Im Söhltal
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Im Göhltal
ZEITSCHRIFT der
VEREINIGUNG
für
Kultur, Heimatkunde und Geschichte
im Göhltal
No 18
2 475
Vorsitzender : Peter Zimmer, Kelmis, Siedlung P. Kofferschläger, 10.
Sekretariat : Rue du Calvaire, 8, 4671 Moresnet
Lektor : Alfred Bertha, Hergenrath, Bahnhofstraße, 20b.
Kassierer : Fritz Steinbeck, Kirchstraße, 20.
Postschekkonto N° 000-0191053-60
Die Beiträge verpflichten nur ihre Verfasser.
Alle Rechte vorbehalten.
Entwurf des Titelblattes : Frau Pauquet-Dorr, Kelmis.
Diese Skizze zeigt den Moresneter Göhlviadukt sowie die Hergenrather
Hammerbrücke in ihrer ursprünglichen Form.
Druck. Jacques Aldenhoff, Gemmenich.
Inhaltsverzeichnis
Firmin Pauquet, Kelmis Die Umgebung von Astenet und Wal-
horn im Jahre 1775 nach der Be-
standsaufnahme der Ferraris-Karte 4
Franz Uebags, Kelmis Ein interessanter Bericht über die
Konzessionen des «Altenberger
Grubenfeldes» 7
Alfred Bertha, Hergenrath Aus der Pfarrgeschichte Hergenraths
(2. Fortsetzung) 24
Leonie Wichert-Schmetz, Drei Weiden (Gedicht) 36
Bad-Driburg
Leo Homburg, Fossey Vor 55 Jahren : die Umschichtung des
Eigentums der Bauernhöfe und die
deutsche Geldentwertung in unserer
Gegend 37
M.-Th. Weinert-Mennicken Winter im Venn (Gedicht) 40
Aachen-Forst
Alfred Bertha, Hergenrath Statistische Daten aus Lontzen in
preußischer Zeit 41
Wilhelm Dithmar, Aachen Ein «Esperanto-Staat» ehemals in
Neutral-Moresnet ? ; 45
Alfred Bertha, Hergenrath Die Hammerbrücke bei Hergenrath
und die Fröffnung der Belgisch-
Rheinischen Eisenbahn 50
M.-Th. Weinert-Mennicken Nordwind (Gedicht) 63
Aachen-Forst
A. Bertha und W. Meven, Unveröffentlichte Soldatenbriefe aus
Hergenrath der Franzosenzeit 69
Gerard Tatas, Gemmenich Der Ausbruch (satirisches Gedicht) 78
Dr. Gisela De Ridder, Das Porträt + Gerhard Paulus, ein
Moresnet-Kapelle Moresneter Geselle bei Valens
Zimmermann 79
Leonie Wichert-Schmetz, Ein Hang von Gundelreben an der
Bad-Driburg Göhl (Gedicht) 84
Dr. Rene Jongen, Löwen _KRechtschreibenormen für das Südnie-
derfränkische (Nachtrag und
Berichtigungen). 85
Alfred Bertha, Hergenrath Auf dem Büchermarkt 86
Dr. Gisela De Ridder, Tätigkeitsbericht 1975 90
Moresnet-Kapelle
Pierre Xhonneux, Bleyberg La charge de sacristain a Hombourg au
(Plombieres) XVII" siecle (mit deutscher
Kurzfassung) 95
Aufruf zur Mitarbeit 103
4
Die Umgebung von Astenet und Walhorn im
Jahre 1775
nach der Bestandsaufnahme der Ferraris-Karte
von Firmin Pauquet
Mit dem Einverständnis des Gemeindekredits erscheint in
dieser Nummer ein weiterer Ausschnitt aus dem Blatt 232,
Eynatten, der Ferraris-Karte um das Dorf Walhorn.
Im Gegensatz zu den beiden anderen veröffentlichten Aus-
schnitten — Kelmis und Hergenrath-Hauset — ist im Walhor- '
ner Raum noch verhältnismäßig viel Ackerland zu finden. Die
Streusiedlung herrscht auch nicht mehr so ausgesprochen und
der größere geschlossene Siedlungskern Walhorn fällt beson-
ders auf,
Von Nordwesten nach Südosten lassen sich abwechselnd
Grünland- und Ackerlandstreifen sehr gut erkennen. Diese
Streifen entsprechen den von Südwesten nach Nordosten strei-
chenden Schichten geologischer Mulden, die einen Sattel ein-
fassen, am Nordrande des Hohen Venns. Ackerland behauptet
sich auf den trockenen Kalksteinschichten des Unterkarbons
und Grünland wurde zuerst auf die feuchteren Schiefer- und
Sandsteinschichten' des Oberkarbons und des Oberdevons
- (Famenne) angelegt :
— Ackerlandstreifen Lontzener Kreuz-Astenet, mit eingescho-
benem Grünland am Hornbach entlang bei Prys Meulen,
auf Kohlenkalk ;
— Grünlandstreifen mit einigen Heideflächen auf Kohlen-
schiefer und Oberdevon, zwischen Rabotraet und Walhorn ;
— Ackerlandstreifen auf Kohlenkalk im Walhorner Feld bis
Laumise (Langmüs), wieder mit eingeschobenem Grünland
am Bach entlang ;
— Grünland auf Oberdevon bei Merols.
Im. Osten herrscht Wald — Bois d’Eynatten — und Heide
auf den inselartigen Schichten des Aachener Sandes hervor.
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Das Gebiet Lontzen-Walhorn scheint dasjenige des eh.
Herzogtums Limburg zu sein, wo der Vergrünlandungsprozeß
am spätestens durchgeführt worden ist. Dieser Prozeß, der im
Herver Gebiet im 16. Jh. eingesetzt hat, war im sonstigen
Göhltal im 18. Jh. schon weit gediehen.
Im Kartenausschnitt merkt man auch, daß die Streusied-
lung mit dem Grünland eng verbunden ist : für die Milchwirt-
schaft treibenden Bauern ist sie eine Notwendigkeit geworden.
Vor der Vergrünlandung bestanden auch in unserem Gebiet
nur Dorfsiedlungen, z.B. die Dorfkerne Astenet und Walhorn.
Um die beiden Dorfkerne, wie in der Nähe fast aller Ein-
zelhöfe, sind Obstweiden angelegt. Als Weiler werden ”Laumi- "
se” (Langmüs) und ”Lintje” (Lindchen) angegeben und als Ein-
zelhof nur die Preismühle, ”Prys Meulen”. Auf dem Johberg
erkennt man die Richtstätte der Bank Walhorn.
Die Zahl 74 gibt die Pfarrzugehörigkeit zu Walhorn an.
Benachbarte Pfarreien sind Lontzen (65) im Westen, Eynatten
(76) und Raeren (78) im Osten.
7
Ein interessanter Bericht über die
Konzessionen des
«Altenberger Grubenfeldes»
von Franz Uebags
Mit der vom 5. bis 13. April durch unsere Vereinigung in
der Kelmiser ”Patronage” durchgeführten Ausstellung unter
dem Motto ”Das Göhltal früher und jetzt” kam die alte Zeit
wieder mächtig ins Gerede. Was da zur Schau gestellt wurde,
bot reichlichen Gesprächsstoff. Erinnerungen an die alte Zeit
wurden wach.
Der Zufall wollte es, daß ich auf dieser Ausstellung mit
einem älteren Herrn ins Gespräch kam. Im Laufe unserer
Unterhaltung erfuhr ich, daß er im Besitze eines alten Buches
sei, das viel Wissenswertes über das Altenberger Grubenfeld
enthalte. Er erklärte sich bereit, mir dieses Buch auszuleihen.
Nachdem ich mich durch die vergilbten Seiten hindurch-
gelesen hatte, war auch ich davon überzeugt, daß dort vieles
stand, was des Weiterberichtens wert sei. Ich habe also kurz
entschlossen all das, was unsere Leser interessieren dürfte,
abgeschrieben und lege es ihnen hiermit vor. Die alte
Schreibweise habe ich beibehalten. &
Die Titelseite des Büchleins hat folgenden Wortlaut :
Bericht
über die Concession
des
Altenberger Grubenfeldes
vorgetragen den 16. April 1849
In der Sitzung des Verwaltungsrathes der Gesellschaft der
”Vieille Montagne”
durch dessen Präsidenten
Herrn Grafen Le Hon
Aachen 1853
Druck von C. H. Müller
Auf der Verwaltungsratssitzung vom 16. April 1849 waren
anwesend : Graf Le Hon, Vorsitzender, Graf von Horny, Julius
8
Nagelmackers, Ernst Andre, Graf Vilain XIV., Alfred Mossel-
man, Joseph Perier, Des Arts, sowie die Direktoren Saint-Paul
De Sincay und Guynemer Sohn.
Punkt 1 der Tagesordnung sieht einen Bericht des Grafen
Le Hon über die Konzession der Vieille Montagne vor.
Graf Le Hon trägt seinen Bericht vor ; darauf beschließt
der Verwaltungsrat den Bericht nebst den Anlagen drucken
zu lassen.
Hier der Bericht über die Concession der ”Vieille Montagne”.
Werte Herren, fi
Ich habe versucht, in dem vorliegenden ersten Bericht
eine Übersicht der Geschichte des Altenberges, eine genaue
Darlegung der Acte und Umstände, unter welchen die franzö-
sische Regierung im Jahre 1806 die Concession ertheilt hat,
und eine gewissenhafte Würdigung der Fragen und Thatsa-
chen, welche ihre Zukunft betreffen, zusammenzufassen.
Sey auch die Autorität der Titel, auf denen die Rechte
unserer Gesellschaft an dem immerwährenden unantastbaren
Besitztum dieser Minen beruhen, welche sie wolle, so ist es,
wie ich denke, für uns eine Pflicht, die Beweise dafür zur
größtmöglichen Öffentlichkeit zu bringen und den irrigen An-
sichten, welche in neuerer Zeit theils absichtlich verbreitet,
theils ohne Prüfung aufgenommen worden, die offizielle
Wahrheit, die Auslegung von Staatsmännern und die ein-
stimmige Meinung der ausgezeichnetsten Rechtsverständigen
entgegenzusetzen.
Es liegt uns daran, alle bestehenden Zweifel über den
Ursprung und die Art der Beziehungen, in welchen die Lan-
desherren des früheren Herzogthums Limburg und deren Nach-
folger während mehrere Jahrhunderte zu dem Betriebe der
Bergwerke des Altenbergs standen, zu zerstreuen, und aus der
steten Gleichförmigkeit ihrer Anlasse sowohl, als aus den ver-
schiedenen Änderungen welche die Prinzipien der Gesetzge-
bung in Betreff dieses Gegenstandes erlitten hatten, darzule-
gen, welches der wirkliche Charakter der Concession vom 24.
März 1806 gewesen ist und welche Wirkungen dieselbe sowohl
9
unter der Geltung des Gesetzes vom 29. Juli 1791 als unter
dem durch das Gesetz vom 21. April 1810 eingeführten neueren
Systeme zur Folge hatte und haben mußte.
Um dieser Aufgabe zu entsprechen, habe ich meine Arbeit
in vier Hauptpunkte eingetheilt, nämlich :
1. Historische Übersicht über den Ursprung des Altenberges
und die von den Landesherren des Herzogtums Limburg
in Betreff der Gewinnung des Galmei’s in demselben aus-
geübten Rechte ;
2. Das Gesetz vom 28. Juli 1791 und die Concession vom
24. März 1806 ;
3. Das Gesetz vom 21. April 1810, neue Grundsätze desselben,
seine Wirkungen und seine Anwendung ;
4. Veranlassung und Ergebniß der gerichtlichen Contestatio-
nen welche von 1821 bis 1829 Namens der Preußischen und
Niederländischen Regierungen gegen den Herrn Mosselman
erhoben worden sind.
Nachdem nun Graf Le Hon die Einteilung seines Berichtes
bekanntgegeben, fährt er fort und befaßt sich weiter mit
Punkt 1, in welchem es heißt
Geschichtlicher Ursprung der Vieille Montagne
Es ist in legislativer Beziehung unbestreitbar, daß ehemals
in dem Lande Limburg wie in den meisten Staaten Deutsch-
lands der Fürst das ausschließliche Recht besaß, über die
Bergwerke zu verfügen. Nicht als Eigenthümer, sondern als
Landesherr, war er mit diesem Rechte bekleidet, da die Berg-
werke im Interesse des Staates selbst den Charakter als Staats-
eigenthum erhalten hatten (1). Keiner durfte ohne eine Er-
mächtigung des Landesherren die unter seinem Grundeigen-
thume gelegenen Erze fördern.
In des letztern Belieben stand es, die Bergwerke entweder
für seine Rechnung durch seine Beamten betreiben zu lassen,
oder sie zu verpachten, oder in Zeit der Erblehen zu geben :
verschiedene Arten der Ausübung eines und desselben Rechtes,
des Hoheitrechtes, welches dadurch in keiner Weise beein-
trächtigt oder verändert wurde.
10
Auf Grund dieses Rechts hatten also die Fürsten von
Limburg seit undenklicher Zeit die Zehnten, Renten und Er-
träge der Bergwerke wie die sonstigen Zehnten, Standgelder,
Gerichtskosten u.s.w. in ihre Domanialeinkünfte mit begriffen.
Um mir für meine Angaben überall Gewißheit zu ver-
schaffen, habe ich in den amtlichen Archiven ihrer Verwal-
tung selbst nachgeforscht, in welcher Weise sie zu verschie-
denen Zeiten, von diesem landesherrlichen Vorrecht Gebrauch
gemacht hatten.
Meine Nachforschungen in der Rechnungssammlung der
General-Empfänger des Herzogtums und der Lande jenseits ,
der Maas (2) bis zu ihrem ältesten Datum von 1399 haben mich
in den Stand gesetzt, die wichtigsten Thatsachen in dieser Be-
ziehung zu constatiren, entscheidende Beweise zu sammeln und
den Ursprung des dem Bergwerke zu Moresnet beigelegten
Namens Altenberg oder Vieille Montagne zu entdecken.
Folgendes sind summarisch und in chronologischer Ord-
nung die hauptsächlichsten Resultate.
Die ersten Nachrichten über das Vorkommen des Galmei’s
im Herzogtum Limburg finden sich in der Rechnung des Gene-
ral-Empfängers von 1414. Ich lese unter Nummer 2442 des
General-Inventars die folgende Bemerkung :
Declaration anderer Theile der herrschaftlichen Domaine
Von der Ausbeute der Gruben, aus denen man eine Art
Erz fördert mit Namen ”Kelme” in der Gemeinde Walhorn
AA Nichts:
Weil sie nichts davon bezahlen wollen, obgleich kraft des
Hoheitsrechts Niemand in der Erde Erz, von welcher Natur es
auch sein mag, ohne Erlaubnißbriefe des Fürsten wegnehmen
darf.
Die erste in den Rechnungen nachgewiesene Galmei-Con-
cession ist vom 5. Juli 1435 und betrifft einen sogenannten
”Dysoner” Berg, welcher früher unter der Bedingung den
elften Theil des Ertrages an den Herzog zu zahlen ausgebeutet
worden, seit längerer Zeit aber verlassen war. Der Fürst (3)
verleiht von Neuem, und zwar diesmal als ”Erblehen” an
11
Henri Van Panhuysen und Genossen das Recht, Bleierz, Gal-
meierz und Kupfer ’aus diesem Berge zu fördern, unter der
Bedingung, ihm den sechsten Theil der Förderung rein und frei
zu überliefern, hierbei auch die im Lande Limburg gebräuch-
lichen und überdies in den Patentbriefen ausdrücklich er-
wähnten Anordnungen zu beobachten.
Dieses in den Rechnungen von 1435, 1436, 1437 und 1438
mit den gleichen Ausdrücken bezeichnete Unternehmen scheint
keinen Erfolg gehabt zu haben, da bei jeder Einnahme be-
merkte u en Nächte.
In der Rechnung von 1438 auf 1439 findet man unter der
Rubrik, ”Einnahmen des beweglichen Theils” und unmittel-
bar nach dem Artikel von dem Berge Dyson einen andern
welcher folgendermaßen lautet :
”Empfangen von dem Galmeiberg, gelegen im Lande Lim-
burg neben dem Bergwerke, welches die von Aachen (4) bisher
ausgebeutet haben, und mit welchen der Fürst durch Patent-
briefe Herrman Pael, Gerhard Pael und Jean Bernarts auf die
Dauer von 15 Jahren beliehen hat, um es nach der im Lande
Limburg gebräuchlichen Weise und unter der Bedingung zu
betreiben, daß ihm der neunte Theil des in seinen Öfen zube-
reiteten und calcinirten Galmei’s rein und frei überliefert
werde.
Es sind von diesem Berge 1.132 Maaß (mesures) Galmei
gewonnen worden hiervon hat der Fürst 142 Maaß erhalten,
deren Verkauf ihm 267 Mark 3 Sols 4 Deniers eingetragen
hat (5).
Das ist die erste Erwähnung eines Galmei-Berges (6) in
der General-Nachweise der Einkünfte des Herzogtums. In den
früheren Nachweisen bis zum Jahre 1438 findet sich keine
Spur davon.
Es ergibt sich aus der vorgedachten amtlichen Erwähnung :
1. daß die Verpachtung der Ausfluß des landesherrlichen Ho-
heitsrechtes ist ;
2. daß der verpachtete Berg in der Nachbarschaft eines an-
dern, früher von den Einwohnern von Aachen ausgebeute-
ten, dazumal aber von ihnen verlassenen Berges ist.
12
Ich ersuche Sie, diesen letzten Umstand wohl zu beachten,
Sie werden sogleich Gelegenheit haben, dessen Wichtigkeit zu
würdigen.
Die Herren Herman und Consorten verzichteten schon im
Jahre 1443 wegen Mangel an Erz auf ihre Concession. Nach
einigen Monaten bestimmte sie jedoch die Entdeckung neuer
Lagerstätten, die Concession wieder zu nehmen und zwar unter
Genehmigung des von dem Herzog Philipp dazu bestellten
General-Einnehmers, Rath Repellemans.
Dieser Galmeiberg hat vom Jahre 1443 bis zum 31. De-
zember 1455 jedes Jahr in demselben Einnahme-Kapitel und
unter derselben Rubrik figurirt. Die Erhebung des neunten
Theiles vom Gewinne für den Herzog wechselte in dieser
Periode zwischen 126 bis 204 Mark. Aber im Jahre 1455 er-
scheint in den Rechnungen der General-Einnahme ein neuer,
auf folgende Weise eingetragener Artikel über Galmei. ”Emp-
fangen von dem alten Galmei-Berg, der früher durch die von
Aachen ausgebeutet wurde, so wie von allen andern im Lande
Limburg gelegenen Orten, wo früher Galmei gewonnen worden,
als welche Berge dem Herrn Arnold Van Zevel auf zwölf Jahre
vom 17. Februar 1454 an, für den jährlichen Preis von 600
rheinischen Gulden, gleich 3600 Mark verpachtet worden” (7).
Es handelt sich, wie Sie bemerken, hier nicht von einem
Berge, der einem andern, früher durch die Aachener ausge-
beuteten Berge benachbart ist, sondern es ist dieser Berg selbst.
Er führt den Namen Altenberg, wahrscheinlich zur Unterschei-
dung von dem neuen Werke oder ”Berg” des Herman Pael
und Consorten vom Jahre 1438,
Dies sind also in der authentischen Urkunden-Sammlung
des Herzogthums Limburg die ersten Spuren unseres jetzigen
Galmei-Bergwerkes zu Moresnet und die Verleihung (Octroi)
vom dritten August 1455, durch welche der regierende Herzog
die Vieille Montagne und die sämmtlichen übrigen Stellen des
Landes Limburg, wo früher Galmei gewonnen wurde, in Pacht
gibt, ist außer allem Zweifel der wohlcharakterisirte Act nicht
des Eigentümers, sondern des Landesherrn.
Noch mehr. Man liest in derselben Rechnung von 1455, der
gedachte Herzog habe den Herren Reynaert und Goders auf die
13
Dauer der von ihnen dem Arnold Zevel abgetretenen Pacht
jener Bergwerke und Zehnten die Ermächtigung reservirt,
einen ihnen zugehörigen Berg, Namens Eselbach, ausbeuten
zu lassen, um darin innerhalb derselben Pachtfrist und gegen
Entrichtung von 25 rheinischen Gulden jährlich, mit vier Ar-
beitern und nicht mehren, Galmei zu fördern.
Das Factum dieser Ermächtigung vervollständigt den Be-
weis, daß der regierende Herzog in diesem, wie in allen andern
gleichartigen Fällen, lediglich in der Ausübung eines Regals
oder Hoheitsrechtes intervenirt, bestimmt und verfügt. Es ist
hier schon der Ort, den von der preußischen und niederlän-
dischen Regierung, bei Gelegenheit der von ihnen gegen Herrn
Mosselman erhobenen Contestationen unaufhörlich wiederhol-
ten wesentlichen Irrthum hervorzuheben, nämlich daß,
”die Grube der Vieille Montagne der
österreichischen Regierung als Landes-
herrn des Herzogtums Limburg angehö-
re, welche dieselbe habe eröffnen und
auf ihre Kosten ausbeuten lassen,”
ein Irrthum, welcher so allgemein verbreitet war, daß selbst
der Advokat des Herrn Chanlet, bei seiner Vertheidigung ge-
gen die Ansprüche Belgiens und Preußens vor dem Civil-
Tribunal der Seine am 27. Februar 1840 ihn als zu Recht
bestehend annimmt.
Für’s Erste hat Österreich selbst erst mit dem Anfang des
Achtzehnten Jahrhunderts im Herzogthum Limburg geherrscht,
und wir haben soeben gesehen, daß schon im Jahre 1454 ein
Prinz aus dem Hause Burgund, Philipp der Gute, die ”von den
Aachenern hergebrachter Weise” ausgebeutete Vieille Monta-
gne auf zwölf Jahre verpachtet hat. Da sich nun keine Spuren
einer Ausbeutung derer von Aachen in den früheren Rech-
nungen, selbst bis zum Jahre 1399 hinauf finden, so muß man
daraus schließen, daß sie schon lange vor jener Zeit Statt
gefunden habe.
Ferner beweist dieselbe Verleihung von 1455, daß der
Herzog ebensowohl über die Vieille Montagne, so wie über
alle anderen Stellen des Landes Limburg, wo man früher
Galmei gefördert, verfügte : wodurch jeder Gedanken eines
14
PRIVAT-EIGENTHUMS und irgend einer Verfügung in der
Eigenschaft als Eigenthümer, ausgeschlossen wird.
Es ist also faktisch unmöglich. daß Österreich das Bergwerk
eröffnet und seinen Betrieb in’s Leben gerufen habe.
Aus der Mehrheit der übrigen Titel jener Rechnungen
geht der Charakter eines dauernden Souveränitäts-Rechts wo
möglich noch überzeugender hervor.
So finde ich in den Rechnungen von 1470 und denen der
folgenden Jahre einen speziellen Einnahme-Posten, herrührend
”aus der Verpachtung der Galmeiberge und Gruben, welche
die Einwohner von Aachen früher herkömmlich betrieben ha- '
ben und aus allen andern Bergen und Orten des Landes Lim-
burg, wo man Galmei gewonnen hat oder gewinnen könnte”.
Dergestalt verfügte also der Herzog nicht allein über die
bereits entdeckten Gruben, sondern auch über alle diejenigen,
welche auf einem Punkte des Territoriums möglicherweise
noch aufgefunden werden könnten.
Ein derartiger Akt konnte nur von einer über öffentliches
Eigenthum verfügenden landesherrlichen Macht ausgehen.
Dieses unbeschränkte Ausbeutungsrecht datirt von dem
Patent vom 15. März 1468, durch welches es dem Herrn JEAN
LEVAULTRE von Lille auf die Dauer von 12 Jahren und für
die Summe von 1330 rheinischen Gulden verpachtet wurde.
Es wurde im Laufe der Zeit nach Ablauf eines jeden Ter-
mins von 12 Jahren unter denselben Bedingungen erneuert.
Späterhin, als sich eine Concurrenz für die Gewinnung des
Galmei’s gebildet hatte, ward die Pacht, und zwar seit dem
Jahre 1506, dem Meistbietenden zugeschlagen und erhöhte sich
hierdurch bis zu der Summe von 1600 rheinischen Gulden.
Der öffentliche Zuschlag erfolgte noch im Jahre 1518 unter
Bedingungen, deren Anordnung und Hauptpunkte ich der
Mitteilung werth halte :
”Verordnung und Bedingungen, nach welchen, von Seiten
des Königs von Castilien, Leon und Granada, Erzherzogs von
Österreich, Herzogs von Burgund, Brabant und Limburg u.s.w.
15
bei der Verpachtung von allen Galmei-Bergen des Landes Lim-
burg für den Zeitraum von 12 nacheinander folgenden Jahren,
vom 1. April 1518 bis Ende März 1529 verfahren werden soll.
”Der Anpächter (adjudicataire) hat das ausschließliche
Recht Galmei zu fördern.
”Der König verzichtet darauf (s’interdit), irgend einem
Andern diese Ermächtigung zu erteilen.
”Der Anpächter darf nicht mehr als 18 Arbeiter bei der
Förderung beschäftigen.
”Im Falle, daß er Gold, Silber, Blei, Kupfer oder andere
Metalle auffinden sollte, sey es unter der Erde oder auf der
Oberfläche, so soll er sofort, bei Strafe von 100 burg. Gulden,
dem Einnehmer von Limburg Anzeige davon machen und kann
der König beliebig darüber verfügen, mit der Verpflichtung,
den Arbeitslohn dafür zu bezahlen.
”Der Anpächter darf das Holz zu den zum Calciniren des
Minerals erforderlichen Kohlen aus dem Busch von Hertogen-
wald entnehmen, unter der Bedingung, die hergebrachten Ge-
bühren an den Einnehmer zu entrichten.
”Nach Ablauf der Pachtzeit muß er das Bergwerk wieder
in guten Stand setzen.
”Der Galmei darf von ihm nicht anders verkauft und in
den Handel gebracht werden, als in guten Fässern, welche
wohlgefüllt und mit einem vom König zu bestimmenden,
besonderen Zeichen versehen sein müssen.
”Er bezahlt 20 Gulden rhein. als jährliches Gehalt der für
das Zeichnen der Fässer bestellten Beamten.
”Und, da die früheren Pächter sich über die Einführung
fremden Galmei’s beklagt haben, so verbietet der König die
Einfuhr und den Durchgang desselben.
”Der Galmei von Limburg ist vom Standgelde (tonlieux)
d.h. von den Wegegefällen befreit.”
Dieses Actenstück bietet, wie ich meine, ein vollständiges
Muster der Ausübung des absoluten Souveränitäts-Rechtes in
16
Betreff der Bergwerke dar: Verpachtung aller Galmei-Berg-
werke im Limburger Lande : Vorbehalt der Verfügung über
alle andern, in oder über der Erde gefundenen Erze : Verbot
der Einfuhr oder des Durchgangs fremden Galmei’s.
