Im Göhltal
ZEITSCHRIFT der
VEREINIGUNG
für
Kultur, Heimatkunde und Geschichte
im Göhltal
N° 16
2-74
Vorsitzender : Peter Zimmer, Kelmis, Siedlung P. Kofferschläger, 10.
Sekretariat : Rue du Calvaire, 8, 4671 Moresnet
Lektor : Alfred Bertha, Hergenrath, Bahnhofstraße, 20b.
Kassierer : Fritz Steinbeck, Kirchstraße, 20.
Postschekkonto N” 000-0191053-60
Die Beiträge verpflichten nur ihre Verfasser,
Alle Rechte vorbehalten,
Entwurf des Titelblattes : Frau Pauquet-Dorr, Kelmis.
Diese Skizze zeigt den Moresneter Göhlviadukt sowie die Hergenrather
Hammerbrücke in ihrer ursprünglichen Form.
Druck. Jacques Aldenhoff, Gemmenich.
Inhaltsverzeichnis
Firmin Pauquet, Kelmis Die Umgebung von Kelmis im Jahre
1775 nach der Bestandsaufnahme
der Ferraris-Karte 4
Alfred Bertha, Hergenrath Aus der Pfarrgeschichte Hergen-
raths : Dokumente zur Frühge-
schichte der Pfarre Hergenrath 12
Walter Meven, Hergenrath Zur Geschichte des Raerener Töp-
ferhandwerks 30
Otto Hirtz, Aachen Die Galmeiflora im Göhltal - Eine
vegetationskundliche Betrachtung
(2. Teil) 36
Albert Stassen, Homburg Juppe u. Bretze - Homburger Fol-
klore 45
L. Wichert-Schmetz, Die Blätter fallen ... (Gedicht) 56
Bad-Briburg
Viktor Gielen, Raeren Wie unsere Raerener Vorfahren
Kirmes feierten 57
Jacques Keil, Eupen Das Portrait : Maria Hasemeier-
Eulenbruch 64
Leo Homburg, Fossey Fronleichnamsprozessionen 73
Elka Ledwon und Walter Eine Rundfahrt durch die frühere
Janssen, Hauset Bank Wal'horn oder «Lerne Deine
Heimat kennen !» 77
Gerard Tatas, Gemmenich 3 mal lachen : Der Feuerwehrmann,
Et Beschlag, De Amtsbeleidigong,
(Gedichte) 84
L. Wichert-Schmetz, Die Eyneburg in Hergenrath
Bad-Briburg (Gedicht) 87
Josef Bonni, Kelmis Heinz Errens (1923-1973) 90
Fierre Xhonneux, Four une graphie plus rationnelle
Bleyberg-Homburg du patois 94
G. De Ridder, Tätigkeitsbericht für das Jahr 1974 98
Moresnet-Kapelle
4
Die Umgebung von Ke!mis im Jahre 1775 nach der
Bestandsaufnahme der Ferraris-Karte
von Firmin Pauquet
Die Kabinettskarte der Österreichischen Niederlande
- einfach Ferraris-Karte genannt - wurde von 1771 bis 1778
als erste topographische Karte unseres Landes unter der Auf-
sicht des Generals Graf Joseph de Ferraris (1) aufgenommen.
Sie lehnt sich an die topographische Karte Frankreichs an, die +
einige Jahrzehnte früher unter der Aufsicht des Cesar-
Francois Cassini (1714-1784) aufgenommen worden war.
Die Aufnahmen an Ort und Stelle wurden mit dem Meßtisch,
aber ohne Triangulation (2), von den Schülern der Mathe-
matikschule des Artilleriekorps unter Leitung des Hauptmanns
Cogeur und der Leutnante Gillis und Wirtz durchgeführt. Die
Karte wurde im Maßstab von ca. 1/11.520 handgezeichnet und
gefärbt. Sie zählt 275 Blätter von 90 auf 140 cm. Der Zu-
sammensetzungsplan zählt 15 große Rechtecke von meistens
25 Blättern, die von A bis Z unter Weglassung des ”J”
gekennzeichnet sind. Die Rechtecke sind mit römischen Zahlen
numeriert.
1. Graf Joseph de FERRARIS, in Lunö&ville, Lothringen, am 20. April
1726 geboren, war einer der vielen Lothringer, die von Kaiser
Franz Stephan, dem Gemahl Maria Theresias, Herzog von Lothringen
bis 1738, nach Wien geholt wurden. Mit zehn Jahren wurde er
Edelknabe der Kaiserinwitwe Amalia, Er widmete sich dem Solda-
tenstand. Am ‚14. Oktober 1768 trug er bei Hochkirch als Oberst
des Regimentes Karl von Lothringen durch Erstürmung der stärksten
preußischen Batterie zur siegreichen Entscheidung bei. 1767 zum
Direktor der Artillerie in den Niederlanden, 1775 zum Gouverneur
von Dendermonde (Termonde) ernannt, erhielt er nach Siegen von
Onnaing am 1. Mai 1792 und von Estreux am 28. Mai 1793 das
Kommandeur- und das Großkreuz des Maria-Theresien-Ordens. Nach
der Einnahme von Valenciennes durch die Kaiserlichen wurde er
Vizepräsident des Hofkriegsrates und erhielt 1809 den Marschallstab.
Ferraris starb in Wien am 1. April 1814. — Nach BENEDIKT,
Heinrich: Als Belgien österreichisch war. Wien - München, Herold,
1965; 291 S. — S. 263.
2. Das Fehlen einer echten Triangulation macht sich durch verschiedene
Verzerrungen bemerkbar. Diese werden deutlich, wenn man die
Ferraris-Karte auf die jetzige topographische Karte projiziert.
5
Das Gebiet des Herzogtums Limburg fällt in Rechteck XV
und zwar auf dessen Blätter A15 Liege, B15 Forrest, G15
Mheer, 115 Herve, L15 Limbourg, Z15 Gemmenich, X15 Eynat-
ten, V15 Eupen, T15 Saurbrodt.
Zwölf handgeschriebene Bände von ”Memoires historiques,
chronologiques et ceconomiques” geben’ jeweils allgemeine Er-
läuterungen und Kommentare zu den einzelnen Blättern. Jeder
Ausgabe entspricht prinzipiell einem Rechteck des Zusammen-
setzungsplanes, mit dem Vorbehalt, daß Kommentare zu den
unvollständigen Rechtecken in einem Ausgabe zusammengefaßt
sind. Ausgabe 12 der ”Memoires” entspricht Rechteck XV und
enthält die Beschreibung des Herzogtums Limburg.
Von diesem herrlichen Kartenwerk, das insgesamt 200 m?
mißt, wurden drei Exemplare gezeichnet. Eins dieser drei
Exemplare, das dem Generalgouverneur der österreichischen
Niederlande, Prinz Karl-Alexander von Lothringen, gehörte,
wurde 1793 nach Wien in das Kriegsarchiv in Sicherheit
gebracht. Belgien konnte es auf Grundlage des Vertrages
von Saint-Germain-en-Laye vom 10. September 1919 von
Österreich zurückverlangen und seitdem befindet sich dieses
Exemplar in der Abteilung ”Karten und Pläne” der König-
lichen Bibliothek zu Brüssel. In Wien wurde ein neuer Zu-
sammensetzungsplan, die sogenannte ”Schlüssel Carte” auf-
gestellt. Die Blätter wurden fortlaufend von NW nach SO
numeriert und in Schachteln -numeriert von I bis XIV -
untergebracht. Diese fortlaufende Numerierung ist von der
Königlichen Bibliothek beibehalten worden. Die Blätter des
Herzogtums Limburg tragen die Nummern 191, 192, 211, 212,
213, 231, 232, 233, 234 und gehören zur Schachtel IX. Die
beiden anderen Exemplare der Ferraris-Karte befinden sich
im Kriegsarchiv zu Wien - eh. Exemplar des Kaisers Joseph II. -
bzw. im Topographischen Dienst der Niederlande zu Delft
-eh. Exemplar der Wiener Hof- und Staatskanzlei -.
Wegen der außerordentlichen wissenschaftlichen Bedeu-
tung dieses Kartenwerkes, das ständig von vielen Forschern
benutzt und dadurch langsam aber sicher beschädigt
wird, war eine vollständige Reproduktion notwendig gewor-
6
den. Diese konnte glücklicherweise durch die ”Pro Civitate”
Stiftung des Gemeindekredits von Belgien durchgeführt wer-
den. Für die Herausgabe wurde der Maßstab ca. 1/25.000
gewählt, der demjenigen der jetzigen topographischen Karte .
des Militär-Geographischen Instituts entspricht. Jedes Origi-
nalblatt ist bei der Wiedergabe in 4 Viertel aufgeteilt worden.
Im Jahr 1965 erschien die Allgemeine Einleitung mit einer
historischen Notiz des Herrn Antoine De Smet, Leiter der
Kartenabteilung der Kgl. Bibliothek, aus der ich den gegen-
wärtigen Kommentar übernommen und übersetzt habe. Ausgabe
12 der ”Memoires” und die dazu gehörigen Blätter des Her-
zogtums Limburg sind im Mai 1974 veröffentlicht worden. i
Der hier mit dem Einverständnis des Gemeindekredits .
in schwarz-weiß veröffentlichte Ausschnitt aus den Blättern
212, Herve und 232, Eynatten läßt dennoch die durch schöne
Farben auf Original und Wiedergabe gekennzeichnete Boden-
nutzung erkennen. Da auf der Originalkarte die Farben durch
verschiedene Mitarbeiter und in verschiedenen Zeitabständen
eingetragen wurden, konnte keine absolute Einheitlichkeit der
Nuancen erreicht werden. Das zeichnet sich besonders bei
dem in unserem Kartenausschnitt vorherrschenden Grün der
Wiesen, Weiden und Wälder ab.
Die meist durch Hecken eingezäunten Wiesen herrschen
schon damals im Göhltal vor. Darunter finden sich einige
mit reihenartig angepflanzten Bäumen gekennzeichnete Obst-
gärten. Dieselben befinden sich in der unmittelbaren Nähe
der Häuser, die rot gekennzeichnet sind.
Als größere Waldungen erkennen wir den Einenburger
Wald, ”Bois d’Eynebourg”, - Angabe außerhalb des Aus-
schnitts - den Bambusch, ”Bois de Bamesch”. Kleinere Wälder
kommen in den Nebentälern der Göhl vor. Im großen ganzen
hat sich in dieser Beziehung das Landschaftsbild seit Ende
des 18. Jh. kaum geändert.
Dagegen beherrschen Felder noch gewisse ebene Anhö-
hen zwischen den Nebentälern : Links der Göhl : am Schmal-
graf, der Lütticher Landstraße entlang beim Gut Hirtz ; süd-
lich von Moresnet. Zwischen Hornbach und Göhl : von Husent
8
bis zur Eyneburg. Rechts der Göhl : am Nordrand der jetzigen
Ortschaft Kelmis (Driesch-Dörnchen-Ossenkop-Steinkaul).
Von den Äckern schwieriger zu unterscheiden sind die
Heiden, die sich in der Mitte des Einenburger Gutes ausdehnen.
Die Mitte des Ausschnittes durchschneidet die kurz vor-
hin -1750- seitens der Limburgischen Stände angelegte
”Chauss6ee de Liege a Aix-la-Chapelle”, die Pavei, die sowohl
die Göhl wie alle kleine Bächlein mittels steinerner Brücken
überquert. Von den anderen Wegen erkennen wir den ”Che-
min de Limbourg ä Rolduc, nomme Chemin du Duc”, den
Hertogenweg, der die Landstraße am Weiler ”Op den Krut”, 7
auf dem Kreuz (3), überquert und weiter nach Moresnet
läuft. Dann den Weg von Henri-Chapelle über den Weiler
”Esselbach” nach Kelmis. Seine Fortsetzung erkennt man
nördlich der Galmeilagerstätte ; es ist der des jetzigen Kel-
miser Straßenzuges Krickelstein-Neustraße-Parkstraße-Patro-
nagestraße-Sandweg-Hattich, der alten Kelmiser Naeberstraet.
Ab Hattich vereinigt sich dieser Weg mit der nach Aachen
ziehenden Landstraße, die ihn ersetzt hat.
Auf unserem Kartenauszug erscheinen keine Dörfer. Die
Zahlen (67, 71, usw.) sollen die Pfarrangehörigkeit andeuten ;
diese Zahl ist bei jedem Weiler und Einzelhof wiederholt.
In der Umgebung kennzeichnen 67 Montzen, 71 Moresnet, 73
”Hergenraet”. Die auf der Karte angegebene Pfarrangehö-
rigkeit entspricht nicht immer den damaligen Tatsachen : so
soll der Weiler ”Esselbach” zur Pfarre Moresnet gehören,
obschon wir mit Sicherheit wissen, daß die Pfarrgrenze von
Montzen gegen Moresnet dem Eselbacherbächlein bis zur
Einmündung in den Hornbach, ”de Honn’”, folgte, so daß
ein Streifen zwischen diesem Bächlein und dem Hornbach
mit der Kelmiser Rochuskapelle zur Montzener Pfarre ge-
hörte. Höchstwahrscheinlich haben die Kartographen die Be-
wohner gefragt, welche Pfarrkirche sie meistens besuchten.
In einigen Fällen war dann die nächtsliegende besuchte Kirche
eben nicht die rechtskräftige Pfarrkirche.
3. Heute steht an diesem Ort noch ein altes Steinkreuz aus dem Jahre
1597 eingemauert in der Mauer der Stallung des Bauernhofes ”Aje
Krütz”. Sieh WINTGENS, Leo: Vergessene Zeugen der Vergangen-
heit, Steinkreuze an unsern Wegen in ”Im Göhltal” Nr. 2 - 1967, S. 20.
9
Obschon die angegebenen Ortsnamen nicht sehr zahlreich
sind, werden doch folgende Weiler bekannt gegeben : in der
Pfarre Moresnet: Kelmisse ou Calmine, Op den Driesche
(heute Bambosch) ; in der Pfarre Montzen, heute Lontzen, Op
den Krut, Esselbach -irrtümlicherweise bei Moresnet ein-
gepfarrt -. Wie aus anderen Quellen bekannt, liegt der Weiler
Kelmis um die Göhlbrücke herum, da wo zwei alte Wege aus
der Richtung Henri-Chapelle, die spätere Landstraße und der
Schnellenberger Weg, die Göhl durch eine Furt passierten.
Die alte Rochuskapelle ist aber keineswegs angedeutet (4).
Von den vielen Einzelhöfen sind folgende mit Namen
erwähnt : de Hertz, cabaret, Herberge oder Wirtshaus also,
an der Landstraße von Osten nach Westen. Cense Snellen-
berg ; Cense Hausset (Husent), gerade am untersten Karten-
rand liest man noch ”Cse” = Cense.
Von den Burgen und Schlössern erkennen wir ”Chäteau
Eynenbourg” in Hergenrath.
Von den Mühlen und Betrieben : ”Kelmisse” am ”Hond,
ruisseau”” ; eine ”usine de Cuivre”, d.h. eine Kupfermühle,
die Jansmühle ; die ”Calmine en Cuivre, A.S.M.” d.h. die
Galmeilagerstätte des Altenberges, die seit 1439 zugunsten
der herzoglich limburgischen Domäne ausgebeutet wird.
A.S. M. bedeutet ”ä sa Majeste”. Innerhalb des Domanialgutes
- als Heide erkennbar - erkennt man ein Gebäude, dem ein
Wasserlauf entspringt : das Gehäuse des Pumpenwerkes, das
mittels eines Wasserrades betrieben wurde, und für die Was-
serhaltung in den unterirdischen Stollen und Gängen sorgte.
Dann vier andere Gebäude : das große Galmeimagazin, den
überdeckten Röstplatz, die Schmiede, und die Baracke oder
Schutzhütte der Bergleute mit dem ”chauffoir”, einem ge-
heizten Zimmerchen. Am Nordrande des Domanialgutes liegt
in einem Obstgarten das königliche Haus, la ”maison du Roi
de la montagne des calamines”, wo der ”contröleur” des
Altenbergs, seit 1649 mindestens, seinen Wohnsitz hatte. In
diesem wohnte auch zeitweise der herzogliche Rentmeister
4. PAUQUET, Firmin: Die ältere Besiedlung im Gebiet der ehemaligen
Herrschaft Kelmis. ”Im Göhltal” Nr. 2, 1967, S. 25-35 + Karte;
Nr. 5, 1969, S. 14-29; Nr. 6, 1969, S. 7-14.
10
und die Stände des Herzogtums versammelten sich hier am
19. September 1718. Die aus zwei parallel liegenden Flügeln
bestehende Anlage wurde 1662 neuaufgebaut und stürtzte
teilweise in den gewaltigen Tagebau im Jahre 1843 (5).
Außer ”Geul” und ”Hond” (Honn, Hornbach oder Lontze-
ner Bach) sind keine Bachnamen angegeben.
Felsen sind erkenntlich bei der Eynenburg. Die Ober-
flächenform, das Relief, wird durch Schattierung der Ab-
hänge angedeutet. Dieses mangelhafte System läßt trotzdem
manche Anhöhe, z.B. den Heidkopf, gut erkennen. .
Den ”Memoires” zu den Blättern V15 und X15 entnehme
ich noch folgende Erläuterungen : ”Das Gebiet, das auf beiden
Blättern aufgenommen ist, ist sehr schwer zu durchqueren
wegen der Hecken, die so zahlreich sind, daß man kaum eine
geräumige freie Ebene vorfindet, und wegen der finsteren
Wälder, die die Sicht nehmen (6). Anderseits sind die Wege
außerhalb der Chausseen so schmal, daß nur ein einziger
Wagen durchfahren kann. Die meisten Berge sind aber sowohl
zu Fuß oder zu Pferde wie auch mit Wagen erreichbar. Man
zählt zwei Kupfermühlen nordwestlich von Hergenraedt und
zwei Schmieden nördlich des Weilers Kelmis, sowie eine Stein-
grube im Aachener Wald unweit der Chaussee. Der Boden
ist fett, dann und wann steinig. Im Osten eignet er sich für
Ackerbau und Wald. Die geernteten Weizen, Roggen, Gerste
und Hafer genügen aber nicht für die Versorgung der Ein-
wohnerschaft. Obschon gebietsweise sumpfig, geben die Wie-
sen so viel Heu, daß sehr viel Vieh gezüchtet wird. Der
erzeugte Käse ist hervorragend und wird in der gesamten
Umgebung verkauft. In den meist sumpfigen Wäldern wachsen
Eiche, Buche und Hainbuche. Ein jährlicher Holzschlag liefert,
zusammen mit dem Schnitt der Hecken, genügend Holz für
Heizung und Zimmerung. Einige Heiden könnten wahrschein-
5. PAUQUET, Firmin: Exploitation de la Vielle-Montagne au XVI®
siecle, Liege, 1970 ; Publications de la Societ& d’Histoire et d’Arche-
ologie du Plateau de Herve; S. 1-62. Insbesondere S. 32-34.
Allgemein. Reichsarchiv Brüssel; Pläne und Handschriften, Nr. 1107.
6. Der Autor der ”M&€moires” denkt vor allem an Militärverbände, Die
Karte war ja unter anderem für militärische Zwecke bestimmt.
u
lich urbar gemacht werden. Die Wege sind im Sommer brauch-
bar, im Winter aber sehr schlammig. Die Göhl mißt 7 bis 11
Fuß breit und hat eine Tiefe von 2 bis 3 Fuß, wovon 1 bis 2
Fuß unter Wasser. Ihr Bett ist steinig und ihre Ufer steil. Es
bestehen zwei gemauerte Brücken, die eine an der Lütticher
Chaussee, die andere im Dorfe Moresnet. Die anderen Wege
überqueren die Göhl an Furten. Der Hond hat 7 bis 8 Fuß
Breite ab der Mühle von Lontzenbusch und 2! Fuß Tiefe,
wovon 1 Fuß unter Wasser. Die Ufer sind steil, das Bett
steinig und der Bachlauf reißend. Es besteht nur eine gemau-
erte Brücke in Lontzen. Die anderen Bäche sind nicht erwäh-
nenswert. Die Teiche und Tümpel können austrocknen oder
durch Ablauf in benachbarte Bäche entwässert werden. Im
Falle eines Krieges gegen Deutschland in der Aachener Gegend
wäre dieses Gebiet wichtig, um den Feind anzugreifen oder
um ihm den Einmarsch in das Herzogtum Limburg zu ver-
sperren. Es bestünden aber viele Hindernisse für die Truppen-
bewegungen und viele Maßnahmen wären notwendig, sowohl
bezüglich der Viktualien wie auch der Wege” (7).
7. Nach dem Aachener Frieden von 1748 und dem Bündnis mit Frank-
reich 1755 ist Preußen der Hauptfeind des Hauses Habsburg gewor-
den. Preußen besitzt aber seit 1614 die niederrheinischen Herzogtü-
mer Kleve, Mark und Ravensberg und kann von da her die öster-
reichischen Niederlande bedrohen.
12
Aus der Pfarrgeschichte Hergenraths :
Dokumente zur Frühgeschichte
der Pfarre Hergenrath
von Alfred Bertha
Einleitung
In Nr. 12 der Zeitschrift ”Im Göhltal” wurde versucht,
das politische Geschehen des 19. Jh., so wie es sich nach der
”Chronik der Bürgermeisterei Hergenraed” darstellte, in den ‚,
großen Linien nachzuzeichnen. Für die Pfarrgeschichte stehen
uns neben genannter Chronik noch eine Reihe anderer Quellen
zur Verfügung, vor allem die im Aachener Diözesanarchiv
lagernde GVO-Akten betreffend Hergenrath, im Hergenrather
Pfarrhaus liegende Dokumente sowie die sich auf diese Ort-
schaft beziehenden Bestände der Staatsarchive Koblenz und
Düsseldorf. Einige wenige Hinweise zur Person einzelner
Pfarrer verdanken wir dem Lütticher Diözesanarchiv. Noch
nicht voll ausgewertet sind die Archivbestände des ehemaligen
Herzogtums Limburg, zu dem Hergenrath bis zur Franzosen-
zeit gehörte. Sie lagern z. T. im Lütticher, z. T. im Brüsseler
Staatsarchiv und bergen womöglich noch manch interessanten
Hinweis auf die Hergenrather Pfarre. Auf einige Spezialab-
handlungen weisen wir im Quellennachweis hin.
1. Kirche und Pfarrgemeinde Hergenrath von den Anfängen
bis 1614
Im Mittelalter war das Bistum Lüttich in sogenannte
Erzdiakonate unterteilt, wovon eines den Namen Erzdiakonat
des Condroz trug. Jedes Erzdiakonat zerfiel wiederum in
mehrere Dekanate, auch ”Konzile” genannt. Zum Erzdiakonat
des Condroz gehörten 5 Konzile, und zwar Huy, Ouffet, Ciney,
Hanret und St-Remacle. Letzteres geht uns direkt an, da es
sich von der Maas im Norden von Richelle bis nach Her-
genrath, Hauset, Eynatten, Raeren und Eupen erstreckte. Das
”Concile de Saint Remacle” bildete so den östlichen Teil des
Erzdiakonats des Condroz. Die Karte mag dies deutlicher
als Worte veranschaulichen (1).
14
Hof bei der Kirche, der dem Johan van Hergenraede gehört
habe, empfange (4).
