herzen tausendfaltig grussen besonder
mein Altmutter und mutter (*) tanten verwanten besonder Casper
Scheen seinen ganzen haus haltung Also verbleiben weir Euren
getruer Deiner (= Diener) bist in den doedt johannes gerardus
Kerss
Da adress machen se also 3
A monsieur monsieur Gerad Kerss Solda au 5 regt de ligne 4
Compargnie den Garnison A marsielle
De Departement des bouches du Rhone A Marsielle
Das vor reniers havenith also 53 C
dan schribn ich geleich weider um anwort fur das geld musen sieh
besorgt seyn dan verhoffe ich weir das ihr uns schecken werden
marsielle
(Als Randnotiz steht auf der ersten Seite des Briefes : Wir
sind den 19 im Garnison kommen.)
Adressiert ist dieser Brief an :
A monsieur monsieur
Guiliaume havenith
A Walhorn 2en arrondiss-
emeret De Departement
De lourte Cantun De
Eupen A Walhorn
A Walhorn
** 44
Der Grenadier Nicolas Dehissel schreibt aus Fourly, d. ist
Forli, Hauptort des französischen Departments Rubicon (Italien).
Er hofft, bald Urlaub zu bekommen, hat aber zu wenig Geld um
die Reise anzutreten, da man 40 Franken ”’sehen lassen muß”.
Bei ihm sind die Soldaten Schoumecker und Havenith.
60
fourly den 6 September 1811
Nicolas Dehiselle Grenadier an Seine Elteren
Meine Elteren. den brief von euch von den 14 augustus habt ich
den 1 Sept Empfangen und auch die drey Cronnen geld.
Noch nies neues ist vor commen von die erlobnis um nach haus
zukommen aber wan Sie gegeben wuerten So het ich zuweinig mit
die drey Cronnen gelt um die Reis zumachen den man mus 40
fran sienlassen .nun werd ich die drey cronnen verwarren wan ich
noch ander geld becommen werd und das es noch zeit iss dan
werd ich zu haus commen
Nun Von Gruess Ich euch alle Von hertzen Gottlob und
Danck Mit gauter Gesundheit wey Ich hofe das diesen brief euch
auch noch wird antreffen.nun mues ihr mir auch wiesen lassen
wey es ist mit meine beste mutter ist keine andere neuigheitten
habt ich zu schreiben als der Schoumecker ist bey mir in gauter
gesundheit und lies seine vatter
frundlich gruessen und auch der havennit
Is nun vorlanig ich wieder im geschreven de antword
zubecommen
So beschlisse ich diesen brief an euch mit Gauter gesundheit und
bien euerren getreuer Sohn necolas Dehiselle
Grenadier
. **
Aus Douai (Nordfrankr.) schreibt Peter Joseph Pitterkens.
Er klagt darüber, daß der Kaiser Napoleon (”’Nabolion’”’) ihnen
seit ihrer Ankunft in Douai noch keinen Stüber Sold gezahlt habe
und alles doch recht teuer sei. Exerzieren sei ”’schwere Arbeit”,
schreibt er und sonntags gebe es keine Messe, denn sonntags sei
Inspektion.
A: Douay ten :25:ten Novemper 1812
vielgeliebte vater und Motter geschwester und Brueder ich gruese
Euch viel hondert Dausent Mal ich hooffe Dass ihr Noch frisch
und gesond seyn werde wie ich jetzt Noch bin und ich gruesealle
verwanden und Bekanden und Die gantze Nachbarschaft und alle
die jenigen de Nach Mir fragen ich Begroese Der Pastor van
walhorn Ich begruese Der Meyer van Walhorn viel geliebter vater
und Motter geschwester und Brüder ich Doue Euch zu wissen
61
Dass ich Noch Recht frisch und gesond Bin so als ich Mein
Lebtag gewesen bin Dan Es gehet jotzons Besser als in den
Eersten als wir auf Mars (= Marsch) waren wir Bekohmen Dan
Noch Eetwas gelt aber jetzt Bekommen wir kein geltt
wir haben Noch keinen Steuber gelt gesehen van Der kaeiser
Nabolion gesehen von an Das wir in Douay synd aber wir Muesen
Deglig gelt ausgeben und Ees kompt kein bei
sye haben uns die haren abgeschnitten. Dafuer haben wir
zehn zuen ( =sous) Muesen geben wir haben Muesen geben vor Der
Marmit zu schmehren haben wir Noch Mear geben und Ees ist
alles Recht Deuer in Douay
und wir Muesen Noch viel gelt haben vor buerstelen und vor
halerley gescher vor die Mondor (= Montur) zu Puttzen und Der
25ten haben wir die Mondor Bekommen und ich Bin under Das
Neuntzente Regement infanderey venfte Batalion Dreyte Compe-
ney der 25ten haben wir Muesen 21 Stont Essersyeren und Das ist
schwere Harrebeit fuer uns und jetz weis ich weis Euch Nichts zu
schreyben als Das wir am Sondag keine Heilige Mes koennen
Hoeren Dan Am Sontag Muesen wir auf Spessijon (= Inspektion)
Paseren von 8 ohren bis zwelf
Liebe Schwester und Broder ich bitte Euch Das iar Am
Sondag Eine Heilige Mess vor Mer Hoeret : Liebe Vater und
Motter ich Peter Joseph Pitterkens Bleibe Euer getreuester Sohn
van No Am bis in Ewigkeit Amen
Und ich verschliese Meinen brief in Namen Jesus Maria und
Joseph Amen
Das Hateres (Adresse) ist A: Douay Das Neuntzen Rege-
ment.
3te Compenei Vuenfte Batalion A: Douay
DE Day za Wr syere RA fen FE Fuer
Wlag uk) JE weigik weg Eh ZhE
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De Efereit Son john S zu
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li Mliige Heenenı Brif EEE Lg n Dan
ALS Marie ELF AT zn
ED EEG
ZA Hz A
enden Cogepeent. ZU (omppanet
PET TS Douaj
63
Ende Mai 1813 liegt Pitterkens Regiment in Harburg an der
Elbmündung. Zwei Gefechte hat unser Soldat unverletzt über-
standen. Er nennt sich inzwischen nicht mehr Peter, sondern
Pierre. Bei ihm liegen zwei Kameraden aus der Heimat, Nicolaus
Valter und Dujardein. Valter ist aus Raeren, Dujardein vermut-
lich auch.
Harburg Departement die Elbe mündung den 31 mey 1813
Liebste Elteren Vater und mutter
Schwester und Bruder ich erinre mich an euch zu schreiben ob ihr
noch frich und gesundt Seidt wie ich auch got lob noch bin nun
las ich euch wissen das wir für Hamburg Liegen an der Elbe und
täglich die Küsten zu sehen und auch zweymahl ins feuer gewesen
bin got lob noch unferletzt nun las ich euch wissen das wir an die
Elbe leigen und täglich die meinung haben das wir über die Elbe
müssen nach Hamburg nun las ich euch wissen das wir jetzt 5
wochen ins feltt liegen und währen die zeit kein nacht mit ruhe
geschlafen haben nun könnt ihr euch wohl dencken wie es sich hier
mit uns aussehet liebste Elteren wen Sie mir die gütigheit haben so
schicken Sie mir etwas gelt den ich hab es sehr gros vonnöthen
vor zu leben. Hiemeit grüse ich auch alle vieltausent mahl vatter
und mutter schwester und bruder. Einen grus an den Hern Meier
wie auch den Hern pastor ich bin und verbleibe euer gehorsam-
ster Sohn pierre Joseph pieterken bis in den todt Einen Grus von
Nicolaus Valter wie auch Dujardein wir alle noch frich und
gesundt nun las ich euch wissen das wie wir das zweytemahl ins
feuer gewesen seit nach dem ist Nicolaus Valter viertzäntägen
kranck gewesen Einen Grus von Nicolaus Valter an mariecatri *
wie auch an Seinen Elteren nun las ich euch wissen wen Sie mir
die cärtivicat vonnöthen haben so schreiben Sie uns geleich
antwort Eine grous an alle bekanten und Verwanten nun hoffen
ich das ihr mit diesen brief nach den rahren gehet bey Johann
Valter
Die adresse müssen Sie machen
das 19 Regiment das 4 Batalion die 2 Campany a Harburg
Departemnt die Elbmündung
64
Die Schreiber der Briefe
Johann Peter Connotte aus Rabotrath, dessen Brief aus
Mainz vom 16. 3. 1810 datiert ist, ist wahrscheinlich identisch mit
dem von Caspar Scheen (dem Walhorner Dorfchronisten) zitier-
ten Peter Connotte, für den Scheen allerdings das Jahr 1812 als
Jahr der Einberufung angibt. Neben J. Peter Connotte dienten
noch Lorenz Connotte und Nikolaus Jos. Connotte, alle aus
Rabotrath, unter Napoleon.
Renerus Havenith aus Walhorn wurde laut Caspar Scheen
am 12.4.1811 einberufen. Er erhielt seine Ausbildung in Grenoble
beim 5. Infanterie-Linienregiment.
Johann Gerardus Kerr(e)s aus Walhorn, 1804 einberufen, 4
war 1811 mit R. Havenith erst in Grenoble, dann in Marseille.
Von einem weiteren Brief sind leider nur Absender und Datum
erhalten. Er kam am 3. November 1812 aus Orza (d.h. Orscha in
Weißrußland am Dnjepr). Kerrs war Brigadier bei der 4.
Kompanie des 3. Artilleriebataillons der ”’Grande Armee”.
Nicolas Dehissel aus Belven wurde ebenfalls 1804 einberufen.
Peter Joseph Peterken aus Walhorn, einberufen am 7.11.
1812, erhielt seine militärische Ausbildung in Douai.
***
Caspar Scheen berichtet, sieben der unter Napoleon einberu-
fenen jungen Männer aus dem Walhorner Lande seien ”im
französischen dienst gestorben”. Die von ihm angegebenen Namen
sind durch Sterbe-Urkunden im Walhorner Gemeinde-Archiv
belegt. Es starben :
Renier Henri Dormans aus Astenet (Jahrg. 1805) vom 93.
Infanterie-Linien-Regt. am 8.11.1806 im Militärspital van Castel-
lago. Als Todesursache wird Durchfall mit Krämpfen angegeben.
Mathias Keutgen aus Walhorn (Jahrg. 1804), Füsilier im 23.
Infanterie-Regt., ertrank am 10. Januar 1808 in der Narenta
(Dalmatien/Jugoslawien).
Cyprian Fober (Jahrg. 1804) starb am 18. Mai 1809 an erlittenen
Verwundungen im Militärspital von Rennes (Frkr.), wo er am
7.4.1809 eingeliefert worden war.
Winand Christian Thoma (Jahrg. 1806) fiel bei der Belagerung
65
von Almeida (Portugal) am 27.7.1810.
Jean Heut (C. Scheen schreibt Willem Heut), Jahrg. 1812, starb
19-jährig am 6.9.1813 im Militärspital zu Aachen.
Anton Lambertz (Jahrg. 1812) geriet in der Völkerschlacht bei
Leipzig (16. - 19. Okt. 1813) in russische Gefangenschaft und
trat dann als Jäger ins Kgl.-Preußische-Jäger-Bataillon von Rei-
che ein. Er fiel, 22 Jahre alt, am 24. Dezember 1813 bei der Ein-
nahme von Zutphen (Holland).
Christian Keutgen (C. Scheen schreibt Stephan Keutgen), Jahrg.
1812, Kanonier im 8. Artillerie-Regt., starb am 19. April 1814 im
Lazarett von Magdeburg.
66
Im Spätherbst
von M. Th. Weinert
Die Schatten wurden länger,
die grünen Wiesen fahl,
und keine Vogelstimme
klingt im entlaubten Tal.
O Herbst, die Blätterfahnen
verwehten mit dem Wind, .
und buntes Laub vermodert,
wo wir gegangen sind.
Vom Felsen tropft das Wasser,
als ticke eine Uhr,
im tiefen Nebeltale
verliert sich unsere Spur.
67
Ein Fachwerkhaus im Weiler Hof
von Dr. Gisela De Ridder
Bei der Fahrt von Henri-Chapelle nach Kelmis, über die
Lütticher Straße, erblickt man zu seiner Linken kurz oberhalb
der Göhlbrücke, am abfallenden Hang einen hervorstechenden
Fachwerkbau. Auf jetzt frisch geteerten Wegen gelangt man dann
zu dem einzigen Fachwerkbau im Kelmiser Raum, jedoch auf
dem Gebiet der Gemeinde Moresnet. Die Umgebung stellt zur
Zeit eine großangelegte Baustelle dar, der einige Natursteinbau-
ten aus dem 18. Jahrhundert zum Opfer gefallen sind. In
nordsüdlicher Richtung erstreckt sich hier ein Häuserblock,
genannt Hof, der aus 2 Häusern mit moderner Fassade sowie
einem Fachwerkbau, in dem sich wiederum 2 Häuser verbergen,
besteht. Zur Südostseite, über eine Länge von 11 Metern, erhebt
sich hier eine Häuserfront, deren Längslinie in der Mitte einen
leichten Knick nach innen zeigt und deren Vertikale auf halber
Höhe eine Neigung nach innen und in Nähe des Dachfirstes nach
außen aufweist. Die Höhe des Hauses, bedingt durch die Lage am
Hang, beträgt am Südgiebel 5,10 Meter, an der Trennwand zum
Nachbarhaus 6,20 Meter. Die Vorderseite ist in einem gut
erhaltenen Fachwerk errichtet, das sich aus 5 großen Längsbal-
ken und 5 im Abstand von einem Meter liegenden Querbalken
präsentiert. Unregelmäßig und ohne Symmetrie sind in diese
Häuserfront, wohl mehr der Funktion gehorchend, etwa 90 cm
hohe Fenster eingelassen. Daneben gibt es kleinere Fenster mit
einer Höhe von 48 cm. Über den 2 Haustüren befinden sich 45 cm
hohe Oberlichter. Die Balkenordnung zeigt insgesamt keinen
Kunststil, nach dem gebaut wurde, sondern in erster Linie sind
hier roh bearbeitete Balken, so wie man sie fand, eingelassen und
verwendet worden, um der Wand den nötigen Halt zu geben.
Begibt man sich zu der 8 m breiten südlichen Außenmauer, so
findet man hier eine Stirnseite in Natursteinen, in die ebenfalls
ganz unsymmetrisch 2 Fenster eingebaut sind. Zur Nordwestseite
fällt ein großes, flach gezogenes, mit schwarzen Dachpfannen
gedecktes Dach auf eine 1,10 m hohe Bruchsteinwand. Es schützt
das Haus vor kalten Nordwestwinden.
Beim Betreten des einen Hauses, das eine Länge von 5,60 m
hat und an ein Haus mit einer Ziegelwand grenzt, führt der Weg
durch eine 1,84 m hohe und 88 cm breite Holztür, die in einem
68
Holzrahmen hängt, dessen Scharniere mit ihren vielen Eisen-
scheibchen auffallen. Der Eintretende befindet sich in einem 4,20
m X 2,25 m großen Raum, dessen Boden mit Steinplatten belegt
ist und der an der rechten Wand einen ehemaligen offenen
Kamin zeigt, in dem heute ein Kohleofen mit Kachelwänden aus
der Zeit der Jahrhundertwende steht. Neben dieser Feuerstelle
befinden sich links und rechts tiefe eingebaute Wandschränke.
Neben diesem Raum liegt ein 2,40 m breites Zimmer, das
auch ”die Spinge’”” * genannt wurde. Von dieser Spinge führt
eine steile Holztreppe zur ersten Etage. Hier befinden sich zwei
Schlafräume. Betriit man von der Treppe aus durch eine kleine
quietschende Holztür den Speicher und bückt man sich unter .
dem Flachdach, so erkennt man die ursprüngliche Nordwest-
seite des Hauses, ebenfalls im schönsten Fachwerkbau. Der
Zahn der Zeit hat an dieser durch das Dach versteckten
Wand genagt und so sıeht man zwischen den Balken das mit
Lehm beworfene Flechtwerk aus Weidenzweigen. Demnach war
also das ursprüngliche Haus 11 m lang und gut 4,20 m breit.
Durch das flach ausgezogene Dach konnte entlang dieser Außen-
mauer im Erdgeschoß ein Raum gewonnen werden, der mit völlig
schiefen Wänden ein Innenmaß von 4,85 X 3 m hat. Ein 1,38 m
breites und 70 cm hohes Fenster durchbricht hier eine fast 60 cm
dicke Wand. Der Raum, der etwa 2,26 m hoch ist, war vor rund
50 Jahren Küchenraum. Zu erwähnen ist noch ein kleiner, etwa
1,50 m X 2 m hoher Keller, der unter diesem Raum liegt.
Über dieses Haus mit seinen schiefen Wänden, Nischen und
Winkeln gibt es unseres Wissens keine Aussage in alten Urkun-
den, so daß eine genaue Auskunft über das Baujahr bedauerli-
cherweise nicht ermittelt werden kann. Nach Schätzungen gehört
dieser Fachwerkbau zu den ältesten Ansiedlungen in diesem
Gebiet und das Baujahr dürfte, wie der Vergleich.mit ähnlichen
Bauten zeigt, im beginnenden 17. Jahrhundert liegen. Auch wenn
nirgends Jahreszahlen in die Holzbalken oder Wände eingeritzt
sind, stellt dieses Haus etwas Besonderes dar und führt den
Beobachter unwillkürlich auf Erkundungsfahrt in die Umgebung
und vor allem in die gelebte Vergangenheit derjenigen, die hier
ihre Kindheit verbracht haben. Aber auch die, die heute diesen
Ort als Wochenendidyll ausgesucht haben, wissen mit ihrer
Begeisterung für diese Stätte uns anzustecken.