N Sie werden bemerken, meine Herrn, daß seit der Bewilli-
gung von 1455 keine namentliche Erwähnung des Altenberges
mehr vorkommt ; er ist unter allen Bergen, wo früher Galmei
gewonnen worden ist mit einbegriffen : ein Umstand, welcher
beweist, daß der Herzog weder ein Privatrecht auf ihn hatte
noch in Anspruch nahm, daß er über ihn, wie über die andern,
lediglich auf Grund seines Souveränitäts-Rechtes auf das
Staatseigenthum und insbesondere auf die Bergwerks-Pro- '
ducte verfügte.
Die Folgerung welche aus diesen authentischen Nachwei-
sen hervorgeht, wird außerdem durch die vom Landesherrn
selbst erlassene ausdrückliche Erklärung formell bestätigt.
Letztere findet sich in einem Erlaß von Philipp dem Schönen,
Brüssel, vom 3. Juni 1497, welcher die Einfuhr fremden oder
gemischten Galmei’s in das Herzogtum Brabant und die Lande
jenseits der Maas verbietet (8).
”Um Unsere Hoheits-, Herrlichkeits- und Domanial-Rechte
zu bewahren” heißt es darin, ”und insbesondere, daß Niemand
anders als der obengenannte Herzog von Limburg, kraft Un-
serer Oberherrlichkeit, die in der Erde ruhenden Schätze und
verborgenen Erze, als : Gold, Silber, Metall, Galmei und andere
Erze, aus denen man Galmei gewinnen oder fördern lassen
kann, haben könne und dürfe u.s.w.”
Diese Sprache ist deutlich und entschieden. Sie erklärt
den wahren Sinn, der anderen Stellen des Erlasses, deren
ursprüngliche Bedeutung durch öftere Anführung im Laufe
dreier Jahrhunderte und besonders in der letzten Zeit, falsch
aufgefaßt worden ist.
Wenn demnächst der Herzog Philipp der Schöne sagt :
”Es ist zu unserer Kenntniß gelangt, daß Wir unter An-
derem in Unserem Herzogthum und Lande Limburg einen
sehr beträchtlichen und einträglichen Bestandtheil Unserer
Domäne besitzen, nämlich die Galmeiberge, in denen Nie-
mand anders als Unsere Pächter, und zwar mit einer be-
17
stimmten Anzahl von Arbeitern bauen dürfen : für welche
Erlaubniß dieselben jährlich gewisse erhebliche Summen an
Uns bezahlen sollen und zugleich verpflichtet sind, das Ma-
terial mit großen Kosten zu bearbeiten und zuzurichten ...”
Wenn er sagt :
”Der obengenannte Galmei von Unsern Werken, ist zu
allen Zeiten jedem andern Galmei vorgezogen und dafür all-
gemein angesehen worden : als wovon Wir großen Nutzen
gezogen, und würden diesen Nutzen auch für die Zukunft
ziehen, wenn man dies nicht dadurch gehindert und beein-
trächtigt hätte, daß man seit einiger Zeit in der Nähe ge-
wisser Grenzpunkte Unseres Herzogthums Limburg neuen
Galmei gefunden, welchen man außerhalb Unserer Grenze
zu fördern angefangen, und den fremde Kaufleute in Unsere
Lande, Städte und Herrschaften unter dem Namen und Titel
Unserer besagten Limburger Berge eingeführt, in dem sie
ihn in betrüglicher Weise mit Unserm vorhingenannten Gal-
mei vermischt, verkauften, in der Hoffnung dadurch ihre
fremden Berge zum Nachtheil der Unsrigen zu heben ; ein
Versuch, der, wenn er gelänge, Unseren Staaten und Domä-
nen zu großem Schaden gereichen würde,”
so ersieht man aus diesen Äußerungen, daß der Fürst nicht
beabsichtigt von Minen zu reden, welche von ihm oder seinen
Vorgängern eröffnet worden seyen, auch nicht von einer durch
Letztere hervorgerufene oder erworbene Privat-Nutzung (ex-
ploitation privee), sondern von einem Theil des Staats-Eigen-
thums, welchen er kraft der seiner Landesherrlichkeit inne-
wohnende Rechte besitzt, verwaltet, beschützt und benutzt.
Man erkennt, daß, indem er vorzieht die Berge zu ver-
pachten, dies nur deswegen geschieht, weil er diese Art der
Verwaltung in Bezug auf Galmei-Gruben für sehr einträglich
und demzufolge für vorteilhafter hält, als das Zehntsystem ;
wobei er indes keineswegs gesonnen ist, an seinem Besitztitel,
so wie er ihn in dem nämlichen Aktenstück definiert und
bekannt gemacht hat, das Geringste zu ändern.
Diese Zusammenstellung einer langen Reihe von bisher
unbekannten Thatsachen und authentischen Beweisstücken
18
gibt Ihnen gleichzeitig Aufschluß über die frühesten Zustände
des Altenberges, wie über den Ursprung und die Art der
possessorischen Beziehungen, in welchen die verschiedenen
Regierungen des Landes Limburg im Laufe des fünfzehnten
Jahrhunderts zu ihm standen.
Hierin nun findet sich der Ausgangspunkt und die Grund-
lage der Rechte, welche die Nachfolger Fhilipps des Schönen
im Lande Limburg späterhin ausgeübt haben, wie auch die
Prinzipien, welche den Charakter ihrer Erlasse bestimmt
haben und die Wirkungen derselben regeln müssen.
Von diesem Gesichtspunkte aus und in diesem Lichte
betrachtet, sind die Maßregeln der Administration des Her- )
zogthums während der drei darauf folgenden Jahrhunderte
festgestellt und können ihrem wahren und natürlichen Sinne
nach beurtheilt werden.
Diese Administration fährt nun im sechzehnten Jahrhun-
dert fort, dem zu Ende des fünfzehnten Jahrhunderts einge-
schlagenen Weg folgend, sämtliche Galmeiberge zusammen zu
verpachten, d.h. sie ertheilt das Recht, den Galmei
überall, wo er im Lande Limburg zu fin-
den ist, zu fördern; nur verfolgt sie dabei das System
des öffentlichen Zuschlags unter Zugrundelegung von gewissen
Bedingungen (cahier de charges), eine gewöhnliche Folge vor-
handener Concurrenz. Ich habe davon oben einige Beispiele
angeführt.
Gegen das Ende dieses Jahrhunderts und im Anfang des
Siebenzehnten versucht die Regierung, mit eigenen Beamten
die Werke selbst zu betreiben. Anlaß dazu sind Klagen der
Kaufleute und Kupferschläger von Aachen, Stolberg,
Namur u.s.w., über die schlechte oder mittelmäßige Be-
schaffenheit der von den Pächtern der Galmeiberge gelieferten
Erze und die Nothwendigkeit, sich gegen die in der Verord-
nung vom Jahre 1497 gerügten Fälschungen und die Bemü-
hungen ausländischer Concurrenz zu schützen.
Während einer Reihe von Jahren ging nun die Regierung
abwechselnd von der Selbst-Verwaltung zur Verpachtung,
und von der Verpachtung wieder zur Selbst-Verwaltung über,
welcher Wechsel oft auch politische Ursachen hatte.
19
So bestimmt z.B. im Jahre 1611, unter dem Erzherzog
Albert und Isabelle, nach dem Waffenstillstande mit den ver-
einigten Provinzen der Niederlande, der Finanzrath durch eine
Verordnung vom 3. Mai, daß nach Ablauf des Pachtvertrages
mit Karl Ruelli am 1. Juli selbigen Jahres, die Galmei-Gruben
für Rechnung Ihrer Hoheiten durch den General-Einnehmer
von Limburg oder dessen Gehülfen mit dem ihm beigegebenen
Kontrolleur exploitirt werden sollen (9).
Der Waffenstillstand endigte am 1. Juli 1621 und der
Finanzrath bestimmte, um die Gefahr, welche daraus für die,
wie das Limburger Land dicht an der holländischen Grenze
gelegenen Galmei-Berge erwachsen könnte, zu vermeiden, daß
dieselben nicht mehr durch Beamte des Fürsten exploitirt,
sondern sie wiederum verpachtet werden sollten, und ver-
ständigt sich zu diesem Zwecke mit Johann Stappaert, Kauf-
mann und Bürger zu Aachen.
Diese Verpachtung zieht sich achtunddreißig Jahre lang
fort bis 1648, wo der Friede zu Münster abgeschlossen wurde.
Dazumal bestimmte der Rath, daß die Selbst-Verwaltung zum
größeren Vortheil des Königs Philipp IV. wiederhergestellt
werden sollte (10).
Es treten zwar in Zwischenräumen noch Änderungen in
dieser Lage der Dinge ein, aber, obschon ich nicht sämtliche
Acten und Rechnungen aus dem achtzehnten Jahrhundert
durchgesehen habe, so glaube ich doch behaupten zu können,
daß die Ausbeutung durch die Regie zuletzt als die vortheil-
haftere vorgezogen und beibehalten wurde, und zwar, weil
sie dem Handel mehr Sicherheit darbot.
Als Österreich Limburg in Besitz nahm, folgte es dem
System seiner Vorgänger. Es hat die mit seiner Souveränität
verbundenen Rechte auf einen Theil des Staatseigenthumes in
gleicher Weise wie Philipp der Schöne, Karl V., Philipp II.
und Karl II. ausgeübt. Es hat wie diese, bald das System der
Verpachtung, bald dasjenige der eigenen Verwaltung ange-
wandt, und zwar unter demselben Titel wie sie, also im Geiste
und den Grundsätzen der amtlichen Erlasse von 1455, 1470
und 1497. Den Beweis, daß Österreich in den Fußstapfen seiner
Vorfahren getreten, habe ich aus folgenden, von dem Finanz-
20
rath im Jahre 1781 dem Cabinette zu Wien erstatteten Be-
richt entnommen.
Section 3, S 11. Einkünfte in Galmei
Die Förderung des Galmei’s geschah, wie man es aus der
Rechnung von 1466 ersieht, schon im Jahre 1454 zu Gunsten
des Herzogs von Limburg. ”Diese Förderung war einem gewis-
sen Arnold Van Zevel und Genossen auf 12 Jahre und für die
Summe von 600 Gulden jährlich verpachtet”. ”Der Ort, der
den besten Galmei liefert heißt Altenberg (Vieille Mon-
tagne) und ist ungefähr zwei Stunden von der Stadt Aachen
entfernt”. ”Der Betrieb geschieht von Amtswegen, für Rech-,
nung. der Domainen, unter der Leitung des Einnehmers dieser
Domainen und des Galmei-Controlleurs, welcher die Ablie-
ferung besorgt. Der Ertrag wird von dem Einnehmer in Emp-
fang genommen und durch den Controlleur und den verei-
deten Waagmeister beglaubigt. Man hat über diesen Gegen-
stand eine Menge Verordnungen erlassen, namentlich in den
Jahren 1588, 1590, 1605, 1664 und 1743, welche hauptsächlich
die Verhinderung der Einfuhr fremden Galmei’s und der
Fälschung des unsrigen zum Zwecke haben und gleichzeitig
auch einige polizeiliche Vorschriften über die Ausbeutung
enthielten”,
Die Vieille Montagne erscheint hier nicht als eine Privat-
Domaine, sondern als eines der Bergwerke des Fürstenthums,
welche dem Landesherrn Einkünfte in Galmei liefern. Unter
demselben Titel hatte der Herzog Carl im Jahre 1469 das
Recht; in allen Bergen, wo bereits Galmei gewonnen worden
war und an allen Stellen des Landes Limburg, wo man sol-
chen noch gewinnen könnte, Galmei zu fördern, verpachtet.
„Es war indessen natürlich, daß nach Jahrhunderte langem
fruchtlosen Suchen und Experimentiren sich im Jahre 1761
die Quelle jener Einkünfte auf einige wenige Förderpunkte
beschränkte und daß am Ende nur die Vieille Montagne, welche
wegen der Ergiebigkeit und Reichhaltigkeit ihrer Erze, am
meisten geschätzt, fast ausschließlich in Thätigkeit blieb.
; Die Form von Selbst-Verwaltung ist auf dieselben Motive
begründet, welche im siebenzehnten Jahrhundert dazu’ geführt
21
hatten. Ich finde in einem Bericht an die Rechnungskammer
vom 4. Oktober 1730 folgende Darlegung :
Die Kupferschläger von Stolberg weigern sich, für die
100 Pfund im Magazin befindlichen Galmei mehr als 48 Sols
zu geben, unter dem Vorwand, daß dieser von den Pächtern
gefördert sei. Sie schlagen vor, über die Lieferung neuer Quan-
titäten von erst zu gewinnendem Erz zu contrahiren.
Hierauf erwiedert der Commissär der Regierung, daß Se.
Majestät es unzweckmäßig gefunden, seinen Galmeiberg noch
ferner in Pacht zu geben und daß er denselben künftig durch
seine eigenen Beamten verwalten lassen wolle, um die Schwie-
rigkeiten, welche die Kupferschläger mit den Pächtern gehabt
hätten, für die Zukunft zu verhüten.
Ich wiederhole es : Ein Besitz, der zu allen Zeiten dasselbe
Princip zur Grundlage hatte und dessen Titel nie durch eine
Urkunde irgend einer Art verändert (interverti) worden ist,
kann niemals ein Domanial- oder Privat-Eigenthumsrecht
erzeugen.
Es haben auch deswegen unsere Gegner, um dem ent-
scheidenden Einfluß jener früheren Thatsachen zu entgehen,
es absichtlich vermieden, bis über die österreichische Periode
hinaus zurückzugehen, und die bereits oben erwähnte Be-
hauptung aufgestellt, daß Österreich auf seine Kosten die Grube
und deren Betrieb eröffnet habe.
Es ist erwiesen, daß dieses Factum durchaus falsch ist :
gesetzt aber auch, es wäre richtig, so mögen sie selbst beur-
theilen, welche Folgerungen man, wo es sich um das Eigen-
thum einer Concession von neun Stunden Umfang handelt,
daraus ziehen könnte, gegenüber der hierunter angeführten
officiellen Urkunde. Ich meine nämlich den im August 1788
unter der Österreichischen Regierung von dem Auditeur
Wunsch der Rechnungskammer vorgelegten Bericht in Folge
einer am 6. Juli desselben Jahres gemachten Inspectionsreise
in der Provinz Limburg, wobei er insbesondere beauftragt
worden war, den Galmeiberg, genannt Vieille Montagne, zu
besuchen.
22
Ich hebe’ aus diesem ‚Berichte folgende Stellen hervor.
”Dieser Berg ist links an der Chaussee gelegen, welche
von Henri-Chapelle nach Deutschland führt, 5/4 Meilen von
der Stadt Aachen ; er kann zwei bis drei ”bonniers” Ober-
fläche haben”.
”Er ist nicht: ausgesteint, sollte es aber sein. Man kann
das Gebiet der Domaine von dem der umliegenden Genossen-
schaften und Privateigenthümer nicht wohl unterscheiden”.
”Jedes Jahr fallen Eingriffe vor; seit kurzem hat man
einen an das Bergwerk stoßenden Theil des Gebiets wieder
eingezogen, cultivirt und mit Gräben umzogen u.s.w.”” 8
In diesen wenigen Worten scheint mir die vollständige
Entgegnung zu liegen. Frankreich ist in den Jahren 1794 und
1798 kraft der Eroberung und der Verträge an Österreichs
Stelle in die Souveränität über Limburg eingetreten. Da es
von jener Macht eine Privat-Domaine weder überkommen
hat, noch überkommen konnte, so hat es auch nicht mit einem
derartigen Recht über das Bergwerk bekleidet werden können,
und konnte ein solches eben so wenig auf Preußen und die
Niederlande, zwischen welchen Staaten im Jahre 1815 das
Gebiet getheilt worden ist, übertragen.
Wenn wir nun schon hiermit durch authentische Nach-
weise festgestellt haben, daß die Landesherren des Herzog-
thums Limburg die Galmei-Gruben des Altenbergs unter dem-
selben Besitztitel wie alle übrigen Bergwerke, d.h. kraft ihres
Hoheitsrechtes (droit regalien) und als einen Theil der Staats-
Domaine verpachtet oder selbst betrieben haben, so werden
sie sogleich sehen, daß selbst in der leeren Voraussetzung
eines Titels als Privat-Besitz, das Eigenthum der Concession
im gegenwärtigen Augenblicke nicht minder unserer Gesell-
schaft angehören würde.
(Fortsetzung folgt)
ONEOROEOROOOEOE OO
Anmerkungen :
1. Jurisprudence generale des mines en Allemagne par Blavier
L., lire page 2 et suiv.
23
2. Siehe das Inventar der Archive der Rechnungskammer,
Kap. 5, Sekt. 2.
3. Philipp der Gute, Herzog von Burgund, Brabant und Limburg.
4. Früher bediente man sich häufig dieses Ausdrucks, um ei-
nen Gemeinde-Verband damit zu bezeichnen.
5. Der Franc galt 4 Mark 14 Sols in Aachener Währung.
Der rheinische Gulden (florin) 6 Mark.
Der holländische Gulden 3 Mark 6 Sols.
Der französische Thaler (een) 5 Mark 6 Sols,
Der petit mouton 3 Mark 2 Sols.
Die Mark = 12 Sols. Der Sol = 12 Deniers.
6. Es ist in der Rechnung von 1443-1444 mit dem Namen
”Toeljart” bezeichnet. (Daher wohl ”Tülje”). Eine Anmer-
kung des Übersetzers.
7. Extract aus den Rechnungen von Ao 1455.
8. Mandement sur la conservation des montagnes de la cala-
mine de notre gracieux seigneur du pays de Limbourg.
9. Siehe Nr. 2479 des gedruckten Inventars der Rechnungs-
kammern, fol. 53 u. 54 des Konto’s von ARNOLD SCHUYL.
10. Vorschriften der Verordnungen des Raths vom 22. März 1649.
1. Anstellung der Anzahl Arbeiter, welche der General-
Einnehmer und der Controlleur für nöthig finden.
2. Brennen des Galmei’s, Zurichten, Ausschichten und Ab-
wiegen durch einen vereideten Waagemeister.,
3. Lieferung des Minerals an die Kupferschläger von Aachen,
Stolberg und Cornelimünster laut den mit denselben
abgeschlossenen Contracten,
4. Keine neuen Anlagen zu machen, ohne die ausdrückli-
che Erlaubniß des Finanzrathes.
5. Ein Lager von 600.000 Pfund guten und verkäuflichen
Galmei’s für den Handel. vorräthig zu halten.
6. Zurückstellung der geringeren Sorten des gewonnenen
Galmei’s damit die Händler nicht zu Klagen veranlaßt
werden.
7. Holen und Zubereiten der nötigen Kohlen in dem Walde
von Hertogenwald, wie es gebräuchlich ist.
24
Aus der Pfarrgeschichte Hergenraths
(2. Fortsetzung)
von Alfred Bertha
Unsere 1. Fortsetzung zur Pfarrgeschichte Hergenraths
endete mit dem Tode des Pfarrers Johannes van Weerts, wel-
cher am 25. April 1782 in Aachen den schweren Kopfver-
letzungen erlag, die ihm 8 Tage zuvor ein geistesgestörtes
Hergenrather Mädchen zugefügt hatte.
Nachtragend zur Kollation des Pfarramtes an Johannes
van Weerts möchten wier hier die einzige uns bekannte Klau- "
sel aus dem am 22. Juni 1765 zwischen der Gemeinde und
dem neuen Pfarrer abgeschlossenen Anstellungsvertrage ein-
fügen. In Art. 8 des genannten Vertrages heißt es : ”In Anbe-
tracht der Tatsache, daß es für die Jugend nichts Schädlicheres
gibt, als keine Schule zu besitzen, und in Anbetracht der
Tatsache, daß die Gemeinde über keinen Versammlungsraum
verfügt, wo die Gemeindeprobleme besprochen werden könn-
ten, behalten sich die Kollatoren (d.h. die Einwohner) die
Scheune, den Pferdestall sowie die Nebengebäude, die sie
dem verstorbenen Pfarrer (d.h. Pfarrer Smitz) provisorisch
überlassen hatten, für den Fall vor, daß sie es für gut erachten
sollten, daraus eine Schule zu bauen. Des weiteren behalten
sie sich den kleinen hinter Scheune und Pferdestall gele-
genen Garten vor, für den Fall, daß ein Schullehrer dort
wohnen und den Garten benutzen sollte (1)”.
Es ist dies leider der einzige uns bekannte Punkt dieses
Anstellungsvertrages. Solch ein Vertrag legte im einzelnen
die Rechte und Pflichten der vertragschließenden Parteien
fest ; so z.B., wie hoch das Einkommen des Pfarrers sein solle,
welche Messen er zu lesen habe, wieviel er bei Taufen, Trau-
ungen und Beerdigungen rechnen dürfe u.s.W.
Wir haben schon früher auf die armseligen Wohnverhält-
nisse des Hergenrather Pfarrers hingewiesen. Das erste Her-
genrather Pfarrhaus, in den Jahren 1628-29 erbaut, war so
sehr in Unstand geraten, daß die Gemeinde ernsthaft erwog,
einen Neubau zu errichten. Am 23. Mai 1776 erklärten der
25
Raerener Schreinermeister Joseph Schouff und der ebenfalls aus
Raeren kommende Steinmetz Johannes Schoumaker vor dem
Walhorner Notar Henricus Lamberts, sie hätten sich auf Ersu-
chen des ehrwürdigen Herrn Pastors Weerts von Hergenrath
dorthin begeben, um das dortige Pfarrhaus wegen seines
schlechten Zustandes ”te besien, t’examineren ende te visiteren”.
Das Ergebnis ihrer baulichen Prüfung führte zur Fest-
stellung, daß der Bau auf dreierlei Weise sehr gefährlich
war : ”wegens t’vyr int stroe-daeck-werck, inbreken van die- |
ven sonder moyte, groote Levensgevaer wegens den ruineusen
bouw so in Steenmetzerey als timmerey”. Es herrschte also
Brand-, Diebes- und Einsturzgefahr. Die Handwerkermeister
fanden, das Haus sei irreparabel, unbewohnbar und unpassend.
Es könne, um es kurz zu sagen, so nicht weiter bestehen.
Außerdem erklärten beide, daß das Pfarrhaus, wenn man den
Hin- und Rückweg rechne, eine halbe Stunde von der Kirche
entfernt liege (”met gaen en keren bij een half ure”).
Ein Neubau war also offensichtlich schon 1776 notwendig.
Man ließ denn auch die dazu benötigten Pläne anfertigen,
die im Aachener Domarchiv erhalten sind (2). Der von J.J.
Schouff, (verm. der genannte Raerener Schreinermeister), ent-
worfene Plan sah einen zweistöckigen Bau im Couven-Stil vor
mit jeweils 4 Räumen im Erd- und im Obergeschoß. Die Räume
im Erdgeschoß tragen die Bezeichnungen ”Küche”, ”Winter-
zimmer”, ”Sommerzimmer” und ”Zimmer für die Haushäl- |
terin”. Sie sind symmetrisch beiderseits des Hausflures ange-
ordnet. Daraus ergibt sich dann auch die fünfachsige Auf-
teilung der Hausfront, deren Eckabschlüsse aus Blausteinqua-
dern sein sollten. Die Kamine stehen in den Giebelspitzen.
Die Dachfläche wird durch drei Gaupen aufgelockert (S. Abb. |
S. 26).
Aus dem Zehntrecht zu Hergenrath erwuchs dem Aache-
ner Marienstift die Verpflichtung, bei Bau- und Reparatur-
kosten von Kirche und Pfarrhaus in diesem Ort finanziell
einzugreifen. Ob solche Kosten ganz oder nur teilweise vom
Marienstift getragen werden mußten, ist uns nicht bekannt.
Das Aachener Kapitel scheint willens gewesen zu sein, das
geplante Pfarrhaus in Hergenrath bauen zu lassen. Der Eupe-
ner Dechant Klausener schreibt in einem Visitationsbericht |
aus dem Jahre 1827, das Kapitel sei bereit gewesen, ”die
|
|
|
26
Kirche sowohl als das Pfarrhaus neu aufzubauen” (3). Und
auch der Hergenrather Bürgermeister Louis Chabert bemerkt
Va:
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Die Vorderansicht des geplanten Pfarrhausneubaus
1799, das Kapitel habe den Bau beschlossen gehabt, doch
hätten die Revolutionswirren seine Verwirklichung aufgescho-
ben (4). Die Hergenrather Pfarrer haben also weiterhin in dem
alten und baufälligen Pfarrhause wohnen müssen, das erst
hundert Jahre später umgebaut und erweitert wurde.
Auch die Kirche war gegen Ende des 18 Jh. in einem
baulich sehr schlechten Zustand. Der auf Bildchen residie-
27
rende Notar Nicolas Bounie schrieb 1781 als Nachtrag unter
die Begleitnotiz der Zehntabrechnungen von Hergenrath an
den Dekan des Kapitels des Aachener Marienstiftes :
”Ich bitte Sie, deren (d.h. der Mitglieder des Kapitels) Auf-
merksamkeit darauf zu lenken; daß die Gemeinde Hergenrath
eine neue Kirche beansprucht oder doch wenigstens die Ver-
größerung der jetzigen. Diese ist nicht nur in einem schlechten
Zustand, sondern sie ist auch wenigstens um ein Drittel zu
klein, doch wenn das Kapitel sich dazu geneigt zeigte, wäre
es möglich, die Instandsetzung und die Vergrößerung mit ge-
ringem Kostenaufwand durchzuführen” (4a).
Ob infolge dessen bauliche Veränderungen vorgenommen
worden sind, ist nicht bekannt, doch ist dies wenig wahr-
scheinlich, da ja auch die Errichtung eines neuen Pfarrhauses
vorerst in der Schwebe blieb. Zwanzig Jahre später durch-
geführte Arbeiten sprechen ebenfalls dagegen.
Unter Pfarrer van Weerts hatte Hergenrath als Kaplan
Johannes Hennen, Sohn des Heinrich Hennen, Bürgermeister
und Einnehmer des ”Quartiers” Hergenrath, und der Elisabeth
Kutgen. Die Familie Hennen wohnte .auf dem Hofe ”Vauer”.
Durch Notariatsakt vom 21. 3.1778 vor Notar Nicolas Bounie
auf Bildchen schenkten die Eltern ihrem Sohne Johannes,
der Theologie-Student sei und die Priesterweihe erstrebe, ein
1763 in Eynatten erworbenes Haus mit Garten und Hausweide.
Johannes Hennen wurde in Lüttich geweiht am 6. 9. 1781.
Als Kaplan in Hergenrath ist er belegt durch einen Notariats-
akt vom 6.10.1781 (5). Vermutlich war also sein Geburtsort
auch seine erste Seelsorgestelle. Nach dem Tode des Pfarrers
übernimmt der Kaplan die Pfarrstelle. Seine erste Eintragung
als ”Pastor” stammt vom 1. Juni 1782. Auch dieser Pfarrer
sollte eines gewaltsamen Todes sterben. Über die Umstände
dieses Todes berichtet der Chronist, der Walhorner Pfarrer
Vanderheyden, wie folgt: ”Im Jahre des Herrn 1791 den 31.