Aus dem Martinus-Patronat der Hergenrather Kirche kann
man nicht den Schluß ziehen, sie habe ein hohes Alter. Die über
den Ursprung der Kirche vorhanden gewesenen Dokumente
sind angeblich ”in früherer Zeit” bei Gelegenheit eines Pro-
zesses zwischen den Pfarrern von Walhorn und Hergenrath an
den Hohen Rat von Brabant in Brüssel geschickt worden, von
wo sie nicht wieder zurückgekommen sein sollen (5). Es ist nicht
ausgeschlossen, daß dies 1767 geschehen ist. In jenem Jahre
hatten nämlich die beiden Pfarrer eine Streitsache bezüglich -
des Zehnten in Hergenrath vor den höchsten Gerichtshof
gebracht. Die Akten über diesen Streitfall sind bisher nicht
wieder aufgefunden worden und der Prozeß selber ist uns
nur durch einen zweiten, im Jahre 1777 geführten, bekannt (6).
Leider müssen die Unterlagen also als verloren gelten, wenn
nicht ein glücklicher Zufall sie eines Tages wieder ans Licht
fördert. Dasselbe müssen wir von den alten Kirchenbüchern,
den Tauf-, Heirats- und Sterberegistern, sagen (7). Damit sind
äußerst wichtige Quellen zur Pfarrgeschichte verloren oder
nur noch bruchstückweise erhalten.
Der Überlieferung nach soll zu Ende des 16. oder Anfang
des 17. Jh. die ursprüngliche Kapelle durch Anbau eines
Schiffes und Turmes zu einer richtigen Kirche geworden
sein (8). Auf die Frage nach dem genauen Zeitpunkt der
Erhebung der Hergenrather Kapellengemeinde zur selbstän-
digen Pfarre läßt sich bis heute keine definitive Antwort
geben. Immerhin besitzen wir urkundliche Unterlagen, die
etwas mehr Licht in die bisher dunklen Anfänge der Her-
genrather Pfarrgeschichte bringen. Wenn sie uns auch nicht
gestatten, die bisher um die Mitte des 17. Jh. angesetzte
Pfarrwendung um 30 Jahre vorzuverlegen, so können wir doch
anhand dieser Dokumente sagen, daß Hergenrath schon um
1620 eine de facto von Walhorn unabhängige Kirchengemeinde
bildete, auch wenn diese Selbständigkeit de iure erst um 1650
zugestanden sein sollte. Auch können wir nunmehr der Na-
menstafel der Hergenrather Pfarrer einige bisher unbekannte
Namen hinzufügen. Bei diesen bisher unveröffentlichten Un-
15
terlagen handelt es sich um die ältesten erhaltenen Kirchen-
rechnungen unserer Pfarre, die von 1614 bis 1643 führen (9).
2. Aus den Eintragungen des Kirchenrendanten Clas Beelen
1614 - 1643
Während mehr als 200 Jahren hat die Familie Beelen
in Hergenrath eine hervorragende Rolle gespielt. 1576 kaufte
Lambert Beeil van Embach (Heimbach ?) von den Eheleuten
Peter und Marie Schardinel den Hof zu Hergenrath, nach
seinen früheren Besitzern Gut Bertolf genannt. Aus Beeil
bzw. Beylen wurde in der nächsten Generation Beel bzw.
Beell. Nach dem Tode von Heinrich Beel kam das Gut an die
Söhne Lambertus und Claes, welch letzterer 1621 seinen Anteil
an ”Bertolf” empfängt (10). Dieser Claes Beel (die Namens-
schreibung schwankt übrigens von Beel bis Bellen/Beelen)
ist es, der das erste Hergenrather Kirchenbuch geführt hat.
Da die Eintragungen nicht alle streng chronologisch geordnet
sind (auf 1615 folgen 1629-30 und 1614), dürfte es sich z.T.
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Das Gut Bertolf, auch Hergenrather Hof genannt
Foto: A. Bertha
16
um nachträgliche Abschriften loser, nicht geordneter Unter-
lagen handeln. So sind wir auch nicht in der Lage, genau zu
bestimmen, von wann an Claes Beelen (dies ist die häufigste
Schreibweise des Namens) Kirchenrendant gewesen ist. Es
ist durchaus möglich, daß er dieses Amt schon 1614 innehatte,
denn gleich aus den ersten Eintragungen geht hervor, daß
er schon damals eine hervorragende Rolle in der Kirchen-
gemeinde spielte. Später - 1634 und 1641- ist Claes Beelen
auch als Schöffe der Herrlichkeit Hergenrath belegt (11).
In der zweiten Hälfte des 2. Jahrzehnts des 17. Jh. mehren
sich die Anzeichen, die auf eine unmittelbar bevorstehende ‚,
Loslösung Hergenraths aus dem Pfarrverbande der Großpfarre
Walhorn hindeuten. Alles deutet darauf hin, daß die Hergen-
rather in jenen jahren enorme Anstrengungen gemacht haben,
um aus dem Walhorner Kirchspiel auszubrechen. Als erstes
galt es, die für eine selbständige Pfarre unerläßlichen Kult-
gegenstände (Ziborium, Opferkelch, Ölgefäß, Taufstein, usw.)
anzuschaffen, sowie einen eigenen Friedhof anzulegen.
Die Gemeinde - es besteht keine Trennung zwischen Zivil-
und Kirchengemeinde - besaß einigen Grundbesitz, vor allem
aber einen Wald, St. Mertens Busch genannt, aus dessen Holz-
verkäufen in mehr oder weniger regelmäßigen Abständen die
Gemeindekasse aufgefüllt und die kirchlichen Ausgaben be-
stritten wurden. Solche Versteigerungen von Holz aus dem
St. Mertens Busch verzeichnet Claes Beelen für 1614, 1618,
1619, 1622, 1627, 1628 ‚1633, 1638 und 1643. Der Busch - etwa
22 Morgen groß - war in verschiedene ”Haue” eingeteilt, die
dann in der Regel alle 9 Jahre abgeholzt wurden (12).
Am 21. November 1614 wurde ein etwa 3 Morgen großer
”Hau” des Mertensbuschs - der sog. Herkenbruch - in drei
Losen von je einem Morgen meistbietend versteigert. Den
Erlös, rund 30 Taler, legte die Kirchengemeinde an einen
Speisekelch. Dazu Claes Beelen :
”Den 18 Juny haeffen die Naeber (= Einwohner) des
Dorps Hergenraedt ein Zebwiren (= Ziborium, abdeckbares
Hostiengefäß zum Aufbewahren und Austeilen der Hostien)
gegulden voir die Keirch tot Hergenraedt bey den golt
schmeidt wonnende tot aichen (= Aachen) neist (= nahe) bey
17
et haus genandt die geidt (= die Geiß) tegen de Fleisch planck
ouer (= gegenüber der Fleischplank : Aachen hatte zwei
”Fleichsplanken”, wo die Metzger ihre Ware anboten) wel-
che Zebwiren-Monstrantis sawr (= swar, schwer) van ge-
weicht twee pondt men (= weniger) ein Loedtt (13) beloipt
ende (= und) koest an den goltt schmeidt seuentigh Daller
2 buischen aicher geltt (14) ;
Noch dar beneben koest die Weyungh an die Mender
bruider (= Minderbrüder, Franziskaner) erstlich vertert twee
Kanen Weins meit (= mit) einen ouersten (= Obersten) van
den bruideren 8 merck die Kan, facit 16 merck
Noch an die vorsc (vorschreven = vorgenannte) bruiders
verert (= geschenkt) einen Hamels buich (= Hammelbauch)
bey Joireis Kettenis koest achthein merck men twee buischen.
Noch op bouen vorsc dito Int hoellen (= Holen) ende
ouer brengen der Zebwiren is vertert durch Reullen tot aste-
net Lennert Schmeidt Klas Bellen veir aicher gulden bey
Willem Bellen tot aichen”,
Soweit die Eintragung über den Kauf des Speisekelchs
bei einem Aachener Goldschmied, seine Segnung durch die
dortigen Franziskaner und das Überbringen nach Hergenrath
durch Reul aus Astenet, sowie Lennert Schme(i)dt und Klas
Beelen.
Was das Goldschmiedehaus ”zur Geiß” angeht, so hat es
wenigstens zwei Häuser dieses Namens gegeben. Die um 1460
angelegten Grafschaftsbücher nennen ein solches Haus
a) in der Schmiedstraße, mutmaßlich Nr. 9 (neben dem Gras-
haus, heute Stadtarchiv). Hier wohnte Mitte des 17. Jh.
der Weinhändler Andreas Amia. In seinem jetzigen Bestand
dürfte das Haus Nr. 9 der Wende des 17. zum 18. Jh.
zuhören.
b) in der Königstorgrafschaft, Ecke Markt-Klostergasse. Die-
ses Haus wird schon 1357 erwähnt. Bei Zurücklegung der
Bauflucht fiel das Hausgrundstück Markt Nr. 2 in die
Straßenerweiterung.
Die Fleischplanken lagen gegenüber der ”Geis”, Markt
Nr. 2, an der Ecke Jakobstraße - Kockerellstraße abwärts.
18
(Freundliche Mitteilung von Stadtkonservator a.D. Hans
Königs).
Als nächstes sollte das Taufrecht folgen. Dazu findet sich
in den Kapitelsprotokollen des Aachener Marienstiftes unter
dem Datum des 20. August 1618 folgende lapidare Eintragung :
”Item, weil die von Walhorn etliche Baptisteria auffge-
richtet, solle darauf hienegst capitell gemacht werden”.
Diese "etliche Baptisteria” waren die von Eynatten, Hergen-
rath und Raeren. 1617 erhielten die an diesen Kapellen dienst-
tuenden Priester das Recht, in ihrer Kapelle die Taufe zu
spenden (s. V. Gielen, Mutterpfarre und Hochbank Walhorn, +
S. 25). Erstaunlich ist, daß das Kapitel des Marienstiftes erst
im August 1618 dieses Taufrecht erwähnt und daß entgegen
der Ankündigung keine Kapitelversammlung zur Beratung
über dieses Thema stattgefunden hat.
Nachdem nun aber der Hergenrather Geistliche taufen
durfte, war es vordringlich, einen Taufstein anzuschaffen.
1619 lautet denn auch eine der Eintragungen des Kirchen-
rendanten :
”Noch betallt an den doep stein 13 Daller 10 Merck
Voir dei deixsell (= Deckel) op den stein noch 1 merck
an den schmett voir acy Klammen voir dey Kluister
l (= Vorhängeschloß) op dey stein zalt 14 stuver”.
Und am 16. April 1620 zahlt Claes Beelen ”an unsen pastoir
herr arret 16 gl 2 merck voir seinen unmoetten er gehaedt
hefft mit den doep stein er tot Meunster (= Kornelimünster ?)
seluer hefft moetten goen umb den selbigen tebestellen ende
auch mit dey Weyungh van unsen Keirchoff ende andere
sachen mehr so unser Kirchen an gaedt”.
Dieser erste Hergenrather Taufstein, den Pfarrer Arret
(oder Arnoldus) in ”Münster” bestellte, ist noch erhalten,
dient allerdings als Blumenkübel und steht im Vorgarten
eines Hauses in der Bahnhofstraße. Der Deckel fehlt. Der
Stein trägt die Jahreszahl 1619.
Schon am 4. August 1618 hatte Claes Beelen 11 Aachener
Gulden bezahlt für ”ein buich in uns Kirch nemlich ein
bevell ende deup buich so uns pastoir arnoldus hefft doen
19
macken”. Taufbuch und Taufstein: beides war also 1619
vorhanden.
Der erste Hergenrather Taufstein
Foto: A. Bertha
Aber auch die für die anderen Kulthandlungen notwen-
digen Gegenstände wurden in jenen Jahren angeschafft : beim
Küster Bastejan in Lontzen gab man 1618 ein Kirchenbuch
in Auftrag, wahrscheinlich ein Meßbuch, wofür man ”zalt
an vors Bastejan 16 gulden 5 merck voir seinen Schreiff
Loen ende et papeir so noch in dat buich gebonden is”. Im
selben Jahr ließ man eine der beiden Glocken neugießen.
1619 schaffte Pfarrer Arnoldus ein Gefäß für das heilige Öl
und den Chrisam an. Ebenfalls 1619 wird ein Ausgabeposten
von 6 Stübern ausgewiesen für eine ”feuir pan” in der Kirche
(eine Feuerpfanne war eine flache Eisen-oder Kupferpfanne,
die, in der Nähe des Altares aufgestellt und mit glühenden
Holzkohlen gefüllt, bei großer Kälte das Gefrieren des Wassers
verhinderte und dem zelebrierenden Priester etwas Wär-
me gab).
1621 kaufte man in Aachen für 8! Gulden einen Kelch,
”um etheilich Sacrament voir dey krancken dar in tedra-
gen”. 1622 verbuchte Claes Beelen eine Ausgabe von 16 Mark
für zwei ”eiseren Branterten”, wahrscheinlich Brantreiten,
d. h. Gestelle zum Auflegen bzw. Aufschichten der Holzscheite.
20
Wann aber wurde in Hergenrath der erste Friedhof anze-
legt ? Auch dazu finden sich in den Kirchenrechnungen Hin-
weise. Das älteste Hergenrather Grabkreuz trägt die Jahres-
zahl 1624. Wir dürfen aber annehmen, daß schon einige
Jahre früher, spätestens 1620, die Toten im Ort bestattet
wurden, und zwar können wir uns auf die Eintragung Claes
Beelens stützen, der ohne genaue Datumsangabe 1618 schreibt,
der Weihbischof sei hier gewesen und habe den Friedhof
eingeweiht. Unter dem Datum des 8. September 1619 lesen
wir dann ”hatt uns pastor Herr arret mich don betallen 24
Stuver an den alden Kuister Bastejan van Lonssen voir ein
buich (= Buch) in uns Kirch, pastor haven muist als men "
Doeden begraffen sall” (Bis dahin scheint also noch keine
Beerdigung in Hergenrath stattgefunden zu haben).
Am 16. April 1620 heißt es schließlich, er habe 7 Aachener
Gulden ”an unsen kuister voir einen neuyen Heudt (= Hut)”
gezahlt, ”wegen seinen unmoetten (= Mühe) er nu mehr doen
moett mit doep ende begreffenis als er voir mals hefft gedoen”,
und dies auf Weisung des Pastors, Herrn Arret hin. (Von dem
Küster wissen wir nur, daß er Hupert hieß und jährlich 11
Taler, 3 Mark und 1 Bausche verdiente.)
Der Kirchhof war vermutlich von einer Mauer umgeben,
denn für das Kirchhoftor liegt eine Rechnung vor. Auch wird
mehrfach ein Vorhäuschen erwähnt ; wozu es diente, ist nicht
festzustellen.
Somit hatte die Hergenrather Kirchengemeinde schon 1618
eine große Selbständigkeit erlangt. Die Kapelle entsprach je-
doch nicht mehr den Anforderungen, die nun an sie gestellt
wurden. Eine Erweiterung des Baues tat not. Welche Arbeiten
im einzelnen ausgeführt wurden, können wir ebenfalls aus den
Unterlagen des Kirchenrendanten ersehen.
Die erste Eintragung dieser Art trägt das Datum des
14. Juli 1619. Claes Beelen schreibt :
”Noch den 14 July 1619 haven wir Naber dey Keirch
Meuir (= Mauer) verdeinckt (= verdingt, übergeben)
voir 20 Daller ein halff thon (= Tonne, Faß) beirs
(= Bier) darvoir tegeven 6 gulden eicks (=6 Gl.
Aachener Geld) 1 merck noch 3 fannen (= Pfannen)
21
1 kan beirs dey steinmetzer verthert haven als sey
dey Meuir verdenckt haven”.
Am 12. August des gleichen Jahres übergab man den
Steinmetzen weitere Arbeiten, nämlich ”2 oirt Meuiren ende
dat Loeck in den Keirch thoen (= Kirchtum) als auch dey
alde Meuir dey Loeken testoepen, woir voir wir geven motten
8 Daller sagen acht Daller”.
Die Handwerker kamen von auswärts, denn Claes Beelen
bezahlte beim Gastwirt Peter Michgellen ”voir schlaff geltt
wegen datt dey steinmetzer dar auss und in gegangen haven
ende dar geschlapen” sechs Aachener Mark.
Den Kalk zum Mauern holten die Hergenrather bei
Willem Raeff (er war Schöffe der Bank Walhorn), und zwar
14 Müdden weniger 2 Vat. Zwei weitere Müdden Kalk wurden
”bei Kereis” geholt, jedes Müd zu 15 Stüber.
Die Maurermeister waren am 16. August 1619 mit ihrer
Arbeit an der Kirche fertig. Zusammen mit den Dorfbe-
wohnern wurde das Ereignis im Dorfkrug gebührend begos-
sen, wofür der Rendant 5 Gulden und 2 Mark weniger 1
Bausche einträgt.
Am 8. Oktober zeichnete der Schreinermeister mit dem
Förster das Holz fürs Kirchendach. ”Domals ich betalt 3
Kanen Beirs”, lesen wir im Rechnungsbuch. Doch schon am
2. August 1619 hatte Claes Beelen Drauben Kereis ”van de
buisch” (Lontzen-Busch ?) für 3.500 ”schendeln (= Schindel,
Holzbrettchen) voir de kerck tedecken” 35 Aachener Mark
gezahlt.
Für den ”Leyendecker” trägt der Rendant an ”Deckloen
op den Thorn” 35 Gulden, 4 Mark ein.
Der ”Gelaeß mecker van Eupen” bekam 6 Gulden und
drei Mark ”voir dey Gelaeßfeinsteren an dey keirck er ge-
mackt hatt”.
Aus all diesen Eintragungen geht hervor, daß der Er-
weiterungsbau der Hergenrather Kapelle, von dem die Über-
lieferung zu berichten weiß und der Ende des 16. oder Anfang
des 17. Jh. vorgenommen worden sein soll, in das Jahr 1619
zu setzen ist.
22
Was das schon erwähnte Vorhäuschen am Friedhof an-
geht, so wurde es am 24. Juli 1619 verdingt an ”Jacob den
Teimmermann van den berlott”. Der ”schneider van Einat-
ten” bekam den Auftrag, ”datt Hollz voir datt Haussken
zu schneiden”. Bei Reynartt Brandt in ”Morssent” kaufte
Claes Beelen 2.300 ”scheindelen” und ”Meister Jan den
Leyendecker van Theitfeld” (Titfeld/Raeren) bekam als Deck-
lohn 5 Gulden und 7 Stüber inklusive der 2 Kannen Bier,
die der ”Leyendecker” täglich erhielt.
1624 verzeichnet man eine Ausgabe von 3 Stübern für
einen Schlüssel, den der Schmied Merten Schmett ”op dat
schrein (= Tabernakel) in uns Keirck” gemacht hatte ;
schließlich schaffte man 1625 ein ”Eelter Kleidt” (Altarkleid)
in uns Keirck” an für 7 Gulden, 9 Bauschen.
Diese rege Kauf- und Bautätigkeit, die um 1615 einsetzte
und in den Jahren 1618 bis 1623 ihren Höhepunkt erreichte,
fand ihren Abschluß mit dem Bau eines Pfarrhauses, wovon
zum ersten Male 1628 die Rede ist. Über die ”Verdeinckenis”
des Baues schrieb Claes Beelen einen ausführlichen Bericht,
den wir hier folgen lassen :
”Anno 1628 den 9 Aprill heben dey Naberen deises dorps
Hergenraed sich verdragen (= einen Vertrag abgeschlossen)
ende verdeinckt dey steinmetzer om des pastoir Haus tebouen
tewetten (= zu wissen, nämlich) Fleiph op dey belott ende
Weynant Jerusalem van Cetteneis dewelcke heben datt seluen
aen genoemen ende verdeinght temoeren rond om tot ant
Daeck mit moeren temacken enden Einen Keller daer aen
ende den Brandt (= Kamin ?) groett senden twee seummer
gekoent enden einen stall daraen 11 voett weidt bennen wercks
. ende datt seluen voir dey zum (= Summe) van 56 Daller
ende 2 thonne beirs verder alles tot ihren Coesten mit datt
dey Naber sollen oepperen (= handlangern), stein und kalck
bey draegen ende is versproecken datt sey sollen begennen
ten Haluen Mey u. volgens naer den anderen wercken tott
datt ferdich is welck zum sall betalt worden vant geltt van
den buisch so vercoicht is int Jair 1627 den 21 merts ende
int Jair 1628 den 12 merts geleick oick hir voir bleickt in dit
boeck genoteirt is
23
”Op dato vorsc heben dey Naber verdeinckenis gemackt
mit Kereis Freirich om dey stein tebrecken voir den gantzen
bauwe woer voir men den vorsc Kereis beloeft heft 6 Rix
Daler
”Voir dey 2 thonnen beirs betalt 24 Gulden eix”
Der ”Verding” fand statt in der Gastwirtschaft des Theis
Michgellen, - wohl ein Sohn des schon 1619 erwähnten Peter
Michgellen - und für ”Leickop und Gots Haeller” (15) wurden
26 Mark ausgegeben, wovon die ”Naber oft dey Keirck”
2 OÖ ee de I lt a
AN KR
Eine Seite aus dem Rechnungsbuch (Auszug)
24
18 Mark zahlen mußten, während die verbleibenden 8 Mark
den Maurermeistern von den 56 Taler Lohn abgezogen wurden.
Unter dem 25. Juli 1629 trägt Claes Beelen ein :
”betalt aen Theis Michgellen 12!» merck so dey steinmet-
zer aen beir daer vertert heben als sey ett haus ferdeich
gehaedt geleick alteyt ihr gebroeck (= Brauch) is als sey
einen bauwe ferdich heben Heum (= ihnen) als daen datt
geloech schuldig is tegeuen”.
Wie man sieht, war es auch vor 350 Jahren schon Brauch,
Richtfest zu feiern. Wie es kommt, daß schon am 2. Juli 1629
Claes Beelen bei Theis Michgellen 38 Kannen Bier zu einem |
Stüber die Kanne bezahlte ”als dey Theimmer Leudt dat
Haus gereicht heben so datt men schuldich is Coest u.
Dranck an dey Toemmer Leudt”, läßt sich schwer sagen.
Für Dach- und Innenarbeiten bekamen die Zimmerleute, Jacob
und Reynart N.(16), und ”Dreis indehoelley tot Einetten 45
Daler eix” und 22 Gulden für ”2 thonnen beirs”.
Das neue Pfarrhaus war mit ”schoeff” (= Stroh) und
”taeffelen” (= Schiefer vgl. Schiefertafel ?) gedeckt und wie-
derum hatte man einen fremden Handwerker, nämlich ”Jan
vuyt Meunster Landt” holen müssen. In Hergenrath selber
scheint es um diese Zeit weder Maurer, noch Schreiner, noch
Dachdecker gegeben zu haben. Wohl aber hatte das Dorf einen
Schmied und einen Gastwirten.
MOORE
Die letzte Eintragung des Rendanten Claes Beelen bezieht
sich auf einen Holzverkauf aus dem Mertenbusch. Bliebe noch
ein Wort zu den ersten Hergenrather Pfarrern zu sagen. In
einem Artikel der ”Eupener Zeitung” vom 17. 7. 1933 (”Erbau-
liches und Tragisches aus Hergenraths Kirchengeschichte””)
schrieb der Autor, der spätere Bürgermeister von Kelmis,
J. Kriescher, u.a. : ”Zur Pfarrei erhoben wurde Hergenrath
i.J. 1648” und: ”Um diese Zeit ist auch eine neue Kirche
erbaut worden, und zwar an Stelle der alten Kirche”. Weiter
schrieb Kriescher : ”Kürzlich ist in einem alten Taufbuch eine
allerdings unvollständige Liste der Pfarrer zu Hergenrath ent-
deckt worden... Der 1. Pfarrer war demnach vermutlich
25
Johannes Priem. Woher er kam, wie lange er amtierte, ist nicht
angegeben” (16a).