* Mundartl. = Abstellraum
69
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Foto A. Janssen
Am 23. November 1923 schlossen die Eheleute Jean-Joseph
Hubert Bindel und Gertrude-Louise Dederen einen Kauf-
vertrag beim Notar Xhafflaire in Montzen, der ihnen ein Los mit
einer Gesamtfläche von fast 4 ar übertrug. Der Preis für das
Haus mit umliegendem Grundstück betrug 1.800,- Fr. Die
Einregistrierungsgebühren betrugen 301,- Fr 38 Centimes. Das
zuständige Gericht war Aubel. Die Gesamtfläche ist eingetragen
beim Katasteramt mit den Nummern : Section B N° 253, 246,
25a und 2S5Sb.
Herr Bindels, der Arbeiter bei der Vieille Montagne war,
lebte bereits seit 1919 mit seiner Frau in diesem Haus. Ihre vier
Kinder wurden hier geboren. Was der Vater alles an Verände-
rungen innerhalb dieses Hauses und darum herum durchgeführt
hat, berichten heute noch mit Begeisterung seine Söhne Louis
und Joseph und seine Tochter, die jetzige Frau Leonie Jungbluth.
So wissen sie, daß der Vater die Wand zwischen dem heutigen
Küchenraum und der ”’Spinge’”’ Mitte der 20-er Jahre aufbrach.
Diese Wand soll über ein Meter dick gewesen sein und barg in
ihrem Inneren alte Gewehre, Helme und Eisenkugeln aus einer
Zeit, die mit Sicherheit lange vor dem ersten Weltkrieg lag. Die
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Gegenstände sind leider weggeworfen worden, so daß diese
Aussagen im Raum stehen bleiben müssen.
Da das Wasser von einer 200 m weit entfernten Quelle“
herangeschafft werden mußte, baute Vater Bindels vor der
Hausfront neben der Eingangstür eine Zisterne, von der heute
keine Spuren mehr zu entdecken sind. Die Fußböden, die mit
großen Blausteinplatten ausgelegt waren, wurden mit Holz über-
deckt. Die Fenster der Hausfront entstanden in ihrer heutigen
Form. Zu dem Haus gehörten Stallungen. Ein großer Baumbe-
stand schirmte das Anwesen von der Außenwelt ab. Das benach-
barte Fachwerkhaus wurde von den Bindels Kindern selbst mit
Interesse betrachtet, beherbergte es doch in seinem Innern eine in”
die Wand eingebaute Bettkammer, die mit einer einfachen
Holztür abschließbar war. Dieses Haus ist heute in einem
schlechten Zustand. Inwendig bröckelt der Lehm von den Wän-
den. Dicke Spinngewebe muß man durchgehen, will man in den
Gewölbekeller gelangen, der nur ein 30 X 40 cm offenes Fenster
hat. Auch in diesem sehr renovierungsbedürftigen Haus befindet
sich ein Kamin mit einer Blausteinrahmung. Nach Aussagen der
Eigentümer soll hier einmal - das Jahr kann nicht genannt werden
- ein Monsignore gewohnt haben.
Die moderne Zeit erreichte auch dieses Haus. 1935 wurde
Licht gelegt und 1960 erhielt der Weiler Hof Anschluß an das
hiesige Wassernetz. Nach dem Tod der Eheleute Bindels-Dederen
mieteten Naturfreunde aus Aachen diese 2 Häuser und ließen in
zweijähriger mühevoller Arbeit den Fachwerkbau in einem neuen
Kleid erstehen. Noch heute wird auf dem alten Kachelofen mit
Holz und Kohle gekocht. Die Bäume wurden gefällt und die alten
Stallungen abgerissen, so daß dieser interessante Fachwerkbau
jetzt frei und von weitem sichtbar daliegt.
Damit ist nur ein kleiner Teil über diesen Weiler berichtet,
denn hört man Louis Bindels, so haben seine Ausgrabungen im
Garten noch alte Grundmauern freigelegt. Außerdem führten zu
diesem Haus von allen Seiten Wege, die sich hier kreuzten. Über
diese Forschungsergebnisse wird an anderer Stelle berichtet
werden.
Die Bezeichnung ”’Hof””’ 1äßt den Schluß zu, daß es sich bei
dieser Siedlung um den ursprünglichen Kelmiser Hof handelt, der
71
allerdings ein viel größeres Gebiet umfaßte, als der heutige Weiler
gleichen Namens (Vgl. F. Pauquet : ”’Die älteste Besiedlung im
Gebiet der ehemaligen Herrschaft Kelmis’”’ in ”Im Göhltal”, Nr.
2, S. 25-35, Nr. 5, S. 14-29 und Nr. 6, S. 7-14).
Auch wenn wir auf viele Fragen vielleicht keine Antwort
bekommen sollten, so bleibt uns doch dieses Haus, an dessen
Fachwerk mit seinen schwarz angestrichenen Balken und den
weißgetünchten Zwischenräumen wir uns erfreuen dürfen, und
das seinesgleichen in der näheren Umgebung suchen muß.
Wr
Der Grabstein des Ketteniser
Kirchenerbauers
von Alfred Bertha
Lange bevor Kettenis aus dem Pfarrverband der Großpfarre
Walhorn herausgelöst und -1648- zur selbständigen Pfarre erho-
ben wurde, hatten die Ketteniser schon das Recht, ihre Toten im
eigenen Ort zu bestatten. An die vordem übliche Überführung
der Leichen nach Walhorn zur Beisetzung auf dem dortigen
Friedhof erinnert jedoch bis heute die an der Brigidakapelle auf
Merols abzweigende und nach Walhorn führende ”’Leichen-
gasse”.
Die erste uns bekannte Erwähnung des Ketteniser Friedhofs
fällt ins Jahr 1553 (1). Doch mehrere Jahrhunderte lang wurden
die Toten teils auf dem Friedhof, teils in der Kirche selber
beigesetzt. Erst Joseph II. verbot 1784 Beisetzungen innerhalb der
Gotteshäuser und unter Napoleon wurden i. j. 1804 diesbezüglich
noch strengere Richtlinien erlassen.
Im Falle einer Beisetzung im Kircheninnern ließen die
adligen und begüterten Familien meist eine Steinplatte auf das
Grab legen; diese Platte trug vielfach ein eingemeißeltes Wap-
pen oder eine Inschrift, manchmal auch beides, woraus man
ersehen konnte, wer dort beerdigt worden war oder welcher
Familie diese Grabstätte gehörte. Doch mitunter starb eine solche
Familie aus und niemand erhob mehr Anspruch auf die freige-
wordene Ruhestätte. Es lag dann meistens im Ermessen des
Pfarrers, darüber zu verfügen.
In der Ketteniser Kirche, deren Baugeschichte sich von 1515
bis 1842 erstreckt (2), lagen einst eine größere Anzahl von
Grabsteinen. Beim Neulegen des Fußbodens i. J. 1834 wurden sie
herausgerissen und gingen bis auf einige wenige verloren (3).
Unter denen, die uns, wenn auch verstümmelt, erhalten blieben,
ist auch der Stein, der einst die sterblichen Überreste des
Erbauers der jetzigen‘ Ketteniser Kirche zudeckte. Er wurde i. J.
1936, gelegentlich der Vergrößerung des Friehofs, vor das damals
errichtete Friedhofskreuz als Bodenabdeckplatte gelegt. Darüber
deckte man Teerpappe, Sand und Kies, um ein Durchbrechen
von Unkraut zu verhindern. Der damalige Wegewärter nahm
74
Wie schon gesagt, der Stein ist verstümmelt und nur einem
glücklichen Zufallsfunde verdanken wir es, daß wir den ursprüng-
lichen Zustand und die vollständige Inschrift wieder erstehen
lassen können. (4)
Der Walhorner Pfarrer Johannes van den Daele ist uns als
besonders prozessierfreudig bekannt. Mehrfach schon haben wir
auf diesen Charakterzug van den Daeles hingewiesen. Doch nicht
immer war er der Kläger; so 1764, als die Wwe Heyendael aus
Astenet einen Prozeß gegen ihn anstrengte, weil er ein Familien-
grab der Heyendaels fremd belegt hatte. Den Prozeßakten verdan-
ken wir es, daß wir über die damals in unseren Kirchen
vorhandenen Grabsteine Bescheid wissen, denn nicht nur in
Walhorn, wo der Pfarrer sich derart ”’vergangen’’ hatte, wurde
eine Bestandsaufnahme dieser Denkmäler gemacht, nein, man
dehnte die Untersuchung auf das gesamte Walhorner Land und
darüber hinaus bis Limburg aus.
In Kettenis zählte man 10 Grabplatten in der Kirche,
darunter die des Kirchenerbauers. Der Meister war im Mittelgang
der Kirche beigesetzt worden. Die Entfernung von der Kommu-
nionbank läßt sich nur annähernd bestimmen. Von dort aus
gesehen lagen sieben Steine im Mittelgang, wovon drei dicht
aneinandergelegt sich leicht von einem vierten, der näher zur
Kommunionbank hin lag, absetzten. Der letzte dieser drei Steine
war der des Baumeisters der Ketteniser Kirche.
Doch nicht nur eine verhältnismäßig genaue Beschreibung
der Lage des Steines wurde gelegentlich des erwähnten Prozesses
gegeben. Die mit der Bestandaufnahme betrauten Männer ver-
richteten gründliche Arbeit. Sie scheuten sich nicht, notfalls
Bänke zu verrücken und Steine zu benetzen, um deren Inschrift
besser entziffern zu können. Beim Grabstein des Kirchenbauers
lasen sie folgende Inschrift ”’in alten St. Peters Lettern” :
”Meister Claes Ghir bouwr dys Godzhuys An° 1543 ....
und dann, nach einigen ”unlesbaren Buchstaben” :
”’biedt vur die Zeel”
Die Herren Birven und Heyendael, die dies nachprüften,
fanden die als unlesbar angegebene Stelle sei als ”obiit 1 Julii”” zu
lesen. Auch änderten sie ”’Claes”” in ”’Clais”” und ”’biedt” in
”bidt”’. Somit steht der vollständige Text des Grabmales fest :
7
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Medaillon mit Kneifzange und den Buchstaben y und s
”Meister Clais Ghir bouwr dys Godzhuys An° 1543. obüt 1
julii. bidt vur die Zeel”.
Im verhältnismäßig gut erhaltenen oberen Teil des Steines
werden die beiden Eckfelder von Abbildungen von Kneifzange
und Hammer eingenommen. In der Beschreibung der Platte heißt
es, die beiden unteren Eckfelder zeigten eine Scheere. (”’Bevonden
op iederen hoeck van den steen een specie van cartel in een van
welcke is verbeldt een trecktang, in het ander eenen haemer ende
in jeder van de twee anderen een Scheder Scheer”)
Aus dem fehlenden Textteil und den unten anzufügenden
Medaillons mit Scheerenabbildungen können wir die ursprüng-
liche Länge der Platte annähernd bestimmen. Diese muß etwa
2,20 m betragen haben, was bedeutet, daß weniger als die Hälfte
des Steines erhalten ist.
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In der unteren Hälfte befindet sich am linken Rand eine
rechteckige ausgemeißelte Vertiefung von 3,5 cm. Es ist nicht
mehr zu sagen, was ursprünglich darin verankert gewesen ist.
Meister Clais Ghir ist uns durch keine andere schriftliche
Quelle der damaligen Zeit bekannt. Wir wissen weder, woher er
kam, noch ob er Nachkommen in Kettenis hatte. Tatsache ist,
daß sein Grab, wie viele andere auch, im Laufe der Zeit
mehrmals Fremdbelegung bekam, wovon noch heute Spuren zu
erkennen sind. Aus den noch lesbaren Wortfetzen ließe sich
allerdings keine zusammenhängende Inschrift rekonstruieren.
Wieder gibt die Prozeßakte Auskunft.
Zum ersten Male wurde des Baumeisters Grab i. Jahre 1629, ;
also 88 Jahre nach dessen Tod, neu belegt. Die Inschrift, die die
Mitte der Platte einnahm, lautete :
”Hic jacet honestus Joannes Wildt. Obiit 12 Xbris 1629”.
(= Hier ruht der ehrbare Johannes Wildt. Er starb am 12. Dez.
1629). Darunter erblickte man ein Wappen mit einem ”’Wilde-
mann” sowie drei kleinen Lilien, die von einem ”Wildemann”
überragt wurden. (5)
Für weitere Inschriften blieb immer noch Raum, sowohl
darüber wie darunter. Den Kopf des noch freien Feldes nahm
folgender Text ein :
”2 da Anni 1683 hic sepulta est Anna de die dicta Longue-
haye moderni pastoris in Kettenis mater. RIP.” (6)
(=Am 2. (Tag) d.J. 1683 wurde hier beigesetzt Anna de Die
genannt Longuehaye Mutter des gegenwärtigen Pastors von
Kettenis.)
Und als dritte Inschrift war unterhalb des eben beschriebe-
nen Wappens eingemeißelt worden :
”Hier ist gebraben (sic) Sr Jacobus Cardoll den 19 may 1761.
RIP”
Vom letzteren Epitaph sind noch Bruchstücke zu entziffern,
während vor den beiden ersten sowie von dem Wappen nichts
mehr zu erkennen ist.
Man darf annehmen, daß des Baumeisters Clais Ghirs
Gebeine auch heute noch im Mittelgang der Ketteniser Kirche
ruhen, da, wo sie vor mehr als 400 Jahren beigesetzt wurden. Die
7R
Fremdbelegung seines Grabes wird ihn nicht gestört haben. Und
als man im vorigen Jahrhundert in bilderstürmerischer Weise
seinen Grabstein aus der Kirche entfernte und auf einen Schutt-
haufen warf, konnte der Meister nicht ahnen, daß er in unserer
Zeit wieder zu Ehren kommen würde ...
Anmerkungen :
1) Staatsarchiv Lüttich, Walhorner Gudungsbuch 1529-1556, S. 102 r. S.M.
Kohnemann, ”Die Flurnamen des Walhorner Landes”, Bd. 1, S. 295: ”ain
kerckhoyff in Kettenis”.
2) Viktor Gielen, ”Eupener Land”, S. 111.
3) Der Ketteniser Pfarrer Paulus Pauls schreibt am 11.2.1834 an das Generalvi-
kariat in Köln, sowohl die Kirchenbänke wie der Fußboden der Ketteniser Kirche
seien in schlechtem Zustand. Durch ein Opfer seiner Pfarrkinder habe er die
Möglichkeit, Boden und Bänke zu erneuern. Die alten Bänke und Steine wurden
daraufhin vom Generalvikariat zur Versteigerung freigegeben. (Diözesanarchiv
Aachen, GVO Kettenis). Doch haben wir keinen Hinweis auf eine wirklich statt-
gefundene Versteigerung finden können. Wir wissen nur, daß bei der Vergröße-
rung des Ketteniser Friehofes i.J. 1879 viele Grabsteine zerschlagen wurden. (S.
"Geschichtliches Eupen””, Bd. 10, 1976, S. 152).
Einem Hinweis von Herrn Kl. Brandt, Kettenis, verdanken wir die Wieder-
entdeckung zweier interessanter alter Steine im Innenhof der ehemaligen Leimsie-
derei Kroppenberg in der Kirchstraße zu Kettenis, wo sie vor einer Garage liegen.
In der nächsten Nummer dieser Zeitschrift werden wir näher darauf eingehen. In
demselben Innenhof lag bis 1936 auch der Stein des Kirchenerbauers, von dem im
Text die Rede ist.
Am Fuß des Missionskreuzes, rechts des Portals der Ketteniser Kirche, liegen
fünf Priestergräber, wovon eines allerdings mit so stark verwitterter Platte, daß die
Inschrift nicht mehr zu entziffern ist. Die vier anderen gehören ins 19. und 20. Jh.
Diese Steine haben also niemals in der Kirche gelegen. Bei den identifizierbaren
Steinen handelt es sich um die der Priester Steinfelt, Herfs, Wieland und Saur.
4) Stadtarchiv Aachen, ungeordnete Akten d. Hochbank Walhorn.
5) Unter ”’Wildemann”’ist eine wenig bekleidete männliche Figur zu verstehen,
die in der Heraldik häufig als Wappenträger auftritt.
6) Pastor Johannes Leonhard Longuehaye war Seelsorger in Kettenis von 1675-
1705. Ein Johannes Longuehaye sagt 1765 aus, er habe seinen Vater im Alter von
9 oder 10 Jahren verloren, doch habe er sagen hören, dieser sei im Alter von 7
Jahren aus Clermont nach Kettenis gekommen, wo er beim Pfarrer, seinem
Onkel, groß geworden sei. Ein Grabstein in der Ketteniser Kirche trug den
Namen des Nicolaus Longuehaye, ehemaliger Bürgermeister von Clermont. Er
starb 1684. Aus dem Kirchenbuch geht hervor, daß dieser Nikolaus Longuehaye
der Ehemann der genannten Anna Dedie und Vater des Pfarrers Joh. Leonh.
