Im Göhltal
ZEITSCHRIFT der
VEREINIGUNG
für
Kultur, Heimatkunde und Geschichte
im Göhltal
No 15
1-74
Vorsitzender : Peter Zimmer, Kelmis, Siedlung P. Kofferschläger, 10.
Sekretariat : Rue du Calvaire, 8, 4671 Moresnet
Lektor: Alfred Bertha, Hergenrath, Bahnhofstraße, 20b.
Kassierer : Fritz Steinbeck, Kirchstraße, 20.
Postschekkonto N° 000-0191053-60
Die Beiträge verpflichten nur ihre Verfasser.
Alle Rechte vorbehalten.
Entwurf des Titelblattes : Frau Pauquet-Dorr, Kelmis.
Diese Skizze zeigt den Moresneter Göhlviadukt sowie die Hergenrather
Hammerbrücke in ihrer ursprünglichen Form.
Druck. Jacques Aldenhoff, Gemmenich,
Inhaltsverzeichnis
Franz Uebags, Kelmis Aus der jüngsten Geschichte des
Altenberger Grubenfeldes :
Die Aufbereitung (2. Teil) 4
Alfred Bertha, Hergenrath Über die Erzvorkommen in Lontzen
und Walhorn nach einem Bericht
aus dem Jahre 1827 15
Hans Königs, Aachen Hügelgräber aus vorgeschichtlicher
Zeit im Göhltal 20
Otto Hirtz, Aachen Die Galmeiflora im Göhltal - Eine
vegetationskundliche Betrach-
tung 22
Hans Königs, Aachen Zur Bezeichnung «am Bildchen» 30
M.-Th. Weinert, Wald im Januar (Gedicht) 33
Aachen-Forst
Alfred Bertha, Hergenrath Episoden aus der Franzosenherr-
u. Walter Meven, schaft in Aachen und Umgebung 34
Aachen
Leonie Wichert-Schmetz, Erinnerung an die Heimat (Gedicht) 63
Bad-Driburg
Leo Homburg, Fossey Aus meinem Familienarchiv 66
Hans Königs, Aachen Von Bauern und Soldaten im
Aachener Reich zur Zeit des
Österreichischen Erbfolgekrie-
ges (1741-1748) 70
J. De Ridder, Moresnet Fahrt durch die Bank Montzen 74
Dr. G. De Ridder, Moresnet Das Portrait : Jean Herzet 85
M.-Th. Weinert, In der Nacht (Gedicht) 91
Aachen-Forst
Gerard Tatas, Gemmenich Jömmelecher Heemetlied (Lied) 92
Jos. Küpper sen. (f) An Heimat und Bauer (Gedicht) 94 ?
Hergenrath
J. Demonthy, Neu-Moresnet Photo-Quiz : Kennst du deine
7 Heimat ? 96
4
Aus der jüngsten Geschichte des
Altenberger Grubenfeldes : Die Aufbereitung
(2. Teil)
von F, Uebags
Ein Blick in die Schlammwäsche
Der Name Schlammwäsche verrät schon, was im dritten
Gebäude der Wäsche vorging. In der Tat, hier wusch man
den Überlauf der großen Wäsche und holte das Letzte aus
ihm heraus. Man wollte einfach alles haben, was an Minera- .
lien zu finden war. Beim Waschen der vielen Erzsteine
entstand durch das Wasser und die leicht zersetzlichen Sub-
stanzen eine schwere Schlammbrühe, die sich bei den Setz-
maschinen sammelte. Aus einem Sammelkasten floß die
schwarze, steife Flüssigkeit hinüber in die Schlammwäsche.
Eine Trommel, die in der obersten Ecke drehte, fing den nassen,
schlammigen Stoff auf. Wenn sie durch das Drehen genügend
gemengt waren, schieden sie aus °in eine Grube. Ein Becher-
werk brachte den Kot bis zur unteren Schlammwäsche und
legte ihn‘ auf zwei drehende Tische ab. Darüber sprühte eine
Brause dauernd Wasser, das den schwarzen Teig so richtig
durchspülte. Nach diesem Vorgang kam alles auf Stoß- oder
Schüttelherde, um letzten Endes in Setzmaschinen aufgefan-
gen zu werden. Also dasselbe Verfahren wie in der großen
Wäsche. Verließen die jetzt reinen Produkte die Setzmaschi-
nen, gelangten sie in eine Auffanggrube. Die Grube hatte
einen Ablauf zu den Weihern vor der Schlammwäsche. Sol-
cher Weiher hat es acht gegeben ; innen besaßen sie mehrere
Abteilungen, in denen sich das Erz seiner Schwere nach ab-
lagerte, das heißt, daß das Blei zuerst sank, dann die Blende
und zuletzt der Schwefel. Das Nutzlose lief durch den Über-
lauf in Kanälen bis zu den Weihern hinter der Zentrale. Aus
diesen Weihern hat man immer das Wasser, in Abständen
von zwei Stunden, in den Göhlbach ablaufen lassen. Der
angesammelte Schlamm ist mittels einer Pumpe mit starkem
Druck durch dicke Rohre hochgedrückt worden, bis zu dem
Gelände seitlich des Kasinoweihers. Heute ist man dabei,
das ganze abgelagerte Restgut wegzuschaffen. Der Abfall
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Die neue Wäsche im Bau
der anderen Wäsche ist ebenfalls von einem horizontalen Auf-
zug, man nannte ihn ”Hexe”, dorthin befördert worden. Diese
”Hexe” war ein apartes Kettensystem, welches die schweren
Kippwagen in einem ziemlich schnellen Tempo nach oben
zog. Der Mann, der jahrelang die ”Hexe” betreut hat, war
der Kelmiser Musiker Franz Breuer. Ich möchte noch hinzu-
fügen, daß alle Musiker der Bergwerkskapelle, wie man sich
damals ausdrückte, ein faules Pöstchen innehatten. Hatte der
Arbeiter, der die vor der Schlammwäsche befindlichen Weiher
unter Kontrolle hielt, diese ablaufen lassen, blieb das fertige
Material in den verschiedenen Abteilungen zurück. Jedes Erz
war an seiner Farbe gut zu unterscheiden. So hatte z.B.
das Blei eine bläuliche, die Blende eine gelbliche und der
Schwefel eine grünliche Farbe. Nachdem nach %, Stunden
die wertvolle schlammige Masse steif zu werden begann,
konnte sie ausgeschaufelt und geladen werden, um den letzten
Gang zur ”Plaine” anzutreten. Ich ließ mir von einem alten
Arbeiter der Schlammwäsche erzählen, daß so ein voller Wa-
gen 1800 Kg gewogen habe. In der Schlammwäsche ist Herr
Henri Schillings aus Kelmis langjähriger Meister gewesen.
Die Belegschaft
Wie schon zu Beginn erwähnt, lag die Verantwortung
des gesamten Betriebes in den Händen des Betriebsführers
Markstein, der seiner langen Amtszeit wegen keinen Nach-
6
folger hatte. Aufseher Alfred Dechesne, die Meister Henri
Schillings, Joseph Bonni und Ferdinand Pelzer, sowie Atelier-
leiter Court, die ihm unterstellt waren, haben immer ihrem
Chef durch ihre Fachkenntnisse einen großen Teil seiner Ver-
antwortung abgenommen. Das Werk hat in der Blütezeit 120
Arbeiter beschäftigt, und zwar 50 Mädchen und 70 Männer.
Die dort arbeitenden Mädchen, die in den Ehestand traten,
mußten die Arbeit aufgeben.
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Die Belegschaft der alten Wäsche um 1899
Die Schichteinteilung
Einen Schichtwechsel hat es in der Wäsche nie gegeben,
da nur auf Frühschicht gearbeitet wurde. Morgens um 7 Uhr
begann die Schicht. Mittags hatten die Leute bis 13 Uhr
Pause. Feierabend war um 16.30 Uhr. Als der Zwölfstunden-
tag noch existierte, war die Arbeit folgendermaßen eingeteilt :
von 6 bis 8, von 8.30 bis 12, von 13 bis 16 und von 16.30
bis 18 Uhr. Schichtbeginn und Feierabend wurden mittels
einer Glocke bekanntgegeben, bis dann Anfangs der 20er
Jahre auf dem Kesselhaus eine Sirene aufgestellt wurde,
die durch Dampf einen so schrillen Pfiff von sich gab, daß
er kilometerweit zu hören war. Von Belegschaftsmitgliedern,
7
die der Bergwerkskapelle angehörten, wurde verlangt, wö-
chentlich den zwei angesagten Proben beizuwohnen. Wech-
selschichten kamen jedoch nur für die Bergleute in Betracht,
und die Betriebsführer mußten die Musiker, die Nachmittags-
schicht hatten, an den beiden Tagen, wo die Proben statt-
fanden, auf Frühschicht arbeiten lassen. Diejenigen, die den
Proben fernblieben, wurden vom Dirigenten bei der Direk-
tion gemeldet. Diese forderte den Schuldigen auf, bei ihr
vorzusprechen, wo ihnen seitens des Direktors, der für die
Bergwerkskapelle eine große Zuneigung hatte, nichts als
”starke Zigarren” verpaßt wurden. Wiederholte sich das aus-
bleiben bei den Proben des öftern, kam sogar die Entlassung
in Frage. Den Musikern zahlte die Gesellschaft für jede Probe
1,50 Fr und pro Konzert, die alle 14 Tagen stattfanden, 3 Fr.
Auszahlung der Lohngelder
So wie auf den Gruben, sind auch in der Wäsche am 6.
und 20. eines jeden Monats die Arbeiter ausbezahlt worden.
Der Berg hat seine Leute, selbst während des ersten Welt-
krieges, immer in belgischem Geld entlohnt. Anders ist es
im zweiten Weltkrieg gewesen, da hat die Reichsmark als
Zahlungsmittel gedient. Der Meister hat seinen Arbeitern ihre
Lohntüte am Arbeitsplatz ausgehändigt. Materielle Vergünsti-
gungen, wie Prämien oder Weihnachtsgratifikationen, sind den
Arbeitern der Vieille Montagne nie zugute gekommen. An-
läßlich der Kelmiser Kirmes fand am Schützenlokal ein Wett-
schießen statt und bei dieser Gelegenheit erhielt jedes Beleg-
schaftsmitglied am Lohntag davor einen Bon für zwei Glas
Freibier.
Die Wäsche wird neu eingerichtet,
Jede Betriebsleitung muß darum bemüht sein, nicht vom
technischen Fortschritt überrollt zu werden. Versuche werden
unternommen, um eventuelle Verbesserungen herbeizuführen.
Solche Versuche hat auch die ”Vieille Montagne” schon im
Jahre 1919 angestrebt. Es ging darum, das System in der
Wäsche zu vereinfachen und die Unkosten zu verringern,
nennen wir das Kind bei seinem Namen: um mit weniger
Arbeitern dieselbe Produktion zu erzielen. Doch hatten sich
damals die angestellten Versuche als unbefriedigend erwiesen.
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Bei den Nichtentlassenen handelte es sich größtenteils
um ältere Männer, denen ein gewisser Vorrang zugestanden
wurde.
Was veranlaßte den Bau der Flottation ?
Nachdem sämtliche Gruben der Gesellschaft der Schlie-
Bßung zum Opfer gefallen waren und der gelagerte Vorrat
alle wurde, hatte die Wäsche sowieso keine Aussichten auf
eine weitere Existenz. Nun hatten kluge Köpfe früh-
zeitig herrausgefunden, daß in dem Auswurf, d.h. in dem
Schlamm der Wäsche, den man während vieler Jahre hin-
durch, wie vorhin schon erwähnt, auf das hinter dem Betrieb
liegende Gelände pumpte, noch ein gewisser Prozentsatz an
Blende vorhanden war. Aussagen zufolge muß das die Gesell-
schaft dazu bewogen haben, das Projekt ”Flottation” in An-
griff zu nehmen.
Das Verfahren der Flottation
Der neue Betrieb, der im Februar 1937 fertiggestellt und
sofort nach dem üblichen Test seiner Bestimmung übergeben
wurde, war ein vereinfachtes Wäscheverfahren. Wer das alte
und auch das neue Werk gekannt hat, muß sagen, daß zwi-
schen den beiden Einrichtungen keinerlei Vergleiche zu ziehen
waren. Alles verlief in den neuen Einrichtungen viel geräusch-
loser. Das zu bearbeitende Material holten die Fahrjungen
in Kippwagen vom ”Plang”. So hieß die Schlammhalde hinter
der Wäsche. Diesen Schlamm, durch das jahrelange Ablagern
zu einer festen Masse geworden, brachten die Schlepper un-
unterbrochen zu ihrem Bestimmungsort. Tagsüber mußten
ebenfalls zwei Bunker mit dem Zeug aufgefüllt werden, da
sonst für die beiden Spätschichten kein Stoff vorhanden war.
Die moderne Anlage, die Flottation, war ein Schlamm-
und Schaumverfahren. Nachdem die steife Masse im obersten
Stockwerk gekippt worden war, mußte sie zerstückelt werden,
was mittels platter Hacken geschah. Dann kam sie in ein Läu-
terwerk, das dauernd unter Wasser stand und worin sie sich
durch ständiges Rühren in eine feine dünnflüssige Masse ver-
wandelte, die beim Ausscheiden durch einen Kanal nach unten
in eine Walzmühle floß. War dieser Vorgang zu Ende, be-
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maßen spannte, daß die trockene Schicht abfallen mußte.
Was sich nicht absetzte wurde von einem nicht stillstehenden
Schaber zum Fallen gebracht. Bei der Trommel stand ein
Kippwagen, in den das fertige Material fallen konnte.
Die anteiligen Prozentsätze dieser Produkte waren mei-
stenteils verschieden. Sie schwankten zwischen 3, 4, 5 und 6
Prozent. Auch die Ergiebigkeit variierte täglich. Es hat
Schichten gegben, wo nur ein Wagen gezogen wurde. Mehr
als 5 Wagen hat man nie ziehen können.
Das Ende der Wäsche
Als am Abend des 4. April 1944 die Flugzeuge der Alliier-
ten den Bahnhof von Montzen heimsuchten und dort großen
Schaden anrichteten, wurde auch die Wäsche ein Opfer der
Bomben. Die Arbeiter der Spätschicht, die telefonisch und
durch die brüllenden Sirenen von dem anfliegenden Bomber-
geschwader gewarnt worden waren, hatten sich, Gott sei Dank,
in Sicherheit gebracht, denn kurz darauf fielen schon einige
Bomben in den hinteren Teil der Wäsche und richteten be-
trächtlichen Schaden an. Zu der Zeit liefen die Gerüchte,
die Bomben seien hier aus Versehen abgeworfen worden.
Vielleicht ist es so gewesen, doch wer hat das feststellen
können ? Wie dem auch sei, eines stand fest : die Wäsche lag
still und den Arbeitern hatte man kurz und bündig die Arbeit
genommen. Nun zogen jene Arbeiter, die sich das jetzt Ge-
schehene oftmals erwünscht hatten, ein ziemlich langes Ge-
sicht. Sie wurden vom Arbeitsamt nach Aachen beordert, um
bei den Aufräumungsarbeiten mit Hand anzulegen. Wie oft
mögen diese Männer an die Wäsche zurückgedacht haben ?
Sie, die in den Mauern dieses Gebäudes alt geworden waren,
mußten nun plötzlich aus Kelmis heraus und anderswo ihr
Brot verdienen. Vor kurzem verriet mir noch ein alter Wäsche-
arbeiter, daß die Stillegung des Betriebes für ihn ein hartes
Stück Brot gewesen sei, das er nicht leicht verdaut habe.
Diese Arbeitsumstellung dauerte jedoch nicht allzu lange,
denn schon am 4. September konnte wegen der Kriegser-
eignisse keiner mehr sich nach Aachen begeben. Eine Zeit
der Ungewißheit, bis schließlich der 8. Mai 1945 das Ende des
zweiten Weltkrieges mit sich brachte. Nach fünfjähriger Un-
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terbrechung, kam nun wieder die Direktion der ”Vieille Mon-
tagne” nach Kelmis. Alle, besonders die Arbeiter der Gesell-
schaft, waren gespannt, wie jetzt alles verlaufen würde.
Schnell kam die Kunde, daß an einen Wiederaufbau der
Aufbereitung nicht mehr zu denken sei. Somit steht ein-
wandfrei fest, daß der 4. April 1944 der Tag war, an dem die
Wäsche für immer ihre Tore schloß.
Herr Fernand Bleyfuesz, letzter Direktor der Abteilung
Moresnet der Vieille Montagne, bot laut Beschluß höherer
Gewalt bei seiner Wiederkunft den gesamten Besitz der Ge-
sellschaft, der auf dem Gebiet der Gemeinde Neu-Moresnet
lag, zum direkten Verkauf an. Kauflustige Interessenten 4
ließen nicht lange auf sich warten. Nicht nur Unternehmer,
nein, auch Kleinverbraucher waren von dem Verkauf begeis-
tert. Die technischen Einrichtungen in den Gebäuden, die
vormals als der Stolz der Firma galten, wurden zur Ver-
schrottung verkauft. In der Nachkriegszeit, wo Eisen, Guß und
Kupfer zu den raren Artikeln zählten, stieg die Nachfrage
nach denselben so stark an, daß die Verkäufer die Nachfrage
kaum befriedigen konnten. Als nun inwendig alles kahl ge-
worden war, wurde mit dem Abbruch der einst so stolzen
Bauten begonnen, so daß der ”Alte Berg” allmählich zu
einem Traum wurde. Heute, so kann man sagen, ist der Tag
abzusehen, wo auch die letzten Spuren der Altenberger Ge-
sellschaft in unserer Gegend verwischt sein werden.
Zu der Zeit, als man dabei war, den ganzen Betriebs-
komplex dem Erdboden gleich zu machen, haben viele neu-
gierige Kelmiser zugesehen. Sie machten einen Rückblick in
die frühere Zeit und ein jeder äußerte seine persönlichen
Ansichten. Es ist sogar zu heftigen Diskussionen gekommen,
weil man sich über die Ursache der Einstellung der Betriebe
nicht einig werden konnte. Lächerliche Kommentare, von den
alten Leutchen manchmal aus der Luft gegriffen, ergaben
nichts als ein ”Pro und Contra”. Hat man als stiller Zuhörer
inmitten der Alleswisser gestanden und sich die erdachten
Argumente betreffs des Eingehens der Gesellschaft hier am
Ort angehört, so wurde deutlich, daß ein quälendes Unbehagen
herrschte, weil diese Entscheidung doch allen etwas zu Herzen
ging. Alle hätten lieber gesehen, wenn alles beim alten geblie-
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ben wäre.
Geteilte Meinungen, Tadel, Kommentare, all das konnte
dem Verschwinden des langjährigen Brotsherrn vieler Be-
wohner der hiesigen Gegend keinen Einhalt bieten. Der Ent-
scheid der Generaldirektion war gefallen und des Herrn Befehl
mußte ausgeführt werden. So wie alles auf der ganzen Welt
hat auch der ”Alte Berg” ein Kommen und ein Gehen gekannt.
Wieviele mögen in dieser Zeit, heute wollen sie es vielleicht
nicht wahrhaben, innerlich gedacht haben : ”Mußte das sein ?”
Die Leitung der Flottation
Der Umbau der Wäsche und die Inbetriebnahme der S
Flottation hat noch unter Direktor Timmerhans stattgefun-
den. Sein Schwiegersohn, Ingenieur Paquot, übernahm gleich
zu Beginn die Führung des neuen Werkes. Ihm unterstellt
waren die Meister Bonni und Schillings aus Kelmis sowie
24 Arbeiter. Der Betrieb hat Tag und Nacht nicht still gestan-
den. Für jede Schicht kamen nur 6 Arbeiter in Frage. Die
Posten waren folgendermaßen verteilt : Am Bunker betätig-
ten sich 2 Mann, einer an den Chemikalien, der gleichzeitig
das Schmieren der Anlage mit übernehmen mußte, einer an
der Flottationsmaschine, einer an der Pumpe und der 6. am
Filter. Auf Frühschicht waren es natürlich 6 Mann mehr,
nämlich die Fahrjungen. Während des letzten Krieges, d.h.
in den Jahren 1940-44, als die hiesigen Gebiete von den
Deutschen annektiert waren, wurde die Abteilung Moresnet
der Vieille Montagne von dem deutschen Direktor Geister
geleitet. Dieser rechtschaffene Mann hatte sogar bei den nich‘-
Deutschen große Sympathien. Er war ein Mann, der nur
Arbeiter kannte. Mit ihm kam Ingenieur Schmitz nach Kelmis.
Er war der Verantwortliche in der Flottation. Herrn Schiel,
ehemaligem Betriebsführer der Grube Schmalgraf, wurde
auch in der neuen Fabrik ein Meisterposten zugeteilt.
An Sonn- und Feiertagen stand das Werk still. Schicht-
wechsel war um 6,14 und 22 Uhr.
Die freundliche Bereitwilligkeit des Herrn Hermann Lausberg aus
Kelmis hat es mir ermöglicht, noch einiges über die Flottation wieder-
geben zu können. Dafür sei ihm bestens gedankt.
Die Fotos der Wäsche stellte mir unser Vereinsmitglied J. De-
monthy gern zur Verfügung. Ebenfalls besten Dank,
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Über die Erzvorkommen in Lontzen und Walhorn
nach einem Bericht aus dem Jahre 1827
von Alfred Bertha
Die Gesellschaft vom Altenberg (”Vieille Montagne’”’),
immer bestrebt, ihr Grubenfeld zu vergrößern und neue,
abbauwürdige Erzvorkommen zu finden, ließ gegen Ende des
vorigen Jahrhunderts auch in Lontzen Bohrungen vornehmen
und im Jahre 1900 wurde die Galmeierzförderung am ”Berg”
in Angriff genommen. Über den Betrieb der Lontzener Gru-
be hat unser Mitarbeiter Franz Uebags in Nr. 9 dieser Zeit-
schrift ausführlich berichtet (”*Im Göhltal” Nr. 9, Juni 1971,
S. 5-11).
Doch die Kelmiser Gesellschaft war nicht die erste, die
die Bodenschätze unserer Heimat zu heben versuchte. Auch
hat sie sich in erster Linie für Galmei interessiert, das sie
in der Kelmiser Wäsche aufbereitete. Es liegt uns ein Bericht
aus dem Jahre 1827 vor, aus dem hervorgeht, daß kei der
Bevölkerung das Wissen um die Erzvorkommen und andere
Bodenschätze. lange vor der Tätigkeit der ”Vieille Monta-
gne” vorhanden und auch nie ganz verloren gegangen war.