October gegen halb acht Uhr, Abends wurde auf eine schreckli-
che Art, getötet der Ehrwürdige und fromme Herr Johannes
Hennen Pfarrer von Hergenrath : Ich sage auf eine schreckli-
che, ja schrecklichste Art: denn in Ausübung seines gewöhn-
lichen und ihm eigentümlichen Berufs und Liebesdiensten/ :
28
im Besuch nämlich einer kranken Frau. welcher Er. auch, auf
Ersuchen des Ehrwürdigen Pfarrers von Moresnet, die heilige
Sterbe-Sacramenten gespendet hatte :/ wurde Er indem Hause
von Johannes Hermens am Bildchen ganz unschuldig und
ohne gegebenen Anlaß von einem mit einem Husaren. Kleide
bekleideten Menschen Gottesschünderischer Weise so: durch-
stochen, daß Er todt zur Erde niederstürtzte : Dessen. Leib,
nachdem er gerichtlich untersucht war, nach Hergenrath zu-
rückgetragen Christlicher Weise unter Trauer der ganzen
Pfarre am 2. November auf dem Kirchhofe begraben wurde.
Dieses bezeugt W.J. Vanderheyden Pfarrer in Walhorn
der anstatt des Ehrwürdigen Herrn Land-Dechanten, die Be- '
gräbniss Feierlichkeiten gehalten hat. R.i.p.” (6). Bürgermei-
ster Lasaulx schreibt in der Gemeindechronik, Pfarrer Hennen
sei von einem Österreichischen Offizier ermordet worden.
Ve
Als die Revolutionswirren über unser. Land hereinbrachen,
wirkte als Pfarrer in’ Hergenrath der aus Montzen (6a) stam-
mende Johann Joseph Schillings, Sohn des Nicolas Schillings,
Drossards der Bank Montzen, und der Maria-Anna Xnument.
Studiert hatte Schillings bei den Jesuiten in Lüttich, wo er
am 14.3.1767 im Alter von 27 Jahren zum Priester geweiht
worden war. In einem Aktenvermerk heißt es zu seiner Per-
son, er habe. den Haßeid auf das Königtum nicht geleistet
und habe eine Schwäche für Alkohol. Ansonsten sei er sanft-
mütig und hilfsbereit, aber ohne besondere Fähigkeiten (7).
Johann Joseph. Schillings wurde Pfarrer von Hergenrath
im Jahre 1791, nach dem Tode von Pfarrer J. Hennen. Da er
sich weigerte, den vorgeschriebenen Eid auf die Republik zu
leisten, mußte er, um sich der Gefangennahme zu entziehen,
von 1797 bis 1799 im Verborgenen wirken. Wie es in jenen
Jahren in unseren Pfarren aussah, schildert sehr anschaulich
der Walhorner Dorfchronist Caspar Scheen. Er schreibt :
”Nach einer öfteren berathschlagung und überlegung so meh-
rentheils von den phar-geistlichen von unser Bancke hier zu
Walhorn geschehen ist, waren alle entschlossen, eine völlige
weigerung an den auferlegten Eyd zu thun, ausgenommen
die pfarrherren von Raren” (8).
29
Am 6. Juni 1797, auf Pfingstmontag hatte Walhorn die
letzte vom Walhorner Pfarrer gelesene Messe. Danach kamen
die Franziskaner aus Aachen, bis am 24. 9. 1797 durch Gesetz
verboten wurde, in den vereinigten Departements Messe zu
lesen, es sei denn, der Geistliche habe vorher den Haßeid
abgelegt.
”Also haben wir von dieser Zeit an weder mess noch
vesperen gehabt, sondern haben uns müssen bedienen mit den
heiligen Rosenkrantz, welcher um die selbige zeit gebetten
wurde an Sonn- und feyertagen da sonsten die messen pfleg-
ten zu geschehen... man hielte es nicht für anständig in
andere pfahren messen hören zu gehen, da geeydete priesters
waren, und wenn man gerne gebeicht oder communiciert
hätte, so must man auf Aachen gehen.
In unserer umliegenden Gegend hatten nur den Eyd ge-
leistet die von Eupen, von membak, von Balen, von Wel-
kenraeth, von hendry-Capel und von Raren” (9).
Soweit Caspar Scheen. Ohne zu zögern, können wir das
Gesagte auf Hergenrath übertragen. Der kirchliche Besitz war
beschlagnahmt worden und am 22. Thermidor des Jahres 9
(1. Aug. 1801) sollten die zum Pfarrhaus gehörenden Güter
wie Scheune, Pferdestall und Garten öffentlich verkauft wer-
den. Sie standen auf der 137. Verkaufsliste, Nr. 5 (10). Ob es
zu einem Verkauf gekommen ist, darf bezweifelt werden, da
Napoleon bestrebt war, den religiösen Frieden wiederherzu-
stellen und am 15. Juli 1801 die Verhandlungen mit Pius IX.
zum Konkordat führten.
Pfarrer Schillings war es mit Hilfe ’seiner Pfarrkinder
gelungen, sich versteckt zu halten und so einer Gefangennahme
und Deportation zu entgehen. 1803 verließ er Hergenrath und
wurde in Kelmis ansässig. Seiner alten Pfarre aber blieb er
weiterhin sehr verbunden. An Sonn- und Feiertagen feierte
er hier die Messe und wirkte auch bei Hochämtern und
Vespern mit. Bürgermeister Chabert bezeichnet ihn als ”einen
würdigen Diener des Altares”. Johann Joseph Schillings starb
in‘ seinem Heimatort Montzen am 19.3.1813 im Alter von
74 Jahren.
30
Zu seinem Nachfolger in Hergenrath wurde am 27. Okto-
ber 1803 Feter Jakob Knops ernannt. Er stammte aus Baelen/
Nereth, wo er am 11. November 1745 als Sohn von Johann
Knops und Elisabeth Doum geboren war. Die Eltern waren
Bauersleute. Peter Jakob Knops hatte sein Theologiestudium
in Löwen absolviert, wo er 1769 geweiht wurde. Von 1794
bis 1799 war er Pfarrverweser von Lontzen. Wegen Eidver-
weigerung wurde er zur Verbannung verurteilt (11). Pfarrer
Knops starb in Hergenrath am 4. Januar 1812, im Alter von
66 Jahren.
Über das Wirken von Peter Jakob Knops in unserer Pfarre
ist wenig bekannt, wenn man davon absieht, daß 1804 größere "
Reparaturen an der Kirche ausgeführt wurden. Die Mittel dazu
wurden durch eine Hauskollekte aufgebracht. Bürgermeister
Chabert schreibt dazu : ”Alle Einwohner haben nach Möglich-
keit bereitwilligst beigesteuert und so haben wir den baulichen
Zustand unserer Kirche um vieles verbessern können. Der
Dachstuhl und das Dach sind ausgebessert worden, die Fen-
ster zum Teil neu verbleit, der Turm repariert, lange Eisen
sind zur Verankerung in die Turmmauern eingelassen worden,
so daß der Turm gestützt und befestigt wurde. All diese
Arbeiten sind mit großer Begeisterung ausgeführt worden zur
Ehre der Altäre und unserer katholischen Religion, aus
Respekt vor unserer hl. Mutter, der Kirche”. Besonders her-
vorgehoben wird in Chaberts Bericht der Opfersinn des frühe-
ren Hergenrather Pfarrers, J.J. Schillings, der auf einen Teil
seines Monatsgehaltes für Aug. 1804 zugunsten der Hergen-
rather Kirche verzichtete (12).
In die Amtszeit von Pfarrer Knops fiel die durch Kaiser-
liches Dekret vom 11. Prairial Jahr 12 (1. April 1804) angeord-
nete Neugruppierung der Pfarrbezirke. Von dieser Neugruppie-
rung blieb Hergenrath unberührt, da sich Bürgermeister und
Gemeinderatsmitglieder in einem an den Unterpräfekten ge-
richteten Schreiben vom 3. November 1804 sehr energisch
gegen jede Zusammenlegung Hergenraths mit einer anderen
Pfarre wehrten, genau so eindringlich aber auch darlegten,
daß es nicht angebracht sei, eine der umliegenden Ortschaften
(Hauset Astenet, Lontzen, Moresnet, Montzen, Gemmenich (!)
der Pfarre Hergenrath zuzuschlagen. Haupthindernis ist immer
31
wieder die Göhl, von der es heißt, daß sie von Zeit zu Zeit
derart anschwelle, daß es unmöglich sei, sie zu durchqueren.
Sollen die Hergenrather nach Eynatten zur Kirche müssen ?
Die Entfernung, die Göhl, aber auch Wald und Einöde stün-
den diesem Vorschlag im Weg. Für Walhorn und Lontzen
gelte dasselbe, so daß die Hergenrather entweder oft auf
die Messe verzichten müßten, oder aber sich unweigerlich
der Gefahr aussetzten,,in den Wassermassen der Göhl zu er-
trinken, ”die wie ein Wildbach dahinschießt und die Wiesen
überflutet”. Montzen, Moresnet und Gemmenich sind zu weit
entfernt und durch Wasser und Berge nur schwer zu er- |
reichen. So kommen die Gemeindeväter zu dem Schluß, daß,
obwohl die Hergenrather Gehöfte weit verstreut liegen, die |
hiesige Pfarrkirche doch für alle die nächstgelegene ist und
die Pfarre also ihre Selbständigkeit wahren muß. |
Was für Hergenrath galt, konnte man unverändert auf |
die Dörfer der Umgegend übertragen. Keines durfte Hergen-
rath angeschlossen werden. Einen Sonderfall stellen nach dem
Bericht des Gemeinderates die zu Moresnet gehörenden, von
Kelmis bis Bildchen rechts der Lütticher Straße in Richtung
"Aachen liegenden Häuser, ‚von denen es heißt, daß ihre Be-
wohner der Bequemlichkeit halber nach Hergenrath in die |
Kirche kämen ; dennoch besteht Hergenrath nicht auf deren |
Eingliederung in die Pfarre Hergenrath. Der bestehende Zu- |
stand solle nicht angetastet werden, da alle Kirchen der um- |
liegenden Pfarren in ihrer Größe der Bevölkerungszahl ent-
sprächen und eine Änderung also Raumschwierigkeiten her-
vorrufe. Auch sei zu bemerken, daß bei Anschluß Hergenraths
an eine andere Pfarre die meisten Hergenrather es gewiß |
vorziehen würden, nach Aachen in die Messe zu gehen.
Unterzeichnet ist der Brief durch Louis Chabert, den
Bürgermeister, die Gemeinderatsmitglieder Jean Kittel, L.
Barth, W. Monschamp, J.W. Timmermann und Mattheis
‚ Maeger, sowie den Gemeindesekretär N. Monschamp (13).
Eine neue Glocke bekam unsere Pfarrkirche i.J. 1809,
genauer gesagt: eine vorhandene Glocke wurde umgegossen.
Der Glockenguß fand statt am 15. Juni 1809 auf einer Wiese
in Walhorn links des Weges nach Walhorner Kreuz. Es wurden
32
dort gleichzeitig 5 Glocken neugegossen, und zwar die kleinste
der‘ drei. Walhoner Glocken sowie die von’ Hergenrath, Baelen,
Häuset und Stockem.
Letzter Pfarrer von Hergenrath, dessen. Wirken ganz.in die
Franzosenzeit fiel, war der aus Eynatten stammende Arnold
Schmetz. Der am 30. 8. 1746 als Sohn der Eheleute Christian
Schmetz. und Gertrud Kerstgen geborene Priester wirkte bis
1784 als Vikar in Kettenis, anschließend in Raeren, bis er am
23.1.1812 zum. Pfarrer. von Hergenrath ernannt wurde, Der
schon mehrfach erwähnte Caspar Scheen hat in seiner Wal-
horner .Dorfchronik die Umstände des Todes von Pfarrer
Schmetz eingehend geschildert. Er schreibt : "
”Am 24. August 1813 gienge der wohlehrwürdige herr
arnold Schmetz pastor zu hergenrath von da nach Baelen
beim herrn pastor auf Visitt. nach gehaltenem besuch gienge
er abens um sieben uhr von der pastorad zu Balen weg, in
meinung nach hause zu. gehen. Vermuthlich aber hatte er
sich zwischen Baelen und gemeeret verirret, den er erst um
zehn uhr zu gemeeret kommen ist, wo er zur selben stunde
bey hendrig Evens anklopfte und von ihm begehrte das er
solte mit ihm gehen bis Lonzen. Evens war gleich willens mit
ihm zu gehen allein des accords halben konten sie nicht einig
werden. den da der herr pastor ihm fragte, wie viel Lohn er
fragte, gabe jener. zur antwort herr pastor es dünkt mir ein
viertel kron sey nicht zu viel um bey so später und finsterer
nacht so weit zu gehen, worauf der herr pastor erwiderte ich
gebe dir einen Coborger und mehr nicht, lieber gehe ich auf
kettenis. da.Evens dieses nicht wolte eingehen, gienge er aus
dem hauß der straß hinauf recht auf kettenis zu, wo er aber
leider nie arriviert ist.
Am. folgenden. morgen als(o) am 25. august sahe mann
einen ‚ertrunkenen priester in windgens-pfuhl liegen, Stock
und hut schwimmten auf dem Waßer und als man ihm auf
befehl der obrigkeit aus dem Waßer zohe erkante man das es
der herr pastor von. hergenrath ware (14).
Am 27. dieses. wurde er begraben auf dem kirchhof zu
Baelen. gott gebe ihm die ewige Ruhe. amen”.
34
Nach dem Tode von Pfr. Yserentant übernimmt für einige
Wochen der Lontzener Pfarrer J. Corsten zusätzlich die Seel-
sorge in Hergenrath. Der Ernennung eines neuen Pfarrers
steht vor allem der schlechte bauliche Zustand des Pfarr-
hauses im Wege. Der Bürgermeister gibt zu, daß das Haus
”alt und schlecht” sei, doch sei es sehr wohl noch bewohnbar,
davon könne man sich überzeugen kommen, sagt er. Überdies
sei im ganzen Ort kein einziges Haus, das als Pfarrhaus ge-
mietet werden könnte, abgesehen vom Herrenhaus des Gutes
Bertolf, welches jedoch schon längere Zeit unbewohnt und
”zu anderen ökonomischen Zwecken” genutzt worden sei. Es
liege übrigens zu weit von der Kirche, um als Pfarrhaus die- ,
nen zu können, meint von Lasaulx.
Am 1.4.1826 wurde Thomas Claes zum Hilfspfarrer von
Hergenrath ernannt. Claes war geboren in Reuland am 23.8.
1798. Zum Priester geweiht wurde er am 10.5.1821, kam als
Kaplan nach Eynatten (1823), wurde dann Vikar in Gemünd
(1825). Claes trat sein Amt in Hergenrath am 19. April 1826 an.
Im August des folgenden Jahres wurde er ”von einer Blut-
speyung überfallen”, wie der Eupener Dechant nach Köln
meldet, und so gab man ihm einen Vikar zur Hilfe, Es war
Herr Chorus aus Aachen. Seit mehreren Jahrzehnten hatte
Hergenrath keinen Kaplan mehr gehabt. 1826 hatte die Ge-
meinde, das Vikariehaus erbauen lassen. 1828 wurde daran
ein Stall angebaut, dessen Baukosten Kaplan Chorus zu mehr
als 50% aus eigenen Mitteln bestritt. (S. Abb. S. 33).
(Fortsetzung folgt)
EOOOOOEOR EEE ERKENNEN
Quellen und Anmerkungen :
1. Staatsarchiv Lüttich, Fonds Francais, Prefecture 1976.
2. Domarchiv Aachen, Höfe und Ländereien, X, A. 52. 8. Dort-
selbst auch der Bericht der beiden Raerener Handwerker.
3. Diözesanarchiv Aachen, Visitationsprotokolle, Dekanat Eupen,
4. SAL, Fonds Francais, Prefecture 1976.
4a. Domarchiv Aachen, Höfe und Ländereien, X. A.52.9: ”-je
vous prie de les prevenir que la communaute de Hergenraed
pretend une nouvelle 6glise ou tout au moins l’aggrandisse-
ment convenable de celle qui actuellement - outre le mau-
35
vais 6tat dans lequel elle se trouve- est trop petite d’un
tiers au moins, mais il est possible d’y faire les reparations
et aggrandissement ä petits frais, si le chapitre s’y prettait
aimablement.”
5. SAL, Notariatsakten, Notar Nic. Bounie.
6. Original im Pfarrarchiv Hergenrath.
6a. Die Sterbeurkunde sagt, er sei in der Gemeinde Henri-
Chapelle geboren. Nicht zu verwechseln ist Joh. Jos. Schil-
lings mit dem aus Homburg stammenden Geistlichen Jakob-
Joseph Schillings, geb. 1765.
7. Charles de Clercq : Pretres assermentes et insermentes dans
les cantons d’Eupen, de Walhorn et d’Aubel in ”Zeitschrift
des Eupener Geschichtsvereins” Nr. 2-3, 1953, S. 28.
8. Schöne und Lesungs würdige historie Von der frantzösischen
Revolution Welche angefangen hat ungefehr um das jahr
anno 1790 von Johan Caspar Scheen, Abschrift von Dr. Her- |
manns, Stadtarchiv Aachen, Handschr. 935.
9. ebd.
10. S. dazu A. Minke: Notizen zur Geschichte der Kirchenfa-
briken in Geschichtliches Eupen, Bd. 9, Jg. 1975, S. 101-
119, spez. 105-107.
11. In einem Bericht zu seiner Person (1801) heißt es, er sei
ohne Talente, aber ein notorischer Eidverweigerer.
12. SAL, Fonds Francais, Korrespondenzregister Hergenrath.
13. ebd. |
14. Jos. Kriescher schrieb in der Eupener Zeitung vom 17.7.
1933, man habe Pfarrer Schmetz seit August 1813 vermißt
und ihn erst im September bei Gemehret im Wasser aufge-
funden. Der Tod des Pfarrers wurde jedoch am 25. Aug. vom
Baelener Standesbeamten beuurkundet.
15. Diözesanarchiv Aachen, GvO Hergenrath.
36
Drei Weiden
von Leonie Wichert-Schmetz
Es waren einmal drei Weiden
Bei einem alten Haus,
Mit Blättern fein und seiden,
Sie wuchsen zu hoch hinaus.
Sie tanzten mit ihren Zweigen, R
Zu enge und zu dicht,
Den allerliebsten Reigen
Ums liebe Sonnenlicht.
Darunter drei Kinder bleichen,
Im Schatten feucht und kühl.
Da mußten die Weiden weichen,
Und ihre Krone fiel.
Wenn jetzt auch die Blumen blühen,
Wo nicht ein Gräschen stand,
Den Kindern die Wangen glühen
Beim heitern Spiel im Sand.
So trauern wir doch um die Weiden,
Wenn sich die verkahlten mühen,
Von neuem in Licht zu kleiden
Ein karges Zweiglein mit Grün.
37
Vor 55 Jahren:
die Umschichtung des Eigentums der Bauernhöfe
und die deutsche Geldentwertung
in unserer Gegend
von Leo Homburg
Bis 1914 waren die umlaufenden deutschen Banknoten,
wie die der meisten europäischen Staaten, durch Gold gedeckt.
Es war damals vielfach üblich, daß vertraglich festgelegte
Forderungen in Gold bezahlt werden mußten. Es hat auch
der eine oder andere sein sauer verdientes Geld in Gold-
stücken aufbewahrt. Doch waren dies eher Ausnahmen, da die |
meisten ihre Ersparnisse zinsbringend anlegten.
Als während des Krieges immer mehr Papiergeld in Um-
lauf kam und die Golddeckung immer mehr abnahm, ahnten
nur wenige die sich anbahnende deutsche Währungskatastro-
phe. Selbst als der Krieg verloren war, blieb der unerschütter-
liche Glaube an die deutsche Mark erhalten, dies auch für
die jenseits der Neutralstraße wohnenden Belgier. Ja, dieser
Glaube in die Mark war so fest, daß, als kurz nach Kriegs-
ende der Franken, dessen normaler Kurswert 80 Pfennig
betrug, über eine Mark notiert wurde, manche jenseits der
Straße wohnenden Belgier meinem auf deutscher Seite woh-
nenden Vater massenweise belgische Franken brachten, damit
er sie über die noch für sie bestehenden Grenze nach Aachen
bringe und dort gegen Marken umtausche. Wenn sie dann
für einen Franken 1 Mark und 15 Pfennige bekamen, meinten
sie, ein gutes Geschäft gemacht zu haben.
Anfang 1919 stand es schon mit ziemlicher Sicher-
heit fest, daß Eupen-Malmedy von Belgien annektiert werden
würde, und so begann hier ein in so kurzer Zeit noch nie
dagewesener Wechsel von Haus- und Grundeigentum. Bis
jetzt befanden sich hier von 10 Bauernhöfen 8 in Händen von
Nicht-Bauern. Meist waren es deutsche Industrielle, die auch
nicht hier ansässig waren. Ihnen drohte nun die Beschlagnah-
me ihrer Betriebe, und um dieser zu entgehen, begannen sie
fieberhaft zu verkaufen. Sie boten ihren Pächtern die Höfe
zum Kauf an, erst noch gegen Mark, dann aber, als von
38
1920 an die Mark täglich im Kurs fiel, gegen belgische Fran-
ken. Die Fächter kauften meistens zu 1000 Fr pro Morgen.
Wer nicht genug Geld auftreiben‘ konnte, versuchte einzelne
Parzellen oder Grundstücke wieder weiterzuverkaufen.
In meinem damaligen Wohnort Astenet wurden verkauft :
der Asteneter Hof, die Vaar, Reulenhaus, die beiden Preis-
mühle-Höfe, der Kirchbusch und der Brückbent. Nach dem
20. 9. 1920 wurden alle noch in deutschem Besitz befindlichen
Höfe und Güter beschlagnahmt, auch der Mützhof in Astenet.
Sie wurden unter Sequester gestellt und später verkauft. Eu-
pen-Malmedy war belgisch geworden.
Die hiesigen Besitzverhältnisse hatten sich grundlegend
verändert. Von 10 Höfen waren nun 7 in Bauernhänden.
Bedauerlich war, daß die größten und schönsten Güter bedeu-
tend verkleinert wurden ; ihre Parkanlagen und Herrenhäuser
verfielen. Als der Mützhof verkauft wurde, gingen allein rund
70 Morgen, die jenseits der Bahn lagen und über eine eigens
dazu gebaute Brücke erreicht wurden, dem Hofe verloren.
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Das Herrenhaus von Gut Mützhof (Hinter- bzw. Gartenansicht)
In Astenet wechselten in jenen Jahren über 1000 Morgen
den Besitzer. Die Verkäufer, die gegen Mark ihren Betrieb
veräußert und das Geld nicht wertbeständig angelegt hatten,
verloren alles bis zum ‘30. 11. 1923, da an jenem Tage die alte
39
Mark durch die Rentenmark ersetzt wurde : eine Rentenmark
= eine Billion Reichsmark.
Auch große Teile unserer Bevölkerung wurden von der
Markentwertung betroffen, da bis zur Einführung des Franken
alle Schulden in Mark zurückgezahlt werden durften. Von
dieser Gelegenheit wurde natürlich reichlich Gebrauch ge-
macht. Wer seine Mark auf die Sparkasse setzte oder sie in
bar behielt in der Hoffnung, sie gegen Franken umwechseln
zu können, wurde bitter enttäuscht, denn nur wenige hundert
Mark wurden gegen belgische Währung umgetauscht.
Ein Dokument aus dieser Zeit ist mein Sparbuch der
Kreissparkasse Eupen. Diesem Sparbuch hatte ich jede Mark,
die ich je besessen, anvertraut und es auf Ersparnisse in Höhe
von 1.410 Mark und 27 Pfennige gebracht, deren Wert jetzt
gleich null war. 1924 wurde neben dem Markkonto ein Stem-
pel mit der Aufschrift ”Zur Aufwertung angemeldet” einge-
drückt. Zehn Jahre später, am 24.8.1934, wurden daneben
zwei blaue Stempel gesetzt mit dem Aufdruck ”Durch Über- |
tragung von 24 Rentenmark ist ihr Markguthaben erledigt”
und ”Aufwertungsbetrag erhalten - RM 24 ist 192 Franken”.
1940 wurden daraus 19 Mark und 20 Pfennig. |
Die bis zur Angliederung an Belgien nicht zurückgezahl-
ten Markschulden wurden durch Gesetz geregelt. Ich besitze
dazu einen interessanten Briefwechsel :
Ein Dorfschuhmacher aus Lontzen lieh seinem Leder-
händler aus Eupen 1912 die Summe von 4.000 Goldmark
(5.000 Goldfrancs) zum Ankauf eines Hauses. 1930 hätte der
Schuhmacher gerne sein Geld zurückgehabt und schlug seinem
Schuldner vor, die 4.000 Mark mit 10.000 Franken abzugelten.
Der Schuldner aber erwiderte, laut Gesetz brauche er nur
2.400 Franken zurückzuzahlen. Er werde ihm die Markschul-
den (4.000) au Pari in Franken zurückzahlen. 4.000 Franken
für 4.000 Mark, Am 14. 10. 1930 schrieb der Schuhmacher zu-
rück, 1912 habe sein Schuldner ihm für 3.800 Mark 1.900 Kilo
Leder geliefert, jetzt aber für 4.000 Franken nur 80 Kilo. 1912 ||
habe er für 4.000 Mark 400 Paar Werkschuhe machen müssen, |
jetzt für 4.000 Franken nur 20 Paar. Am 19. 10. 1930 antwor- |
tete der Schuldner, es bleibe dabei: er werde nach Neujahr |
4.000 Franken schicken ! /
40
Winter im Venn
von M.-Th. Weinert
Verzaubert der dunkel grünende Tann,
im Wald lag der Schnee so weich-
hier oben aber hat Vennwind Gewalt,
zerrt’das Gesträuch zu bizarrer Gestalt,
und Büschelgräser aus Filigran E
glitzernd im Rauhreif, hocken wie Spinnen,
langbeinig, starr, die Übles sinnen-
während sich niedrige Krüppelföhren
gleich dunkelen Tieren im Schnee vergraben,
denn sie wollen den Wind nicht hören,
der in verwunschenen Birken klirrt-
nicht den krächzenden Raben,
der mühsam und schwer
über’s Schneefeld irrt,
als zög ihn-hinter dem Moore, fern-
kristallen glänzend der große Stern.