Auf Krieschers Artikel in der Eupener Zeitung haben sich
manche spätere Chronisten berufen. Nun sind wir, dank den
Aufzeichnungen des Claes Beelen, in der Lage, einiges hinzu-
zufügen bzw. zurechtzurücken.
Der erste Hergenrather Pfarrer hieß Arnoldus, wurde aber
anscheinend Arret genannt und kam aus Aldenhoven (”Unser
pastoir Aarett ab Aldenhoeffen”). Er war schon 1618 in Hergen-
rath und hat sich für die junge Pfarrgemeinde sehr einge-
setzt. Die Gemeinde entschädigte ihn am 16. April 1620 mit
16 Gu'den, 2 Mark für die Mühe die er sich mit der Beschaffung
des Taufsteines gemacht hatte ”ende auch mitt dey Weyungh
van unsen Keirchoff ende andere Sachen mehr, so unser Kir-
chen angaedt”. Die Einweihung des Friedhofs fand 1618 statt.
Letzte Erwähnung von Pastor Arret ist am 24. Juli 1624.
Zur Hergenrather Kirmes und Prozession hatte der Pastor sei-
nen Confrater ”den Pastoir van Brandeborch” herbestellt, wo-
für Claes Beelen einen Ausgabeposten von 14 Mark einsetzt.
Am 26. 4. 1626 heißt es, ein ”pastoir van Kerckroedt” sei
gekommen um mit den Hergenrathern einen Vertrag zu
schließen und hier Pfarrer zu sein. In Aachen und auch hier
habe man 15 Mark Auslagen gehabt. Der Pfarrer von Her-
genrath wurde also nicht vom Aachener Marienstift, sondern
von der Bevölkerung ernannt (17). Der Geistliche aus Kerkrade
-sein Name wird leider nicht genannt- blieb allerdings nur
sehr kurze Zeit, denn schon am 29. Juni 1626 lesen wir :
”betalt 10 merck voir dey doep tehollen bey den pastoir tot
Walhorn”.
Eine weitere Eintragung des Rendanten bringt uns auf
den Namen des nächsten Pfarrers :
”Noch int Jair 1628 betalt 7 Daler an Heinrich Brem
wegen den Haus Zeins (= Miete) der pastoir Herr Eyffo vuyt
Landt van Geullich ein Jair In Heinrichs Haus gewondt haft
daer mitt inbegrepen wegen den kolhoff (= Kohlhof, Garten)
nitt gesedt (= gesät) en waer geleick Heinrich den seluen
ouerleuert heft”.
| 26
| Diese Eintragung scheint vor Ende Juli 1628 gemacht
worden zu sein. Somit wäre ”Pastor Eyffo aus dem Land von
Jülich” etwa von (Mitte ?) 1627 an in Hergenrath gewesen.
Aus einer anderen Notiz sehen wir, daß der Pastor mit vollem
Namen Eyffo Arrentsweiler hieß. Aus derselben Notiz geht
hervor, daß der Pfarrer 100 Taler verdiente, die z.T. aus
Kirchenrenten, z.T. direkt durch den Erlös aus Verkäufen
aufgebracht wurden. Ein Jahr lang wohnte Pfarrer Arrents-
weiler im Hause des Heinrich Brem. Es war dies kurz vor
dem Bau des Pfarrhauses. Während des Baues wohnte der
Pfarrer bei Claes Beelen, welcher schreibt :
”Item noch heft der pastoir 2! Jair in mein Haus ge- 4
wondt ; wes mich daer voir competheirt (= zusteht) stellen
ich tot Discretion van guden freunden”. Auf Kirmessonntag
1630 ist Pfarrer Arrentsweiler noch in Hergenrath. Danach
verliert sich seine Spur.
Unter den bisher schon bekannten Pfarrern ist auch
Jacobus Schleich, der von 1660 bis 1670 in Hergenrath wirkte
und in der Göhl unweit von Moresnet am 15.12.1670 er-
trunken sein soll. So wenigstens steht es in der Gemeinde-
chronik zu lesen. Nun stoßen wir im Gudungbuch der Herr-
lichkeit Hergenrath unter dem Datum des 7.12.1635 auf
”Jacobus Schleich, zeitlicher Pastor in Hergenrath” (18). Ob
es sich dabei um den selben Priester handelt, der auch von
1660 bis 1670 hier tätig war, ist nicht zu sagen.
Es ist bisher kein offizielles Dokument bekannt, aus dem
hervorginge, daß Hergenrath 1648 sebständige Pfarre gewor-
den sei (19). Wahrscheinlich hat man jenes Jahr als das
Jahr der Pfarrerhebung genommen, weil der erste der bisher
bekannten Hergenrather Seelsorger, Johannes Priem, von 1648
an hier wirkte. Aber schon ”’Pastor Arnoldus aus Aldenhoven”
hätte mit gutem Recht den Titel eines ”Pfarrers” führen kön-
nen, da er alle Rechte eines solchen besaß. Es ist auch wahr-
scheinlich, daß der Aachener Domherr Wilhelm Darimont,
als er am 23. 2. 1633 vor dem Walhorner Gericht ein Abkom-
men unterschrieb, wonach es den Kaplänen von Titfeld, Ey-
natten und Hergenrath erlaubt sei, die Pfarrfunktionen aus-
zuüben, nur einen schon bestehenden Zustand sanktionierte.
Jacobus Schleich führt denn auch als erster offiziell den
27
Pfarrertitel: ”Und ich Jacobus Schleich, zeitlicher Pastor zu
Hergenrath ...”, steht im schon genannten Hergenrather Gu-
dungbuch.
Die umfangreichen Arbeiten an der Kirche lassen es
höchst unwahrscheinlich, wenn nicht ganz ausgeschlossen er-
scheinen, daß um 1650 eine neue Kirche an Stelle der alten
errichtet wurde. Wie wir gesehen haben, deckt sich die Über-
lieferung bezüglich des Anbaus eines Schiffes mit den Eintra-
gungen des Kirchenrendanten. Im Jahre 1744 dürfte dann
ein Umbau des Gotteshauses stattgefunden haben, denn im
Schiff cer im vorigen Jh. abgebrochenen alten Kirche befand
sich ein Zahlenstein mit jener Jahreszahl.
Fortsetzung folgt.
MAN
Quellennachweis und Erläuterungen :
1. Die (vereinfachte) Karte ist dem Ausgabe XIV des Bulletin de la
Societe d’Art et d’Histoire du Diocese de Liege, 1903, entnommen.
Auf den in dieser Publikation erschienenen Aufsatz von Jos. Bras-
sinne: ”La limite du Concile de St Remacle”, S. 267 ff; bes.
S. 329-331, stützen sich auch die anderen Ausführungen zum ”Con-
cile de Saint Remacle”.
2. Jos. Brassinne: ”Pouille de l’ancien Concile de Saint Remacle en
1558: Beneficia Concilii Sancti Remacli” in B.S.A.H.L., 1903,
Ss. 332.
3. Regesten der Reichsstadt Aachen, Bd. I, 1251-1300, S. 190, Nr. 360.
4. L. von Coels: ”Lehenregister der propsteilichen Mannkammer des
Aachener Marienstiftes”, S, 282, Nr. 172.
Die Nummer 171 der Lehenregister spricht vom ”gueden synt
Mertin”, bzw. dem ”guden sint Mertyns”. Diese Eintragungen stam-
men aus den Jahren 1421 bzw. 1422. Ob der ”gute St. Martin”
nicht die Hergenrather Martini-Kapelle meint ? Eine Parallele könnte
man ziehen zu Malmedy. Die dortige Abteikirche St. Peter wurde
auch ”der gute St. Peter” genannt. Wenn diese Annahme stimmt,
hätten wir 1421 den bisher frühesten Hinweis auf die Hergenrather
Kapelle. Wir wollen uns jedoch nicht darauf festlegen.
5. Pfarrarchiv Hergenrath, Urkundenbuch. Eintragung von Pfarrer
Mertz.
6. Staatsarchiv Lüttich, Cours de Justice - Walhorn, Nr. 86 u. Domarchiv
Aachen, Höfe und Ländereien, X, A.52, 10. Durch Urteil vom
5.5.1778 entschied der ”souveräne Rat von Brabant” die Zehnt-
abgaben in Hergenrath stünden zu 1/3 dem Hergenrather Pfarrer,
zu 2/3 dem Aachener Domdekan (bzw. dem Kapitel) zu. Jedoch
müsse bei der Verpachtung des Zehnten das dem Hergenrather
Pfarrer zukommende Drittel mindestens 315 Florins Brabanter
28
Währung erbringen, anderfalls sei der Domherr gehalten, von den
ihm verbleibenden 2/3 des Zehnten soviel abzugeben, wie für die
Erreichung der Mindestsumme von 315 Fl. notwendig sei. Der
Walhorner Pfarrer ging leer aus.
7. Nach W. Fabricius: ”Geschichtlicher Atlas der Rheinprovinz”, Er-
läuterungen V, 1. Hälfte, 1909, S. 392, begannen die damals noch
erhaltenen Kirchenbücher i.J. 1690. Siehe auch Joh. Krudewig:
"Übersicht über den Inhalt der kleinen Archive der Rheinprovinz”,
Bd. 3, S. 197, s. v. Hergenrath. Demzufolge waren im
Pfarramt noch Akten betreffend Stiftungen zugunsten der Her-
genrather Kirche aus dem Jahre 1658 sowie weitere diesbezügliche
Unterlagen aus dem 18. Jh. vorhanden. Die 1909 auf dem Bürger-
meistereiamt ruhenden Taufbücher führten von 1590 bis 1709, 1755
bis 1796 und 1803 bis 1813. Die Heiratsregister umfaßten die
Jahre 1691-1705, 1755-1796, 1803-1804, 1806-1811, sowie 1812-1813.
Die Sterberegister begannen 1691, führten bis 1708, dann von
1755 bis 1796, 1804 und 1812-1813. Auffallend ist die Lücke von
1705 bzw. 1709 bis 1755. Insgesamt waren es zwei Schmal-Folio
Pergament, bzw. Halbpergamentbände, Eine handschriftliche Ab-
schrift der Taufregister 1690-1709 und 1755-1796 besorgte Pfarrer
Pipers i.J. 1941. Sie wird heute im Pfarrarchiv aufbewahrt.
Im Staatsarchiv Lüttich liegen Tauf- und Sterbetabellen von 1690-
1709 und 1755-Jahr XI.
8. Chronik der Bürgermeisterei Hergenrath und Pfarrarchiv. Einen
Turm besaß die Hergenrather Kirche schon vor dem Umbau von
1619-1620.
9. Staatsarchiv Brüssel, Rechnungskammer Nr. 3238. Ein Nachtrag ist
aus dem Jahre 1645, ein anderer aus dem Jahre 1697.
10. Über die Familie Beelen auf Gut Bertolf und die Erbfolge siehe
L. v. Coels, Lehenregister Nr. 157, S. 266-271.
11. Eintragung des Kirchenrendanten vom 17.4.1641: ”und ich Clas
Bellen, schepen”, sowie Hergenrather Gudungbuch (Aachener Hand-
schriftenverzeichnis Nr. 29), S. 14 verso: ”Claes Beel, Schepen
alhir” (24. 5. 1634).
12. Der Mertensbusch hat heute noch eine Größe von ungefähr 4 Ha.
Er ist weiterhin Eigentum der Kirchengemeinde. Es überrascht,
daß in den Eintragungen des Claes Beelen der Kirchenbusch (ge-
nannt ”Stockem” und ”Vosselocker”), der der Großpfarre Walhorn
gehörte und nach deren Aufteilung zu einer Hälfte von Walhorn
mit den Weilern Astenet, Merols und Rabotrath, zur anderen von
Eynatten, Hergenrath und Raeren genutzt wurde, keinerlei Erwäh-
nung findet.
13. Ein Lot = etwa 14 Gramm.
14. Die meisten Eintragungen macht Claes Beelen in Aachener Wäh-
rung - Taler, Gulden, Mark und Bauschen - doch manchmal rechnet
er auch in Limburger Geld.
15. Leickop und Gots Haeller: Leikauf, Leukauf, Licop, Litkop, Litt-
kauf, meist jedoch Weincauff (Vinicopium) nennt man den zur Be-
kräftigung eines Kaufs gemeinsam eingenommenen Trunk.
Der Gottesheller ist das bei Kontraktabschlüssen den Armen oder
der Kirche gegebene Stück Geld. (s. Ed. Brinckmeier : ”Glossarium
Diplomaticum”).
29
16. Es kommt häufig vor, daß der Familienname nicht genannt wird,
wahrscheinlich war er dem Schreiber unbekannt. Oftmals genügt
auch die Berufsbezeichnung: ”Jan der Leyendecker”, ”Dreis der
Schmett”, ”Hermen der Schreinmecker”, ”Meister Hans Steinmetzer”.
Von der Umwandlung der Berufsbezeichnung in den Familiennamen
ist es dann nur noch ein kleiner Schritt.
16a. Der Name Priem weist auf Walhorn oder Lontzen als Heimatort
dieses Pfarrers. In Walhorn ist der Name Priem schon 1705 belegt,
in Lontzen starb 1701 Arnold Priem.
17. Das geht auch aus folgender Eingabe der Hergenrather Gemeinde-
vorsteher an das Bistum hervor: ”Da durch den Tod des Ehrwür-
digen Herren Johannes Hennen, unseres Pastors, die Pfarrstelle
in Hergenrath, Diözese Lüttich, Herzogtum Limburg, Erzdiakonat
Condroz, erledigt ist und da es keinen Zweifel daran gibt, daß uns,
den Einwohnern selbiger Pfarre, das Recht zukommt, den Pfarrer
besagter Pfarre zu bestimmen, zu ernennen oder vorzuschlagen,
während das Recht, ihn einzusetzen Ihnen, Hochwürdigster und
Erlauchter Herr zusteht ;
da die stimmberechtigten Einwohner einstimmig den Johann Joseph
Schillings, Vikar allhier, zum Pfarrer gewählt haben, stellen wir
ihn Ihnen demütigst vor, mit der Bitte, da seine Fähigkeiten erwie-
sen sind, ihn wohlwollend in sein Amt einzusetzen.
Hergenrath, den 5.12.1791 gez. N. Bounie regens in Herg.
L.H. Barth idem
(Diözesanarchiv Lüttich, Erzdiakonat Condroz, Reg. Institutions,
S. 201-202).
18. Gudungbuch der Herrlichkeit Hergenraet, Stadtarchiv Aachen,
Hs. 29,8. 21;
19. Die Kapitelsprotokolle des Aachener Marienstiftes weisen für die
Jahre 1641-1648 incl. eine Lücke auf,
30
Zur Geschichte des Raerener Töpferhandwerks
von Walter Meven
Bei der Durchsicht nicht verzeichneter Akten im Aachener
Stadtarchiv fand sich ein Schriftstück aus der Franzosenzeit,
das uns die Schwierigkeiten eines alten Raerener Berufsstan-
des vor Augen führt, in die er in Folge der französischen
Okkupation gekommen war.
Seinem Aufbau nach muß das Schriftstück sicherlich
als ein Entwurf zu den Antworten eines vorgelegten Fragen- ‚,
katalogs angesehen werden ; darauf deutet auch das dem
ersten Absatz folgende ”Ci devant” hin, das man so inter-
pretieren muß, daß die Frage 2 durch die Antwort auf Frage 1
als erledigt angesehen wird.
Unter anderem wird auch Antwort gegeben auf die Frage
nach dem Holz- und Salzverbrauch, der Herkunft der blauen
Farbe, den verschiedenen Arten von Krügen und ihren Ab-
satzmärkten.
Wer der Verfasser war, läßt sich nur vermuten. Ein
Vorsteher der Töpfergilde, oder Leonhard Bartholomeus
Mennicken, der damalige Meier von Raeren ?
Von ihm ist uns eine in französischer Sprache verfaßte
Eingabe an den Präfekten des Ourthe-Departements, Des-
mousseaux, vom 18. Thermidor Jahr 11 (6. August 1803)
überliefert. Diesem Schreiben waren die Statuten und Pri-
vilegier. der Raerener Töpfergilde, die ihnen Kaiserin Maria
Theresia im Jahre 1760 auf deren Ersuchen bestätigte, beige-
geben. Es handelt sich um eine französische Übersetzung.
Das Original ist leider verschollen (ZAGV 36 Pick).
Man muß unseren Entwurf nach dem 6. August 1803
datieren, denn eine Passage in der allgemeinen Einleitung
erwähnt die oben angeführte Eingabe durch den ”Maire an
diesem Gouvernement”.
Der unbekannte Verfasser spricht in der Einleitung von
”10 fourneaux” in denen früher im Jahr 6 Brände gemacht
31
wurden, jetzt weniger als zwei. Setzt man diese Angaben
in eine Relation zu den Angaben von H. Schifflers, Töpfer-
meister und Heimatdichter, wonach im 17. Jahrhundert in
Raeren 300 Öfen in Betrieb waren, und legen wir die im
Konzept angegebenen 6 Brände pro ‚Jahr zu Grunde, so
könnte man ermessen, welche Kapazität die Raerener Töpfer
gehabt haben.
Pfarrer Gielen erwähnt in seinem Buche ”Raeren”, daß
laut Unterlagen aus dem Jahre 1815, die im Raerener Gemein-
dearchiv ruhen, ein Ofen 120 Zentner Töpferware faßte. So
ergäbe das bei 300 Öfen und 6 Bränden pro Jahr ein Gesamt-
gewicht von 21.600 Zentner gleich 1.080 Tonnen gleich
1.080.000 kg Töpferwaren.
Die Angaben klingen recht unwahrscheinlich.
Geht man von der Stückzahl 1000-2000 je Brand aus und
betrachtet man diese als obere und untere Grenzwerte, so
würde für Raeren bei 300 Öfen und 6 Bränden pro Jahr
die Gesamtstückzahl zwischen 1.800.000 bis 3.600.000 schwanken.
Schifflers kommt bei 300 Öfen und einer Beschickungs-
zahl von 2.000 je Brand auf 600.000 Stück Jahresproduktion.
Dr. O. Mayer erwähnt für die Blütezeit 50 Öfen mit einer
Beschickungszahl von 2.000 je Brand (V. Gielen Geschichtl.
Plaudereien über das Eupener Land).
Wenden wir uns nochmals dem theoretischen Gesamt-
gewicht von Brenngut pro Jahr zu, so kommen wir im Durch-
schnitt zu Einzelstückgewichten unter Zugrundelegung von
jährl. 1.080.000 kg Gesamtgewicht bei einer Stückzahl von
600.000 auf 1,8 kg, bei 1.800.000 auf 0,6 kg und bei 3.600.000
auf 0,3 kg.
Leider ist es bis heute nicht gelungen, genaue Stückzahl-
und Gewichtsangaben zu ermitteln.
Es tauchen sicherlich erhebliche Bedenken auf. Waren
die Öfen alle gleich groß ? Oder ergaben sich die Unterschiede
in den Stückzahlen durch die unterschiedlichen Größen des
Brenngutes ?
32
Die von H. Schifflers (1851-1923) für die Blütezeit
angenommene Zahl von 300 Öfen erhellt offensichtlich aus
einem Trugschluß. Beim oberflächlichen Lesen unseres Kon-
zepts folgert man nämlich zunächst von der Brändezahl auf
die Ofenzahl, ganz einfach dadurch, daß von 10 fourneaux
mit jährl. 6 Bränden die Rede ist, wenig später von 60
oventen im Jahr. Setzen wir hier statt des Wortes ”oventen
im Jahr” das Wort Brände im Jahr, so meine ich, daß Dr. O.
Mayer mit der Zahl 50 Öfen in der Blütezeit recht hat, denn
nehmen wir die Zahl 300 mit der Zahl der Brände pro Jahr
an und dividieren sie durch die Zahl der Brände (6 je Ofen)
wie angegeben, so ergibt das 50 Öfen. %
Stückzahlangaben mit einer Schwankung von 100%, muß
man gleichfalls mit großer Vorsicht begegnen. Von Langer-
wehe ist uns die Zahl 1000 je Brand überliefert. Die dortigen
Satzungen der Töpfergilde regelten genau die Anzahl der
Öfen je Töpfer. Man legte die Kopfzahl der Familie zu Grunde
und teilte danach die Anzahl der Öfen zu. Man muß anneh-
men, daß dort alle Öfen gleich groß waren, um nie-
manden zu benachteiligen. Nachforschungen über alle diese
Dinge stehen noch aus. Leider werden sie für Raeren dadurch
erheblich erschwert, daß wiederum nach Angaben von Hubert
Schifflers die Zunftbücher im vergangenen Jahrhundert ver-
brannt sind.
In den Raerener Gemeindeakten von 1815 findet man
den Salzverbrauch mit 350 Kg pro Brand angegeben. Unser
Konzeptschreiber sagt wörtlich ”im alten regier in jeder ovent
(ovent ist gleich Brand zu setzen) 2,5 Sack Salz für den
Glantz zu machen”. Den Sack gibt er mit 300 Pfund an. Bis
auf 25 Kg finden wir eine Übereinstimmung. Das Salz wurde
auf Grund eines Octroy, gemeint ist eine von Kaiserin Maria
Theresia bewilligte Zollfreiheit, in Unna (Westfalen) 40 Fuhr-
stunden weit geholt und zwar abgabenfrei. Eine Salzsteuer
hat sich bis heute erhalten, jedoch für bestimmte Industrie-
bereiche ist sie genau wie damals nicht zu erheben.
Welche enormen Fuhrleistungen mußten die Schwerfüh-
rer, wie diese Leute damals genannt wurden, erbringen, um
allein den Salzbedarf zu decken! Bei unserer statistischen
33
Gegenüberstellung von oben wären es 112,5 Tonnen gewesen.
Wir dürfen diese Leistungen nicht hinnehmen ohne
darüber nachzudenken, was es für einen ”Fuhrknecht” be-
deutete, wochenlang mit einer wertvollen Ladung mit den
schlechtesten Wegeverhältnissen fertig zu werden.
Solche Produktionszahlen in der Größenordnung von ca.
600.000 Stück Fertigwaren erforderte auch eine stattliche An-
zahl fleißiger Hände. Im Konzept ist die Rede von ”200 ad
300 Menschen”, die im Rahmen des Töpferhandwerks ihr
Brot fanden. Die Schwankungen sind wohl einmal saison-
bedingt, zum weiteren durften die Pottbecker auf Grund des
Octroys alle Materialien auf nationalem, Gemeinde- und Pri-
vatgrund suchen. Gegen Entschädigung für den Betroffenen
versteht sich. Sie wurde von einem Sachverständigen der
Hochbank Walhorn festgesetzt. Kam es zum Beispiel vor,
daß man in einem Lager eine gute Tonqualität vorfand, so
wurde auf Vorrat gearbeitet. Damit mußten automatisch mehr
Leute beschäftigt werden. Auch heuerte man bei Bedarf
zusätzlich Fuhrleute zum Warentransport an. Hierin liegt wohl
zum Teil auch die Schwankung bedingt.
Die Beheizung der Öfen darf nicht unerwähnt bleiben.