Wir sind der Meinung, daß das Dokument es verdient, einer
breiteren Öffentlichkeit zugänglich gemacht zu werden.
BOOK E
”In Betreff Mineralien in der Bürgermeisterei Lontzen”
In verschiedenen Gegenden der Bürgermeisterei Lontzen
ist Galmeistein vorhanden, nämlich :
a) Galmei
1) auf dem sobenannten Poppelberg, zwischen Lontzen und
Rabottrath, worunter dann auch zugleich Blei gefunden
wird.
Daß dort vor Jahren jenes Mineral gesucht und auch ge-
funden worden ist, zeigen die noch vorhandenen aufge-
worfenen Hügelen und Gruben, wie auch die dort noch
zu findenden Bestandteile von Galmei und Blei. Es scheint
aber, daß jenes Mineral nie in der Tiefe gesucht worden
ist, sondern nur an der Oberfläche. Man kann deshalb
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nicht wissen, ob dort tief in der Erde kein reichliches Erz
zu finden sei.
2) bei den sobenannten Knippen, wo aber nur Galmei zu
sein scheint. Daselbst ist auch vor unerdenklichen Jahren
Galmei gegraben worden, wovon die Spuren noch zu er-
sehen sind.
3) In der Grünstraß, wo der Galmeiberg Anno 1772 ange-
fangen worden und schier immer anhaltend, bis unter
dem französischen Gouvernement die bekannte Concession
des Altenbergs zu Gunsten des Herrn Dony zu Lüttich
angefangen hat.
Daselbst bei der Grünstraß ist der Galmei ziemlich häufig *
gefunden worden ; sodann auch etwas Blei. Dieses Berg-
werk wurde teils auf Rechnung des österreichischen Gou-
vernements, teils unter Association von etlichen Partiku-
lieren betrieben.
Ein zur Aufbewahrung des Galmeisteins in 1773 aufge-
bautes Magazin-Gebäude ist noch nicht vor lang abge-
brochen worden.
4) Der schönste und beste Galmei befindet sich aber um
das Gut Crekendrisch, hier zu Lontzen, wo dieses Mineral,
wie ich vor der Concession des G. Dony selbst gesehen
habe, in abondant (= reichlich) und zwar nicht tief vor-
handen ist.
b) Steinkohlen
Im Jahre 1695 hat zufolge Anlage Nr.1 (leider ist dieses
Belegstück verloren gegangen) ein sicherer Dujardin mit der
Gemeinde Lontzen accord gemacht und vereint, daß er für
die großen angewandten Kosten zur Suchung von Steinkoh-
len am Lauterberg unter einigen Klauseln einen ziemlichen
Teil Gemeinde-Grund auf Haesberg zu Busch in Eigentum
haben soll.
Zur selben Zeit hat am Lauterberg ein Wasserkunstwerk
(= Pumpe) gestanden, welches aber durch entstandene Un-
einigkeiten unter den Associierten zernichtet worden ist.
Hiervon existieren zwar, insoviel man weiß, hier in
Lontzen keine Papiere mehr, indessen wissen dieses alte Leute
von ihren Voreltern - auch hat man noch vor etwa 25 Jahren
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verschiedene Bälken aus der Erde gegraben, worauf das
Kunstwerk befestigt gewesen ist, und bin ich davon selbst
Augenzeuge gewesen.
Auch sollen dort am Lauterberg nach den Aussagen alter
Leute dazumal grobe Kohlen ausgearbeitet worden sein.
Im Jahre 1782 hat ein Herr Mager, Geyer, Traber und
Blees aus Aachen ohnweit Lauterberg wiederum angefangen,
Steinkohlen zu suchen, allein nur oberflächlich und haben
nachdem sie 960 Reichstaler darin gesetzt hatten, nachgelassen.
Im Jahre 1784 haben einige Herren aus Eupen, nämlich
Defayage, Mostert, Theissen etc. angefangen am Lauterberg
Kohlen zu suchen, nachdem sie aber 4.971 Reichstaler dazu
verwendet hatten, wegen des überhäuften, nicht mit Haus-
pumpen zu zwingenden Wassers nachgelassen. Der Sage nach
soll aber Traiterie des Schachtmeisters daran gewesen sein.
Anno 1787 sind wiederum Kohlen von einigen Partiku-
lieren auf dem Haesberg gesucht worden, wie auch auf dem
benannten Kieselberg, allwo 40 Karren gutes Geriß ausgear-
beitet und teils verkauft, teils den Armen ausgeteilt worden
sind.
Zu bemerken, daß auch noch in früheren Zeiten Kohlen
gesucht worden sind, worüber in den Archiven des Herrn
Grafen d’Auxy noch einige Papiere vorhanden.
Die Dokumente über das in 1695 ungefähr am Lauter-
berg gewesene Kohlenwerk sind anjetzo, wie mir ein Mit-
glied der Oberbergcommission, will sagen bei dem Oberberg-
amt zu Bonn, selbst gesagt hat, daselbst in den Archiven und
wären dieselben von Lüttich her dort gekommen.
c) Eisenstein
Von alten Leuten hat man immer sagen hören, daß im
Lontzener Felde, wo es noch anjetzo Eiserenkoull heißt, vor
Jahren Eisen ausgearbeitet worden sei, wenigstens ist der
Eisenstein dort noch häufig vorhanden.
d) Blei
Daß vor Zeiten Blei in Lontzen gegraben worden ist,
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beweist die ergebenst hier beigefügte Abschrift (1) einer Sen-
tenz des Gerichtes zu Limburg vom Jahre 1602, gegen den
Probst zu Aachen als Grundherrn zu Lontzen, wodurch ihm
die Zehnten vom Blei und anderem Erz, welche er begehrte,
ab- und dem Landesherren zugesprochen worden. Diese Ab-
schrift aus dem Archiv des Grafen d’Auxy bitte ich von
Euer Hochwohlgeboren zurück. Noch jetzt findet sich
Blei um Lontzen herum, und ich selbst habe kleine Stücke
Blei im Sande gefunden.
YA
Soweit dieser Bericht über die Lontzener Erzvorkommen,
abgefaßt vom damaligen Bürgermeister P. L. Corman, welcher
auch als kommissarischer Bürgermeister von Walhorn fun-
gierte. In dieser Eigenschaft stellte er auch über Walhorner
Bodenschätze einen Bericht auf, den wir hier folgen lassen.
BE
”Über gesuchtes und gefundenes Erz in der Bürgermeisterei
von Walhorn”
In der Bürgermeisterei Walhorn gibt es, insoweit es be-
kannt ist, an drei Stellen Galmei, also :
1) Auf dem sogenannten Rabottrather Kalmeiberg nahe bei
dieser Gemeinde soll ziemlich viel Galmei mitunter Blei
ausgearbeitet worden sein.
Die Gruben etc. sind dort noch häufig zu sehen.
Ein von dem Österreichischen Gouvernement erbautes
Galmei-Magazin worüber nun der Gerber Philips als Ei-
gentümer auftritt, ohne jedoch, wie ich glaube, Titel daran
zu haben, ist vorhanden.
Schriftlich kann man es zwar nicht beweisen, wannehr
jenes Bergwerk begonnen habe, jedoch soll es der Aussage
alter Leute ungefähr anfangs des 17. Saeculums, also über
100 Jahre gewesen sein.
2) Neben der also genannten Doeheide dicht an der Grenze
zwischen Eynatten und Walhorn von der Langmäusen
halb links, allwo zwar Galmei, aber dem Ansehen nach
ist dort wenig gearbeitet worden.
3) Bei dem Hammer zu Astenet ist auch Galmei gesucht £
worden, allein wie an Nr. 2 wenig dort gearbeitet worden.
1) Auch dieses Belegstück fehlt.
20
Hügelgräber aus vorgeschichtlicher Zeit
im Göhltal
von Hans Königs
Durch weitausgedehnten Tagebau hat der in den beiden
letzten Jahrzehnten stark vorgetriebene Braunkohlenabbau
das Land um Rur und Erft völlig verändert. Vor den riesigen
Baggern herlaufend, konnten die Archeologen des Bonner
Landesmuseums dort bedeutsame Aufschlüsse über Lebensart
und Siedlungsform unserer Vorfahren gewinnen.
Demgegenüber beschränkt sich die Kenntnis der Vor- .
geschichte unserer Göhlheimat bisher auf gelegentliche Beob-
achtungen einzelner Forscher und auf summarische Unter-
suchungen Brüsseler Fachleute (1).
Bereits in grauer Vorzeit, als die sumpfigen Täler unserer
Heimat keine Besiedlung gestatteten und unsere Vorfahren
an den oberen Talhängen hausten, lassen sich menschliche
Spuren auf dem Aachener Lousberg, aber auch am Klaus-
wie am Preusberg nachweisen. In der Aachener Literatur
finden sich hierüber etliche Hinweise, so bei W. Kämmerer (2).
”Schlag- und Arbeitsplätze der mittleren Steinzeit, auf denen
viele Kleinstgeräte und Absplisse vornehmlich in tiefschwar-
zem Feuerstein zutage traten, sind bisher am Breitenstein,
aber auch auf einer Terrasse des Wurmtals bei Kohlscheid
und schließlich inmitten des Ortes Schevenhütte beobachtet
worden... Die Hügel- und Brandgräber auf den Höhen des
Preus- und Klausberges sind von den Siedlern der Bronze-
zeit übrig geblieben... Ein runder Steinhügel, in einem Fall
von einem ringwallartigen Steinwall umgeben, bildet den
Kern, ein darüber geschütteter Erdhügel die Schutzhülle die-
ser Brandgräber. Sie einem bestimmten Volkstum der Vorzeit
zuzuweisen, ist allerdings bisher noch nicht gelungen. Man
rechnet sie deshalb schlechthin zur niederreinischen Grab-
hügelkultur”.
Eines dieser Brandgräber wurde um 1925 durch den
Aachener Professor Joseph Liese freigelegt (3). ”Die Schnur-
keramiker setzten ihre Toten auf wenig fruchtbaren Höhen,
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am Rand hochragender Kuppen... unter Hügeln bei.
Älter als die Zonenbecherleute leben sie hierzulande bis tief
in die Bronzezeit (4). Wir finden sie im Aachener Walde an
zwei (Klausberg, Preusberg und dem verbindenden Gelände),
im Limburgischen an mehreren Stellen. Ihre Ausläufer
konnten an der Maas festgestellt werden. Gehen wir vom
Klausberg in nordwestlicher Richtung zur Lütticher Straße,
am Entenpfuhl vorbei, weiter den Landgraben hinauf bis zum
Moresneter Bittweg, so treffen wir hier auf der Höhe des
Preusberges ein nicht allzugroßes Ackerfeld, das rings von
Hügelgräbern umbaut ist. Darunter befindet sich eine Nekro-
pole (Totenstadt) von 28 Hügeln ; andere liegen vereinzelt
zu vier und fünf... Weiterhin sind diese Hügel auf den Höhen
an der Göhl und im Maastal selbst festgestellt”. .. Drei Länder
(Deutschland, Belgien und Holland) teilen sich also in den %
Hügelbestand, der mit 100 tumuli nicht zu gering angenom-
men ist (5).
Leider hat Professor Liese die abschließenden Ergebnisse
seiner langjährigen Forschung nicht mehr veröffentlicht. An-
fang des Jahres 1939 nahm ihm der Tod die Feder vorzeitig
aus der Hand. Seine umfangreiche Sammlung vorzeitlicher
Funde hatte die Stadt Aachen erworben. Im zweiten Weltkrieg
nach Weismes und Amel bei St. Vith ausgelagert, erlitten
die heute in der Burg Frankenberg untergebrachten Bestände
schwere Einbußen.
1) J. LIESE, ”Das Aachener Land in der Steinzeit” (Aachener Bei-
träge zur Heimatkunde VIII, Aachen 1930), S. 108.
2) W. KÄMMERER, "Geschichtliches Aachen”, 155, S. 5 f.
3) Abb. des Hügelgrabes auf dem Klausberg bei W. HERMANNS,
4000 Jahre Aachen, 1939, S. 9. Siehe auch (H.A. Crou)s, Hünen-
gräber (!) im Aachener Wald erinnern an die Bronzezeit (Aachener
Volkszeitung, Ausg. 4 vom 5. 1. 1968),
Verfasser dieser Zeilen war damals Stadtbaumeister Vogeno bei Auf-
- maß und Zeichnung der Grabanlage behilflich. Professor Liese deutete
den durch kleine Steinwälle in viele Einzelkammern aufgeteilten Ring-
wall als Weg des unter dem umschlossenen Steinhügel Bestatteten
zum Totenreich. Gegeneinander versetzte Durchlässe und die zur
Beisetzung mit Speisen und Beigaben angefüllten Kammern sollten
eine Rückkehr der Seele aus dem Totenreich ausschließen.
4) Die jüngere Steinzeit wird um 2000 v. Chr. von der Bronzezeit
abgelöst, an die sich um 1000 bis 800 v. Chr. die Eisenzeit anschließt.
5) LIESE, a. a..O. S.. 107.
23
einigen anderen Stellen im östlichen Harzvorland das so-
genannte ”Armerietum Halleri”, eine Schwermetallrasenge-
sellschaft, die u. a. die auch im Göhltal vorhandene Grasnelke
(Armeria elongata) in einer Unterart enthält.
Immer sind also ganz bestimmte geologische Gegebenhei-
ten die notwendige Voraussetzung für die Verbreitung solcher
Pflanzengesellschaften. In der Vennfußfläche sind das die
devonisch-karbonischen Grundgebirgszüge an deren Verwer-
fungen und Seitenverschiebungen Blei- und Zinkverbindun-
gen z.T. an die Erdoberfläche gelangt sind.
Es würde nun zu weit führen, wollte man hier die Ein-
zelheiten der geologischen Umstände genauer erläutern. Dazu
bediene man sich entsprechender Fachliteratur. In diesem
Zusammenhang sei auch verwiesen auf den vorzüglichen
Beitrag von M. Meerman in Heft 8 dieser Zeitschrift, in dem
sowohl die geologischen wie auch die bergbaugeschichtlichen
Gegebenheiten des Göhltalraumes ausführlicher behandelt
werden. Ferner sollte das Studium von F. Uebags in Nr. 7-14
der Göhltalzeitschrift empfohlen werden, die interessante
Rückschlüsse darüber ermöglicht, inwieweit der Mensch an
der Ausbreitung der Galmeiflora im Göhltal beteiligt gewesen
sein muß.
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Galmeitrift bei Bleyberg (Festuca ovina - Aspekt)
24
Die Hauptaufgabe des vorliegenden Beitrages ist es nun,
einmal die Eigentümlichkeiten der Galmeiflora aus vegeta-
tionskundlicher Sicht etwas näher zu betrachten. Um ein
deutliches Bild von dem zu geben, was unter dem Begriff
”Violetum calaminariae” (Galmeipflanzengesellschaft) zu ver-
stehen ist, scheint es am zweckmäßigsten, daß wir uns einem
der besten Kenner dieser Vegetationseinheit, dem Aachener
Pflanzensoziologen, Professor Dr. M. Schwickerath anschließen.
Er hat aufgrund zahlreicher Untersuchungen eine Artenliste
des ”Violetum calaminariae” zusammengestellt, die nachfol-
gend wiedergegeben werden soll.
Die durchnumerierte Artenliste lautet : .
Violetum calaminariae
Zinkpflanzengesellschaft / Schwickerath
C. 1. Viola lutea V Galmeiveilchen
var. calaminaria
2. Armeria elongata V Grasnelke
3. Alsine verna V Frühlingsmiere
4. Thlaspi alpestre V Galmeitäschel
var. calaminare
5. Silene inflata var. V Aufgeblasener Taubenkropf
6. Festuca ovina, euovina V Bläulicher
var. subglaucescens Schafschwingel
B. 7. Polygala vulgaris V Gemeine Kreuzblume
8. Campanula rotundifolia V Rundblättrige Glockenblume
9. Rumex acetosa V Sauerampfer
10. Thymus serpyllum V Quendelblättriger Thymian
11. Plantago lanceolata IV Spitzwegerich
12. Ranunculus acer IV Scharfer Hahnenfuß
13. Pimpinella saxifraga IV Kleine Bibernell
14. Potentilla erecta V Blutwurz
15. Euphrasia stricta et IV Steifer und
Rostkoviana Wiesenaugentrost
16. Galium silvestre IV Heidelabkraut
17. Cladonia rangiferina V Renntierflechte
18. Cladonia pyxidata V Becherflechte
19. Weisia viridula IV Zartgrünes Perlmoos
20. Climacium dendroides IV Bäumchenartiges Leitermoos
25
b21. Lotus corniculatus IV Hornklee
22. Trifolium repens III Kriechklee
23. Trifolium pratense III Wiesenklee
24. Hieracium umbellatum II Doldiges Habichtskraut
25. Leontodon hastilis I Steifhaariger Löwenzahn
26. Cerastium triviale III Gemeines Hornkraut
27. Carex hirta III Behaarte Segge
28. Peltigera canina III Hundsflechte
29. Hypnum Schreberi III Schrebers Schlafmoos
30. Bryum caespiticum I Rasen-Birnmoos
31. Eurhynchium praelongum I Langgestrecktes
Schönschnabelmoos
dKoel 32. Achillea millefolium I Tausendblättrige Schafgarbe
33. Koeleria gracillis I Zierliche Kölerie
34. Linum catharticum I Purgier-Lein
35. Knautia arvensis II Ackerknautie
36. Scabiosa columbaria I Taubenskabiose
dCall 37. Agrostis vulgaris IV Gemeines Straußgras
38. Luzula campestris IT Vielblütige Simse
ssp. multiflora
39. Molinia coerulia II Himmelblaues Pfeifengras
40. Calluna vulgaris II Gemeine Heide
41. Genista tinctora I Färberginster
42. Deschampsia flexuosa I Drahtschmiele
43. Ceratodon purpureus I Purpurrotes Hornzahnmoos
Bei den nachfolgenden Betrachtungen sollte man immer
wieder auf diese Artenliste zurückgreifen. Zu ihrem besseren
Verständnis ist es unerläßlich, anschließend noch einige pflan-
zensoziologischen Grundbegriffe etwas näher zu erläutern.
Wie man aus der Liste ersieht, ist sie aufgeteilt in die :
Charakterarten der Gesellschaft = C (Ziffer 1- 6)
steten Begleiter = B (Ziffer 7-20)
unsteten Begleiter = b (Ziffer 21-31)
Differentialarten der nährstoffreichen Variante
= d-Koel (Ziffer 32-36)
Differentialarten der nährstoffarmen Variante
= d-Call (Ziffer 37-43)
Den deutschen Pflanzennamen sind vorgestellt die römi-
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Die rosablühende Grasnelke (Armeria elongata)
zweite Charakterart der Gesellschaft
”steten Begleiter” sowie noch eine gewisse Anzahl der ”unste-
ten Begleiter”. Es 1äßt sich demnach recht eindrucksvoll nach-
weisen, daß gerade in Kelmis - Neu-Moresnet das ”Violetum
calaminariae” seine vollständigste und typischste Ausprägung
im gesamten Göhltalraum erhalten hat. In welcher Weise
sich die übrigen Galmeitriften des Göhltales von der Trift |
bei Kelmis unterscheiden, soll an späterer Stelle gezeigt wer- /
den. Was die Halden im Bereich der ehemaligen Wäsche |
anbelangt, so sollte jedoch schon jetzt darauf hingewiesen |
werden, daß auf Grund der besonderen Geländemorphologie |
gerade hier Verhältnisse gegeben sind, die die Verwandt- |
schaft der Galmeitrift mit alpinen Pflanzengesellschaften |
recht deutlich veranschaulichen (siehe Anmerkung). |
Für den an dieser spezifischen Besonderheit des Göhltales |
interessierten Naturfreund mag es nun eine besonders reiz-
28
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Die alpine Frühlingsmiere (Alsine verna)
typische Pionierpflanze auf der Galmeitrift
volle Aufgabe sein, unter Zuhilfenahme von Bestimmungs-
büchern und der oben wiedergegebenen Artenliste selbst
einmal die Galmeiflora an Ort und Stelle genauer zu beobach-
ten und zu untersuchen. Die Beobachtungen lassen sich bis
in den späten Herbst hinein durchführen, da etliche Arten
mitunter im November noch blühen und somit für den Laien
leicht zu erkennen sind.
In der Fortsetzung dieses Beitrages in einem späteren
Heft soll genauer eingegangen werden auf besondere Aus-
bildungsformen des ”’Violetum calaminariae”, auf Abweichun-
gen vom ”Typikum” der Gesellschaft und die verschiedenen
Standorte im gesamten Göhltalbereich.
(Fortsetzung folgt)
Anmerkung :
Leider wurde im April 1974 der zur Göhl gelegene Teil der
Trift, welcher in sehr reichem Maße die charakteristische Begleitflora
der Galmeipflanzengesellschaft zeigte, durch die Anlage einer Wegstraße
unwiederbringlich vernichtet. Dieser Umstand sollte Anlaß sein, auch
an dieser Stelle den Schutz der Galmeiflora mit allem Nachdruck zu
fordern.
29
NACHTRAG :
Nachdem der Text zu dem vorstehend wiedergegebenen
Beitrag bereits fertiggestellt war, mußte mit Erschütterung
festgestellt werden, daß man im Juni 1974 (offenbar auf Veran-
lassung der Gemeindeverwaltung Neu-Moresnet) damit be-
gonnen hat, den Gesamtbestand der Galmeitrift auf den Hal-
den an der Lütticher Straße mit Planierraupen zu beseitigen.
Dies ist um so bedauerlicher, als gerade von der Göhltalver-
einigung in den letzten Jahren viel Mühe auf die Erhaltung
der Galmeiflora verwendet worden war.