41
Statistische Daten aus Lontzen in preußischer Zeit
von Alfred Bertha
Nachdem im Pariser Frieden vom 30.5. 1814 Frankreich
auf alle nach dem 1. Januar 1792 eroberten Gebiete verzich-
tet hatte, stellte sich für die von November 1814 bis Juni 1815
in Wien versammelten Siegermächte u.a. die Frage der Zuge-
hörigkeit der befreiten linksrheinischen Gebiete. Die 20 Jahre
französischer Herrschaft stellten eine so einschneidende Zäsur
auf allen Gebieten dar, daß eine Rückkehr zu den Zuständen
des Ancien Regime unvorstellbar war. Die Franzosen hatten
Belgien in 9 Departements — den Vorläufern unserer jetzigen
Provinzen — unterteilt ; das Gebiet Eupen-Malmedy-St. Vith,
das vormals zu Limburg (Eupen), der Abtei Stavelot-Malmedy
und Luxemburg (St. Vith) gehörte, war 1795 im Ourthe-Depar-
tement mit Hauptstadt Lüttich vereinigt worden.
Der mit der Neuordnung der Landkarte Europas befaßte
Wiener Kongreß sprach dem König von Preußen, Friedrich
Wilhelm 1I1I., nicht, wie dieser forderte, das ganze ehemalige
Königreich Saxen, sondern nur !/3 desselben zu. Als Kompen-
sation erhielt Preußen jedoch einen Teil der linksrheinischen
Gebiete, u.a. die späteren Kreise Eupen-Malmedy. Während
einer kurzen Übergangszeit gehörten diese Gebiete zum Groß-
herzogtum Niederrhein unter der Verwaltung des General-
Gouverneurs Sack. 1816 kamen die drei Kreise Eupen-Mal-
medy und St. Vith (letzterer wurde 1821 aufgehoben und mit
Malmedy vereinigt) zum neugegründeten Regierungsbezirk
Aachen.
Die preußische Verwaltung ging sofort daran, sich einen
genauen Überblick über die materielle Lage in den neuge-
wonnenen Gebieten zu verschaffen und statistische Erhe-
bungen durchzuführen. Zwischen den Landräten und den
einzelnen Gemeindeverwaltungen setzte ein reger Schriftver-
kehr ein, und schon bald mußten die Bürgermeister allmonatlich
vor dem 27. dem Landrat über alle wissenswerten Vorkomm-
nisse aus ihrer Gemeinde berichten. Meistenteils benutzten sie
dazu amtliche Vordrucke. Diese monatlichen ”Zeitungsberich-
te” dienten ab 1825 den Gemeinden am Ende des Jahres zur
42
Erstellung ihrer Gemeindechronik, die jedoch meist weniger
ins Detail geht. So bilden die ”Zeitungsberichte” eine interes-
sante Quelle der Ortsgeschichte in preußischer Zeit.
Unter den Akten, die die Bürgermeisterei Lontzen 1964
im Lütticher Staatsarchiv deponierte, befinden sich auch sta-
tistische Tabellen und Zeitungsberichte aus dieser Gemein-
de (1). Die älteste statistische Tabelle stammt aus d.J. 1816.
Da die Gemeinde Lontzen gerade jetzt dabei ist, sich auf die
Feiern aus Anlaß des 900. Jahrestages der Ersterwähnung
vorzubereiten, denken wir, mit dieser Tabelle bei unseren
Lontzener Lesern auf einiges Interesse zu stoßen und einen
kleinen Beitrag zur Ortsgeschichte zu leisten. )
Statistische Tabelle der Bürgermeisterei von Lontzen für
das Jahr 1816
Der Vordruck der Tabelle sieht 434 einzelne in 6 Kapitel
unterteilte Fragen vor. Die ersten dieser Fragen beziehen sich
auf die Gebäude, wobei zwischen öffentlichen und privaten
Bauten unterschieden wird.
An ”Kirchen, Bethäusern, Kapellen und Synagogen” hat
Lontzen 2 Gebäude aufzuweisen. Für Staats- oder Kommunal-
zwecke bestimmt ist eines. Ställe, Scheunen und Schuppen
zählt man fünf. Fabrikgebäude, Mühlen und Privat-Magazine
finden wir zwei. Der Ort zählt 121 private Wohnhäuser, wovon
113 ganz massiv in den ”Ringwänden’” (Außenmauern) sind,
während acht z.T. massiv, z.T. Fachwerkbauten sind.
Gedeckt sind 4 Häuser mit ”Stein oder Ziegeln”, zwei
mit ”Schindeln, Brettern oder anderem Holzwerk”, 115 mit
Stroh oder Rohr. Ein Haus steht leer.
Im Kapitel Bevölkerung finden wir Angaben über die
Altersstruktur, die bürgerlichen Verhältnisse u.Ä. Die Bevöl-
kerungszahl belief sich 1816 auf 615, wovon 302 Männer und
313 Frauen. 98 Jungen und 118 Mädchen sind unter 7 Jahre.
35 Männer und 23 Frauen haben das 60. Lebensjahr über-
schritten. 166 Personen leben in ehelicher Verbindung, wäh-
rend 15 Witwer oder Witwen sind. Von den 615 Ew. bekennen
sich 614 zur römisch - katholischen Religion ; einer ist
evangelisch.
43
Das Dorf hat nur einen einzigen Großgrundbesitzer mit
mehr als 300 Morgen Land. 19 weitere Güter zwischen 15 und
300 Morgen und 22 Kleinstbetriebe mit weniger als 15 Mor-
gen sind Privateigentum.
Das Pachtwesen ist sehr verbreitet, finden wir doch 23
Pächter von Gütern zwischen 15 und 300 Morgen und 13
Pächter von Gütern unter 15 Morgen. Das heißt, daß 42 Pri-
vatgütern 36 Pachtbetriebe gegenüber stehen.
46 Männer und 70 Frauen werden als ”von gemeiner
Handarbeit lebend” d.h. als Tagelöhner eingestuft. 49 Knechte
und 67 Mägde sind in der Landwirtschaft beschäftigt.
Die katholische Bevölkerung wird von einem Pfarrer und
einem Vikar betreut. Sie verfügt auch über einen Versamm-
lungsort.
Wenn auch der überwiegende Teil der Bevölkerung zu
Beginn der preußischen Zeit noch in der Landwirtschaft ihr
Auskommen fand, so hatte Lontzen doch ein ziemlich reges
Handwerkerwesen aufzuweisen. Wir zählen :
”Fleischer, Schlächter, Metzger” : 3
”Schuhmacher, Pantoffelmacher und Schuhflickmeister” : 3
”Schuhmacherlehrlinge” : 2
”Zimmermeister” : 1
”Tischler, Stuhlmacher und Ebenisten” : 1
”Böttcher und Kleinbinder-Meister” : 1
”Rade- und Stellmacher-Meister” : 1
”Bäcker aller Art auch Nudelmacher-Meister” : 3
”Huf- und Waffenschmiede-Meister” : 1
”Zinngießer und Zinnknopfmacher” : 1
”Schneidermeister” : 1
”Schneidergehülfen und Lehrlinge” : 2
”Land-, Fracht- und Fuhrmann”: 1 (mit 2 Pferden).
In einer Wassermühle mit zwei Mahlgängen wurde das
damals noch in großem Umfang angebaute Getreide ge-
mahlen (2).
44
Eine Branntweinbrennerei produzierte 1816 2.500 Berli-
ner Quart Branntwein (3), während ”Reisende aller Art” in
dem Dorfkrug einkehren konnten. Schankstellen und Tabagien,
”sofern damit nicht Gastwirtschaft verbunden ist”, führt die
Statistik zwei an.
23 Pferde, 3 Füllen, 4 Bullen, 399 Kühe, 178 Stück Jung-
vieh, 160 Schafe, 2 Ziegen und 94 Schweine konnten 1816 ge-
zählt werden.
MAROKKO EEE
Quellen und Anmerkungen : I
1. StA Lüttich, Gemeindearchive, Lontzen Nr. 17-19.
2. In einem ”Zeitungsbericht” aus Walhorn aus dem Jahre 1835
heißt es, die hiesigen Landwirte machten immer mehr ihre
Acker zu Wiesen,
3. 1 Berliner Quart = 1,145 Liter. 2.500 BQ ergeben also
2.862,50 Liter.
45
Ein «Esperanto-Staat»
ehemals in Neutral-Moresnet ?
von Wilhelm Dithmar
Ältere Aachener Bürger erinnern sich sicher noch, daß es
einmal vor den Toren Aachens ein ”neutrales Gebiet” gegeben
hat : Neutral-Moresnet, dessen äußerste Spitze am damaligen
”Vierländerblick” bei Vaals lag, wo einmal Deutschland, Hol-
land, Belgien und eben dieses ”neutrale Ländchen” zusammen-
stießen. Dieses neutrale Gebiet ist bei einer Grenzregelung
nach Beendigung des Krieges von 1914/18 wieder verschwun-
den. Der Raum fiel an Belgien.
Auf dem Wiener Kongreß wurde man sich, als die Rhein-
lande dem Königreich Preußen zugeschlagen wurden, über
jenen Landstrich, in dem Galmei- (Zink-) Gruben lagen, nicht
einig. Jeder wollte die ertragreichen Gruben für sich behalten.
Holland und Preußen stritten sich darüber. So wurde 1816
jenes Ländchen zu einem ”Neutralen Gebiet” erklärt. In die
Verwaltung und Betreuung teilten sich die Länder Preußen
und Holland (später Belgien) so, daß zwei königliche Kom-
missare mit gleichen Rechten amtierten. Der Bürgermeister
schwört dem belgischen und dem preußischen König Treue.
Es bildete sich hier also eine Art selbständige ”Republik”
heraus. Die Bewohner erlangten mancherlei Freiheiten und
Erleichterungen.
In dieser ”Republik’” Neutral-Moresnet lebte als unge-
krönter König der seit 1863 in dem benachbarten ”Preußisch-
Moresnet” (das ehemalige Gebiet links der Lütticher Straße
im Altenberger Raume liegend) wohnende Arzt Dr. Wilhelm
Molly. (Er wohnte auf der sogenannten Jansmühle, links der
nach Hergenrath führenden Straße.) 1881 wurde er stellver-
tretender Bürgermeister. Seine ärztliche Praxis erstreckte sich
von Altenberg bis weit in das angrenzende belgische Gebiet.
Vom belgischen Staat erhielt Molly nach Bekämpfung einer
größeren Seuche den hohen Orden ”Croix civique”. Er war
Träger hoher Auszeichnungen, die er von preußischer Seite
verliehen bekam : Kronen-Orden, Roter Adler Orden, Eisernes
46
Kreuz, China Medaille, Verdienstkreuz u.a. 1919 ist er in Al-
tenberg gestorben. Anekdoten gibt es viele über ihn.
Eigene Briefmarken gedruckt
Dieser Dr. Molly, mein Großvater mütterlicherseits, war
ein. Mensch vielseitiger Begabung. Er besaß eine große Käfer-
und Schmetterlingssammlung. Seine größte Freude waren Frei-
marken und Münzen. In vielen Sprachen war Molly bewan-
dert, sowohl in Alt- wie in Neusprachen. Er korrespondierte
mit.aller Welt. Sein Freimarken-Sammeleifer ging soweit, daß
er am 6. Oktober 1886 in Neutral-Moresnet eine Postanstalt
errichten ließ, wo eigene Freimarken mit dem Aufdruck ”Kel-
mis” herausgegeben wurden. Dieses Vergnügen dauerte aller-
dings nicht lange ; bereits siebzehn Tage später wurden diese
Freimarken' vom belgischen und preußischen Staat aufgehoben
und die Poststelle geschlossen. Da diese Marken also illegal
waren, wurden sie auch offiziell nicht gehandelt, oder etwa
in Katalogen aufgeführt. Leider sind heute kaum noch ”Kel-
mis-Moresnet” Marken aufzutreiben. Sie hätten bestimmt heute
einen ‘Kuriositätenwert.
Die Esperanto-Bewegung zu ”Neutral-Moresnet”
Wie der rührige Herr Rat dazu kam, später eine Art von
”Esperantostaat” in Neutral-Moresnet errichten zu wollen, das
ist nicht mehr ganz aufzuklären. Tatsache ist, daß etwas Der-
artiges zu ”Neutral-Moresnet”” geplant war (aber natürlich nie
zu einer Wirklichkeit werden konnte). Um 1906 erschien bei
Dr. Molly ein französischer Professor, Dr. Roy. Wahrscheinlich
haben sich beide Herren auf internationaler Ebene getroffen.
Es mag sein, daß Berührungspunkte über den Briefmarken-
austausch her bestanden. Es kann aber auch hier die Loge
mit im Spiel sein, da Dr. Molly Mitglied der ”Loge zu den
drei Weltkugeln” war.
Durch Prof. Dr. Roy wurde Molly mit der Esperanto-
bewegung bekannt. Als Liebhaber vieler Sprachen, interes-
sierte er sich nun auch für die Esperanto-Sprache, die er
sehr schnell beherrschte.
47
Die beiden Herren beschlossen in ”Neutral-Moresnet”
einen ”Esperanto-Staat” zu errichten. Zunächst kam es zu klei-
neren Besprechungen und dann zu einer Propaganda-Groß-
veranstaltung in der Schützenhalle. Professor Dr. Roy erschien,
von Dr.‘ Molly geschickt, bei meinem Vater in Aachen und bat
darum; daß meine Schwester, die eine schöne Sopranstimme
hatte, auf der geplanten Veranstaltung Esperanto-Lieder sin-
gen möchte. Was denn auch geschah. Ich sehe noch heute die
festlich geschmückte Halle vor mir. Viel Publikum war er-
schienen. Die Knappschaftskapelle des Altenberger Bergwer-
kes ”Vieille Montagne” schmetterte Märsche. Meine Schwester
sang einige Esperanto-Lieder (deren Inhalt sie wohl nicht ganz
verstand). Am Vorstandstisch saß neben Prof. Dr. Roy, der die
Ansprache hielt, mein Großvater... und ich war sehr stolz.
Es verging noch einige Zeit. Es mußten ja Mitglieder für
die Bewegung geworben werden. Dann war es soweit.
Herr Pierre Claes, Brüssel, hat sich die Mühe gegeben
auf Veranlassung eines Aufsatzes von mir in Wien weitere
Nachforschungen bei der österreichischen Nationalbibliothek
in Wien zu betreiben. Dort befindet sich unter Nr. 493999,
die die Bezeichnung ”Esperanto-Oficejo de Amikejo” trägt,
ein Mitgliederverzeichnis: ‘ der ‘ Esperantobewegung. Der
Name Dr. Molly ist nicht dabei. Doch ist dies sehr leicht
möglich, denn Großvater -Molly :ist-'wohl nie ein ”zahlendes”
Mitglied gewesen, denn’ Geld hat er nie besessen. Meine Groß-
mutter mußte ihre acht Kinder aufziehen mit der Gehalts-
zahlung, die Großvater als Knappschaftsarzt von der ”Vieille
Montagne” bekam. Rechnungen hat Großvater nie ausgeschrie-
ben und seine Patienten bezahlten nach Gutdünken in Geld
oder die Bauern in Naturalien. Dr. Molly, inzwischen 1891
Sanitätsrat und 1904 zum Geheimrat geworden, wurde von
der Neutral-Moresneter Gemeinde zum ”Ehrenbürger” ernannt
und war dadurch eben Mitglied ehrenhalber in allen Vereinen.
Herr Pierre Claes schrieb mir am 30. Sept. 1973 : ”Dennoch
bleibt ein Punkt zu klären. Ich bin im Besitz eines Manuscr‘p-
tes von einem Lehrer Horgnis, in welchem dieser von der
Verwirklichung der Esperantisten Zentrale in Neutral-Mores-
net spricht. Er schreibt wörtlich ‚unter dem Titel: VI. Teil:
”Neutral-Moresnet zum Esperanto Staat erhoben” (am 13. 8.
48
1908) : ”Vom 1. Jan. bis 31. März 1908 haben mehr als 150
Zeitungen aus verschiedenen Ländern das Projekt des fran-
zösischen Prof. Herrn Gustave Roy (- der Verfasser erinnert
sich noch sehr gut an diesen stattlichen Mann mit seinem fran-
zösisch zugeschnittenen Bart und an seine französische Ausspra-
che, als er meinen Vater besuchte -) besprochen, nach welchem
Neutral-Moresnet zum ”Esperanto-Staat” erhoben werden
sollte. Dieses Projekt ist am 18. August 1908 Wirklichkeit
geworden.
Seit dem 4. Esperantisten Kongreß in Dresden, der im
August tagte, wenden sich die Blicke weiter Kreise in der
ganzen Welt Neutral-Moresnet zu, welches durch Beschluß "
des erwähnten Kongresses zum Sitz der Zentrale erkoren
wurde, von der aus die Propaganda für die neue Welt-
sprache in der _energischsten Weise betrieben werden
sollte... Zwar (gekürzt wiedergegeben) kam auch Den Haag
in Frage... doch entschied man sich für Neutral-Moresnet
der günstigen Lage wegen an der Grenze dreier Staaten...”
Von der Gründungs-Versammlung vom Jahre 1908 gibt
es übrigens noch ein Foto, das deutlich die Herren Prof. Roy
und Dr. Molly zeigt.
Aus weiteren Protokollen, die zu Wien liegen, geht her-
vor, daß zu jener Zeit die ”Gründung” des Esperanto-Staates
in Neutral-Moresnet stark begrüßt wurde. Ein mir übersandtes
Protokoll-Manuskript, das mir Herr Pierre Claes übersandte,
habe ich mir übersetzen lassen. Daraus geht hervor, daß jene
Angelegenheit stark gefeiert wurde, aber daß auch am selben
Tage einige Bedenken laut wurden, ob denn Neutral-Mores-
net groß genug sei, auf die Dauer Zentral-Stelle zu werden ?
Nun, Neutral-Moresnet war auf Mitglieder aus dem Aus-
lande, aus Belgien, Frankreich, Holland und Deutschland an-
gewiesen. Die gehobene Schicht in Neutral-Moresnet konnte
natürlich alleine das Unternehmen nicht tragen. Außer inte-
ressierten Kleinbürgern kamen neben Dr. Molly noch einige
”Prominente” in Frage, wie die Mitglieder der Familie Bruch
(Filzfabrik), die Pfarrer, kath. u. evangel., die Apotheker Mi-
chels und Dovifat, der preußische und der belgische Bürger-
meister, die Direktoren der Grube (Braun und Markstein), und
einige wenige andere.
49
Nun, die Weltgeschichte hat die Bestrebungen in ”Neutral-
Moresnet” überrollt. In sechs Jahren konnte sich eine größere
Entwicklung der Bewegung nicht ausdehnen. Das brauchte
seine Zeit.
1914 brach der erste Weltkrieg aus und zerschlug so 'alles
Wollen auf internationalem Gebiet.
1919 starb Dr. Molly, tief betrauert von den Gemeinden
Preußisch-, Neutral- und Belgisch-Moresnet, eben dem ge-
samten Altenberger Gebiet.
Die belgische Besatzungsmacht öffnete am Tage seines
Begräbnisses die Grenze. So bewegte sich ein großer Zug
Leidtragender zum evangelischen Friedhof hin, hinter der
kleinen evangelischen Kirche auf der Höhe von Altenberg.
Dort ruht er (neben seiner Gattin) noch heute.
Die Esperanto-Bewegung ist in jener Gegend nicht mehr
neu erwacht. Neutral-Moresnet hatte ja sowieso aufgehört zu
existieren. Das ganze Gebiet fiel laut Friedensvertrag an
Belgien.
50
Die Hammerbrücke bei Hergenrath und die
Eröffnung der Belgisch-Rheinischen Eisenbahn
von Alfred Bertha
Mit dem Bau von Eisenbahnstrecken setzte im zweiten
Viertel des vorigen Jh. eine neue Ära im Personen- und
Güterverkehr ein. In den meisten europäischen Ländern ent-
standen Eisenbahngesellschaften und allenthalben mühten sich
Wirtschafts- und Finanzkreise, die durch das neue Verkehrs-
mittel gegebenen Möglichkeiten auszuschöpfen.
Schon im August 1831 (sechs Jahre nach der Intetrieernahme ‚,
der ersten Eisenbahnstrecke der Welt, Darlington-Stokton)
beauftragten belgische Kreise die Ingenieure Simons und de
Ridder, Untersuchungen über eine eventuelle Bahnverbindung
Schelde-Maas-Rhein anzustellen und ein diesbezügliches Pro-
jekt auszuarbeiten. Die beiden Ingenieure entledigten sich
ihres Auftrags und ihre Vorschläge sind, wenn auch mit Ab-
änderungen, nicht unberücksichtigt geblieben. Sie stellen bei
der Besichtigung des linksrheinischen Gebietes u.a. fest, daß
die Aachener Gegend den schwierigsten Teil für die Durch-
fahrt bilde, daß aber an sich die Hindernisse auf belgischer
und preußischer Seite eben groß seien (1).
Im Dezember 1831 stellte auch der Aachener Industrielle
James Cockerill einen Antrag auf Genehmigung einer Bahn-
linie. Er plante, Aachen über Maastricht mit Belgien zu ver-
binden...
1833 bildete sich in Köln ein ”Komittee für die Eisenbahn
Köln-Antwerpen”, das vor allem von Kölner Wirtschaftskrei-
sen getragen wurde. Zwischen Aachen und Köln kam es zu
Differenzen, da die Kölner Aachen umgehen wollten. Am
25. Juli 1835 konstituierte sich in Köln die ”Rheinische Ei-
senbahngesellschaft”. Durch Königliche Kabinettsordre vom
12. Februar 1837 wurde der Streit zwischen Aachen und Köln
dadurch beigelegt, daß der ”Rheinischen Eisenbahngesellschaft””
die Genehmigung für den Bau der Bahn zur belgischen Grenze
erteilt wurde, aber unter der ausdrücklichen Bestimmung, daß
die Linie über Düren, Aachen und Burtscheid zu führen sei.
Das Ende März 1836 in Aachen gebildete Komitee für eine
51
”Preußisch-Rheinische-Eisenbahn” bildete 1837 mit der Kölner
Gesellschaft ein gemeinsames Direktorium (2).
Noch im gleichen Jahre begann man mit dem Strecken-
bau Köln-Aachen. Am 1. September 1841 konnte diese Strecke
in Betrieb genommen werden. Da auch belgischerseits, wie
schon gesagt, ein Interesse an einer Schelde-Rhein-Verbindung
bestand, wurden die Arbeiten an dem letzten Teilstück Aachen-
Herbesthal zügig vorangetrieben und bis zum Herbst 1843
fertiggestellt.
Schwierigster und wohl aufwendigster Teil war. hier die
Überbrückung des Göhltales bei Hergenrath. Die ersten Arbei-
ten auf Hergenrather Gebiet hatten 1838 begonnen. Dazu die
Gemeindechronik : ”In diesem Frühjahr begannen hier die
Arbeiten an der Eisenbahn. Die Arbeiten gaben zu einer Men-
ge Klagen Anlaß, die angegriffenen Grundstücke waren noch
nicht abgeschätzt, viel weniger bezahlt und die Arbeiter han-
delten ohne Rücksicht noch Schonung. Alle Frucht und Gras,
die sich auf und nahe an der Bahnlinie befand, wurde zer-
treten, vernichtet, ohne daß die Eigenthümer wußten, welche
Entschädigung sie erhalten würden ...”.
1839 war ein Jahr wirtschaftlicher Schwierigkeiten. Die
Arbeiten an der Bahn stockten.
Die Rheinische Eisenbahngesellschaft” hatte finanzielle Sor-
gen. Verhandlungen mit der preußischen Regierung zwecks
Übernahme eines größeren Aktienpaketes scheiterten und das
benötigte Kapital war erst zu einem geringen Teile gezeichnet.
Verhandlungen mit der belgischen Regierung führten schließlich
zu einem finanziellen Engagement letzterer, welche 4.000 Ak-
tien der Rheinischen Eisenbahngesellschaft übernahm. Dadurch
wurde natürlich das Interesse Belgiens an einer Fertigstellung
der Bahn bis zur belgischen Grenze bedeutend verstärkt.
1842 vermerkt der Chronist, daß die Erdarbeiten an der
Eisenbahn, von der äußerst trockenen Witterung begünstigt,
tüchtig vorangeschritten seien. Der Göhlviadukt gehe seiner
Vollendung entgegen. Mit dem Bau des Viadukts habe man
im Frühjahr 1841 begonnen.
Die Pläne zum Göhlviadukt stammten von dem Darm-
städter Hofbaumeister Georg Moller (3). In einem ersten Ent-
52
wurf von 1840 hatte dieser‘ beabsichtigt, einen Via-
dukt mit einfacher Bogenstellung (statt der doppelten Bogen-
reihe) zu bauen. ”Bei dieser Construction”, so schrieb Moller,
”lag die Schwierigkeit der Ausführung vornehmlich darin,
den Pfeilern bis zu dem Zeitpunkt, wo sie ihre ganze Belastung
erhalten, die gehörige Stabilität zu geben”. Zu diesem Zwecke
entwarf Moller eine in niedrige Stockwerke eingeteilte Rü-
stung, durch die die Pfeiler vollkommen in ihrer senkrechten
Stellung gehalten werden sollten. Die Bogenrüstung dagegen
war vollkommen unabhängig von der Pfeilerrüstung und so
auf die Kämpfer gestellt, daß diese die ganze Last zu tragen
hatten (4).
Der schließlich zur Ausführung gelangte Entwurf war je-
doch um vieles reizvoller und eleganter. Die heutige Göhl-
talbrücke, eine unästhetische, in die Landschaft geworfene
Beton- und Eisenmasse, gibt keinerlei Vorstellung mehr von
dem ursprünglichen, am 10. Mai 1940 kurz vor dem Einmarsch
der deutschen Truppen. gesprengten Bauwerk. Dieses bestand
aus zwei übereinander stehenden Bogenreihen von 13 bzw.
17 Bogen und sah dem römischen Aquädukt bei Nimes, dem
Pont du Gard, nicht unähnlich. Die Brücke war 206 Meter
lang und gut 36 Meter hoch. Die 17 oberen Bogen hatten 9,57 m
Weite und eine Stärke von 2,04 m. Sie ruhten auf 14 Pfeilern
von 2,20m und 2 Pfeilern von 5,65 m Dicke. Die Brücken-
pfeiler hatten eine Breite von 8,40 m. Der ausführende Bau-
meister war der Ingenieur Fr. Wittfeld zu Aachen. Ein halbes
Jahrhundert, bis zum Bau der Müngstener Brücke, einer Stahl-
konstruktion, die in 107m Höhe über die Wupper führt, blieb
die Hammerbrücke bei Hergenrath die höchste‘ Brücke
Deutschlands.
Moller setzte das Bogengerüst unmittelbar auf das Mauer-
werk, und nicht, wie vorgeschlagen, auf an den Pfeilern auf-
zuführenden Holzwänden. Alle neun Bogen zwischen den bei-
den Hauptpfeilern wurden gleichzeitig unterstützt und gewölbt,
damit der Druck der unvollendeten Gewölbe nicht ungleich
wirken konnte. Außerdem wurde das sämtliche Gebälk der
Rüstung so in Verbindung gebracht, daß es als eine Veran-
kerung zwischen den beiden Hauptpfeilern angesehen werden
konnte. Nach den Berechnungen des ausführenden Ingenieurs
Fr. Wittfeld betrugen die Einsparungen an Holz und Arbeits-
53
lohn durch diese Art der Einrüstung ungefähr 700 Taler je
Bogen, d.h. 6.300 Taler für alle.neun Bogen des Mittelteiles.
