Im Söhltal
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Im Göhltal
ZEITSCHRIFT der
VEREINIGUNG
für
Kultur, Heimatkunde und Geschichte
im Göhltal
|
No 11
JUNI 1972
Vorsitzender : Peter Zimmer, Kelmis, Siedlung P. Kofferschläger, 10.
Sekretärin : Frl. Georgette Xhonneux, Neu-Moresnet, Lütticher Straße, 168
Tel. 59.467
Lektor : Alfred Bertha, Hergenrath, Bahnhofstraße 20 b
Schriftleiter : Jules Aldenhoff, Gemmenich, Craborn 9 A.
Kassierer : Fritz Steinbeck, Kelmis, Kirchstraße, 20
Bankkonto 251.251 der Societ& Generale de Banque, Verviers (P.S.K. 695)
Die Beiträge verpflichten nur ihre Verfasser.
Alle Rechte vorbehalten.
| Entwurf des Titelblattes : Frau Pauquet - Dorr, Kelmis.
Diese Skizze zeigt den Moresneter Göhlviadukt sowie die Hergenrather
Hammerbrücke in ihrer ursprünglichen Form.
| Druck. : Jacques Aldenhoff, Gemmenich,
Mitteilung
Da die in den letzten Jahren angestrebten Erscheinungs-
daten unserer Zeitschrift (Ende Juni und Ende Dezember)
wegen Überlastung der Drucker gerade in den Monaten
Mai-Juni und November-Dezember schwer einzuhalten sind, hat
der Vorstand der Vereinigung in seiner letzten Sitzung einstim-
mig beschlossen, die Erscheinungstermine der Zeitschrift um je
zwei Monate zu verschieben : besser, der Leser weiß, daß sie
ihm erst Ende August und Ende Februar zugestellt werden kann,
als daß er jedesmal über unvorhergesehene Verspätung ungedul-
dig wird.
Diese Verlegung der Erscheinungstermine hat zur Folge,
daß in diesem Jahr nur eine Nummer herauskommt. Für die
Abonnenten bedeutet das keinerlei Verlust. Das Jahresabonne-
ment schließt die Februarnummer des folgenden Jahres mit ein,
und selbstverständlich würde sie auch demjenigen noch zuge-
stellt, der bei Jahreswechsel seine Mitgliedschaft aufsagen würde.
|
Inhaltsverzeichnis
Der Schriftleiter Mitteilung 3
Geschichtliches :
Franz Uebags, Kelmis Aus der jüngsten Geschichte des
Altenberger Grubenfeldes 5
F. De Bock und G.A,R. Ein Einwohner aus Hergenrath in
de Smet, Gent der Grande Arme, J. H. Berners GE
schreibt nach Hause 19
Alfred Bertha, Hergenrath Louis-Marie Chabert, ein Franzose
als Bürgermeister der Doppelgemein-
de Hergenrath/Hauset 1797-1814 26
Erlebtes :
Leo Homburg, Hauset Bienenzucht im Wandel der Zeit 39
Franz Uebags, Kelmis Erinnerungen aus meiner Schulzeit 45
Verschiedenes :;
Gerard Tatas, Gemmenich Enge Jedanke (Gedicht) 59
Gerard Tatas, Gemmenich Et Fo Tienzentimestöck (Gedicht) 60
J. Demonthy, Neu-Moresnet Foto-Quiz : Kennst Du Deine Heimat? 62
Gerard Tatas, Gemmenich Tätigkeitsbericht 1971 67
5
Aus der jüngsten Geschichte des
Altenberger Grubenfeldes
von Franz Uebags
Die Grube Mützhagen
Nach der Stillegung sämtlicher Erzgruben der ”Vieille Mon-
tagne” hat man immer den Eindruck gehabt, daß damit auch
deren Geschichte uninteressant geworden sei. Von alle dem, was
sich einstens diesbezüglich in unserer Gegend zugetragen hat,
wurde schon sehr bald nichts mehr erwähnt. Es schien, als sei
das Ganze nur ein Traum gewesen. Die entlassenen Arbeiter
fanden außerhalb unserer Gebiete eine neue Beschäftigung und
vergaßen recht bald die zuvor ihnen Sorgen bereitende Schlie-
ßung ihrer Arbeitsplätze. ”Es war einmal”, so hieß die Parole,
und daran ließ sich nichts ändern. Der Mensch mit seinen Zu-
kunftsplänen spricht immer lieber von morgen als von gestern
und so kam es, daß das Vergangene schnellstens vergessen wur-
de, Ab und zu, wenn alte Kumpels sich trafen, kam es zu einem
Rückblick, der das Gewesene nochmals so richtig aufwärmte.
Meistenteils galt dieser Zeitabschnitt als verflossen. Mußte das
nicht dazu führen, daß die jüngere Generation die Geschehnisse
in ihrer Heimat ignorierte ?
Umso erfreulicher ist es, heutzutage festzustellen, wie die
Geschichte des Altenberges wieder nach und nach bei vielen An-
klang findet. Des öftern hört man erneut hier oder da Gesprä-
che betreffs der alten ehmaligen Zechen. Es ist anzunehmen, daß
unsere Zeitschrift eine gewisse Anregung für derartige Unter-
haltungen gibt. Viele Flamen und Niederländer trifft man
in der Sommer- und Ferienperiode auf den Geländen, wo frü-
her die Schächte der Bergwerke in die Tiefe führten. Vorwiegend
sind es Studenten und solche Personen, die genauestens den Wer-
degang der Altenberger Gesellschaft hier im Bezirk an der Göhl
kennen. Offen gestanden, sind diese Fremden besser über die
Ausbeutung des hiesigen Grubenfeldes informiert als viele, die
hier zuhause sind. Sie möchten zu gerne das kostbare Gestein
kennen und buddeln oft tagelang auf dem Gelände herum, in
der Hoffnung, hier noch einen Erzklumpen zu finden.