Zahlreiche Göhltalfreunde und Kenner der Galmeiflora
im In- und Ausland werden die Vernichtung dieser ausge-
zeichneten Galmeitrift als unersätzlichen und daher besonders |
schmerzlichen kulturellen Verlust empfinden.
Literatur : |
Ernst Wilfried: ”Ökologisch-Soziologische Untersuchungen der Schwer- |
metall-Pflanzengesellschaften Mitteleuropas unter Einschluß der
Alpen”. Abh. Landesmuseum für Naturkunde, Münster i.W. |
1965.
Meerman M.: ”Eine besondere Flora im Göhltal”, Zeitschrift im
Göhltal, Nr 8, 1970.
Pool Dr, D. J. W.: ”De zinkflora van het Geuldal”. Wetenschappelijke
mededelingen van de Koninklijke Nederlandse Natuurhisto-
rische Vereniging, Nr 76, Aug. 1968,
Schwickerath, Prof. Dr. Dr. M.: ”Das Hohe Venn und seine Randge-
biete”. Pflanzensoziologie, Bd. 6, Jena 1944, S. 170-178 ff.
Schwickerath, Prof. Dr. Dr. M.: ”Hohes Venn - Nordeifel / Ganzheit-
liches Erfassen und Erleben der Landschaft”.
Recklinghausen 1966.
30
Zur Bezeichnung «am Bildchen»
von Hans Königs
VORBEMERKUNG :
Die Eröffnung der Zweigstelle Preuswald durch die
Stadtsparkasse Aachen gab Anlaß zur Herausgabe einer klei-
nen Studie ”Vom Jakobstor zum Bildchen. Aus der Geschichte
einer Landstraße”.
In selbstloser Art stellte die Stadtsparkasse Aachen dem
Verein Göhltal eine entsprechende Anzahl der Studie für
seine Mitglieder zur Verfügung. .
In den seither verflossenen Monaten stieß der Verfasser
Hans Königs auf weiteres geschichtliches Material. So bietet
sich die Gelegenheit, im vorliegenden Heft 15 unserer Zeit-
schrift eine Zusammenfassung der neuerlichen Forschungs-
ergebnisse zu veröffentlichen.
Bei diesem Anlaß weist der Verfasser auf einige Druck-
fehler in seiner Studie hin und bittet diese wie folgt zu
berichtigen :
Vom Jakobstor zum Bildchen,
Seite 3, Zeile 5, anstatt Titelseite lies : Rückseite ;
Seite 7, Zeile 5 von unten, anstatt zu lies: zur ;
Seite 8, Zeile 18, anstatt Stein, lies: Steinweg ;
Seite 15, Zeile 2 von unten, lies : ließ ;
Seite 17, Zeile 12 von unten, anstatt Peltzerturm, lies :
Pelzerturm ;
Seite 25, Zeile 9, anstatt 1886 lies: 1866 ;
Seite 30, Zeile 15, anstatt entbeht lies : entbehrt ;
Seite 30, Zeile 3 von unten, anstatt 1885 lies: 1881 ;
Seite 32, Zeile 6, anstatt rhytmisch lies : rhythmisch.
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Neben dem ”Köpfchen” ist auch der Aachener Grenz-
übergang ”am Bildchen” weit über den engeren Grenzbe-
reich bekannt. Gab ihm vor mehr als fünfhundert Jahren
ein der Gottesmutter geweihter Bildstock den Namen, so
lassen sich im weiteren Umkreis noch mehrere ”Marien-
bildchen” nachweisen.
31
Am oberen Ende der volksreichen Aachener Rosstraße
lud seit dem frühen 18. Jahrhundert ein Heiligenhäuschen
zu kurzem Gebet. Um 1758 erbaute der Pfarrer von St. Jakob
an seiner Stelle eine kleine Betkapelle (1). Mit der dahinter-
gelegenen anspruchslosen Häusergruppe überstand das ba-
rocke Bauwerk die Brandnächte des zweiten Weltkrieges. In
alten Urkunden (2) wie auch im Volksmund wird das allen
Aachenern ans Herz gewachsene Roskapellchen auch ”Marien-
bildchen” genannt. Seine volkstümlichen Feste zur Jakobs-
kirmes sind weit über Aachen hinaus bekannt.
Etwa zwanzig Jahre später errichteten unweit der heu-
tigen deutsch-niederländischen Grenze im Jahre 1779 Kaspar
Joseph Freiherr von Fürth und seine Ehefrau Bernhardine
von Pelser-Berensberg als Schloßherren von Lemiers an der
nach Orsbach steil ansteigenden Straße einen übermannshohen
Bildstock, dessen reich aus dem Blaustein herausgearbeitete
Schauseite in Bild und Schrift die Helferin der Christen
verherrlicht (3). Im Schutze alter Linden steht das Lemierser
”Marienbildchen” seit jeher in hoher Verehrung (4).
Ein kurz vor Roetgen bei Münsterbildchen gelegenes
Landgut nennt sich ”Mariabildchen” (5).
Auch das um 1870 erbaute Aachener Eckhaus Römer-
straße 25 ziert eine Madonnennische mit der Inschrift ”Zum
Marienbildchen”.
Um die Mitte des 19. Jahrhunderts verzeichnen Stadtplan
und Adreßbücher das ”am Bildchen” gelegene Wohnhaus des
Rentners Dullye an der Vaalser Straße (6) gegenüber dem
Venskyhäuschen, dessen Name auf die dort gebietende ver-
witwete Schankwirtin Eva Vensky zurückgeht.
Nahe dem belgischen Bahnhof Montzen findet sich die
Flurbezeichnung ”Bildgen”, an sie erinnert der heutige
”Bilgenweg”.
Im Gegensatz zu den der Gottesmutter geweihten Marien-
bildchen bleibt es ungewiß, welcher Schutzheiligen der fromme
Sinn unserer Altvordern bei den beiden letztgenannten
Andachtsstätten gedacht hat.
32
1) K. FAYMONVILLE, ”Die Kunstdenkmäler der Stadt Aachen”.
Bd. II, ”Die Kirchen mit Ausnahme des Münsters”, Düsseldorf,
1922,” S125° ££.
2) Stadtarchiv Aachen, Real. Prot. 1787, 6. Dez., Seite 573, ”auf der
Rooß hinter dem Marienbildchen gelegene drey Häuser”.
3) H. JONGEN, ”Bijdrage tot de Kerkgeschiedenis van Lemiers”,
Maastricht 1930, S. 78 bis 80,
4) A. WELTERS, ”Het Limburgische Veldkruis”, "Publications de la
societe historique et arch&ologique dans le Limbourg”, Bd. 65,
Maastricht 1929, S. 311.
5) FÜRTH H.A., Frhr. von, "Beiträge und Material zur Geschichte
der Aachener Patrizier-Familien”, Bd. II, Bonn 1882, III. Abt., S. 78.
6) Plan der Stadt Aachen nebst Burtscheid, herausgegeben von F. v.
Rappard, 1860. — Im Sommer 1866 steht das ”vor dem Vaelser- %
thore am Bildchen” gelegene Wohnhaus zur Versteigerung (Anzeige
im ”Echo der Gegenwart”, Nr. 111/1866).
33
Wald im Januar
von M.-Th. Weinert
Aus weiten Himmeln, das gelbe Licht
gießt Glanz um das Birkengeäst,
erglüht in den Buchen als kupfernes Rot,
sind ihre Blätter auch lange tot-
das goldene Licht, im erstarrten Wald,
feiert ein Fest, und es leuchtet kalt.
Aber die sanfte Hirschkuh äst,
-ob der Häher auch warnend schreit-
in ihrem lederfarbenen Kleid,
braun, wie das trockene Eichenblatt,
das der Winter bewahret hat.
Die hellen Gräser schimmern fahl,
verzaubert in dieser Zeit,-
der Sonne ockerfarbener Strahl
streut Gold und funkelndes Geleucht
in tannengrüne Dunkelheit,
die Kirchenfenstern gleicht.
34
Episoden aus der Franzosenherrschaft
in Aachen und Umgebung
von Alfred Bertha und Walter Meven
Das Thema ist weder neu noch unbearbeitet. Neben der
Primärliteratur (Chroniken, Annalen, Zeitungsberichte, Kor-
respondenz u. dgl.) besteht eine umfangreiche und von Jahr
zu Jahr noch anwachsende Sekundärliteratur. Nun ist es im
allgemeinen so, daß in den einzelnen Arbeiten zum Fragen-
komplex ”Franzosenzeit” der eine oder der andere Punkt her-
ausgegriffen und eingehend bearbeitet wird. So der militäri-
sche Aufmarsch (Karl Nathan), der Assignatenumlauf, der .
Tempel der Vernunft (E. Pauls), die Ereignisse des 2. März
1793 (A. Pauls), die Militärspitäler (Schmitz-Cliever) usw.
Es ist nun nicht unsere Absicht, eine Gesamtdarstellung
jener Zeiten zu geben, da auch das schon mehrfach unter-
nommen worden ist (z.B. Alois Niessner: Zwanzig Jahre
Franzosenherrschaft in Aachen, 1794-1814). Da unser Leser-
kreis jedoch zum großen Teil im Raume westlich Aachen und
doch in unmittelbarer Nähe der alten Reichsstadt angesiedelt
ist, denken wir mit dem hier Gesagten, das für die meisten
Aachener wohl nichts Neues sein dürfte, auf einiges Interesse
zu stoßen, vor allem auch, weil die Franzosenzeit nicht nur
in der Geschichte Aachens, sondern ganz allgemein als eine
umwandelnde Zäsur betrachtet werden muß und von den
Geschehnissen im Aachener Gebiet auf die Geschehnisse im
Nachbarraum geschlossen werden kann.
Von den benutzten Hilfsmitteln ist nur die Franziskaner-
chronik bisher keinem größeren Leserkreis zugänglich ge-
macht worden. Den Hinweis auf diese lange als verschollen ge-
goltene Chronik verdanken wir dem Stadtarchivdirektor Dr.
H. Lepper. Ihm und seinen Mitarbeiterinnen, Frl. Janssen und
Frl. Klee, möchten wir an dieser Stelle für ihre Hilfe und ihr
Entgegenkommen unseren Dank aussprechen.
MONA OO
”Von hier und heute geht eine neue Epoche der Welt-
geschichte aus und Ihr könnt sagen, Ihr seid dabei gewesen”
Kein Geringerer als Goethe tat diesen Ausspruch, und
35
zwar am Abend des 20. September 1792, nach der denkwür-
digen ”Kanonade von Valmy”, jenem kleinen Ort nordöstlich
von Chälons-sur-Marne, wo die vereinigten Heere Österreichs
und Preußens von 4en französischen Revolutionstruppen ge-
schlagen wurden.
Doch greifen wir nicht vor und versuchen wir, die all-
gemeine Lage kurz zu skizzieren. |
Im Grunde genommen hatte die ”neue Epoche der Welt-
geschichte” schen 1789 mit dem Ausbruch der französischen
Revolution, dem Umsturz der alten ständischen Gesellschafts-
ordnung und der Verbreitung der Ideen von ”Freiheit, Gleich-
heit und Brüderlichkeit” begonnen. Doch hatte man dem
Sturm auf die Bastille und den darauf folgenden Ereignissen
nicht überall die gebührende Bedeutung beigemessen, so z. B.
in Aachen. Dort ”beschäftigten sich die Bürger mit lokalen
Streitigkeiten. Von dem, was in Paris vorging, scheinen sie
so gut wie keine Notiz genommen zu haben”, schreibt Karl
Teppe (1). Erst die Ankunft zahlreicher französischen Emi-
granten, unter ihnen war auch der Graf von Artois, ein
Bruder König Ludwigs XVI., ließ die Aachener aufmerken.
Doch das Aachener Klima war eher revolutionsfeindlich. (2).
Die französische Verfassung von 1791 sagte ausdrücklich, |
die Nation verzichte auf Eroberungskriege. Als es sich jedoch
herausstellte, daß der nach einem gescheiterten Fluchtversuch
nach Paris zurückgebrachte Ludwig XVI. mit den europäi-
schen Königshöfen Kontakt aufgenommen und an deren Solida-
rität appelliert hatte, um ein militärisches Eingreifen zu pro-
vozieren, und Österreich und Preußen ihrerseits konkrete
Anstalten machten, Ludwig wieder in seine alten Rechte ein-
zusetzen und das revolutionäre Feuer in Frankreich, das sehr
leicht auf andere Länder hätte überspringen können, im
Keime zu ersticken, war ein militärischer Konflikt zwischen
den europäischen Mächten (Österreich und Preußen) und den
französischen Revolutionstruppen unvermeidlich geworden.
Schon lange träumte man in Frankreich von ”natürlichen
Landesgrenzen”, und als ”natürliche Ostgrenze” sah man
den Rhein an. Nunmehr schien der Augenblick gekommen,
das Territorium bis an den Rhein abzurunden und den alten
36
Traum Wirklichkeit werden zu lassen. Neben diesen Gedan-
ken der Abrundung des Staatsgebietes trat das Bewußtsein,
mit der Verbreitung der revolutionären Ideen eine missiona-
rische Sendung zu erfüllen, die Überzeugung, die benach-
barten Völker von Knechtschaft und Tyrannei zu befreien.
Die in Lothringen eindringenden Heere Preußens und
Österreichs, in deren Reihen sich auch eine Anzahl franzö-
sischer Emigranten befand, nahmen nacheinander Longwy
und Verdun und rückten dann durch die Argonnen, die ”Ther-
mopylen” Frankreichs, in die Champagne vor. Ihr Ziel : Paris.
Die französischen Truppen unter dem Oberbefehl des Gene- A
rals Dumouriez zogen sich auf Valmy zurück, wo sie sich
zur Schlacht stellten und wo am 20.9.1792 die eingangs er-
wähnte Kanonade stattfand. Nach 9-stündigem heftigen Ar-
tilleriefeuer war die Schlacht zugunsten der Franzosen ent-
schieden. Preußen und Österreicher mußten sich zurückziehen.
Mit revolutionärem Elan drangen nun die Revolutionstrup-
pen unter General Custine ins Deutsche Reich ein und be-
setzten nacheinander Speyer, Worms und Mainz. Eine zweite
französische Armee unter General Dumouriez stieß gegen die
österreichischen Niederlande vor.
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Die Kanonade von Valmy (v. Mauzaisse)
Von einer Kugel getroffen stürzt General Kellermanns Pferd zu Boden
Bei Jemappes (Mons) kam es am 6. November 1792 zu
einer folgenschweren Schlacht zwischen dem 28.000 Mann
starken kaiserlichen Heere unter dem Befehl des Herzogs
37
von Sachsen-Teschen, dem die Verteidigung der österreichi-
schen Niederlande aufgetragen war, und den 40.000 Mann star-
ken Revolutionstruppen unter Dumouriez. Nach schwerem
Gefecht (Jemappes wurde mit blanker Waffe eingenommen)
mußten die Österreicher das Feld räumen. Von den nach-
setzenden Franzosen verfolgt, zogen sie sich über Brüssel
nach Löwen zurück, wo der Feldzeugmeister Graf Clerfayt
den Oberbefehl übernahm. Die längs der Maas vorrückenden
Franzosen zwangen Clerfayt, seine Truppen auf das rechte
Maasufer zurückzunehmen (27. 11.1792). Dieses zu halten
versuchte der österreichische Befehlshaber jedoch nicht, weil
seine Truppen durch den unglücklichen bisherigen Verlauf des
Feldzuges physisch und moralisch geschwächt waren (3).
Ehe wir uns nun der Ankunft erst der Österreicher, dann
der Franzosen in Aachen zuwenden, ist es wohl nicht unin-
teressant, etwas weiter auszuholen und die allgemeinen Zu-
stände in der Reichsstadt gegen Ende des 18. Jhs zu skizzie-
ren. W. Brüning hat dies eingehend dargelegt. Demnach war
die wirtschaftliche Lage in Aachen noch weniger erfreulich
als in den übrigen Reichsstädten. Seit eh und je war Aachen
eine Hauptstation für durchziehende Heere gewesen. Vor
allem der Siebenjährige Krieg (1756-63) hatte Handel und
Industrie schwere Wunden geschlagen. Ein Reisender jener
Tage weiß zu berichten, daß man in Aachen sogar am hellich-
ten Tage von Bettlern und Dirnen verfolgt wurde. Und Joh.
Friedrich Jacobi schrieb 1790 : ”...niemand, der unsre Stadt
kennt, wird in Abrede seyn, daß dieselbe mit Bettlern über-
setzt ist...” (4).
Die Stadtfinanzen waren zerrüttet, der allgemeine Nie-
dergang der Wirtschaft offenbar. Die Bürgerschaft war poli-
tisch gesehen eine ”quantite negligeable” und einige ehr-
geizige Männer wußten sich durch Stimmenkauf (”Mäkelei”)
die Führung der Stadt zu sichern (5).
”In diesen Unrath unhaltbarer Zustände”, so schreibt
Brüning wörtlich, ”die selbst über kurz oder lang zur Ka-
tastrophe hätten führen müssen, fegte die Sturmflut der fran-
zösischen Revolution hinein und räumte ihn hinweg. Sie
brachte herrliche Güter: dem Gewerbe die Befreiung von
einem unsinnig gewordenen Zunftwesen, das die große Masse
38
zur wirtschaftlichen Unselbständigkeit verurteilte, den froh-
nenden Bauern die Freiheit des Grundbesitzes und dem ei-
gentlich rechtlosen Volke das köstliche Gut der bürgerlichen
Gleichheit” (6). Ein beredtes Zeugnis für das Verhältnis
zwischen Bürger und Obrigkeit stellt z.B. folgende Anrede
aus einem an den Rat gerichteten Brief dar: ”Hoch-
wohl- und wohlgeborene, Hoch- und wohledele, Hoch- und
wohlgelehrte, Vornehme, Vorsichtige, Gestrenge und Ehren-
hafte Herrn Bürgermeister, Scheffen, und Rath, Hochgebie-
tende Herren !”
Dennoch hat die Bevölkerung Aachens im allgemeinen
nicht für die Franzosen und die neuen Ideen geschwärmt. “
Schon Friedrich dem Großen war 1742 bei einem Aufenthalt
in Aachen aufgefallen, daß hier eine ausgesprochen frank-
reichfeindliche Stimmung herrschte. Er schrieb an den Grafen
Podewils : ”Vous ne sauriez vous imaginer a quel point tout
le voisinage d’ici est anime contre la France...” (7).
Kommen wir zum Kriegsgeschehen zurück. Welche Stim-
mung herrschte in jenen Novembertagen des Jahres 1792 in
der Reichsstadt Aachen? Die Briefe Friedrich Jacobis an
Christian Wilhelm von Dohm geben uns hierauf Antwort (8).
Unter dem 12.11.1792 schreibt Jacobi: ”Es wird mit jeder
Stunde unruhiger. Es häufen sich die Nachrichten, und man
behält kaum Zeit sich zu besinnen...
Wahrscheinlich wird Österreich wohl auch nun den Frie-
den suchen, und Preußen damit sehr gedient sein. Wenn nur
noch Frieden zu erhalten steht und nicht alles einer Auf-
lösung sich naht !
Der Sicherheit wegen melde ich inzwischen, daß der
Kurfürst von der Pfalz für seine Jülich- und Bergischen Lan-
de, wie auch für Aachen, um Schonung bei den Franzosen
angehalten hat. Fion, der Rasende, droht mehr denn je,
und in Lüttich soll es sein wie am Vorabend einer großen
Explosion, Stille vor dem Sturm...” (9).
Am 23. 11. 1792 berichtet Jacobi : ”Politica weiß ich keine
zuverlässige zu melden, als daß allen Geschwätzes ohnerachtet
bisher kein Anschreiben hier an die Stadt gekommen, um
Truppen und Lazarette vom Kaiser aufzunehmen. Es hieß
39
schon, das Lazarett käme in das Jesuitenkollegium und die
Listen wären bereits gedruckt, wieviel Soldaten bei jedem
Bürger eingelegt werden sollten. Ich denke aber immer mehr,
daß man die Bürger mit Einquartierungen mollestieren wird,
ehe die Klöster voll sind. Vor wenig Wochen dachten wir,
die Franzosen jeden Tag hier zu sehen, und nun müssen
wir Kaiserliche Winterquartiere besorgen. Großer Gott, wel-
che Zeiten !” (10)
Am 27.11. 1792 hatten die Österreicher die Maas passiert.
Am folgenden Tag schon bekam Aachen die ersten Einquar-
tierungen österreichischer Truppenteile. Wie die ”Aachener
Annalen” für 1792 berichten, zog auch der Bischof von Lüttich
an jenem Tage durch Aachen und man hörte Kanonendonner,
”so daß wir Ursache gnug haben, hier Angst und Bange
zu seyn” (11).
Der unbekannte Schreiber der Aachener Franziskaner-
chronik notiert: ”Den 28. Nov. seynd die 1lte Keyserliche
Truppen wurtzburger mit der Kries-Kasse angekommen. 70
mann, 3 officier, 1 Haubtman, 1 leutenant, 1 fenderich wur-
den im Kloster einquatiert, sie blieben bis den 30ten, essen
und trinken wurde ihnen vom Kloster gereicht, die officier
speisten mit uns in die Schuhl” (12).
Nunmehr folgten die Einquartierungen in schnellem
Rhythmus. ”Den 1. Dez. kamen 25 Keyserliche ins Kloster,
welche die Recruten nach Ruhre-mund transportirt hatten,
und gingen des anderen Tags fort nach Lüttig.
Den 7. Dezember kamen 29 Keyserliche Krancke, welche
mit gewalt das quatir innahmen, die Krancke wurden in die
Schuhl gelegt, ein blessirter ritt meister in commisariat mit
seine Frau, die auffwart in den neben Zimmeren, die feld-
scherer in die gastkammer.
am nemliche Tag kamen 225 man miniers und nahmen
sommer refectorio in, die musten den gantzen Tag mit bey
Hülff all bauren an 3 Öörther vor die Stadt batterien aff-
werfen, nemblich an der ächer wald, an die ächer galgen (13),
und an dem Laussberg.