Was die Ausführung der Gewölbe am Göhltalviadukt be-
trifft, so entschied sich Moller gegen das bei dem berühmten
Themse-Tunnel angewendete Verfahren, nach welchem die
Backsteingewölbe in konzentrischen Schichten ausgeführt
werden. Er vertrat die Ansicht, daß bei der herkömmlichen
Methode der Mörtel alle, auch die gegen den äußeren Rand
des Gewölbes etwas breiteren Fugen ausfülle und nach seiner
Erhärtung die Backsteine zu einer einzigen Masse vereinige.
”Es ist mir”, so schreibt er in seinen ”Beiträgen”, ”kein Fall
bekannt geworden, wo ein solches Gewölbe, dessen Dicke mit
dem Durchmesser im richtigen Verhältnisse stand, und welches
von guten Materialien mit Sorgfalt ausgeführt war, schad-
haft geworden oder gar eingestürzt wäre. Ganz anders ver-
hält es sich mit den erwähnten englischen Backsteingewölben.
Dieselben machen keine verbundene Masse aus, sondern be-
stehen aus schmalen, ganz von einander unabhängigen kon-
zentrischen oder ringförmigen Schichten, von welchen jede
derselben einzeln nach einander 'einstürzen kann, da keine
sich wechselseitig unterstützt.
Bei einem Gewölbe der bisher üblichen Art kann man
sich einige Steine schadhaft denken, ohne daß dadurch eine
Gefahr entsteht, weil alle Steine im gegenseitigen Verbande
stehen ; bei dem englischen Gewölbe kann die Schadhaftigkeit
einiger Steine der inneren Schicht den unmittelbaren Ein-
sturz nach sich ziehen...
Übrigens findet man in den römischen Monumenten Bei-
spiele beider Wölbungsarten, welche vollkommen erhalten sind.
In England dagegen sind seit etwa zwei Jahren nicht weniger
als fünf verschiedene Tunnels eingestürzt. Ob diese fehlerhafte
Wölbungsweise dabei angewendet ist und ob dieselbe mit
Schuld an den Unfällen gewesen, habe ich nicht in Erfahrung
bringen können. Sicherer erscheint es jedenfalls, die ältere
auf Regel und Erfahrung gegründete Construction nicht gegen
eine weniger gute zu vertauschen” (5).
Sehr eingehend hat sich Moller auch mit dem Problem
der Bedeckung der Hammerbrücke befaßt. In England und
54
nach dessen Beispiel auch in anderen Ländern, überschüttete
man die Viadukte mit einer mehrere Fuß dicken Lage von
Sand oder Kies, worin man die hölzernen Schwellen legte,
welche den Bahnschienen zur Unterlage dienen. So glaubte
man den Stoß der Lokomotive auf die Gewölbe abzudämpfen.
Moller war der Meinung, dieses Verfahren sei vielleicht für
England mit seinen eher milden Wintern zu vertreten, nicht
aber für Deutschland, wo der Frost zerstörend auf die Ge-
bäude wirke. Die englische Art der Abdeckung der Gewölbe
verhindere den schnellen Abfluß des Wassers und die Ge-
wölbe blieben ständig naß. Außerdem dehne sich der mit
Wasser getränkte Sand durch den Frost aus und wirke auf ‚,
die Seitenmauern, durch welche das Wasser eindringe und
nach und nach den Ruin des ganzen Gebäudes nach sich ziehe.
Auch würden die Wasserabläufe durch den Sand leicht ver-
stopft, was besonders bei abwechselndem Frost- und Tau-
wetter der Fall sei.
Im August 1841 weilte Moller in Aachen und bei der
Besichtigung des Burtscheider Viadukts hatte er Gelegen-
heit, durch den Augenschein seine Thesen bestätigt zu sehen.
Er schlug nun vor, die Schienenstränge nicht auf hölzerne,
in Sand gelegte Querschwellen ruhen zu lassen, sondern auf
Tragschwellen von gehauenen Steinen, und zwar so, daß die
Schienen ihrer ganzen Länge nach auf diesen Steinschwellen
auflagen. Dieses Verfahren hätte auch den Vorteil, das durch
das Einbiegen der Schienen entstehende Stoßen zu vermeiden.
Moller selbst gibt zu, daß über die von ihm vorgeschla-
gene Art der Bedeckung noch nicht hinreichende Versuche
und Beobachtungen gemacht worden seien und daß es leicht
möglich sei, eine zweckmäßigere Art zu erfinden. Kategorisch
aber verwirft er die Methode der Abdeckung mit Sand und
Kies.
Das Regenwasser sollte nach Mollers Vorstellungen durch
an der dem gewöhnlichen Regenwinde entgegengesetzten Sei-
te anzubringende Auslaufrinnen gewährleistet werden. Diese
Auslaufrinnen waren den Wasserspeiern gotischer Kathe-
dralen nachempfunden. Von Pfeiler zu Pfeiler sollte das Was-
ser aus offenen Regenrinnen gesammelt werden und durch
die 5 bis 6 Fuß vortretenden Abflußrinnen abgeleitet werden.
55
Sowohl der Entwurf der Bedeckung wir der des Wasser-
ablaufs wurde von der Eisenbahngesellschaft verworfen und
man hielt fest an der hergebrachten Bedeckungsart, obschon
Moller im Februar 1842 in einer Denkschrift an die Eisen-
bahndirektion deren Nachteile herausgestellt hatte. ”Die Er-
fahrung wird nun zeigen, ob die von mir befürchteten Nach-
theile eintreten werden”, schreibt er resignierend (6).
Die Eisenbahnstrecke Aachen-Herbesthal war erst ein-
gleisig. Am 22. August 1843 konnte der erste Zug probeweise
hin- und zurück fahren. Die Göhltalbrücke war vollendet.
Die benötigten Ziegel hatte man an.Ort und Stelle im Feld-
brandverfahren hergestellt. Überschüssige Steine sollen beim
Bau der Hergenrather Kirche Verwendung gefunden haben.
Viele Menschen haben beim Bau der Brücke Arbeit gefunden,
zwei Arbeiter kamen im Januar 1843 beim Einsturz eines Ge-
rüstes ums Leben.
Am 15. Oktober 1843 wurde die neue Strecke, das letzte
Teilstück der Schelde-Rhein Verbindung, feierlich dem Verkehr
übergeben. Es war der Geburtstag des preußischen Königs
Friedrich-Wilhelm IV.
Die ”Stadt-Aachener-Zeitung” berichtete ausführlich über
die Einweihungsfeierlichkeiten. Am Vortage veröffentlichte
sie ein 24-zeiliges ”Eisenbahn-, resp. Fortschrittslied”, dessen
vier letzte Zeilen lauten :
”Auf, Deutsche! Vorwärts nun und immer weiter !
Auf, Belgier, allons !
Und wer nicht kann Dampfwagen seyn als Leiter,
Sey wenigstens Waggon !”
Der Leitartikel der Ausgabe vom 15. Oktober ging ein-
gehend auf die Rolle Preußens und Friedrich-Wilhelm IV. bei
der Heranbildung des deutschen Nationalbewußtseins ein und
unterstrich die führende Rolle Preußens in der deutschen
Wirtschaft. U.a. führte der Leitartikler aus : ”Für uns ist der
heutige Tag ein schönes Doppelfest. Eine neue Zukunft ist
dem Verkehr, also dem Wohlstand unseres Rheinlandes er-
öffnet. Zum ersten Male sind zwei fremde Staaten durch das
Bindemittel der Eisenbahn mit einander verbunden. Belgien,
in welchem mehr als in irgend einem fremden Lande Achtung
56
für deutsches Wesen vorherrscht, ist fester an Deutschland
geknüpft worden. Die alten Deutschen Lande, durch
den schlimmen Umschwung der Zeit dem großen Vaterlande
entrissen, sind ihm auf friedlichem Wege wieder genähert,
um ihm dereinst vielleicht enger verbunden zu sein als ‚vor-
mals. Ein reiches, strebsames Volk reicht uns die Hand und
seine Mitgift ist das Meer, das sich uns überall sonst so spröde
entzogen hat...”
Nicht minder weit gespannte Hoffnungen hegte man in
Belgien. Bei den Feierlichkeiten in Antwerpen sagte Minister
Dechamps am 13. Oktober (7) : ”Der heutige Tag bildet keine
gewöhnliche Feier, es ist eine solche, die in der Geschichte
der Nachkommen zählt. Dieser Tag ist für den Handel, was
die Ereignisse von 1830 für unsere Nationalität waren. Heute
begründen wir unsere kommerzielle Unabhängigkeit, welche
seit dem Vertrag von Münster so oft unterjocht wurde. Zum
Wohle Antwerpens gehörte die Freiheit der Schelde und der
Zutritt zum deutschen Markte... Antwerpen und Köln sind
Jahrhunderte lang verbunden, Köln war Rubens Wiege und
Antwerpen ist stolz auf sein Grab” (8).
Die Stadt Antwerpen hatte ein großartiges Festprogramm
zusammengestellt. Überall wehten die Farben Preußens und
Belgiens, die Bildnisse Leopolds I. und Friedrich-Wilhelm IV.
zierten den Triumphbogen, überall sah man den belgischen
Löwen neben dem preußischen Adler. Eine Reihe durch Laub-
gewinde geschmückte Pyramiden trugen die Namen der bel-
gischen Städte, den von Aachen und ein ”Alaf Köln !”. Auf dem
Waren-Entrepot selbst prangten die mächtige Schelde und der
alte Vater Rhein mit ihren Emblemen. Unter Anwesenheit
von Arbeitsminister Dechamps, dem Antwerpener Bürger-
meister Degrelle und dem Oberbürgermeister von Köln, Herrn
Steinbeck, wurde erst die neue Bahnlinie feierlich eröffnet.
Der Antwerpener Bürgermeister hielt eine Ansprache, in der
er u.a. ausführte : ”Der rheinische Handel kann unsere vor-
teilhaft gelegenen Häfen, unsere stolzen Bassins, unsere weiten
Lagerhäuser als die seinigen ansehen !”. Degrelle hob auch
die gemeinsamen deutsch-belgischen Handelsinteressen hervor
und besonders das Interesse an den transatlantischen Ver-
bindungen.
57
Anschließend schritt man zur Grundsteinlegung des neuen
”Rheintores” und des Magazins für Transitwaren, wobei dem
preußischen Gesandten in Brüssel, dem Baron von Arnim,
die Ehre zukam, den ersten Hammerschlag zu tun.
In der Börse erwartete die beinahe 500 Gäste ein fest-
liches Bankett. Der Hof der weiten Halle war mit einem Zelt-
dach überspannt, von dem unzählige Lichter herunterhingen.
In den Tischreden wurde von belgischer und von deutscher
Seite immer wieder auf die Bedeutung der neuen Bahnver-
bindung hingewiesen. Als es Abend wurde, war die Stadt
festlich erleuchtet, die Kathedrale strahlte unter ”bengalischen
Flammen” und auf der hochgehenden Schelde fuhren mehrere
Schiffe, auf denen ein Feuerwerk veranstaltet wurde. Ein
prächtig erleuchtetes Dampfboot näherte sich dem Platz, wo
die Gäste sich befanden. An Bord waren Schulkinder, die mit
ihrem Gesang auf die deutschen Gäste mächtigen Eindruck
machten.
Die Stadt hatte auch eine Ode in Auftrag gegeben. Aus
dieser ”Ode bij het openen der ijzeren spoorbaan tusschen
Antwerpen en Keulen”, hier zwei Strophen :
”Wees welkom ! klinkt het allerwegen,
De Verte toe, den hemel tegen,
O blijde Stond, zoo lang verwacht !
Gegroet, gegroet in deze streken,
Waer wij de zelfde tale spreken ;
Wees welkom, volk van een geslacht !
En wordt het grotsch ontwerp gesteven,
Dan zal, een prijs van later neven,
Door ons beleid, het ijzren pad
Geheel het Noorden eens omgorden
Gemanje slechts een‘ landschap worden,
Zijn volken, burgers eener stad”, (Th. van Rijswijck) (9)
Auch Aachen und Lüttich feierten das Ereignis, wenn
auch nicht in dem Maße wie Antwerpen und Köln. Da die
Hauptfeier in Köln stattfinden sollte, hatte sich, wie die Zei-
tung schrieb, ”die Hälfte Aachens dorthin begeben”, so daß
sogar die Feiern zu Königs Geburtstag weniger prunkvoll
als gewöhnlich ausfielen.
58
Zu den Feiern an der Göhltalbrücke hatten sich am Vor-
mittag des 15. Oktober mehrere Direktoren der Eisenbahn-
gesellschaft in Begleitung des Oberpräsidenten der Provinz
Westfalen, Frh. von Vincke, der kommandierenden Generale
Frh. von Thiele und Frh. von Pfuel, des Aachener Regie-
rungspräsidenten von Gerlach und anderer Persönlichkeiten
mit einem kleinen Konvoi dorthin begeben und die belgischen
Gäste empfangen. Der Präsident der Rheinischen Eisenbahn-
gesellschaft, Appellationsgerichtsrat von Ammon, drückte
seine Freude über das Gelingen des Werkes aus und sprach
über seine ”unabsehbaren Folgen”. Minister Dechamps dankte
belgischerseits für den herzlichen Empfang und hob die immer ‚,
enger werdende Verbindung zwischen Deutschland und Bel-
gien hervor.
Der ganze Ehrenzug und weitere vier folgende, alle mit
Fahnen geschmückt, setzten sich dann in Richtung Aachen
in Bewegung. Am dortigen ”Stationsplatz” wurden sie vom
Regierungspräsidenten von Aachen, von Cuny, willkommen
geheißen. Der Oberbürgermeister der Stadt, Geh. Reg.-Rat
Emundts, rief den ankommenden Fremden — die Zeitung
schätzte ihre Zahl auf mehrere Tausend !— ebenfalls ein
herzliches Willkommen zu und ging auf die Bedeutung des
neuen Schienenweges ein, durch den zwei gewerbereiche
Städte an die Pulsadern des Handels, an Schelde und Rhein
angeschlossen wurden.
Bei dem etwa eine Stunde dauernden Aufenthalt wurden
den Reisenden Erfrischungen angeboten. Dann fuhren die
Festzüge weiter nach Köln, wo im Kasino ein großes Diner
gegeben wurde. Abends fand im Gürzenich ein Konzert mit
der Harmonie Gesellschaft von Brüssel statt. Die Kölner Gast-
geber konnten es jedoch ihren Antwerpener Freunden nicht
gleichtun. Was die Scheldemetropole geboten hatte, war nicht
zu übertreffen. Ein Rheinausflug ins Siebengebirge mit der
Dampfschiffahrtsgesellschaft war der Höhepunkt des in Köln
Gebotenen.
In Lüttich hatte man die Eröffnung der neuen Strecke
am 14. Oktober gefeiert. Der deutsche Botschafter in Brüssel,
Baron von Arnim, hatte dabei in einem Trinkspruch u.a. ge-
59
sagt: ”Von jetzt an bilden diese drei großen Flüsse (gemeint
sind Schelde, Maas und Rhein) nur noch einen. Ebenso, meine
Herren, werden die Anwohner dieser drei Flüsse in Zukunft
nur eine große Familie bilden, und nur ein und dasselbe
Interesse haben. In Zukunft werden sich ihre verschiedenen
kommerziellen Interessen in ein großes gemeinsames Interesse
verschmelzen, wie wir heute unsere Hoffnungen, unsere Wün-
sche und Gefühle in dieser schönen Vereinigung verschmelzen”.
Arbeitsminister Dechamps ging in seiner Erwiderung da-
rauf ein, daß vor fast einem Jahrhundert König Friedrich
der Große seine Militärmacht vor Lüttich versucht und so ein
Vorspiel zum Siebenjährigen Krieg gegeben habe. ”Heute”,
so sagte der Minister, ”schickt uns der König dieses schönen
Reiches nicht eine Kriegsbotschaft, sondern eine Friedensge-
sandtschaft. Es sind seine hohen Würdenträger, seine Abge-
sandten der rheinischen Industrie, die uns Worte der Einigung
und Hoffnung auf die innigsten Handelsverbindungen bringen.
Lüttich hat nicht vergessen, daß es einst mit Antwerpen und
Köln an dem Glücke teilnahm, welches die hanseatische Ver-
bindung schuf. Dieses Ausgabe, welches stürmische Tage zerrissen,
werden glückliche Zeiten wieder knüpfen” (10).
Die Feiern in Köln fanden erst am 17. Oktober ihren
Abschluß. Die ersten Waarenzüge aus Belgien liefen in den
Kölner Bahnhof ein. Es waren 3. Konvois von je 27 "reich
gepackten Wagen”, die mit. Hurrahrufen empfangen wur-
den (11). Der Präsident der Kölner Handelskammer hielt eine
längere Ansprache, in der er auf die Bedeutung der Eisenbahn
ganz allgemein und der neuen Strecke im besonderen ein-
ging. In den Eisenbahnen erkenne man, so Präsident Camp-
hausen, das Mittel, die Menschheit zu einer höheren Stufe
von Sittlichkeit heranzubilden. ”Wir erkennen in ihnen”, so
führte er aus, ”einem Geschenke des Friedens, das Mittel, den
Frieden zu erhalten, das Mittel, den Streit der Regierungen
zu mildern durch die Freundschaft der Völker”. Camphausen
gab auch seiner Hoffnung Ausdruck, die Zollschranken fallen
zu sehen, und auch Minister Dechamps plädierte für größere
Handelsfreiheit. Zum Abschluß schritten die anwesenden Per-
sönlichkeiten zur Unterzeichnung der Pergamentrolle, auf der
das Protokoll der Eröffnung festgehalten war. Es lautete :
60
Verhandelt zu Köln auf dem Stationshof der Rheinischen
Eisenbahn am Sicherheitshafen den 17. Oktober 1843. ”Nach-
dem die Arbeiten der Eisenbahnen der Preußisch-Belgischen
Gränze bis Verviers einerseits durch das Belgische Gouver-
nement und bis Aachen andererseits durch die Rheinische
Eisenbahngesellschaft so weit beendigt waren, um die Bahn
befahren zu können, — nachdem die Züge der Rheinischen
Eisenbahn am 13. Oktober die Gränze überschritten, — war
das denkwürdige Ereigniß in Antwerpen und Lüttich durch
großartige Feste am 13. und 14. Oktober gefeiert worden. Am
15. Oktober, dem Tage, welcher der Geburtsfeier Sr. Majestät
des Königs von Preußen gewidmet ist, hatten die belgischen ‚,
Züge die Gränze überschritten und waren, am Viadukt über
den Geul-Bach von den Rheinischen Zügen feierlich empfan-
gen, -über Aachen, unter gleich festlichem Empfange, nach
Köln geeilt, wo das Doppelfest am 15. und 16. Oktober feier-
lich begangen wurde. Heute, den 17. Oktober, verfügten sich
die Behörden und eingeladenen Personen nach dem Stations-
hofe der Rheinischen Eisenbahn am Sicherheitshafen und emp-
fingen hier den ersten aus Belgien anlangenden, aus 81 Wagen
bestehenden Güterzug. Die Verbindung der Belgischen Häfen,
der Nordsee und der Schelde mit dem Rheinstrome ist sonach
eröffnet und die Unterzeichneten, indem sie dies denkwür-
dige Ereignis durch gegenwärtiges Protokoll konstatieren,
sprechen gegenseitig die Hoffnung aus, daß selbe für den Frie-
den und die Freundschaft beider Nationen, die Wohlfahrt und
Blüthe beider Länder auf immer von segensreichen Folgen
sein werde. Also geschehen, wie oben, in deutscher und fran-
zösischer Sprache, und haben die Gegenwärtigen die Ver-
handlung unterzeichnet” (12).
Aus Anlaß der Streckeneinweihung wurden in Brüssel
zwei Gedenkmedaillen geprägt. Mit ihrem Entwurf wurde
der Künstler Lorent Joseph Hart (13) betraut. Hart stellte
seine Entwürfe ganz unter den Gedanken der Völkerverstän-
digung und Völkerfreundschaft. Zwei Exemplare der von ihm
geschaffenen Medaillen bewahrt das Münzkabinett der Kgl.
Bibliothek in Brüssel. Wir hatten Gelegenheit, sie uns näher
anzusehen.
61
”La guerre les a divisees, la paix les reunira” — Der Krieg
hat sie entzweit, der Friede wird sie wieder einen — lesen
wir als Umschrift auf der Vorderseite der 73 mm im Durch-
messer messenden größeren Medaille. Der Künstler hat das
Feld in drei horizontale Ebenen aufgeteilt, von denen die
beiden oberen durch figürliche und andere Darstellungen
eingenommen werden, während die unterste der Gedenkin-
schrift vorbehalten ist.
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Das oberste Feld ist vertikal dreigegliedert : auf einem
erhöhten Mittelsockel werden die Francia (Frankreich) und
die Borussia (Preußen) durch die Belgia (Belgien), die beide
an die Hand nimmt, zusammengeführt. Die Francia stützt
sich auf die ”Charte de 1830” (14), Preußen auf eine Tafel mit
dem preußischen Adler.
62
Links dieser Zentralfiguren sehen wir Antwerpen mit der
Kirche U.L.F., auch Kathedrale genannt. Alle Details dieses
herrlichen gotischen Bauwerks hat Hart genauestens heraus-
gearbeitet. Die untergehende Sonne wirft ihre Strahlen über
die Schelde, auf der ein Segel- und ein Dampfschiff in den
Antwerpener Hafen einlaufen. Ein abfahrender Zug ist kurz
vor der Einfahrt in einen Tunnel.
Zur Rechten unterscheiden wir erst die Göhltalbrücke bei
Hergenrath, über die gerade gewaltig pustend ein Zug fährt.
Auch hier muß man dem Künstler bescheinigen, daß er die
Brücke mit beinahe photographischer Genauigkeit nachgebil-
det hat. Das gleiche gilt für den sich darunter befindenden "
Kölner Dom. Dieser Bau, zu dem schon 1248 der Grundstein
gelegt worden war, war um die Mitte des 19. Jh. noch weit
von seiner Vollendung. 1437 hatte man die Arbeit am südli-
chen Westturm eingestellt. Der Turm war damals noch erst
bis zum Ansatz des dritten Geschosses gediehen. Bis 1508
hatte man am Langhaus ”gewerkelt”, ohne daß die Arbeiten
zum Abschluß gebracht werden konnten. Die Pläne für die
Westfront waren verschollen.
Es bedurfte des durch die Romantik und die Freiheits-
kriege entfachten Nationalbewußtseins, gegen Mitte des 19.
Jh. die Arbeiten am Dom wieder aufzunehmen. Dieselben
begannen 1842, 1880 war der Dom in der heutigen Form voll-
endet.
Auf der nächsttieferen horizontalen Ebene sitzen Rücken
an Rücken, doch mit dem Gesicht zum Betrachter gewendet,
zwei alte Männer, von denen der eine auf seinen angewinkel-
ten Knien einen dickbauchigen Krug hält, aus dem Wasser
strömt ; der zweite stützt seinen rechten Arm auf eim ähnliches
Gefäß, während er in der linken Hand einen Federkiel hält.
Hart hat uns die Bedeutung dieser allegorischen Figuren leicht
gemacht, indem er auf den ersten Krug ”Escaut”, d.h. Schelde
gravierte, auf den zweiten dagegen ”Rhin” = Rhein. Die beiden
Alten stellen also die Flußgötter Schelde und Rhein dar, zwei
für den europäischen Handel äußerst wichtige Wasserwege,
die durch die neue Bahnstrecke nun direkt miteinander ver-
bunden waren. Nur im Frieden können sich Handel und Wohl-
63
stand entwickeln. Darauf deutet der beiderseits Schelde und
Rhein sich befindende Caduceus oder Merkurstab, ein geflü-
gelter, von Schlangen umwundener Stab, Sinnbild von Friede
und Handel. (Die Flügel stellen das Tätigsein dar, die Schlange
ist Symbol der Klugheit.)
Die dritte und unterste Ebene wird von der Inschrift
eingenommen. Sie lautet : Inauguration du chemin de fer de
Verviers a Aix-la-Chapelle XV Octobre MDCCCXLIII * De-
champs Ministre des Travaux Publics” (Eröffnung der Eisen-
bahnstrecke Verviers-Aachen, 15. Okt. 1843, Dechamps, Mini-
ster f. öffentliche Arbeiten). (S. Abb. S. 61}.
Die Rückseite zeigt das Bildnis Leopolds I., Königs von
Belgien (1831-1865), sowie die Signatur ”Hart fecit”, d.h. Hart
schuf mich.
Diese Gedenkmedaille wurde in vergolderter, versilberter
und vernickelter Bronze geprägt. 1844, zum ersten Jahrestag
der Streckeneinweihung, wurde eine Variante dieser Schau-
münze hergestellt. Auf der Hauptseite zeigte sie die Fluß-
götter der Schelde und des Rheins mit Wasserurnen. Im Hin-
tergrund die Kathedralen von Antwerpen und Köln. Die
Münzumschrift lautet : ”Jonction de l’Escaut et du Rhin par
chemin de fer” (Eisenbahnverbindung Schelde-Rhein). Im un-
teren Abschnitt steht zu lesen: ”Anvers 13 Octobre 1843”
und den Außenrand entlang ”Verachter dir (exit) Hart fecit”.
Die Kehrseite dieser Schaumünze trägt die Umschrift :
”Union de Cologne et d’Anvers. Premier Anniversaire 13 Oc-
tobre 1844” (Verbindung von Köln und Antwerpen. 1. Jahres-
tag 13. Okt. 1844). Sie zeigt die Wappen von Köln und Ant-
werpen vor einem Anker (15).
Die 73 mm Münze ist ohne Zweifel in kleinerer Stück-
zahl geprägt worden. Relativ häufig wird hingegen die klei-
nere, 27 mm im Durchmesser messende, gewesen sein. Ein
Exemplar war auf der Ausstellung unserer Vereinigung im
April 1975 in Kelmis zu sehen.
Sie zeigt auf der einen Seite eine über eine Brücke dahin-
pustende Dampflokomotive. Zwischen den beiden Pfeilern der
eher angedeuteten Brücke steht das Datum ”15 Octobre 1844”
66
Kriege durch den Fortschritt der Zeit immer weniger möglich
würden, herrlich dar und werde mächtig dazu beitragen, ihn
zu realisieren...