Longuehaye war. Anna Dedie starb am 30. Dezember 1682 im Alter von 75 Jahren
und wurde am 2. Jan. 1683 beigesetzt.
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Auf den Tod meiner Mutter
Von klein auf nicht gewohnt das Licht zu schauen,
In welchem nur die ‚,Großen’”” Schlösser bauen
Mit Prunkfassaden, die den Trug verhehlen
Und Hinterhöfen jeden Lichtschein stehlen,
So lebtest du im grauen Alltagskleid.
Dein Name ward genannt zu keiner Zeit
In Ruhmesblättern, auf Erfolgspanier, :
Als großer Feste Gegenstand und Zier.
Im Jammertal erlebtest du auch nicht
Des freien Geistes selbstentfachtes Licht.
Die Muse, die Enterbten dieser Welt
Mitunter ihren Lebensweg erhellt,
Auch sie mit ihren Trostgestalten stand
Nicht leuchtend dir an deines Weges Rand.
Des grauen Alltags deiner Erdenjahre
Gedenken schmerzlich wir an deiner Bahre,
Auf der du ruhst nach schwerer Qual und Not,
Nach wochenlangem Ringen mit dem Tod.
Zerrann dein Dasein trüb nur und vergebens
Im sonnenlosen Hinterhof des Lebens ?
O nein, lieb Mütterlein im Totenschrein,
Das kann dein Leben nicht gewesen sein.
Du hast ja nicht zu deinem Wohl gelebt,
Dein eig’nes Glück hast du ja nicht erstrebt.
Du gabst dich opfernd deinen Kindern hin,
Und das war deines Lebens hoher Sinn.
Laßt es uns nicht mit lautem Lob erwähnen,
Das danken stumm dir deiner Kinder Tränen.
Gerard Tatas
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°
Die St. Anna Kapelle zu Lontzen-Busch
von Walter Meven
Als Mittelpunkt des Weilers Busch mit seiner typischen
Streubesiedlung, finden wir am Wege nach Montzen die St. Anna
Kapelle. Als Schutzpatronin der Mütter, der Bergleute und der
Kaufleute läßt sich die Verehrung der Hl. Mutter Anna bis ins
frühe Mittelalter nachweisen.
So kam im Jahre 1501 die Hirnschale der Heiligen von Mainz
nach Düren, wohin sie ein Steinmetz mitgebracht hatte. Die
Annakirmes wird noch jedes Jahr in Düren mit großem Aufwand
gefeiert.
Äußerlich nimmt sich die Kapelle in Lontzen-Busch etwas
bescheiden aus. Doch im Inneren bietet sich dem Betrachter ein
selten kostbarer Anblick. Der Hauptaltar mit seinen von einem
flämischen Meister gegen Ende des 16. Jahrhunderts geschaffenen
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Die heutige ”Buscher Kapelle” - Ostansicht
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Holzplastiken ist ein erlesenes Kunstwerk, das in der weiten
Umgebung seinesgleichen sucht. Die Kreuzwegstationen sind ein
Geschenk der Pfarrkirche zu Rurich bei Jülich aus dem Jahre
1902.
Vor der Umgestaltung der Kapelle, im Jahre 1898, haben die
Figuren, die die hl. Mutter Anna und den hl. Wendelin darstel-
len, über einem Holzgitter gestanden, das sich im Inneren der
Kapelle zwischen Oktogon und Vorbau befand.
Über den Ursprung der Kapelle sagen Urkunden und Akten,
die sich mit ihr befassen, oder sie erwähnen, recht wenig aus.
Grondahl (1) fand sie, leider ohne Angabe der Quelle, 1630 ®
erwähnt. Kohnemann (2) bringt einen Weg, den er in einem
Lontzener Gudungsbuch für die Jahre 1565 bis 1585 als ”op den
capell wech” eingetragen fand, mit der Annakapelle in Verbin-
dung. Sicher führt der Weg beiderseits an der Annakapelle vorbei.
Doch kann man nicht auch annehmen, daß er als Weg nach
Henrichskapelle zu verstehen ist ?
Freifrau v. Coels (3) fand sie in den Lehensregistern der
propsteilichen Mannkammer in einem Testament des Jahres 1664
erwähnt. Hier haben wir bis zum Tage die älteste urkundliche
Erwähnung vorliegen.
Schauff (4) spricht von mündl. Überlieferungen; danach soll
die Kapelle schon im 13. Jh. erbaut worden sein. Doch beflügelt
diese Art der Überlieferung leicht die Fantasie und führt sehr oft
zu Verzerrungen der wirklichen Gegebenheiten. Solange sich diese
Überlieferungen nicht durch Akten und Urkunden erhärten
lassen, müssen wir sie leider in den Bereich der Spekulation
verweisen. Nur eine wissenschaftliche Untersuchung, z.B. Gra-
bungen oder Vergleiche mit datierten Objekten, die im gleichen
Stil und mit ähnlichen Techniken erbaut wurden, sowie das
verwendete Baumaterial könnten Aufschluß geben.
Schon vor 150 Jahren schreibt der damalige Pfarrer von
Lontzen, J. Corsten, in einem Bericht (5) an das Generalvikariat
in Köln, ....”daß vom Ursprung der Kapelle keine Urkunde
vorfindlich sei, sogar sei keine Sage bekannt.”
Hier der Bericht im Wortlaut :
”Die Kapelle St. Anna zu Busch ist 1/4 Stunde von der
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Pfarrkirche entfernt, sie ist Octogone aus Bruchsteinen gebaut,
ihr Durchmesser enthält ungefähr 25 Fuß, und hat ein Altare
portatile; (6) sie ist in einem ziemlich guten Zustande. Vom
Ursprung dieser Kapelle ist kein Dokument vorfindlich, sogar
sind keine Sagen bekannt. Zufällig habe ich vor einigen Jahren
ein verworfenes Papier gefunden, welches eine Bittschrift der
Gemeinde-Vorsteher von 1694 enthält, wodurch diese bei der
Bischöflichen Behörde zu Lüttich sich anerbieten, die wegen Alter
Einsturz drohende Kapelle zu erbauen, wenn der Bediener
derselben, der nur einige wöchentliche Messen darin zu lesen hat,
angehalten werde, die Kapellanie von Lontzen zu versehen und
den Pfarrer in der Seelsorge zu unterstützen. Dieses muß gestattet
worden sein, weil am Eingange der Kapelle sich folgende Inschrift
findet : Renovatum 1694, und von dieser Zeit an der Kapellan
von Lontzen die wöchentlichen Messen darin zu lesen hat. Die
Zahl derselben ist 139 : Das Salaire dafür steigt zu 103 Lütticher
Gulden 9 Stüber 1 Ort. Oder in Preuß. : Courant ungefähr 33
Tir. 7 sg. 6 Pf. wie aus der Beilage Nr. 1 erhellet. (7)
Auch hat der Pfarrer in gesagter Kapelle 36 Messen jährlich
zu lesen, wofür er beinahe 32 Gulden oder 10 Thlr. 8 Sg. bezieht.
Übrigens hat sie gar keine Fundationen (8) : Sie wird von der
Kirche und Gemeinde unterhalten und mit allem nöthigen
versehen.”
Lontzen, den 16. Januar 1828 J. Corsten Pfarrer
Leider ist das hier erwähnte Schriftstück aus dem Jahre
1694, das sicherlich noch mehr Einzelheiten enthielt, nicht
aufzufinden. Die Nachforschungen dauern zur Zeit noch an. In
ungeordneten Akten der Hochbank Walhorn (Stadtarchiv
Aachen) fanden wir ein vom 23. Juli 1696 datiertes Dokument,
aus dem hervorgeht, daß zwischen dem Pfarrer und der Gemein-
de Lontzen ein Streit um das Besetzungsrecht der Lontzener
Kaplanstelle ausgebrochen war. Aus einem weiteren Dokument
aus dem Jahre 1727 ersehen wir, daß der damalige Lontzener
Kaplan Bindels i.J. 1719 durch die Gemeinde ernannt worden
war und daß er wie seine Vorgänger in diesem Amt neben der
sonntäglichen Frühmesse in der Pfarrkirche montags und sams-
tags eine Messe am Muttergottesaltar zu lesen hatte. Zusätzlich
mußte der Kaplan ”alle 14 Tage 3 Messen in der Buscher
Kapelle” lesen.
82
Die Beilage Nr. 1 zu Pfarrer Corstens Bericht ist überschrie-
ben : Liste der Geenen die aen de Capelle tot Busch von wegen
fondation schuldig siyn sc. (Liste der Stiftungsmessen) (9)
Die hier aufgeführten Meßstipendien reichen teilweise bis in
das 18. Jh. zurück und sind sicherlich genealogisch interessant
veröffentlicht zu werden, da einige Namen noch heute in Lontzen
vertreten sind.
Lütt. Guld. Stüber
Willem Coka debet s’jaers voor 3 hl. Messen 2 10
de Wedw. Jois Kohl voor 3 Messen voor de Kin-
deren en Erffe wylen H. Willem Birven 1 12
de selvenoch! #24 un? 18 +
Sr. A. Radermecker voor Wynand Lautermann
en Joa Honts 2 10
Josef Buchel voor 4 Messen en 1 pater noster
voor Wwe Cool 3
Cornelis Werts wegens Jacob Mützenich 8
idem wegens den selven 6
idem wegens den selven 4 10
Brits Goor voor 4 Messen voor Anna Cath. Goor 2
idem voor 6 Messen voor j. Maria Yserentant 5}
Jacobus Plaire senior voor 6 hl. Messen met en
Pater voor Jaspar Jennis en Barbara Birven 5
Jacob Ernst %
idem voor Jacob Mutzenich (in begrepen in de
39 Messen) 10
Nicolaus Ernst voer Cornelis Goor F >
idem voor 20 Messen voor de Hups 16
Sr. J.L. Pesch wegens Steckborn voor vier
Messen voor Anna Catharina Hennen 2 13
d’Hre Birven wegen grottenlaen voor 2 Messen
voor Corn. Leur 1 10
Steffen Loring van Hausent 1 10
Milger Jennis in de Scherpstraet voor 4 hl.
Messen voor d’hre Michael Smets gewesene
Capellaen sc. (+ 5.2.1762) 3 10
Peter Lautermann voor 6 Messen wegens Claes
Mattelet 4 10
Eenen tydelyken Armenmomber 4 Messen voor
Joes: Gerard Goor ende syne huysfrouwe z 10
83
Bath. Closset tot Muschemen voor Adolp Hups 1 2
Wynandus Steenmetzer voor thien h. Messen voor
Joanna Cath. Klinckenberg ende familien 8
Wedwe J. Malmendier door Joes Hennen legateert 18
deselve voor 2 Messen voor Anna Jongbloed en
W. Haemel +
Milger Jennis den langen 1
Mit Pfarrer Corsten fungierte als Vikar ein 80-jähriger
Kapuzinerpater mit Namen Felicianus Schyns, der bis zur
Auflösung des Ordens, im Jahre 1803, zur Kölner Provinz des
Kapuzinerordens gehörte.
Er wirkte bis kurz vor seinem Tode, am 13.1.1831, als Vikar
in Lontzen, an dem Ort, an dem er Zuflucht gefunden hatte. Mit
zunehmendem Alter bereitete ihm die Verrichtung seiner Dienst-
Obliegenheiten erhebliche Schwierigkeiten; der weite Weg zur
Kapelle und sein angegriffener Gesundheitszustand führten dazu,
daß er viele Messen nicht lesen konnte, die er als Vikar im Sinne
der Stifter übernommen hatte.
So vertritt der Landdechant beim Erzbischof die bei ihm
vorgebrachte Klage des Lontzener Pfarrers in einem Schreiben an
das Generalvikariat in Köln mit folgenden Worten :
(10) .....”Sein alter beinahe 80-jähriger Vikarius ehemaliger
Kapuzinerpater Felicianus Schyns fungiert jetzt als Vicar zu
Lontzen seit 25 Jahren. Von der Gemeinde bezieht er nur eine
Zulage von 200 Franken. Die Stipendien der Messen, die er
gemäß beiligendem Bericht über die Kapelle zu Busch bezieht,
sind sehr niedrig fundiert, und was noch mehr ist, liegt gesagte
Kapelle 1/4 Stunde weit wenigstens von seiner Wohnung entfernt.
Nun tritt aber hier der Fall ein, daß dieser alte Mann fürchtet
während der langen Dienstzeit von 25 Jahren, von den fundierten
Messen bereits 600 ausgelassen zu haben.
Wie der Herr Pfarrer mir schreibt, ist der Vicarius weder
imstande diese Messen selbst zu lesen, weder durch andere sie
einholen zu lassen, weil sein Einkommen dazu nicht ausreicht
und daher fühlt er sich in seinem Gewissen sehr beunruhiget.
Herr Pfarrer von Lontzen ersucht mich, Seiner Erzbischöflichen
Gnaden die unterthänigste Bitte vorzulegen, die Lage dieses alten
Mannes zu berücksichtigen, und wo möglich, die Zahl der
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rückständigen sowie auch der forthin zu lesenden Messen redu-
zieren zu wollen.”
Mit tiefster Ehrfurcht habe ich die Ehre zu verharren
Hochwürdigster Herr
Dero ganzunterthänigster Diener F.J. Klausener
Landdechant
Eupen den 8. Februar 1828
Im Jahre 1846 erreicht den Erzbischof erneut ein Klage-
schreiben des Vikars J.A. Mennicken, worin er ihn ebenfalls
bittet, die Zahl der gestifteten Messen zu reduzieren (11) ”’da es ja
rein unmöglich ist, bei dem gleichen so spärlichen Einkommen $
eines Vikars, in jetzigen teuren Zeiten, die Messen der ursprüng-
lichen Stiftung gemäß zu lesen.”
Er klagt ferner darüber, daß ’”’diese Messen in einer um 20
Minuten von der Wohnung des Vikars entfernten Kapelle, wohin
nur ein schmutziger, und mitunter im Winter sogar ganz
unwegsamer Weg führt, gelesen werden.”
.... ”Auch befindet sich in jenem Weiler, in dem diese Ka-
pelle steht, die Pfarrschule, und es dürfte daher die Bemer-
kung nicht überflüssig sein, daß es bei der vorzunehmenden
Reduction rathsam sei, für alle Zukunft dem Celebranten die
Verpflichtung aufzuerlegen, jene Messen zu einer für den Besuch
der Schuljugend passenden Stunde zu lesen. Geschieht dieses
nicht, so könnte man leicht in Versuchung gerathen, das hl.
Opfer in der Kapelle zu Busch in früher Morgenstunde, bevor die
Leute sich auf ihre Felder und Wiesen zum Arbeiten zerstreuen,
zu feiern, was dann den üblen Umstand herbeiführte, daß die
Schuljugend Jahr aus, Jahr ein an Werktagen keine h. Messe
hörte. Ich für meine Person habe nun zwar jene Praxis bereits
eingeführt, auch ertheile ich unmittelbar nach der hl. Messe eine
Stunde kath. Unterricht und verfüge mich dann erst nach Hause,
um das Frühstück einzunehmen. Indessen sind das doch mit dem
Lesen jener Messen verbundenen schweren Umstände, die bei der
nachfolgenden Reduction einige Berücksichtigung verdienen.”
Auf diese Eingabe hin reduzierte die kirchliche Behörde die Zahl
der Stiftungsmessen von 139 auf 71.
Die erwähnte Pfarrschule neben der Kapelle zu Busch wurde
im Jahre 1840 nach langwierigen Auseinandersetzungen zwischen
dem Pfarrer und den Gemeindevätern erbaut.
85
1821 wurde der Schulunterricht noch von der österreichi-
schen Zeit her in der Schulkaplanei gehalten. In dieser Zeit gab es
auch in Busch eine sogenannte einheim. Nebenschule, die im
Jahre 1831, wie wir aus einem Brief des Konsistorialrats Classen
ersehen können, geschlossen wurde. Auch die Erweiterung der
Schulkaplanei ”mit einem Durchgang zum Friedhof” reichte auf
die Dauer nicht, die zunehmende Kinderzahl aufzunehmen. Die
Kinderarbeit war noch sehr verbreitet. So arbeiteten im Jahre
1833 allein 17 Kinder auf der Fabrik in Astenet und hatten nur
wenige Stunden Unterricht in der Woche.
Während des Umbaues der Schulkaplanei war die Schule im
Hause des Ambrosius Reul. Für eine lange Zeit war die Schule
dann auch im Gemeindehaus in einem Raum der in der Länge 26
Fuß und in der Breite 13 Fuß maß. Erst mit zunehmenden
Interesse und der allmählich konsequenter durchgesetzten Schul-
pflicht faßte man den Plan, ein eigenes Schulhaus zu bauen.
Baumeister Habes entwarf ein solches mit einem geschätzen
Kostenaufwand von 2010 Reichstalern im Jahre 1835. Fast 5 Jahre
hat man sich über den Ort der Errichtung der Schule gestritten.