Diese miniers seynd am 4ten von uns zu den Dominica-
ner verlegt worden. am 4 ten dieses haben wir das Hospital
bekommen, und weilen in dem selbigen eine schlechte auff-
wartung war, so hat es in unserem Kloster einen solchen
40
gestanck verursacht, daß man sich nicht hat erhalten können,
weswegen viele Patres das Kloster verlassen haben, ja wenn
es noch länger geblieben wäre, so hätte es ein anstäckende
Kranckheit verursacht. 2 von uns haben es schon bis am Todt
wiedergeholt (14). 10 Täch haben (wir) das Hospital hier ge-
habt, 7 seynd gestorben wo von sie 2 liegen liesen, unser P.
guardian hat sie begraben lassen. Von uns wurden nach
Köllen transportirt und die schwächhäste ins Jesuiter col-
legium.
Den 12. und 13. Dez. nach dem die Keyserliche von 4ten
Halt bekommen und wegen der Vielheit mit Pferd und man
unter dem freyen Himmel lageren musten, so ware also der Öl
förmliche rückzug nach Julich, Duren und Linnich. am 15
dieses zoge das freykor Michalowitz durch achen, der comme-
dant ließe ansagen, das alle Häuser und Kirchen solten ver-
schlossen werden, und auff alle äcken der Straßen waren
Husaren bestelt, welch alle unfug abhalten musten.
nach dem nun die Keyserliche die ruhr passirt, haben
sie all brucken abgelegt, und seynd bis 1ten merz über die
ruhr stehen bleieben und haben diesen posten behaubt, die
Francosen wolten alle Tag auff Kölln vordringen, konten aber
nicht über die ruhr kommen, den 17. Dez. seynd morgens
10 uhren Französische Husaren ankommen. sie begaben sich
nach dem rath hauß, und fragten, ob auch noch Keyserliche
in Aachen wären, den 18 um 3 uhren nachmittags ist die
avantgarde von den franzosen in aachen ingezogen. Diese
war sehr starck, 1500 mann blieben in Aachen, die übrige
rückten im julicher Land vor, in unserem Kloster wurcen
120 inquatiert. item 226 mann.
den 19. Dez. haben franzosen mit bey Hülff eines ver-
wegenen Goldschmids sohn aus aachen mit nahmen Docenberg
secretarius der Klubisten, das alte Denckmahl, da die calvi-
ner aus Aachen seynd verband worden (15) zerstöhrt, und
herutter gerissen. Dieses ware ein Stein worauff die justitz
der calviner ausgehauen, und auff diese Platz wurde der
freyheits baum auffgerichtet. über diese That ist die gantz
Stadt gegen die franzosen auffgebracht worden, das gemeine
volck finge an zu murren und sagten jetz müssen wir cal-
41
vinisch werden.
den 31. Dez. machten die franzosen ihre sach bey der
bürgerschafft noch viel ärger, in dem sie um 17 uhren alle
Kirchen und Klöster ließen verschließen und mit 12 mann
wacht besetzen, niemand dorffte in noch ausgehen. da dieses
die bürgerschafft wahr genohmen, das alls auff eine Stund
geschehen, da finge das beweinen an, es wäre sicher ein
auffruhr entstanden, wenn nicht der bürgermeister mit noch
viele vornehme bürger zum general Dampier gangen wären,
und ihm die gefahr vorgestelt hätten.
gegen 9 uhren abens wurde angesagt am morgen Tag den
1. jannuarii, den gottes dient wie gewöhnlich zu halten man
dorfte ausgehen, doch muste man zugeben visitirt zu werden.
Die Wacht bliebe also am Kloster bis den 21. jannuarii,
den 4 jannuarii kamen comisaer, versiegelten die Bibliothek
schreiben alles auff die waschkamer und sacristey befindliche
Sachen auff, diese comisaer hatten burger als zeugen bey sich,
die Obrigkeit muste mit einem eyd beschweren, das nicht
mehr vorhanden wäre, was er angegeben”.
Über einige der hier geschilderten Vorgänge berichten
auch andere zeitgenössische Quellen und vor allem der schon
erwähnte Friedrich Jacobi. Er schreibt unter dem Datum des
4.12.1792 an Christian Wilh. von Dohm :
”Es scheint nun gewiß zu sein, daß die Kaiserlichen es
noch immer versuchen wollen, den Franzosen das weitere
Vordringen zu verwehnen. Im Aachener Busch, auf dem
Lausberg nach der Maastrichter Seite zu und auf dem quer
gegenüberliegenden Galgenfelde haben die Österreicher mit
Hilfe der aufgebotenen Bauern, mehrere Hundert an der Zahl,
den ganzen Tag an Batterien und Verschanzungen gearbeitet,
und der Anfang auf letzteren wurde damit gemacht, den
Galgen niederzureißen und ein Feuer davon zu machen. Das
Durchziehen von Bagage usw. hat seit vorgestern ganz auf-
gehört, und es heißt nun im Gegenteil, alles solle wieder
zurück nach Herve.
Kanonieren haben wir seit gestern nicht mehr gehört.
Hier ist alles ganz stille und ruhig” (16).
Die unsinnigsten Gerüchte schwirrten durch die Stadt.
So sollte Clerfayt die Maas viele Stunden weit besetzt halten
und 10.000 Mann preußischer Truppen wären auf dem An-
42
marsch, um dem bei Herve lagernden Beaulieu zu Hilfe zu
kommen. ”Der Kuckuck begreife alles !” ruft Jacobi aus (17).
Am 6. und 8.12. weiß er zu berichten, daß an den For-
tifikationen vor der Stadt fleißig weiter gearbeitet werde.
Am 10.12.1792 lesen wir: ”Man versichert mir, die
Franzosen näherten sich uns immer mehr, und Kaiserliche
Offiziere behaupten, das Korps könne sich wegen totalem
Mangel an allem, sogar an Kanonen und Munition, nicht hier
halten, und der Hunger allein würde sie wegtreiben. Heu,
Stroh und Hafer fehlen schon gewaltig. Inzwischen sind hier
bereits mehrere französische Gefangene eingebracht worden, 5
und bis heute sind zwei Bataillons nach den Retranchements
am Aachener Busch ausgerückt, wohin morgen auch die nöti-
gen Artilleristen aufbrechen sollen. Auch der Lausberg ist nun
wirklich mit Kanonen besetzt” (18).
Am 11.12. hielten Clairfayt und die anderen Generale
Kriegsrat in Aachen. Von einem zuverlässigen Dalener (aus
Dolhain) Einwohner erfuhr Jacobi, daß weder dort noch in
Limburg Kaiserliche oder Franzosen anzutreffen waren, wohl
aber in der Umgebung, weiter, daß die Verschanzung im
Aachener Busch ganz unbedeutend war und man dort ins-
gesamt nur über 7 kleine Kanonen verfügte. Auf dem Galgen-
berge standen gar nur 2. Von den Franzosen hieß es, sie
kampierten hinter Lüttich. Anschließend schrieb Jacobi :
”Am Sonnabend waren einige Franzosen in Verviers und wur-
den vom Volke mit Jauchzen empfangen. Allein eine Kompa-
gnie Kaiserlicher wurde schnell aus der Nähe herbeigerufen,
worauf sich die Frankreicher fortmachten und die Kaiser-
lichen den jauchzenden Pöbel derbe ausprügelten...” (19).
Jacobi an Dohm, 12.12.1792 : ”Welche Veränderung seit
gestern, verehrter Freund ! Der Posten bei Herve ist gestern
gegen Abend von den Franzosen überwältigt worden, dieser
Ort, Verviers, Petit-Rechain bis Henri-Chapelle ist alles von
den Franzosen besetzt. Die Kaiserlichen Truppen ziehen in
aller Eile hier in die Stadt, und der Befehl zum Aufbruch
ist schon gegeben... Was es mit den bewußten Verschanzun-
gen geben wird, weiß ich nicht. Die gestrige Aktion soll sehr
lebhaft gewesen und von beiden Seiten eine ansehnliche Men-
43
ge geblieben sein. Viele Verwundete werden noch beständig
hier eingebracht, auch Gefangene etc.
Die Kaiserlichen haben ein Bataillon Quarre geschlossen,
welches aber der furchtbaren Artillerie der Frankreicher nicht
standhalten konnte. Einige sagen, Fion hätte in Verviers die
Simonischen Häuser plündern lassen und auch Herve sei rein
ausgeplündert worden. Andere widersprechen diesen Nach-
richten, und Biolley, ein Schwiegersohn von Simonis, war
heute Nachmittag noch bei mir und wußte, daß bis gestern
Abend in Verviers alles in Ordnung gegangen sei...”
Am 13.12.1792 lesen wir: ”Nun können wir also die
Frankreicher jeden Augenblick erwarten !. Das ganze Cler-
fayt’sche Korps, das Raubgesindel, die Scharfschützen, Jäger
und Freikorps sind heute durchpassiert, nachdem auf Magis-
tratsverordnung alle Buden und Türen verschlossen sind. Nur
ein kleines Detachement mit drei Kanonen soll am Aachener
Busch liegen, um Alarmschüsse zu tun, im Falle, daß die
Franzosen den Österreichern hätten nachsetzen wollen...
Soeben heißt es, das Volk hier würde in der Nacht Exzesse
begehen. Ich glaube es aber nicht.
Das Michailowitzische Freikorps hat das ganze Limbur-
ger Land außer Eupen geplündert, und noch ist es hier nicht
passiert. Man sagt, es schlüge sich noch beständig mit den
Franzosen auf der Chaussee herum. Noch immer hört man
Kanonieren” (21).
Am folgenden 14.12. berichtet er an Dohm : ”Bis jetzt,
verehrtester Freund, sind die Franzosen noch nicht hier und
werden also heute auch nicht mehr in dem abscheulichen
Wetter kommen. Diese Nachricht habe ich Ihnen nur eben
melden wollen. In Eupen waren sie auch heute morgen noch
nicht. In Henri-Chapelle sind gestern ordentlich erst die Quar-
tiermeister gekommen, welche für 400 Mann Quartier an-
sagten. Die Franzosen betragen sich sehr gut, und wir sind
hier guten Muts. Man sagt, es würden ein paar Tausend
Mann hierher kommen, so in die Klöster verlegt würden” (22).
Am 15. 12. 1792 schreibt Jacobi : ”Heute gegen Mittag ist
ein Trupp von 24 Husaren Franzosen hier angekommen, der
44
Offizier ist aufs Rathaus gegangen, hat sich erkundigt, in-
wiefern noch etwas von Kaiserlichen zu besorgen sei, hat
seine Leute meist hier gelassen und soll zurück sein, um
Rapport abzustatten. Quartiermeister sind noch keine hier
gewesen. Inzwischen läßt der Magistrat die Zunftslauben, das
Jesuitenkollegium etc. zum Empfang der Franzosen bereiten.
Unsere Grenadiere haben keine Kappen auf, um die Franken
nicht durch den Kaiserlichen Adler auf dem Blech zu schockie-
ren. Alles ist ruhig...” (23).
Am 16. 12. spitzte sich die Lage zu, man erwartete jeden
Augenblick die Ankunft des Gros’ der französischen Armee.
”Alle Buden hängen voller Kokarden, und man sieht gemeine +
Leute und Kinder in Menge damit gezieret”, schreibt Jacobi.
”Bestimmt habe ich Dumouriez’ Ankunft nicht wahrnehmen
können. Einige sagen, La Daliere bereite das Frühstück auf
morgen, andere auf übermorgen früh um 10 Uhr. Der Dr.
Solders hat Burgmüller heute schon ersucht, ihm in der Kom-
position eines patriotischen Liedes zu helfen, welches bei er-
wähntem Dejeuner unter Trompeten und Pauken und aller
Blasinstrumente Schall abgesungen werden soll.
Dumouriez hat, wie es heißt, dem an ihn Abgesandten
gesagt: Sie möchten nur zu Hause gehen, das Volk solle
sich einen neuen Bürgermeister wählen, aber Ruhe würde er
handhaben, dafür stehe er!
Die Anzahl Truppen, welche hierher kommen, soll nach
den mir zuverlässig scheinenden Nachrichten in 3000 Mann
bestehen, von denen die Hälfte im Reich und die Hälfte in
der Stadt bleiben, welche in Klöstern, Lauben und die Offi-
ziers in den Badehäusern verteilt werden sollen...” (24).
Am selben Tage überbrachte man nachmittags gegen !/35
Uhr dem Magistrat der Stadt ein Schreiben Dumouriez’, in
dem dieser darum bat, die Wege im Aachener Wald durch
Bauern der Umgegend oder Einwohner der Stadt instand-
setzen zu lassen, da er vorhabe, am 17. oder spätestens 18.
mit Teilen der Armee in Aachen einzurücken. Der General
gab seiner Hoffnung Ausdruck, in Aachen auf eine freiheit-
liche und egalitäre Gesinnung zu stoßen. Seine Soldaten wür-
den sich entsprechend als Freunde und Brüder erweisen :
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Der Brief General Dumouriez’ im handschriftlichen Original
46
Während der Chronist der Franziskaner die Ankunft der
französischen Vorhut auf den 17.12.92 um 10 Uhr morgens
und die des Gros’ der Truppen erst auf den 18.12. ansetzte,
vermerkt der Haarener Pfarrer Beys in seiner die Jahre
1792-1796 umfassenden Chronik, die ein sehr lebendiges
Bild jener Jahre zeichnet : ”Den 15. Dezember mitten in der
Nacht kamen zum allgemeinen Schrecken Haufenweiß die
Franzmänner, sub specie Amicitiae, qui erant in cute Lupi
rapaces” (Freundschaft vortäuschend, im Innern aber waren
sie reißende Wölfe). (25).
Man kann annehmen, daß große Teile der französischen
Armee unter Umgehung Aachens durch Haaren in Rich- .
tung Rur gezogen sind. Zu diesem Schluß kann man
kommen wenn man die Angaben des Haarener Pfarrers
mit denen Jacobis vergleicht, der, wie wir gesehen
haben, auf dem 15.12.1792 ein Vorkommando von 24
Husaren erwähnt und aus einem am 17. 12. 1792 an
Dohm gerichteten Brief geht eindeutig hervor, daß erst an
diesem Tage die Hauptmacht der Franzosen in Aachen ein-
marschiert ist ; die Avantgarde unter den Generalen Desforest
und Stengel rückte am 16. Dezember gegen 7 Uhr abends
in Aachen ein.
Die sehr malerische Schilderung, die Jacobi vom Ein-
marsch der Franzosen gibt, wollen wir unseren Lesern nicht
vorenthalten :
”Quartier ist in der Stadt für 6000 Mann Franzosen auf
den Abend angesagt und befohlen, Lichter vor die Fenster zu
setzen. Bald war die ganze Stadt erleuchtet, die Stadtmusici
wurden den Franzosen nebst Fackeln entgegengeschickt. Um
neun Uhr kamen sie, erst Artillerie, dann Kavallerie und
zuletzt Freiwillige. Wir waren stille zu Hause, der hiesige
Pöbel betrug sich gut, und die Frankreicher auch, obgleich
die letzten erst um zwei Uhr in der Nacht untergebracht wa-
ren... Von den gestern angekommenen sind gleich viele au-
ßerhalb der Stadt verlegt worden... Wann Dumouriez kommt,
weiß man nicht, aber Truppen kommen noch heute und mor-
gen und übermorgen und immer weg, wie es für fest heißt
und heute wirklich der Fall ist.
Der Zug sieht höchst sonderbar aus. Lustig, singend und
scherzend, ziehen sie, ohne Bagage nachzuführen, in hundert-
47
artigen Trachten und allerlei Gattungen von Waffen einher,
sogar Juden sind unter den Volontärs, die sich gar närrisch
ausnehmen. Nationalgarden und Linientruppen haben wir noch
nicht gesehen. Aber über die Aufführung dieses wahren Frei-
korps hört man niemand klagen. Leichtfertige Burschen,
sonder Arg, das ist Hauptkriterion.
Hier sind weiter keine Veränderungen vorgenommen
worden, als daß viele ihre Schilder eingezogen haben. Sogar
das Postamt hat nur ein Brett, worauf geschrieben steht :
Bureau de poste aux lettres...” (26).
Am 18. 12. hielt der Truppendurchzug an. Man hörte von
Ausschreitungen der Soldaten und auch Gerüchte von Waf-
fenstillstand und Frieden gingen um. Es war unruhig.
”Die Soldaten erlauben sich tausend Exzesse”, schreibt
Jacobi am 20. 12. 1792. ”Die Kerle rauben und plündern, und
die Generals wollen rasend werden, daß die Nationalver-
sammlung sie zu hängen verbietet, und das Arkebusieren hat
seine Haken, und das Haarabschneiden hilft nichts. Die Ge-
nerals bitten, man möchte die Kerle nur selbst totschießen.
Wir haben beständig Einquartierung. Die Bürger werden sehr
malträtiert von den gemeinen Soldaten...” (26a).
Dabei hatte doch General Dumouriez schon am 15. De-
zember in seinem Hauptquartier in Lüttich folgende Pro-
klamation erlassen :
Au nom Im Namen der französischen
de la Republik.
republique francaise. Kundmachung des Generals
Proclamation du general en Chef der belgischen Armee.
GAS EEE En Nachdem der General der
Belgique e
Armee in Betrachtung gezogen,
Le general d’armee conside- daß die Hintansetzung der
rant que lVoubli des devoirs Pflichten gegen das Eigentum,
envers la propriete, la sürete die Sicherheit und die indivi-
et la liberte individuelle des duelle Freiheit der Bürger von
citoyens de la ville et du pays Aachen und ihres Bezirks, wel-
d’Aix-la-Chapelle que nous de- che wir als unsere Brüder behan-
vons traiter comme nos freres, deln müssen, ein Laster ist,
48
est un crime propre ä ternir welches zur Verdunkelung der
les lauriers dont V’armee fran- von der französischen Armee
caise vient de se couvrir; et errungenen Lorbeeren geeignet
voulant 6viter que les droits les ist; und da wir verhindern
plus sacres soient meconnus par wollen, daß die geheiligsten
aucun de nos freres d’armes. Rechte von niemanden unserer
Ordonne au nom de la patrie Waffenbrüder mißkannt werden
aux militaires, aux employes et sollen ; als gebietet er im Na-
a tous autres citoyens compo- men des Vaterlandes den Sol-
sants l’armee de la Belgique, daten, den Angesetzten und
de respecter les proprietes de allen andern Bürgern, die die
quelque nature elles puissent belgische Armee ausmachen,
Etre, ainsi que la liberte indi- das Eigentum von jeder Art
viduelle des citoyens de la ville sowohl als die individuelle
et du pays d’Aix-la-Chapelle ; Freiheit der Bürger der Stadt
de veiller a leur conservation Aachen und ihres Bezirks zu
et de les defendre contre tou- ehren, auf ihre Erhaltung zu
tes atteintes, sous peine de wachen und sie gegen jeden
mort, tant envers ceux qui vio- Anfall zu beschützen ; und
leroient ces droits sacres que zwar unter Todesstrafe sowohl
contre tous ceux qui voyant gegen diejenigen, welche diese
commettre le crime ne se se- geheiligten Rechte kränken, als
roient pas mis en devoir de auch gegen diejenigen, welche
Vempeächer et d’arreter ou de dergleichen Laster sehen und
faire arreter les coupables. nicht zu verhindern suchen,
Fait au quartier general ä fort die Schuldigen nicht ar-
Liege 15 decembre 1792 et pu- restieren oder arrestieren las-
blie le 20 ä Aix-la-Chapelle sen würden. Gegeben im
Van premier de la republique Hauptquartier zu Lüttich den
francaise. 15. Dezember 1792. Und publi-
ziert zu Aachen den 20. ejus-
Le general d’armee dem im ersten Jahr der fran-
Dumouriez. zösischen Republik.
Le general d’armee
Dumouriez.
Diese Proklamation wurde allerdings erst am 21. Dezem-
ber in Aachen angeschlagen. Das Ausmaß der Plünderungen
im Gebiet von Lüttich und Aachen muß beträchtlich gewesen
49
sein, denn am 27. Dezember 1792 stellte der Nationalkonvent
in Paris zur Wiedergutmachung der angerichteten Schäden
die Summe von 60.000 Franken zur Verfügung (27).
”Dautzenberg (28) - so lesen wir weiter bei Jacobi - hat
gestern mit einem Franzosen von hier ein Bäumchen von
der Promenade abgehauen, eine rote Mütze daraufgesteckt,
den berüchtigten Schandpfahl auf dem Markt umgeworfen
(29) und den Freiheitsbaum daran befestigt. Allein kein Pöbel
begleitete sie, und kein einziger rief Vivat, alles blieb still...”
”...heute habe ich weder Unruhen noch Klagen gehört
als vom Lande her, wo die Bauern total ruiniert werden. Die
Marodeure sind meist Brabanter und Lütticher, die der
Frankenarmee nachziehen... Die Armee leidet Mangel an
allem, und das Domkapitel schießt auf vierzehn Tage 25.000
Livres vor‘. .'.”
Sowohl der Franziskanerchronist wie auch F. Jacobi
ließen die Tage vom 20. bis zum 31. Dezember ohne Eintra-
gungen bzw. Briefe verstreichen. Es scheint sich also kaum
etwas Nennenswertes zugetragen zu haben, wenn man davon
absieht, daß in der Stadt alles entfernt wurde, was an Kaiser
oder Obrigkeit erinnerte.
Am Nachmittag des 31. Dezember wurden alle Kirchen
und Klöster, die Pfarrkirchen ausgenommen, versiegelt, ge-
schlossen und mit Schildwachen besetzt. ”’Das Volk ist hiermit
höchst unzufrieden”, schreibt Jacobi. ”Auf die Protestanten
ist das Volk auch wütend. Es behauptet, die bewußte Schand-
säule sei durch Bestechung der Protestanten niedergerissen,
diese hätten auch die Franzosen hergebannt, um Kirchen und
andere Freiheiten zu erhalten, und man müsse sie lieber alle
ermorden als dieses zugeben.