6
Vergangenen Sommer hatte sich eine Gruppe holländischer
Studenten im Emmaburger-Wald, auf dem Platz vor dem Oskar-
Stollen der Grube Schmalgraf, mit ihren Zelten niedergelassen.
Sie kamen aus Amsterdam, um dort 14 Tage ihrer Ferien zu
verbringen. Es waren 18-jährige Burschen, die den Weg nach
hier mit dem Fahrrad zurückgelegt hatten. Sie hatten es sich
zur Aufgabe gemacht, hierher zu kommen und für ihren Professor
einige wertvolle Steine aus der Grube zu suchen. Zufällig machte
ich dorthin einen Spaziergang, kam mit den Jungen ins Gespräch
und hörte gleich von ihrem Vorhaben. Daraufhin erklärte ich
ihnen, daß durch den Stollen - zu der Zeit stand die Mündung a
noch offen, heute ist sie zubetoniert - das gewonnene Rohmaterial
aus der Grube geschafft wurde. Dabei sei öfters ein Kippwagen
entgleist und ein Teil der Ladung in den Wassergraben gefallen.
Ich riet ihnen, mit größter Vorsicht da nach dem zu suchen, was
sie brauchten. Wie gesagt, so getan. Ihre Suche blieb nicht un-
belohnt. Sie fanden acht verschiedene Gesteinsarten, die sie sorg-
fältig verpackten, Sie dankten für meine Auskunft, die ihnen
gleichzeitig verraten hatte, daß ich auch noch einiges mehr über
die Blei- und Zinkgruben wissen mußte.
Ich wurde mit Fragen überflutet und eine weitgehende Un-
terhaltung nahm den ganzen Nachmittag in Anspruch. Die Aus-
länder waren über die eingegangenen Betriebe gut unterrichtet.
Sie nannten, außer einem, die Namen aller Gruben. Die Teufen,
die Daten der Inbetriebnahme und Schließung sowie das ganze
Arbeitsverfahren kannten sie ausführlich. Das alles soll gesagt
werden als Beweis dafür, wie weit über die Grenzen hinaus die
Vergangenheit unserer Gegend bekannt geworden ist. Doch der
Name Mützhagen war ihnen völlig unbekannt, so wie er auch
den Bewohnern unserer Ortschaften ein Rätsel sein dürfte. Wer
weiß heute noch, was Mützhagen war und wo es lag? Genauso
soll es früher auch gewesen sein, ein ziemlich unbekanntes Werk,
obschon es für denselben Zweck errichtet wurde wie die anderen.
Woran das gelegen hat, ist schwer zu sagen. Es sei denn, daß
die Behauptung, Mützhagen sei sozusagen das Stiefkind der Ge-
sellschaft gewesen, zuträfe, Ungern und widerwillig seien die
Bergleute der anderen Werke nach Mützhagen gegangen, wenn
sie zur Aushilfe dorthin verpflichtet wurden. Das Arbeitsklima
8
| Näheres über den Namen ”Mützhagen”
| Der Flurname Mützhagen wird erstmalig 1289 mit Chre-
tien de Mützhagen erwähnt. Nach Dr. M. Kohnemann (”Flur-
namen des Walhorner Landes”) soll ”Mützhagen” eine gestutzte
oder von Natur aus verstümmelte, d.h. aus Krüppelholz beste-
| hende Hecke bedeuten, so wie eine Brennhag eine Schlaghecke
bedeutet. So gesehen, käme der Stamm des Verbes mutzen
(= verstümmeln) in Frage. Denselben Flurnamen bei Laurens-
berg. Siehe auch N° 1670 Mützhof-Hof zu Astenet. 1420 Mütz-
hagens Hof,
Die Lage des Werkes
Mützhagen, das fünfte unterirdische Unternehmen der ”Al-
tenberger Gesellschaft” lag, wie die Gruben Lontzen und Esch-
broich, auf dem Gebiet der Gemeinde Lontzen, ca. 100 Meter
Östlich-nordöstlich des Weißen Hauses, an der Landstraße, die
von Lüttich nach Aachen führt. Da, wo einstens ein solides
Holztor den Eingang zum Werk sicherte, steht heute eine Tank-
stelle. Dahinter, auf dem früheren Grubenplatz, befindet sich
noch ein Gebäude, sozusagen das letzte Überbleibsel des dama-
ligen Betriebes. Es wurde ausgebessert und dient nun als Woh-
nung des Tankstellenwärters. Auf dem mit roten Ziegeln be-
legten Dach fallen dem von Henri-Chapelle und Herbesthal Kom-
menden schon von weitem die weissen Buchstaben E.F.A. (Eta-
blissements Francois Aussems) auf. Immerhin ist noch ein Stück
”Mützhagen” geblieben,
Die Inbetriebnahme
Die Grube am ”Weißen Haus”, zu der die Bohrungen schon
1890 begannen, wurde genau wie Grube Lontzen im Jahre 1900
ins Leben gerufen. Erstere öffnete ihre Tore zu Beginn des neuen
Jahrhunderts und letztere im Herbst desselben Jahres. Bekannt-
lich war es Direktor Charles Timmerhans, der zu diesem Zeit-
punkt die Abteilung ”Moresnet” leitete. Bei Ausbruch des er-
sten Weltkrieges sollen gewisse dort beschäftigte Arbeiter beim
Grenzübertritt Schwierigkeiten gehabt haben. Aus diesem Grun-
de habe das Werk in den Kriegsjahren quasi stillgelegen. Einige
9
| Bergleute hatten die Aufgabe, mit ihrem Vorgesetzten für die
Aufrechterhaltung der Zeche zu sorgen. Nach Kriegsende sei
dann die Arbeit wieder normal verlaufen.