Der Pfarrer war bereit, 100 Taler aus eigener Tasche zu bezahlen,
wenn man sie in unmittelbarer Nähe der Kirche baute. Sein
Widersacher, Bürgermeister Cormann, setzte jedoch seinen Willen
durch, die Schule, der ”’zentralen Lage” wegen, in Busch neben die
Kapelle zu bauen. Bis zum Jahre 1875 diente dieses Gebäude dem
Schulunterricht. Von da ab zog man um in einen Schulneubau
am ’”’Brackenhof”. Das alte Schulhaus in Busch diente lange Zeit
privaten Zwecken. Es brannte im Jahre 1892 sogar bis auf die
Grundmauern ab, was für unsere Kapelle eine nicht unerhebliche
Gefahr bedeutete. Im gleichen Jahr wurde es jedoch wieder
aufgebaut. 1896 entschloß man sich, das alte Schulgebäude zu
renovieren und seinem ursprünglichen Zwecke wieder zuzufüh-
fen.
Die Schulmesse, deren Besuch auch noch in unserer Jugend-
zeit obligatorisch war, fand damals, wie wir schon früher gehört
haben, in der kleinen Kapelle statt. Nun wollten natürlich auch
weiterhin, wie von altersher gewohnt, die Anwohner der näheren
Umgebung ebenfalls die Messe zu dieser Zeit besuchen, was dazu
führte, daß der kleine Kirchenraum die Gläubigen nicht mehr
fassen konnte. Als Ausweg aus dieser mißlichen Lage wurde der
Plan gefaßt, die Kapelle zu erweitern.
87
in Folge der Besetzung der Vicariestelle, das Bedürfnis einer
Vergrößerung der Kapelle aufgedrängt. Den Plan dazu, auf 4
Blättern, von dem bewährten Architekten M. Keuchen zu Aachen,
unterbreite ich hiermit ergebenst Einem hochwürdigen General-
vicariate zur Genehmigung.
Auf Blatt 1 ist die alte Kapelle bezeichnet mit a bc defghi
k; g h i k ist eine sehr niedrige Vorhalle; (ihre Höhe beträgt vom
Boden bis zur Dachkante blos 2 met. 60 cm.) Diese fällt fort bzw.
wird zu einem Schiff erweitert, wie aus dem Plan ersichtlich, die
beiden nächstanstoßenden Wände des Octogons werden durch-
brochen (a h + g f) und mittelst Rundbogen auf massiven
Steinsäulen h+ g gestützt, daß die Kuppel intakt erhalten bleibt.
Von Kunst kann bei der alten Kapelle keine Rede sein; es ist
ein ganz einfaches geradezu rohes Bauwerk, stellenweise nicht
einmal lotrecht.
Die Kostenfrage scheidet aus. H. Kaplan Kesselkaul kommt
persönlich für alle Unkosten, einschließlich der gefährlichen
Reparatur der alten, stehenbleibenden Teile auf, gestützt auf die
Munifizenz (12) eines auswärtigen Wohltäters. Seit H. Kaplan
Kesselkaul in der Sitzung vom 24. dies. die nötigen, bindenden
Erklärungen zu Protokoll gegeben, hat ihm der Kirchenvorstand
die Bauausführung nach vorgelegten Plänen mit allen bezüglichen
Rechten und Pflichten übertragen.
Ich möchte mir ausdrücklich vorbehalten, daß aus dieser
Vergrößerung der Kapelle nicht etwa für den Vicar von Lontzen
eine eigentliche Verpflichtung im strengen Sinne dort zu zele-
brieren später abgeleitet werde, welche in keiner Weise bestand.
Es haben sich nämlich bei einigen Pfarreingesessenen Ansichten
zu einer solchen irrigen Auffassung gezeigt. Übrigens liest der
Vicar auf meinen Wunsch regelmäßig 2 Mal wöchentlich die h.
Messe in Busch, mit Rücksicht auf die dortigen Schulkinder und
wird dies auch durchaus beibehalten.
Kirchenvorstand und Gemeinderat haben Plan und Abkom-
men betr. des Vergrößerungsbaues einstimmig genehmigt in ihren
Sitzungen vom 24.ten dies., desgleichen die Gemeindevertretung
am 27.ten. Wir warten nur auf die Genehmigung, um den Bau
unverzüglich in Angriff zu nehmen.””
Eines Hochwürdigsten Generalvicariates
ergebenster Diener Greven, Pfr.
88
Dieses Gesuch nebst Zeichnungen wurde dem Diözesanbau-
meister Vincenz Statz, dem Baumeister der St. Josefskirche in
Eupen und der Marienkirche in Aachen, zur Begutachtung
vorgelegt. Er teilte dem Pfarrer mit, daß die Kapelle nicht zu
einer Erweiterung geeignet sei. Das Ausbrechen der 3 Seiten und
das Einfügen von Steinsäulen sei sehr kostspielig; die Höhenmaße
von 4,70 m seien sehr gering und ein Neubau der Kapelle um die
Sakristeibreite von der Schule entfernt, würde sich wohl empfeh-
len. Auf keinen Fall könne das von den Lontzenern eingereichte
Projekt genehmigt werden. Wenn man schon keinen Neubau
errichten wolle, solle man einen Plan entwerfen, bei dem auch die
3 Vorderseiten abzureißen und, wie skizziert, der zu projektie- -
rende Anbau höher zu gestalten wäre.
Bei den Überlegungen, den Wünschen des Generalvikariats
zu entsprechen, scheinen beim Kirchenvorstand zunächst die
höheren Kosten im Mittelpunkt der Diskussion gestanden zu
haben, obwohl man schon früher lieber einer großzügigeren
Lösung den Vorzug gegeben hätte, die man eben der höheren
Kosten wegen aufgeben mußte. In einem Antwortschreiben an
das Generalvikariat vom 25. Mai 1898 heißt es : (14)
”Nachdem die Frage wegen der Aufbringung der beträchtlichen
Mehrkosten in befriedigender Weise gelöst, wurden mit aller nur
möglichen Beschleunigung neue Pläne angefertigt, welche in 4
Blatt anbei hier folgen mit zugehörigem Kostenanschlage.”
Die hier angesprochene Lösung bestand in der Person des
Barons de la Rousseliere, dem später, wie wir aus einem weiteren
Schreiben an das Generalvikariat wissen, ”(15) zum Danke für
großmüthige Schenkung an die Kapelle zu Busch, an seinem
Namenstage für sich und seine Familie ein Hochamt gelesen wird.
Es heißt im Wortlaut : ...’”” Der jedesmalige Inhaber der Vicarie
zu Lontzen ist verpflichtet, am 6. Februar jeden Jahres, als dem
Tage des hl. Gaston, Patrons des Herrn Barons, ein Hochamt zu
halten, und wird diese Verpflichtung an den Bezug der lasten-
freien Rente von 67 Mark geknüpft.”
Die hochherzige Spende, die der Baron dem ”’Bauführer””
Kaplan Kesselkaul zur Bestreitung der Unkosten übergab, belief
sich auf 11.500 Mark. Dem Vorschlage der Bischöflichen Behör-
de, eine ganz neue Kapelle an einem anderen Ort zu errichten,
89
wollte man nicht entsprechen. Lesen wir auszugsweise was der
Pfarrer am 25. Mai 1898 antwortet : (16) ...’’Ein hochwürdigstes
Generalvikariat schlägt nun in mehrerwähnten Schreiben vor
1) entweder eine ganz neue Kapelle zu bauen. Diese gewiß beste
Lösung stößt auf unüberwindliche Schwierigkeiten, einmal der
Kosten wegen und sodann weil es großen Anstoß bei den Leuten
erregen würde, wenn die alte Cultstätte verlegt würde. Indem ist
die rein bäuerliche Bevölkerung von Busch und Umgebung an
sehr primitive Wohnungsverhältnisse gewöhnt und würde für eine
noch bessere und kostspieligere Anlage, als die in beiliegenden
Plänen fixierte kein Verständnis haben.
2) oder ”’die 3 vorderen Seiten der alten Kapelle abzureißen und
wie skizziert, den projektierenden Anbau höher zu gestalten.”
Diesem Wunsche des Generalvikariats, durch erwähnte Skizzie-
rung erläutert, ist mit hier beifolgenden Plänen aufs genaueste
entsprochen worden.
Da während der 2 Monate, welche seit Einsendung der ersten
Pläne verflossen sind, alle Vorarbeiten so weit thunlich bereits
erledigt wurden, und der Termin für den Beginn des Neubaues
durch Contrakt mit dem Unternehmer schon festgelegt ist, so bin
ich so frei, ergebenst um recht baldige Rücksendung der Anlagen
mit etwaigen weitern Verbesserungsvorschlägen zu bitten. Zu
beiliegendem Kostenanschlag bemerke ich noch ebenmäßig : ad
Pos. 2ss die Frachten werden zum Teil von den Anwohnern
unentgeltlich geleistet.
ad Pos. 10 Der Belag soll wo möglich billiger hergestellt werden,
und das dadurch ersparte für innere Ausstattung verwandt
werden.”
In ehrfurchtsvollster Ergebenheit
Greven Pfr.
Von den hier erwähnten Plänen ist uns erfreulicher Weise
eine Gesamtübersicht mit Detailzeichnungen der einzelnen
Schnitte durch das Neubauprojekt überliefert. An Hand dieser
Zeichnung und der Baubeschreibung zum Bauantrag haben wir
den Versuch gemacht, die alte Kapelle zu rekonstruieren. (S.
Skizze S. 86) In einem Antwortschreiben vom 10. Juli 1898 erklärt
sich das Generalvikariat mit der Grundrißgestaltung des einge-
90
reichten Entwurfs einverstanden, meldet jedoch einige Ände-
rungswünsche an : (17) Vor allem sei ein massives Gewölbe
vorzusehen, und seien die Strebepfeiler demgemäß zu verstärken.
Die Fenster seien höher zu gestalten. Der vordere schwere Giebel
könne ganz wegfallen und der Dachreiter müsse in einfacher Weise
auf dem Neubau angebracht werden. Durch Wegfall des Giebels
sowie der Fenstereinfassungen in Haustein dürfte die Summe des
Kostenanschlages nicht überschritten werden.
Unter Berücksichtigung vorstehender Bemerkungen erteilte
das Generalvikariat die Genehmigung zur Ausführung des Pro-
jekts. Ohne auf die Genehmigung zu warten, hatten die Lontze-
ner im Mai des Jahres 1898 mit dem Abbruch der alten Kapelle 7
begonnen. Für den Abbau des Altares wurde keine spezielle
Erlaubnis eingeholt, da es sich um ein ”’Altare portatile”” han-
delte. Selbiges ruhte auf einem aus schlechtem, verschiedenarti-
gem Materiale hergestellten, gerissenen und gesunkenen Stein-
kern, wie wir aus einem Schreiben Kaplan Kesselkauls an das
Generalvikariat erfahren. (18)
Der Kaplan hatte Lontzen im Juli 1898 wegen Krankheit
verlassen müssen. Im Oktober des gleichen Jahres berichtet er in
obenerwähntem Schreiben über eine merkwürdige Feststellung,
die er bei der genauen Untersuchung des Buscher Altars gemacht
habe : wörtlich : ...”’Als ich im November vorigen Jahres den
Gottesdienst in der Buscher Kapelle beginnen sollte, wollte ich
mich über den Zustand des Altare portatile vergewissern;
dasselbe war aber in einer obenerwähnten Steinuntersatz um-
schließenden Holzverkleidung derart eingebettet, daß ich es nicht
mit bloßen Händen herausheben konnte. Da nun bei der großen
Kleinheit und dem schlechten Zustande des Altarunterfußes
sofort eine baldige Vergrößerung und Erneuerung desselben in
Aussicht genommen wurde, so glaubte ich bis dahin von einer
genauen Untersuchung des Altare portatile absehen zu können,
zumal dessen sichtbarer oberer Teil in bestem und vorschriftsmä-
ßigem Zustande, mit 5 unverletzten Kreuzen versehen war. Beim
Abbruch im Mai d.J. zeigte sich jedoch, daß das vermeintliche Al-
tare portatile merkwürdigerweise blos eine einfache Marmorplatte
war. Ebenso fand ich beim Abbruch des mehrerwähnten Steinun-
tersatzes, der vorgenommen wurde in meiner Gegenwart, und
wobei ich jeden einzelnen Stein der Besichtigung unterzog nichts
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Westansicht der Anna Kapelle
von Reliquien. Von all diesem habe ich damals dem Ortspfarrer
H. Greven Mitteilung gemacht. Die beabsichtigte Meldung an die
kirchliche Behörde glaube ich jetzt noch nachholen zu sollen,
damit es nicht im Unklaren bleibt, wie es gekommen, daß lange
Zeit in Busch an einem unkonsekrierten Altare celebriert worden
ist, von meinen Vorgängern und mir.”
Eines hochwürdigsten Generalvikariates
ergebenster Diener H. Kesselkaul.
Eine Reaktion des Generalvikariates auf dieses Schreiben ist
leider nicht aktenkundig. Möglich ist aber, daß man dem Kaplan
an seine Andernacher Adresse geantwortet hat. Dort hielt er sich
vermutl. aus Krankheitsgründen auf,
Nach einer persönl. Inaugenscheinnahme eines solchen ”’Al-
tare Portatile’”’ durch den Verfasser, traten erhebl. Zweifel an den
Feststellungen des Kaplans auf. Bei genauem Hinsehen konnte
92
man nämlich an einer Kante eine sehr geschickt aus gleichem
Material verschlossene Stelle von wenigen cm? entdecken, die die
Reliquie enthielt.
Ende November 1898 war die neue Kapelle soweit fertig, daß
der Pfarrer den Bischof um die Erlaubnis bat, die Kirche zu
benedizieren.
In einem Schreiben in lat. Sprache, antwortet der Bischof
wie folgt :
”Colonia die 29. November 1898 (19)
R.D. Carolo Greven, parocho in Lontzen, concedimus facul-
tatem benedicendi sacellum publicum titulo S. Annae, matris B.
Mariae Virginis, in loco Busch sub parochia Lontzen noviter
aedificatum, dum modo servet formam in Rituali Romano
praescriptam.
Archiepüs Cöloniensis
de mandato.
Vicarius generalis.
(”Dem Hochwürdigen Herrn Karl Greven, Pfarrer in Lontzen,
erteilen wir die Genehmigung, die zu Ehren der hl. Anna, der
Mutter der Seligsten Jungfrau Maria, im Weiler Busch in der
Pfarre Lontzen neuerrichtete Kapelle zu benedizieren, mit der
Auflage, dies in der im römischen Rituale vorgeschriebenen Form
zu tun.”)
Ein vermeintlicher Formfehler bei der Annahme der Schen-
kung des Herrn Barons de la Rousseliere war noch einmal Anlaß
eines Schriftwechsels mit der kirchlichen Aufsichtsbehörde.
Der Kirchenvorstand hatte nämlich die Schenkung ange-
nommen, jedoch nicht um die Genehmigung beim Generalvika-
riat nachgesucht. In einem Brief sandte letzteres den entsprechen-
den Auszug aus dem Protokollbuch des Kirchenvorstandes mit
dem Bemerken zurück : ”... Unter welchem Datum und welcher
Journalnummer die Genehmigung zur Annahme der Schenkung
gegeben wurde.” Der Kirchenvorstand erklärte darauf, der Herr
Baron habe die Mittel zum Umbau der Kapelle hergegeben und
zwar 11.000 Mark. Der damalige Bauführer hätte um keine
Genehmigung nachgesucht, und die Summe käme ganz zur
Verwendung (10.500 Mark) für Baugewerke und 500 Mark für
Stationen und 1 Gitter.
93
Das Generalvikariat gab noch nicht auf. Es mahnte erneut
den Antrag zur Annahme der Schenkung mit dem Zusatz an, daß
auch die landesherrliche Erlaubnis dazu eingeholt werden müsse.
Das veranlaßte wiederum den Kirchenvorstand zu folgender
Erklärung : ... ”Um eine Schenkung im eigentlichen Sinne, zu
der die höhere Genehmigung erforderlich sei, handelte es sich
im vorliegenden Falle nicht. Der Herr Baron de la Rousseliere hat
seiner Zeit dem Kaplan Kesselkaul die Summe zur Bezahlung der
laufenden Rechnungen übergeben. Der Kirchenfabrik ist der
Betrag nicht zugewendet worden, und hat der Kirchenvorstand
keineswegs die Annahme desselben beschlossen. Das Geld ist
nicht etwa durch die Kirchenkasse vereinnahmt worden, beruhte
unabhängig von dieser in der Sparkasse.
Es fehlt also die zur Annahme der Zuwendung erforderliche
juristische Person, was eine höhere Genehmigung ausschließt.”
Der Kirchenvorstand
der Vorsitzende
Greven Pfarrer.
Am 30.1.1899 wurde die Genehmigung zur Annahme durch
das Generalvikariat erteilt.
QUELLENVERZEICHNIS
Diözesanarchiv Aachen.
Stadtarchiv Aachen.
Hauptstaatsarchiv Düsseldorf, Nebenstelle Kalkum
Staatsarchiv Lüttich.
Pfarrarchiv Lontzen,
SEKUNDÄRLITERATUR :
Hay : ”Volkstümliche Heiligentage.” 1. Aufl. 1932
Schyns, Weling, Lemeunier und Juffern ”’Freie Herrlichkeit Lontzen, 700 Jahre.