Das billigste Heizmaterial war das Holz, das hier in aus-
reichendem Maße vorhanden war. Unser Schreiber beziffert
die erforderliche Menge Holz je Brand mit ”10 Glackteren je
6 Fuß quarre”. Je nach Landstrich muß man das Fuß mit
25 - 36 cm ansetzen.
Farbzusätze konnten ebenfalls von der anderen Rhein-
seite frei eingeführt werden.
Die Entstehungszeit unseres Schreibens liegt in einer Zeit
des großen Umbruchs. Ganze Welten brachen mit den Folgen
der Revolution zusammen. Auch hier sehen wir deutlich einige
Auswirkungen. Alle Privilegien wurden zunächst abgeschafft,
das linke Rheinland wurde französisches Departement und
damit Bestandteil der Republik genau wie das Herzogtum
Limburg, zu dem Raeren einst gehörte. Am Rhein wurden
Zölle auf alle Waren erhoben. Was die Belange der Töpfer
anbetraf, so durften sie nur noch Ton auf nationalem und
Gemeindegrund suchen.
34
Das nun teuere Salz aus Westfalen wollte man durch
das ungeeignetere Brabanter Salz ersetzen. Dadurch ließ die
Qualität sehr zu wünschen übrig. Holz wurde gleichfalls rar
und teuer. Die Einfuhrzölle auf fremde Töpferwaren fielen
weg. Dem Kenner der Materie ist jedoch hinreichend bekannt,
daß nicht nur die Revolution der auslösende Faktor des
Niederganges war.
Schon lange vorher gerieten die Töpfer in einen scharfen
Wettbewerb mit dem Steingut und dem Porzellan mit seinen
grazileren Formen. Den letzten für den Niedergang entschei-
denden Schlag erhielt das Töpfergewerbe in Raeren zu Beginn ‚,
der preußischen Zeit. Ein hoher Einfuhrzoll nach dem benach-
barten Belgien und die hohe Steuer für das Salz, das sie aus
der Aachener Salzfaktorei beziehen mußten, bedrohten ihre
Existenz. So erlosch um die Mitte des vergangenen Jahr-
hunderts der letzte Töpferofen im Kannenbeckerland. Beschei-
dene Anstöße, die Raerener Kunsttöpferei wieder aufleben zu
lassen, führten nach zaghaften Anfängen nicht zum gewünsch-
ten Erfolg.
Es wäre im Nachhinein interessant, unser Spiel mit den
Produktionszahlen durch genauere Untersuchungen zu erhär-
ten. Vielleicht bietet sich durch eventuell noch in Unna
vorhandene Archivalien die Möglichkeit, genauere Angaben
zu machen (1).
In einer Zeit, wo uns Länder und Kontinente näher ge-
kommen sind, ist der Kenner nicht selten überrascht, wo
überall Raerener Steinzeug auftaucht. So manches Stück blüht
noch irgendwo im Verborgenen. Sollen uns allein auf Grund
dieser Tatsache die hohen Produktionszahlen nicht realistisch
erscheinen ?
Hier der Originalwortlaut des Schreibens :
IN RAEREN
alhier seyndt zehn fourneaux wo vorhin in einem jeden
sechs mahl des Jahres gebacken wurden, jetzt under kaum
zwei mahl.
1. Eine zwischenzeitl. erfolgte Nachfrage in Unna, Archiv der Stadt,
über Salzlieferungen war leider ergebnislos.
35
Die Pottbecker haben eine Octroy, die Potterde, steine und
andre materialien zu suchen auf der gemeinde, particuliere
und nationale gründen, mit entschädigung an die particuliere,
in die Erven vor Dato dorfften keine frembde Pötte in diese
niederlanden einkommen, sie konnten das saltz frey von Unna
auff der anderen seithe des rheins auß dem preussischen
westpfalen 40. stunden von Raeren für ihre Fabrik ziehen,
sie konnten Holtz genung haben in bedracht von obigem
konnten 2. ad 300 menschen darvon Leben, da aber nun alle
frembde Pötte dörffen einkommen, da sie das Saltz nicht
mehr haben können von Unna: worüber doch ein Octroy
durch den Maire an diesem Gouvernement gefragt ist aber
bis dato noch nicht erbragt ist: können bekommen, und das
saltz auß Brabant dafür nicht gut ist, und da das Holtz rahr
und teuer ist so kann jetzt kaum ein drittel menschen von
vorhin mehr davon leben, und auf solche Weise kompt es
gantz zu verfallen, nach Hollandt, Luycker Landt, brabant
und Deutschlandt, werden die Pötte gefahren, Ci devant.
in jedem ovend zehn glackteren Holtz jedes von 6. Fuß quarres
Saltz in toto p Jahr 150. säck auff die 60 oventen (2)
Jeder Sack von 300 Pfund im alten regier
in jeder ovent 2,5 sack saltz für die glantz zu machen
brauchten auch die bleu von der anderen seite des rheins,
wie auch noch, aber, für dato frey, und jetzt müssen die
rechten auf der Douane bezahlt werden,
weisse potterie allhier und auch mit blau geferbt
und auch gelbe potterie von einer anderen sorth von erde,
diese gelbe potterie geht alle nach deutsch westphalen
alle sorten von potterie wird allhier verfertigt.
2. ”Oventen” meint in diesem Falle Brände.
36
Die Galmeiflora im Göhltal
Eine vegetationskundliche Betrachtung (2. Teil)
von Otto Hirtz
Aufgabe des vorangegangenen ersten Teiles dieses Auf-
satzes war es, die Galmeiflora im Göhltal einmal aus vegeta-
tionskundlicher Sicht etwas näher zu betrachten. Im Vorder-
grund stand dabei die vollständige Artenliste des ”Violetum
calaminariae” von Prof. Dr. M. Schwickerath. Es wurde er-
läutert, in welcher Weise sich die Zinkpflanzengesellschaft
aufgliedert in ihre Charakter- oder Kennarten, die Begleiter
und nährstoffbedingten Differentialarten der Gesellschaft.
Weiter wurde der Begriff der Stetigkeit erklärt, und schließlich
wurde die Sonderstellung von Kelmis-Neu-Moresnet im Hin-
blick auf die europäischen Schwermetallpflanzengesellschaf-
ten kurz angesprochen. Einige beigefügte Fotos (alle im Göhl-
tal aufgenommen) dienten der Vervollständigung des ersten
Teiles dieser Vegetationsskizze.
In dem nun folgenden Fortsetzungsteil geht es darum,
die besonderen Ausbildungsformen der Zinkpflanzengesell-
schaft auf den verschiedenen Standorten des Göhltalbereiches
näher zu erläutern.
Die Pflanzensoziologie (= die Lehre von der Vergesell-
schaftung der Planzen) stellt bei der Untersuchung einer
Pflanzengesellschaft u.a. verschiedene Zustände oder Ent-
wicklungsstadien fest, die sich gerade bei der Beobachtung der
Zink- oder Galmeipflanzengesellschaft besonders gut erkennen
lassen. Vom sogenannten ”Typikum”, d.h. der geschlossensten
und ausgeglichensten Form der Gesellschaft war schon im
ersten Teil die Rede, und es wurde gezeigt, daß gerade in
Kelmis-Neu-Moresnet dieses Typikum für den gesamten Göhl-
talbereich am deutlichsten festzustellen war.
Innerhalb eines solchen Typikums lassen sich nun oftmals
mengenmäßige Verschiebungen zugunsten einer bestimmten
Art beobachten. So hat innerhalb der Galmeipflanzengesell-
schaft der Schafschwingel (Festuca ovina), eine charakteris-
tische Grasart (siehe Nr. 6 der in Heft 15 wiedergegebenen
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Die Galmeitrift in Neu-Moresnet im Winter 1973/74 ; reiche Gliederung
in der Geländeform und in den verschiedenen Sukzessionsstadien
Artenliste !) meist eine eindeutig vorherrschende Stellung.
Man spricht in einem solchen Fall von einer sogenannten
”Facies”, d. h. das Gesicht oder die Facies der Galmeitrift wird
von der Art Festuca ovina bestimmt. Dieses Gras hat eine
stark aufbauende und zugleich erhaltende Kraft auf den
Triften. Sehr gut veranschaulichen das die Bilder 1 u. 2 im
ersten Teil (s. Heft 15). Auf Bild 2 ist deutlich zu erkennen,
wie der Schafschwingel noch dabei ist, den schlackenhaltigen
Boden in Bleyberg zu erobern und zu festigen. Im Gegensatz
hierzu erkennt man an der mehr geschlossenen Grasdecke
(s. Bild 1 in Heft 15), daß auf den Schlammablagerungen der
ehemaligen Galmeiwäsche die Art diesen feinerdereicheren
Boden fast völlig in ihren Besitz gebracht hat. Durch sein
mengenmäßiges Vorherrschen erreicht das Gras einen hohen
Deckungsgrad auf den ursprünglich sterilen Böden. Allerdings
lassen sich immer noch reichlich kahle Stellen oder Flecken
in einem solchen Rasen beobachten, die entweder mehr oder
weniger spärlich mit Flechten oder bestimmten Moosarten
39
die schon bald in dem blassen Rosa der polsterförmig wachsen-
den Grasnelke (Armeria elongata) ein charakteristisches Gegen-
spiel erhalten. Es kommen die sehr seltene Frühlingsmiere (Al-
sine verna) und der Taubenkropf als weitere Charakterarten
hinzu. Inzwischen hat auch der Bläuliche Schafschwingel seine
Ähren entfaltet und die übrigen Begleitarten geben ihr Stell-
dichein. So kann man im Sommer beim Abschreiten der
Trift eine Farbigkeit und Vielfalt im Kleinen feststellen, die
man bei flüchtiger Betrachtung aus einiger Distanz nicht
erwartet hätte. Noch im späten Oktober zeigen sich Galmei-
veilchen und Grasnelke, Kleine Bibernell, Blutwurz und einige
andere mehr oder weniger kräfig blühend auf der Trift.
Schließlich verfärbt sich die ehemals bläulichgrüne Grasdecke
wieder zu jenem matten und herben Graubraun, das den
Winteraspekt der Galmeitrift kennzeichnet.
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Typischer Blühaspekt des Galmeitäschels im März
(Göhlufer unterhalb der Hergenrather Mühle)
Selbstverständlich ist eine Pflanzengesellschaft, wie die
geschilderte, kein von vornherein gefügtes, gewissermaßen
statisches System, sondern das Ergebnis eines dynamischen
Entwicklungsprozesses. Nahezu alle Pflanzengesellschaften
41
allem die Halden und Pingen, welche im Zusammenhang mit
dem hier ehemals betriebenen Erzbergbau und der Erzver-
arbeitung entstanden sind. Hierzu gehören auch die Standorte
entlang früherer Erztransportstrecken (z. B. : die Strecken von
Bleyberg, von der Fossey oder vom Oskarstollen nach Kelmis).
Nachdem die menschliche Tätigkeit in diesen Bereichen ein-
gestellt wurde, hat die Natur damit begonnen, die geschädigte
und vielfach ”vergiftete” Erdoberfläche für sich zurückzuer-
obern. Es entstanden sogenannte ”sekundäre Naturbiotope”
mit der für diesen Raum charakteristischen Galmeiflora (3).
Auf den ursprünglich sterilen und vegetationslosen Böden
beginnen zunächst nur ganz bestimmte Arten mit ihrer Pio-
niertätigkeit. Dazu gehören von den Charakterarten der Tau-
benkropf (Silene inflata), die Frühlingsmiere (Alsine verna)
und die Grasnelke (Armeria elongata) und von den Begleitern
vor allem der Augentrost (Euphrasia stricta). Da die Initial-
stadien Jahrzehnte vorhalten können, sind sie im Göhltal auch
heute noch, viele Jahre nach Einstellung der Bergbautätigkeit,
gut zu beobachten. So siedelt z. B. der Taubenkropf sehr gerne
an den Steilhängen der Halden und treibt dabei bis zu 2m
lange Wurzeln in den Boden. Er ist damit in der Lage, hohe
Temperatur und Trockenheit an diesen exponierten Standor-
ten gut zu ertragen. Ausgezeichnete Beobachtungsstellen
finden sich (soweit noch vorhanden !) an den Hängen der
Aufschüttungen am Casinoweiher und in den Schlackenhalden
der ”Großen Koul”, außerdem auf dem Haldengelände von
Bleyberg. Schon etwas mehr Anspruch an den Boden stellt
die zweite Pionierpflanze, die Frühlingsmiere. Sie breitet sich
polsterförmig auf flacheren, schon etwas feinerdereicheren
Standorten aus. Diese für den Göhltalraum besonders bemer-
kenswerte und relativ seltene alpine Pflanze mit ihren fünf-
strahligen, weißen Blütensternen besaß ihre besten und er-
giebigsten Standplätze vor der Beseitigung (4) auf den Halden
in Neu-Moresnet. Es bleibt abzuwarten, ob sie sich auf dem
Restbestand der Trift wieder einstellen wird. Da diese Art
den geschlossenen Rasen meidet, ist sie auf vielen in ihrer
Entwicklung inzwischen weiter fortgeschrittenen Galmei-
pflanzenstandorten des Göhltales schon nicht mehr vertreten.
Selbst in einem auf niederländischem Gebiet gelegenen Ab-
42
schnitt des Göhltales, in dem eigens zum Schutz der auch
hier noch vorkommenden Galmeiflora ein Reservat (5) ge-
schaffen wurde, kommt die Frühlingsmiere nicht vor. Sie ist
stark an jene ”rezenten” Böden gebunden, wie sie vorzugsweise
in Kelmis-Neu-Moresnet angetroffen werden. Die wohl schönste
und augenfälligste Art, die sich bereits in den Frühstadien
einer Galmeitrift einstellt, ist die herrliche, rosablühende Gras-
nelke (Armeria elongata). In den zur Göhl hin gelegenen
Hängen der Neu-Moresneter Trift mußte sie einen ihrer mar-
kantesten und ergiebigsten Standorte hergeben, als dort im
April 1974 eine breite Wegtrasse angelegt wurde (siehe hierzu
die Anm. im 1. Teil in Heft 15). Auf den später noch zu
besprechenden Triften von Rabotrath und Bleyberg kommt
sie noch in relativer Menge vor. Auf etlichen Schwermetall-
böden im östlichen Harzgebiet ist eine Variante dieser Art
die wichtigste Charakterart. Schließlich ist von den Arten
der Initialstadien noch der Augentrost zu erwähnen. Er stellt
sich ein, wenn die Bodenbildung (Pedogenese) bereits weiter
fortgeschritten ist. In diesem Stadium hat auch der schon
erwähnte Schafschwingel gute Arbeit geleistet, und immer
mehr schließt sich jetzt der noch lückige Rasen. Mehr und
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Initialstadium mit Silene inflata (Trift am Casinoweiher)
43
mehr treten auch die übrigen Begleiter hinzu, und die Trift
entwickelt sich allmählich zum ”Typikum”.
Nachdem in unseren vegetationskundlichen Betrachtungen
bisher vom Typikum des ”Violetum calaminariae” und von
den Initialstadien die Rede war, soll jetzt noch über die
nährstoffbedingten Varianten gesprochen werden. Das ge-
schieht am besten, indem wir uns einmal etwas weiter umse-
hen im Göhltal mit seinen Nachbarbereichen.
Nehmen wir die ”nährstoffärmere Variante” (gekenn-
zeichnet durch die Arten d-Call / siehe die Artenliste !) vorweg,
so bietet sich hierfür als Beispiel am besten die Galmeitrift
vor dem Oskarstollen im Lontzenerbach- bzw. Hornbachtal
an. Diese Trift weist ihren sehr eigenen Charakter durch das
starke Vorherrschen von Gemeinem Straußgras (Agrostis vul-
garis) und vor allem Pfeifengras (Molinia coerulea) aus (6).
Die charakteristischen farbigen Blühaspekte der Kelmis-Neu-
Moresneter Trift würde man hier vergeblich suchen. Zwar
blühen auch hier Galmeitäschel, aber schon die Grasnelke
fehlt dieser Trift völlig und auch die Begleiter (Nr. 7-31 der
Artenliste) sind nicht so reichlich vertreten wie in Kelmis.
Das Bild ist viel gleichförmiger und zeigt einen sehr eigen-
tümlichen, fast steppenartigen Charakter. Ein merkwürdiger
Kontrast zu dem sonst so üppigen Tal ! Die Ursache für diese
besondere Triftausbildung ist wohl in veränderten Bodenbe-
dingungen zu suchen. Neben einigen anderen Faktoren weist
das Substrat hier einen relativ geringen Zinkgehalt auf. Ge-
rade letzterem Umstand ist es daher wohl auch zuzuschreiben,
daß sich auf dieser Trift eine Reihe sogenannter ”zinkindiffe-
renter” Arten findet.
Vermutlich stammt das Bodenmaterial aus dem in den
Jahren 1862-1867 angelegten Oskarstollen (7). Eine sonst für
diese Triftvariante typische Art, das Gemeine Heidekraut
(Calluna vulgaris) fehlt hier. Vergleichbare Stellen auf anderen
Galmeitriften, etwa am Breiniger Berg bei Stolberg oder die
Halden bei Oneu in. der Nähe von Theux enthalten diese Art.
In unmittelbarer Nachbarschaft der Trift befindet sich
der Standort einer der prominentesten Seltenheiten im gesam-
ten Göhltalgebiet. Es handelt sich um das sogenannte ”Pyre-
44
näen - Löffelkraut” (Cochlearia pyrenaica), das von belgischen
Wissenschaftlern zur Galmeiflora gerechnet wird. Eine aus-
führliche Beschreibung dieser Art und ihres Standortes muß
einem späteren Beitrag vorbehalten bleiben.
In einer weiteren Fortsetzung, welche zugleich das
Schlußkapitel unserer Betrachtung bilden soll, wird noch zu
sprechen sein von den Galmeistandorten bei Rabotrath, Bley-
berg, Sippenaeken und Epen.
Fortsetzung folgt.
Anmerkungen : .
1. So konnte man auf der Trift in Neu-Moresnet vor ihrer Beseitigung
sehr gut beobachten, wie z.B. Ahorn-Wildlinge aus Samenanflug
vom benachbarten Emmaburger Wald bei einer Wuchshöhe von nicht
einmal 30 cm infolge des für sie giftigen Bodensubstrates wieder
abstarben.
2. Über die ”autochtonen Galmeipflanzenstandorte” wird noch an spä-
terer Stelle zu sprechen sein.
3. ”Sekundäre Naturbiotope”, also Naturbiotope quasi aus zweiter Hand,
sind im Hinblick auf ihren wissenschaftlichen Aussagewert keines-
wegs geringwertiger als ursprüngliche Biotope.
4. Schon in dem Nachtrag zu dem in Heft 15 abgedruckten ersten
Teil dieses Aufsatzes wurde Klage geführt über die Zerstörung der
Galmeitrift. Leider muß auch hier wieder festgestellt werden, daß in
der Zwischenzeit die Maßnahmen weitergegangen sind, sodaß manches,
was hier geschildert wird, inzwischen der Vergangenheit angehört.
5. Auf dieses Gebiet wird in einer weiteren Fortsetzung dieses Auf-
satzes noch näher eingegangen.
6. Molinia ccerulea ist überdies ein Anzeiger für höhere Bodenfeuchte,
7. An dieser Stelle sei besonders verwiesen auf die Aufsatzreihe von
Franz Uebags ”Aus der jüngsten Geschichte des Altenberger Gruben-
feldes” spez. Heft Nr. 8, S. 18 ff.
(Alle Fotos vom Verfasser)
Literatur : siehe die Angaben in Heft 15.
Beim Druck sind in Heft Nr. 15 einige vom Manuskript abweichende
Fehler entstanden. Richtig mußte es heißen :
auf Seite 23, letzter Satz: ...das Studium der Aufsatzreihe von
F. Uebags...
auf Seite 25, Nr. 39 der Artenliste: Molinia ccerulea
auf Seite 25, Nr. 41 der Artenliste: Genista tinctoria
auf Seite 26, erster Satz des vorletzten Abschnittes: ...läßt sich nun
für den Göhltalbereich feststellen...
auf Seite 28 in der Anmerkung: Wegtrasse statt Wegstraße
Das Bild der Galmeitrift bei Bleyberg wurde seitenverkehrt kopiert.
45
Juppe u. Bretze - Homburger Folklore
von Albert Stassen
Von den beiden Homburger Schützengesellschaften St.
Brixius und St. Josef ist die Erstgenannte die ältere. Sie
wurde schon 1741 gegründet. Der Silbervogel, den der jewei-
lige Schützenkönig trägt, stammt aus dem Jahr 1754. Wie
manche andere Schützengesellschaft unserer Gegend, hatte
auch die St. Brixius Schützenvereinigung als Aufgabe, die
Prozessionen vor Überfällen. von Räubern zu schützen. Es
waren die Schützen, die den ”Himmel” und die Statue der
Muttergottes trugen.
Die ältesten Archive der St. Brixius-Schützen stammen
aus dem Jahre 1844. Das großformatige Buch trägt den Titel
”Register der Schutterye van Hombourg, inhoudende de Con-
ditien, Lijsten ende jaerlikse Reckeningen beginnende met het
jaer 1844”. Auf den drei folgenden Seiten finden wir die
23 Artikel umfassenden Statuten der Gesellschaft mit dem
Titel : ”Reglement waeraen alle Schutten onderworpen zyn”.
Die einzelnen Artikel dieser Statuten legen klar und deut-
lich die Zielsetzungen der Gesellschaft und die Aufgaben der
Mitglieder fest. In Artikel 1 heißt es :
”Deeze Schutterye staende onder den Titel van Broeder-
schap van den H. Roosenkranz ende Sint Brictius onzen
Patroon heeft voor principael but om op de processie het
hoogweerdig te accompagneeren, dezelve in order te houden
en te verzieren, ...” Zu deutsch : sie hat als Hauptaufgaben,
das Allerheiligste auf den Prozessionen zu begleiten, für Ord-
nung zu sorgen und die Prozession zu verschönern.
Die Mitglieder müssen einander freundlich begegnen, dür-
fen sich nicht zanken noch streiten oder ”onbehoorlyke ree-
den” (ungeziemende Ausdrücke, Grobheiten) an den Kopf
werfen. Wer dies dennoch tut, wird aus der Schützengesell-
schaft ausgeschlossen.
Artikel 2 legt die Beitrittsgebühr auf 1 Fr, 20 centimes
fest. Wer aus der Gesellschaft austreten möchte, zahlt eben-
falls 1,20 Fr,
46
Alle Schützen müssen ihren Jahresbeitrag alljährlich am
Kirmesmontag gleich nach dem gemeinsamen Gottesdienst
entrichten. Der Beitrag beläuft sich auf 1 Fr. Wer an zwei
aufeinanderfolgenden Jahren seinen Beitrag nicht bezahlt hat,
wird aus der Mitgliederliste gestrichen und kann nur wieder
aufgenommen werden, wenn er die doppelte Beitrittsgebühr
und die rückständigen Jahresbeiträge zahlt (Art. 3).
Bei drei verschiedenen Anläßen müssen alle Offiziere
und Schützen zusammenkommen, und zwar 1. am Pfingst-
montag zum Schießen des Vogels (heute findet der Vogel-
schuß am zweiten Julisonntag statt); 2. am Kirmessonntag -
zum Begleiten der Prozession und 3. am Kirmesmontag vor
der ”Schützenmesse”, der alle beiwohnen müssen. Ebenfalls
verpflichtend ist die Anwesenheit ”als doer het jaer een ziel-
messe ofte andere celebratie plaats heeft”. Bei Fernbleiben
werden 50 centimes Strafe gezahlt (Art. 4).