Die Betriebsleitung
Der aus Deutschland stammende Steiger Strobel hat gleich
bei Beginn des neuen Unternehmens die Führung übernommen.
Seine beiden Oberhauer, Herr Jakob Fey aus Welkenraedt und
Herr Joseph Lautermann aus Lontzen-Busch, teilten mit ihm die
Verantwortung in der Tiefe. Herr Strobel, so wird behauptet,
habe nach dem Waffenstillstand von 1918, laut Beschluß höhe-
rer Gewalt, wegen unfairen Verhaltens während des Krieges ge-
genüber seinen Arbeitern belgischer Nationalität das Land ver-
lassen müssen, Nach seinem Abschied übertrug die Direktion
dem Oberhauer Fey die Gesamtleitung des Werkes. Herr Fey,
der diese große Aufgabe zu schätzen wußte, blieb für seine
Kumpels in jeder Hinsicht ein reeller und vorbildlicher Vorge-
setzter. Er fungierte bis zum Toresschluß,
Auf dem Grubengelände
Die Breite des Betriebsgeländes verlief mit der Straße und
war ziemlich schmal, umso mehr dehnte es sich jedoch in die
Tiefe. Ganz nahe bei der Straße lag das Grubenholz. Dahinter
standen die beiden Gebäude, zwischen denen der hohe eiser-
ne Förderturm das Ganze überragte. In dem Bau, der heute
noch dasteht, sich früher aber mehr nach hinten ausdehnte, war
frontal zur Straße das Steigerbüro eingerichtet. Daneben
befanden sich Wasch- und Ankleideräume von Steiger und
Oberhauer. Daran reihten sich die von den Bergleuten benötig-
ten Räume. Magazin und Lampenbude bildeten den Schluß des
langen Baues, In dem quergelegenen Gebäude fand man die
Förderkammer, das Kesselhaus mit den beiden Dampfkesseln,
den Luftkompressorraum, die Schreinerei und eine kleine Schmie-
de. Im Hintergrund bildeten die Halden die Grenze des Gru-
benplatzes. Das Betriebsgelände war mit Eisenpfählen und Sta-
cheldraht abgezäunt.
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11
hindurch in Begleitung eines Hundes den Weg von Kelmis (er 3
wohnte im letzten Haus in der Ruhr) bis zum Werk immer zu j
Fuß zurückgelegt.
Die Belegschaft
Alles in allem haben auf diesem Werk nie mehr als 30
Mann gearbeitet. Nach 1918 soll die Zahl noch geringer gewe-
sen sein. Bei der Schließung, i. J. 1935, wurde den letzten 18
Übriggebliebenen gekündigt, Die Belegschaft hat meistenteils
aus Männern von Welkenraedt, Lontzen und Henri-Chapelle
bestanden. |
Die Arbeitseinteilung
Gearbeitet wurde nur in zwei Schichten, der Früh- und
Nachmittagschicht, Selbstverständlich mußten Heizer, Pumpen-
knechte und Nachtwächter auch an Sonn- und Feiertagen antre-
ten. Nur ganz kurze Zeit ist vor Schichtbeginn gebetet worden.
Die Posten erteilte wie überall der diensttuende Vorgesetzte.
Die Teufe
Schon im Jahre 1913 war der Schacht bis 81 Meter ge-
sunken. Die Teufe ist bis zur Stillegung stets dieselbe geblieben.
Die Gründe, weshalb nicht eingedrungen wurde, bleiben unklar.
Vermutungen zufolge hat man einen zu großen Wasserzustrom
befürchtet.
Die Sohlen
Die Grube war in drei Etagen eingeteilt, die 28, 45 und
die 81Meter-Sohle. Auf den beiden ersten Sohlen hatte man
schon seit 1913 die Suche nach Erz aufgegeben und sie galten
seitdem als abgebaut. Wie zu ersehen, ist in den übrigen Jahren |
nur mehr auf der tiefsten und letzten Sohle die Ausbeutung wei-
tergegangen. Auf Sohle 28 stießen zwei Strecken, eine nach SW,
die andere nach Norden vor. Die Explosivstoffe, die von Kel-
mis nach hier per Fuhrwerk gebracht wurden, lagen auf der
ersten Sohle in Sicherheit. Auf den tieferliegenden Sohlen dran-
gen drei Stollen, einer nach NO, der andere nach NW, und der
dritte nach Norden in den Felsen ein. Nach üblicher Art bauten
auch hier die Bergleute das kostbare Gestein ab. Knatternde
12
| Preßluftbohrhämmer, Zündschnur und Dynamit brachten die
Masse in Bewegung, um sie dem Erdschoß entnehmen zu können.
Sturzrollen hat es wenige gegeben, schon aus dem Grunde, weil
die zwei obersten Sohlen zu schnell außer Betrieb kamen. Unten,
auf 81Meter, brachten die Lehrhauer die Blende von Vorort mit
Schiebekarren bis zu einer bestimmten Ablagerungsstelle. Da ver-
luden die Fahrjungen die Beute in Kippwagen und brachten sie
zum Förderschacht. Sämtliche Bahnen wurden mit Holzstämmen
gestützt und verbaut. Mitten im Gang, der zum Schacht führte,
floß in einem Wassergraben das sorgenbereitende, flüssige Ele-
ment. Wasser soll auf Mützhagen nie Mangelware gewesen sein.