Kommt es nicht zum Frieden, bevor die Franzosen sich
zurückziehen müssen, so sieht es hier wild aus. Denn ge-
schieht der Rückzug langsam, so halten wir eine Schreckliche
Brandschatzung und Wegführung von Geiseln für unvermeid-
lich. Ziehen sie schnell weg, so ist Plünderung sehr zu fürch-
ten, wie der oben erwähnte General selbst gesagt hat. Was
50
soll ich machen ?” (30)
Am 29. Dezember hatte die Generalität dem Magistrat
befohlen, Vorkehrungen zur Errichtung eines neuen und
größeren Freiheitsbaumes: zu treffen. Die Feierlichkeit fand
am 31. Dezember statt. Über die näheren Umstände berichtet
Jacobi am 2. Januar 1793, unter dem Spiel der Stadtmusiker und
in Anwesenheit von Beamten, Schöffen und der französischen
Generalität, hätten die Stadthandwerker den hohen Baum,
der von einer gewaltig großen roten Mütze gekrönt worden
sei, aufgerichtet. ”Auch Kaiser Karl auf der Fontaine hat
ein Jakobinerkäppchen erhalten...”
”Während der Feierlichkeiten haben der Magistrat und
die Franzosen «Vive la Libert& und dergleichen gerufen,
allein die Menge des Volkes, welches den Markt anfüllte,
blieb stille, daher denn auch die Franzosen sagen, daß hier
die Steine aristokratisch wären” (31).
Inzwischen war General Desforest am 30.12.1792 durch
General Dampierre abgelöst worden. Die Franzosen drängten
nun auf die Verwirklichung eines Konventsbeschlusses vom
15.12.1792, der für die Länder links des Rheins einen radi-
kalen politischen und gesellschaftlichen Wandel vorschrieb.
Er proklamierte die Souveränität des Volks und die Ab-
schaffung aller bisherigen Abgaben und Privilegien. Gleich-
zeitig sollte das Volk sich neue Beamten und Richter wählen.
Jedes Volk, das die ihm angebotene Freiheit und Gleichheit
zurückweise, werde als Feind der -französischen Nation be-
trachtet und mit Waffengewalt gefügig gemacht.
Als dieser Konventsbeschluß am 29.12.1792 den regie-
renden Bürgermeistern zugestellt wurde, ging Bürgermeister
Kreitz sogleich zu Desforest und legte ihm dar, daß die Stadt
Aachen eben jene Freiheiten, die die Franzosen ihr bringen
wollten, schon seit 1450 in vollem Umfange besäßen ; der
Konventsbeschluß sei also im Falle Aachen überflüssig. Am
folgenden Tage legte Kreitz dem General dieselben Gedanken
schriftlich vor. Aachen habe keine ”Tyrannen zu vertreiben”,
schrieb er; die Stadt sei der französischen Nation nicht
feindlich gesinnt gewesen und da sie eine freie Stadt sei,
glaube sie umso mehr Anrecht darauf zu haben, daß der
General ihre alte Freiheit beschütze.
51
Dampierre war nicht gewillt, im Falle Aachen eine Aus-
nahme zu machen. Am 3.1.1793 versammelten sich der
Große und der Kleine Rat, die Schöffen und Zunftgrafen.
Kaum hatten sie Bürgermeister Kreitz von den Befehlen der
französischen Besatzung unterrichtet, als Dampierre persön-
lich erschien und sich in folgenden Worten an die Stadtver-
treter wandte :
”Representants du peuple d’Aix.
Je vous ai convoque au nom de la Republique francoise
pour vous annoncer ses decrets ; elle appelle tous les peuples
ä sa liberte, elle veut tout a la fois briser et les sceptres des
despotes et les fers des esclaves. Les accents de la liberte
ne sont point etrangers ä la ville d’Aix, dont la forme du
gouvernement est republicaine. Je viens au nom d’une grande
nation retablir le peuple dans la plenitude de ses droits sou-
verains. J’ai voulu communiquer amicalement les volontes de
la nation francoise aux anciens magistrats de la ville d’Aix,
afin que le peuple en fut instruit par vous. J’ai voulu vous
prouver par lä l’estime que j’ai pour les e€lus du peuple, re-
pondez ä ces marques de confiance, en servant la cause de
la liberte et en secondant les intentions de la Republique
francoise, qui n’a en vue que le bonheur du peuple. Mais
bientöt le peuple organisera l’administration et la justice,
bientöt une force armee secondera les troupes victorieuses de
la Republique, et le dieu des armees, le dieu tres-puissant
marchera devant nous pour renvoyer l’epouvante et la mort
aux ennemis de la liberte du peuple”.
Nach dieser Anrede las er folgenden Abschnitt des oben
erwähnten Dekrets vor, das er dem Bürgermeister übergab,
und verließ sofort die Versammlung, die ohne Verzug aus-
einanderging :
”Decret de la convention nationale du 15 Decembre 1792
Van ler de la Republique, article 2e.
Ils annınceront au peuple, qu’ils lui apportent paix,
secours, fraternite, 6galite et liberte et ils convoqueront de
suite les assemblees primaires et communales pour creer et
organiser une administration et une justice provisoire, ils veil-
leront a la surete des personnes et des proprietes, ils feront
52
imprimer en langue ou idiome du pays, afficher et executer
sans delai dans chaque commune le present decret et la pro-
clamation y annex6e”,
En consequence de cet article, nous general des armees
de la Republique francoise nous convoquons le peuple sou-
verain de la ville d’Aix en assemblee de Section ou commu-
nale, ainsi que les bourgs et villages de son arrondissement,
afin qu’il entre dans la plenitude de ses droits, et qu’il elise
une assemblee administrative et une justice provisoire. Les
assemblees seront convoquees ä huit heures apres-demain cinq
Janvier l’an ler de la Republique. ;
Fait ä Aix le 3 Janvier l’an ler de la Republique.
Le marechal de camp commandant ä Aix.”
Nunmehr mußten sich die bisherigen Obrigkeiten als
abgesetzt betrachten. Das souveräne Volk sollte, dem Willen
der Franzosen entsprechend, neue Vertreter wählen, was je-
doch nicht ohne große Schwierigkeiten vonstatten ging, da
die Bürger bei den Wahlversammlungen (in den Kirchen !)
sehr deutlich zu erkennen gaben, daß sie an der alther-
gebrachten Ordnung festhalten wollten, obschon sie eigentlich,
wie wir gesehen haben, allen Grund gehabt hätten, die ge-
planten Reformen mit Freude zu begrüßen. Eines der inte-
ressantesten Zeugnisse zu diesen Vorgängen ist wohl ein Brief
Friedrich Heinrich Jacobis an Goethe vom 24.1.1793. Hier
der Wortlaut :
”Es ist über allen Glauben toll und thöricht, wie die Ci-
toyens mit der armen Aachener Bürgerschaft umgehen, um
mit ihr einen Maulesel der Freiheit und Gleichheit zu erzie-
hen. Bis jetzt hat das Volk sich recht gut betragen, und
überall gerade so viel und nicht mehr Widerstand gethan, als
es die Verhältnisse mit sich brachten. Mit Gewalt ist nun
endlich ein Präsident des provisorischen Raths gewählt wor-
den, und mit Gewalt muß er Präsident seyn. So der ganze
provisorische Rath. Zum Glück darf er einen Consulenten
haben. Dieser ist einer der Schöffen der vorigen Regierung.
Auch läßt man die alten Beamten noch im Geschäft. Auf
gestern war die ganze Bürgerschaft wieder in die Kirchen
ihrer Grafschaften beschieden, um einen Maire und Reprä-
53
sentanten zu einer Aachener assemblee nationale zu erwäh-
len. Dergleichen Aufgebote geschehen immer bei Strafe von
3, 6 bis 24 Mann Execution, die jedem Nichterscheinenden
ins Haus gelegt werden sollen. Da die Wahlmänner gestellt
werden sollten, wurden die Bürgerhauptleute bedroht, daß
man sie, wenn die Bürgerschaft nicht zusammenkäme, ge-
fangen nach Paris schleppen würde, comme criminels de lese-
nation. Vorher hatte das Volk, das beim Freiheitsbaume war
zusammenberufen worden, auf die Frage: ob es mit seiner
Verfassung zufrieden sey ? wie aus Einem Munde: Ja! ge-
antwortet ; und auf die Frage: ob es keine Änderung be-
gehre ? Nein ! Wie dieses Nein ausgesprochen war, liefen alle
nach Hause, als wenn es hinter ihnen brennte. Die Franzosen
hatten dem Bilde Karls des Großen, das auf dem Platze vor
dem Rathhause steht, eine rothe Kappe aufgesetzt. Die näm-
liche Ehre widerfuhr einigen Crucifixen. Einen Heiligen, der
mit Ketten vorgestellt war, befreiten die Franzosen von dieser
Schmach. Aber nicht so bald waren die Ketten entzwei, als
der Heilige in Stücken fiel. Die bedrohten Bürgersleute
brachten mit Mühe ihre Gemeinen zusammen, die nun mit
lauter Stimme schrien : unsere Religion ist geschändet, un-
sere Zünfte sind offen, wir sollen Feind werden mit Kaiser
und Reich ; besser, wir sterben auf der Stelle; der Tod ist
besser ! der Tod ist uns lieber! — Dennoch wurde durch
Zureden und Gewalt eine Art von Wahl, oder was den Schein
hatte, zu Stande gebracht. Und so gehts nun fort. Die Gene-
rale sagen, sie dürften keine raison annehmen ; sobald die
Organisation geschehen sey, könne man sich an die Conven-
tion nationale wenden ; das Organisiren aber müssen sie
stracks thun. Auch treiben sie, wie toll, um es nur gethan
zu haben. — Die Aachener Bürgerweiber, die von einem
Maire hörten, der durchaus gemacht werden sollte, glaubten,
man wolle ihnen nun auch gar eine neue Mutter Gottes
aufdringen, und einige kamen, bitterlich darüber weinend,
zu den Clermonts nach Vaels. — Man erzählt eine Schnurre,
die gut genug erfunden ist. Da der Freiheitsbaum in Aachen
errichtet wurde, schüttelte ein Jude, der mit zusah, unauf-
hörlich den Kopf. Man fragte ihn endlich, warum er den
Kopf so schüttele ; ihm sollte das doch gefallen ? Aber der
Jude schüttelte nur nor stärker den Kopf. Was, sagte er,
54
wie sollt’ es mir gefallen ? Es is ä Baum, u er hat kä Wurzel,
und Gott behüt’ ! er hat ä Kapp uf, u hat kä Kopf.” (32).
Unter Gewaltandrohung wurden schließlich die vorge-
schriebenen Wahlen durchgeführt. Vor General Dampierre
sollten die gewählten Volksvertreter am 12.1.1793 vereidigt
werden, doch wollten sie die vom General vorgelegte Eides-
formel nicht akzeptieren und setzten es schließlich durch, eine
von ihnen selbst verfaßte benutzen zu dürfen.
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Hotel ”Zur Kaiserlichen Krone”, Alexanderstr. 36,
Hier wohnte General Dumouriez. Auch Kaiser Napoleon I. und Kaiserin
Josephine kehrten hier ein.
Mit den gleichen Schwierigkeiten wie bei der Wahl der
Volksvertreter hatten die Franzosen zu kämpfen, als es hieß,
einen neuen Bürgermeister zu bestimmen und pro Sektion
oder Grafschaft einen Richter zur Bildung eines vorläufigen
Gerichtshofes zu benennen. Zum neuen ”Maire” wurde
schließlich der Nadelfabrikant Stephan Beissel gewählt, dem
man mit 30 Mann Einquartierung drohte, falls er sich weigern
sollte, die Wahl anzunehmen.
Am 7. Januar waren in Aachen mehrere Kommissare
des Fariser Nationalkonvents eingetroffen, unter ihnen der
berühmt-berüchtigte Danton. In einem Gespräch mit dem
Herausgeber des ”Aachener Zuschauer”, Joh. Dautzenberg,
vertrat Danton die Meinung, man müsse in Aachen nicht
55
eine ”Milch- und Honig-, sondern eine Blutrevolution” durch-
führen. Paris sollten die Aachener zum Vorbild nehmen. Da-
rauf soll Dautzenberg entgegnet haben, in Aachen herrsche
nicht das gleiche Klima wie in Paris. Darauf Danton : ”Il faut
le chauffer !” (”Dann muß man es eben anheizen !”) (33).
Zu den von Kommissar Danton veranstalteten Volksbällen
erschienen die Mädchen der Aachener Bürgerfamilien nur,
) weil man ihnen mit Einquartierungen drohte. Auch vergraul-
ten die Franzosen die Bürgertöchter dadurch, daß sie zum
Ballschluß die Marseillaise anstimmten, wobei dann alle knien
und sich umarmen mußten.
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Konventsmitglied Georges-Jacques Danton,
Verfechter der These der ”natürlichen Grenzen”
Überhaupt blieb die Volksstimmung während der 10 Wo-
chen dauernden Okkupation der Franzosen feindlich gesinnt.
Dampierre soll geäußert haben, er habe nirgends einen wüten-
deren und rasenderen Pöbel gesehen als in Aachen (vgl. Haa-
gen Gesch. Aachens, I,S. 423). Ihren Ausdruck fand diese feind-
liche Stimmung sehr treffend in einer von den Aachener
Straßenjungen gesungenen recht derben Parodie der Mar-
seillaise :
56
”Uehr Halonke, schlähte (1) Prije,
Kanaljepack en Schelmevieh !
Für mossen üch hei lige (2)
En döschen (3) ons net reppe mieh (4).
Waht ühr merr, ühr franze Bieste,
Hos (5) könnt der ongresche Zaldat
Met Coborg üch an de Schwaht (6)
Dat ühr nohhem mot fieste (7).
Uehr ärm Zitogengs !
Uehr Lompebataljongs !
Uehr Hong ! Uehr Hong !
Sed net mieh weht äls Dreck agen Schong !” .
1) bösartig, falsch; 2) leiden, dulden; 3) dürfen; 4) reppen: rühren;
5) bald; 6) Schwarte, Haut; 7) Gedemütigt wegschleichen.
Inzwischen gingen die Einquartierungen weiter, wie aus
den folgenden Zeilen der Franziskanerchronik hervorgeht :
”den 7 jannuarii 1793 wurde unser Kreutzgang zu einem
Pferd stall gemacht. unser in und aus gang musten durch
die Kirch oder wagen pford geschehen. auff eine nacht ha-
ben über 130 Pferd im Kreutz gang gestanden. am 6 jannuarii
auff 3 Konigen Tag des abens wolten sie mit gewalt die Kirch
zum Pferd stall machen, welches doch verhindert worde. Der
Hoff die großen Zimmer im Hoffe waren mit Pferd und
Karrigen besetz.
den 8 jannuarii wurden die Kreutz gang die Elisabetha
capell die 2 großen Zimmeren auff dem Hoff, von dem stadt
capitein darzu bestelte Leut sauber gemacht, es war das
absehen das Hospital im Kloster zu verlegen, welches doch
nicht geschehen ist. den 25 worden wiederum Pferd im Kreutz
gang gestelt. den 28 80 pferd und 70 mann. diese gingen wie
schel!men fort nach dem sie sich schlecht betragen. den 9 ten
Februarii haben wir den Schneidermeister mit frau und Kin-
der und 80 gesellen bekommen, und seynd hier geblieben
bis den 1 martii, da sie gegen die Keyserliche musten anrücken.
den 26ten jannuarii ein mann und 8 Pferd
den 27ten jannuarii 3 mann
den 30ten jannuraii 12 mann und 30 Pferd
den 31lten jannuarii 19 mann. item 17 mann 22 Pferd.
57
comitatus 11
Februarius 1793
1 Februarii 29 mann
3 Februarii 12 mann und 22 Pferd
N.B.: den 22 Februarii haben die Francosen mastricht
angefangen zu beschießen, bis den 3 martii an welchem Tag
sie von den Keyserlichen seynd verjagt worden.
2 martii 58 mann 80 Pferd”.
Am 12. Januar wurden die Brabanter und die Lütticher,
an die 1500 Mann, die im Dienste der Franzosen standen,
verabschiedet. Sie wurden fortgeschickt, so Jacobi in einem
Brief vom 12.1.1793, ”weil sie die Armee deshonorieren, in-
dem fast alle Exzesse von diesem Gesindel verübt worden
sind und die Franzosen den Klagen ein Ende machen wollen.
Ein jeder freut sich, daß man dieser Gäste los ist. Es ist
wahr, daß die Leute Mangel an allem gelitten haben und die
letzten ihren Sold nicht einmal bekommen, wie dieses bei vie-
len der Fall ist. Daher denn auch das Decouragement und das
Mißvergnügen bei der Armee sehr groß sind und sie gar keinen
Mut haben...” (34).
Auf die Ausschreitungen dieses Truppenteils eingehend,
schreibt Friedrich Jacobi am 21.1.1793 an seinen Vater
Friedrich Heinrich :
”In Vaels war es anfänglich fast noch unsicherer als hier,
ich mußte also auf weiter denken. Ohne mich wollte sie
(Jacobis Frau) durchaus nicht weg, hier fürchtete sie täglich
die Exzesse, die bis zu Mordtaten stiegen. Man sprach von
nichts als Rauben, Geiselwegschleppen, Schänden der Mäd-
chen und Weiber und dergleichen mehr” (35).
NEO EEE EX
Natürlich hatte nicht nur die Stadt Aachen unter der
Anwesenheit der fremden Truppen zu leiden. Da die Fran-
zosen von dem Grundsatz ”Nourrir la guerre par la guerre”
ausgingen und somit für den Nachschub an Verpflegung
kaum etwas unternahmen, mußten die Truppen dort, wo sie
lagerten, sich das Nötige holen. Daß dabei besonders die
58
Bauernhöfe schwer zu leiden hatten, bedarf keiner Erläute-
rung. Für den Aachener Raum zitieren wir den Haarener
Pfarrer, der in seiner Chronik schreibt :
”Auch ist es zu weitschichtig anzuführen, wie und welcher
gestalt diese freigeister die leute, besonders in denen abgele-
genen Häuseren tribuliret, geplünderet, mißhandelet, an frei-
tag und samstag zum fleisch mitessen gezwungen haben :
wie sie Gott, die allerseligste Jungfrau Maria und liebe
Heiligen gelästert, die Geistlichkeit geschändet, die Kirchen-
diensten und alle Christliche andachts-übungen beschimpfet,
und gestöret haben. Sie waren vast alle menschen, ich sage,
unmenschen, sine Fide, sine Religione, sine Lege et Disci- )
plina, sine Luce et Cruce. Durchgehens ware die lasterrede
dieser Schand-Buben : Non est Deus (Es gibt keinen Gott).
Für das Gebiet westlich Aachens und damit unsere enge-
re Heimat, berufen wir uns zunächst auf das Zeugnis zweier
zeitgenössischer Chronisten, und zwar das Gedenkbuch des F.
Cool und die Walhorner Dorfchronik des Caspar Scheen.
Die kaiserlichen Truppen seien, so F. Cool, am 20. Novem-
ber 1792 aus Brabant ins limburgische Land gekommen und
hätten bis zum 12. 12. 1792 dort gelagert ; dann seien sie auf-
gebrochen und über Aachen auf Köln zu marschiert. ”Item
den 14 Xbries seyndt die franzossen hier in quatriert gecomen
die Nationaleversaemelung und ein jederman hat müsse ein
ocat (Kokarde) am huet trage und die selbigg ocat hat drey
Sorte van farbe als rod blau und wieß und sie haben doen
auffreichte freyheits bäume das seyndt wie meybäume und
seyndt ob an grun im grune habe Sie ein roede dicke plüm (*).
und in alle kirch dörffe habe müsse Derselbige gesetzt wer-
den sie seyndt hier in quartiert stiel gelegen bist in den monat
feeb : 21” (36).
Es ist erstaunlich, daß der Chronist nichts über die auf
der Bevölkerung lastenden Requisitionen und Kontributionen
(*) Bäume als Symbole der wachsenden Freiheit waren zum ersten
Male während des amerikanischen Unabhängigkeitskrieges gepflanzt
worden. Die französischen Revolutionäre ahmten diese Sitte nach und
von Paris aus verbreitete sich der Brauch über ganz Frankreich und
die eroberten Gebiete (Alois Niessner ”20 Jahre Fremdherrschaft”).
59
sagt. Aber Kriegslasten dieser Art gehörten auch in der Zeit
des Ancien Regime zum täglichen Brot der Bevölkerung.
Wie Caspar Scheen, 1792 noch in Eupen ansäßig, berichtet,
überfiel unsere Gegend beim Nahen der Franzosen ein
Schrecken wie man ihn noch nie erlebt hatte. Wörtlich schreibt
er: ”...den als man hörte das die franzosen nahe bey Lüttig
waren wurde man gantz ausser sich so das viele gar den todt
wünschten, also lebte man täglich voller Schrecken biss mo-
nath december, am 13. december 1792 morgens um 4 stund
ziehen die letzten kayserlichen aus Eupen, und am 17. dieses
mands nachmittag 3 stund die erste franzosen ein.
Dieser Tag ware der betrüblichste den man noch erlebt
hatte dan ein jeder ware voller ängsten in erwartung des
betragens der franzosen, aber gott lob es ginge besser als
man meinte dan die Republicaner behandelten die bewohner
gantz woll, und waren in allem wohl zu frieden. die franzosen
verfolgten die kayserlichen biss an der Ruhr allwo das Win-
tergarnison betretten wurde biss aufs frühjahr anno 1793” (37).
Auch Caspar Scheen schreibt nichts von außergewöhn-
lichen Kriegslasten. Und doch wissen wir, daß schon in den
ersten Tagen der Fremdherrschaft die Bauern im Eupener
und Walhorner Land zu nicht unbeträchtlichen Lieferungen
an Heu, Hafer und Stroh gebeten wurden. Nachdem die
letzten Österreicher, etwa 500 Mann sächsischer Husaren, die
in Walhorn vom 2. bis 8. Dezember einquartiert gewesen wa-
ren, ihren Rückzug in Richtung Rur fortgesetzt hatten, erwar-
tete man mit jedem Tage die Ankunft der Franzosen. Am
17.12. 1792 rückten sie dann ein. Es war eine Kompanie des
13. Dragonerregiments. Ohne für die geforderten Futterra-
tionen zu zahlen oder Gutscheine auszustellen, zogen sie am
18. Dezember weiter. Erst zwei Monate später gelang es dem
Walhorner Notar Priem das Winterquartier dieser Dragoner
ausfindich zu machen (Stolberg) und für seine Mitbürger
eine Bescheinigung über die erbrachten Lieferungen zu
bekommen.