Ein Amt in der Gesellschaft kann nur der ausführen, der
anständig gekleidet ist und keine Gebrechen oder ”on aen
Staendigheden” an seinem Körper hat. Die Offiziere oder
die Mehrheit der Schützen bestimmt, ob der Kandidat akzep-
tabel ist (Art. 5).
Trunkenheit während einer Schützenaktivität wird mit
Ausschluß aus dem Verein für die Dauer eines Jahres geahn-
det. Der so bestrafte Schütze darf an keiner Veranstaltung
teilnehmen ; tut er es dennoch, so muß er für jedes einzelne
Mal eine Buße von 1 Fr zahlen (Art. 6).
Der Schießmeister muß alljährlich auf Pfingstmontag auf
Kosten der Vereinskasse den Vogel aufrichten.
Der Schützenkönig erhält aus der Vereinskasse ein ”pre-
sent” von 25 Fr, wovon er eine silberne Medaille mit seinem
Namen und der Jahreszahl anschaffen muß. Diese Platte
darf nicht weniger als 6 Franken kosten. Sie wird am Vogel
befestigt (Art. 8).
Der König darf ”tracteeren”, wo und wann es ihm beliebt,
doch nur innerhalb des Dorfs und ”anders niet als met bier
ofte brandewyn” (Art. 10). Er muß zu trinken spendieren
auf Pfingstmontag (”bij het af haelen”), am Kirmessonntag
48
zurückkaufen für 6 Patacons oder 28,47 Fr, ohne daß der
Schützenkönig sich weigern dürfte, ihn wieder herzugeben.
War ein Schütze schon zweimal hintereinander König,
so muß er beim Schießen genau seine Reihenfolge abwarten
und darf auch nur mit einer Kugel laden und nicht ”met
ijsere ofte staelen pielen” (Art. 16).
Dem Schießmeister obliegt es ”droms en musiek” zu be-
stellen. Die Musiker werden aus der Gesellschaftskasse bezahlt
(Art. 17).
Stirbt ein Mitglied, .so bestellt der Schießmeister eine
Totenmesse ”met zang en orgel”, an der alle Schützen teil-
nehmen müssen. Auch die Teilnahme am Opfergang ist Pflicht
(Art. 18).
Auch die Rechnungsführung der Gesellschaft ist Sache
des Schießmeisters. Jedes Jahr nach der Kirmes muß er über
Ein- und Ausgaben des verflossenen Jahres Bericht erstatten
und das Rechnungsbuch in Ordnung bringen (Art. 19).
Wer beim Schießen nicht den Vogel, sondern die Stange
trifft, muß 5 Fr Strafe in die Vereinskasse zahlen (Art. 20).
Die verschiedenen Artikel der Statuten sollen alljährlich
vor dem Vogelschießen verlesen werden und diejenigen, die
sich nicht an sie halten wollen, werden als ”inadmissibel voor
al de daegen huns levens” erklärt (Art. 22).
An der Spitze der Gesellschaft steht ein aus neun Mit-
gliedern bestehendes Komitee, das durch die Gesamtheit der
beitragzahlenden Mitglieder gewählt wird. Diese Führungs-
spitze zählt einen Kapitän, einen Schießmeister, einen Leut-
nant und 6 Kommissare. Einer der drei Erstgenannten wird
zum Präsidenten bestimmt. Wer in drei aufeinander folgenden
Jahren den Vogel herunterholt, erhält den Titel eines Schüt-
zenkaisers.
Während der Jahre 1794-1814, 1914-1918 und 1940-1944
ruhte die Tätigkeit der Gesellschaft. Seit ihrer Gründung bis
zur Franzosenzeit trugen die Schützen bei der Prozession
Uniformen und Armbrüste (später Gewehre) sowie Degen (1).
1. Beim Einmarsch der deutschen Truppen wurde 1914 der ganze
Besitz der Schützengesellschaft beschlagnahmt. Die St. Brixius-Schüt-
zen übten im Stillen mit... Luftgewehren.
49
Bis zum Jahre 1881 verlief das Vereinsleben ohne beson-
dere Vorkommnisse. Dann aber geschah etwas, das tiefen
Zwiespalt unter die Homburger brachte und manchmal heute
noch dunkle Schatten auf das Dorfleben wirft. Lassen wir
die St. Brixius Schützen berichten :
Der damalige Pfarrer Langohr hatte bei der Prozession
eine Auseinandersetzung mit den Trägern der Muttergottes-
statue, worauf diese die Statue an den Wegrand im Weiler
”Bach” hinstellten. Eine andere Version sagt, man habe nicht
mehr genug Träger für die Statue (oder den Himmel) gefun-
den. Darauf habe der Pfarrer mit der Gründung einer Gesell-
schaft eigens zu diesem Zweck gedroht.
Es kam zur Spaltung der St. Brixius Schützengesellschaft.
Die ausscheidenden Mitglieder gründeten die Schützengesell-
schaft St. Joseph (”die Juppen”). Dies war der Anfang von
Streitigkeiten, Schlägereien und ähnlichem, was bis auf den
heutigen Tag angehalten hat.
1882 begrub man vorläufig die Streitaxt, da es hieß,
gegen die von der damaligen liberalen Regierung gegen die
katholischen Schulen gestartete Kampagne Front zu machen.
Die ganze Bevölkerung scharte sich zusammen und errichtete
unter persönlichen Opfern eine katholische Volksschule (das
heutige Pfarrheim).
Nachdem 1883 die St. Joseph-Schützen offiziell gegründet
waren, begannen die Reibereien zwischen ”Bretzen” und
”Juppen” von neuem. 1886 gründeten die Bretzen den ersten
Homburger Musikverein, die ”Harmonie de Hombourg”, die
1908 in ”Union Musicale” umbenannt wurde.
Bemerkenswert ist, daß bis zum Jahre 1891 die Archiv-
unterlagen des Vereins in Plattdeutsch geführt wurden. Von
1881 bis 1891 bediente sich der Schriftführer der Gesellschaft
des Hochdeutschen, und seit 1891 - damals feierte man das
150-jährige Bestehen der Schützengesellschaft - ist Franzö-
sisch die Vereinssprache.
Bei Gelegenheit der Kirmes konnten beide Schützen-
vereine ihre ganze Macht und Herrlichkeit zur Schau stellen.
Jedermann im Dorfe hatte für die einen oder die anderen
50
Partei ergriffen. Die Bretzen und die ”Gesellschaft des Pfar-
rers”, die Juppen, beide bildeten einen Zug, der mit Trommel-
begleitung durchs Dorf zog. Wenn beide sich kreuzten, wurde
auf beiden Seiten so kräftig wie möglich auf die Pauke
gehauen... Schließlich war man gezwungen, ein bis in die
Einzelheiten gehendes Protokoll auszuarbeiten, damit die bei-
den Gesellschaften und (seit 1922) auch die beiden Musikver-
eine sich nicht mehr beim Kirmesumzug treffen konnten.
Als im Jahre 1914 der Pfarrer Möllers seinen Abschied
nahm und der Pfarrer Pomme in Homburg eingeführt werden
sollte, lehnte dieser jede Festlichkeiten bei seiner Amtsein-
führung ab, wenn nicht vorher die beiden Schützengesellschaf-
ten sich versöhnt hätten. Es kam dann auch zu einem bis
1919 anhaltenden Burgfrieden. Die jährliche Kirmes wurde
in Einigkeit gefeiert und die Musik spielte am Kirmessonntag
für die ”Juppen” und dienstags für die ”Bretzen”. Seine
Krönung fand die Versöhnung der beiden Gesellschaften, als
der Bürgermeister, Herr Stevens, ein Jupp, bei den Bretzen
Schützenkönig wurde. Auch die erste Nachkriegskirmes 1919
wurde gemeinsam von beiden Gesellschaften veranstaltet.
Zu einem neuerlichen Bruch kam es im folgenden Jahr,
als man die aus dem großen Krieg heimgekehrten Männer
ehren wollte. Die alten Kämpfer wehrten sich dagegen, daß
im Organisationskomitee auch fünf Personen waren, denen
sie Mitarbeit mit dem Feind vorwarfen. Schließlich übernah-
men die Brixius-Schützen allein die Organisation der Fest-
lichkeiten. Der Musikverein ”Union Musicale”, dem seit 1914
auch ”Juppen” angehörten, sollte sich zu der geplanten Feier
äußern. Mit 16 zu 15 Stimmen entschied man sich für die
Bretzen und die von diesen zu veranstaltenden Feiern. Darauf-
hin zogen die Juppen aus dem Musikverein aus und gründeten
1922 die ”Royale Harmonie”.
Nunmehr wurde der Streit immer heftiger ; nicht nur im
Vereinsleben standen sich Bretzen und Juppen gegenüber,
sondern auch in der Gemeindepolitik. In den Augen der
Bevölkerung gibt es übrigens keine Unterscheidung zwischen
Musikverein, Schützenverein und kommunalpolitischer Grup-
pierung. Der Name des Patrons, Bretz oder Jupp, genügt, um
51
jemanden dem einen oder dem anderen Lager zuzuweisen.
Von 1900 bis 1920 waren Bretze und Juppen abwechselnd an
der Macht ; von 1920 bis 1938 herrschten die Bretze ununter-
brochen. Dann kamen die Juppe an die Macht (2).
Wenn auch von keiner der beiden Gruppierungen gesagt
werden kann, sie sei dieser oder jener politischen Partei
nahestehend, und man beide wohl bei Gemeindewahlen als
”Gemeindeinteressenlisten” charakterisieren muß, bleibt doch
festzustellen, daß die soziale Schichtung der Bevölkerung in
den beiden Gesellschaften sich wiederspiegelt. Besteht die
St. Brixius-Gesellschaft vorwiegend aus Arbeitern und Ange-
stellten, so rekrutiert die St. Josephs-Gesellschaft sich fast
ausschließlich aus dem Bauernstand.
Es war nicht immer angenehm, in der Dorfpolitik in der
Minderheit zu sein. So ist es z.B. vorgekommen, daß der
Bürgermeister, ein Bretz, den Juppen bei Gelegenheit der
Kirmes einen Auschank 500m vom Dorf entfernt zuwies,
während die Bretzen ihren Ausschank auf dem Dorfplatz
aufschlugen. Die Folge war, daß die St. Joseph-Schützen an
der Bleiberger Straße einen Vereinssaal errichteten. Einige
Jahre später (1939) tat es ihnen die Brixius-Gesellschaft an
der Montzener Straße nach.
Als bei den letzten Vorkriegswahlen die Juppen die Mehr-
heit errangen, schrieben manche die Niederlage der Bretzen
den Fässern Bier zu, die die Juppen den in Homburg sta-
tionierten und dort zur Wahlurne gehenden Grenzschutzmän-
nern spendiert hatten (die meisten Grenzwächter waren Frei-
willige mit Wohnsitz in Homburg).
Die Gemeinderatswahlen wurden immer von beiden Seiten
mit viel Kostenaufwand vorbereitet und manch fanatischer
Bretz oder Jupp hat im Wahlkampf sein eigenes Vermögen
für seine ”Partei” eingesetzt. In den Tagen vor der Wahl
gingen sowohl Bretze wie Juppe nach Bleiberg, den dortigen
Wählern Freibier zu spenden. Die Bleiberger aber, obwohl
2. Unter der deutschen Besatzung blieben anfangs die gewählten Ge-
meindevertireter im Amt, 1941 wurde dann die Gemeinde ”Groß-
Montzen” gegründet, in welche auch Homburg aufging. Ein ”Orits-
bauernführer” wurde mit den Homburger Angelegenheiten betraut.
52
sie teilweise zur Gemeinde Homburg ‚gehören, haben sich
immer aus den internen Homburger Streitereien herausge-
halten, die sie als ”Burequatsch” (Bauernquatsch) bezeichnen.
In Sippenaeken und Remersdael hat die Bevölkerung schon
seit langem für die Bretze Partei ergriffen. Kamen nun die
Bretze und die Juppen mit den Karren voll Bier und Schnaps
nach Bleiberg, so luden die dortigen Einwohner Freunde und
Bekannte von nah und fern ein, und alle taten sich gut an
der von den Homburgern herbeigeschafften Fracht...
Als der zweite Weltkrieg ausbrach, kam es in Homburg
zu einem neuen ”Waffenstillstand” zwischen beiden rivali-
sierenden Gruppen. Aber mit Kriegsende flammten die alten
Streitigkeiten wieder auf. Es gab mancherlei Gründe dafür,
die wir hier nicht aufzählen können. Meist brach die Feind-
schaft wegen irgendeines belanglosen Zwischenfalles aus, der
je nach Lager, verschieden dargestellt und interpretiert wurde.
Der geringste Anlaß genügte, um im Vorstand zu langen
Diskussionen zu führen.
Vereinsleben, Gemeindepolitik, ... überall finden wir die
beiden feindlichen Brüder. Was aber, wenn zwei junge
Menschen aus verschiedenen Lagern sich in einander ver-
lieben ? Es hängt dann meist von der einsichtigen oder fana-
tischen Haltung der Eltern ab, ob die Heirat zustande kommt.
Aber selbst wenn dies geschieht, bleiben die Eheleute Bretz
oder Jupp bis zu ihrem Ende! Ein Homburger Spruch sagt
übrigens, man sei noch Jupp oder Bretz !/, Stunde nach dem
Tode! Die ungleichen Ehen bleiben nie neutral in den Aus-
einandersetzungen zwischen Juppen und Bretzen. Jeder Hauvus-
halt wird übrigens sofort eingestuft als den Juppen oder
Bretzen zugehörig, je nachdem ob Frau oder Mann ”die Hosen
anhat”.
Nun trifft der Fremde, der dem Homburger die Frage
stellt, ob er Jupp oder Bretz sei, meist auf eine ausweichende
Antwort. Nur wenige bekennen auf Anhieb, daß sie dieser
oder jener Gruppe nahestehen. Dennoch sind praktisch nur
die in den letzten Jahrzehnten Zugezogenen wirklich parteilos.
Es muß auch gesagt werden, daß seit etwa zwanzig Jahren
die Fehde ständig abklingt. Die Kirmesfeierlichkeiten ver-
53
laufen streng nach Protokoll: die Plätze der Fahnen und
Standarten in der Kirche, der Umzug nach dem Hochamt
und die Prozession. Am Kirmessonntag organisieren beide
Gesellschaften einen großen Ball und jede versucht, durch
das bessere Tanzorchester die Besucher anzuziehen. Der Mon-
tagvormittag gehört den Bretzen (Messe), der Abend den
Juppen (Volksbelustigungen, Konfettischlacht, Musik...)
Dienstags geht es umgekehrt.
Wie gesagt, vor Wahlen steigt das Fieber und wenn die
Parteien ihre Liste aufstellen, ist auch meist ein Spion der
Gegenseite dabei. So kam es 1958 dazu, daß ein solcher ”Spion”
gemeint hatte, einen bisher ”Neutralen” bei den Bretzen ein-
gehen gesehen zu haben. Schon am nächsten Tag erhielt der
”Neutrale” den Besuch der Juppen, die im Gemeinderat die
Mehrheit besaßen ; der kluge Mann begriff sehr bald, worum
es ging, als die Juppen ihm Lastwagen Steine und Kies
anboten, damit er den Weg zu seinem Hof instandsetzen
könne, Natürlich war er gerne bereit, auf dieses Angebot hin
seine Kandidatur von der Liste der Bretzen zurückzunehmen.
Nachdem Steine und Kies geliefert waren, eröffnete der Neu-
trale den Juppen, daß er nie auf der Liste der Bretzen gestan-
den habe, was die Juppe nicht sonderlich schön fanden...
Es gibt eine Unzahl Anekdoten über die Juppen und die
Bretzen. Von Generation zu Generation werden sie ausge-
malt und viele sind über die Dorfgrenzen hinaus bekannt.
Aus dem vielfältigen Auf und Ab der Beziehungen zwischen
beiden Gruppierungen möchten wir hier aus der jüngsten
Zeit einen Höhepunkt herausgreifen. Im Jahre 1964 war es
dem damaligen Bürgermeister gelungen, vor den Wahlen ein
Kartell Bretze-Juppe zu bilden und man konnte auf Wahlen
verzichten. Als der Bürgermeister 1970 diesen Coup wieder-
holen wollte, stellte sich ihm eine neue Formation entgegen,
die behauptete, weder mit den Bretzen noch mit den Juppen
etwas zu tun zu haben, in Wirklichkeit aber aus notorischen
Bretzen und Juppen bestand. Somit entstand eine dritte Kraft,
die bei den Wahlen zwei Sitze errang, während das Kartell
auf 7 Sitze kam und somit die absolute Mehrheit der Bürger-
meisterfraktion nicht gefährdet war. Allerdings fielen 5 Sitze
von den 7 auf Juppe und allen vor der Wahl getroffenen
54
Absprachen zum Trotz (der erste Schöffe sollte demnach ein
Bretz sein) stellten die Juppen nun - gegen den Willen des
Bürgermeisters, der ihrer Fraktion angehörte - alle Schöffen
im Gemeinderat. Die vorher getroffenen Abmachungen seien,
so hieß es zur Entschuldigung, nicht mehr gültig, da das Auf-
treten der neuen Formation eine veränderte Situation geschaf-
fen habe...
So entzündeten sich die seit etwa 10 Jahren ruhenden
Gegensätze wieder und die dritte ”Partei” goß Öl ins Feuer...
Und längst vergessen Geglaubtes wurde wieder Ausgegraben,
was manchmal bei den Sitzungen des Gemeinderates zu hef- ‚,
tigen Wortgeplänkeln führte.
Am 21.2.1971 starb Bürgermeister Simons, der sich sehr
für ein friedliches Zusammenleben beider Parteien eingesetzl
hatte. Doch kaum natte man den Bürgermeister unter großer
Anteilnahme der Bevölkerung zu Grabe getragen, da begann
die politische Krise. Der auf der Kartelliste nachrückende
neue Mann im Gemeinderat ist ein Bretz. Somit sind die
Juppe mit 4 Mann gegen 3 Bretze und 2 ”Neutrale” in der
Minderheit. Fast ein Jahr lang ist die Arbeit des Gemeinde-
rates paralysiert gewesen. Kein wichtiges Dossier wird ab-
schließend behandelt, kein Bürgermeister ernannt. Nur ein
einziges Mal gelingt es, alle Ratsmitglieder auf eine Resolution
festzulegen, und zwar war diese eine Stellungnahme gegen
ein Volksunie-Projekt, das die Schaffung einer zehnten Pro-
vinz vorsah.
Seitdem ist es jedoch stiller geworden und die Juppen
haben dank der Stimme eines der beiden Neutralen die Mehr-
heit wiedergewonnen. Worin der eigentliche Unterschied zwi-
schen diesen Formationen besteht, ist onehin schwer auszu-
machen, da alle die christliche Weltanschauung vertreten,
auch wenn sie sich zuerst als ”Bretz”, ”Jupp” oder ”Gemeinde-
interessenvertreter” bezeichnen...
Ein Wort noch zur Einstellung der Jugend. Wenn Tanz-
abend ist, so finden sich Jugendliche beider ”’Clans” zusammen.
Für sie gilt als einziges Kriterium die Qualität der Tanzmusik.
Auch in den Jugendverbänden, wie K.L.J. oder Pfarrjugend
55
(”Patro”) hat es seit Bestehen dieser Verbände keinerlei
Schwierigkeiten gegeben. Bretze und Juppe haben sich dort
immer friedlich zusammengeschlossen. Aber erst wenn der
Jugendliche zum Erwachsenen geworden ist, kann man end-
gültig ein Urteil fällen, denn nach dem in Homburg bekannten
Spruch ist man ”ene Brets off ene Jupp bis egen Tiene”, d.h.
bis in die Zehenspitzen.
Das Bestehen beider Schützengesellschaften (aber wir ha-
ben ja gesehen, daß es um viel mehr als um Schützengesell-
schaften geht) hat das Dorfleben geprägt und sogar dem
Fremden fielen früher die grüngestrichenen Kandeln, Türen,
usw. der Bretzen auf, während er leicht einen Jupp an der
von diesem bevorzugten roten Farbe erkennen konnte. Es
wird in Zukunft darauf ankommen, das zu bewahren, was
zur Folklore geworden ist und in diesem Rahmen den Brixius-
und den Josephs-Schützen den ihnen gebührenden Platz zu
geben. Für kleinlichen Zwist und persönliche Feindschaft ist
kein Raum.
56
Die Blätter fallen...
von Leonie Wichert-Schmetz
Die Blätter fallen,
Und der Blick wird weit.
Die welken Stauden
Schnitt ich ab.
Die Beete, flache braune Hügel,
Warten schon, }
Ich hab’s gesehen.
Die Tulpen und Narzissen
Haben Spieße,
Fingerlang und rund,
Bereit, den Torf zu spalten,
Wenn der Frühling kommt.
Vorläufig schlafen alle Knospen noch.
Durch’s Baumgeäst fällt Licht
Auf Wege, wo’s im Sommer dämmerig war,
Der Blick wird weit zum Himmel
Und zur Ferne...
Ich weiß das Licht, auf Wachstum
Auch vertrau’ ich.
Drum hab’ ich diese Tage gerne.
57
Wie unsere Raerener Vorfahren
Kirmes feierten
von Viktor Gielen
Die Kirmes hat heute nicht mehr die Bedeutung wie etwa
um die Jahrhundertwende. Mit Recht sagt man : Es ist ja jeden
Sonntag Kirmes. Während unsere Großeltern nur bei den
Hochzeiten und an den Kirmestagen Platz und Fladen kannten,
gibt es heute in den meisten Familien an jedem Sonntag
Gebäck - und manchmal auch noch an den Wochentagen. Und
während damals nur einige Male im Jahr getanzt wurde, gibt
es heute welche, die fast jeden Sonntag das Tanzbein schwin-
gen. Das sind Folgen der Wohlstandsgesellschaft, über die
man geteilter Meinung sein kann.
Woher kommt das Wort Kirmes ?
Kirmes kommt von Kirch-Messe. Ihr Ursprung ist ein
kirchliches Fest, das Fest nämlich, das gefeiert wurde zur
Erinnerung an die Kirchweihe, an den Tag also, da der
Bischof die neuerbaute Kirche eingeweiht hatte. Man nannte
es das Kirchweihfest. Die Raerener Pfarrkirche war am
20. Juni 1770 geweiht worden, einige Tage also vor dem Fest
des hl. Johannes des Täufers (24. Juni).
Aus diesem Grund wohl hat man vor 200 Jahren die
Kirmes am Sonntag vor dem 24. Juni gefeiert. Im Pfarrarchiv
befindet sich eine Notiz von Kaplan Cratz aus dem Jahre
1781, worin es heißt : «Im Jahre 1778 wurde das Kirchweihfest
auf den Sonntag vor dem Fest des hl. Johannes des Täufers
verlegt».
Neben dieser sogenannten ”großen’” Kirmes gab es noch
eine ”kleine” und zwar am Sonntag nach Christi Himmelfahrt.
Später - den genauen Zeitpunkt kennen wir nicht - wurde
die Raerener Kirmes auf den Sonntag nach Mariä Himmel-
fahrt (15. August) verlegt, an dem sie heute noch gefeiert wird.