Der reichlichen Flüssigkeit die Stirn zu bieten, hingen im Pum-
penschacht zwei saugkräftige Hängepumpen. Beide hingen an
einem dicken Drahtkabel. Darauf saß der Pumpenknecht, der
nichts anderes zu tun hatte, als seiner Turbine das nötige Öl zu
geben, und der bei jedem Defekt den Fördermaschinisten durch
eine Glocke alarmierte, die Pumpe maschinell hochzuziehen.
Damm- und Wettertüre fehlten auch nicht. Auf jeder Sohle brann-
te am Schacht elektrisches Licht. Der Bergmann hatte kein an-
deres Licht als seine Karbidlampe.
Die Schächte
Im Hauptschacht, dem sogenannten Förderschacht, stiegen
und sanken zwei eiserne Körbe, In jedem konnten vier Mann
stehen, mithin ging die Personenseilfahrt der kleinen Arbeiter-
zahl wegen rasch von statten. Man entzog der Erde tagtäglich
ungefähr 30 bis 36 Kippwagen Blende und manchmal 5 - 8 Wa-
gen unbrauchbares Gestein, das der Schachtmann zur Halde rol-
len mußte. Eine durchgehende Förderung war unmöglich, weil
dafür die Produktion zu gering ausfiel. Da blieb es nicht aus,
daß der Maschinist und der Mann am Schacht nebenbei andere
Arbeiten verrichten mußten.
Zwecks normaler Luftzirkulation, wie sie in einer Zeche er-
forderlich ist, führten unweit des Grubengeländes, in den benach-
barten Wiesen, zwei Luftschächte hinunter in das Erdinnere, Ei-
ner davon lag 20 Meter nordöstlich, ein zweiter 100 Meter süd-
lich, in der Wiese längs der Herbesthaler Straße. Vielen Passan-
ten sind bestimmt damals die kleinen Bretterbüdchen, die als
Abschirmung der tiefen Löcher dienten, aufgefallen, ohne daß
sie geahnt hätten, was sie bezweckten.
|
13
Wie gelangte das Erz zur Wäsche ?
Für den Transport der Rohstoffe zur Aufbereitung in Kel-
mis hatte die Gesellschaft für jede einzelne Grube Transport-
möglichkeiten schaffen müssen. Ab Fossey zog ein kräftiges
Pferd und von Schmalgraf ein Benzinmotor die teuere Last über
eine Schienenbahn bis zu ihrem Bestimmungsort. Aus Lontzen
dagegen pendelten die mit Blende beladenen Loren an einer
Drahtseilbahn bis zur Wäsche. Ganz im Anfang mußte das Mütz-
hagener Erz auf dem Grubenplatz auf Haufen gekippt und mit
Fuhrwerken weggeholt werden. Da sie sich klar war, daß dieser
mühevolle und langsame Transport nicht die beste Lösung war,
beschloß die Direktion, Mützhagen und Wäsche durch eine Ei-
senbahn zu verbinden. Laut Aussagen soll etwa 1902 mit dem
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Bau der Bahn begonnen worden sein. Vom Ausgangspunkt ”Wä-
sche”, legte man die Schienen direkt hinter deren Einfriedigung,
von wo sie hinunter führten, um gegenüber der kleinen Gasse,
die, vom Krickelstein kommend, in die Hauptstraße mündet (das
”Tummelegäßchen”), in kleiner Kurve den Nebenweg zu errei-
chen. Nun reihten sich die Schienen bis zum Terminus längs Häu-
ser, Wiesen, Hecken und Lindenbäume aneinander. Das Haus
Steyven im ”Bruch”, vis-ä-vis der Haltestelle für die Aachener
Autobusse, war einst der Maschinenschuppen, in dem die kleine
Lokomotive, getauft auf den Namen ”Madeleine”, untergestellt
/ wurde. Sie pendelte Tag für Tag mit vollen und leeren Wagen zwi-
| schen den beiden Betrieben. Ein gewisser Peter Schyns aus Kel-
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mis hat als erster das neue Fahrzeug gesteuert. Nachher hat als-
dann Herr Pieters Antoine aus Kelmis, später Moresnet, den
Posten als Maschinist übernommen. Außer dem Lokführer ge-
hörten zu dem Zuge noch zwei Bremser, die, einer in der Mitte,
der andere am Schluß des Geleits, auf einem Kippwagen standen,
die daran angebrachte Bremsvorrichtung zu bedienen. Die beiden
Kelmiser Kollegen Gerard Decroupet und Peter Bongarts haben
während vieler Jahre den Bremsschwengel gedreht. Durchschnitt-
lich holten diese Männer 36 Wagen Blende von der Grube weg.