Nun, wir wissen, was aus diesem schönen Traum gewor-
den ist. Die Eisenbahnstrecke Köln-Antwerpen hat nicht nur
dem Frieden und der Völkerverständigung gedient. Zweimal
sind in unserem Jahrhundert Kriegszüge über die Göhltal-
brücke gerollt und die Brücke selber ist in ihrem jetzigen
Zustand ein dauernder Appell zum Frieden, zur Verwirkli-
chung jenes Gedankens, der Laurent Joseph Hart vorschwebte,
als er schrieb : ”Der Krieg hat sie entzweit, der Friede wird
sie wieder einen.” S
ERENENENOENONORENEEEOOEEEN
Quellen und Anmerkungen :
1. Karl Kumpmann : Die Entstehung der Rheinischen Eisen-
bahngesellschaft 1830-1844, Essen 1910, S. 58, zit. in: Cle-
mens Bruckner: Zur Wirtschaftsgeschichte des Regierungs-
bezirks Aachen, Bd, 16 der Schriften zur Rheinisch-West-
fälischen Wirtschaftsgeschichte, Köln 1967, S. 18 ff.
2. Cl. Bruckner, a.a.O., S. 20-22.
3. Georg Salomon Hermann Moller, geb. 1784 in Diepholz,
Großherzoglicher Hessischer Oberbaudirektor in Darmstadt,
gest. 1852. Vgl. Marie Frölich und Hans-Günter Sperrlich :
Georg Moller, Baumeister der Romantik, Vlg. Ed. Roether,
Darmstadt, 1959.
4. S. dazu: Beiträge zu der Lehre von den Construktionen,
von Dr. Georg Moller, Heft 1-7, Darmstadt und Leipzig,
1832-1847.
5. Moller, Beiträge zu ..., Heft VII.
6. ebd.
7. Antwerpen feierte die Eröffnung der neuen Bahnverbindung
am 13. Okt. 1843, Lüttich am 14. Okt., Aachen am 15. und
Köln vom 15. bis 17, Okt.
8. Die Wiege Rubens stand in Siegen, doch verlebte er seine
Kindheit in Köln von 1578-1587,
9. Stadt-Aachener-Zeitung vom 17. Oktober 1843,
10. Stadt-Aachener-Zeitung vom 18. Oktober 1843.
11. Der regelmäßige Güterverkehr auf der neuen Strecke be-
gann am 1. November 1843, der Personenverkehr wurde am
21. Oktober aufgenommen. Wie die Zeitung berichtete, stan-
67
den am 1. November über 200 beladene Waggons in Ant-
werpen zur Abfahrt bereit. U.a. hatten sie 800 Kisten Zucker
geladen, die die spanische Brigg San Andres im Antwer-
pener Hafen gelöscht hatte. Im Mai 1845 lag der Güterver-
kehr auf der neuen Strecke an der Spitze aller Kontinental-
bahnen.
12. Stadt-Aachener-Zeitung vom 19. Oktober 1843.
13. Laurent Jos. Hart, geb. 6. Nov. 1810 in Antwerpen, gest. in
Brüssel am 10.1.1860. Hart war erst Schüler der Antwer-
pener Akademie, kam dann an die Brüsseler Münzpräge-
anstalt, die ”Monnaie”. 1827 ging er nach Utrecht, um sich
im Münzstempelschneiden auszubilden, wo er im Atelier von
Braemt, dem Reichsstempelschneider, arbeitete. 1830 kam er
nach Brüssel zurück. Sein Wirken erstreckt sich von 1830-
1859. Er entwarf Münzbilder und Medaillen für viele euro-
päische Länder und Gesellschaften. Sein letztes Werk war
eine Medaille mit der Büste König Leopolds I. Sie war dem
belg. Parlament gewidmet und war mit einem Durchmesser
von 150 mm die bis dahin absolut größte je geprägte Schau-
münze. (Siehe ”Bibliographical Notices of Medaillists”,
Vol. II; London 1904, von L. Forrer. Es werden mehr als
100 Münzen und Medaillen aufgeführt und dabei wird bemerkt,
dies seien nur die bekanntesten.)
14. Die am 4. Juni 1814 in Kraft getretene Verfassung (”Charte
constitutionnelle”), die ein dem englischen Parlamentaris-
mus ähnliches Regime geschaffen hatte, wurde nach den
Juli-Unruhen von 1830 abgeändert (”Charte bäclee”). Nach
Annahme der neuen Verfassung wurde der Herzog von
Orleans unter dem Namen Ludwig-Philipp I. zum König
von Frankreich ausgerufen,
15. Julius Menadier, ”Die Aachener Münzen”, 1913, S. 246.
16. ebd. S. 247.
68
Nordwind
von M.-Th. Weinert
Verharrscht der Pfad,
Büschelgras glitzert
im Rauhreif kristallen,
als seien Sterne vom Himmel gefallen.
Fichten und Föhren
erstarren weiß, S
der Wind weht Eis:
Strauch und Gezweige
reckt sich empor,
als wüchsen Korallen
im tiefen Moor,
weiße Korallen,
Wälder aus Eis...
Wer den Weg noch weiß,
ist nicht verloren-
der Nordwind heult
über den Mooren.
69
Unveröffentlichte Soldatenbriefe aus der
Franzosenzeit *
von Alfred Bertha u. Walter Meven
In den Archiven der ehemaligen Bank Walhorn — re-
gistriert im Staatsarchiv Lüttich unter ”Cours de Justice,
Walhorn” — fanden sich in einem ungeordneten Aktenstoß,
eingetragen unter Nr. 252 als ”Divers-Regime francais”, u.a.
einige Briefe napoleonischer Soldaten aus dem Walhorner
Raum. Für den einen mögen diese Briefe nur von sprachlichem
Interesse sein; ein anderer wird vielleicht in diesem oder
jenem Briefschreiber einen seiner Vorfahren entdecken ; vor
allem aber sind diese Briefe Zeugnisse menschlicher Not und
in ihrem naiv-kindlichen Ton haben sie etwas Rührendes, das
uns manchmal nachdenklich stimmt.
Im Aachener Stadtarchiv fanden sich ebenfalls in einem
ungeordneten Aktenbündel aus der Franzosenzeit einige Sol-
datenbriefe aus unserem Raum. Wie sie unter diese Akten
gekommen sind, läßt sich nicht sagen. In unserem Abdruck
versehen wir sie mit einem Sternchen vor dem Datum.
Aus dem Raume Walhorn - Astenet - Rabotrath dienten
mehr als 40 junge Männer im napoleonischen Heer. Der Wal-
horner Dorfchronist Caspar Scheen gibt ihre Namen und das
Jahr ihrer Einberufung. Als Anhang zu den Briefen bringen
wir diese Daten.
perigeux den 20ten dixember 1805
jean hendrickus
Eycken
Meine Liebe freunde
ich Lass euch alle meine Liebe mutter Schwester und
bruder mit gauter gesundheit greussen.
ich weiss nicht was das bedeutet das ihr mir kein ant-
wort geschrieben hat Dan ich hab mit Schmerzen auf antwort
* Weitere Soldatenbriefe aus der Bank Walhorn werden wir
in der folgenden Nummer dieser Zeitschrift abdrucken.
70
gewartet indessen dass ich kein gelt mehr und Langh kein
mehr gehabt hab so bitte ich euch noch einmael om Schehs
vonen wan diss nicht moeglich iss so schicket mir wenigstens
eine Carolin dan ohnen beistant is es onmoeglich zu Leben in
dessen ich mich doch aenjezu so bedienen muss so dencke ich
dass ihr dissmael erwegt seit und sorget das ich etwas gelt
bekome.
werteste freunde schicket mit antwort auf das geschwinste
Das ihr kanet da wolte ich auch gern wissen wie es mit das
jahr vierthien gegangen hat was fur dass komen oder nicht
op sie auch auf pirigeux aenkomen oder wo.
meine Liebe schwester das gelt von meine schnaellen "
schick mir dass ich hab. es aenjezu notwendigh den Brief den
ihr schicket macht ihm frey
meine Liebe freunde
ich Lass euch alle noch einmael greussen mutter schwesteren
und breuder verwante und bekante Lebt gesund dan ich hoffe
dass iehr noch alle Lebt und so gesundt seydt gelich wie
joannes hendrickus Eycken
adress wass ihr auf de briefen setzen musset Die ihr schicket
a monsieur jean hendrickus Eycken
Soldat ala 18eme Companie
3me batalione 26eme Regement
infanterie de Ligne a garnesone
a pirigeux
de partement de La Dordogne a pirigeux
meine Liebe freunde ich kan Euch sagen Das ich nicht
wohl dran bin es is sehr kalt in diesem Land man weiss nicht
wo man Lauft von kalte nach de herberge kan ich nicht gehen
in dem ich kein gelt hab
gerardus Cremer ich Lass dich Maria Chatarina Eykens
mit gauter gesundheit greussen Lebt gesundt
al wass aus onserem Land im Soldaten Stant sind abmar-
schirt diese sind auch alle in pirigeux beieinander
werteste freunde ihr musst mir schreiben op dass der erste
brif iss den ihr von mir empfangen hat
71
Saint Martin Isle de. Re le 4 fevrier 1806
Mon tres Cher frere et Ma Sceur
Je vous ecrits ces lignes pour m’informer, Si Vous etes
Toujour en bonne Sante tant qu’a Moi Dieu Merci je Suis
dans un etat parfait et jespere que La presente Vous trouvera
de meme Si Cela cest bien mon desir nous Somme ici bien
Loin du pays Sur cette ille que nous Voyons La Mere et Le
Ciel et la terre on en voit pas beaucoup. Nous Nous avons
embarque a Larrochelle pour venir a Lisle de Re justement
Le jour de Roy et Nous avons bien ete Malade Sur L’eau Mais
Sa va bien pour le present excepte que je nay plus d’argent
et y a deja Long Temps que je Ne peut seulement boire une
bouteille a deux sous; ainsi Mon’ frere Renvoyez S’il Vous
plait Le plus d’argent.que vous pouvez il y a deja plusieur de
Me Camarade qu’il M’en ont prete et Nous ne Somme pas
encore abielle (habille) nous aprainons deux fois lexercice par
jour.
Je fait Mille Compliment a Mon Cousin Le Maire Lams
je fait Mes Compliment a mes frere et Soeur et a Toute La
famille je finis en vous embrassant et Suis pour La vie votre
Irere
Jean Christianne Beckers
Renvoyez Moi La Reponse le plutot Possible avec Largent
parce que nous ne Somme pas Surre de Reste Long temps ici
et je vous prie de Menfranchir Lareponce
je vous Salue et vous embrasse Toute La fammille
Mon adresse e(s)t au Sieur jean Christianne Beckers Sol-
dat dans La troisieme Compagnie du Second Bataillon du
quatre vingt et troizieme Regiment denfanterie en garnison
a Saint Martin a Lisle de Re departement de la Charante
inferieure
Hendrick Beckers
CE
an Itali den 6 merzs 1808
Viel geliebste mutter schwisteren brütter Verwanten und be-
kanten hiemit sagen ich euch des ich noch frisch und gesundt
bin wie ich auch von euch Verhoffen
es ist jezs ein gahr das ich den nasten brief von euch bekom-
men der nasten und der lezsten dar auf hab ich auch ein
antwortt geschicket und auch ein cerrtifikait wie ihr begeret
hat- ich hab dar auf aber kein antwort mehr bekommen ich
hoffen das diesen brief ankommen soll-
liebste mutter anna mariya wöll vom assent in fahn (1)
so bin ich von euch begeren das ihr mir 8 Kronnentaler ‚,
gelt schicket da wir sennt in ein so sehr schlechtes lant wo
alles sehr teur ist und bekommen sehr wenig gelt die Kreu-
zer (?) die wir von den franzosen bekommen die haben wir
nothwentig vor unsere Kleider zu butzssen und mir seint
etlich mahl ein monatt das mir kein Kreuzer bekommen ‚dan
der hunger ist so gros bei uns das brot das mir vor 2 tagen
bekommen das essen mir auf einen tag
mit seint aber noch auf die nemliche plazs wo mir vor
einem jahr angekommen seint-
ich weis euch nichts neues zu schreiben es ist aber kein
Krieg vor hanten also saget mir wieviel mahl die franzossen
die jung gesellen getrocken (ausgehoben) haben das mir von
haus bin dan es war unter hundert man wie wir hier ange-
kommen bin in palmanofa es ist jezs das halbschet nicht
mehr lebentig und ich sagen euch auch das nikolas elsen auch
in das hospital gestorben ist
Hans aus Ketnes damit könnet ihr seiner mutter sagen den
brief den ihr mir zuruck schreibet den lasset mir auf deuzs
schreiben jezs lassen ich euch alle freuntlich gruessen sewar
vör assent aus der fahn-----
Voila mon nadres amonsieur Gerard Meut
Soldat au 53 eme Regement d’ienfanterre de ligne
ler Bataillon 7e Compagnie en garnisont
a palmanova dans
L’Italie
1. Gemeint ist der Gutshof ”Fahn”.
74
* Landau der 18 9ber 1808
Anton Janclaes
Lieben Mutter Ich Grüse euch und ich Hoffen das ihr
noch friech und gesund seid und Schwester und Schwager
und Halbschwager und Bruder und alle meinen Freunden.
Ich hoffe das Sie noch friech und Gesund sein als ich bin Gott
sei Dank ich bin noch friech und Gesund. Ich schreiben euch
dan das ist das zweite mal das ich Schreiben ich hab den 8
Geschrieben aber ich weiss nicht ob den brieff ankommen
ist oder nicht. nun bitte ich ihnen wan er nicht ist so Schrie-
ben sie mir auf diese Eillenss antwoorth dan mann sagt das wir ‚,
in Zeit von 14 Tage auf Spangen nach baion gingen ich Schrei-
ben ihnen wie es mir Geht es Geht mir rech woll wir seind
den 4 ankommenden 5 seind wir gekleith worden den 7 ange-
fangen zu Exerzirene alle Tage zwey mall morgens 2 Stund
und nachmittags zwey Stund und alle Wochge 5 Tag samstag
ist Vur uns dan mussen wir alles putzen vor den Suntag dan
mus keinen flecken an den ganzen leib sin.
wan ich auf Schildwach Stehe so denken ich oft. Wan ich
mihr dan nachbedenke so richten sich die Haren gen Himmel
und denk wo Stehs du Jezunder und wo hasst du gestanden
über 6 wuche Jezunder (?)
ich dieses das geld so ich hatte war auf wie ich acht
Tageda war ich ausgebe in die Kügen Vor alles was mann
mus habe Vor zu putzen und alles putzen lassen das Erste
mal nun bitte ich euch Mutter und Schwager was ich noch
von Kleider hab die sie nich brauchen kunnen, die don sie
Verkaufen und schicken mir ein klein wenig Vor das leste
$ mahl nicht das sie zu wenig habe an das geld das sie mir
mit gegeben. Wan es nicht ist so ist es eben gut. Vor meinen
alten Kleider hab ich nichts bekommen Sie seind al verkauft
worden und in das was geschrieben wordenwan ich weg muss
so schreiben ich Ihnnen ist es aber nicht so schreibe ich nicht
mer in 8 woche nun wir von Eupen seind al beienander ob zu
zwey na Perrnay und Nellessen nun Mutter und Frunden halt
euch friech und gesund als wie ich hoff das ihr seid wan ihr
den brief auf die post draag so geb 3 zu wan ihr die 3 zu
75
nicht geb so mus ich er 18 Zu gebe Schlim geschrieben in
dem Verbleiben
Mein Adres
A Monsieur hry antoine Janclaes
Soldat a Landau 39 Regiment
4e bataillon primier Comagnie
a Landau
Departement Debarihne (du Bas Rhin)
Adressat ist Henrich Jerusalem a Eupen departement de l’ourte
par liege a Eupen.
Als Randnotiz steht noch zu lesen : ”Ein Gruß an Kakers”.
* Olem den 20 Merz 1809
Liebster Mutter
Ich Schreibe Euch einen brief und der ich hoffen das
Euch und alle meinen frunden bey guter Gesundheit sind als ich
Gott sei Dank auch noch bin. Ich hette Ihnen aus Saarburg
geschrieben aber ich habe nicht gekönte den 6 sein ich aus
Landau gegangen und den 14 aus Saarburg und nun bin’ich
alle dage auf Mars (Marsch) gewesen wir musten alle dage
10 11 Stund magen das wir bey Zeit auf die Hochzeit kommen
bei ausburg doch seind wir die reserves wir bleiben noch 20
Stund vom Sturm (?) doen sie nur vor mir bette dass Gotte
mir giebt was mir seelig ist.
Sie schreiben mir kein antwort wan ich noch ein mal der
Zeit hab dan Schreib ich Ihnen was wurd, dan ich hab nun
kein Zeit Sie höre es genug in dem verbleiben ich Euer ge-
treuste Sohn anton Janclaes
ich gruess Euch noch viel dausendmal alle und ich hoffe
das Sie an mir denken bies auf neues
Der Brief ist adressiert an
Monsieur leonard Janclaes ä Eupen
da le rue de Capucin
arrondissement de Malmedy
departement de l’ourt
a Eupen
76
* Liens den 7 januar 1810
Mein viel geliebter vatter und Mutter Schwesteren und
broder ich Las euch tausentmahl grossen und ich wuensch
euch alle ein geloecksieliges neues jahr ietzt wiel ich euch
schreiben das ich im dreiten munath kranck bien und ich hab
kein ort gelt mein gelt was ich‘ noch gehabt hab das ist in
meine fabelei gestohlen, nun biet ich euch Schieket mier ei-
lens vier Carleinen gelt in franze Kronen ich bien in zwei
monath noch nicht ganz besser meine bein und arm haben
Loecher ein Schicket mich von gelt was ihr koenet es ist das
Letzte, Amen.
Liensch an der Donau
im Colaege Spital
a otteris
Johannes Joseph Fober, de la garde, 2" Regiment 1 Bataillon,
4me Companiede Schasaurs (Chasseurs) de la garde apied
imperial ä lecolle militaire, a Paries
Johann Jos. Fober adressierte diesen Brief aus Linz an seinen
Vater
Monsieur hubertus Fober
Commune de Walhorn Canton de Eupen
4 Departement de Lourt arondissement de Malmedy a
Eupen Cito (eilt)
#
Die Schreiber der Briefe :
Jean Hendricus Eycken (s) aus Walhorn, schrieb am 20.
12.1805 aus Perigueux (etwa 100 Km östlich von Bordeaux).
Wurde 1804 einberufen. Im selben Jahre mußten noch 11
andere junge Leute aus der Walhorner Gegend einrücken. Sie
lagen alle Ende 1805 zusammen in Perigueux.
Joh. Christian Beckers aus Walhorn, einberufen 1804,
schrieb am 4.2. 1806 aus St. Martin auf der Insel Re (an der
Westküste Frankreichs). In seinem in französischer Sprache
geschriebenen Brief heißt es, sie seien von La Rochelle aus
in See gestochen und sehr seekrank gewesen. Es gehe ihm
gut, aber er habe kein Geld mehr und habe schon lange nur
noch eine Flasche zu zwei Sous kaufen können. Mehrere
Kameraden hätten ihm schon Ged geliehen ; die Uniform habe
er noch nicht ; zweimal täglich werde exerziert.
Gerard Meut, der am 6. März 1808 aus Palmanova in Ita-
lien schreibt, ist nicht unter den von Caspar Scheen Genannten.
Anton Janclaes aus Eupen schreibt am 18. November 1808
aus Landau in der Pfalz (Landau war von 1679-1815 franzö-
sisch). Seinem Brief entnehnr@&r wir, daß alle Eupener. in
Landau zusammen liegen. Vier Monate später schreibt es aus
”Olem”, d.h. Ulm.
Johann Joseph Fober aus Belven (Walhorner Enklave bei
Raeren) wurde einberufen i.J. 1808. Am 7. Jan. 1810 schreibt er
aus dem Militärspital von Linz an der Donau. Er bittet seine
Eltern um Geld, da man ihm in seiner ”fabelei” d.h. im
Fieberwahn, sein restliches Geld gestohlen habe.
78
Der Ausbruch
— ein satirisches Gedicht —
nr E von Gerard Tatas
Ein Franziskaner, rund und dick, Der Pater ist.nun insofern
Umgürtet mit dem Geißelstrick, Ein großer Redner vor dem Herrn,
Ein Büßer, dem das Fasten man Als er, zumindest dann und wann,
Nicht grade sieht am Bauche an, Auch mit dem Bauche atmen kann,
Der füllt mit. diesem Körperteil Ein Trick, den er dem Heldenvater
Die Kanzel aus und predigt : Heil, Hat abgeguckt im Stadttheater. ,
Heil dem, der lebt in Mäßigkeit, Und weil er, ohnehin beleibt, is
Er sei gelobt, gebenedeit ! Heut richtig Zwerchfellatmung treibt,
Im Himmel wird er wie auf Erden Der Puste wegen beim Verdammen
Belohnt für seine Tugend werden ! Der.Christenschar zu Höllenflammen,
So spricht der Pater mit Emphase, Drum wölbt beim Atemholen auch
Vor Rührung putzt. man sich die Nase. Sich kolossal der Paterbauch,
Doch gibt’s auch‘ Christen, die sofort Und zwar dermaßen, daß der Strick
Sind eingenickt beim Gotteswort. Um seinen Leib im Augenblick
Um diese nun in allen Ecken Zerreißt, wo mit Gewittermacht
Der Kirche mit Gewalt zu wecken, Der Höhepunkt kommt, daß es kracht.
Fängt plötzlich unser frommer Mann Nicht achtend des Objektes Tücke
Zu schimpfen‘ wie ein Rohrspatz an : Fährt kurzerhand und ohne Lücke
In allen Ewigkeiten sei Zu wüten fort der dicke Pater.
Verflucht, verdammt die Völlerei ! Da sagt ein Bub’ zu seinem Vater,
Der Satanas bestrafe sie Mit dem er in der Kirche kniet,
Mit Höllenpein und ‚auch schon hie Als dieser Zwischenfall geschieht,
Mit Zipperlein und Podagra ! Der ihn erfüllt mit Angst und Graus :
Et cetera, et cetera. ”Schnell, Vater, schnell, hinaus, hinaus!
Was nun passiert, kann man nicht wisser
Der Dicke hat sich losgerissen !”
79
Das Porträt
von Dr. G. De Ridder
Der Göhltalvereinigung
T S An ist es eine Freude, seinen
. 4 x Lesern an dieser Stelle ei-
2 ‘) nen Mann vorstellen zu
5 4 können, dessen ganzes Le-
DE » X Y ben Einsatz für die Heimat
A war (und ist) und der durch
we 7 sein Wirken als Lehrer und
A Musikpädagoge sowie
A \ durch seine Tätigkeit als
Y AM Heimatschriftsteller einen
| wesentlichen Beitrag zum
kulturellen Leben unseres
Gebietes geleistet hat und
noch leistet.
Wer verbirgt sich hinter den Initialen C.C., mit denen
die Artikel gezeichnet sind, die seit vielen Jahren in der loka-
len Presse, im ”Grenz-Echo” und im ”Courrier” erscheinen ?
Charles Cravatte wurde am 24. 12. 1907 als Sohn der Ehe-
leute Ferdinand Cravatte und Odile Radermecker in Sippe-
naeken geboren. Der Vater, aus der Arloner Gegend stammend,
übernahm um 1890 die vakant gewordene Stelle eines Ge-
meindeschullehrers in Sippenaeken, die er bis zu seinem Tode
i.J. 1942 innehatte. C.C. besuchte die Volksschule bei seinem
Vater und ging 1922 zum Staatlichen Lehrerseminar in Ver-
viers, wo er am 30. 6. 1926 sein Lehrerdiplom erhielt. Seit 1926
bekleidete er das Amt eines Volksschullehrers an der Kelmiser
Gemeindeschule und wurde 1947 provisorischer, 1949 fest
ernannter Hauptlehrer der Knabenschule. Von 1950 bis 1966
leitete er die Vereinigte Knaben- und Mädchenschule der
Gemeinde Kelmis. Unentwegt setzte er sich für die Belange
seiner Schüler ein und bemühte sich stets, seinen Schülern
den Lehrstoff so angenehm wie möglich nahe zu bringen.
Daneben förderte er sehr den Musikunterricht, denn Musik
war sein Hobby. Auf dem Heimweg von Kelmis nach Sippe-
naeken stoppte er so manches Mal seine Radfahrt vor dem
Hause Herzet in Moresnet. Denn schon vor dem Krieg nahm
80
er Unterricht bei dem Vater des heutigen bekannten Diri-
genten und Violinisten Jean Herzet. C.C. verdankte Josef
Herzet seine ganze musikpädagogische Ausbildung. Von ihm
erlernte er das Dirigieren. Für die 8 Jahre, die er mit ihm als
Schüler verbringen durfte, ist er noch heute dankbar.
Nach einem Konzertabend in Eupen, auf dem er einen
französischen Knabenchor miterlebte, war er fest entschlossen,
auch mit seinen Schülern solch einen Chor aufzubauen, zumal
es in dieser Gegend nichts Ähnliches gab. Im September 1946
gründete er den Chor ”Die kleinen Kelmiser Sänger”. Klassi-
sche Musik und Volkslieder in allen Sprachen wurden ein-
studiert. Oft war das Froben eines neuen Liedes, besonders *
in einer slawischen Sprache, gar nicht so einfach, auch wenn
er sich auf das Orgel- und Klavierspielen verstand. Ehe C.C.
glavbte, das Lied seinen Schülern beibringen zu können, hatte
er es sicherlich 20 mal und oft mehr selbst gehört und nach-
gesungen. Befragt nach seinem Lieblingskomponisten antwor-
tete er prompt : Mozart, weil seine Musik so erfreulich ist.
Aber auch einige Symphonien von Beethoven und die Musik
von Bach und Händel bedeuten ihm viel. Bis 1973 führte er
die ”Kleinen Kelmiser Sänger” zu einer respektabeln Aner-
kennung weit über die enge Heimat hinaus.
Wo und wann immer. C. C. musikalisch tätig sein konnte,
stellte er sich zur Verfügung..So übernahm er auch für viele
Jahre die Leitung des ”Mimosa-Quartetts” und des ”Ulk-
Sextetts”, Kelmis-Neu-Moresneter Chöre mit karnevalistischer
Einstellung. Als dem Kelmiser Kirchenchor durch den Tod
von Herrn Radermaker der Dirigent genommen wurde, über-
trug man ihm die Leitung, bis er in Herrn Plum einen würdi-
gen Nachfolger fand. Auch das Orchester der Patronage Kel-
mis leitete Charles Cravatte jahrelang. Und noch heute, 3
Jahre nachdem er die Leitung des Knabenchores Herrn Henry
Conrad übertragen hat, besucht er weiterhin die an jedem
Montag und Freitag stattfindenden Proben für den Fall, daß
diese Sänger seine Hilfe benötigen.