1976.
(1) Grondahl : "Notices historiques Lontzen.”
(2) Kohnemann : Diss. ”Die Flurnamen des Walhorner Landes.” 1961
(3) v. Coels : ”Die Lehensregister der propsteilichen Mannkammer”’. 1952
(4) Schauff : "Dorf und Pfarrei Lontzen”” 1939
PRIMÄRLITERATUR :
Diözesanarchiv
(5) Bericht über die Kapelle zu Busch an den Landdechanten Klausener vom 16.
1.1828 Kirchenakten Lontzen
(9) Liste der Stiftungsmessen als Beilage zum Schreiben (S)
94
(10) Brief des Landdechanten an den Generalvikar in Köln vom 8.2.1828
Kirchenakten Lontzen
(11) Brief des Vikars Mennicken an den Generalvikar vom 13.3.1846 - Kirchen-
akten Lontzen
(13) Baugesuch des Pfarrers Greven an das Generalvikariat vom 28.3.1898
Kirchenakten Lontzen
(14) Antwortschreiben des Pfarrers Greven an das Generalvikariat vom 25.5.1898
Kirchenakten Lontzen
(15). Brief von Kaplan Kesselkaul an den Krichenvorstand bzw. an das General-
vikariat vom 9.7.1898 - Kirchenakten Lontzen
(16) Brief des Pfarrers Greven vom 25.5.1898 an das Generalvikariat
Kirchenakten Lontzen
(17) Antwortschreiben des Generalvikariats vom 10.6.1898 an den Pfarrer Greven
Kirchenakten Lontzen
(18) Brief von Kaplan Kesselkaul an das Generalvikariat aus Andernach vom
28.10.1898 - Kirchenakten Lontzen I
(19) Genehmigungsschreiben des Bischofs an den Pfarrer zur Benediktion der
neuen Kapelle, vom 29.11.1898 - Kirchenakten Lontzen
Hauptstaatsarchiv Düsseldorf Nebenstelle Kalkum
(12) Schulstellenakten Lontzen
Erläuterungen
(6) Altare portatile : tragbarer Altar
(7) Währungen
(8) Fundationen : Meist sind Grundstücke gemeint.
95
Zur Einführung des ersten Hauseter
Pfarrers
von Erich Barth
"Nachdem durch Allerhöchste Kabinetts-Ordre vom 23.
Januar d. Js. die Errichtung eines eigenen katholischen Pfarr-
systems für die Gemeinde Hauset, im Kreise Eupen, im Umfange
ihrer Flurgrenze, unter Abtrennung derselben von dem bisherigen
Verbande mit den Pfarrkirchen zu Eynatten und Walhorn
landesherrlich genehmigt worden, ist nunmehr auch durch Ur-
kunde des Herrn Kardinal-Erzbischofs von Köln vom 11. d. Mts.
die kanonisch-kirchliche Einrichtung des neuen Pfarrsprengels
Hauset angeordnet worden, was wir hiermit zur allgemeinen
Kenntniss bringen.
Aachen, den 18. April 1861.”
In diesen nüchternen: Zeilen berichtete das ”’Amtsblatt der
Regierung zu Aachen’’, Jahrgang 1861, Seite 119, über die
Errichtung der bisherigen Kapellengemeinde Hauset zur selbstän-
digen Pfarre. Da nun sowohl von weltlicher wie von kirchlicher
Seite die nötigen Bestimmungen ergangen waren, stand der
Einführung eines Pfarrers in Hauset nichts mehr im Wege. Auf
den Tag genau einen Monat nach der Errichtung der neuen
Pfarre wurde der erste Pfarrer dortselbst feierlich eingeführt.
Martin Strom, so hieß der Geistliche, war 1827 in Burtscheid
geboren. Seine Studien machte er mit glänzendem Erfolge am
Gymnasium in Aachen und anschließend an der Universität
Bonn. Am 27. April 1851 wurde Martin Strom in Köln zum
Priester geweiht. Als Neupriester kam er im gleichen Jahr nach
Eupen. 1855 bat er um Versetzung in die Nähe seines Heimator-
tes. Als Grund gab er seine angegriffene Gesundheit an. Darauf-
hin wurde er am 18.9.1855 zum Vikar in Weiden b. Aachen
ernannt,
Am 26. 11. 1859 wurde er Rektor der Kapelle zu Hauset mit
einem Jahresgehalt von 225 Taler und freier Wohnung. Das
Gehalt war in vierteljährlichen Raten zu zahlen und sollte bei
Pfarrerhebung auf 300 Taler angehoben werden. Am Tag der
Einführung des Rektors, dem 3. Januar 1860, wurde auch die neu
Ih
errichtete Hauseter Pfarrkirche durch Dechant Krickels einge-
weiht. Am 30. 11. 1859 stellte das Kölner Generalvikariat die
Erhebung Hausets zur Pfarre in Aussicht, doch sollte sich
dieselbe noch bis April 1861 hinauszögern.
Zur Einführung Stroms in das Pfarramt veröffentlichte das
”Korrespondenzblatt des Kreises Eupen’”” vom Samstag, dem 11.
Mai 1861, zwei Gedichte, die die Pfarrerhebung priesen und unter
Anspielung auf den Namen des neuen Pfarrers diesem das
Schifflein anvertrauten. (S. gegenüberstehende Seite).
Martin Strom verließ Hauset Ende Juni 1869, nachdem er
am 21. Mai 1869 zum Oberpfarrer von Heinsberg ernannt worden
war, Hier war er 18 Jahre lang unermüdlich tätig.
1886 - er war inzwischen auch zum Dechant ernannt worden -
bat er wegen angegriffener Gesundheit um Beurlaubung von
seinem Amt. Im September 1887 nahm er eine Pfarrstelle in St.
Maria im Kapitol in Köln an, wo er am 21. 1. 1893 infolge einer
Lungenentzündung starb.
Nachfolger Stroms in Hauset wurde Wilhelm Bartholomäus
Brammertz, vormals Rektor an der höheren Schule in Bedburg.
98
Kirche und Schule in Hergenrath
von L. Wichert-Schmetz
Die alte Schule duckt sich breit,
Eng an die Flanke der Kirche gelehnt.
Aus hell bräunlichem Kalkstein ist sie erbaut,
Fest und gediegen für lange Zeit.
Die Kirche aus Ziegeln, weit ausgedehnt;
Und doch wirkt sie wuchtig und aufgestaut,
Wie ein Fels gebildet im Meer. .
Kommt man von Süden, von Astenet,
Sieht man Schule und Kirche zusammenstehen,
Ein Symbol, so wie es sich gehört,
Und wie man es selbstverständlich versteht,
Wir haben es damals nicht anders gesehen,
Wenn unsere Schulaufsicht, Herr Pfarrer Mertz,
Die Bibelverse abgehört,
Wie gerne lernten wir immer mehr.
Doch sehe ich jetzt erst, wie gut das war;
Wir waren vertraut mit dem Glaubensgut,
Wir trugen es durch unser Leben hin.
Es half durch manches harte Jahr.
Es hat in unserm Gedächtnis geruht
Und gab unserm Leben den rechten Sinn.
So war auch das Schwere uns nie zu schwer,
99
Streit um den Kartoffelzehnt
in der Bank Walhorn
von Alfred Bertha
Seit undenklichen Zeiten hatten Dekan und Kapitel des
Aachener Marienstiftes als ”große’”” Zehntherren in den Orten
Eynatten, Hauset, Astenet, Hergenrath, Merols, Walhorn, Ra-
botrath, Raeren und Neudorf 2/3 des fälligen Zehnts besessen,
während das verbleibende Drittel dem Pfarrer von Walhorn
gehört hatte. Nur in Eynatten und Kettenis fiel dieses letzte
Drittel an den dortigen Geistlichen und bildete einen Teil seiner
”Competentie”’, d.h. seines Einkommens. (2)
Als nun um die Mitte des 18. Jh. die Bauern in unserer
Gegend anfingen, auf zehntpflichtigem Grund Kartoffeln zu
pflanzen, lag es nahe, auch von dieser neuen Frucht den bisherigen
Zehntherren den Zehnt zu zahlen, und zwar nach dem gleichen
Modus wie für die anderen Feldfrüchte : 2/3 standen dem
Kapitel zu, ein Drittel dem Pfarrer von Walhorn. (Die Gerichte
haben mehrfach in der Frage der Zehntpflichtigkeit der Kartoffel
entscheiden müssen, weil die Kartoffelbauer sich weigerten, den
Zehnt zu zahlen. Die Urteile fielen zu Gunsten der Zehntherren
aus.)
Dessen ungeachtet beanspruchte der Pfarrer von Walhorn in
der gesamten Bank den vollen Kartoffelzehnt. Ohne sich um die
Proteste der Zehntpächter und deren Weigerung zu kümmern,
fuhr er sogar ”’clandestinelijk ende feitelijck’” (heimlich und
tatsächlich) die Kartoffeln vom Felde. Pfarrer van den Daele
(1739-1788) war von der philosophischen Fakultät der Universität
Löwen ernannt worden und er war keineswegs gewillt, irgendwel-
che Vorrechte des Aachener Marienstiftes in seinem Pfarrsprengel
passiv hinzunehmen. Zu seiner Pfarre zählte er auch weiterhin die
faktisch selbständigen Gemeinden Eynatten, Hergenrath, Raeren
und Kettenis, und er scheute sich nicht, wegen seiner vermeintli-
chen Rechte in diesen Orten mit den dortigen Geistlichen vor
Gericht zu gehen.
Am 3. Oktober 1765 hatte Pfarrer van den Daele einen ganz
großen Coup geplant. In Begleitung einer großen, ”’mit Schaufeln
und Gabeln bewaffneten Volksmenge” fiel er ins Eynattener Feld
100
ein und versuchte mit Gewalt, die dort angepflanzten Kartoffeln
wegzuschaffen. Die Eynattener, ihnen voran Advokat Smets und
andere Zehntpächter, warnten den Pfarrer ”auf ordentliche
Manier’”” und alarmierien das Aachener Stiftskapitel, dessen
Dekan am 12. Oktober im Namen der Zehntpächter und anderer
Eynattener Einwohner beim Walhorner Pfarrer schärfstens pro-
testierte.
Der Pfarrer ließ sich jedoch durch solch lahme Proteste nicht
beirren. Er beauftragte den Gerichtsvollzieher Barvaux, dem
Advokaten Smets sowie sieben weiteren Eynattener Bürgern die
Aufforderung zu überbringen, binnen 7 Tagen den Kartoffel-
zehnten oder aber dessen Gegenwert in Geld zu entrichten. F
Von diesem Schritt des Pfarrers benachrichtigt, ließ das
Kapitel erneut bei diesem protestieren, doch mit dem gleichen
Erfolg. Van den Daele ließ den Gerichtsvollzieher in der ”’Exeku-
tion’” (3) fortfahren bis zur dritten Aufforderung. Und obwohl
das Kapitel und die Zehntpächter sich gegen eine so ”überstürzte,
unregelmäßige und ungültige’’ Exekution zur Wehr zu setzen
versuchten, ließen Gerichtsvollzieher Barvaux und seine Gehilfen
ein Pferd aus dem Stall des Advokaten Smets holen und dasselbe
öffentlich versteigern. Von der Kaufsumme von 150 Brabanter
Gulden führte Barvaux neun Dukaten bzw. 53 Gulden und 12
Stüber als Gegenwert des beanspruchten Kartoffelzehnten an den
Pfarrer von Walhorn ab, während er für seine eigene Mühewal-
tung (Aufforderungen und Exekution) 81 Gulden berechnete.
Der Gerichtsvollzieher und der Pfarrer stützten sich bei
ihrem vom Dekan und den Kanonikern des Marienstiftes als
”’tortionnair”’ (gewalttätig) bezeichneten Vorgehen auf ein Urteil
des Obersten Gerichtshofes vom 6. August 1765, wodurch dem
Pfarrer von Walhorn der Genuß der pastoralen Zehnten und
namentlich auch des Kartoffelzehnten in der Bank Walhorn
bestätigt worden war. Dieses zu Gunsten van den Daeles ergan-
gene Urteil in einer Streitsache zwischen ihm und Jan Stevens
Heisterblom aus Astenent sowie den ”’Regeerders’” der
Bank Walhorn hatte jedoch besagten Zehnten dem Pfarrer
ausdrücklich in Höhe seiner ”’decimatie’”” d.h. seines sonstigen
Zehntrechts zugesprochen. Mit anderen Worten : dem Pfarrer
stand nur ein Drittel des Kartoffelzehnten in den Orten der Bank
zu, wo er auch sonst diesen Zehntanteil besaß. In keiner Weise
101
konnte dadurch das Zehntrecht des Kapitels tangiert worden sein
"auf alle auf zehntpflichtigem Grunde wachsende Früchte und
deshalb auch auf Kartoffeln, die an Stelle von Korn oder anderen
Früchten in zehntpflichtigem Grunde gepflanzt werden”.
Was die oben erwähnte Exekution angeht, so argumentierte
das Kapitel, sie sei als null und nichtig zu betrachten. Sie sei
gegen alle Gepflogenheiten und gegen jedes Recht mit kurzfristig
angesetzten Terminen vorgenommen worden, um den davon
Bedrohten keine Zeit zu lassen, sich an den Hohen Rat zu wenden
und eine einstweilige Verfügung zu erhalten, bevor die Exekution
durchgeführt war. Pfarrer van den Daele übte übrigens auf die
anderen Einwohner der Bank Walhorn den gleichen Druck aus,
um sie zur Zahlung des Kartoffelzehnten zu zwingen.
Das Vorgehen van den Daeles bewog den Dekan und die
Kanoniker des Aachener Stifts, gegen den Pfarrer beim Brabanter
Oberhof zu klagen. Aus dem Urteil des Hofes, der eine Reihe von
Erwägungen anstellt und das vorher stattgehabte Geplänkel
zwischen den Parteien in großen Zügen nachzeichnet, geht
hervor, daß die Klage gegen van den Daele im Herbst 1765
eingereicht wurde. Es dürfte kurz nach dem Eynattener Zwi-
schenfall gewesen sein. Am 18. November wurde eine einstweilige
Verfügung gegen den Pfarrer erlassen und den Parteien mitgeteilt
mit der Bitte, sich dazu zu äußern. Am 1. März 1766 (-inzwischen
hatten die Parteien ihre Standpunkte dargelegt-) wurden vom
Gericht weitere Erklärungen angefordert. Das Hin und Her mit
Schriftsatz und Gegenschriftsatz ging weiter bis zum 27. August
1767, dem Tage, wo das Oberste Gericht folgenden Urteilsspruch
fällte :
”Der Hof - bestätigt den Klägern den Besitz der 2/3 des
Zehnten in der Hochbank Walhorn;
- erklärt, daß denselben die 2/3 des Kartoffel-
zehnten in derselben Bank zustehen;
- befiehlt dem Beklagten, dieses zu akzeptieren
und die Exekution kostenlos und schadlos rück-
gängig zu machen;
- verurteilt denselben Beklagten zur Zahlung der
Gerichtskosten.”’
So geschehen in der Stadt Brüssel am 27. August 1767.
102
Quellen und Anmerkungen
1) Archives Generales du Royaume, Conseil de Brabant, 1052.
2) Als Kettenis i. J, 1648 aus dem Walhorner Pfarrsprengel herausgelöst und zur
selbständigen Pfarre erhoben wurde, verzichtete der Pfarrer von Walhorn
zugunsten seines Ketteniser Amtsbruders auf das ihm bis dahin zugekommene
Drittel der Zehntabgaben.
In einer Streitsache bzgl. des Zehnts in Eynatten zwischen dem Walhorner
Pfarrer van den Daele und dem Eynattener Pfarrer (1753) schrieb der Pastor von
Walhorn, der Eynattener Geistliche habe sich 1652 oder 1653 das dem Walhorner
Pfarrer zustehende Drittel der Eynattener Zehntabgaben widerrechtlich angeeig-
net und bis dato behalten. Auch den Hauseter Zehnt habe der damalige
Eynattener Rektor sich 1651 anzueignen versucht, desgleichen dessen Nachfolger
i. J. 1672. Doch habe der Pastor von Walhorn sich dem widersetzt und der
Brabanter Oberhof habe ihm i. J. 1672 das Recht auf den Hauseter Zehnt ‚,
bestätigt.
Pfarrer van den Daele wünschte vom Gericht eine Klärung der Frage, ob die
Eynattener Zehntquote de jure dem dortigen Geistlichen zustehe und ob derselbe
ein Anrecht auf den Zehnten des nach Eynatten eingepfarrten Gebietes der
Ortschaft Hauset besitze. (Staatsarchiv Düsseldorf, Sammlung Hetjens).
3) Die ”Exekution’”” bedeutet Ausübung von Zwang gegenüber demjenigen, der
seinen Verpflichtungen nicht nachkommt.
103
Erinnerungen an Nanny Lambrecht
(Die Dichterin vom Hohen Venn)
von Wilhelm Dithmar
Es ist an der Zeit, einer Dichterin zu gedenken, die zu
Anfang dieses Jahrhunderts ein Loblied auf die Landschaft
zwischen Aachen, Eupen, Malmedy und Kelmis gesungen hat.