Unter Androhung militärischer Exekution (d.h. Einquar-
tierung) mußte Walhorn am 12.1.1793 200 Bund Heu zu 10
Pfund und 60 Sester Hafer ins Eupener Magazin liefern. Ra-
60
botrath und Hauset wurden ebenfalls ”nach Proportion” mit
Lieferungen belastet, während die übrigen Dörfer der Bank
Walhorn schon früher zu Futterabgaben aufgefordert worden
waren. Nach einer Unterredung mit General Neuilly in Eupen
am 18.1.1793 gelang es Priem, eine gerechte Verteilung der
Lieferungen auf alle Bankorte zu erreichen. Er bekam die
Order, im gesamten Bankgebiet 1500 Rationen Heu zu 20
Pfund, 600 Rationen Stroh zu 10 Pfund sowie 1000 Rationen
Hafer einzusammeln und nach Eupen zu schaffen.
Kaum waren die Vorbereitungen zu diesen Lieferungen
angelaufen, da erging der Befehl auf sofortige Lieferung einer
ungeheuren Menge (”quantite prodigieuse”) Heu und Hafer *
und nur dem persönlichen Einsatz von Priem bei General
Neuilly war es zu verdanken, daß die Armeeführung sich
schließlich mit der am 18.1.1793 festgesetzten Quoten zufrie-
den gab. Die Lieferung fand am 28.1.1793 statt.
Noch mehrere Male mußte Priem nach Eupen, um gegen
neue Lieferforderungen zu protestieren, was ihm auch teil-
weise gelang. Am 25. und 26. Februar erfolgte die Bezahlung
der bisher vorgenommenen Abgaben und zwar teils in Geld,
teils in Gutscheinen über 1475 Flor., 14'/» sols, die Priem unter
Protest entgegennahm (38). Acht Tage später wurden die Fran-
zosen nach der Entscheidungsschlacht von Aldenhoven und
dem zögernden Widerstand der Aachener Garnison aus unse-
rem Land vertrieben. Mit den verhängnisvollen Folgen des
Rückzuges der geschlagenen französischen Armee wollen wir
uns in einem weiteren Aufsatz beschäftigen.
Für Hinweise auf bisher nicht veröffentlichte Aufzeich-
nungen aus der Franzosenzeit, z.B. Pfarr-, Gemeinde- oder
Familienchroniken, Soldatenbriefe oder ähnliches wären die
Verfasser dem geneigten Leser dankbar.
Quellenangaben :
1) Karl Teppe : ”Zur Charakterisierung der lokalen Unruhen in Aachen
1786 bis 1792” in Zeitschrift des Aachener Geschichtsver-
eins (ZAGV), Bd. 82, Jg. 1972, S. 59.
2) ebda
3) Karl Nathan : ”Die Kämpfe zwischen Roer und Maas während des
ersten Koalitionskrieges” in ZAGV, Bd. 21, Jg. 1899, S. 88 ff.
61
4) W. Brüning: ”Aachen während der Fremdherrschaft und der Be-
freiungskriege” in ZAGV, Bd. 19, Jg. 1897, 2. Abt., S. 171-210,
bes, S. 176.
Phil. Beckers, "Parteien und Parteienkampf in der Reichs'adt
Aachen im letzten Jahrhundert ihres Bestehens” in ZAGV, Bd.
55, Jg. 1934, S. 1-40 und ZAGV, Bd. 56, Jg. 1935, S. 105-131.
5) ebda S. 177
6) ebda S. 178
7) ebda S. 179
8) Anton Ernstberger: ”Aachen im französischen Revolutionsfieber”
in: Festschrift Hermann Aubin zum 80. Geburtstag, Bd. II,
Wiesbaden 1965, S. 529-560.
9) Ernstberger, op. cit. S. 531-532.
10) ebda S. 532
11) Aachener Annalen in der Zeit von 1770 bis 1803, veröffentl. von
Albert Huyskens in ZAGV Bb. 59, Jg. 1938, S. 1-80.
12) Eine Kopie der Franziskanerchronik befindet sich im Stadtarchiv
Aachen, KK, Franziskaner Nr 5.
13) Der ”Galgen” stand in der heutigen Melatenerstraße (früher
”vor Königstor”).
14) Diese und andere Wendungen zeigen, daß der Chronist aus der
Aachener Gegend stammte.
15) Es handelt sich um die sogen. Kalkberner Schandsäule, die an die
Hinrichtung des Johann Kalkberner, des Führers der Aachener
Protestanten, i.J.1616 erinnerte. Sie zeigte einen nackten
Mannskörper mit abgeschlagenem Haupt und einen Scharfrich-
ter, der den Leichnam in vier Teile zerhackte.
16) Ernstberger, op. cit. S. 533.
17) ebda S. 534
18) ebda S. 537
19) ebda S. 538
20) ebda S. 538-39
21) ebda S. 539-40. Das Michailowitzische Freikorps, in Öösterreichi-
schen. Diensten und zum Teil aus Serben bestehend, hat sich
auch in Düren durch seine maßlosen Plünderungen hervorgetan.
22) ebda S. 540
23) ebda S. 542
24) ebda
25) Haarener Pfarrchronik (von Pfarrer Beys), Kopie im Aachener
Stadtarchiv, Kirchenbücher.
26) Ernstberger, op. cit. S. 544,
26a) ebda S. 546
27) Haagen, Geschichte Aachens, Bd. II, S. 418.
28) Dautzenberg, Franz, war der Herausgeber einer lokalen Aachener
Zeitung, des ”Aachener Zuschauer”. Er wohnte am Markt, im
Haus ”Löwenstein”.
29) Die schon erwähnte Schandsäule,
30) Ernstberger, op. cit. S. 548.
31) ebda
62
32) Franz Oppenhoff: ”Die Beziehungen Friedrich Heinrich Jacobis
und seiner Familie zu Aachen” in ZAGV, Bd. 16 Jg. 1894,
S. 146-147.
33) Aachener Zuschauer vom 16.3.1793: ”Il ne faut pas faire ici une
revolution de miel ou de lait, mais de sang... voyez comment
nous avons fait ä Paris”.
34) Ernstberger, op. cit. S. 552
35) ebda S. 554
36) Gedenkbuch F. Cool, S. 125-126, in ”Heem” Sept.-Dez. 1968,
S. 7-8.
37) Chronik des Caspar Scheen (in Privatbesitz); Abschrift im Aache-
ner Stadtarchiv (Nachlaß W. Hermanns), Handschriftenver-
zeichnis Nr. 935, S. 13.
38) Staatsarchiv Lüttich, Fonds Cours de justice, Walhorn, Nr. 252.
63
Erinnerung an die Heimat
von Leonie Wichert-Schmetz
Vom Fenster schaue ich ins fremde Land,
Doch seh’ ich nicht die sieben Berge,
Die lockend winken, freundlich grüßen.
Die Bilder kommen her aus weiter Ferne,
Und meine Heimat hat sie hergesandt.
Ich seh’ das Heimathaus im Kranz der Tannen,
Die Wächtern gleich am Tore steh'n ;
Dies will zum Bild ich mit dem Pinsel bannen,
Ich möcht’ es stets in meiner Kammer seh’n.
Und wie das Bild sich formt nun Strich um Strich,
Da denk’ ich, schöne Jugendzeit, an dich.
Gott grüß’ dich, Heimathaus, mit deinem Frieden,
Gott Dank für alles, was mir dort beschieden !
Den Garten mal’ ich Baum um Baum,
Wo wir als Kinder spielten oft Verstecken,
Wo froh wir tanzten auch mit leichten Füßen.
Dort seh’ ich Mutters Beete mit den Bohnenstecken
Und meine Erdbeerstreifen und die Blumenbeete.
Ich mal den Kirschbaum, den ich oft erstiegen,
Der wundervolle Blüten trug im Mai,
Wo naschend sich im Sommer Amseln wiegen.
Oft war beim Naschen ich dabei.
Nun zeichne ich die Fenster alle liebevoll,
Aus denen einst mein Kinderlachen scholl,
Aus denen unsere gute Mutter spähte,
Oft sehr besorgt, wenn wir zu lang verweilt
Beim Spiel in Wald und Wiese,
Bis die Dämmerung uns übereilt
Und wir nach Hause rannten aller Ängste voll.
65
Dort ist das Fenster jener Kammer,
Wo meine Mutter krank im Bette lag,
Wo wir gebetet voller Jammer,
Bis endlich kam der Todestag.
Da wurde leer das Heimathaus,
Als Mutter kam zu Vater auf den Gottesacker.
Und ihre Liebe trug man mit hinaus.
Drei Kinder nahm man in die Fremde mit.
Für immer schieden wir aus diesem Haus.
Die Heimat war für uns verloren,
Wir zogen schweren Herzens aus.
Doch nimmer kann ich je vergessen
Das Haus im Wiesenland ; im Tannenkranz
Geborgen war es und umschlossen,
Befriedet und erfüllt von stillem Glanz.
66
Aus meinem Familienarchiv
von Leo Homburg
Aus dem Notizbuch des preußischen Soldaten Johann
Wilhelm Laschet, geb. in Hergenrath am 28.11.1826 (1).
VORBEMERKUNG : wir bringen den Text ohne Korrek-
tur der Rechtschreibung. Es ist nämlich nicht uninteressant
zu sehen, wie vor 125 Jahren ein Mann aus dem Volk die
deutsche Sprache schrieb.
In Preusischen Dienst getrehten den 1lten Oktober 1847
bei der 9te Combagei (= Kompanie) des 25ten Infantri 1847
Regiment in Coblens Eingedreten auf Ehrenbreidenstein bis 7
zum 2ten Märtz 1848 wir von da auf Betersburg ferlecht
wurden von da rükten wir den 7ten ds. M. nach Brühl
von da rükten wier den 2ten Juni nach Köln und wurden auf
Pfahre (= Fähre) Eingerückt von darüber wieder den 10ten
September in die Stadt ferleget den 20ten September fuhren
wir auf Dampfschift bis Coblens und kamen in Rübenacht
zu ligen den 22ten Marschirten wider nag Coblens.
Den 17ten Februar 1849 Marschirten bis Abens den 18ten
nach Ilbrig den 19ten nach Oberschedweilen den 20ten nach
Salmrur wo wir den 2l1ten Ruhaten den 22ten nach Bekond
den 23ten nach Kirsch den 2ten Mertz Marschirden wir nach
Trier den 3ten nach Saarburg den 1ten Mai nach Freudenburg
den 1llten nach Merzig den 2ten nach Salluwie (Saarlouis)
den 3ten Saarbrüken den 12ten nach Spies den 13ten Einge-
rükt in der Pfals gefochten bei Humburg Nachts Cuatir in
Martinshöh den 14ten nach Danzenberg da den 15ten Ruhe
den 16ten nach Rubetzweiler den 17ten gefochten bei Rintal
Nachts Quatir in Grighambach den 18ten über Landau Nachts
in Pilligheim den 19ten nach Reingaber den 20ten bei Ger-
mesheim über den Reihn in Baden bei Fililesburg im Pivvak
(Biwak) da gefugten die 3te Division den 21ten über Pruchsal
nach Walsch da bei Wisental gefochten die 1 und 3 Difision
den 22 bei Walldorf in Bifak den 23 d. M. über Obstadt nach
Weiher da den 24ten Ruhe gefochten die 1lte und 3te Difision
den 25ten über Dorlach nach Perghausen den 26ten Ruhe
1) Das Geburtshaus des J. P. Laschet, das in der unteren Atherstraße lag,
liegt heute auf deutschem Gebiet. Er wohnte später auf Ossenheide,
dann auf Gut Ries,
67
den 27ten und 28ten gefochten Dorbach den 28 d.M. nach
Eflingen rekonnosirt gegen Rastat den 29ten gefochten über
Mükenburen an der Morg bei Rastad in Mückenburen quatird
dan den 30ten Ferstörung der Feindligen Schanzen an der
Murg und über Rastad in Pifahk den 1ten Juli nach Schartzheim
den 2ten über Kehl nach Lauheim den 3ten nach Ekersweier
da dan den 4ten Ruhe den 5ten nach Kisbel den 6ten nach
Oberhausen den 7ten gefangennehmung von 1000 Badischen
Zoltaden zu Paalingen (1), in Quatir da den 8ten Ruhe den 9ten
nach Oberinzingen da den 10ten und 1lten Ruhe den 12ten
über Freiburg auf die Eisenban nach Löbrach da den 13ten
Ruhe den 14ten über Steinen nach Maulburg den 15ten nach
Schobfheim da vom 16ten bis 20ten Ruhe den 21ten nach
Adelhausen den 22ten nach Wilen auf Forbosten an die
Schweizergrense bis zum 27ten den 28ten nach Degerfelden
da Ruhe den 29. 30 und 31ten den 1lten August wider auf
Forbosten in Wielen bis zum 8ten den 9ten nach Mabbach
da Ruhe den 10ten und 1lten den 12ten nach Welmlingen
wo wier wider anfigen zu Ekziren und lagen da bis zum
26ten den 27ten nach Windersweiler und lagen da bis 2ten
Sebtember den 3ten Marschirden wir über Steinen und
Schobfheim nach Eichen den 4ten nach Oberwilen wo wir
den 5ten Ruhe haden in Schwartzwald den 6ten nach Klein-
laufenburg an der Schweitz den 7ten über Walshut nach
Tingen bei Schafhausen wo wier lagen bis zum 28ten den
29ten wider über Walshut und Laufenburg nach Oberseligen,
den 30ten nach Maulburg den lten Oktober über Steiner und
Kandern nach Sihl den 2ten bis Schlingen von da auf die
Eisenban nach Rastadt wo wier lagen bis zum 15ten den
16ten fuhren wir auf die Eisenban nach Manheim den 17ten
nach Worms in Hessen den 18ten bei Alzei den 19ten bei
Kreutznagt den 20ten bei Oberinbach. den 21ten nach Salzig
den 22ten nach Coblens und den 27 auf der Kardause.
Johann Peter Laschet wurde am 11. Februar 1851 nach
Hergenrath entlassen, nach einer aktiven Dienstzeit von 3
Jahren, 4 Monaten und 10 Tagen. Als Auszeichnung hatte er
1) Im Großherzogtum Baden brachen 1848 revolutionäre Unruhen
aus, die aber durch preußische und andere Bundestruppen niederge-
schlagen wurden. J. P. Laschet ist unseres Wissens der einzige Her-
genrather, der diesen badischen Feldzug in preußischen Diensten mitge-
macht hat. In der Hergenrather Gemeindechronik steht nur zu lesen,
daß am 8. März 1848 die Reserven der Infanterie einberufen wurden.
69
der Kerl mus aus dem Glide
die Tasche herunter der Säbel da gelegt
und tapfer drauf geschlagen,
so lange sich noch wecht
Die Leute verwundern sich
das mancher Tesertirt
ein Hund der wird besser
wie wir ankomendirt
und keine Lüge dazu
ein Hund had doch seine Ruh
er hat es also besser
den er hat doch sat zu vresen...
Es gab kein Weißbrot in der Suppe, nur immer ”Kamis-
brot”, dazu mußte er schlechten Tabak rauchen und. doch
immer frisch sein. Um sechs Uhr weckte: ihn schon der
”Tambour” und ehe. er seine Sachen zusammengelegt und
gefrühstückt hatte, sollte er auch schon draußen im Glied
stehen. Ganze Seiten: voll beschreibt er Märsche, Exerzieren,
Paradieren, stundenlang zum Appell auf dem Kasernenhof
stehen usw.
Das Essen war mittags ”zwar warm aber schlecht”. ”Der
Soldat mus viel Leiden”, schreibt Laschet, ”Hunger Durst
Hitze und Kälte ; sagt er ein Wort mus er zum Raport.
Abends is müde geder Man
dan ist es eine grose Noth
wenn man will zum Abendbrot
kein Geld kein Brot kein Rauchtabak...
Komt der Geldtag dan heran
dan hört man nichts als Geschrei
dan komd die Waschfrau angegangen
der Rebhans tritt zur Tür herein
Soldat bezahl bezahl...
Johann Peter Laschet nennt sich einen ”Krigersman, der
viles dun und leiden mus was ihm nicht gefelt”. Er sagt uns
leider nicht, wie hoch sein Sold war. Von Urlaub, Briefen
oder Paketen ist in den 3 Jahren und 4 Monaten seiner Dienst-
zeit nicht die Rede. Wir wissen von ihm, daß er schon früh
Vollwaise war und keine Geschwister hatte. Seine Militärpa-
piere geben als Beruf ”Knecht” an.
70
Von Bauern und Soldaten im Aachener Reich
zur Zeit des Österreichischen
Erbfolgekrieges (1741-1748)
von Hans Königs
Bald nach Beginn des österreichischen Erbfolgekrieges
rückten im Herbst 1741 französische Truppen in Deutschland
ein. In einer Eingabe an die Reichsstadt Aachen schildert Jo-
hannes Jung, Halbwinner auf dem Pachtgut Breitenstein am
Bildchen, daß am 6. November über hundert Mann Kavallerie,
”so bey der bagage die arriere wacht gehabt”, zur Nachtzeit +
sich mit Gewalt in Haus und Stallungen einquartiert hätten.
Das aufgestapelte Holz hätten sie teils verfeuert, teils abge-
fahren, den Aufwuchs an Bohnen, Wicken, Erbsen, Hafer und
Grummet verdorben und abweiden lassen. Der enstandene
Schaden betrage laut beigefügtem Attest der Hergenrather
Vorsteher Gerard Lamberts, Jan Stickelman und Jan Laschet
mindestens achtzig Reichstaler, um deren Ersatz er als ge-
ringer Halbwinner mit Frau und Kind bitte. Mit vierzig Reichs-
talern übernahm die Stadt den Schaden zur Hälfte (1).
Ende Februar 1743 marschierten als Bundesgenossen
Maria Theresias englische Truppen durch, im Mai {folgten
ihnen zwei schottische Regimenter.
Als in der zweiten Hälfte des Erbfolgekrieges fran-
zösische Truppen die südlichen Niederlande überschwemm-
ten, flüchtete im Frühjahr 1746 der Rat von Brabant mit
dem Statthalter Graf Kaunitz (la) nach Aachen und ver-
waltete sein Amt von hier aus. Wie der Aachener Chro-
nist Janssen in seinem Tagebuch vermerkt (2), ”haben
die Franzosen im August im Limburgischen geplündert und
scharfe Requisitionen erhoben ; die Limburger Bauern, Adel
und Geistlichkeit flüchteten Hals über Kopf mit ihrer Habe
nach Aachen mit einer solchen Menge von Bagage, Kisten und
Kasten, deren Wert sich über etliche Millionen soll belaufen
haben”. Erst Anfang September verebbte der Ansturm der
Flüchtenden. Österreichische Husaren lieferten den Franzosen
bei Herve ein Scharmützel. Bald bezogen die vorrückenden
ze
Regimenter der alliierten Österreicher, Holländer und Eng-
länder rings um Herve Biwak (3). Andere alliierte Truppen
nahmen ihr Winterquartier dicht unter den Aachener Stadt-
mauern, so im Vaalserquartier, in Orsbach, Vetschau und
Laurensberg, auf der Eilendorfer Heide und im Paß.
Bei beiden kriegführenden Parteien bedurfte es der
größten Strenge der Generale, um den Übergriffen der Sol-
daten gegenüber der durch Einquartierung und nicht ab-
reißende Requisitionen schier verzweifelnden Landbevölke-
rung halbwegs zu steuern. So ließ Feldmarschall Graf
Batthyani (4) am 26. November 1746 am Philosophienberg (5)
vier Husaren wegen Plünderns aufknüpfen (6).
Nach siegreichen Kämpfen um Namur und Vise, zielte
der französische Vorstoß auf die Festung Maastricht, einen
der stärksten Waffenplätze des damaligen Europas. Ein
Großteil der gegnerischen alliierten Truppen sammelte sich
um Aachen. Vergeblich suchte die Stadt, unter Hinweis auf
die eingenommene Neutralität, von neuerlichen Einquartie-
rungen verschont zu bleiben. Wohl oder übel mußte der Rat
sich mit der Belegung der reichsstädtischen Dörfer Haaren,
Laurensberg, Vaalserquartier, Weiden und Würselen abfinden.
Auch die benachbarten Reichsabteien Burtscheid und Korne-
limünster blieben nicht verschont. General-Feldmarschall von
Batthyani mit seinem Gefolge bezog das Kornelius- und
Karlsbad (7), die Stabsoffiziere fanden in Bürgerhäusern
Unterkunft.
Schließlich führten bei wechselndem Schlachtenglück
die jahrelangen Feldzüge zur Erschöpfung und Kriegs-
müdigkeit aller beteiligten Staaten. Insgeheim laufende
Verhandlungen schufen die Voraussetzungen zum Aache-
ner Friedenskongreß des Jahres 1748. Während der franzö-
sische Marschall Moritz von Sachsen (8) zur Belagerung von
Maastricht ansetzte, trafen bereits die Gesandten der Mächte
in Aachen ein. Wiederum flüchteten zahlreiche limburgische
Bauern mit ihrem Vieh und ihrer Habe nach Aachen ; auch
aus Maastricht zogen viele Bürger und Kaufleute hierher (9).
Um jede Störung der anlaufenden Friedensverhandlungen
auszuschließen, wurde die 30km abseits der umkämpften
72
Maasveste gelegene Reichsstadt zum neutralen Gebiet er-
klärt. Neu abgesteckte Grenzpfähle mit der zweisprachigen
Aufschrift ”Neutralität”, — so am Linzenhäuschen, am Brei-
tenstein, an der Preus, am Beeck und an Vaals, — sicherten
das 3%, deutsche Meilen tiefe Umland der Konferenzstadt. An
mehreren Stellen ging sein Bereich über das Gebiet des
Aachener Reiches hinaus (10).