Sitzt man C.C. gegenüber, so ist man sehr verwundert,
mit welcher Bescheidenheit dieser Mann über die jahrelangen
beruflichen und nebenberuflichen Tätigkeiten berichtet, die
seine gesamte freie Zeit in Anspruch nahmen, Man staunt noch
81
mehr, wenn man erfährt, daß daneben auch Zeit für Ge-
schichtliche Studien, besonders des Göhltalraumes, blieb, die
— in deutscher und französischer Sprache veröffentlicht —
sich eines großen Leserkreises erfreuen. Aber auch seine Be-
richte über Musikveranstaltungen spiegeln in der Beurteilung
seine musikalischen Kenntnisse und die dadurch bedingte Kri-
tikfähigkeit wider.
Der Mensch C. C. stellte sein Leben uneigennützig in den
Dienst der Arbeit als Lehrer und als Förderer des kulturellen
Lebens im Kelmiser Raum. Bei dem Gedanken an s2in Leben
huscht ein kleines Lächeln über sein Gesicht, denn er ist
zufrieden, daß er überhaupt in dieser Form tätig sein durfte,
auch wenn das Schicksal ihn privat gar nicht so verwöhnt
hat. Seine Ehe mit Marie-Luise Chanteux blieb kinderlos.
Als seine Frau 1946 schwer erkrankte, pflegte er sie 12 Jahre
bis zu ihrem Tode 1958 mit großer Geduld.
Die Bescheidenheit und die Zufriedenheit dieses Menschen,
der als Berichterstatter unter dem Zeichen C. C. sehr geschätzt
ist, und der unentwegt tätig ist, auch wenn es heute ein wenig
langsamer als früher geht, steht beispielhaft da und fordert,
gerade in dieser Zeit, unwillkürlich zum Nachdenken auf.
Gerhard Paulus,
ein Moresneter Geselle bei Valens Zimmermann
von Dr. G. De Ridder
Anläßlich eines Lichtbildervortrages in Moresnet sprach
eine alte Dame den Vortragenden mit folgenden Worten an:
Herr Leclerc, Sie haben soeben so ausdrucksvolle Bilder vom
Kalvarienberg gezeigt, wußten sie eigentlich, daß mein Mann
beim Aufbau der Stationen als Geselle von Valens Zimmer-
mann mitbeteiligt war? Was bisher noch nicht so klar war,
wurde sehr schnell in Form eines Gesellenbriefes ans Licht
befördert ; dieser Brief, vor dem Feuer gerade noch von einer
Tochter gerettet, beweist in der Tat, daß Gerhard Paulus vom
5.9. 1901 bis 20. 9.1905 in die Lehre beim Kunstschmied Va-
lens Zimmermann in Moresnet-Kapelle gegangen war. Und
wer war dieser Gerhard Paulus ? Am 15. 9. 1885 wurde er als
Sohn einer langansässigen Moresneter Familie in Moresnet-
82
Kapelle geboren. Als man 1899 mit den Ausschachtungsarbei-
ten der Kreuzweganlage begann, war Gerhard Paulus zu-
nächst bei diesen Erdarbeiten beschäftigt. Später trat er als
Lehrling in das Atelier bei Valens Zimmermann ein. Als er
am 20. 9. 1905 seine Lehre beendete, konnte er mit Stolz sein
Gesellenstück sehen. lassen : es waren die Ausgangstür des
Kalvarienbergs sowie die Kunstschmiedearbeiten an der 14.
Station. Es versteht sich von selbst, daß er während seiner
Lehrjahre an allen Kunstschmiedearbeiten des Kalvarienbergs
unter der Führung von Valens Zimmermann mitarbeitete.
Nach seiner Lehre führten ihn einige Jahre nach Köln, ehe
er 1913 die Moresneterin Frau Josefine Malmendier in Mores- ‚,
net heiratete. Von nun an arbeitete er in Moresnet und war
vorwiegend beim Brückenbau des Viaduktes und beim Wieder-
aufbau bis nach dem 2. Weltkrieg beschäftigt. Kunstschmiede-
eiserne Arbeiten führte er daneben weiterhin auf einer ein-
fachen Feldschmiede durch. Auf Wunsch fertigte er für die
Pfarrkirche von Henri-Chapelle 6 Kronenleuchter an, die je-
weils mit Rosen, Efeu- oder Lilienranken dekoriert waren.
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Kronenleuchter angefertigt durch G. Paulus;
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(Foto A. Janssen)
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Der Gesellenbrief (Foto A. Janssen)
Noch heute sind sie in dieser Kirche zu sehen. So manche
Kunstschmiedeeisen an Türen und Fenstern in der gesamten
Nachbarschaft stammen aus der Hand Gerhard Paulus’.
Seine 9 Kinder, von denen noch 6 leben, hat er mit manch
schönem Bilder- oder Spiegelrahmen, geschmückt mit einem
Blattwerk, beehrt. Das Kreuz auf dem Turm der Moresneter
Pfarrkirche, angefertigt in der Werkstatt bei Valens Zimmer-
mann, wurde durch ihn dort angebracht. Am 24. 5. 1965 wur-
de Gerhard Paulus in Moresnet begraben.
Das alles und noch manch andere Moresneter Geschichte
weiß die heute 81 jährige Witwe noch mit erstaunlicher Frische
zu berichten, und dabei betrachtet sie mit einem gewissen
Stolz den in ihrer Hand liegenden eisernen Bilderrahmen, den
ihr Mann durch das Rosenblattwerk in ein kleines Kunst-
werk verwandelt hat.
84
Ein Hang von Gundelreben an der Göhl
von Leonie Wichert-Schmetz
Es ist, als wenn er schliefe
Und sacht erglühe,
Als wenn ihn eine Stimme riefe
In aller Frühe.
Da ist er lachend aufgewacht, .
Aus tausend Knospen aufgesprungen,
Mit blauer Blütenkelche Pracht
Hat er des Winters Macht bezwungen.
Nun blüht er voll in aller Süße,
Und goldene Falter ihn umschweben.
Oh Wandrer, hüte deine Füße,
Daß du nicht tötest dieses Leben !
85
Rechtschreibenormen für das Südniederfränkische
Nachtrag und Berichtigungen
von Rene Jongen
Die gedruckte Wiedergabe meines Manuskriptes (””Im Göhl-
tal Nr. 17, S. 42 ff.) hat mich darauf aufmerksam gemacht, daß
es bei der Transkription des offenen /ö/ (Vokal vierten Öff-
nungsgrades, Vgl. S. 49) drucktechnische Schwierigkeiten gibt.
Ich möchte zu deren Überwindung folgendes vorschlagen : Wie-
dergabe des Vokals vierten Öffnungsgrades, des sog. offenen /o/
(wie in Dtsch. ”Gott’”’) durch etwa /9 / (d.h. /o/ mit untergesetz-
tem Komma).
Eine andere drucktechnische Schwierigkeit ergab sich bei der
Wiedergabe des offenen /i/, das durch /i/ mit untergesetztem
Komma transkribiert werden sollte. Da dieses Symbol nicht vor-
handen ist, sollte man es durch /I/ wiedergeben. (S. 46, Zeile
18-21)
Auf Seite 48 des gen. Artikels (unter ”’Vokale, 3.1) muß es
heißen :
i BU
(I Ü U)
6 ö o
€ d ö
a
Seite 49, Zeile 2 lies : &ne moothdvvel
Ibid. unter 3) 1A,4), lies: &d
Seite 51, unter 1b. lies : wö&tt/wöett (Wörter)-& wö&t (ein Wort)-
&n kö&dd/ko&dd (eine Kordel)
Seite 52, unter II (Konsonanten) 2. lies : z.B. veel (Fell)
unter 3. lies : vlejsch (Fleisch)
unter 8. lies : z.B. schlö&(:)pe (schlafen), pösch(h)e
(Ostern), s(ch)pöd(:) (spät)
Seite 53, unter 11. lies (Im Göhltal Nr. 16, S. 84) steht (jloet) =
jldet/jlo&t, im dritten Gedicht dagegen (S. 86) steht
(Gjegloet) = jeglö@t/jeglo&t.
Seite 54, Zeile 6-7, lies : z.B. ech vrö&(:)g dat (ich frage das) und
nicht etwa : ech frö&(:)ch tat .
In der Transkription nach dem Maximalsystem des Gedichtes von
G. Tatas auf S. 55-56 müßte jedes /6/ durch /d/ ersetzt werden.
Und in Zeile 4, lies statt ’hömm”’ : hd7mm. Desgl. S. 56, Zeile 1:
”Kidss”, Zeile 5 und Zeile 10 : ”dddn”.
In den Anmerkungen S. 56, unter 6 lies : z.B. e wet (er weiß)
und e wit (ein Weißes) sind für sie völlig gleichlautend.
836
Auf dem Büchermarkt
von Alfred Bertha
”Der Klerus im Bistum Lüttich (1825-1967)” heißt der
Titel einer zweibändigen Publikation des Ehrenarchivars der
Diözese Lüttich, Kanonikus Egide Koninckx. Der erste Ausgabe
erschien 1974. Nunmehr liegt auch Ausgabe 2 dieser Veröffent-
lichung vor (1).
Kanonikus Koninckx gibt die Namen von 4.862 Priestern
der Diözese Lüttich, so wie sie im Diözesanbuch, dem ”Direc-
torium romanum ad usum diocesis Leodiensis” zwischen 1825 *
und 1967 erschienen sind, d.h., daß es sich um ein alphabe-
tisches Verzeichnis der beim Bistum. vorliegenden Todesan-
zeigen handelt. Zu den einzelnen Namen gibt Koninckx den
Geburtsort, manchmal das Geburtsdatum, einzelne Lebens-
stationen und den Sterbetag.
Es war nicht die Absicht des Herausgebers, ein Standart-
werk ä la Janssen-Lohmann zu verfassen. Er hat sich wissent-
lich auf das ihm unmittelbar zugängliche Quellenmaterial der
Todesanzeigen beschränkt und dieses ausgewertet. Vergeblich
sucht man also Angaben zur Person der Eltern, zu den Weihe-
daten und Ähnlichem. Es fehlen in diesem Nekrologium na-
türlich auch die Namen all jener Geistlichen, die zwar im
Bistum Lüttich gewirkt haben, aber außerhalb dieses Bistums
gestorben sind.
Bei aller Beschränktheit bleibt die Veröffentlichung von
Kanonikus Koninckx doch ein sehr brauchbares Nachschlage-
werk und eine Bereicherung unseres heimatkundlichen Schrift-
tums.
Zu den fruchtbarsten Heimatschriftstellern unseres Rau-
mes gehört zweifelsohne der derzeitige Pfarrer von Raeren,
Viktor Gielen. Mit der Veröffentlichung seiner ”Geschichte
der Mutterpfarre und Hochbank Walhorn” im Jahre 1963
setzte Viktor Gielen ein Zeichen, er wagte einen Neubeginn
heimatschriftstellerischer Tätigkeit in unserem Gebiet. In der
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Sammlung ”Bild der Heimat” sind inzwischen 8 Bände aus
seiner Feder erschienen, und viele wurden dadurch zu ähn-
lichem Tun angeregt.
Die Bände 1-6 der gen. Reihe sind inzwischen vergriffen.
Ausgabe 7 (”Das Kreuz der Verlobten”) erschien kürzlich auch
in französischer Übersetzung. Sein neuestes Werk nennt Vik-
tor Gielen ”Zwischen Aachener Wald und Münsterwald” und
gibt ihm den Untertitel ”Historische Plaudereien” (2).
”Unsere Wälder”, so sagt der Verfasser einleitend, ”sind
voller Geheimnisse. Vieles hat sich im Laufe der Jahrhunderte
und Jahrtausende in ihrem Schoße zugetragen. Einiges davon
soll in diesem Buch erzählt werden...” Viktor Gielen führt
uns zurück in die vorgeschichtliche Zeit der Hügelgräber im
Aachener Wald, er berichtet vom Wälderstreit zwischen Wal-
horn und Aachen, von den Wölfen, den Grenzgräben, dem
Wald als Erholungsgebiet und vielem anderen mehr. Ein be-
sonderes Kapitel widmet er der Geschichte von Aachen-Sief
und nimmt uns anschließend mit auf einen Streifzug durch
die Wälder zwischen Sief, Raeren und Petergensfeld. Schmun-
zelnd lesen wir, wie die Eilendorfer den Aachenern die Schweine
wegnahmen, und nehmen dann an einem Festschmaus der
Forstbeamten im Mittelalter teil. Mit einem ”kleinen Wald-
lexikon” und einem umfangreichen Namen- und Sachregister
beschließt V. Gielen seine ”historischen Plaudereien”, von
denen Oberforstrat Rainer Kerz im Klappentext sagt : ”Dieses
Buch... ist mehr als eine ”historische Plauderei” es gibt ein
reiches Bild über das grüne Umland unserer Stadt und
schließt so eine Lücke in der Aachener Heimatgeschichte.”
”Zwischen Göhl und Weser” nennen Leo Kever und Erich
Barth einen Sammelband mit Aufsätzen über Sehens- und
Wissenswertes in und aus dem Raum zwischen Raeren/Eupen
und Bleyberg. Das Buch erschien kurz vor Weihnachten 75 im
Grenz-Echo Verlag in Eupen (3). Es ist das erste Mal, daß
der Versuch gemacht wird, das genannte Gebiet in seiner
Ganzheit zu sehen. Daß dabei vieles unberücksichtigt bleiben
mußte, braucht wohl nicht betont zu werden ; auch nicht, daß
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die verschiedenen Beiträge (8 verschiedene Autoren) von ganz
unterschiedlichem Niveau sind. Es ist hier nicht der Raum,
auf die einzelnen Abhandlungen und Aufsätze einzugehen,
doch kann man wohl sagen, daß die Herausgeber das erreicht
haben, was sie mit diesem Buch bezweckten, nämlich dem
Leser Anregungen geben, ihn auf viele unbekannte Schönhei-
ten der Heimat aufmerksam machen, ihn das Gebiet zwischen
Göhl und Weser neuentdecken lassen. Dazu darf man sie be-
glückwünschen und dem Buche eine zweite Auflage wünschen,
damit auch die vielen bei der Lektüre manchmal störend wir-
kenden Fehler ausgemerzt werden können.
Als Sonderdruck aus der Aachener Volkszeitung liegt nun
schon in 2. verbesserter Auflage ”Die Amis sind da” von Char-
les Whiting und. Wolfgang Trees vor (4). 103 Folgen einer
Artikelserie über die Eroberung und den Fall Aachens 1944-45
haben die Autoren zu 22 Kapitel zusammengefaßt und durch
neues Material ergänzt. Daß bei der Schilderung der dama-
ligen Ereignisse auch unser Grenzgebiet berührt wird, ist
selbstverständlich. Das dem Ausgabee angefügte Ortsregister
enthält fast alle Namen unseres Göhltalraumes und viele un-
serer Leser werden heute, 30 Jahre danach, sich freuen, die
langsam schwindenden Erinnerungen (— zugegeben : nicht
immer schöne —) bei der Lektüre dieses Buches aufleben zu
lassen.
Besondere Beachtung verdient das Werk auch wegen sei-
ner sehr reichen Bebilderung und der zahlreichen Karten, die
den Text auflockern und verdeutlichen.
An dieser Stelle müssen. wir auch kurz auf eine weitere
Neuerscheinung hinweisen. ”Mit 15 an die Kanonen” heißt die
”Fallstudie” über das Schicksal der als Luftwaffenhelfer (LwH)
eingesetzten Oberschüler in den Sperrfeuerbatterien rund um
Aachen während der anglo-amerikanischen Luftoffensive der
Jahre 1943/44 (5). Diese Studie wurde erarbeitet von Ober-
sekundanern des Aachener Kaiser-Karls-Gymnasiums, die es
sich zur Aufgabe gesetzt hatten, unter Anleitung einiger Fach-
59
lehrer (Geschichte-Deutsch) anhand von Interviews, Tagebü-
chern, Briefen und anderen Quellen das Schicksal der 15-17
jährigen Flakhelfer in den Jahren 1943-44 nachzuzeichnen,
jener 788 Jungen, die seit 1943, dem Beginn des ”totalen
Krieges” als ”Luftwaffenhelfer” von der Schulbank weg in
den Fliegerabwehrstellungen in und um Aachen eingesetzt
wurden. Unter diesen Oberschülern befanden sich auch 12
von der Oberschule Eupen, 31 aus Malmedy und 17 aus
St. Vith. Wie sie lebten, was sie erlebten, wie diese ”geistig
Kriegsbeschädigten” vorzeitig zu Männern wurden und nach
dem Kriege versuchen mußten, den‘ Anschluß an das unter-
brochene Studium wiederzufinden, das ist ein Stück Zeitge-
schichte, dessen Lektüre nur empfohlen werden kann.
OO EEE
1. Bd. 1, 1974, Bd. 2, 1975, zus. 394 S., 350 Fr. + 20 Fr. Porto.
Erhältlich durch Überweisung des Betrages auf P.S.K.
000-0659266-54 der Societe d’Art et d’Histoire du Diocese de
Liege, Lüttich.
2. V. Gielen, ”Zwischen Aachener Wald und Münsterwald”,
Markus Vlg. Eupen, 1975, 192 S., zahlreiche Fotos und Zeich-
nungen, Leinen mit Schutzumschlag.
3. ”Zwischen Göhl und Weser”, Grenz-Echo Vlg. Eupen, 160 S.,
Leinen mit Schutzumschlag, 390 Fr., Mitglieder-Vorzugspreis
320 Fr. Bestellungen beim Präsidenten unserer Vereinigung.
4. ”Die Amis sind da!” Zeitungsverlag Aachen GmbH, 2. Aufl,
1975, 288 S., 15 DM.
5, ”Mit 15 an die Kanonen”, erschienen im Selbstverlag der
UIa des KKG, Aachen 1975, kartoniert, 313 S., 8 S. Abb.,
DM 12,--.
90
Tätigkeitsbericht 1975
von Dr. G. De Ridder
Januar : Am 31. 1. gaben die Geologen Felder (Holland) im
Kulturzentrum einen Lichtbildervortrag über das Wesentliche
des Sammelns von Steinen und Fossilien. In Gegenwart zahl-
reicher Besucher wurden Fossilien und Steine identifiziert.
Februar : Am 16. 2. fand im Park-Cafe die jährliche General-
versammlung unter dem Vorsitz von Präsident Peter Zimmer
statt. Mit besonderen Worten bedankte er sich bei Rundfunk und
Presse für die Unterstützung in den vielfältigsten Belangen des
Vereins. Der Tätigkeitsbericht 1974 wurde von Frau Dr. De
Ridder verlesen. Er gab einen Überblick über das abwechslungs-
reiche Veranstaltungsprogramm und über die vielfältigen Be-
mühungen zur Erhaltung der Galmeiflora. Besondere Pläne und »
Gedanken wurden zum Jahr des Denkmalschutzes geäußert,
denn dieses sollte unsere Vereinigung veranlassen, alle ihr zur
Verfügung stehenden Möglichkeiten für dieses Thema zu benüt-
zen, um unsere geschichtliche Vergangenheit gegenwärtig zu er-
halten. Der Kassenbericht, durch den Kassierer, Herrn Stein-
beck, verlesen, wies ein Defizit von 43 873.- Fr. auf. das durch
Rücklagen des Vereins ausgeglichen werden konnte. Eine Anhe-
bung des Mitgliedsbeitrages auf 200.- Fr. war notwendig ge-
worden.
Am 28. 2. hielt Herr Otto Hirtz (Aachen) einen Lichtbilder-
vortrag zur Charakterisierung der Landschaft entlang der Göhl
von Hauset bis Epen. Mit über 150 Lichtbildern verstand es der
Redner, die Vegetation und die Landschaft des Göhltals vor
zahlreichen Zuhörern lebendig werden zu lassen.
März : Dieser Monat stand vorwiegend unter dem Zeichen in-
tensivster und aktivster Arbeiten zur Gestaltung der im April
stattfindenden Ausstellung im Rahmen des Denkmalschutzjahres.
Viele Wege wurden abgefahren, um Ausstellungsgegenstände
herbeizuholen. Zahlreiche Telefongespräche mußten geführt wer-
den, viele Briefe wurden verschickt. Die 17 Gemeindeverwal-
tungen des Göhltals wurden angesprochen. Groß war die Hilfs-
bereitschaft vieler Leute.
April : In der Zeit vom 5. - 13. 4. 75 fand in der Patronage
Kelmis eine Ausstellung statt, die durch den Kulturinspektor
Pauauet eröffnet wurde. Diese gab einen guten Überblick über
die Geschichte der 17 Göhltalgemeinden. Neben einer sehens-
werten Fotoausstellung wurden Postkarten, Briefmarken, alte
Geldscheine, Landkarten, Münzen, Grubenlampen, Fahnen, alte
Zeitungen, Briefe, alte Uniformen, ein Briefkasten des Kaiser-
lichen Postamtes Preußen-Moresnet, daneben aber auch unschätz-
bar wertvolle Dokumente des Lütticher Archives aus dem 15.
und 16. Jahrhundert und vieles andere geschichtlich Wertvolle
präsentiert. Fast 1500 Besucher zollten dieser reich ausge-
statteten Ausstellung ihre Anerkennung.
An dieser Stelle sei ein bescheidener Dank all denen ausge-
sprochen, die Ausstellungsgegenstände zur Verfügung stellten,
und die bei der Durchführung dieses Unternehmens mithalfen.
91
Dank gilt aber auch den Gemeinden für ihre Unterstützung zu
dem erfolgreichen Gelingen. Auch bei den Männern, die unent-
geldlich Nachtdienste während der Ausstellung verrichteten,
möchten wir uns sehr bedanken.
Im Rahmen dieser Ausstellung hielt Herr Jean De Ridtder
mit den vorzüglichen Lichtbildern von Alfred Janssen (Moresnet)
am 12. 4. 75 einen sehr bemerkenswerten Lichtbildervortrag
über die Bank Montzen.
Am 6. 4. und in Fortsetzung am 13. 4. referierte Kultur-
insvektor F. Pauauet über die Besiedlung des Kelmiser Raumes.
Beisnielhaft brachte er alle wertvollen Bauten sowie die Ge-
schichte dieses Raumes zum Ausdruck,
Am 9. 4. schilderte Forstingenieur Letocart sehr eindrucks-
voll die Geschichte des Waldes ımter dem Thema ”Eine Zu-
fluchtstätte des Menschen : Der Wald”. Die Göhltalregion wurde
besonders berücksichtigt.
Während dieser Ausstellung konnte auch eine Broschüre unter
dem Titel ”Im Göhltal” herausgegeben werden. In sehr kurzer
Form war diese ein Abriß über die 17 Gemeinden in geschicht-
licher, geographischer und sozio-kultureller Hinsicht. Für die
Gestaltung dieser Broschüre sorgten Frau Dr. De Ridder (Text),
Frau Lovens (Schreibarbeit) und Herr Hermann Scheiff (Gra-
phik).
Am 28, 4. hielten die Herren De Ridder und Janssen einen
Lichtbildervortrag in flämischer Sprache über die Bank Montzen
in Sint Martins Voeren.
Mai : Am 11. 5. 75 fand unter Führung des Präsidenten, Herrn
Peter Zimmer, die 14. Grubenfahrt nach Waterschei statt. 18
Frauen und 22 Männer nahmen daran teil.
Am 24. 5. führte eine Exkursion zum 3. Mal in das Mont-
zener Land. Frau Dr. De Ridder leitete eine sehr interessierte
Gruppe zu den architektonisch wertvollen Gebäuden in der Bank
Montzen mit Streifzügen durch die Bank Walhorn., Daneben
wurde auch die letzte durch Göhlwasser betriebene Mühle be-
sichtigt.
Juni : Am 13. 6. fand eine Pressekonferenz mit Dr. Martin
Schärer über sein kürzlich erschienenes Buch : ”Deutsche
Annexionspolitik im Westen : Die Wiedereingliederung Eupen-
Malmedys im 2. Weltkrieg” statt.
Frau Dr. De Ridder führte am 15. 6. eine Besichtigungsfahrt
nach Burg Reinhardstein im Tal der Warche durch. Die Teil-
nehmer waren alle begeistert, denn was man unter Denkmal-
schutz verstehen kann, wurde anhand des Wiederaufbaus dieser
Burg allen klar.
Juli : Unter der Führung von Herrn Moll (Alsdorf) trafen sich
am 6. 7. 46 ornithologisch Interessierte zu einer Exkursion durch
das Göhltal. 64 verschiedene Vogelarten wurden gesehen und
gehört.
September : Am 7. 9. wurde eine Besichtigungsfahrt ins rhei-
nische Braunkohlengebiet von Paffendorf bei Bergheim organi-
92
siert. 55 Besucher nahmen die Gelegenheit wahr, einen Einblick
in das große rheinische Braunkohlengebiet erhalten zu können.
Der Besuch des Museums in Schloß Paffendorf gab einen guten
Überblick über die zu Fossilien gewordenen Pflanzenarten, aus
denen Braunkohle enstanden war.
Am 20. 9., unter Führung von Kulturinspektor Pauquet, traf
sich an der Rochuskapelle Neu-Moresnet eine Gruppe Archi-
tekturinteressierter zu einer Wanderung im Bereich des ältesten
Kelmiser Siedlungsraumes. Ein Stück Heimatgeschichte wurde
beeindruckend veranschaulicht.
Oktober : Zur 15. Grubenfahrt in das belgisch-limburgische Land
zur Grube Waterschei führte am 12. 10. der Präsident, Herr
Peter Zimmer, eine Gruppe von Kelmisern und Bleybergern,
darunter auch Besucher aus Homburg, Aachen, Baelen, Mem-
bach, Manderfeld und Faymonville. Auch dieses Mal war die
Zahl der Interessenten größer als Plätze verfügbar waren. .
Am. 24. 10. hielt Herr Wilhelm Dithmar aus Aachen im
Kulturzentrum Kelmis einen aufschlußreichen Vortrag, vor-
nehmlich über die Persönlichkeit seines Großvaters, dem Sani-
tätscat Dr. Molly. Der 80jährige humorvo!le Redner wußte viele
Anekdoten aus dem Leben dieses Mannes zu berichten, der über
58 Jahre Arzt in dieser Gegend gewesen war.
November : Im Hotel Reinartz, Neu-Moresnet, hielt der Orni-
thologue Herr Moll am 7. 11. einen Vortrag in Bild und Ton
über die vielseitige Vogelwelt des Göhltals. Über die‘ von ihm
im Göhltal gesichteten 103 Vogelarten wußte er sehr lebendig
zu berichten,
Verwaltungsratssitzungen
Am 15. Januar 1975 versammelte sich der Verwaltungsrat
insbesondere zur Aufstellung des Veranstaltungsprogramms im
1. Halbjahr 1975 sowie zur Organisation der. Ausstellung im
Rahmen des Europäischen Denkmalschutzjahres. Die Erhöhung
des Mitgliedsbeitrages für das laufende Jahr auf 200.- Fr. er-
klärte sich durch erhebliche Mehrausgaben, besonders durch den
Druck der Hefte,
Am 11. 3. sowie am 16. 3. kam im Museum wiederum der
Verwaltungsrat zusammen. Auch diesmal ging es um die Orga-
nisation der im April stattfindenden Ausstellung.