Sie stand allerdings Zeit ihres Lebens etwas im Schatten einer
Größeren, nämlich der Schriftstellerin Clara Viebig, die die
gleichen Motive wie Nanny Lambrecht aufgriff, aber vielleicht
etwas beschwingter und anschaulicher schrieb und deshalb besser
beim lesenden Publikum ankam.
Hier sollen Erinnerungen an die ”’Dichterin vom hohen
Venn” wieder wachgerufen werden. 1914 erschien im Verlag
Cohen, Bonn, aus der Feder eines Dr. Paul Hankamer eine kleine
Schrift : ”’Der Versuch einer Charakteristik ihrer Persönlichkeit”.
Der Autor führt aus, die Dichterin habe sich in ihren sozialkriti-
schen Arbeiten einer Bewegung angeschlossen, der neben anderen
auch die Vorkämpferin für soziale Gerechtigkeit, die Dichterin
Handel-Mazzeti (1871-1955) angehörte. In jener Zeit wurde der
Versuch gestartet, im deutschen Katholizismus eine Renaissance
sozialer Ideen einzuführen, also erregten sie Aufsehen.
Die Mutter war eine Französin.
Eine zweite Schrift über das Leben der Dichterin Nanny
Lambrecht erschien im Mai 1976 in einem Hunsrücker Kirchen-
blatt. Autor ist Hugo Knebel, der erste Vorsitzende des rheinisch-
pfälzischen Schriftsteller-Verbandes, Simmern. Aus diesem Auf-
satz geht hervor : Nanny Lambrecht wurde am 15. 4. 1868 zu
Kirchberg im Hunsrück geboren. Ihre Mutter war Französin.
Nach dem Tode des Vaters rief sie ihre Schwester nach Malmedy,
die dort an der wallonisch-deutschen Schule Lehrerin war, diesen
Posten aber niederlegte und jetzt auf ihre Schwester Nanny
übertrug. Mit den Kindern freundete sich Nanny sehr schnell an.
Diese kamen oft zu ihr, und flüsterten : ’’Wouss do böche ?”
(Willst du ein Küßchen ?)
In der Malmedyer Zeit erschienen ihre ersten Romane.
Zunächst Erinnerungen an ihre Heimat Kirchberg. Da sie über
die dortigen Zustände in aller Offenheit schrieb und uneheliche
104
Kinder in Schutz nahm, die nun einmal zu Kirchberg anschei-
nend keine Seltenheit waren, geriet die Schriftstellerin in:das
Zwielicht der Meinungen und mußte aus dem Schuldienst zu
Malmedy ausscheiden. Sie begab sich Anfang dieses Jahrhunderts
nach Aachen. Hier wohnte sie mit einer Hausdame in Haaren bei
Aachen. Um 1903/4 begann sie mit Rezensionen für Theater und
Musik in der Aachener Presse. Daneben widmete sie sich jetzt
ganz der Schriftstellerei.
Es erschien der Roman ”’Die Armsünderin’”” und um 1909 :
”Die tolle Herzogin”. Ihre Arbeiten zeichneten sich durch einen
fast herben Stil aus. Auffallend ist, daß sie in ihren Werken
kaum auf Landschaftsbeschreibungen eingeht. Sie zeichnet Men-
schen. In Dialogen unter einander offenbaren sie ihren Charakter
und ihre Lebensweise. Kein Wunder, daß Nanny Lambrecht
einige ihrer besten Stoffe dann dramatisch geformt herausbrach-
te : Spiele, die hier und da von Laien aufgeführt wurden. In
Aachen schuf die Dichterin bedeutende Werke, zumeist in
Novellenform, die dann in den Zeitungen im Feuilleton erschie-
nen und gern gelesen wurden. Hier erschien auch eine Sammlung
kleinerer Schriften, die uns am meisten interessieren dürften,
unter dem Titel: ”Was im Venn geschah”. So finden wir
Erzählungen wie : ”Kirmeslieb’” aus Daun (Eifel) oder ”Der
Mutter Opfer”, in Monschau spielend. ”’Garitte’’ eine wallonische
Erzählung aus ”’Brikett’”, deren Hintergrund Verviers ist, oder
der ”Dorfsignor’”” aus Longfaye, um nur einige von den über 50
Romanen und Novellen, die die Dichterin verfaßte, zu nennen.
Die Ferienzeit der Dichterin
Unter anderem verbrachte die Schriftstellerin von Aachen
aus auch ein paar Jahre lang ihre Ferien im nahegelegenen
Altenberg (die heutige Kelmiser Gegend), um Land und Leute
kennenzulernen. Sie wohnte dann für ein paar Wochen im Hause
meines Großvaters, des Geh. San.-Rats Dr. Molly auf der
”Jansmühle”’, im Tal der Straßenkrümmung nach Hergenrath.
Das alte Haus ist im Verlauf der Zeit verschwunden. Doch wird
die Gegend noch jetzt unter dem Namen Jansmühle bezeichnet.
Leider wurde uns Enkelkindern eingeschärft, dem Gast nicht
zur Last zu fallen, denn eine Dichterin müßte unbehelligt arbeiten
können. So habe ich nur noch die Vorstellung von einer
105
energischen forschen Dame, die einen aber doch irgendwie
freundlich anschaute. Sie trug damals wie alle Frauen die
”Gartenlauben-Mode” : helle Bluse, einen braunen Wollrock. (Zu
Haaren in ihrer Wohnung trug sie aber auch bereits gerne Hosen.)
Und auf dem Kopf thronte ein kleiner Strohhut mit Blumengar-
nitur.
Verärgert über die Dame
Eigentlich habe ich mich damals etwas geärgert über die
Dame, denn sie nahm, wenn Großvater zur Praxis über Land fuhr,
meinen angestammten Platz auf der Droschke neben dem Kutscher
ein und ich durfte nicht mitfahren. Nanny Lambrecht soll damals
eine kleine Novelle ”Der König” geschrieben haben. Im Mittel-
punkt der Erzählung die patriarchalische Gestalt des Herrn
Geheimrats. Als kleines Schauspiel soll sie auch einmal aufge-
führt worden sein.
Nach 1918 verschwand die Dichterin aus Aachen. Irgendwie
hatte sie sich durch sozial-kritische Arbeiten unbeliebt gemacht.
Sie zog nach Honnef. Im Kloster Schönenberg an der Sieg ist sie
am 1. Juli 1942 gestorben. Eigentlich müßten alte Aachener und
Kelmiser sie noch kennen.
106
Pieta
von M. Th. Weinert
In Deinen Armen,
Mutter der Schmerzen,
birgst Du den Sohn.
Auf Deinem Schoße,
nah Deinem Herzen,
ward Ihm ein Thron.
Starr seine armen, zerschundenen Glieder - £
so halten Deine Hände Ihn wieder,
entseelt sein Antlitz, elend und bloß,
nie lassen Deine Augen Ihn los.
Aus Deinen Augen,
Mutter der Schmerzen,
bricht alle Not
unserer Menschenherzen.
In deiner mütterlichen Gebärde
hütest Du ewig das Heil der Erde.
108
Franken. Einige Wochen später fand dann die erste Generalver-
sammlung für alle Gemmenicher Bergarbeiter statt. Bei dieser
Gelegenheit wurde die Höhe des Mitgliedsbeitrages festgesetzt,
Satzungen besprochen und der Beschluß gefaßt, zwecks Anschaf-
fung einer Fahne eine Haussammlung in der Ortschaft abzuhalten.
Dank der Spendenfreudigkeit der Einwohner erbrachte diese
Sammlung die schöne Summe von 13.030 Franken. Dies hatte zur
Folge, daß schon während des Jahres 1947, nach einem Entwurf
des Gemmenicher Malers Fr. Schanwell, eine Vereinsfahne
angefertigt und eine rege Vereinstätigkeit ins Leben gerufen
werden konnte.
Mancher stellt sich vielleicht heute die Frage, warum sich in +
vielen Ortschaften Arbeiter, die den Bergmannsberuf ausführten,
zu einer Vereinsgemeinschaft zusammengeschlossen haben. Dies
geschah, weil vor dem 2. Weltkrieg, sowie auch noch mehrere
Jahre danach, diese Arbeiter in unserem Lande vielfach als
minderwertige Menschen angesehen wurden und es für diesen
Berufsstand an Achtung und der notwendigen sozialen Gesetzge-
bung fehlte. Dadurch gerieten zu dieser Zeit zahlreiche Bergleute
und ihre Familien bei Krankheiten und Unfällen, die durch die
gesundheitsschädliche und gefahrvolle Arbeit entstanden, in Not,
so daß die Bergleute, von Kameradschaftsgeist beseelt, zur Selbst-
hilfe schritten, indem sie zu Wohltätigkeitszwecken Vereine
gründeten, um in Not geratene Berufskollegen und deren Familien
besser unterstützen, die Kameradschaft auch über Tage beispiel-
haft pflegen sowie bergmännische Sitten und Bräuche auf lokaler
und nationaler Ebene erhalten zu können, wodurch sie vielerorts
mehr Achtung bei den Mitmenschen erwarben.
Aus diesem Grunde entstand auch vor 3 Jahrzehnten der
Gemmenicher Bergmannsverein und seit dieser Zeit hat er
lobenswerte Tätigkeiten ausgeübt. Seit 1947 fanden alljährlich
kirchliche und weltliche Feiern zu Ehren der hl. Barbara, der
Schutzpatronin der Bergleute, statt. In jedem Jahr wurde auch
eine Nikolausbescherung für alle Kinder der Ortschaft unter 12
Jahren organisiert. Bis vor einigen Jahren geschah dies, indem St.
Nikolaus mit Pferd und Wagen, von Bergleuten begleitet, durch
die ganze Ortschaft von Haus zu Haus fuhr. Heute findet diese
Bescherung in einem Saale, umrahmt von verschiedenen Auffüh-
rungen, statt.
109
Auch beteiligte der Verein sich rege an örtlichen Veranstal-
tungen und nahm im Zeichen bergmännischer Verbundenheit über
Ortsgrenzen hinaus an Bergmannsfesten im In- und Ausland teil,
was auch heute noch der Fall ist. Ferner erhalten die Mitglieder,
die durch Invalidität oder Erreichen der Altersgrenze in den
Ruhestand treten, ein Geschenk, und die Angehörigen eines
Mitgliedes beim Ableben desselben eine finanzielle Unterstützung.
Diese sowie viele andere nicht erwähnte Tätigkeiten haben
wesentlich zur Achtung der ”’Köhler”, - so werden sie hier bei uns
im Dreiländereck genannt-, beigetragen und ihnen den Platz in der
menschlichen Gesellschaft eingeräumt, den sie durch die Aus-
übung ihres schweren Berufes verdienen. Ein Vereinsmitglied,
Guillaume Straet, war jahrelang Bürgermeister der Ortschaft.
Außer den bereits erwähnten Präsidenten des St. Barbara
Bergmannsvereins müssen hier noch Jean van den Heuvel und
Willi Wolfs genannt werden. Ersterer führte den Verein von
1959-1962, während Willi Wolfs inzwischen anderthalb Jahrzehnte
das Präsidentenamt innehat und in dieser Zeit in Zusammenarbeit
mit seinen Vereinskameraden und dem Ehrenpräsidenten Joseph
Lahaye Beachtliches zur Erhaltung bergmännischer Tradition in
Gemmenich geleistet hat.
Wenn auch heute durch die Zechenschließungen der Berg-
mannsberuf zum Aussterben verurteilt ist und dadurch die
Existenzmöglichkeit des. Vereins ungünstig beeinflußt wird, bleibt
zu hoffen, daß die Gemmenicher Nachkommen der Bergleute das
Erbe ihrer Vorfahren übernehmen und in Ehren halten werden,
indem sie die Vereinstätigkeit auch während der kommenden
Jahrzehnte aufrecht erhalten. Dies wäre das wertvollste Geschenk
zum 30-jährigen Bestehen, wozu man dem Verein nur eines
wünschen kann, nämlich : Glück Auf !
111
Anoses, wu der Kuckuck röpt,
Wenn alles blöjt en grönt,
Do es et, wu de Jöhl och löpt
En völ vertelle könnt.
Va Camping an hör Water hüj,
Va Zelte, die do stönd,
Mä och va vröjer en auw Lüj,
Die lang bejrave sönd.
De Jöhl, die hat der Urjruspapp,
De Jrusmamm en de Tant
Als Kenger met Matrusekapp
En Fliete noch jekannt.
Die spälde berves öm en Hus
Tevrä en ohne Niet,
En Krütschesbotram op en Vus —
Sö wor dat en dä Tiet.
De Jöhl wett noch wie en hör Dell
Et Werk va Paquot stong,
Wu damals vör de Werklüj hell,
Hell huech der Brodskörv hong.
En wie de Moresender Bröck
Jong twei Mol ejjen Luet,
Du sog de Jöhl völ Onjelöck,
Rondöm wor Kreg en Nuet.
En schönn, auw Sag wett och de Jöhl
Va Overmännschre hej;
Die höjje, heescht et, en hönn Höhl
Fo Jeld jemakt va Blej.
De Jöhl, die hüj e Möhlerad
E Jömm’lech noch deet jue,
Die ruscht en bubbeld Dag en Naht,
Me mot se mer verstue.
I
{
112 |
Zum Kelmiser Karneval :
Der Klub ”Mascherang” |
von Peter Ohn
Wer in späteren Jahren Nachforschungen zum Kelmiser
Karneval anstellen möchte, dem wird in den Jahren 1950 bis 1965
öfters der Name ”’Klub Mascherang”’ auffallen. Er wird sich dann |
gewiß die Frage stellen, was es mit diesem Namen auf sich habe |
und was er bedeute. In Nr. 4 dieser Zeitschrift (Dez. 1968) kann
man in einem Gedicht von Franz Uebags mit dem Titel ”’Klubs
en Vereine va Kelmes en Nöj-Moresent die ens hant bestande”” W
folgende vier Zeilen lesen :
Typesch wore die Bröer va Nöj-Moresent, met Nam ”’der |
Mascherang”, |
Vör dön hau et Karnevalskomittee opene Zog me läve jenge |
Bang. |
Jedderenge va os hat sech at männje Mole de Frog jestoht :
Wuvör make die Jonge net mie met, sönt se vleks at te oht ?
Der Forscher wird nun logischerweise seine Suche nach dem
”Mascherang”” in Neu-Moresnet beginnen, aber vergeblich, denn
die ”’Broer va Nöj-Moresent”” sind alle waschechte, geborene
Kelmiser und in Neu-Moresnet wird kaum jemand über sie
Auskunft geben können. Hier irrte also der Dichter, und dieser
Irrtum sei hiermit berichtigt.
Die Geschichte des ”’Klub Mascherang” wäre etwa folgender-
maßen zu schreiben : ES
Es waren einmal drei Kelmiser Jungen des Jahrgangs 1919 mit
Namen Nicolas Döme, Leo Uerlings und Peter Ohn. Sie waren
dicke Freunde, drückten zusammen die Schulbank, waren Chor-
knaben und spielten sonntagsabends Ping-Pong und Billard im
zweiten Stock der ”Patronage’””. Im Jünglingsalter verkehrten sie |
im Lokale Schmitz ”’be Trina””’ auf der Lütticher Straße und dieses
wurde dann auch ihr Stammlokal. Die Kriegswirren brachten die
drei auseinander, doch nach dem Kriege lebte die Freundschaft
von neuem auf und die Bräute und späteren Frauen waren mit von |
der Partie. |
113
Wenn dann am Sonntagabend ”be Trina’”” die Stimmung
hochschlug, nahmen sie ein Kartenspiel und jedem an der
Tafelrunde wurde eine Karte gedreht. Wer den ersten König
erhielt, mußte bei Trina ein Getränk bestellen, wer den zweiten
bekam, mußte daran kosten, der dritte mußte es austrinken und
der vierte bezahlen. Was aber bestellte der erste ? Einen Masche-
rang !
Es gibt meines Wissens im Deutschen kein Wort, mit dem
man ”Mascherang” übersetzen könnte. Wir Kelmiser verstehen
darunter irgendeine undefinierbare Mischung, von allem etwas.
Wir sagen auch ”Maschelej’” und ’”’Gemaschels’’. Ein Kelmiser,
dem das Essen nicht schmeckt würde zu seiner Frau sagen : ”’Do
haste dech ever noch ens jet bejenee jemaschelt.””
Frau Schmitz mischte dann aus allen vorhandenen Flaschen
und Hähnen ein Getränk, das abscheulich schmeckte und gerade
noch genießbar war.
Als Frau Schmitz nach einigen Jahren ihr Lokal schloß,
zogen die Freunde einige Häuser weiter und hatten fortan ihr
Stammlokal bei ”’Kauche Jül’”’. Hier gesellten sich Gehlen Hein-
rich (”der Schwatte”) und Consten Harry (”der Lange”) zu
ihnen. Eines Tages nun, wahrscheinlich zur Karnevalszeit, kam
der Gedanke auf, auf dem ”Vastovenszoch’”” irgend etwas zu
unternehmen. Die Idee wurde in die Tat umgesetzt und als dem
Karnevalskomittee der Name der Gruppe angegeben werden
mußte, sagte Leo Uerlings : ’’Ver sage einfach der Mascherang.”