Diese Ladung holten sie in drei Fuhren von je 12 Wagen. Bei
Leistungssteigerung in der Erde kam ab und zu eine vierte Fahrt
in Frage. Zur Winterzeit verlief die Fahrerei natürlich nicht im-
mer nach Strich und Faden. Bei Schneeverwehungen, die auf
der langen offenen Straße nicht zu vermeiden waren, kam es
häufiz vor, daß ein Fortkommen unmöglich wurde, Die zuge-
schneite Bahn mußte alsdann von einem Schneeschaufler-Team,
das meistens den ganzen Tag alle Hände voll zu tun hatte, frei-
gelegt werden, daß der Fahrplan eingehalten wurde und keine
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Die Lokomotive der Bimmelbahn
v. I. n. r. Maschinist Pieters, Bremser Bongarts und Decroupet
15
Verspätungen entstanden. Diese mußten unter allen Umständen
vermieden werden, da es sonst in der Tiefe an leeren Wagen
mangelte. In der kalten Jahreszeit liefen die Männer mit Vor-
liebe bergauf streckenweise zu Fuß neben ihrem Zug. Bergab
hieß es jedoch, der drückenden Last wegen seinen Posten nicht
zu verlassen. Das beste Mittel, bei dieser winterlichen Arbeit der
Kälte Trotz zu bieten, ist nach altem Brauch immer nur das er-
wärmende ”Pinkske” (1/4 Liter Schnaps) geblieben.
Anders war es zur Frühlings- und Sommerzeit für den Ma-
schinisten und seine Gehilfen. Dann begann für sie sozusagen
die Erholungszeit und der plattdeutsche Ausdruck ”Now hant
vör de Eule” (Nun haben wir ein schönes Leben) entsprach
ganz der Wahrheit.
Was hätte für uns Kinder ein größeres Erlebnis sein können,
als eine Fahrt mit dem Bimmelbähnchen zu machen ? Obschon
wir wußten, daß das Mitfahren strengstens untersagt war, erwar-
teten wir trotzdem bei der Hinfahrt das Bähnchen auf der Göhl-
brücke, um von da aus den blinden Passagier zu spielen. Maschi-
nist Pieters, allgemein als ”Pietsche Twän” bekannt, war ein rau-
her Kerl mit gutem Kern und hielt an seinen Vorschriften. Wenn
er mit seinem Fahrzeug sich uns näherte, rief er mit geballten
Fäusten : ”Mär net op die Wajels, der Düvelsköpp, sonst bräek ich
Öch et Jenek”. (Nur nicht auf die Wagen, sonst breche ich euch
das Genick.) Doch Bangemachen galt nicht, und mit geschicktem
Sprung saßen wir in einem der Wägelchen drin. Wir fuhren mit
bis zum Lontzener Weg, wo die Rückfahrt abgewartet wurde.
Beim Herannahen des beladenen Zuges hallten schon von weitem
wieder die derben Phrasen des Twän, die uns aber keineswegs
von unserem Vorhaben abhielten. Der Lokführer mäßigte sich
jedoch recht bald und ließ nichts mehr von sich hören bis die
Göhlbrücke passiert war. Dann brüllte er erneut, ”Flot erav van
dä Klumel, dat der Här öch niet dorop siet !” (Schnell von den
Wagen herunter, daß der Direktor euch nicht sieht !) Seinem Be-
fehl leisteten wir hier sofort Folge, da wir als Kind schon wußten,
was der Direktor für eine gefürchtete Amtsperson war. Beson-
ders bei den ganz alten Arbeitern galt er als ein zweiter Gott.
Bei seinem Erscheinen wurde bei den meisten seiner ”Unterta-
|
17 8
lange Dienstzeit nebst all diesen Neueinrichtungen dürften si- |
cherlich von einer gerechten und tadellosen Verwaltung zeugen. q
Das heutige Park-Cafe im Kelmiser Gemeindepark ist früher die
Dienstwohnung des Direktors der ”Vieille Montagne” gewesen.
Die Lohngelder
Das Aufstellen der Lohnlisten war auf jedem Werk Sache |
des Betriebsführers. Nach Fertigstellung brachte man dieselben
zur Buchhaltung in Kelmis. Hier wurden dann die Abzüge ver-
rechnet und die Listen genauestens überprüft. Jeder Arbeiter
wurde bei seinem Dienstantritt automatisch Mitglied der St. Bar-
bara Schützengesellschaft und die Beiträge wurden ratenweise
vom Lohne abgehalten, An jedem 6. und 20. des Monats war
Zahltag, der den Namen Maria-Löhnung erhalten hatte. Betriebs-
chauffeur Baikry, Huppermans oder Struckmeyer brachten die
Buchhalter in dem Wagen der Gesellschaft zu den verschiedenen
Werken, den Arbeitern die Lohngelder auszuhändigen.
Berichterstattung
Wenn auch Mützhagen mit der Direktion telephonisch ver- |
bunden war und durch den Draht die Sachlage besprochen wer- |
den konnte, verlangten Direktor und Grubeningenieur trotzdem ®
einen handgeschriebenen Bericht des Grubenleiters. Dieses Schrei- |
ben gelangte in verschlossener Kassette durch Maschinist Pieters |
von der Grube nach Kelmis und umgekehrt. |
3 Die Stromversorgung |
Nachdem im Jahre 1911 die elektrische Zentrale der Ge- |
sellschaft fertiggestellt worden war, legte man eine Stromzufuhr |
bis zur Grube. Um dieses Projekt ausführen zu können, benötigte
die Vieille Montagne von den Wieseneigentümern die Erlaubnis, |
auf deren Eigentum die erforderlichen Holzmasten plazieren zu
dürfen. Die in Frage kommenden Bauern bereiteten keinerlei
Schwierigkeiten, verlangten nur eine etwaige Entschädigung, was
|
|
7%
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18
selbstverständlich ihr gutes Recht war und keiner großen Ver- |
handlungen bedurfte. Für jeden aufgestellten Mast zahlte die Ge- |
sellschaft jährlich 12,50 Franken. Ich weiß dieses ganz genau, |
weil ich selber in jedem Jahr den Bauern die ihnen zukommende |
Entschädigung ausbezahlen ging.