Am 30. April kam zwischen Frankreich und den See-
mächten ein Vorfriedensvertrag zum Abschluß. Spät am
Abend wurde er beim französischen Gesandten im Gasthof
Bouget an der Komphausbadstraße unterzeichnet. Hierdurch
bedingt, kapitulierte Maastricht am 7. Mai, die Verteidiger
erhielten ehrenvollen Abzug.
Um so zäher gestaltete sich das Ringen der Diplomaten.
Als Sachwalter der jungen Kaiserin Maria Theresia hatte
Graf Kaunitz gegenüber Frankreich, wie auch bei den nicht
selten auseinanderstrebenden Interessen der mit Habsburg
verbündeten Mächten, keinen leichten Stand. Geheimbespre-
chungen und festliche Veranstaltungen wechselten, war doch
Bad Aachen Treffpunkt der großen Welt. Am 18. Oktober
kamen die letzten Verhandlungen zum Abschluß, die Ge-
sandten der acht beteiligten Staaten hatten nach neunmona-
tiger Dauer ihre Aufgabe erfüllt. Wieder einmal hofften Bür-
ger und Bauern auf friedliche Zeiten.
1) Stadtarchiv Aachen, Ratssuppliken 1741, S. 22f.
1a) Wenzel Anton, Graf von Kaunitz-Rietberg, seit 1764 Fürst, Öster-
reichischer Staatsmann, geboren 1711 zu Wien, dort gestorben 1794.
Von 1744 bis 1746 Stellvertreter des Staatsrates in Brüssel, 1748
Bevollmächtigter auf dem Aachener Kongreß, wo er seinen Ruf als
Diplomat begründete. Von 1753 bis 1792 Staatskanzler und Leiter
der auswärtigen Politik Österreichs, seit dem Tode der Kaiserin Maria
Theresia für ihren Sohn Kaiser Joseph II jedoch mehr der erfahrene
Berater,
(HERDERS KONSERVATIONS-LEXIKON, III. Aufl., Bd. IV, Sp.
1464. Zum Aachener Kongreß : B. POLL, Zur Geschichte des Aache-
ner Friedens — Zeitschrift des Aachener Geschichtsvereins, 81 (1971),
5 bis 142).
2) J. JANSSEN, Historische Notizen, veröffentlicht bei Fürth, H.A,,
Frhr. v.: Beiträge und Material zur Geschichte der Aachener Patri-
zier-Familien, Bd. III, Aachen 1890, S. 82.
3) A. de RYCKEL: Histoire de la ville de Herve, 2. Aufl., Lüttich
1906, S. 86.
73
4) Karoly Batthyani (1697 bis 1772), Feldmarschall aus ungarischem
Adelsgeschlecht. Kämpfte unter Prinz Eugen am Rhein und gegen
die Türken, im Österreichischen Erbfolgekrieg besiegte er 1745 die
Franzosen bei Pfaffenhofen. Nach Kriegsende war er unumschränkter
Minister in Belgien (HERDERS KONSERVATIONS-LEXIKON,
MI. Aufl., Bd. I, Sp. 1145). POLL, a.a.O. S. 14 und 98.
5) Hügelrücken nordwestlich des Preuswegs, s. Plan der Stadt Aachen
und des sogenannten Aachener Reiches von Heinrich Copso, 1777
(Stadtarchiv Aachen). Ausschnitt bei H. KÖNIGS: Vom Jakobstor
zum Bildchen, Aachen 1973, S, 20-21.
Hier lag die propsteiliche Richstätte des Aachener Marienstiftes,
dessen Propst bis zur Franzosenzeit Herr der reichsunmittelbaren
Herrschaft Lontzen war. Das propsteiliche Kriminalgericht bildeten
der Meier und die Schöffen von Lontzen, der Meier und die Lont-
zener Schützen hatten die Exekutionen vorzunehmen. (CHR. QUIX,
Beiträge zu einer historisch-topographischen Beschreibung des Krei-
ses Eupen, Aachen 1837, S. 227 f. - H.LICHUS, Die Verfassung
des Marienstiftes zu Aachen bis zur französischen Zeit, ZAGV 37
(1915) 24.
6) JANSSEN a.a.O. 101.
7) Zwei stattliche Badehotels an der Komphausbadstraße, erbaut 1723
bis 1725 durch Stadtmaurer Laurenz Mefferdatis, im zweiten Welt-
krieg zerstört. Über den weiter fließenden Thermalquellen erhebt
sich heute das Warenhaus Horten.
8) Moritz, Graf von Sachsen (1696 bis 1750), natürlicher Sohn Augusts
des Starken und der Gräfin Aurora von Königsmarck, seit 1720
in französischen Diensten. 1744 Marschall, 1747 Oberbefehlshaber
in den von ihm eroberten Niederlanden, (HERDERS KONSERVA-
TIONS-LEXIKON, III. Aufl., Bd. VI, Spalte 176). - POLL, a. a. O.
S. 20.
9) A. HUYSKENS, Aachener Leben im Zeitalter des Barock und
Rokoko (= Rheinische Neujahrsblätter VIII), Bonn 1929, S. 69.
10) B. POLL, Aachen als europäische Kongreßstadt in: Aachen zum
Jahre 1951, Rhein. Verein für Denkmalpflege und Heimatschutz,
1951, S. 223.
74
Fahrt durch die Bank Montzen
von Jean De Ridder
Unsere Vereinigung konnte in diesem Frühjahr eine
schon lange geplante Busfahrt in das Veranstaltungsprogramm
aufnehmen : Eine Rundreise durch die Bank Montzen.
Die zu diesem Thema auffindbare Literatur ist zumeist
in französischer Sprache und wird als Übersicht am Schluß
dieser Aufführung zitiert.
”Nun, was ist die Bank Montzen, was bedeutet überhaupt Ü
eine Bank ?” Das Land Montzen gehörte im 15. Jh. zum
Herzogtum Limburg, das aus Verwaltungsbezirken mit eige-
ner Gerichtsbarkeit bestand (1). Und so setzte sich das Her-
zogtum Limburg aus den Banken Baelen, Herve (das ”Quartier
Wallon”), Montzen, Walhorn und neun Herrlichkeiten zusam-
men. Hinzu kam die Stadt Limburg und die Freiheit Henri-
Chapelle. Und was gehörte zur Bank Montzen ? Die heutigen
Gemeinden Montzen, Gemmenich, Homburg, Remersdael, Sip-
penaeken, Teuven, Moresnet, Neu-Moresnet und Kelmis. Die-
se Einteilung wurde bis zum Jahre 1794 beibehalten. In der
Franzosenzeit wurde die Bank Montzen aufgehoben und deren
Gemeinden den Gerichtskantonen Aubel und Walhorn — ab
1801 nur Aubel — zugeteilt. Kelmis wurde mit Moresnet zu
einer einzigen Municipalite — später Mairie — vereinigt.
Nach dem Zusammenbruch des Napoleonischen Reiches
wurde dann diese Mairie dreigeteilt : ”Alt-Moresnet” fiel den
Niederländern zu, ”Preußisch-Moresnet”, das heutige Neu-
Moresnet, den Preußen, und als Streitobjekt der Großmächten
blieb ”Altenberg” mit der Zinkmine. Weil man sich nicht
einigen konnte, entstand daraus 1816 Neutral-Moresnet. 1830,
als Belgien unabhängig wurde und sich von den Niederlan-
den trennte, lag die Bank Montzen, außer Neutral-Moresnet
und Preußisch-Moresnet, innerhalb des neugegründeten Kö-
nigreiches Belgien.
1) Später, 17. und 18. Jh., nach Verpfändung oder Verkauf der herr-
schaftlichen Rechte in den meisten Dörfern, waren die Banken
Steuerressorts und Wahlbezirke für die Wahl der Abgeordneten des
Dritten Standes in die Provinzialstände,
75
Nach. solcher Einführung begann die Busfahrt. Der Weg
führte von Kelmis über die Lütticher Straße vorbei an alten
Häusern nach Moresnet. Auf dem Kosenberg wurde ein wun-
derschönes Panorama auf Kelmis, Neu-Moresnet, Preuswald
und den, Aachener Stadtforst geboten. Schloß Eulenburg, auch
David-Deden, erbaut im 19. Jh., versteckt hinter Bäumen,
ließ man zur Linken. Daß sich in dem daneben befindlichen
Steinbruch die Bevölkerung, besonders die Kelmiser, im
letzten Krieg vor Bombenangriffen verstecken konnte, wurde
kurz erwähnt.
Dem Dorf Moresnet wurde alsdann ein längerer Auf-
enthalt gewidmet.
Das Wahrzeichen von Moresnet, der im ersten Weltkrieg
erbaute Viadukt, war natürlich nicht zu übersehen.
Mittelpunkt des Dorfes ist die 1646 erbaute St. Remigius |
Kirche (1). Eine der drei Glocken im Gestühl trägt eine In-
schrift, die manchmal als Chronogramm mit der Jahreszahl
1277 gedeutet worden ist (2). Viel Interesse fanden die Grab-
kreuze aus dem 17. Jh. Die wohl ältesten Häuser sind ein
Bauernhof, ein pittoresker Fachwerkbau aus dem Jahre 1703,
und eine Schmiede, erbaut 1643, die einzige im ganzen Göhl-
tal. Der Anbau des Hauses vor der Schmiede stammt aus
dem Jahre 1638. Die Gruppe stattete dann dem sehr gepfleg-
ten Herrensitz Bempt, bekannt auch unter dem Namen
”Bennelt”, was soviel wie Wiese beim Sumpf heißt, einen
Besuch ab. Schloß Bempt stammt aus dem 17. Jh. und ge-
hörte damals der Familie Heyendal. Später kaufte die Familie
de Hodiamont diesen Besitz, 1880 die Familie de Resimont.
1935 fiel Schloß Bempt durch Erbschaft an Frau Bouillon-
Glibert, die später Georges de Cavey heiratete. Zu Ende des
18. oder zu Beginn des 19. Jhs fiel der Bau einem Brand
zum Opfer und wurde durch Familie de Hodiamont restauriert.
1) Das mittlere Fenster des rechten Seitenschiffs trägt im Schlußstein
diese Jareszahl.
2) Dies ist wohl ein Irrtum, da im 13. Jh. noch keine Chronogramme
üblich waren und es auch in der Inschrift keine Buchstaben gibt,
die durch ihre Größe hervorstechen.
76
Schloß Alensberg, direkt am Viadukt gelegen, soll in der
zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts durch Jan von Alensberg
erbaut worden sein. Er war vielleicht ein Angehöriger der
Familie Tzevel (3). Dieser Familie gehörte auch im 16. Jh.
die Eyneburg. Durch Heirat kam zu Beginn des 16. Jhs diese
Burg an die Familie von Dobbelstein und dadurch kamen
Eyneburg und Alensberg in eine Familie. So blieb es bis
zur Mitte des 17. Jhs. Durch Heirat ging die Burg Alensberg
an Alexander von Straet über, der auch 1648 die Herrschaften
Moresnet und Gemmenich vom Spanischen König Philipp IV.
kaufte. Sie gehörte 1740 durch Erbschaft Pierre-Godefroid
de la Saulx, und dann seinem Neffen Pierre-Olivier de la .
Saulx, dessen Sohn Arnold 1798 Schloßherr wurde. Später
war er der erste Bürgermeister von Neutral-Moresnet (4).
1823 wird das Schloß an Charles-James Cockerill verkauft,
ein Bruder des Großindustriellen John Cockerill. Die Erben
der Familie Cockerill-Suermondt haben 1922 den Besitz an
den Notar Ernst verkauft, und durch Erbschaft gehört er
jetzt dem Richter Thieron.
Während des letzten Krieges fanden Flüchtlinge aus dem
Rheinland hier Unterkunft, später besetzten es die Deutschen,
dann die Amerikaner. Dadurch geriet der Bau in einen
schlechten Zustand. Durch Sprengungen des Viaduktes im
September 1944 wurde das Schloß dermaßen zerstört, daß
der Besitzer sich entschließen mußte, den Sitz niederzulegen.
Übrig blieb nur der Donjon oder auch Bergfried, der fünf
Etagen aufweist.
Auch über die ehemalige Burg Schimper wurde berichtet.
Sie war eine der seltenen Höhenburgen im Göhltalraum ne-
ben der Eyneburg die gegen Ende des 13. Jhs erbaut wurde.
Diese Burg befand sich dort, wo heute das Gut Schimper
liegt. Als möglicher Bauherr wird ein Ritter Guys de Chinpier
1355 genannt. In der Mitte des 15. Jhs gehörte sie der Familie
de Palant und von der zweiten Hälfte des 16. Jhs an durch
9 Generationen hindurch der Familie Spies von Bullesheim.
3) 1467 gründete er mit Arnold v. Tzevel, Herr zu Tynenberg, eine
Gesellschaft zum Abbau des Altenberges.
4) Arnold de la Saulx (oder de Lasaule), Maire von Moresnet 1802,
Bürgermeister von Hergenrath 1823-1847, blieb Bürgermeister von
Preußisch-Moresnet bis 1850, von Neutral-Moresnet bis 1859.
78
Streversdorp, auch Burg Graaf genannt (5) wurde im
13. Jh. erbaut und war 300 Jahre lang im Besitz der Familie
Van der Heyden genannt Belderbusch. Die prächtige Wasser-
burg gehört heute durch Einheirat in die Familie Jane d’Othee
dem Eupener Notar Roelants de Stappers. Leider droht sie zu
verfallen.
Das heute sehr gut erhaltene Schloß Broich oder Broeck
stammt aus derselben Zeit wie Streversdorp und gehörte
lange ebenfalls der Familie Van der Heyden genannt Belder-
busch.
Eine dritte Burg, Belderbusch selbst, an der Straße nach .
Homburg und am Bahnhof Montzen gelegen, wurde im Krie-
ge, am 28. April 1944, beim schweren Bombenangriff auf
den Bahnhof, bis auf ein paar Mauerreste und einen Turm
zerstört. Die Eigentümer waren Anfang des 16. Jhs Steven
von Belderbusch, 1644 von Schwartzenberg, 1648 de Belven,
1680 van Eys genannt Beusdael, 1739 van der Heyden, 1767
Ernst und 1947 van den Dries (USA).
Ein weiterer Rittersitz befand sich etwa 500 m ostwärts
von Belderbusch : Nieuwhuys. Der Rittersitz wurde im 16.
Jh. erbaut und gehörte im 18. Jh. der Familie Vanderheyden.
Der letzte Eigentümer war Baron de Villenfagne de Vogel-
sanck. Bei der Vergrößerung des Bahnhofs von Montzen
mußte 1916 dieser Rittersitz niedergerissen werden.
Die Fahrt führte dann vorbei an dem großen Bauernhof
”Ten Heyden” (1614). In Schwarzenberg gab der Blick von
der Höhe auf den Bahnhof Montzen, Westeuropas größten
Güterbahnhof, ein recht beeindruckendes Bild von dem
Schienengewirr, das 100 km ausmacht.
In Homburg, bereits 1070 unter dem Namen Humbore
erwähnt, machte man eine Rundfahrt um die auf einem Hügel
liegende Kirche, die 1717 auf einem aus dem 13. Jh. stam-
menden Gebetsort errichtet worden ist. Auf dem Friedhof
5) Streversdorp wird irrtümlich oft ”Burg Graaf” genannt, weil der
Besitzer, Charles L6opold von der Heyden genannt Belderbusch,
Minen des Kurfürsten von Köln, in den Grafenstand erhoben
79
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Berlieren / Homburg
befinden sich viele Grabkreuze aus dem 17. Jh. u.a. von den
Familien Eynatten, Ghoor und Raes. Besonders interessant
waren die der Kirche gegenüber liegenden Häuser, 1746 im
Renaissancestil erbaut.
In den Wiesen, versteckt hinter der einzigen Molkerei
der früheren Bank Montzen, besuchte man den KRittersitz
Berlieren. Er war einer der ältesten Herrensitze von Homburg
und hing 1124 vom Stift St-Pierre, Lüttich ab. Berlieren
wurde 1587 von Claude van Withem, Herr von Ruysbroek,
gekauft, gehörte 1636 dem Marquis de Trazegnies, im 19. Jh.
dem Baron von Fürstenberg und seit 1962 dem heutigen
Besitzer Leo Locht. In einem Tal, 1500 m Luftlinie von Ber-
lieren entfernt, befindet sich ein weiterer Rittersitz : Velt-
jaeren aus dem 13. Jh. Während des limburgischen Erbfol-
gekriegs wurde dieser 1286 durch den Herzog Johann I. von
Brabant niedergebrannt. In der Form, in der dieser Rittersitz
im 14. Jh. wieder aufgebaut wurde, ist er heute noch zu
80
besichtigen. 1292 werden Beatrix von Willoiren, Äbtissin von
Sinnich, und ihr Bruder Wilhelm erwähnt. 1400 gehörte Velt-
jaeren Ritter Schoonvorst, im 16. Jh. gelangte es in den Besitz
der Familie Ghoor, die ebenfalls den Besitz Schimper hatte.
1561 erhält Heinrich de Ghoor vom Spanischen König die Herr-
schaft mit Gerichtsbarkeit von Homburg, Remersdael und
Veltjaeren. In der Reihenfolge waren dann die Besitzer :
Millendonck, Croonenberg, Magin, Sybertz, Reul, Bourcier
de Montureux, Breuls und jetzt Frau Ernst-Jacob.
Es gab keinen, der nicht von dem einstöckigen Landsitz
beeindruckt war.
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Veltjaeren / Homburg
Auf der Straße Hagelstein-De Plank fuhr man zur Linken
an dem sogenannten Rodebos vorüber, der zur Franzosenzeit
eine Rolle im Bauernkrieg spielte. In der Nacht vom 8. auf
den 9. Februar 1799 hatten sich hier 2000 Bauern versammelt,
um eine französische Garnison anzugreifen. Sie wurden
verraten, es kam eine französische Gruppe aus Aubel und
die Bauern mußten flüchten. Mehrere Gefangene wurden zum
Tode verurteilt und hingerichtet.
81
Auf dem Wege nach Remersdael erreichte man sehr bald
den Gutshof ”Het Hus”. Wahrscheinlich steht dieser Hof auf
dem KRittersitz ”Remersdael”, der 1253 einem Simon van
Remersdael gehörte und 1288 durch Johann I. von Brabant
zerstört wurde. Er gehörte im 13. Jh. dem KRittergeschlecht
Scavedries, 1721 verkaufte Frederik von Eynatten das ”Hus”
an die Familie von Fürstenberg.
Gleich unterhalb dieses Gutshofes wurde zur Rechten
auf die Kirche von Remersdael hingewiesen, die 1847 erbaut
wurde, An dieser Stelle soll im 13. Jh. eine Kapelle gestanden
haben, die dem Bischof Heribert von Köln gewidmet war.
Eine Quelle in der Nähe des Gutshofes ”Het Hus” trägt noch
heute den Namen Heribert.
Im Tal der Gulpe war Schloß Obsinnich (= oberstes
Sinnich) oder Castel Notre-Dame das nächste Ziel der Rund-
reise.
Schloß Remersdael und Obsinnich waren durch die
verschiedenen Besitzer hindurch eng verbunden. Bereits im
13. Jh. stand hier eine Burg, die ebenfalls im Besitze des
Rittersgeschlechtes Scavedries war. Im 15. Jh. gehörte Ob-
sinnich einer reichen limburgischen Familie von Eynatten.
Um 1500 heiratete Johann von Eynatten, der Finanzeinnehmer
des Herzogs von Brabant und Ratgeber von Kaiser Karl V.
war, Jeanne de Holzet, deren Grabstein sich in der Kirche
von Remersdael befindet.
An Schloß Sinnich kam man auf der Fahrt nach Teuven
vorüber. Erstmals wird es 1141 erwähnt. Es war ursprünglich
ein Gut, das von der Abtei Rolduc (= Klosterrath) bei Kerkra-
de abhängig war. 1243 entstand dort ein adliges Damenstift
der Ausgustinerinnen. In der ersten Hälfte des 18. Jhs ließ
die Äbtissin von den Berghe von Trips trotz finanzieller
Schwierigkeiten das prächtige, lang gestreckte Gebäude mit
den 17 Fenstern im Obergeschoß erbauen, so wie man es
heute noch bewundern kann.
1797 wurde das Stift durch die Franzosen beschlagnahmt,
und die Damen waren gezwungen, es zu verlassen. Die Fa-
milie Coenegracht erwarb Schloß Sinnich 1846 und durch
82
Erbschaft gelangte es an den heutigen Besitzer de Secillon.
Auf dem Weg nach Epen wurde der aus dem 16. Jh.
stammende Herrensitz ”De Hoef” besichtigt.
Vom ursprünglichen Schloß weiß man nichts mehr, man
weiß selbst nicht, wo es genau stand. 1370 war die Herrschaft
Teuven im Besitz von Mathilion von Eynatten, gelangte
schließlich in den Besitz der Familie von Gronsfeld. Bis
1645 gehörte Teuven zur Herrschaft Beusdael und wurde dann
selbständige Herrschaft unter dem Baron Gerard de Draeck.
Das Schloß gehört jetzt der Familie Duesberg-Grenade aus
Verviers. ‘
Zurück ging die Fahrt über Sippenaeken, vorbei an dem
Denkmal, das den Opfern der elektrischen Drahtsperre aus
dem ersten Weltkrieg gewidmet ist.
Schloß Beusdael wurde vom Bus aus bewundert. Diese
aus dem 13. Jh. stammende Wasserburz war durch Jahrhun-
derte im Besitz der Rittergeschlechte von Beusdael, von Eys,
von Colyn und 1757 von Hoensbroeck, der Fürstbischof von
Lüttich war und 1802 in Wien verstarb.
Sehr bald erreichte man Bleyberg, vorbei an der Kirche
(erbaut 1935) und Schloß Paquot und konnte kurz vor Völ-
kerich noch einen Blick auf. das Haus der Großeltern des
Komponisten Cesar Franck werfen.