In den folgenden Jahren, nachdem noch Joseph Lavalle,
Willy Ohn und Willy Kreusen hinzugekommen waren, wurde aus
dem ”Mascherang”’ mit seinen originellen Wagen und Gruppen
ein fester Bestandteil des Kelmiser Karnevals und besonders des
Rosenmontagszuges. Viele lustige Begebenheiten, die die Freun-
desgruppe in all den Jahren erlebte, wären festzuhalten und
aufzuzeichnen. Der ”Mascherang”” ist heute nicht mehr aktiv am
Karnevalsgeschehen in Kelmis beteiligt, doch sein Name ist noch
lebendig. Und manchmal hört man am Rosenmontag, wenn der
Zug vorbeizieht : ”Joo, mer vröjer der Mascherang!”
Dies ist die Geschichte des Klubs Mascherang. Keine
Weltgeschichte, nur ein kleines Mosaiksteinchen in der Geschich-
te des Kelmiser Karnevals.
114
Das Portrait : Josef Reip
von Peter Zimmer.
2
8
As
Foto A. Janssen
Josef Reip wurde am 15.3.1924 in Kelmis geboren. Schon im
Alter von 11 Jahren erwachte in ihm die Liebe zur Musik. Sehr
früh faßte er den Entschluß, Klarinettist zu werden. Von 1935 bis
1940 nahm er Unterricht bei dem bekannten Klarinettisten und
Geiger Mathieu Pauly aus Kelmis. Nach Ausbruch des 2.
Weltkrieges besuchte er 3 Jahre das Konservatorium in Aachen.
Im Jahre 1943 begann er seine Musiker-Berufslaufbahn, zunächst
als Solo-Klarinettist in einem Orchester in Osnabrück. Daneben
setzte er seine Musikstudien fort. 1945 kehrte er nach Kelmis
zurück, um sich in seinem Heimatort ganz der Musik zu widmen.
Schülern der hiesigen Gegend erteilte er Musikunterricht. Seine
Musikkenntnisse vertiefte er in Harmonielehre und im Geigenun-
terricht bei Jean Herzet, so daß er es sogar schaffte, seine Prüfung
als Komponist vor der SABAM-Jury abzulegen. Lange Zeit spielte
er in dem beliebten Tanzorchester unter der Leitung von Jean
Herzet. Josef Reip war auch dabei, als der Cercle Musical
115
gegründet wurde. Obwohl er ein guter Klarinettist ist, kann er sich
ebenso als Alt- und Tenorsaxophonist hören lassen. 1954 erhielt er
ein Engagement im Kurorchester zu Bad Kreuznach. Aber ebenso
schloß er mit anderen Orchestern in den folgenden Jahren
Verträge ab, so daß er als Solo-Klarinettist in Großstädten, wie
München, Bremen, Stuttgart, Saarbrücken, Kassel, Zürich, Rot-
terdam, Amsterdam, Arnheim und Utrecht gastierte. Von 1960 bis
1961 stand er unter Vertrag beim Amsterdamer Theaterorchester.
Seit 1962 ist er Solo-Klarinettist beim Kurorchester in Bad
Kreuznach. Während des ganzen Jahres widmet er sich dort
ausschließlich der Musik, wobei seine ganze Liebe der Kammer-
musik gilt. Obwohl in einem Kurort hauptsächlich Unterhal-
tungs- und Tanzmusik gewünscht wird, ist es sein Verdienst, daß
in Bad Kreuznach mindestens 2 - 3 Kammerkonzerte während
des Jahres durchgeführt werden. Seinen Wohnsitz hat Josef Reip
mit seiner Gattin Lilly Korvorst aus Gemmenich in Bad Kreuz-
nach. Im August 1976 feierte er im Kreis seiner zahlreichen
Freunde dort die silberne Hochzeit. In Bad Kreuznach erteilt er
verschiedenen Schülern seit Jahren Klarinetten-Unterricht.
Gelingt es Josef Reip, über einige Urlaubstage zu verfügen,
führt ihn sein Weg immer wieder nach Kelmis, wo er als
waschechter Kelmiser immer gern gesehen ist. Er freut sich schon
jetzt auf die Zeit nach seiner Pensionierung, die er in Kelmis mit
seinen Musikfreunden verbringen möchte, denn in seinem Hei-
matort habe er sich als 12-jähriger Junge wegen seines Klarinet-
tenspiels oft mit seiner Mutter und seinen Freunden angelegt,
denen er mit seinem Spiel auf die Nerven fiel. Auch wenn er
Zuflucht auf eine nahegelegene Wiese suchte, konnte es passie-
ren, daß Freunde ihn mit Steinen bombardierten, um ihn mit
seiner Klarinette zu vertreiben. Nur der Heidkopf mit seinen
friedlichen Waldungen und die etwas entferntere Umgebung von
Kelmis gaben ihm die Möglichkeit, ungestört die schwierigsten
Variationen auf seiner Klarinette in den Äther hineinzublasen.
116
Auf dem Büchermarkt
von Alfred Bertha
Es hatte ursprünglich nicht in der Absicht des Antwerpener
Professors Charles de Clercq gelegen, sich intensiv mit Rolduc,
der ehemaligen Abtei der Augustiner-Chorherren bei Herzogen-
rath zu befassen. Er wollte (1953) nur einige Zeilen über die
Erhaltung der Abteigebäude schreiben, wurde dann aber von
Rolduc, dessen Atmosphäre und dessen reichhaltigem Archiv so
gefesselt, daß er sich mehr als 20 Jahre damit beschäftigte. Als
Frucht seiner Forschungsarbeit legte er dann 1975 ein umfas-
sendes Werk über 200 Jahre Geschichte der Abtei Rolduc vor :
Charles de Clercq : Rolduc. Son Abbaye - Ses religieux - Son
Seminaire, (1661-1860), 312 S. Text, 160 S.
Anhang, 62 Illustrationen. Vlg. Centre In-
ternational de Rolduc Kerkrade 1975, 60
Gulden.
Die 1104 gegründete Augustinerchorherrenabtei nahm kirch-
lich eine Sonderstellung ein : sie lag zwar innerhalb der Diözese
Lüttich, unterstand jedoch nicht der Jurisdiktion des Lütticher
Bischofs. Einzige ”Abhängigkeit’”’ von Lüttich : der vom Konvent
von Rolduc vorgeschlagene und von den weltlichen Behörden
eingesetzte Abt wurde vom Lütticher Bischof zum Abt geweiht.
Politisch wurde die Zugehörigkeit Rolducs 1661 im Sinne des
seit 1650 amtierenden Abtes Winand Lamberti geregelt : die
Herrschaft Rolduc wurde z. T. an die holländischen Generalstaa-
ten abgetreten, doch blieb die Abtei selber eine spanische
Enklave.
Die im niederländischen Raume auch unter dem Namen
Kloosterrade bekannte Abtei Rolduc spielte eine gewichtige Rolle
im ehemaligen Herzogtum Limburg. In vielen Pfarren hatte sie
das Vorschlagsrecht bei der Pfarrstellenbesetzung, so in Limburg,
Henri-Chapelle, Baelen, Goe und Eupen. Das Augustinnerinnen-
stift von Sinnich (Teuven) hing von Rolduc ab, das den Prior
dieses Damenstiftes stellte. f
Auch politisch war die Abtei im Herzogtum präsent : zusam-
men mit dem Zisterzienserabt von Val-Dieu (Gottestal) und
einem Vertreter des Kapitels des Aachener Marienstiftes vertrat
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Rolduc : das Hauptgebäude
der Abt von Rolduc den geistlichen Stand in der aus Adel,
Geistlichkeit und drittem Stand bestehenden Limburger Stände-
vertretung.
Vor allem aber war Rolduc ein geistig-religiöses Zentrum,
von dem über Jahrhunderte eine große Ausstrahlung ausging. In
unseren Tagen hat die alte Abtei als großes Seminar und interna-
tionales Studienzentrum einen Teil des ehemaligen Glanzes
wiedererlangt.
Während das restliche Limburg in den letzten Jahrzehnten
des 17. Jh. Kriegsschauplatz blieb, war Rolduc nach 1651 eine
Oase des Friedens und die Abtei konnte nicht nur einen
wirtschaftlichen, sondern auch und vor allem einen religiösen
Aufschwung anstreben. Charles de Clercq zeigt im einzelnen die
diesbezüglichen Bemühungen der verschiedenen Äbte auf und
geht auch sehr eingehend auf die durch die Reform des klöster-
lichen Lebens hervorgerufenen internen Auseinandersetzungen
ein. Beschränken wir uns darauf, das hervorzuheben, was Rolduc
einigen unserer Landsleute verdankt.
Winand Lamberti (oder Lamberts) aus Astenet reagierte als
erster Abt gegen die zahlreichen Mißstände, die sich in das
Klosterleben eingeschlichen hatten. Die Annales Rodenses berich-
I darüber, er habe bei Tisch seine Konfratres darauf hingewie-
sen, daß, da Gott die Abtei vor dem Untergang gerettet habe, es
nun gerecht sei, daß die Konfratres in Zukunft akkurater, d.h.
sorgfältiger, das täten’’, was eines guten Ordensmannes sei”. Einer
der Anwesenden habe jedoch bemerkt, er wolle nichts verändert
sehen. Darauf habe Lamberti erbost Serviette und Messer hinge-
worfen und sei vom Tisch aufgestanden. Und der Chronist
schließt mit den Worten : ”’Diesen Abt erweckte Gott, um die
zeitlichen Dinge zu restaurieren, nicht lange danach sollte er ihm
einen Nachfolger geben, um auch die geistigen Dinge wieder
aufzurichten.””
Lamberti förderte den wirtschaftlichen Aufschwung Rolducs ,
durch Neubelebung der alten, schon bestehenden Grubenkonzes-
sionen (-das Gebiet ist reich an Kohle-) und Erteilung neuer
Konzessionen. Doch die innerklösterliche Reform blieb vorerst
ein Wunschtraum, dessen angestrebte Verwirklichung der Abt
nicht erleben sollte. Er starb zu Aachen am 6. Mai 1664.
Seine Nachfolger van der Steeghen und Bock hatten schwer
zu kämpfen, ehe sie die von Lamberti skizzierte Reform durch-
setzen konnten.
Im Sommer 1683 stellte sich bei Bock ein Jurastudent der
Löwener Universität vor und bat um Aufnahme ins Kloster. Es
war Nikolaus Heyendal, geboren in Walhorn am 1. September
1658. Er war ein Neffe Winand Lambertis, der ein Bruder der
Mutter des Nikolaus Heyendal war.
Der 25-jährige Heyendal hatte sein Studium abgebrochen.
Ein bewegtes Leben lag schon hinter ihm. Am 19. November 1684
wurde er eingekleidet. 1694 kam er als Rektor nach Eupen, das
damals noch zur Pfarre Baelen gehörte. Dort kam es zwischen
ihm und den Kapuzinern, die das Monopol des Religionsunter-
richtes hatten, zu heftigen Auseinandersetzungen, die auch nach
der Abtrennung Eupens von Baelen i. J. 1695 und der Definie-
rung der beiderseitigen Kompetenzen andauerten, was schließlich
dazu führte, daß der Abt Nikolaus Heyendal im August 1697
nach Rolduc zurückrief, wo er nacheinander das Amt des Lektors
(=Theologielehrer) dann das des Priors und des Abtes innehatte.
Der Jansenismus war die große geistige Herausforderung in jenen
Jahrzehnten und auch Heyendal kam zeitweilig in den Verdacht,
dieser Irrlehre nahezustehen. Seine Lehre und seine Schriften
wurden von den einen als rechtgläubig angesehen, von den
119
‘| anderen aber verworfen. Der Au-
tor geht all diesen Richtungs-
kämpfen gewissenhaft nach und
4 v greift immer wieder auf die direk-
Ka ten Quellen, die Annales Roden-
ses und die Schriften des Nikolaus
Heyendal und dessen Widersa-
cher zurück, um ein möglichst
getreues Bild dieses 35. Abtes von
Rolduc zu zeichnen.
Heyendal wurde 1712 zum
Abt von Rolduc gewählt. 1717
nahm er dort seinen Neffen Jo-
Nikolaus Heyendal hann Joseph Haghen auf, einen
Bar Di EHER Sohn seiner Schwester Anna Ca-
tharina, die den Schultheißen
Johann Haghen geheiratet hatte. Nikolaus Heyendal starb 1733.
Sein Neffe wurde 1757, im Alter von 58 Jahren, zum Abt gewählt.
Seine besondere Sorge galt der religiösen Erbauung der internen
und externen Konfratres, mit einem gewissen Hang zur asketi-
schen Strenge. Unter Haghen kam Simon-Pierre Ernst als Novize
nach Rolduc. Er sollte sich später als Historiker einen Namen
machen und in der Franzosenzeit sich unvergängliche Verdienste
um die säkularisierte Abtei erwerben.
Johann Joseph Haghen deklarierte das Jahr 1780 zum
Gedenken an die 1680 durchgeführte Klosterreform zum Jubel-
jahr. Es sollte der krönende Abschluß seines Abbatiates sein,
denn er starb am 10. Dezember 1781.
Für Rolduc ziehen schwere Zeiten herauf : erst die Einmi-
schungen Josephs II. in das Klosterleben, dann die französische
Revolution, die Säkularisierung der Abtei, die Zerstreuung der
Augustinerchorherren. Wie schon oben angedeutet, gelang es
Simon-Pierre Ernst, einen Teil des Klosterbesitzes in ruhigere
Zeiten hinüberzuretten. 1831 bekam die ehemalige Abtei eine
neue Bestimmung : sie wurde kleines Seminar des Lütticher
Bistums. Doch schon 1842 mußte Lüttich sein kleines Seminar
nach St. Truiden verlegen, Rolduc wurde dem apostolischen
Vikariat Roermond verkauft. Die Abtei wurde ein niederlän-
disches Seminar, das jedoch noch bis 1912 als Umgangssprache
Französisch zu gebrauchen pflegte.
4
120
Zwar sind Lamberti, Heyendal und Haghen als erste zu
nennen, wenn man die Verbindungen Rolducs zum Walhorner
und Eupener Land untersuchen möchte, doch sie sind nicht
die einzigen aus unserem Raume, die in der Augustinerabtei
Bedeutendes geleistet haben. Nennen wir nur die Eupener Peter
Gilles und Theodor Jerusalem und den aus Walhorn stammenden
Joh. Gerhard Heyendal, die als Theologieprofessoren die Rich-
tung Rolducs maßgeblich prägten.
Abschließend sei noch bemerkt, daß der Autor für den
umfangreichen Dokumenten- und Registeranhang ein besonders
Lob verdient.
4
In Nr. 2 dieser Zeitschrift (Dez. 1967) konnten wir in dieser
Rubrik auf eine Neuerscheinung von ganz besonderem Interesse
hinweisen. Als vierter Ausgabe der Reihe ”Das Bild der Heimat”
erschien damals im Eupener Markus-Verlag aus der Feder Viktor
Gielens
”Raeren und die Raerener im Wandel der Zeiten”
Dieses Raeren-Buch fand regen Absatz, und da die Zahl der
Freunde der Heimatliteratur in den letzten Jahren ständig ange-
stiegen ist, war die Neuauflage des seit langem vergriffenen
Werkes eigentlich nur eine Frage der Zeit. Viktor Gielen nutzte
die Gelegenheit, den Text zu überarbeiten und auch um einige
Kapitel zu erweitern, so daß die Seitenzahl der 2. Auflage von 212
auf 224 anstieg.
Der Autor führt uns durch Raerens Geschichte von den
Anfängen bis heute. Besonders ausführlich geht er - wie könnte es
anders sein ?- auf die mit Raeren so eng verbundene Töpferkunst
ein. Warum ließen die Töpfer sich in Raeren nieder ? Wo holten
sie den Ton her ? Welche Satzungen befolgten sie ? Wo wohnten
und wirkten sie ? Das sind nur einige der Fragen, auf die Viktor
Giehlen dem Leser eine Antwort gibt.
Eine Wanderung nach Kloster Brandenburg in dem bis 1921
zu Raeren gehörenden Ortsteil Sief gibt dem Autor Gelegenheit,
die Geschichte dieses um 1485 gegründeten und 1784 aufgelösten
Kreuzherrenkloster nachzuzeichnen.
|
121
Weitere ausführliche Kapitel widmet Viktor Gielen der
Pfarr- und Schulgeschichte, und immer wieder bringt er interes-
sante Details, ohne sich jedoch im Detail zu verlieren. Die
Umstellung der Raerener nach dem Niedergang des Töpferwesens
und das Aufblühen des Bauhandwerks (-die Raerener stehen auch
heute noch in dem Ruf, besonders gute Handwerker zu sein-),
Raerener, die von sich reden machten, das Vereinswesen, das
Brauchtum, die Mundart und die Waldungen : das sind weitere
Kapitel dieses sehr lesenswerten Heimatbuches, das bei aller
Wissenschaftlichkeit doch immer allgemeinverständlich und
volksnah bleibt und gewiß wie die Erstauflage vor 10 Jahren viele
begeisterte Leser finden wird.