Die Unglücke |
Wie auf allen Werken, so gab es auch auf Mützhagen Ver- |
wundungen, die manchmal unvermeidlich sind. Unglücke mit
tödlichem Ausgang sind jedoch weder ober- noch unterirdisch
zu verzeichnen gewesen. S
Die Schließung
Dem traurigen Los der Schließung konnte auch Grube Mütz-
hagen nicht entgehen. Die Unrentabilität zwang die General-
direktion zu diesem bedauerlichen Beschluß, der Anfang des
Jahres 1935 Wirklichkeit wurde. Den meisten Bergleuten wurde
gekündigt. Eine geringe Anzahl Männer siedelten zur Nachbar-
grube ”Roer” über. Schon bald begann der Abbruch und das
Werk am ”Weißen Haus” hatte aufgehört zu existieren und das
einzige was geblieben, sind die Erinnerungen.
|
19 |;
Eim Einwohner aus Hergenrath in der Grande Armee A
Johannes Heinrichs Berners aus Hergenrath
schreibt nach Hause. |
von G. de Smet und F. De Bock |
Die beiden unten abgedruckten Briefe gehören zu einem Be- |
stand von etwa 1200 Soldatenbriefen aus der Napoleonischen
Zeit, die kurz nach 1930 im Lütticher Staatsarchiv aufgefunden |
wurden. Sie gehören zu den vielen Aktenstücken aus der fran-
zösischen Zeit, als das Lütticher Fürstbistum (1) in die Repu- |
blik einverleibt war. Sie stammen alle von Einwohnern des ||
”Departement de 1’Ourthe”, zu dem die Gegenden an Voer, Rur 1
und Weser gehörten und das von der Hauptstadt Lüttich aus |
verwaltet wurde. Auch die Aushebung neuer Rekruten für die |
Heere der Republik und des Kaiserreiches, die nach Einführung |
der Wehrpflicht in mehreren Teilen Europas u.a. auch in der |
Eifel, auf lebhaften Widerstand stieß, erfolgte von Lüttich aus. |
Der dortige Präfekt scheint jedoch die Vorschriften des Kriegs- |
ministeriums auf humane Weise interpretiert zu haben. Der Nach- /
weis eines Bruderdienstes konnte Zurückstellung oder sogar
Freistellung vom Militärdienst zur Folge haben, so daß die jungen |
Einwohner des Ourthe-Departements, die einen Einberufungsbe- |
fehl erhalten hatten, Militärzertifikate brauchten, die von den |
Kommandeuren der französischen Truppenteile, zu denen der
Bruder gehörte, auszustellen waren. Als sich jedoch bei der Be- |
schaffung dieser amtlichen Bescheinigungen allerhand Schwierig-
keiten ergaben und dadurch Ungerechtigkeiten zu entstehen droh-
ten, entschied der Lütticher Präfekt, daß auch vor kurzer Zeit |
eingetroffene Briefe von Soldaten der Grande Arm6e als gültige
amtliche Beweisstücke betrachtet und angenommen werden soll-
ten. Es sind diese Briefe, die später von den französischen Dienst- |
stellen mit den übrigen Unterlagen aufgehoben wurden und auf |
diese Weise bewahrt blieben. |
Selbstverständlich handelt es sich in den meisten Fällen um |
Briefe in französischer Sprache. Da das Ourthe-Departement auch
niederländisch- und deutschsprachige Teile umfaßte, befinden
sich unter den in Lüttich aufgefundenen Stücken auch ein Dut- |
zend niederländische Soldatenbriefe (u.a. aus Landen, ’s Graven-
1) Dasselbe gilt vom Herzogtum Limburg, dem wir angehörten.
(Anm. der Redaktion).
20
voeren, Aubel, Teuven, Sippenaeken) und mehr als hundert Brie-
fe in deutscher Sprache. Die Briefschreiber bezw. die angeschrie-
benen Verwandten und Bekannten stammen aus dem östlichen
Randgebiet des Departements, das sich von der Eupener Gegend
(Homburg, Remersdaal, Raeren, Kettenis, Eynatten, Hergenrath)
bis in die Umgebung von St. Vith, Schleiden, Kall und Kronen-
burg erstreckte. Diese Briefe sind nicht nur inhaltlich interessant,
sondern enthalten auch bedeutsames Material für die Kenntnis
der sprachlichen Situation in diesem Gebiet und ermöglichen
wichtige Einblicke in die Mundart, die Umgangssprache und die
zwischen Maas und Rur gebrauchte Schriftsprache. Wohl muß
berücksichtigt werden, daß nicht jeder Soldat, dessen Unterschrift Ü
unter einem Brief steht, auch der wirkliche Briefschreiber gewe-
sen ist; manchmal mußten die ”conscrits” sich der Feder eines
Bekannten oder eines Freundes anvertrauen, so daß mit aller-
hand Sprachmischungen zu rechnen ist.
G. De Smet hat in Taal en Tongval 18 (1966) schon einen
niederländischen Brief von M. Bounie veröffentlicht, der nach
Fairon und Heuse aus Hergenrath stammt. J. H. Berners, eben-
falls aus Hergenrath, von dem hier zwei deutsche Briefe abge-
druckt werden und der diese Briefe ohne Zweifel selber geschrie-
ben hat (was aus einer Mitteilung von Herrn A. Bertha hervor-
geht), hat anscheinend mehr Glück gehabt als der Ketteniser
Arbeitersohn J. J. Wolf, der in Spanien gefallen ist. Herr Bertha
teilt uns mit, daß J. H. Berners im Jahre 1836 als Zeuge ins
Hergenrather Gemeindehaus kommt, um den Tod seines Bruders
zu melden. In der Sterbeurkunde des letzteren wird neben dem
Beruf des Zeugen (Fabrikarbeiter) auch sein Alter angegeben.