Am 27. Mai traf sich der Verwaltungsrat u.a. zur Neuwahl
des Vorstandes. Herr Peter Zimmer wurde in seinem Amt als
Präsident bestätigt. Zur neuen Vizepräsidentin wurde Frau Dr.
Gisela De Ridder gewählt. Bis auf weiteres wird der Konserva-
tor, Herr Jean De Ridder. das Sekretariat weiterführen. Herr
Steinbecrk wurde ebenfalls in seinem Amt als Kassierer bestätigt.
Als Beisitzer fungieren : Herr Herff, Herr Alfred Janssen, Herr
Jakob Demonthy. Herr Nyns. Herr Heydasch, Herr Gatz, Herr
Palm, Herr Dr. Chantraine, Herr Pavonet. Das Amt des Lektors
unserer Vereinigung hat weiterhin Herr Alfred Bertha inne.
Am 24. Oktober trat der Verwaltungsrat zusammen. Dieses
Mal galt es, anläßlich des 10jährigen Bestehens der Göhltal-
vereinigung im Dezember 1976 ein Programm zusammen zu ent-
93
werfen, das vornehmlich die Aufgabe haben wird, einen Bildband
herauszubringen.
Am 18. November trafen sich die Vorstandsmitglieder unter
dem Vorsitz des Präsidenten im Museum. Das Programm für
das 1. Halbjahr 1976 konnte aufgestellt werden. Außerdem
wurde eine Kommission zur Erhaltung größerer Museumsräum-
lichkeiten mit den Herren De Ridder, Herff und Gatz gebildet.
Zur Gestaltung des Bildbandes haben sich die Herren
Janssen, Demonthy, Kever, Barth, Nyns und Bertha sowie Frau
De Ridder zu einer Kommission zusammengeschlossen.
Am 5. Dezember kamen die Mitglieder der Bildbandkom-
mission zu einem ersten Gespräch zusammen.
Hefte ”Im Göhltal” :
Unter der Obhut unseres Lektors, Herrn Alfred Bertha,
erschienen im Jahre 1975 die Hefte Nr. 16 (im März) und Nr.
17 (im Oktober). Beide Hefte hatten ein sehr breites Spektrum
zum Inhalt und wiesen einen nie zuvor gekannten Umfang auf.
Beide wurden ausführlich durch Herrn Tatas in der Presse
besprochen.
Verschiedenes
Die Direktion der Vieille Montagne aus Angleur stattete
unserem Museum am 12. Januar einen Besuch ab. Gute Kontakte
konnten geknüpft werden.
Bei Rundtischgesprächen im Kulturrat bezüglich des Denk-
malschutzes wurde unsere Vereinigung am 30. 1. 75 durch Herrn
Peter Zimmer und Herrn Herff und am 9. 12. 75 durch Frau
De Ridder vertreten.
Sekretariat
Auch im Jahr 1975 wurde das Sekretariat durch Herrn
Jean De Ridder geführt.
Korrespondenz : In der Zeit vom 1. 1. bis 31. 12. 75 erhielt
unsere Vereinigung 175 Briefe. 156 Briefe wurden verschickt.
Hinzu kommen drei Rundschreiben an unsere Mitglieder, die die
Veranstaltungsprogramme, einen Bücherhinweis sowie eine Mei-
nungsumfrage umfaßten,
Zur Erhaltung von Denkmälern und Landschaften im Göhl-
tal wurden 58 Anträge dem Kulturrat überreicht.
Hier ein Überblick über die Anzahl unserer Mitglieder aus
den Jahren 1973, 1974 und 1975 :
Statistik
1973 1974 1975
Mitglieder 368 402 406
Abonnenten 36 30 31
Austausch 16 13 12
Pflichtempfänger 10 20 16
Gesamt 430 465 465
Zahlende Mitglieder 404 432 439
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Pressemitteilungen
Alle unsere Veranstaltungen —9. Lichtbildervorträge, 6
Exkursionen und Wanderungen, sowie die. Ausstellung im Rah-
men des Denkmalschutzjahres — wurden in der Presse angekün-
digt sowie abschließend ausführlich dargestellt.
Insgesamt wurden über 35 Presseartikel von unserem Sekre-
tariat bzw. unseren Mitgliedern veröffentlicht.
Außerdem wurde über jede Verwaltungsratssitzung in der
Presse berichtet.
Für die Pressemitteilungen war die, Pressereferentin Frau
Dr. De Ridder verantwortlich.
Rundfunksendungen
Bisher an jedem 1. Montag, jetzt an jedem 3. Mittwoch im -
Monat in der Zeit von 19.00 bis 19.30 Uhr nahm die Vereinigung
an den geschichtlichen Sendungen des BHF teil.
Durch folgende Sprecher war die Göhltalvereinigung vertreten :
Herr Josef Bindels im Januar’ über Gedichte in Mundart
Herr Peter Zimmer im Februar über Kalvarienberg - Moresnet
Herr Nußbaum im März über Gedichte
Herr Nyns im April über Walhorn
Herr Walter Janssen im Mai über Hermann Heutz
Herr A, Bertha im Juni über Hergenrath
Kö Herr G. Tatas im Juli über Gedichte
Herr H. Heydasch im August über Raeren
Herr Josef Gatz im September über Hauset
Herr H. Kever im Oktober über Eynatten
Herr G. Tatas im November über Gedichte
Herr Wilhelm Dithmar im Dezember über Dr. Molly
Am 11.1.75 wurde ein Rundtischgespräch über die Töpferei
in diesem Raum gesendet, an dem Frau Dr. De Ridder, Dr. O. E.
Mayer und Dr. M. Kohnemann teilnahmen.
Das Jahr 1975, das zum Jahr des europäischen Denkmal-
schutzes ausgerufen wurde, gab unserer Vereinigung den Auf-
trag, hauptamtlich den denkmalschützerischen Gedanken in den
Vordergrund unserer Aktivität zu stellen. Daher haben wir ver-
sucht, das Geschichtsgut im Göhltal in breitester Form darzu-
stellen.
Zusammengefaßt darf gesagt werden, daß der Vorstand im
Jahre 1975 sich bemüht hat, den Mitgliedern unserer Vereinigung
ein vielseitiges Programm anzubieten. Es darf auch ausgespro-
chen werden, daß diese Vereinigung dank der regen Unterstüt-
zung ihrer Mitglieder und deren Beteiligung bei den verschie-
denen Aktivitäten aus dem kulturellen Leben dieser Gegend
nicht mehr wegzudenken ist. Ein Dank gilt daher auch dem
Vorstand, der sich unermüdlich eingesetzt hat.
95
P. Xhonneux :
La charge de sacristain 4 Hombourg
au XVIT siecle
Le 8 mars 1691, fut installe a Hombourg, en qualite de
sacristain, Wilhelmus Jennis. Chose courante a l’&poque, le
personnage cumulait les fonctions de sacristain et d’instituteur.
Wilhelmus Jennis eut cette louable initiative de consigner
avec precision, dans un registre ä l’usage de ses successeurs,
les droits et les devoirs inherents ä sa charge et tels qu'ils
existaient de son vivant et sous ses predecesseurs immediats.
Outre la liste des anniversaires religieux qu’il fournit, le dit
registre contient une documentation fort interessante sur les
conditions d’election du sacristain, les revenus attaches ä cette
charge comme ä celle d’instituteur, enfin la liste des sacristains
de 1635 ä nos jours. Le registre de Wilhelmus Jennis fait partie
des archives paroissiales de Hombourg.
Pour 6tre admis ä exercer ses fonctions, le sacristain de- % S
vait recueillir a la fois les suffrages du seigneur de Hombourg,
du cure de l’'endroit, de la justice et des regleurs du ban. Ainsi
designe, le nouvel €lu etait presente au cure par les gens de la
justice et invite a preter solennellement serment ä Veglise
devant l’autel.
Dans la pratique, le cure choisissait la personne qui lui con-
venait et sa decision etait enterinee par la justice du ban. L’acte
de nomination du sacristain Hoenskens le montre suffisamment.
”Wij de Justitie der Banck Homborch ende Montzen int
Landt Limborch over Maeze attesteeren hie dat den gewesenen
koster voorscreven Werner Plettenbergh is dese werelt over-
lede den 16 decembris des vorleden Jaers 1635 ende dat ter
stont eenen aenderen koster aengestelt is worden naemente
Hendrich Hoenskens, die den dienst moest continueeren. Wij
hebben onsen Schependooms Segel beneften de hanteekinghe
van onze mede Schepenen ende de signature onses greffiiers
op den 17 decembris een duijsent ses hondert vijftendeertigh.”
Jan Kever Mees Otten
Werner Hannot
96
C’est des produits du sol que le sacristain tirait une nota-
ble partie de ses revenus. Il avait la jouissance d’une maison
appelee koosterije dont les frais d’entretien et de reparation
etaient a sa charge, sauf les reparations aux boiseries et aux
murs qui incombaient a la commune. Il pouvait cultiver un
jardin situe pres de la maison et 6tait en outre en la possession
de deux pres d’une contenance d’environ un bonnier chacun.
Personne ne pouvait lui contester la jouissance de ces biens
ni en exiger l’echange, sans le consentement prealable du
drossard et de la justice du ban.
En plus de la jouissance des dits biens, le sacristain avait
droit A certaines redevances dues par ceux qui cultivaient la +
terre.
Chaque proprietaire du sol ou, & son defaut, le locataire,
6tait tenu de lui fournir annuellement deux pains de 8 livres
chacun : soit un vers Päques, l’autre a la kermesse locale. On
pouvait satisfaire a cette obligation en lui versant la valeur
d’un pain de boulanger.
Tout proprietaire ou locataire cultivant le sol avec ses pro-
pres chevaux et charrue etait tenu de lui fournir une gerbe de
grains durs, c’est-ä-dire de seigle, de froment ou d’epeautre,
ou bien encore une gerbe d’orge d’hiver. Le sacristain avait la
faculte de choisir la gerbe lui convenant. Il procedait ä ce pre-
levement au moment de la recolte quand le grain &tait encorr
sur champ. Si la recolte etait deficitaire et si le cultivateur
desirait conserver son grain, il versait pour la gerbe d’ete 10
stuyvers (sous).
Les proprietaires de chevaux lui devaient une redevance
en fruits d’ete, soit de l’orge, des haricots, du froment d’ete, de
Vavoine ou des pois. Ici encore le rachat etait permis moyen-
nant le versement de 5 stuyvers. Il est ä remarquer que si le
proprietaire de la terre cultivee residait hors de la paroisse de
Hombourg, la redevance restait due, avec cette difference que
le sacristain devait accepter alternativement une annee la ger-
be de grains durs, l’annee suivante la gerbe d’&te. Ces rede-
vances etaient tellement fermes qu’un certain Loop, un des
predecesseurs de Jennis, cita en justice un appele Merckelback,
de Remersdael, et d’autres habitants de Maerbroek qui avaient
voulu eluder ce payement. Les recalcitrants durent s’incliner.
97
Un individu possedant deux maisons avec chacune une
terre cultivee devait fournir une double gerbe ä moins que ces
deux terres ne fussent labourees par les memes chevaux et
charrues. Les droits du sacristain n’etaient pas nettement eta-
blis quand ils se rapportaient a deux terres cultivees dont l’une
appartenait au cultivateur mais dont la seconde lui &tait louge
d’une personne habitant hors du ban ; cependant si cette secon-
de terre etait un vignoble, la redevance devait etre acquittee.
Cette derniere imposition n’etait pas due uniquement par
les gros proprietaires terriens, meme de pauvres diables cul-
tivant un ou deux arpents de terre de leurs propres bras y
6taient astreints. Un certain Wintgens, sacristain ä Henri-
Chapelle, fort de son droit, fit au moment de la recolte la
tournee a travers les champs et preleva une gerbe sur chaque
parcelle de culture, grande ou petite. Les petits cultivateurs se
liguerent contre lui et le citerent en justice. Ils furent deboutes
et condamnes ä payer chacun au sacristain 10 stuyvers, soit
la valeur de deux pains.
Le nombre total de gerbes que l’interesse recevait ainsi
chaque annee etait variable. Par exemple, un chef de famille,
pere de cinq enfants, payait une gerbe. Venait-il a trepasser
et son bien ä etre partage entre ses enfants, le sacristain rece-
vait cinq gerbes, quitte quelques annees plus tard a ne plus re-
cevoir qu’une gerbe si les cinq parts passaient dans les mains
d’un seul proprietaire. Si une personne dejä redevable d’une
gerbe rachetait a un tiers une terre labourable, le vendeur de-
vait acquitter sa dette si la vente avait lieu apres l’ensemen-
cement ; si au contraire, la vente s’etait effectuee avant, le
sacristain n’avait aucun droit ä faire valoir.
Il convient de noter que la coutume de payer le sacristain
en produits de la terre disparut dans la seconde moitie du 18"°
siecle. Elle fut alors remplacee par le payement en numeraire.
Depuis des temps recules, le sacristain recevait des ceufs
de Päques. Cependant aucun tarif n’etait etabli et le benefici-
aire devait se contenter .de ce que les paroissiens voulaient
bien lui donner.
Les emoluments attaches directement ä la fonction n’6-
taient pas moins bien specifies.
98
Pour aider a baptiser un enfant, le sacristain‘ recoit 5
stuyvers ; cependant, d’apres une tradition immemoriale, il
avait droit a la perception de deux guldens (florins) pour le
premier enfant tenu.sur les fonts baptismaux apres Päques.
Petit a petit, cette redevance tomba ä 1 gulden et 10. stuyvers.
Lors de la celebration d’un mariage, le sacristain recevait
2 guldens, m6me si l’un des conjoints etait d’une autre parois-
se. Si les epoux etaient pauvres, le sacristain devait se conten-
ter de ce qu'ils lui donnaient. Il en 6&tait de meme lorsqu’il
etait requis pour aider ä transporter dans l’6glise une femme
accouchee.
Aux funerailles, le sacristain pouvait pretendre a un demi- .
gulden par messe, or, dans l’ancien temps, les obseques se cele-
braient pendant 4 jours successifs, d’oü un revenu de 2 guldens
Brabant. Quant cette coutume fut abolie et toutes les messes
dites le jour des obseques, on laissa subsister au profit du
sacristain le tarif primitif,
Si le sacristain assistait le cure dans l’administration des
derniers sacrements aux malades, il etait aussi paye pour sa
peine.
Pour chanter une messe ordinaire ou une messe fondee
pour laquelle le cure touchait l’interet de la rente y affectee, le
sacristain recevait 10 stuyvers.
Le tarif etait egalement fixe pour le cas oü le sacristain
etait appele.ä exercer le metier de fossoyeur. S’il aidait a l’inhu-
mation d’un enfant en bas äge, il recevait 10 stuyvers. Son dü
etait de 4 guldens si le defunt, paroissien ou non, etait en-
terre dans l’eglise meme. Devait-il creuser la fosse, il pouvait
reclamer un gulden supplementaire : dans ce cas, il avait ä
sa charge le balayage et le nettoyage de l'eglise.
Outre la perception des sommes que nous venons d’indi-
quer, la sonnerie ‚du glas aux jours du deces et des: obseques,
lui rapportait un gulden si le defunt appartenait ä la. paroisse
de Hombourg, 10 stuyvers dans les autre cas. La redevance due
pour cette peine n’etait d’ailleurs pas immuable et‘ variait
selon la qualite du defunt. C’est ainsi qu’en son temps, le
sacristain recut 24 guldens pour sonner, pendant 6 semaines,
99
le glas de Nicolas de Coulon le vieux, 12 guldens au deces du
seigneur d’Eynatten et de Remersdael, 24 pour Albert de Tra-
zegnies, 18 pour le seigneur d’Obsinnich et de Remersdael.
Enfin, les fonctions d’instituteur lui permettait d’augmen-
ter encore son pecule, dans une faible proportion, il est vrai.
Chaque e€leve lui devait mensuellement 7 stuyvers en hiver et
6 stuyvers pendant la periode estivale.
Disons, pour terminer, que Wilhelmus Jennis est une fi-
gure bien interessante pour son temps. Le registre dans lequel
il a consigne ses revenus fourmille de remarques et de direc-
tives pedagogiques. Nous aurons l’occasion d’y revenir.
Liste des sacristains de Hombourg de 1635 ä nos jours :
PLETTENBERGH Werner, decede le 16 decembre 1635.
HOENSKENS Hendrick, installe le 17 decembre 1635.
LOOP Peter, de Henri-Chapelle. On ignore quand il fut elu,
de möeme la date de cessation de ses fonctions.
JENNIS Peter, €lu le 4 mai 1654. Originaire de Henri-Chapelle,
il avait 6pouse Marguerite Warrimont, de Hombourg ”in de
cleyn Gulpe”. Il servit sous les pastorats des cures Vourendael,
D’Horion et Couvelier. Il mourut le 16 fevrier 1691.
JENNIS Wilhelmus, fils du precedent. Elu le 8 mars 1691, il
remplit aussi les fonctions d’instituteur et de fossoyeur. Peda-
gogue averti, il a consigne, dans un petit registre, les fruits de
son experience de maitre d’ecole. Il trepassa le 25 fevrier 1730.
JENNIS Peeter, frere du precedent. Elu le 24 avril 1731, il
mourut le 2 fevrier 1746.
CAPPOUNS Willem-Joseph, elu le 6 fevrier 1746, fut institu-
teur et precepteur, homme tres instruit. Il renonca ä sa charge
le 2 mars 1773.
SCHYNS Arnoldus, installe le 18 avril 1773, precedemment
sacristain a Remersdael. Pendant lVexercice de sa charge,
Schyns dut accepter le paiement en stuyvers au lieu des re-
devances en nature. On ignore quand il cessa ses fonctions.
100
SCHYNS Arnoldus, fils du precedent, cessa ses fonetions le
17 decembre 1831.
DUYCKAERTS Nicolas-Joseph, debuta le 19 decembre 1831.
DUYCKAERTS Francois, fils du precedent, demissionna le
6 juillet 1881.
JANSSEN Leon, installe le 7 juillet 1881, demissionna le 30
Juillet 1921.
LAHAUT Fernand, nomme le 10 octobre 1921, cessa son ser-
vice le 15 fevrier 1925 pour se fixer en France.
FITSCHY Leopold, debuta le 1°° mars 1925. .
Über das Küsteramt in Homburg (Kurzfassung)
von P. Xhonneux
Am 8. März 1691 wurde Wilhelmus Jennis mit dem Amte
des Küsters in Homburg betraut. Wie damals vielfach üblich,
übernahm er gleichzeitig die Schullehrerstelle. Der neue Kü-
ster legte ein Register an, in dem er alles, was mit seinem
Amt zusammenhing, aufzeichnete. So z.B. die Rechte und
Pflichten eines Küsters zu jener Zeit, die zu lesenden Jahr-
gedächtnisse, den Wahlmodus des Küsters, das mit dem Kü-
ster- und dem Lehramt verbundene Gehalt u.s.w. Außerdem
gibt Wilhelm Jennis uns die Liste der seit 1635 in Homburg
tätig gewesenen Küster. Das Register des Wilhelm Jennis
gehört zum Homburger Pfarrarchiv.
Theoretisch brauchte der Küster, um dieses Amt über-
nehmen zu können, die Stimmen des Grundherrn, des Pfarrers,
des Gerichtes und der ”Regleurs” (Bürgermeister) der Bank.
Der so Gewählte wurde dem Pfarrer von den Gerichtsherren
präsentiert und gebeten, in der Kirche vor dem Altare feierlich
seinen Eid abzulegen.
Praktisch war es jedoch so, daß der Pfarrer seinen Kan-
didaten dem Gericht vorschlug und die Wahl des Pfarrers
akzeptiert wurde.
101
Der Küster wohnte unentgeltlich in der ”koosterije”, de-
ren Unterhalts- und Reparaturkosten zu seinen Lasten waren,
außer den Reparaturen am Holzwerk und den Mauern, für
die die Gemeinde aufkommen mußte. Er hatte Nutznießung
eines neben dem Hause gelegenen Gartens sowie zweier Wei-
den von je einem ”bonnier”. Darüber hinaus schuldeten
alle Landwirte der Gemeinde dem Küster alljährlich gewisse
Abgaben in Naturalien. Jeder Besitzer oder Pächter mußte ihm
2 Brote von je 8 Pfund liefern, und zwar eines gegen Ostern,
das andere zur Kirmes. Statt dessen konnten die Abgabe-
pflichtigen den Wert eines Bäckerbrotes geben.
Jeder Landwirt, der mit seinen eigenen Pferden und sei-
nem eigenen Pflug sein Land bestellte, war gehalten, dem
Küster eine Garbe harten Getreides (Roggen, Weizen, Spelz,
Wintergerste) abzugeben. Der Küster konnte die ihm passende
Garbe aussuchen, und zwar im Augenblick der Ernte, wo das
Getreide noch auf dem Felde war. War die Ernte schlecht, so
konnte der Bauer statt der Garbe dem Küster 10 Stüber geben.
Die Pferdebesitzer schuldeten dem Küster ein gewisses
Quantum Sommerfrucht, wie Gerste, Bohnen, Sommerweizen,
Hafer oder Erbsen, die mit 5 Stübern abgegolten werden
konnten.
Wer zwei Häuser besaß und dazugehörende Äcker, mußte
zwei Garben abliefern, es sei denn, die Äcker würden mit
denselben Pferden und demselben Pflug bestellt.
Von jeder bestellten Parzelle bekam der Küster also eine
Garbe. Die Menge der so eingesammelten Garben konnte
unterschiedlich sein, je nach Anzahl der bebauten Äcker. Es
sei hier bemerkt, daß in der zweiten Hälfte des 18. Jh. die
Entlohnung in Naturalien durch die Entlohnung in Geld abge-
löst wurde.
Seit Alters her bekam der Küster auch zu Ostern die
Ostereier, doch war die Anzahl der zu liefernden Eier nicht
festgelegt.
Bei einer Kindtaufe fielen für den Küster 5 Stüber ab;
doch hatte er seit undenklichen Zeiten bei der ersten Taufe
nach Ostern Anrecht auf 2 Gulden.
102
Eine Heirat brachte dem Küster zwei Gulden. ein, doch
wenn die Brautleute ’arm waren, so mußte er sich mit dem
zufrieden geben, was sie ihm gaben. Ebenso verhielt ‚es sich,
wenn er beim Transport einer Niedergekommenen zur Kirche
behilflich war.
Für eine Totenmesse bekam der Küster einen halben
Gulden. Da aber zu jener Zeit an vier aufeinander folgenden
Tagen Exequien gefeiert wurden, kam der Küster auf zwei
Gulden pro Sterbefall.
Eine gesungene Stiftungsmesse brachte dem Küster 10
Stüber. Genau geregelt war auch die Gebührenfrage im Falle, ,
wo der Küster die Totengräberfunktion ausüben mußte. Half
er bei der Beerdigung eines Kleinkindes, so schuldete man
ihm 10 Stüber. Wurde der Verstorbene, ob Pfarreinwohner
oder nicht, innerhalb der Kirche beigesetzt, so bekam der
Küster 4 Gulden. Wenn er auch das Grab ausheben mußte,
konnte er fünf Gulden verlangen, mußte aber die Kirche aus-
kehren und reinigen.
..Für’s Läuten der Totenglocken am Sterbetag und am Tag
der Beerdigung bezog der Küster einen Gulden, wenn der
Verstorbene ein Homburger war, andernfalls 10 Stüber. Die
Entlohnung für das Läuten der Totenglocken schwankte je-
doch mit dem Rang des Verstorbenen. So ist es vorgekommen,
daß der Küster 6 Wochen lang die Totenglocken geläutet hat
und dafür 24 Gulden bekam.
Das Lehreramt brachte weniger ein : jeder Schüler mußte
monatlich 7 Stüber in den Wintermonaten und 6 Stüber in
der Sommerperiode zahlen.
(Folgt die Liste der Homburger Küster)
103
Aufruf zur Mitarbeit
Die ”Nijmeegse Centrale voor Dialect- en Naamkunde”
arbeitet aktiv an einem ”Wörterbuch der Limburgischen Dia-
lekte”. Darin sollen auch das Voergebiet und der Südosten
der Provinz Lüttich berücksichtigt werden. Die Herausgeber
bedauern, daß sie in den letzten Jahren so wenig Hilfe aus
unserem Gebiet bekommen haben. Auf diesem Wege nun rich-
ten sie einen Aufruf an alle, die zur Mitarbeit an diesem Wörter-
buch bereit wären und zu einem der beiliegenden Fragen-
komplexe Material beisteuern könnten. Man möge sich bitte
wenden an
Nijmeegse Centrale voor Dialect- en Naamkunde,
Erasmuslaan 40, Nijmegen/NL. oder an
Prof. Rene Jongen, UCL Institut de Linguistique,
27, Blijde Inkomststraat, 3000 Leuven. (1).
Die zu behandelnden Sachgebiete sind folgende :
I. Metallbearbeitung III. Textilverarbeitung
1. Schmied 14. Spinner
2. Kupferschmied 15. Handweber
3. Scherenschleifer 16. Schneider
17. Näherin
II. Holzbearbeitung 18. ifütrpnacher
zn 19. Schirmmützenmacher
4. Holzsäger iz
20. Mützenmacher
EA) (alte Bauernmützen)
6. Möbelschreiner
7. Drechsler IV. Lederverarbeitung
Stuhlmattenflechter 21. Gerber
8. Stellmacher 22. Schuster/Schuhmacher
9. Böttcher 23. Sattler
A ED V. Andere Materialien
11. Bürstenmacher
Besenbinder 24. Kerzenzieher
12. Korbmacher 25. Seilmacher
13. Holzschuh- 26. Zigarrenmacher
(Klumpen)macher 27. Töpfer
104
VI. Hausbau VI.
28. Steinmetz 34. Hausschlächter
29. Stroh- und Riedgrasdecker 35. Bäcker
30. Schilderer 36. Müller
31. Klempner ; Dach- 37. Krauthersteller
(Schieferdach-)decker 38. Bierbrauer
VII. Land- und Gartenbau, IX. Jagd- und Fischereiwesen
Forstwesen 39. Entenjäger
32. Torfstecher X. Tierhaltung
33. Flachsbau 4U. Imker
XI. Andere Berufe K
41. Laternenanzünder
1. Folgende Orte sollen durch ihren Dialekt vertreten sein :
Moelingen, ’s-Gravenvoeren, Teuven, Sippenaeken, Sint-Mar-
tens-Voeren, St-Pieters-Voeren, Remersdael, Aubel, La Clouse,
Homburg, Gemmenich, Moresnet-Dorf, Moresnet-Kapelle,
Montzen, Bleyberg, Henri-Chapelle, Kelmis, Neu-Moresnet,
Hergenrath, Astenet, Lontzen, Walhorn, Hauset, Eynatten,
Raeren, Welkenraedt, Herbesthal, Baelen, Membach, Kettenis,
Eupen, Stockem.
P.S. Die kursiv gedruckten Berufsbezeichnungen sind schon
behandelt.
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