Besonders hervorheben muß man auch die reiche Bebilde-
rung, die durch Hinzunahme von Buntaufnahmen diese Neuauf-
lage um einiges attraktiver werden ließ. Der Markus-Verlag hat
auch diesmal wieder geschmackvolle und gediegene Arbeit ge-
leistet, so daß das neue Raeren-Buch auch ein Ausgabe zum
Schenken ist.
12
In Memoriam Franz Straet
* 15, Januar 1916 in Gemmenich, } 12. Januar 1977 daselbst
Nachruf von Gerard Tatas
Wer das wahre Wesen mei-
nes längjährigen, besten Freun- |
des erkannt oder erahnt hat, |
verneige sich in Schmerz mit mir |
vor einem Dahingeschiedenen, ; |
dem man allein mit den ge- |
bräuchlichen Worten ”’Er war ein |
ha liebender Gatte und treusorgen- |
A der Vater” nicht den ihm gebüh- |
renden Nachruf gewidmet hat. |
Neben Erwähnung dieser Tugend |
braucht die Würdigung seiner |
Persönlichkeit ein größeres Aus-
maß.
War er nicht ein Mensch mit hohen Idealen über den |
häuslichen Bereich hinaus ? Stieg er nicht aus dem Arbeiteralltag |
hinauf, aus eigener Kraft hinauf in die Welt des Geistes, in die
erhabene Sphäre der Dichter und Denker ? Welch hoher Begeiste- |
rung für die größten Humanisten dieser Erde war sein großes Herz |
und sein suchender Geist nicht fähig ! Wie tief konnte er |
”Seelengröße und persönlichen Adel” der Gestalten nachempfin-
den, die der Genius eines Schiller, eines Goethe, eines Shakespeare
idealer schuf als die Laune der Natur. Schon in seinen Jugend-
jahren erschütterte ein faustisches Ringen um den letzten Sinn,
die letzten Wahrheiten des Daseins, seine Seele. In seinem Innern
tönte das ”’feine Saitenspiel”” eines Marquis von Posa. Wie sehr
durchdrungen war er als Jüngling nicht vom edlen, universalen
Geist dieses literarischen Weltbürgers, der furchtlos vom allmäch-
tigen König von Spanien Gedankenfreiheit und Menschenrechte
fordert und nicht Fürstendiener sein kann.
Wer den schöngeistigen und feinfühligen Sänger Franz
Straet gehört, wer ihn ais Schauspieler beispielsweise in der Rolle
123
des Ferdinand in Schillers ”Kabale und Liebe” erlebt hat,
gewann einen Einblick in die Weite seiner Gefühls- und Gedan-
kenwelt, der er auch starken Ausdruck geben konnte. Wem auch
seine wenigen, aber vielsagenden Gedichte unter die Augen
kommen, dem offenbart sich ebenfalls das von Marie von
Ebner-Eschenbach so eingefangene Wesen des Lyrischen : ”Es
liegt darin ein wenig Klang, ein wenig Wohllaut und Gesang, und
eine ganze Seele.”
Von Beethoven stammt das Wort : ”Nur die Kunst und die
Wissenschaft erhöhen den Menschen bis zur Gottheit.”” Franz
Straet hat mit allen Fasern seines Herzens für die Kunst gelebt,
und war zeitlebens von Wissensdrang erfüllt. Ist es vermessen, sein
Andenken mit allem Guten und Schönen, mit allem Erhabenen,
mit dem Göttlichen also, in Verbindung zu bringen ?
* 4
Vertrauter meiner Jugend, schlaf’in Frieden,
Die Stirne noch geweiht vom Musenkuß !
Ach, nie - wie schmerzt das Wort! - mehr wird beschieden
Uns deiner Lieder herrlicher Genuß.
Verstummt dein Mund, der oft uns auch verkündet
Des Dichters Wort im ernsten Bühnenspiel,
Das tausendweise Herzen hat entzündet
Und angefacht erkaltetes Gefühl.
Nun hast du auf dem Wege mich verlassen,
Den gleichgestimmt als Freund ich mit dir ging.
Ich konnte diesen Abschied erst nicht fassen,
Als jäh die große Leere mich umfing.
Wenn nun jedoch Gesang wie Engelchöre
Mein Herz ergreift, bist du mir wieder nah;
Und wenn gerührt ich Dichterworte höre,
Stehst du verklärt in alten Träumen da.
124
..“. . °
Tätigkeitsbericht 1976
von Jean De Ridder
JANUAR
Am 25.1.76 fand im Parkcafe Kelmis die jährliche Generalversammlung der
Vereinigung statt. Unter dem Vorsitz des Präsidenten, Herrn Peter Zimmer,
wurden vor zahlreichen Anwesenden die Pläne der Vereinigung für das laufende
Jahr erläutert. Der sehr umfassende Tätigkeitsbericht des Jahres 1975 wurde von
Frau Dr. De Ridder verlesen. Herr Steinbeck, der Kassierer, verlas einen Kassen-
bericht, der mit einem Bonus abschloß. Vor der statutengemäßen Neuwahl
ausscheidender Mitglieder des Verwaltungsrates dankte man den für immer
ausscheidenden Mitgliedern Herrn Pavonet und Herrn Palm. Der neue Verwal-
tungsrat setzt sich nun aus folgenden Mitgliedern zusammen : Präsident : Herr
Peter Zimmer, Vizepräsidentin : Frau Dr. De Ridder, Sekretär und Kustos : Herr
Jean De Ridder, Kassierer: Herr F. Steinbeck, Lektor: Herr A, Bertha,
Mitglieder : Herr J. Demonthy, Herr H.J. Gatz. Herr Heydasch, Herr F. Nyns, *
Herr A. Janssen, Herr A. Janclaes, Herr W. Meven.
Der sehr informativ verlaufende Nachmittag wurde durch den Vortrag in Bild und
Ton von Mathieu Leclerc und Alfred Janssen zu einem echten Erlebnis, gab er
doch eine Übersicht über die verschiedenen Veranstaltungen der Göhltalvereini-
gung der vergangen 2 Jahre.
MÄRZ
Am 7.3.76 führte Herr Peter Zimmer 21 Frauen und 30 Männer zur Grube
Andre Dumont in Waterschei. Wegen großen Anklangs wurde bereits die nächste
Grubenfahrt 2 Monate später festgelegt.
In der Fastenzeit, am 14.3.76, hielt Pater Muth aus Aachen im Kulturzen-
trum der Patronage in Kelmis einen Vortrag, in dessen Mittelpunkt die
Ikonenmalerei stand. Es gelang ihm beispielhaft, den symbolhaften Charakter der
Darstellungen zu verdeutlichen, Sein Vortrag wurde durch liturgische Gesänge aus
der Ostkirche stimmungsvoll untermalt.
APRIL
Am 2.4.76 hielt Herr Jungbluth im Hotel Reinartz Neu-Moresnet einen
Lichtbildervortrag über den derzeitigen Stand der Bienenkunde. In sehr anschau-
licher Weise wurde viel Wissenswertes über Bienen und Honig vermittelt. Er
richtete einen Appell an alle mitzuhelfen, damit keine bienenschädlichen Insek-
tenvertilgungsmittel benutzt würden.
APRIL
Am 11.4.76, unter der Führung von Herrn Peter Zimmer und Frau Dr. De
Ridder, fand die 16. Grubenfahrt der Vereinigung statt. Über 90 Personen,
darunter 30 Frauen, konnten sich die ober- und unterirdischen Einrichtungen der
Grube Waterschei ansehen.
Am 23.4.76 berichtete der im Göhltalraum bereits bekannte Naturkundler
Herr Otto Hirtz aus Aachen mit über 150 beeindruckenden Lichtbildern über die
Wälder des Göhltals. Wer ihn kennt, weiß, daß sein Vortrag appellierenden
Charakters ist. Jede ausgerissene Pflanze ist ein Stück Umwelt weniger, die wir
doch so sehr brauchen. Die vorhandenen Naturschätze unserer «Gegend wahren,
ist sein oberstes Anliegen.
MAI
Am 23.5.76 führten Herr Gerhard Moll und Herr Otto Hirtz eine große
Gruppe in das Teuvener Land und den Rodebosch unter dem ornithologischen
125
und botanischen Aspekt. Ein Stück Heimat im nordöstlichen Teil des Göhltals
wurde mit dieser Exkursion lebendig.
JUNI
Am 20.6.76 leiteten die beiden holländischen Geologen Felder die Teilnehmer
eines vollbesetzten Autobusses durch das Valkenburger Land. Diese Exkursion
stand unter dem Zeichen der Archäologie und der Geologie. Aufschlußreich waren
ihre Ausführungen über ihre Ausgrabungen im sogenannten Grand Atelier de
Puydt in der Grube Rijkholt. In den Jahren 1964 bis 1972 wurüen von ihnen über
1000 prähistorische Schächte entdeckt und massenhaft prähistorisches Werkzeug
zutage gefördert.
Vom 24. bis 26.6.76 fand im Kaufhaus Nopri, Eupen, eine Ausstellung statt,
die den Bergbau des Göhltals zum Inhalt hatte. Präsident und Konservator
montierten hier übersichtlich dokumentarisches Material, wie Photos, Karten,
Werkzeuge, Uniformen usw.
AUGUST
Um zwischen den drei Gemeinden Kelmis, Hergenrath und Neu-Moresnet
noch engere Kontakte zu schließen, fand am 8.8.76 auf der Eyneburg ein großes
Burgfest statt. Unserer Vereinigung oblag die Leitung der Besichtigung der Burg.
Frau Dr. De Ridder und die Herren W. Meeven und A. Janclaes sowie H.
Heydasch schleusten etwa 2500 Besucher durch die Räumlichkeiten der Burg und
gaben pausenlos Kommentare. Die Anzahl wurde geschätzt; etwa 4500 Besucher
sollen an diesem Tag auf der Eyneburg gewesen sein.
Anläßlich dieses Burgfestes veröffentlichte die Vereinigung eine Broschüre.
300 Exemplare waren nach einer Stunde vergriffen, weitere 300 Exemplare
mußten nachgedruckt werden.
AUGUST/SEPTEMBER
In der Zeit vom 28.8. bis 5.9.76 fand die 3. Kunstausstellung für Amateur-
künstler in der Patronage in Kelmis statt. Die 50 teilnehmenden Amateurkünstler
erbrachten mit ihren Werken wieder einmal den Beweis, daß es eine Freude ist, an
der durch die Göhltalvereinigung organisierten Ausstellung teilzunehmen, gibt sie
doch vor allem dem Amateurkünstler Gelegenheit, das Geschaffene, sonst für die
Schublade bestimmt, der Öffentlichkeit vorzustellen und vor allem Kontakte zu
dem Künstler von nebenan aufzunehmen.
Herr Josef Synck aus Henri-Chapelle, der als Vennmaler bereits zu einem
Begriff geworden ist, stellte im Rahmen dieser Ausstellung zum ersten Mal in
Kelmis aus. Der bekannte Eupener Maler Adolf Christmann zeigte am 29.8. in
einer öffentlichen Vorführung das Portraitzeichnen. Herr Willi Scheiff aus Hauset
führte Intarsienarbeiten, Herr Jean Volders aus Henri-Chapelle Schnitzarbeiten
und Frau Dr. De Ridder Kohlzeichnungen vor. Fast 2000 Besucher konnten
gezählt werden.
Am 5.9.76 fand unter der Leitung von Frau Dr. De Ridder eine Eisenbahn-
fahrt mit dem historischen Zug Li Trimbleu nach Trembleur/Blegny statt. Der
Aufenthalt in Dalhem, die Besichtigung des Rad-Museums von Mortroux sowie
der Besuch der Abtei von Val-Dieu begeisterten eine 40-köpfige Gruppe.
OKTOBER
Am 3.10.76 führte Frau Dr. De Ridder eine Gruppe über den Hertogenweg
"Chemin du Duc”’ nach Rolduc. Durch die Abtei Rolduc selbst wurde die Gruppe
durch Herrn Stassen, Direktor des heutigen Schulkongreßzentrums, geleitet.
Am 17.10.76 fand zum dritten Mal in diesem Jahr unter der Leitung von
Herrn Peter Zimmer eine Besichtigungsfahrt zur Grube Waterschei statt.
12%
Präsidenten des Belgischen Archäologischen Ausgrabungsdienstes, Dr. Roosens,
besprochen. Dieser stattete am 10.5.76 in Kelmis einen Besuch ab, um die
Möglichkeit der Durchführung und Gestaltung des belgischen nationalen Archäo-
logen-Kongresses im September 1977 in diesem Gebiet zu erwägen. Diesen
Vorschlag versprachen alle Verwaltungsratsmitglieder zu unterstützen.
Am 8.10.76 trat der Verwaltungsrat zusammen. Diesmal wurde die Möglich-
keit der Errichtung eines Gedenksteines für den Geheimen Sanitätsrat Dr.
Wilhelm Molly besprochen. Herr Randaxhon aus Lüttich kündigte seinen Besuch
an, um für die Erhaltung der Galmeiflora durch Landerwerb einen Beitrag zu
leisten. Er ist Vertreter des Naturschutzvereins Ardenne et Gaume.
Zu seiner letzten Versammlung im Jahre 1976 kam der Rat am 1.12.76
zusammen. Dabei ging es um die Gestaltung des Programmes im ersten Halbjahr
1977. Außerdem wurden die Sprecher für die monatlichen Rundfunksendungen
festgelegt. Der Rat besprach nochmals, wie die Vereinigung endlich zu einem
Museum mit größeren Räumlichkeiten gelangen könnte.
HEFTE "IM GÖHLTAL”
Im März erschien Heft Nr. 18. Die Pfarrgeschichte Hergenraths, Lonzen in
Preußischer Zeit, Walhorn um 1775 und viele andere Berichte zeigten die
Vielfältigkeit der Beiträge. Das im September erschienene Heft Nr. 19 mit
Beiträgen über die Galmeiflora, Vögel im Göhltal usw. erwies sich ebenfalls
wieder als ein interessantes Kaleidoskop. Beide Hefte wurden in der Presse
ausführlich durch Herrn Tatas besprochen.
Heft Nr. 19 war das erste Heft unserer Vereinigung, das im Offsetverfahren
gedruckt wurde.
Die Gestaltung lag weiterhin beim Lektor, Herrn Alfred Bertha.
STIFTUNG FÜR ARCHIV UND MUSEUM
Die Archive der Gemeinde Walhorn sind leihweise der Göhltalvereinigung zur
weiteren Archivierung übergeben worden. Der Vereinigung sind weiterhin Gegen-
stände für das Museum gestiftet worden.
PRESSEMITTEILUNGEN
Alle Veranstaltungen, 6 Lichtbildervorträge, 7 Exkursionen sowie 2 Ausstel-
lungen, wurden in der Presse angekündigt sowie nach Beendigung der Veranstal-
tungen ausführlich dokumentiert. Jede Verwaltungsratssitzung wurde ebenfalls in
der Presse erläutert. Für die Presseberichte war Frau Dr. De Ridder verantwort-
lich. {
SEKRETARIAT
Das Sekretariat wurde im Jahre 1976 durch Herrn Jean De Ridder geführt.
Briefwechsel : Vom 1.1. - 31.12.76 erhielt unsere Vereinigung 135 Briefe, 139
wurden verschickt. Außerdem 2 Telegramme. An unsere Mitglieder wurden die
Programme für das 1. und 2. Halbjahr 1976 sowie für das 1. Halbjahr 1977 und
die Einladung für die Generalversammlung im Januar 1977 verschickt. Das Heft
”Im Göhltal” wurde zweimal herausgebracht und verschickt.
128
Nachstehend die Statistik über die Anzahl unserer Mitglieder in den Jahren 1973,
1974, 1975 und 1976
1973 1974 1975 1976
Mitglieder und Abonnenten 404 432 437 447
= zahlende Mitglieder
Austausch 16 13 12 13
Pflichtempfänger 10 20 16 16
Gesamt 430 465 465 476
RUNDFUNKSENDUNGEN .
Unter dem Titel "Historische Funkbilder’’, die an jedem 3. Mittwoch im |
Monat zwischen 18 und 19 Uhr vom BHF Eupen ausgestrahlt werden, war unsere |
Vereinigung durch folgende Sprecher vertreten :
Am 21. Januar - Mundartvorträge; Leonard Kohl (Nades) |
am 18. Februar - Gedichte in Mundart; Gerard Tatas
am 17. März - Galmeibergbau in Kelmis; Peter Zimmer |
am 21. April - Göhltallied, gesungen vom Kelmiser Damenquartett
am 19. Mai - Über die Walhorner Schützen; Albert Janclaes |
am 16. Juni - Alte Mühle, Gemmenich; Dr. Gisela De Ridder
am 18. August - Remersdael; Dr. Gisela De Ridder |
am 15. September- Mundart-Erzählungen; Gerard Tatas
am 20. Oktober - Lontzen; Alfred Bertha u. Walter Meven
am 17. November - Caesar Frank; Fredy Nyns
am 15. Dezember - Pfarre Eynatten; Peter Zimmer |
Am 15.1.76 wurde ein Rundtischgespräch unter dem Titel ”’Denkmalschutz, |
ein Schlagwort”” gesendet, an dem die 3 Geschichtsvereine unserer Gegend mit |
den Vertretern Kurt Fagnoul, Leo Hermanns und Frau Dr. De Ridder beteiligt |
waren. |
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