J. H, Berners war damals 43 Jahre alt. Er wird also um 1793 ge-
boren sein und war demnach im Jahr 1813, als er aus Koblenz
und Magdeburg an seine Eltern und Angehörigen schrieb, etwa
20 Jahre alt.
Die Briefe werden hier so genau wie möglich abgedruckt.
Auf Korrekturen und moderne Zeichensetzung wurde verzichtet.
Nur das gelegentlich gebrauchte Zeichen // soll das bessere Ver-
ständnis einiger Stellen ermöglichen. Die Zeilenlänge wird bei-
behalten. Undeutliche, aber noch einigermaßen leserliche Stellen
stehen zwischen runden Klammern. Unleserliche Buchstaben wer-
21
den jeweils durch einen Punkt wiedergegeben. Zwischen die Zei-
len oder über die Zeile geschriebene Wörter oder Buchstaben
stehen. zwischen umgekehrten runden Klammern. Durchgestri-
chenes oder Getilgtes wird durch Schrägstriche gekennzeichnet.
Der Akzent über einem Vokal vertritt ein kleines übergeschrie-
benes e-Zeichen ; , seine Funktion steht nicht ganz, fest. (1)
Nur im ersten Brief ist auch die Adresse bewahrt geblieben.
1.
Cobelentz d den 25 februarien 1813
a)
Sen vatter und mutter schwester und brüder
ijch grüse euch düsentfeltig und tühe euch zu wissen
das wir den 24 februarius in cobelentz angecoemen
sind und /euch/ tuehe euch zu wissen das ich noch in
gueter gesundheid bin wie ich auch /./ von euch
verhofe // ich hab ein groses verlangen um zw wissen
wie es ergangen ist mit meinem brueder geradus
ich verhofe das sie mir auf das /gesch./ geswindigste
antwort schreiben dan wen ihr ein sartifikat
gern hettet so sal ich sie euch besorigen // auf die
reise haeben wir bekoemen al zwei daegen 1 francs
wie es uns hier ergehen wird davon wissen wir
noch nicht viel // wen ich noch einmal schreiben
werde dan werde ich euch merere neuigkeiten
schreiben // johannes Renirus havenith ist meinen
schlafkamerath deswegen bin ich auch recht froe
ich verhofe auch das sie mir schreiben werden |;
welche von meinen kameraeten das ietz muesen
maschier)e(n // ijch gruese auch alle verwanten und
bekanten /v/ wie auch Jeinen grus( an den Herren merr
Schaberth
und seine madaeme und kinderren und seine ganze
haussaltung
»
liebe vater und mutter ich denke öfters an euch
/und/ und verhoffe auch das ihr öfters an mir denken
werdet // besonders im gebeth /ist/ // dan das gebeth ist das
1) Dieses übergeschriebene e scheint bald ein Umlauts- bald ein Länge-
zeichen zu sein (Die Redaktion).
22
genige welches uns am meisten notwendig ist
wir siehen auch alle daegen viel folck )nach( maens gehen
das gesprech ist /da/ auch das wir muesen in körzer
zeit nach maens gehen // wie wir an der stath co(eb)elentz
sind gecoemen da haeben wir /on/ unsere kiedelen müsen
verköffen und haeben nicht viel dafuer bekömen // ich haebe
35 Steuber für meinen kiedel bekömen und meinen kaemerath
Renir haevenith
hir ist mein adres 30 Steuber
ä monsieur berners soldat
ä la 85 Regiment d(e)nfantire
3’ compagne 5 batiljon (1) ä coblenlz .
hier ist mein adres ä monsieur
Johannes Henricus Berners Soldat
ä (L) a 85 /B/ Regiment denfantire
3’ compagnie 5 batiljon ä coblentz
° ihr mueset mir auch schreiben ob /eh/ ihr noch nicht
wisset wie es ergangen ist mit Joseph kloth
i ich verhöffe das ihr mein schlegtes schreiben
diesesmal wertet für gut annemen // wen ich
noch einmal schreiben werde dan werde ich
besser schreiben Johanes Henricus Berners °(2)
2.
a)
adrese a(n) monsieur
monsieur joseph
Berners ä hergenrath
departement de L’ourte
canton d’eupen par
eupen a hergenrath
Sito Sito
DD}
Machtenburg den 15°” ijulij 1813
vielgeliebteste vatter und mutter schwester
und brüder jch kan nicht underlaessen
zu schreiben an euch dan jch haebe (e.)