In Moresnet-Kapelle wurde die Entstehung dieses bekann-
ten Wallfahrtsortes erklärt und auf die Sehenswürdigkeiten
hingewiesen : Arnold Franck (1741-1801), der im Alter von
6 Jahren an Epilepsie erkrankte, ließ sich eines Tages ein
Muttergottesbild von einer Frau aus Aachen mitbringen. Das
Bild wurde das jetzige Gnadenbild. Damit alle davon etwas
haben sollten, alle das Gnadenbild anbeten könnten, brachte
er die Statue im nahen Wald an einer Eiche an. Die Eiche
stand da, wo heute die Gnadenkapelle steht. In der Kirche
findet man eine Platte mit der Inschrift : ”Hier stand die
Eiche mit dem Gnadenbild vom Jahre 1750 bis 1823” und aus
dieser Zeit stammt auch das Wort ”Eichschen” für diesen Ort.
83
Eine Kapelle konnte aber erst 1828 erbaut werden. Ar-
nold Francks Geburtshaus kann hinter der Klinik, am Sier,
besucht werden.
1830 als mehr und mehr Pilger kamen, war es nötig, daß
sich jemand um Pilger und Kapelle kümmerte. So kam ein
Einsiedler mit Namen Gordes und baute die Klause, die 40
Jahre bewohnt war.
Als 1875 das Klostergesetz in Deutschland verabschiedet
wurde, das Klöster schloß und die Franziskaner aus Deutsch-
land auswies, ließen sich hier Aachener Franziskaner nieder
und bewohnten zunächst das heutige Altenheim neben der
Klinik. 1895 wurde mit dem Bau des großen Klosters direkt
neben der Kapelle begonnen.
1880 wurde die Gnadenkapelle durch ein Oktogon ver-
größert. 1895 kam erstmals die Idee, eine Kreuzweganlage
errichten zu lassen. 1903 war der Kreuzweg fertig, Die Hoch-
reliefs der einzelnen Stationen wurden von Prof. Albermann
(Köln) ausgeführt, die kunstvollen Gitter durch Bruder Va-
lens Zimmermann.
1829 kam die erste Aachener Prozession nach Moresnet.
Von 1863 an gibt es regelmäßig die Aachener Mittwochs-
prozessionen.
LITERATUR :
1. C. CRAVATTE: Stelldichein mit den Ortschaften unseres schönen
Drei-Grenzen-Raumes, Grenz-Echo, 5.7.72 und 8.7.72.
— Burgen im Dreigrenzenraum, Grenz-Echo, 6.6.73 und 2.8.73.
— Im Drei-Grenzen-Raum. Das adlige Stift zu Sinnich, Grenz-Echo,
7.2.74 und 14.2.74.
2. A. DERYCKEL: Les communes de la province de Li&ge, 1892.
3. E. DE SEYN: Dictionnaire de l’histoire de Belgique, 1960.
— Dictionnaire historique et g&ographique des communes belges
(1949-1950).
4. G. GRONDAL : Notices historiques sur Remersdael, 1953.
5. JANE d’OTHEE: Le chäteau de Streversdorp et ses anciens
Seigneurs, 1955.
84
6. M. LAGARDE : Histoire du Duche de Limbourg, 1846.
7. Dr. LENS: Armorial du Duche de Limbourg et des pays d’Outre-
meuse, 1947.
8. J. LANGHOR: Eupen, Moresnet et le Nord-Est de la province
de Liege, 1924.
9. A. MINDER: Le Duche de Limbourg et la R&volution braban-
conne, 1948
10.F. PAUQUET: Le territoire contest& de Moresnet dit Moresnet-
Neutre, 1960.
11.F, PAUQUET: Der Königshof Geminiacum in: Jahrbuch Eupen-
Malmedy-St. Vith, Bonn 1966, S. 163-181.
12.G. POSWICK: Les delices du Duche de Limbourg, 1951.
13.E. POUMON: Les chäteaux du Pays de Liege, 1970. $
14. Dr. W. SCHOPPMANN: La formation et le d&veloppement terri-
torial du Duche de Limbourg du XIieme siecle jusqu'en 1288, 1964.
15. P. XHONNEUX:: Les possesseurs du fief de Schimper ä Moresnet,
1952.
85
Das Portrait : Jean Herzet
von G. De Ridder
Mit Jean Herzet stellen wir Ihnen einen weit über die
Grenzen unseres Landes bekannten Künstler vor, der als
Geiger, Kapellmeister, Organist und Komponist prägend die
Musikpflege in unserer Gegend beeinflußt hat. Ein Blick auf
sein Schaffen genügt, um zu erkennen, daß seine Beliebtheit,
verdientermaßen, grenzenloses Ausmaß angenommen hat.
Ehrenvolle Auszeichnungen, u. a. der höchste Födekam-
Orden, der Kommandeursorden für besondere Verdienste, wur-
den dem talentierten Dirigenten anläßlich seines 25-jährigen
Jubiläums zuteil.
In eine Welt von Instrumenten und Tönen wurde der am
26. April 1918 in Gemmenich geborene Jean Herzet aufge-
nommen, waren doch Vater und Großvater bereits angesehene
Organisten unserer Gegend. Der aus einer kinderreichen Fami-
lie stammende musikalische Vater hatte sich, bei den geringen
Ausbildungsmöglichkeiten, als Autodidakt das Spielen vieler
Instrumente angeeignet. Als Musiklehrer, Dirigent und Orga-
nist in Bleyberg und Moresnet-Kapelle war er in verschie-
denen Gesangvereinen und Kapellen erfolgreich tätig. Zu den
täglichen Proben nahm der Vater den Sohn frühzeitig mit.
Wann genau Jean Herzet zu musizieren anfing, vermag er
nicht mehr zu sagen. Etwa als er zum erstenmal in die Se
Schule ging, begann er auf dem Klavier zu spielen. Mit 9
Jahren wandte er sich dem Geigenspiel zu. Dieses Instrument
war eines der beliebtesten der Zeit. Als er zusammen mit
seinem Vater im Kinoorchester von Gemmenich und Bleyberg
Stummfilme musikalisch untermalte, verdiente sich der Junge
das erste Geld. Oft war der Film so spannend, daß er das
Spielen vergaß, erinnert er sich heute mit Schmunzeln. Der
Vater übertrug seine ganze Musikalität auf den Sohn. Als
seine Möglichkeiten erschöpft waren, schickte er den 13-jäh-
rigen 3-4 mal pro Woche auf die Musikschule nach Verviers.
Für damalige Verhältnisse war das eine Besonderheit.
Nach Abschluß der Volksschule in Gemmenich begann er
1932 am Konservatorium in Verviers das Geigenstudium bei
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Nicolas Fauconnier, einem ausgezeichneten Pädagogen. In der
Harmonielehre unterrichtete ihn Prof. van Ulft. Der Direktor
und Komponist Albert Dupuis führte ihn in die Kammermusik
ein. Bei der Abschlußprüfung 1938 errang er als alleiniger
Kandidat in der höchsten Klasse den ersten Preis: La Me-
daille du _ Violon.
S Sehr bald wurde er zum Militär eingezogen. Als Dienst-
pflichtiger des Jahres 1939 wurde er dem Fort ”Aubain Neuf-
chäteau” bei Lüttich zugeteilt, in dem viele aus dem Nord-
osten der Provinz Lüttich ihren Dienst ableisteten. In dieser
kleinen Festung bestand für Jean Herzet der Militärdienst
fast ausschießlich aus musikalischer Tätigkeit, denn schon am
zweiten Tag nach Dienstaufnahme sprach ihn ein leitender
Offizier an: ”Sie sind doch der Musiker aus Gemmenich ?
Können Sie nicht eine kleine Kapelle bilden, damit wir ein
bißchen Unterhaltung haben ?” Gern willigte Jean Herzet
ein, denn allzu große Lust zum Geschirrspülen und Kartoffel-
schälen, wie dies die jungen Rekruten üblicherweise tun
mußten, verspürte er sowieso nicht.
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Mit seiner Kapelle spielte er nicht nur im Fort, sondern
auch außerhalb. Er veranstaltete zugunsten der Familien der
Mobilisierten Tanzabende. Als am 23. Mai 1940, nach einer
13 Tage dauernde Verteidigung, das Fort nicht mehr gehalten
werden konnte, geriet er in Gefangenschaft und kam nach
Ostpreußen. Aber schon nach 3 Monaten wurden Neubelgier
und Flamen in die Heimat entlassen. ”Deutsch auf Widerruf”
stempelte ihm die hiesige Gemeindeverwaltung in den Perso-
nalausweis.
Jetzt war guter Rat teuer. Wie konnte er musikalisch
tätig sein? Vorerst erteilte er Privatunterricht. Aber Jean
Herzet wollte weiterlernen. Der Weg nach Verviers war ab-
geschnitten. So wandte er sich an Dr. Freistedt, Direktor des
Gregoriushauses in Aachen. Unter seiner Leitung fing er an
diesem Konservatorium mit der Harmonielehre wieder neu
an. Prof. Max Pfeifer erteilte ihm Geigenunterricht bis er
selbst Geigenlehrer einer großen Anzahl von Schülern wurde.
Mit der Bombardierung des Konservatoriums, kurz vor
Kriegsende, waren für Jean Herzet arbeitsreiche Jahre zu
Ende.
Nach Beendigung des Krieges, im Mai 1945, heiratete er
Lily Koenigs aus Moresnet-Kapelle, wo er auch seinen Wohn-
sitz für viele Jahre nahm. Von seinem Vater übernahm er
die Stelle eines Organisten in der Gnadenkapelle seines neuen
Wohnortes.
Die große Welle des Akkordeons u. a. verschaffte ihm als
Musiklehrer bald einen großen Schülerkreis, oft bis zu 50
Schüler pro Woche. Er baute eine Tanzkapelle auf, die sich
weithin großer Beliebtheit erfreute. Seine junge Frau, die
bei seinem Vater noch Klavierunterricht genommen hatte,
spielte einige Jahre den Klavierpart im Tanzorchester, und
das machte zwei Gagen aus.
1946 wurde er Leiter des St. Josef Männergesangvereins
Kelmis / Neu-Moresnet. 1949 übernahm er die Leitung des
Cercle Musical von Kelmis und führte ihn über anfängliche
Schwierigkeiten zu späterem Erfolg und Ruhm.
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Als 1951 an der Mittelschule in Kelmis ein Musiklehrer
dringend gesucht wurde, sprang Jean Herzet ein. Diese Arbeit
gefiel ihm. Lehraufgaben an den Mittelschulen von Bleyberg
sowie am Königlichen Athenäum Eupen wurden ihm über-
tragen. Erst später erwarb er das Mittelschullehrerdiplom. An
seine Zeit als Musikerzieher denkt er gerne zurück. Er ver-
suchte immer alle, gute wie weniger gute Schüler, für die
Musik zu interessieren. Er baute Schülerchöre auf, die die
Festlichkeit von Schulveranstaltungen erst recht zur Geltung
brachten.
1963 wurde er Leiter der Harmonie St. Caelilia von Gem-
menich, die sein Vater 45 Jahre geleitet hatte. &
Als er 1965 nach einer glänzend bestandenen Prüfung
in das Lütticher Sinfonieorchester eintrat, ging ein lang ge-
hegter Wunsch in Erfüllung. Dieser Schritt bedeutete für
ihn die Aufgabe seines Lehramtes. Aber unermüdlich, Tag
für Tag, schaffte dieser Mann weiter. Und 1972, nach erneu-
ter Prüfung, erfolgte die Beförderung zum Vorgeiger der
ersten Geigen.
Darüber hinaus dirigiert er seit 1969 die Harmonie St.
Cecilia von Vaals. Nunmehr waren 150 Musiker seiner Obhut
anvertraut. Einen Tag ohne Musik gibt es nun nicht mehr.
Doch Krönung der Arbeit eines Vierteljahrhunderts wurde
das große, unvergeßliche Galakonzert zum 25-jährigen Diri-
gentenjubiläum am 7. April 1974 in Kelmis, an dem Jean
Herzet seine drei Harmonien : Die Koninklijke Harmonie St.
Cecilia Vaals, die Harmonie Royale Ste-Cecile Gemmenich und
den Cercle Musical Kelmis zusammen dirigierte. Wen wun-
dert es noch, daß diesem am 29. Juni in Antwerpen wieder-
holten Galakonzert mit den drei Kapellen ein ebenso großer
Erfolg beschieden wurde ?
Unaufhörlich ging die Arbeit weiter. Am 21. Juli dieses
Jahres wird sich die Harmonie von Gemmenich mit Lieb-
haberorchestern aus aller Welt in Kerkrade messen. Die Har-
monie von Vaals, die in der höchsten Kategorie von Holland
spielt, muß 1975 wiederum diesen Platz verteidigen. Die Har-
monie von Kelmis wurde Landesmeister in der Exzellenz-
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kategorie. Und das Lütticher Sinfonieorchester, das acht Kon-
zerte in Lüttich gibt, an den Festspielen von Stavelot, der
Wallonie und Flandern teilnimmt, genießt weit über die Lan-
desgrenzen einen guten und ehrenvollen Ruf.
Die Arbeit von 25 Jahren in Kelmis, Gemmenich, Vaals
und Lüttich, wurde sie auch von Erfolg gekrönt, hat ihm
doch viel Kraft abverlangt.
Und welch ein Wirkungskreis für einen Musiker, der
weit über die Grenzen seiner Heimat geschätzt und beliebt
ist! Wie vermag er der ständigen Forderung nach persön-
lichem Einsatz nachzukommen ?
Der Mensch Jean Herzet tritt bescheiden hinter seinem
Werk zurück. Beide bedingen und identifizieren einander. Sein
Leben gehört der Musik und dafür setzt er sich mit Leib
und Seele ein. Dienst an der Musik ist ihm alles. So will
er auch sein Wirken als Musikerzieher verstanden wissen.
Möglichst viele für die Musik zu interessieren ist sein Haupt-
anliegen. Wenn man seinen Idealismus bewahren will, muß
man sich mit ganzer Kraft einsetzen, nur so kann man Musik
weitergeben. Das Interesse der heutigen Jugend für Musik
ist ihm daher eine besondere Freude.
Unermüdlich ist er bestrebt, auf seine Weise, die Kluft
zwischen Volks- und Kunstmusik zu überwinden. Zwar spielt
eine Blaskapelle vorwiegend Volksmusik, aber sie hat dech
ihren Stellenwert. Wenn auch Jean Herzet mit jeder Harmo-
nie ein unterschiedliches Programm mit unterschiedlichen
Zielvorstellungen durcharbeitet, so werden doch alle drei nach
einem Prinzip geführt. Immer ist ein Teil des Veranstaltungs-
programmes der klassischen, der andere Teil der modernen
Musik gewidmet. Er läßt leichte Stücke spielen, um dem
Amateurspieler zu einem Erfolgserlebnis zu verhelfen, und
um ihn allmählich an schwerere Werke heranzuführen. Der
häufige Wechsel in der Orchesterbesetzung bedeutet für ihn
einen ständigen Neubeginn. Während der vergangenen 25
Jahre sah er viele Musiker kommen und gehen. Daher findet
90
er eine persönliche Genugtuung darin, wenn es ihm gelingt,
mit Amateurmusikern eine gewisse Leistung hervorzubringen,
die auch anerkannt wird.
Aber das bisherige Lebenswerk des Geigers, Kapellmeis-
ters und Organisten bliebe unvollkommen, würde nicht auch
der Komponist Jean Herzet gewürdigt. Mit aller Vitalität des
Musikers hat er vorwiegend Originalmusik für das Blasor-
chester komponiert. Hat er früher mit seiner Tanzkapelle
Unterhaltungsmusik komponiert, so ist doch jetzt mit seinen
Werken wie ”Calaminia’”, ”Marche des Travailleurs”, ”Colo-
nel Peckham”, um nur einige wenige zu nennen, seine Vor-
liebe für Blasmusik unverkennbar. “
Nach einem besonderen Wunsch für die Zukunft befragt,
meint Jean Herzet nachdenklich, daß eigentlich jede bedeu-
tende Stadt ein Kulturzentrum haben müßte, in dem klassische
Musik in einem entsprechenden Rahmen aufgeführt werden
könnte.
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In der Nacht
von M.-Th. Weinert
Tausend Lichter in dieser Stadt,
und der Himmel ist weit.
Niemand, der ihn gesehen hat,
denn der Dunst liegt über der Stadt,
das grelle Licht es schreit,
und es hat niemand Zeit.
Draußen hat die Nacht ein Gesicht,
von ruhenden Dingen bewohnt,
die scheuen Tiere lärmen nicht,
sie lauschen nur, die Quelle spricht,
die glitzert in der Sterne Licht
und schimmert unterm Mond.
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Ech ben e Jömmelech jebore, Hej han ech och ming Kamerote,
Hej han jespellt ech ene Sand, De betste Vrönde vond ech hej,
En onjesörchde Kengerjohre Op dön, do kann ech mech verlote,
Han en mie Dörp ech hej jekannt. Die stönd e Nuet en Duet mech bej.
Dröm well e Jömm’lech ech mär läve, Dröm well e Jömm’lech ech mär läve,
Denn die Erenn’rong es doch schönn; Denn Vrönde han, dat es doch schönn;
Et kann je Dörp rondöm mie jäve, Et kann je Dörp rondöm mie jäve,
Wu ech esue jot mech verjönn. Wu ech esue jot mech verjönn.
Hej ben ech nojjen Schuel jejange Van op e Lauch bes en Tersasse
Met Bös en Tafel ejjen Rans, Kenn jedder Bom ech, jedder Struk ;
Vör Stropereje atevange, Mie janze Läve es verwasse
Lop ech och now ov dann derlans. Met jedder Jatz en jedder Huk.
Dröm well e Jömm’lech ech mär läve, Dröm well e Jömm’lech ech mär läve,
Denn die Erenn’rong es doch schönn; Denn hej e Jömm’lech es et schönn;
Et kann je Dörp rondöm mie jäve, Et kann je Dörp rondöm mie jäve,
Wu ech esue jot mech verjönn. Wu ech esue jot mech verjönn.
En dovör jonn ech jäer spazeere
Rond öm dat Stöckske Heemetäed,
Bes dat ming Been de Kraft verleere,
En ech hej stell bejrave wäed.
Jo, hej e Jömmelech te läve
Bes an et Eng, dat es doch schönn ;
Et kann je Dörp rondöm mie jäve,
Wu ech esue jot mech verjönn.
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An Heimat und Bauer
von Jos. Küpper
O Heimatland, Limburgerland
Drin unsrer Sippe Wiege stand,
Du schönes Land mit Berg und Tal,
Wo Herden weihen, groß an Zahl
Auf grünen Auen überall.
Dein Werden zählt vielhundert Jahr
Und wechselvoll Dein Schicksal war ; .
Manchen Herrscher sahst du kommen,
Böse und auch viele Frommen,
Wurdest oft arg mitgenommen.
Du warst vor tausend Jahr und mehr
Tummelplatz für Wolf und Bär,
Zu Kaiser Karls des Großen Zeit,
Beim Hifthorn und Gebell der Meut’
Der Jagdgrund dieses Kaisers Leut.
Manch Volksstamm kam und dann verschwand,
Bestehen blieb’s Limburgerland,
Leibeigenschaft hat’s nie gekannt
Mein Heimatland, Limburgerland,
Des freien Bauern kostbar Pfand.
O schöne Heimat, weit bekannt,
Land der grünen Au’n genannt
Bist köstlich, herrlich anzuschaun,
Der wir den Ahnen gleich vertraun
Und die wir heute selbst bebaun.
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Dies Land, das uns der Vorahn schuf,
Erhalten wir ihm seinen Ruf ;
Wo fleißig ist und stets gerecht
Des freien Bauern stark Geschlecht,
Kann’s nie ergehn der Heimat schlecht.
Und kommt des Unheils auch mal viel
So denket stets ”Wie Gott es will”
Vertrau Ihm alles, was ist Dein,
Sag ”ja” zu Seinem Tun, nie ”nein”,
Es wird zu Deinem Besten sein.
Laßt nicht betören Euren Sinn,
Seid gut, tut recht auch fürderhin,
Viel Glück bringt’s Euch und auch Gewinn.
Denkt nichts Arges, schaut nicht zurück,
Vor uns liegt alles, - auch das Glück.
Nicht Neid noch Zwietracht soll mehr sein.
Schließt drum zusammen Eure Reih’n,
Viel Gutes wird uns dann gedeih’n
Im uns vertrauten Unterpfand :
Dem Heimatland, Limburgerland.
(Der landwirtschaftlichen Schule in Eupen gewidmet -
Sommer 1938.)
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Kennst Du Deine Heimat ?
Unter dieser Frage, melde ich mich wieder bei meinen
Quizfreunden und den Lesern unserer Zeitschrift.
IN EIGENER SACHE :
Hatten wir in der Vergangenheit vorwiegend religiöse
Motive und sakrale Bauwerke zu finden, so soll jetzt eine
Erweiterung der Motive stattfinden, so daß auch Burgen, alte
Bauten, Herrenhäuser und was es sonst an geschichtlichen und 2
kulturellen Sehenswürdigkeiten in unserer engeren und wei-
teren Heimat gibt, gesucht und entdeckt werden.
Da wir aber auch Mitglieder und Leser unserer Zeit-
schrift in den angrenzenden Ländern des Göhltales haben,
werden wir von Zeit zu Zeit auch einen Blick in diese Gebiete
werfen.
So würde es mich nicht wundern, wenn Fragen oder
Quizaufgaben für Aachen und seine Umgebung, Valkenburg
oder Eupen gegeben wären. Na, wir werden sehen...
Im voraus wünsche ich schon heute allen Lesern recht
viel Spaß und vielleicht etwas Kopfzerbrechen bei der
Bildfrage :
”KENNST DU DEINE HEIMAT ?”
Und nun zur Sache :
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stellt eine religiöse Kundgebung dar.
Frage: wann und wo fand sie statt? Was ist bemerkens-
wert daran ?
Ja, das wär’s dann für’s erste einmal. Daß die Lösung
nicht allzu leicht ist, glaube ich schon, aber viel Spaß beim
Suchen wünscht
Euer Quizfreund : Jac. Demonthy.
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