Vorbereitungen auf die Kirmes
Kirmes war ein Fest, auf das man sich das ganze Jahr
hindurch freute. Monate im voraus wurden die Wochen und
|
|
I
| 58
Tage gezählt. Hausfront und Giebel erhielten einen neuen
| Anstrich, wenn dies nicht schon für die Fronleichnamsprozes-
| sion geschehen war. Der Fußboden wurde neu geölt und die
Öfen auf Hochglanz gebracht.
Jeder junge Mann mußte natürlich für die Kirmes sein
Mädchen haben. Sechs Wochen vor dem Fest machten die
jungen Männer, die noch keine Braut hatten, immer min-
destens zu zweien, im Hause des auserwählten Mädchens
einen Besuch. Den Kameraden, der den Begleiter spielte,
nannte man den ”Prang”. Es kam vor, daß der Junge und das
Mädchen noch nie ein Wort miteinander gesprochen hatten. -
Schon bald merkte der junge Mann, der mit klopfendem Her-
zen das Haus seiner Auserwählten betrat, ob er dem Mädchen
und seinen Eltern genehm war oder nicht.
Die letzte Woche vor der Kirmes
Beim Beginn der letzten Woche erreichten die Vorberei-
tungen ihren Höhepunkt, das Geplänkel wurde zur Schlacht.
| Es wurde gescheuert und geschrubbt, bis alles blitzblank war.
In jeder Familie wurde der Kirmesschinken gekocht. Da mit
vielen Gästen gerechnet werden mußte, wurde für den Kir-
meskaffee unwahrscheinlich viel Gebäck bestellt. Man erzählt
heute noch von einer Raerenerin, die im Hinblick auf die
Kirmes gesagt haben soll: «Voffzeg wisse Vläm, dresseg
schwatze en zeen Krängs... me moß jo jett ene Hus haan».
Das heißt: Ich bestelle mal fünfzig Reisfläden und dreißig
schwarze und zehn Kränze. Man muß doch eine Kleinigkeit
im Haus haben.
Die achtzehn Bäcker, die es um 1910 in Raeren gab,
hatten Tag und Nacht zu tun und mußten Hilfskräfte ein-
stellen. Die Hausfrauen standen schwitzend am Herd und
kochten den für den Fladen bestimmten Reisbrei, der so steif
sein mußte, daß ein hineingestellter Rührlöffel nicht umfiel.
Für acht Fläden rechnete man ein Pfund Reis. Für die schwar-
zen Fläden, die man ”Spieß” nannte, wurden ”Backemüs”
gekocht, das waren im Backofen gedörrte süße Äpfel. Für
den Apfelzuschlag wurden Äpfel geschnitzelt.
59
Am Donnerstag oder Freitag war dann alles soweit, daß
es zum Bäcker gebracht werden konnte. Reiseimer, Schüsseln
und Kumpen wurden mit Namenszetteln versehen. Trotzdem
muß es für den Bäcker schwer gewesen sein, alles ausein-
anderzuhalten.
Den fertig gebackenen Fladen mit den ”Kränzen” - ein
kuchenartiges Gebäck - brachte der Bäcker nicht ins Haus,
man mußte ihn selbst abholen.
Mit Horden aus Flechtwerk bewaffnet, zogen die Kinder
los, um die süße Herrlichkeit im Empfang zu nehmen. War der
Weg zur Bäckerei allzuweit - bekanntlich sind in Raeren
die Entfernungen groß - wurde der Fladen mit dem Leiter-
wägelchen geholt oder Vater spannte das Pferd an, und mit
dem Heuwagen ging es zur Bäckerei. Dort angekommen, wur-
den Fläden und Kränze auf dem Boden des Wagens ausge-
breitet. An den Seitenwänden baumelten die leeren Eimer.
Zu Hause wurde die kostbare Last von der ganzen Familie
freudig in Empfang genommen und in den kühlen Keller
gebracht. Von dort aus drang der Duft verheißungsvoll durch
alle Räume.
Die Kirmestage
Am Samstagabend war alles still: die Ruhe vor dem
Sturm. Auf dem Kirmesplatz wurden die letzten Krambuden
aufgebaut. Veranstaltungen kannte man damals an diesem
Abend nicht. Der Trubel begann erst nach dem Hochamt am
Kirmessonntag.
Während des Hochamts war die Pfarrkirche viel zu klein ;
in und vor der Kirche gab es großes Gedränge. Nach dem letz-
ten Lied ergoß sich der Menschenstrom den Kirchberg hinab.
In den Lokalen wurden die ersten Tänzchen gedreht. Ein
betagter Raerener wußte uns zu berichten, daß in seiner
Jugend nach dem Kirmeshochamt draußen auf dem Platz vor
Wilden ein Tanz aufgeführt wurde.
Auch auf dem Kirmesplatz ging nach dem Hochamt der
Betrieb los. Er befand sich damals in Titfeld, dort wo jetzt der
Kindergarten ist. Man kannte damals noch nicht den ohren-
60
betäubenden Lärm, mit dem wir heute auf dem Kirmesplatz
«beglückt» werden, so daß man sein eigenes Wort nicht ver-
stehen kann. Es gab ja noch keine Lautsprecher, die alles über-
| tönen. Die Kirmesorgeln, die mit der Hand ”gedreht” wurden,
klanzen lieblich und friedlich. Auch die Karussels wurden
nicht durch Motoren, sondern durch Pferde oder - das Ketten-
| karussel - durch junge Burschen in Bewegung gesetzt. Na-
| türlich fehlte auch die Luftschaukel nicht, und die Jugend-
lichen ließen sich bis unter das Zeltdach emporschleudern.
Die Raerener Kirmes war ein echtes Familienfest. Ver-
wandte von nah und fern, von diesseits und jenseits der .
Grenze, fanden sich ein. Die ersten waren schon für das Mit-
tagessen da. Wieviel gab es da zu erzählen !
| Das eigentliche Festmahl aber war der Kirmeskaffee. Ber-
| ge von ”Pistolets”, Kranz und Fladen wurden aufgetischt. Die
bis dahin lebhafte Unterhaltung verebbte, und man hörte
| nur noch das Klirren der Messer und Gabeln. Ab und zu
| forderte die Hausfrau zum Zugreifen auf: «Now eißt doch,
1! döht es wenn der heem wüürt !»
Natürlich mußte man auch ein Paket Kranz und Fladen
mitnehmen für die Angehörigen, die zu Haus hatten bleiben
müssen. Auch sie sollten ihren Anteil an der Kirmesfreude ha-
ben. Zu diesem Zweck wurden während des ganzen Jahres die
anfallenden Schuhschachteln aufgehoben.
Gegen 17 Uhr mußten viele zum Stall, um dort die Kühe
zu melken. Um 1910 gab es in Raeren 400 Haushaltungen, die
Vieh besaßen (heute noch etwa 1/10 davon !). Die Gäste schau-
ten zu oder machten einen Verdauungsspaziergang durch die
Wiesen bis zum Kirmesplatz.
Natürlich hatten auch die Wirte Hochbetrieb. Um 1900
gab es in Raeren 7 Tanzlokale. Um einen Einblick in das dama-
lige Raerener Vereinsleben und die Veranstaltungen an den
Kirmestagen zu bekommen, habe ich im Eupener Zeitungsar-
chiv das «Korrespondenzblatt des Kreises Eupen» vom 18. Au-
gust 1900 eingesehen.
61
Vier der Raerener Tanzlokale kündigen darin die Kirmes-
festlichkeiten an. Es sind folgende :
1. Radermachers ’s Lokal zum Pley — Inh. Leopold Pesch
In der Anzeige heißt es: Bei Gelegenheit der Raerener
Kirmes wird die St. Hubertus-Schützengesellschaft am Sonn-
tag, dem 19. August folgende Festlichkeiten veranstalten :
Antreten nachmittags 3'/3 Uhr. Preisvogel-, Stern- und Schei-
benschießen. Während des Schießens Konzert und Volksbelus-
tigungen aller Art. Nach Beendigung des Schießens Festball.
Eintritt zu den Festlichkeiten 50 Pf. — Eine Dame frei.
Raerener Kriegerverein
Montag, 20. August, nachmittags !/33 Uhr Antreten der Krieger
im Vereinslokal auf’m Pley mit Waffen. — Abholen des Kai-
sers, Herrn Leonard Schiffer, Zug zur Festwiese auf’m Pley,
woselbst Kaiservogel und großes Preisschießen ; es wird an
der Stange gezogen. Während des Schießens Konzert. Nach
Beendigung des Schießens : Dekorierung des Kaisers, Parade
und abends Festball.
Dienstag : Geschlossener Festball der hiesigen freiw. Feuerwehr.
2. Im Germaniasaal, Lokal Hubert Crott, Botz,
finden am Montag und Dienstag die Festlichkeiten des Hand-
werker-Gesangvereins statt.
3. Kaisersaal im Lokal Wilhelm Pesch-Simons, Driesch
Auch hier gibt es an den drei Tagen Tanzgelegenheit. — Am
Dienstagmorgen um 9 Uhr Antreten der Sebastiani-Schützen-
gesellschaft, die sich zur Kirche begibt, wo ein Hochamt für
die leb. und verst. Mitglieder stattfindet.
Nachmittags 4 Uhr Abholen des Schützenkönigs, Herrn
Hubert Dujardin. Zug zur Festwiese, wo gleich das Schießen
beginnt. Während des Schießens Harmonie-Konzert. — Abends
Festball.
4. Lokal Johann Radermacher an der Kirche
Am Kirmessonntagabend Vokal- und Instrumental-Konzert
seitens des hiesigen wohllöblichen Cäcilia-Gesangvereins.
60
betäubenden Lärm, mit dem wir heute auf dem Kirmesplatz
«beglückt»- werden, so daß man sein eigenes Wort nicht ver-
stehen kann. Es gab ja noch keine Lautsprecher, die alles über-
tönen. Die Kirmesorgeln, die mit der Hand ”gedreht” wurden,
klanzen lieblich und friedlich. Auch die Karussels wurden
| nicht durch Motoren, sondern durch Pferde oder - das Ketten-
karussel - durch junge Burschen in Bewegung gesetzt. Na-
türlich fehlte auch die Luftschaukel nicht, und die Jugend-
| lichen ließen sich bis unter das Zeltdach emporschleudern.
| Die Raerener Kirmes war ein echtes Familienfest. Ver-
wandte von nah und fern, von diesseits und jenseits der
Grenze, fanden sich ein. Die ersten waren schon für das Mit-
tagessen da. Wieviel gab es da zu erzählen !
|
Das eigentliche Festmahl aber war der Kirmeskaffee. Ber-
ge von ”Pistolets”, Kranz und Fladen wurden aufgetischt. Die
| bis dahin lebhafte Unterhaltung verebbte, und man hörte
| nur noch das Klirren der Messer und Gabeln. Ab und zu
| forderte die Hausfrau zum Zugreifen auf: «Now eißt doch,
| döht es wenn der heem wüürt !»
Natürlich mußte man auch ein Paket Kranz und Fladen
mitnehmen für die Angehörigen, die zu Haus hatten bleiben
müssen. Auch sie sollten ihren Anteil an der Kirmesfreude ha-
ben. Zu diesem Zweck wurden während des ganzen Jahres die
pe anfallenden Schuhschachteln aufgehoben.
Gegen 17 Uhr mußten viele zum Stall, um dort die Kühe
zu melken. Um 1910 gab es in Raeren 400 Haushaltungen, die
Vieh besaßen (heute noch etwa 1/10 davon !). Die Gäste schau-
ten zu oder machten einen Verdauungsspaziergang durch die
Wiesen bis zum Kirmesplatz.
Natürlich hatten auch die Wirte Hochbetrieb. Um 1900
gab es in Raeren 7 Tanzlokale. Um einen Einblick in das dama-
lige Raerener Vereinsleben und die Veranstaltungen an den
Kirmestagen zu bekommen, habe ich im Eupener Zeitungsar-
chiv das «Korrespondenzblatt des Kreises Eupen» vom 18. Au-
gust 1900 eingesehen.
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Vier der Raerener Tanzlokale kündigen darin die Kirmes-
festlichkeiten an. Es sind folgende :
1. Radermachers ’s Lokal zum Pley — Inh. Leopold Pesch
In der Anzeige heißt es: Bei Gelegenheit der Raerener
Kirmes wird die St. Hubertus-Schützengesellschaft am Sonn-
tag, dem 19. August folgende Festlichkeiten veranstalten :
Antreten nachmittags 3'/> Uhr. Preisvogel-, Stern- und Schei-
benschießen. Während des Schießens Konzert und Volksbelus-
tigungen aller Art. Nach Beendigung des Schießens Festball.
Eintritt zu den Festlichkeiten 50 Pf. — Eine Dame frei,
Raerener Kriegerverein
Montag, 20. August, nachmittags !/33 Uhr Antreten der Krieger
im Vereinslokal auf’m Pley mit Waffen. — Abholen des Kai-
sers, Herrn Leonard Schiffer, Zug zur Festwiese auf’m Pley,
woselbst Kaiservogel und großes Preisschießen ; es wird an
der Stange gezogen. Während des Schießens Konzert. Nach
Beendigung des Schießens : Dekorierung des Kaisers, Parade
und abends Festball.
Dienstag : Geschlossener Festball der hiesigen freiw. Feuerwehr.
2. Im Germaniasaal, Lokal Hubert Crott, Botz,
finden am Montag und Dienstag die Festlichkeiten des Hand-
werker-Gesangvereins statt.
3. Kaisersaal im Lokal Wilhelm Pesch-Simons, Driesch
Auch hier gibt es an den drei Tagen Tanzgelegenheit. — Am
Dienstagmorgen um 9 Uhr Antreten der Sebastiani-Schützen-
gesellschaft, die sich zur Kirche begibt, wo ein Hochamt für
die leb. und verst. Mitglieder stattfindet.
Nachmittags 4 Uhr Abholen des Schützenkönigs, Herrn
Hubert Dujardin. Zug zur Festwiese, wo gleich das Schießen
beginnt. Während des Schießens Harmonie-Konzert. — Abends
Festball.
4. Lokal Johann Radermacher an der Kirche
Am Kirmessonntagabend Vokal- und Instrumental-Konzert
seitens des hiesigen wohllöblichen Cäcilia-Gesangvereins.
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Dienstag : Geschlossener Ball des Harmonie-Musikvereins.
Soweit die in der Zeitung vom 18. August 1900 angekün-
digten Veranstaltungen. Daß auch in den übrigen Wirtschaf-
ten -es gab deren im Jahre 1900 nicht weniger als 36 - aller-
| hand los war, liegt auf der Hand. Daß dabei auch manche
Mißstände zu beklagen waren, ist auch bekannt. Trunkenheit
war ja das große Laster der damaligen Zeit. Kein Wunder, daß
manche in diesem Zustand zu ”schlagenden Argumenten”
griffen !
Zum Abschluß eine heitere Anekdote, die uns ein betagter
Raerener zu berichten wußte : *
Wer das Glück hatte, den Vogel abzuschießen, mußte als
neuer König eine Ansprache halten. Auf Berg wohnte damals
mit seiner Schwester Annemie ein Junggeselle. Er tat den
glücklichen Schuß. Seine Ansprache lautete wie folgt:
| ”Wir stehen am Rande eines neuen Schützenkönigs. Ich
habe mich darüber gefreut. En et Annemie hat ooch Spaß
| Graa u
| DER KAFFEESONNTAG
Ein eigentümlicher Brauch, der uns von keinem anderen
Dorf bekannt ist, war der sogenannte Kaffeesonntag, 14 Tage
nach der Kirmes.
Auch an diesem Tag trat das ”Spääl” auf. Es war eine
gesellschaftliche Vereinigung der Burschen für die Feier der
Kirmes. So gab es je ein Spääl für Neudorf, Botz, Born,
Honien und Sief. Jedes Spääl hatte sein Lokal, wo man sich
zusammen amüsierte. Ausführlicher hat Paul Mennicken darü-
ber berichtet in der Nummer des «Raerener Sonntagsblatts»
vom 17.1.1971.
Am Nachmittag des Kaffeesonntags trafen sich noch ein-
mal alle Späälmitglieder in ihrem Lokal. Währenddessen ver-
sammelten sich die Frauen und Mädchen zur Andacht in der
Pfarrkirche. Nach der Andacht ergoß sich der Schwarm der
buntgekleideten Damenwelt den Kirchberg hinab. Aus der
Ferne erklang schneidige Marschmusik. «Do könt et Dörps-
63
Spääl !» rufen Frauen und Mädchen begeistert aus. In kurzem
Abstand folgen sich die verschiedenen Spääls, die von ihrem
Stammlokal aus nach Driesch gekommen sind, um die Mäd-
chen in Empfang zu nehmen, so wie es auch schon nach dem
Hochamt am Kirmessonntag geschehen war. Unter Anfüh-
rung des Bretzmeisters geht es dann Arm in Arm und unter
klingendem Spiel zum Spääl-Lokal. Dort sind inzwischen schon
die Tische gedeckt. Jeder kann auf Kosten des Wirtes unent-
geltlich und nach Herzenslust Kaffee trinken und Fladen essen.
Nach dem Kaffeetrinken wurden Tische und Stühle fort-
geräumt. Eine Blaskapelle spielte zum Tanz auf, der bis 19 Uhr
währte. Dann mußte man nach Haus, um bei der Stallarbeit
zu helfen. Danach wurde wieder das Tanzbein geschwungen,
manchmal bis zum frühen Morgen.
Damit war die Kirmes entgültig vorbei. Noch lange bildete
sie Dorfgespräch ... und schon freute man sich auf das nächste
Jahr.
64
Das Porträt: Maria Hasemeier-Eulenbruch
von Jacques Keil
Am Fernsehen erlebten wir, wie die anmutige kleine
Russin Olga Korbut, bis dahin eine Unbekannte, in einigen
Minuten das Münchener Olympia-Stadion eroberte. Später
erfuhr ich, daß sie zusätzlich über die Fernsehketten der Mun-
dovision viele Anhänger in aller Herren-Länder gewonnen
hatte. In den Vereinigten Staaten gibt es seither ungezählte
Korbut-Fans und Clubs.
Gibt es Hasemeier-Fans, Hasemeier-Clubs ? ;
Einen solchen Club mit Statuten, Versammlungen... gibt
es natürlich nicht. Aber es gibt einen Kreis von Menschen,
welche Kontakt fanden durch ihre gemeinsame Bewunderung
für Maria Hasemeier-Eulenbruch, durch die tiefe Sympathie,
welche sie für die große Künstlerin empfinden.
So klingelte bei mir am 10. Dezember 1972 das Telephon
mehrere Male : ”Wissen sie von der traurigen Nachricht, Frau
Hasemeier ist heimgegangen . . .”. Und ich, meinerseits, gab die
Botschaft weiter. Meistens zu spät. Andere Freunde hatten
schon berichtet ... alle sehr bewegt.
Als ich Herrn Toussaint, den Chefredakteur des Grenz-
Echo, ansprach, war dieser auch schon informiert. Er bat
mich um einen Artikel. Dieser erschien am nächsten Tag
unter dem Titel : ”Die Sprache ihrer Hände”
”Damals war ich unterwegs für unseren Hörfunk. Der
Lautstärkeknopf meines Ausgabegerätes war bis zum Anschlag
geöffnet... das Mikrophon hielt ich wenige Millimeter von
ihren Lippen. Und doch meldete der Zeiger des Gerätes : «Viel
zu leise !»
Trotzdem wurde es ein gutes Interview, dieses erste Ge-
spräch mit Maria Hasemeier-Eulenbruch. Ich weiß nicht, was
es den Hörern sagte, die an ihren Empfangsgeräten eben nur
hören können. Ich jedenfalls vernahm nicht nur die schüch-
ternen, leisen, zaghaften Worte der großen Künstlerin, ich
erlebte viel mehr : Die Sprache ihrer großen, weitblickenden
Augen, die Sprache ihrer Hände auch.
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Maria Haesemeier-Eulenbruch : kurz vor der Ehe
Jeden meiner Sätze hörte sich Maria Hasemeier mit großer
Aufmerksamkeit an, um dann, am Ende meiner Frage sanft
zu nicken : Sie hatte verstanden, worum es ging, sie nahm
meine Frage an.
Nun suchte sie die Antwort. Ihrem Blick nach zu urteilen
in sehr weiter Ferne. Lange Sekunden ließ sie vergehen...
lächelte verlegen, als bäte sie um Entschuldigung... fast
kleinmädchenhaft. Dann, fast immer, glitt ihr Blick auf ihre
Hände. als suche sie dort die fehlenden Worte.
Wenn nun schließlich die Antwort kam, sprachen die
Lippen nur noch nach, was die großen Augen schon lange
gesehen hatten. Und die Hände formten jede Idee, gaben ihr
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räumliche Gestalt, plastische Bestätigung. Ja, die unverkenn-
bare Unsicherheit des Wortes wurde bei weitem kompensiert
durch die Entschiedenheit des wissenden Blickes, durch die
Sicherheit der formenden Geste.
Wie oft wurde mir dies später noch bestätigt !
| Maria Hasemeiers große Augen schienen dauernd in eine
| Welt zu blicken, in der es nur Gutes gibt, nur Schönes, nur
Erhabenes. Böses und Schlechtes übersah sie, nahm sie nicht
| wahr. Bewußt oder unbewußt ?
| Bewußt glaube ich. «Das Häßliche drängt sich den Men-
|| schen von alleine auf», sagte sie mir ins Mikrophon, «ich -
|| muß ihnen das andere zeigen. Es gibt soviel Schönes.»
N Die tieffromme Künstlerin hatte nicht nur diesen gläubi-
| gen Blick fürs Schöne. Mit ihren Händen konnte sie von diesem
al. Schönen berichten : Was sie in ihrer herrlichen Welt erspähte,
| hehre Schätze der Liebe und des Glaubens, konnten ihre
| geschmeidigen und doch kräftigen Künstlerhände in primi-
| tivster Tonerde so gestalten, daß auch wir es erkennen, emp-
finden, annehmen und lieben... Ich glaube wirklich, Maria
| Hasemeier-Eulenbruch war eine Heilige! Weil sie viel Gött-
N liches erkannte : Alles Schöne ist göttlich! Weil ihr soviel
|| daran lag, es uns mitzuteilen.
|| Nie werde ich die Augen und die Hände dieser großen
| Frau vergessen.”
| Und wieder bittet man mich um einen Artikel über die
| liebe Verstorbene. So obliegt mir die Aufgabe, das oben
| Gesagte zu vervollständigen. Es bleibt mir zu plaudern vom
| Werke der Künstlerin, von ihrem Leben auch.
| 8
Bei einem Gespräch sagte mir ein guter Bekannter, der
namhafte Künstler Andre Blank: ”Je größer der Künstler,
umso primitiver das verwendete Material”.
| Maria Hasemeier-Eulenbruch benutzte das wohl primi-
tivste von allem : Ton (Erde also, jene Erde, die der Schöpfer
benutzte, laut Mose, um den ersten Menschen zu formen).
Hinzu kamen Wasser, die Masse knetbar zu machen, Luft,
das Werk zu trocknen und Feuer, es zu festigen. Die vier
Grundelemente des Aristoteles ! Primitiver ging es nicht.
67
Soweit die Mittel.
Was aber nun formen, was ausdrücken, was mitteilen ?
Das Schöne wollte Maria Eulenbruch mitteilen, das Gute,
das Liebe. Ganz einfach, ganz schlicht...
Und dies ist vielleicht das Wesentliche : daß die Künst-
lerin soviel Schönes sehen konnte, soviel Gutes und Liebes,
in der Welt in welcher wir leben. Sie sah es eben mit ihren
großen weitblickenden Augen. Sie nahm es wahr, brachte es
zur Reife und gab es wieder. Veredelt !
Die Unschuld der Kindergesichter, den Glauben der Hei-
ligen, die Liebe der Mutter, die Hoffnung junger Menschen...
Sah sie dies alles wirklich, oder brach es von Innen
hervor ? Wer weiß es?
Ich kann Maria Hasemeiers Werk nicht beschreiben. Dazu
müßte ich mit Wörtern umgehen können, wie sie mit Ton.
Dies ist Poeten vorbehalten.
Die Gesichter ihrer Tonkinder stimmen den Betrachter
froh. Ihre Katherina, ihr Franziskus laden zum Glauben ein,
zum Beten. Ihre Mütter strahlen unendlich viel Liebe aus,
Zuversicht und Schutz. Ihre Mädchen sind keusch, rührend
schön. Ihre Apostel verkünden die Hoffnung des jungen
Christentums. Ihre Madonnen haben eine tiefe Wirkung auf
fast jeden Betrachter.
Dies ist wahrhaft hohe Kunst. Moderne Kunst, im guten
Sinne. Wie gesagt, mir fehlen die Worte, auch bin ich kein
Fachmann. Ich betrachte nur... und ich bin dankbar.
Für jene Leser, die keins der Werke der Künstlerin ken-
nen, photographierte ich einige Stücke meiner kleinen Samm-
lung. Nur Bilder kann ich also hier anbieten, aber diese reden
schon viel besser, als ich zu schreiben vermag.
Der ”Teenager”, welcher vertrauensvoll in die Zukunft
geht: ein mutig schreitendes Mädchen, die Arme erwartend
und empfangend ausgestreckt, den Blick vertrauensvoll nach
oben gerichtet, zu Gott...
Empfinden sie die Lebensfreude, die Lebensbejahung des
”träumenden Mädchens”...
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Teenager
Mein Lieblingsstück, eine ernste Mahnung der Künstlerin,
der Seherin : ”Mutter schützt ihr Ungeborenes”.
Wiegt es nicht manche Rede modernistischer, lebensver-
neinender Parlamentarier vieler Länder auf? Der Gesichts-
ausdruck dieser entschlossenen und dankbaren Mutter ist so
rührend, daß ich ihn im Detail wiedergebe. Sehen sie einfach
hin, ohne Kommentar. Die ”Madonna” wurde im Auftrag von
Direktor J. Thierron für die Schüler des College Patronne
von Eupen geschaffen. Diese Statue hielt an der Bahre der
lieben Verstorbenen Totenwache. Nun wacht sie wieder über
ihre Studenten, im Kloster Garnstock. Sie zeigt ihnen ihren
Sohn... Oder vertraut sie sie Ihm an...?
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Mutter schützt ihr Ungeborenes Detail
Vergilbte Bilder... von der kleinen Maria, dem jungen
Backfisch mit einem Vöglein in der Hand, dem reifenden
Mädchen ... Später von der jungen Ehefrau, von der lächeln-
den Mutter. Eines fällt auf : Immer, auf allen Bildern die gro-
ßen, ernsten, suchenden und sehenden Augen. Immer auch diese
auffallenden Hände. Vielleicht vergleichen Sie eines der letzten
Porträts (welches ich im Advent 1971 aufnehmen durfte) mit
dem Jugendbildnis aus dem Album. Diesem Album entnehme
ich für Sie noch einige Daten.
— Geboren am 21. 3. 1899 in Kolberg (Deutsche Eifel)
— Lebt und arbeitet in Aachen
— 1917 wird Maria Eulenbruch durch ihre Rötelzeichnungen
bekannt.
— Ab 1918 lernt sie an der Kunstgewerbeschule Köln.
— Von 1928 bis 1934 gibt sie in Aachen Unterricht.
Sie wird in der Ausgabe des ”Großen Herders” erwähnt
(1933).
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— 1932 heiratet sie Professor Hasemeier.
— Von 1934 bis 1944 lebt sie in Kontich bei Antwerpen. Dort
erblickt ihr Sohn Thomas das Licht der Welt.
— Ab 1944 wohnt Maria Hasemeier-Eulenbruch in Raeren.
— Erste Statue (1927) : eine Madonna für Burg Rothenfels.
— Letzte Statue (1972) : eine Madonna (Aachener Privatbesitz).
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Madonna (College Patronn6, Eupen)
— Gestorben am 9. 12. 1972.
— Viele Ehrungen, Auszeichnungen und Orden (unter anderen
”Pro Ecclesia et Pontifice”).
73
Fronleichnamsprozessionen
von Leo Homburg
Wenn in meiner Jugendzeit vor dem Ersten Weltkrieg
(und auch noch Jahre später) die Fronleichnamsprozession
nach einem feierlichen Hochamte ausging, führte sie nur sel-
ten über Landstraßen. Meistens ging ihr Weg durch alte Gas-
sen, durch mit Kuhfladen gesprenkelte Wiesen und durch
hohes Gras, wenn nicht ein Bauer als gottgefälliges Werk
einen Weg dadurch gemäht hatte.
”Schmückt Eure Häuser ! Säumet die Straßen mit Fahnen
und Maien und bestreut sie mit Blumen !” riefen die Pfarrer
von ihren Kanzeln herunter. Schon Tage vor dem Auszug
der Prozession überliefen Scharen von Schulkindern horden-
weise die Mähwiesen der Bauern, trampelten das Gras platt
und zupften alles ab, was irgendwie nach Blume aussah.
Innerlich fluchend wagten die Bauern doch nicht, die Kinder
zu vertreiben, denn es geschah zur Ehre Gottes.
Die Herbesthaler Prozession, an der ich vor dem Ersten
Weltkrieg teilnahm, passierte unser Haus an der Grünstraßecke.
Meine Eltern hatten beiderseits der ehemaligen Grenzstraße
(”Pavei”) spiralförmig in den Farben weiß-blau usw. gestri-
chene Pfähle mit den dazu passenden Fahnen aufgestellt,
einen schmalen Streifen Blumen mitten über die Straße ge-
streut und in ein Fenster zwischen Kerzen einige Heiligen-
figuren gestellt. Aus dem Dachfenster wehte eine große gelb-
weiße Fahne.
An manchen Häusern hingen von Fahnenstange zu Fah-
nenstange aus Tannengrün und Blumen hergestellte Girlan-
den oder Fähnchen. Wer so etwas nicht hatte, stellte einige
junge Birken (Maien) vor sein Haus.
Auch die auf der gegenüberliegenden Seite wohnenden
Welkenraedter schmückten ihre Häuser, wenn am Fronleich-
namstage die Herbesthaler Prozession vorbeizog. Wie heute =
ging auch schon damals die Welkenraedter Prozession erst
am darauffolgenden Sonntag aus.
74
Hinter uns Schulkindern - wir wurden begleitet von unse-
ren Lehrpersonen - folgten die Frauen. Ihnen schlossen sich
weißgekleidete Mädchen an; sie trugen die Symbole von
Glaube, Hoffnung und Liebe. Andere mit angehefteten Flü-
geln streuten Blumen. Ihre leeren Körbchen füllten sie an
den Segenstationen, wo immer ein großer Korb mit Blumen
bereit stand, wieder auf,
Es folgten die Meßdiener mit Weihrauchbehälter und
Schellen, die sie ausgiebig benutzten. Dann der Baldachin,
unter dem der Pfarrer mit dem Allerheiligsten einherschritt.
Links und rechts der Kirchenvorstand mit brennenden Laternen.
Baldachinträger, auch Himmelsträger genannt, durften
nur Junggesellen sein. Einheitlich in Frack und Zylinder
gekleidet, ließen sich diese Ehre nicht nehmen, ganz gleich,
wie alt sie waren. Wie auch heute noch folgten dem Baldachin
Musik, Vereine und Männer. Zwischen allen verteilt gingen
in regelmäßigen Abständen die Brudermeister mit dem Stab,
mit dem sie das Signal zum Gebet gaben.
An den Segenstationen, die wahre Kunstwerke aus Grün
und Blumen waren, sang der Pfarrer lange lateinische Evan-
gelien, worunter immer eins, das ein Abstammungsnachweis
mit mehreren Dutzend Namen war. Ehe die Prozession wei-
terzog, betete er auch für die, die den Altar geschmückt hatten.
In der Nähe der Stationen wurden die ”Böller”” gezündet.
Ich wollte doch einmal aus der Nähe sehen, wie das vor sich
ging. Dank meiner guten Ortskenntnisse gelang es mir, an
der Segenstation Gut Stök den wachsamen Augen des Lehrers
zu entkommen. Auf der Straße zum Nebenhof standen, ver-
deckt durch eine hohe Hecke, kleine eiserne Töpfe. Die drei
letzten waren doppelt so hoch und standen auch weiter aus-
einander. Sie waren mit Schwarzpulver gefüllt. Die Einfüll-
öffnung hatte man mit einem fest eingeschlagenen Holz-
stopfen verschlossen. Unten hatten sie ein Zündloch. Die
ganze Reihe entlang war in einiger Entfernung eine Pulver-
® spur gestreut, von der aus zu jedem ”Böller” eine Abzweigung
führte. Wenn vom Segenaltar das Zeichen gegeben wurde und
mit der Zündung alles klappte,fielen die Schläge der drei
großen Böller mit der Segenerteilung zusammen.
76
zweite bog von Langmüs aus rechts ab zur Brigida-Kapelle
und kam über Waldenburgshaus und Walhorner Feld zurück
| zur Pfarrkirche. Ein dritter Weg ging über Lindchen und den
| Asteneter Hof zur Johanniskapelle. Der Rückweg führte über
| Kirchbusch und Walhorner Heide.
| Auch Hergenrath hatte bis zur Abtrennung Neu-Mores-
| nets einen zweiten Prozessionsweg, nämlich über die Lütticher-
| straße in Neu-Moresnet nach Tülje (Segens-Altar), Bildchen
und über die Aachener Straße zurück zur Pfarrkirche.
Hauset war eine der wenigen Pfarren, die während des
| Zweiten Weltkrieges ihre Prozession - über Kupfermühle, Ro-
| chuskapelle und zurück - nicht eingestellt haben.
| Der längste Prozessionsweg, den es in unserer Gegend
gegeben hat, war der Lontzener vor der Abtrennung Herbes-
thals (1903). Von Lontzen über Alt-Herbesthal zog die Prozes-
| sion über die Pavei bis zum Gutshof Roer, bog dann rechts
| ab und erreichte über den Gutshof Wau die Kapelle in Lont-
zen-Busch. Von dort aus kehrte sie zur Kirche zurück.
Prozessionen gehen auch heute noch, doch verglichen mit
den früheren sind es nur noch Spaziergänge. Die Böller aber
sind seit mehr als 50 Jahren verstummt.
Anmerkung :
| In den in Nr. 15 dieser Zeitschrift, S. 66-69, unter dem Titel ”Aus
meinem Familienarchiv” veröffentlichten Aufzeichnungen ist auf den
] Se 68 und 69 Johann Wilhelm Laschet statt Joh. Peter Laschet
Ad
Eine Rundfahrt durch die frühere Bank Walhorn
oder
«Lerne Deine Heimat kennen !»
von Elka Ledwon und Walther Janssen
Im Frühjahr des vergangenen Jahres war im überaus
reichhaltigen Veranstaltungskalender unserer Vereinigung ein
Tag für die Rundfahrt durch die frühere Bank Walhorn
vorgesehen.
Über die Hochbank Walhorn und deren Geschichte können
wir sehr viel in den Büchern von Pfarrer V. Gielen (Raeren)
nachlesen. Ein Verzeichnis seiner Arbeiten finden Sie am
Ende dieser Ausführungen.
Demnach kam der Königshof Walhorn im Jahre 1072 in
den Besitz des Aachener Marienstiftes. Das Grundgebiet dieses
Königshofes wurde später ”Hochbank” Walhorn genannt und
umfaßte die heutigen Gemeinden Eynatten, Hauset, Hergen-
rath, Kettenis, Raeren und Walhorn, sowie die im Jahre 1923
an Deutschland abgetretenen Gebiete von Hergenrath-Bild-
chen, Eynatten-Lichtenbusch und Raeren-Sief,
Die Bank Walhorn war einer sehr wechselhaften Ge-
schichte ausgesetzt. Der Wiener Kongreß von 1815 entschied
schließlich, sie dem Königreich Preußen einzuverleiben. Aus
dieser turbulenten Vergangenheit bleiben in unserer Heimat
noch die Ruinen vieler Wasserburgen und Gutshöfe als stum-
me Zeugen. Zusammen mit der abwechslungsreichen Land-
schaft machen sie eine Rundreise durch dieses Gebiet, das
gleichzeitig das Quellgebiet der Göhl ist, zu einem Erlebnis.
Ausgangspunkt unseres Ausfluges war die Kirche von
Kelmis, von wo aus man ziemlich schnell zur Eyneburg nach
Hergenrath gelangt. Am Fuße der Burg steht über einem
kleinen Tor eine lateinische Inschrift : ”Am Alten Schloß soll
sich auch die Gegenwart erfreuen”. Diese mittelalterliche Hö-
henburg, im Volksmund Emmaburg genannt, bleibt eine unver-
geßliche Erinnerung für den Beschauer. Der Sage von Kaiser
Karls Tochter Emma und dem Hofschreiber Eginhard, die sich
auf der Burg wiedergefunden haben sollen, verdankt der
mächtige Bau den Namen ”Emmaburg”.
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Die Eyneburg
Foto: A. Janssen
Heute ist die Burg in Privatbesitz und steht aus diesem
Grund nicht immer zur Besichtigung offen.
An der Pfarrkirche von Hergenrath vorbei gelangen wir
weiter nach Hauset. Hier ist vor allem der alte Dorf-
kern nahe der Rochuskapelle interessant. Von der ehemaligen
Burg bleiben nur einige kümmerliche Reste. Gut erhalten
ist jedoch der alte Bauernhof Van Weersth, ein Bau aus dem
17. Jahrhundert, der sicher die Nachfolge der Burg angetreten
hatte. Ebenfalls erwähnenswert ist es, daß in der Nähe der
Rochuskapelle in den letzten Jahren zahlreiche Töpfereien
und ein guterhaltener Töpferofen entdeckt wurden. Die Funde
lassen auch für Hauset auf eine sehr alte Töpfer-Vergangen-
heit schließen.
Von Hauset geht es dann schnell nach Eynatten mit seinen
zahlreichen Burgen und Herrenhäusern. Einige befinden sich
noch in so tadellosem Zustand, daß man sich nicht immer an
das für die Menschen des Mittelalters harte und nüchterne
Leben erinnert fühlt.
79
Die erste Wasserburg, Vlattenhaus, ist allerdings vom
Verfall betroffen. Haus Vlatten muß schon um 1500 bestanden
haben. Heute wird sein Zustand immer trostloser.
Eine ganz andere Pracht bietet hingegen das etwas weiter
gelegene Amstenrather Haus, das man heute als Kleinod in
der Reihe der alten Rittersitze auf dem Gebiet der Gemeinde
Eynatten bezeichnen kann. Das ”Kleine Haus Eynatten” wird
erstmals 1431 genannt und der heutige Privateigentümer legt
großen Wert auf den Erhalt dieser schönen Wasserburg.
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Amstenrather Haus
Foto: E. Ledwon
Eynatten bietet auch noch in Richtung Berlotte und
Lichtenbusch einige besondere Bauwerke, zum Beispiel Gut
Neuenhof. Das heutige Gebäude entstand im Jahre 1672 und
befindet sich ebenfalls in Privatbesitz.
Schon von weit her erblickt man in Berlotte die Ruine
der Burg Raaf, die nach ihrer Bauweise zu den ältesten
Konstruktionen einer Wasserburg zählt.
Fährt man von Berlotte aus weiter nach Raeren, so steht
an der Kreuzung der Roderstraße und der Kinkebahn, an der
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alten Römerstraße, die St. Brigida-Kapelle, ein Vermächtnis
des im Jahre 1695 verstorbenen Bürgers Johannes Wild aus
| Eynatten.
Raeren selbst bietet uns dann wieder eine Fülle von alter-
tümlichen Bauten, allen voran Burg Raeren.
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Burg Raeren
Foto: E. Ledwon
Die Wasserburg wird urkundlich erstmals erwähnt im
Jahre 1425. Heute beherbergt der Rittersitz das Raerener
Töpferei-Museum. Der Konservator, Dr. O.E. Mayer, ließ es
sich nicht nehmen, die Teilnehmer der Rundfahrt persönlich
durch die Ausstellungsräume zu führen und mit viel Esprit
die in allen erdenklichen Arten gebrannten und glasierten
Krüge, Schalen, Töpfe..., teils mit hervorragenden Motiven
bemalt, zu erläutern. Die örtliche Töpferei soll nach bisheri-
gen Feststellungen in das 12. Jahrhundert zurückgehen.
Zu Fuß ging man dann einige Schritte weiter zu Haus
Raeren, das wir von der Straße aus bewunderten. Diese Was-
serburg hat fünf Jahrhunderte ohne wesentiche Änderungen
überdauert.
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In Raeren gibt es noch viele Sehenswürdigkeiten, denen
man sich an diesem Tage nicht genügend widmen konnte.
Erwähnt seien jedoch die alte Sankt Nikolaus-Pfarrkirche,
die Knoppenburg in Raeren-Neudorf sowie Burg Bergscheid.
Die Rundfahrt führte uns nun über Merols zurück auf
die Eupener Landstraße. Von dort begab man sich weiter in
Richtung Kettenis, über Raerenpfad und Schloß Liberme.
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Schloß Libermt
Foto: E. Ledwon
Auch die Wasserburg Liberme geht auf das 14. Jahrhun-
dert zurück. Ihr war, wie den meisten Burgen unserer Heimat,
eine wechselvolle Geschichte beschert. In den fünfziger Jahren
war sie vom Verfall bedroht, bevor sie von Grund auf reno-
viert wurde und heute wieder als prächtiger Zeuge vergange-
ner Zeit dasteht.
Genau wie Raeren, so bietet auch Kettenis dem Besucher
eine Vielzahl alter Bauwerke. Unweit der Hochstraße finden
wir zum Beispiel Waldenburghaus und die Rochuskapelle.
Ebenfalls sehenswert waren Schloß Tal und Philippenhaus,
83
Unweit der Pfarrkirche von Lontzen machten wir eine
kurze Rast bei Kaffee und Erfrischungsgetränken und über
Lontzenbusch, vorbei an der Annakapelle, brachte uns der
Fahrer wohlbehalten nach Kelmis zurück.
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Viele Sehenswürdigkeiten, auf die man die Teilnehmer
wohl aufmerksam machen konnte, wurden in diesem ”Reise-
bericht” übergangen. Doch sind es gerade diese kleineren Din-
ge, die unsere Gegend so begehrenswert machen. In diesen
sehr oberflächligen Ausführungen versuchten wir, uns auf das
Wesentliche zu beschränken. So wie die Fahrt vielleicht für
einige Teilnehmer Anstoß zu einem neuen Ausflug war, so
kann auch der bescheidene Text den einen oder anderen zu
einem sonntäglichen Ausflug oder Spaziergang anspornen un-
ter dem Motto : ”Lerne Deine Heimat kennen !”
Bibliographie :
V. Gielen: Die Mutterpfarre und Hochbank Walhorn; 1963, Verlag
Pfarramt Walhorn,
V. Gielen: Geschichtliche Plaudereien über das Eupener Land; 1964,
Verlag Pfarramt Walhorn.
2 V. Gielen : Raeren und die Raerener im Wandel der Zeit; 1967, Markus-
Verlag, Eupen,
84
3 mal lachen
von Gerard Tatas
Zur Narrenzeit lies hier drei Witze,
Drei reimgeleimte Geistesblitze.
Bist Plattdeutsch du auch nicht gewohnt,
Bedenke, daß es sich doch lohnt,
Zu buchstabieren an den Sachen,
Denn nachher kannst du 3 X lachen,
Und überdies den Schluß noch zieh'n !
Ums Lachen soll man sich bemüh'n ! 4
EDS VON
Der Feuerwehrmann
von Gerard Tatas
De Feuerwehr hauw ejjen Naht
Sech feste en et Zeug jelaht,
Se hauw jevahre en jevitzt,
Se hauw jeklaverten en jespritzt,
Bes dat et Hus wor avjebrannt.
Et mörjens troff der Kommendant
Der Lösche Pitt, dä onjevähr
E Johr wor en de Feuerwehr.
Däm kräche met der Mow en sat :
«Vörwat has dow jefällt des Naht ?
Vör hant jelöscht en os Rever
Bes dese mörje hover ver».
«Ja, — sätt der Lösche Pitt, — ja Jong,
Ming Vrow, die jloet net, dat et brong !»
85
Et Beschlag
von Gerard Tatas
Der Jang sing Vrouw, et dick Marij,
Wor ömmertu en Mulle-Prij.
Der Jang sat döker : «Jonge, Jong,
Wat hat dat Wiev Hor op en Tong '»
Now kräch et jester nomendag
Op onderens e stärk Beschlag.
Dat wor höm op de Spröck jeschlage,
Et koß net Utsch noch Eij mie sage.
Dat höj der Jang niemals jegloet.
Der Dokter, dä jerope woet,
Dä dong de Vrouw ens vesentere
En sat : «Dat könn vör wer kurere,
Dat wätt dech koste, leve Jang,
Wal onjevähr vofdusend Frang».
Du trekt der Jang der Dokter jätt
Op Sij flott ane Mow en sätt :
«Ech jäv och träk de dopp’lde Somm,
Mä lott s’5m Joddeswelle stomm !»
86
De Amtsbeleidigong
von Gerard Tatas
Der Börjemeester schnappt no Luet :
E hat jrad oppen Strot jehuet,
Dat ejjen Wietschaft jester Naht
Jätt Vieses woet va höm jesat.
Dröm löpte en eng Roserej
Trek nojjen Börjemeesterej, W
En röpt Champett, weil - dat es klor-
Dä janz bestemmt derbej wer wor.
Denn ajjen Thek es, wie me wett,
De schönste Platsch och va Champett.
Der Börjemeester hat no ove
Sech en sie Kabinett bejove.
Now röpte sech Champett alleng.
«Hm» sätte, makt de Stemm sech reng,
Lätt atenöver sech en lett
Der Bleck ens röste op Champett.
Du vrotte en vrivt sech der Bat :
«Wat hat me över mech jesat? —
Ech wür ne Esel?! — Es dat wuer ?»
Champett kratzt sech ens at’r’'n Uer :
«Jo» — sätte, — «dat hant vörje Naht
E paar Man ajjen Thek jesat,
Der Pitt, der Klöß en och der Stäve.
Dat wole die mech schreftlech jäve !»
«Wat ?- — röppt der Börjemeester, —
«Wat ?- — En platzt bo wie e Polvervat,
«Dat wätt dön dür te stue kome !
Has dow dat schreftlech ajenome ?»
«Nee», jrommt Champett, dä op en Latt
Noch eng va jester ovend hat,
«Herr Börjemeester, op et Woet
Han ech dön dat esue jegloet !»
87
Die Eyneburg in Hergenrath
von Leonie Wichert-Schmetz
Krone der Heimat, Burg früher Ahnen,
Die ich vom Fenster so oft angeschaut.
Prächtige Wälder bilden den Rahmen
Für dieses Haus, auf dem Felsen erbaut.
Immer aufs neue mußt’ ich dich malen.
Jedesmal schienst du mir anders vertraut,
Ob in der Sonne die Farben erstrahlen
Oder im Nebel die Wälder ergraut.
Oft, fern der Heimat, wenn ich dein denke,
Nehme ich mir diese Bilder zur Hand,
Jedes davon birgt eigne Geschenke
Schönsten Erlebens im Heimatland.
Morgens am Sonntag wandert ich heiter
Zeitig im Frühlicht den Burgberg hinauf,
In der Kapelle die Messe zu feiern.
Wie ein Symbol war mir Austieg und Lauf.
Oder am Mittag, zu Tische gebeten,
Gütig die Burgfrau die Früchte mir reicht,
Die auf den herrlichen Gartenbeeten
Oder im großen Gewächshaus gereift.
Märchenhaft war mir als Kind das Erleben ;
Wenn ich den Fluchtgang im Berg durfte sehen,
Ahnt ich die Ängste von fremden Leben,
Schreckliche Nöte im Kriegsgeschehen.
Einst, als das Heer von Österreich geschlagen
Durch die Soldaten der Revolution,
Wartet mein Ahnherr im Burghaus seit Tagen
Angstvoll auf Wagen und Pferde und Sohn.
88
Doch erst nach Wochen kehrte er wieder ;
Hatte Verwundete heimgebracht,
In seinem Wagen legt’ er sie nieder,
Bettet auf Heu sie von der Wiese bei Nacht.
Oft sah ich den Wald von herrlichen Buchen,
Die der gleiche Urahn gepflanzt ;
Gern ging ich dort Maiglöckchen suchen
Und dacht’ an den Wandel der Zeit und des Lands.
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Die Eyneburg in Hergenrath
Schöne Möbel aus uralten Zeiten,
Ofenplatten und Porzellan
Zeigt mir die Burgfrau, mir Freud’ zu bereiten,
Was sie auch wirklich dadurch getan.
89
Dieses Porzellan ward am Ende des Krieges
Von den Franzosen aus Übermut
In den Burggraben geworfen zur Feier des Sieges :
Mir tat das leid und niemandem gut.
Krone der Heimat, Burg früher Ahnen,
Jetzt in Händen der Industrie,
Mög’ deine Schönheit uns heute ermahnen,
Daß wir die Heimat aufgeben nie.
90
Heinz Errens 1923-1973
von Josef Bonni
Es ist wohl nicht nur im Sinne aller Freunde des hei-
mischen Karnevals, sondern auch sehr vieler anderer Göhl-
talbewohner, wenn wir an dieser Stelle versuchen, die Per-
sönlichkeit eines Mannes zu würdigen, der sich auf folklo-
ristischem und kulturellem Gebiet für unsere Heimat rastlos
eingesetzt und dadurch den Dank der Nachwelt erworben hat.
Heinz Errens war geboren am 26. März 1923 zu Aachen, 4
von einem Aachener Vater und einer Neutral-Moresneter
Mutter. Dies war wahrscheinlich bestimmend für die ihn aus-
zeichnende Weltoffenheit und Spontanität, die den ”Neutralen”
immer eine besondere Note gaben. Denn unsere Ortschaft,
vordem neutrales Gebiet, dann Belgien angegliedert, an
Deutschland, Holland und Belgien grenzend und mit allen
dreien in regem Kontakt stehend, hatte eine völkische Ge-
meinschaft besonderer Art hervorgebracht, eine einmalige Ge-
meinschaft der verschiedensten Nationalitäten. Heinz Errens
war ein würdiger Vertreter dieser Gemeinschaft.
Der Vater war beruflich als Anstreichermeister in Kelmis
tätig und ansässig und in den Jahren vor dem Zweiten Welt-
krieg aktives Mitglied der Karnevalsgesellschaft ””’Lustige Brü-
der”. So hatte der kleine Heinz schon von zu Haus aus die
Veranlagung eines fähigen Karnevalisten. Wir erinnern uns,
daß er, schon als kleines Bürschchen bei der alljährlichen
Sitzung der Karnevalsgesellschaft als Page dem Elferrat vor-
anschritt und in dieser Eigenschaft auch bei einem der ersten
Karnevalsprinzen auftrat.
Die Herkunft seiner Mutter (sie gehörte einer alteinge-
sessenen Kelmiser Familie an, in der auch das Musische ge-
pflegt wurde, ich erinnere an den Onkel, den verstorbenen
Musiker, Dirigenten und Komponisten Willy Huppermann) war
wohl mitbestimmend dafür, daß Heinz Errens eine große
Zuneigung zu den schönen Dingen des Lebens, den kulturellen
Werten, hatte und dieselben in jeder Weise stützte und för-
92
| zu formen. Ob Familienabende oder folkloristische Veran-
| staltungen, Heinz Errens hatte die Gabe und die notwendige
Beredsamkeit ein formvollendetes, ineinandergreifendes Pro-
gramm zu gestalten, dem Zuschauer und Zuhörer ein Genuß.
Im Karnevalskomitee von ”Kenehemo”, d.h. der zusam-
mengeschlossenen Gesellschaften von Kelmis, Neu-Moresnet
und Hergenrath, wurde nach dem Tode des ersten Präsidenten
(Leo Serwas) Heinz Errens die treibende Kraft und neuer
Präsident. Ein Außenstehender kann nicht ermessen, welch
ein Pensum an Arbeit er in die Organisation dieses alljährlich
wiederkehrenden folkloristischen Ereignisses steckte. Er sah
diese Arbeit an als Pflege eines besonderen volkseignen
Brauchtums. All das Notwendige, auch Kleinigkeiten, wurden
von Heinz Errens mit großem Eifer erledigt. Die Prinzen-
proklamation und der Rosenmontagszug waren unter seiner
Leitung besondere Höhepunkte im Kelmiser Kalender, und
immer wieder wurden Scharen begeisterter Zuschauer von
| nah und fern angezogen.
| Dies alles war ihm eine Herzenssache, wofür er sich bis
zum letzten Atemzug eingesetzt hat. Immer war er zur Stelle
wenn es galt, Kultur, Folklore und Unterhaltung zu stützen,
zu förderen oder aktiv daran mitzuarbeiten. So auch i..J. 1970,
als sich auf Initiative des Präsidenten der Göhltalvereinigung
einige Liebhaber des Amateurtheaters zusammentaten, um das
in Kelmis vollständig daniederliegende Volkstheater wieder
zu beleben und neu zu organisieren. Heinz Errens war spon-
taner Befürworter dieser Aktion. Er nahm das Präsidenten-
amt in der neu gegründeten Truppe ”Kelmiser Theater-
freunde” an und ohne Rast und Ruhe setzte er sich ein, so
daß im Oktober 1970 die Laienspielgruppe erfolgreich mit
einem dreiaktigen Lustspiel debütieren konnte und einen ge-
waltigen Publikumserfolg errang.
Durch diese Initiative wurde bei anderen Amateurschau-
spielern das Interesse geweckt und im folgenden Jahr konnte
der Veranstaltungskalender des kulturellen Komitees die Auf-
führung zweier Theaterstücke ankündigen. Somit war die
Volksbühne der ”Patronage” wieder voll aktiv, was umso
|
s3
bemerkenswerter ist, wie sich jahrelang auf diesem Gebiet
nichts getan hatte. Man darf also sagen, daß Heinz Errens
durch sein unermüdliches Wirken die Voraussetzungen für
das Gelingen des Unternehmens mitgeschaffen hat.
Das Bild von und um Heinz Errens wäre unvollständig,
wenn wir nicht auch das große Verständnis erwähnten, das
seine Gattin für seine folkloristischen und kulturellen Ambi-
tionen aufbrachte. In vielen karnevalistischen Dialogen und
durch ihre persönliche Mitwirkung bei Theateraufführungen
war sie für ihn eine ideale Partnerin.
Zusammenfassend kann man von Heinz Errens sagen, daß
er zur Pflege und zur Erhaltung der volkseigenen Kultur
und Folklore in seiner Heimatgemeinde sich große Verdienste
erworben hat. In Anerkennung dieser Verdienste um das
volkseigene Brauchtum unserer über Generationen hier an-
sässigen Vorfahren war es uns eine besondere Verpflichtung,
dem Freund diese lobende Zeilen zu schreiben, denn Heinz
Errens war ein echter ”Kelmeser Jong”.
94
Pour une graphie plus rationnelle du patois
par Pierre Xhonneux
Tres souvent, a la lecture de divers textes publies dans
la revue, j’ai remarque que les auteurs se servent pour un
meme son, de signes differents. Depuis de nombreuses annees,
je me suis attele a 6crire notre patois d’une facon rationnelle
et aide par le Professeur Boileau. Pour &tre explicite, je dirai
qu’il s’agit du patois tel qu’on le parle a Gemmenich, Henri-
Chapelle, Hombourg, Montzen, Moresnet et Plombieres. J’ai
omis volontairement La Calamine, patois trop germanise, Wel-
kenraedt, patois trop francise, et Sippenaeken, patois trop
neerlandise. Je mets dans l'ordre successivement, le patois,
le francais, l’allemand et le neerlandais. J’ose esperer que
nos prosateurs et nos poetes accueilleront mon etude de
bon cceur.
Wie sollte man Plattdeutsch schreiben ?
Der im Ruhestand lebende Lehrer P. Xhonneux hat sich
seit Jahren mit Dialektstudien befaßt. Es fiel ihm immer wie-
der auf, daß der gleiche Laut von den einen plattdeutschen
Autoren so, von den anderen so dargestellt wurde. Das brachte
ihn auf die Idee, eine Lauttabelle anzulegen und der von
Prof. Boileau vorgeschlagenen Schreibweise zu folgen.
P. Xhonneux hat absichtlich das zu stark eingedeutschte
Kelmiser Platt, das zu stark französierte Welkenraedter und
das zu stark unter dem Einfluß des Niederländischen stehende
Sippenaeker Platt nicht berücksichtigt. Seine Arbeit bezieht
sich also nur auf den in den Orten Gemmenich, Kapell,
Homburg, Montzen, Moresnet und Bleyberg gesprochenen
Dialekt.
Der Konsonantenstand ist der gleiche wie im Nieder-
ländischen : b, ch, d, f, g, h, j, k, 1, m, n, ng, r, s, t, v, w und z.
Doppelter Konsonant macht die vorgehende Silbe zu einer
kurzen.
|
95
CONSONANTISME
Les consonnes suivantes ont la meme valeur qu’en neer-
landais: bch d fghjklmnngrstvwz.
Les consonnes doubles marquent la brievete de la voyelle
qui les precede immediatement : alles - doeff.
La chuitante CH se represente par SCH ou par S devant
P ou T: schoöp - spele - stroöt.
VOYELLES
i minsch personne - Mensch - mens
igel - herisson - Igel - egel
1 stif - raide - steif - stijf
strit - dispute - Streit - ruzie
i zitte - asseoir - niedersetzen - neerzetten
agriff - attaque - Angriff - aanval
u schup - pelle - Schaufel - schop
burgermeester - bourgmestre - Bürgermeister - bur-
gemeester
ü hüske - maisonnette - Häuschen - huisje
lütschke - sucette - Stiller - zuiger
ü beschüt - biscotte - Zwieback - beschuit
stüt - vantardise - Prahlerei - grootsprekerij
u zuvve - sept - sieben - zeven
a kratz - 6gratignure - Kratzwunde - schram
scha - dommage - Schaden - schade
ä mäke - fabriquer - verfertigen - vervaardigen
räke - gencive - Zahnfleisch - tandvlees
aa baat - barbe - Bart - baard
maat - marche - Markt - markt
ä ärgernis - scandale - Ärgernis - ergernis
ällmächtigheet - toute-puissance - Allmacht - almacht
o lope - courir - laufen - lopen
tob - seau - Eimer - emmer
6 1ök - trou - Loch - gat
apöstel - apötre - Apostel - apostel
00 boom - arbre - Baum - boom
afloop - decharge - Ablauf - afloop
96
ö köme - venir - kommen - komen
verlöte - abandonner - verlassen - verlaten
06 vroög - question - Frage - vraag
gevoör - danger - Gefahr - gevaar
| 06 bo6k - livre - Buch - boek
broör - frere - Bruder - broeder
| ö möle - moulin - Mühle - molen
amatör - amateur - Liebhaber - liefhebber
66 dö6r - porte - Tür - deur
vö6r - devant - vor - voor
| e plante - planter - pflanzen - planten
| appetit - appetit - Appetit - eetlust ;
| € deficit - deficit - Defizit - deficit
| velo - velo - Fahrrad - rijwiel
| ee deel - partie - Teil - deel
| meester - maitre - Meister - meester
| & kelder - cave - Keller - kelder
| kalender - calendrier - Kalender - kalender
| 6 venster - fenetre - Fenster - venster
| weg - chemin - Weg - weg
| ee beer - biere - Bier - bier
4 vreeze - geler - frieren - vriezen
| en 6ngel - ange - Engel - engel
hengst - etalon - Hengst - hengst
| GE vreete - devorer - fressen - vreten
1&&pel - cuillere - Löffel - lepel
DIPHTONGUES
ei ei - ceuf - Ei - ei
weisch - lessive - Wäsche - was
ei blei - plomb - Blei - lood
vrei - libre - frei - vrij
ij wij - saule - Weide - wilg
zij - cöte - Seite - zeide
au gau - rapide - schnell - snel
flau - faible - schwach - slap
äi twäi - deux - zwei - twee
pläi - place - Platz - plaats
|
98
Tätigkeitsbericht für das Jahr 1974
von Dr. Gisela De Ridder
Daß unsere Vereinigung einen verantwortlichen Auftrag als Hüterin
der Kultur, der Geschichte und Heimatkunde hat und zugleich Schützerin
von Denkmälern im Göhltal ist, zeigte das Jahr 1974.
Januar ;
| 12. Januar : im Rahmen der zur Erhaltung der Galmeiflora
} durchgeführten Kampagne sendete der BHF zu diesem Thema ein In-
| terview von Fr. Inge Gerkens mit unserer Mitarbeiterin Dr. G. De Ridder.
| Am 26. Januar fand im Park-Cafe die jährliche Hauptversammlung
| vor zahlreichen Mitgliedern statt. Der Tätigkeitsbericht für 1973 wurde
durch Herrn W. Janssen verlesen. Herr Steinbeck, der Kassierer, legte
seinen Kassenbericht vor, der einstimmig angenommen wurde. Nach
der statutengemäßen Wahl bzw. Neuwahl des Verwaltungsrates wurden
folgende Mitglieder neu aufgenommen : Frau Dr. De Ridder (Moresnet),
Herr Gatz (Hauset), Herr Nyns (Walhorn) und Herr Heydasch (Raeren).
| Im Anschluß an den offiziellen Teil stellte Herr Mathieu Lec'erc (Mo-
| resnet) in hervorragender Weise Moresnet mit seinem malerischen Dorf-
kern und Moresnet-Kapelle mit dem Kalvarienberg in Bild und Ton vor.
| Die ersten 3 Monate des Jahres waren ausgefüllt mit einem um-
|| fangreichen Briefwechsel zur Erhaltung der Galmeiflora des Ke!miser/
Neu-Moresneter Gebiets sowie des Hornbachtales, Alle verantwortli-
chen Institutionen im In- und Ausland wurden durch Rundschreiben
über diese in Europa so seltene Flora unterrichtet. Ein breites Echo
| auf lokaler, regionaler, provinzialer und nationaler Ebene folgie diesem
|| Vorhaben, welches durch Politiker und Wissenschaftler gleichermaßen
unterstützt wurde. Auch ausländische Wissenschaftler aus Holland und
Deutsch!'and haben die Bedeutung der Galmeiflora herausgestellt.
Februar :
Das in diesem Monat erschienene Heft ”Im Göhltal” N° 14 begei-
sterte durch Umfang und vielseitige Thematik.
März :
Am 15,3. wiederholte Otto Hirtz (Aachen) auf vielfachen Wunsch
seinen ausgezeichneten Lichtbildervortrag über die Galmeiflora im Kel-
miser/Neu-Moresneter Gebiet. Der Volksvertreter Schyns, führende Bo-
taniker Belgiens sowie der Lütticher Professor Schumacher, Botaniker
aus Holland und Deutschland und viele Freunde dieser Flora waren
beeindruckt von dem Besonderen unserer Gegend und sicherten ihre
Unterstützung zur Erhaltung dieser Flora zu.
Am 26. 3. hielten Mathieu Leclerc (Moresnet) und Alfred Janssen
(Moresnet) einen Vortrag in Bild und Ton über die Priesterweihe Si-
mons-Rixen, das Kelmiser Passionsspiel mit Originaltexten sowie über
Moresnet-Kapelle.
April :
Bei strahlendem Sonnenschein führte am 6.4. Otto Hirtz (Aachen)
etwa 130 Teilnehmer durch das Kelmiser und Neu-Moresneter Gebiet
der Galmeiflora. Besichtigt wurde die Koul (Kelmis), das intakte Gal-
]
| 100
|
In diesem Monat wurden vergrößerte Farbphotos der Galmeiflora,
| die aus dem reichhaltigen Material von Alfred Janssen stammten, ge-
| rahmt durch Hermann Scheiff, den Gemeinden Ke!mis, Neu-Moresnet,
| Hergenrath und Moresnet überreicht.
Mai:
Am 4.5. wurde unter der Führung von Walther Janssen (Hauset)
zum zweiten Mal die Bank Walhorn besichtigt. Ein Höhepunkt dieser
Exkursion war der Besuch im Töpfereimuseum Raeren, dessen Kon-
servator, Dr. O.E. Mayer, durch seine Erläuterungen die zahlreichen
Interessierten sehr beeindruckte,
Am 5.5. führte Peter Zimmer die niederländische Gruppe des
Instituut voor Natuurbeschermingseducatie durch unser Museum.
9.5.: auf Einladung der Staatlichen Mittelschule Kelmis hielten
die Herren A. Janssen, M. Leclerc und J. De Ridder einen Lichtbilder- ‚+
vortrag vor den dortigen Schülern,
Am 17.5. gab Frau Dr. De Ridder (Moresnet) einen Lichtbilder-
vortrag über die Töpferei im Göhltal bis zum 17 Jh., der cine Über-
sicht über dieses Thema vermittelte,
| Juni:
| Am 7.6. sprach in der Patronage (Kelmis) der Dipl. Ing. E. Beyer
(Nettehöfe) über die Geologie der Eifel. Für alle Anwesenden wird
seine überzeugende Vortragsweise unvergeßlich bleiben.
Mit 2 überfüllten Bussen wurden am 16. 6. die interessanten Stein-
| brüche des Göhltals unter der Führung der Geologen Felder (Holland)
und Dipl. Ing. E. Beyer (Nettehöfe) besichtigt.
| Jeder Teilnehmer war beeindruckt von der Geologie im Göhltal,
das alle Erdalterepochen auf seiner Oberfläche vorweisen kann.
| Juli:
| Im Urlaubsmonat Juli wurde die Vorbereitung für die am 1.9.
| festgesetzte Besichtigungsfahrt zum Freilichtmuseum Kommern vorbereitet.
| Am 10.7. wird Professor Staner, der Vizepräsident der ”Commission
Royale des Sites et Monuments” in Begleitung seiner Gattin durch
das Kelmiser und Neu-Moresneter Galmeiflora-Gebiet sowie durch das
Hornbachtal geführt.
| Zum allgemeinen großen Bedauern ist das Galmeihaldengebiet in
Neu-Moresnet fast abgetragen worden.
August :
| Am 23.8. hielt Frau Dr. De Ridder einen Lichtbildervortrag über
| das Thema ”Töpferöfen im 16. Jh. in Hauset und Raeren” auf Cem
| archäologischen Kongreß in Sint-Niklaas. Dieses Thema wurde zusam-
i men mit Dr. O.E. Mayer und J. Papeleux bearbeitet.
| September :
| Am 1.9. wurde das Freilichtmuseum Kommern besichtigt. Der
| Denkmalschützerische Gedanke, der diesem Werk zugrunde liegt, über-
| zeugte alle Teilnehmer.
Über das Thema Erhaltung der Galmeiflora ging es bei dem
Gespräch am 23.9. an dem Frau Dr. De Ridder, die Bürgermeister
Schyns (Kelmis), Pauly (Neu-Moresnet) und der Vizepräsident der ”Com-
mission Royale des Sites et Monuments”, Professor Staner, teilnahmen.
1
|
|
|
| 104
| niederländischer Seite, Diese Aussage steht im Gegensatz zu dem, was
| in der lokalen Presse zu lesen war. Dieser war zu entnehmen, für die
Erhaltung der Galmeiflora hätten sich nur ausländische Instanzen einge-
| setzt. Das ist wohl ein Beweis dafür, daß diejenigen, die diese Informatio-
| nen an die Presse weitergegeben haben, nicht informiert waren.
| Statistik: Die nachfolgende Statistik über die Anzahl unserer Miglieder
| aus den Jahren 1973 und 1974 wird sicherlich jeden interessieren :
| 1973 1974
| Mitglieder : 368 402
Abonnenten : 36 30
Austausch : 16 13
|| Pflichtempfänger : 10 20
| Gesamt : 430 465
| Pressemitteilungen :
| Im Rahmen unserer Veranstaltungen — 7 Lichtbildervorträge, 8 Ex-
kursionen und eine Kunstausstellung — erschien in der Presse jedesmal
| eine Voranmeldung sowie eine abschließende Zusammenfassung.
| Insgesamt wurden so wenigstens 30 Presseartikel von unserem Sekre-
| tariat bzw. unseren Mitgliedern veröffentlicht.
|
Verwaltungsratssitzungen :
Unser Verwaltungsrat kam am 5.2., 7.5., 31.5. und 22. 10. zusammen.
Der engere Vorstand tagte am 22.5., 6.6. und 7. 12.
Für das Jahr 1974 konnten wir Ihnen einen umfassenden Tätigkeitsbe-
richt vorlegen, der die Arbeit dieses Verwaltungsrates widerspiegelt.
Durch das Bemühen derer, die immer zur Stelle waren, wenn Hilfe ge-
braucht wurde, dürfen wir auf ein erfolgreiches Jahr zurückblicken.
Dank gilt unserem Präsidenten Herrn Peter Zimmer, und seinem Vor-
stand für die geleistete Arbeit.
Daß unsere Vereinigung ihren Auftrag ernst nimmt, beweist die Aner-
kennung derer, die so zahlreich an all den Veranstaltungen teilgenommen
haben, beweist uns die Unterstützung der verantwortlichen Autoritä-
ten unserer Gegend, aber auch derjenigen, die auf regionaler, provinzialer
und nationaler Ebene ihr Interesse an unserer Arbeit bekunden. Unsere
Vereinigung wird sich in diesem Sinne, Ihre Mitarbeit voraussetzend,
unermüdlich weiter bemühen,
Mil li ln ine
Wir gratulieren :
Unserem Schriftführer, Herrn Jean De Ridder, zu .seiner Wahl zum
Landespräsidenten des Belgischen Volleyballverbandes ;
Unserem Vorstandsmitglied, Dr. Gisela De Ridder, zu ihrer Wahl zur
Vorsitzenden des Regionalverbandes der Elternräte des Staatlichen Un-
terrichtswesens im deutschsprachigen Landesteil (FAPEO).
Wir wünschen beiden viel Erfolg in ihrer verantwortungsvollen Tätigkeit.
|