1) 1 und j übereinander geschrieben
2) Der Text zwischen ° ° wurde neben der Angabe der Adresse unten
rechts am Rande nachgetragen, als der Brief schon abgeschlossen war.
|
23
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/ DB COMOAGAUE GAbREHR 0 PRRAÄCH
Zi Saltellı A Afı WC Se:
24
ein groeses verlangen um zu wissen op ihr
noch lebet oder nicht und auch wie es mit
meinem brüder ergangen ist op er noch bei euch
ist oder nicht dan ich bin ietz über 5 monath
von euch und haebe 4 briefen geschreven und
haebe noch kein antwort darauf bekoemen
darum schreibe ich ietz den 5“ brief und
verhöfe dan auch antwort darauf zu bekoemen
also dühe ich euch dan zu wissen das wir
10 daegen in lübeck gelegen haeben (.) und
darnach sind wir vertroeken nach machtenburg
und haeben ettelige dägen eins felt gelegen *
und haeben auch refü gepassirt für den
kaeiser napolium und haeben auch fiele schaeden
gedan ins f(...) (da)n es war (...) folck beisaemen (1)
9
darnach sind wir wiederrum zu der statt /er/
hereingezoegen und seind alle daegen zu verwarten
das wir muessen vertreken n nach Saeckssen zu
der grösen armeij // was mich anbelant ich bin
goott sei dang noch friesh und gesund wie Jich( dan
auch verhoefe das ihr noch alle sein wertet
(mJeine liebste elteren ich 1 verhoeffe das ihr doch
die guedigkeit haebet und schieket mir etwas
gelt wen eure vermoegen es leiden kan dan
ich wol nich haeben das ihr euch groese
unrühe dafür soltet andu)e(n dan ich haebe
noch etwas wo ich euch dan auch dausend :
: feltigen dang für wiesse dan wer kein
gelt haebet der mus hunger und durst
leiden // ich daete nor wunssche das ich nor
einmal könte bei euch sein // ich verhoeffe aber
doch noch einmal bei euch zu koemen // ich
verhoffe aber auch das ihr doch meiner nicht
vergesset im ge(...) (2) dan wir haeben keine (z)
1) Wahrscheinlich : gedan ins felt dan es war fiel folck beisaemen
2) gebeth
25
d)
zeit fuer zu beten // einen grus van
joseph clot an seine lie(b...)utter (1) schwesteren
und /.../ brüder in hergenrath er hat auch
einen brief gescheven aus lübeck auch einen
grus van renirus haevenith an seine
elteren in hauset auch einen grus )van mich( an alle
verwanten und bekanten wie dan auch an
den Herren mert Schaeberth und seine madaem (.)
und kiender und auch an Leonart Rotheuth
wie dan auch an Lambertus Stiekelman
also schreibet mir dan auf das geschwindigste
antwort und schreibet mir alle neuigkeiten
die ir ihr wiesset und welche iungen
das haeben nach mir müssen maeschieren
also schliese ich dan mit s diesen wortten
den brief und verbleibe euerren getreuesder
sohn johannes Henricus Berners bist in den doot
meine aderesse ist a monsieur monsieur
Berners s soldat a la 85 regement
4 battelion 3 compagnie garnison a machten
bu(r.) (*)
1) liebe mutter
* E. FAIRON und H. HEUSE haben in ihrem grundlegenden Buch
Lettres de Grognards de l’Epopee Napoleonnienne (Lüttich-Paris 1936)
die Lütticher Soldatenbriefe für eine ausführliche und ergreifende Dar-
stellung der Schicksale der Rekruten aus dem Ourthe-Departement unter
den Fahnen des Kaisers benutzt.
Vgl. auch
G. DE SMET, Drie oude soldatenbrieven uit de streek van Landen,
WT 24 (64-65), 405-440 ;
Soldatenbrieven uit het land van Overmaas, TT 18 (1966),
27-41 ;
Festschrift M. Zender (im Druck, Bonn, 1972).
A. BOILEAU, Brabantse Taaluitzetting over het Hertogdom Limburg.
Brabant 1 (1968), 14-19.
F. DE BOCK, Vierzig deutsche Briefe von Napoleonischen Soldaten aus
dem Departement de l’Ourthe (Examensarbeit R. U. Gent
1968).
26
Louis-Marie Chabert : ein Franzose
als Bürgermeister der Doppelgemeinde Hergenrath/Hauset
1797 - 1814
von Alfred Bertha
Über Johannes Henricus Berners wissen wir also nur wenig.
Hat er am 26. August 1813 bei Dresden gekämpft ? Hat er am
19. Oktober desselben Jahres die Völkerschlacht bei Leipzig mit-
geschlagen? Hat er den Rückzug Napoleons mitgemacht ?
Ist er in Gefangenschaft geraten oder hat er sich gar absetzen »
können ? Wir wissen es nicht. Sein Name findet sich weder in
den Hergenrather noch in den Hauseter Sterbeurkunden. So muß
man wohl annehmen, daß er verzogen ist, möglicherweise nach
Aachen oder Eupen. Da er Fabrikarbeiter war, ist dies nicht
ausgeschlossen. Der Name Berners, der im 18. und 19. Jh. in
Hergenrath stark vertreten war, ist heute dort ausgestorben,
Bedeutend mehr wissen wir über den ”merr Schaeberth”,
den Berners in seinen beiden Briefen grüßen läßt. Marie Louis
Chabert hat den Geschicken dieser Gemeinde von 1797 bis 1814
vorgestanden. Im Amt des Bürgermeisters folgt er Steffen Egyp-
tien. Geboren war Chabert in Saint-Jean-en-Royans, Departement
de la Dröme, am 12. 12. 1758. Das erste amtliche Dokument,
das mit ”Chabert” unterzeichnet ist, datiert vom 29. floreal des
Jahres 5 der Republik (= 19. 5. 1796).
Als er am 18. brumaire des Jahres 10 der Republik (=
9. Nov. 1801) den ehelichen Bund mit Maria Elisabeth Steenars
aus Meldert (Hasselt) schloß, war er seit 16 Jahren in Hergen-
rath ansässig. Er war ein Landwirtssohn - seine Eltern waren in
Saint-Jean geblieben - und war selber auch Landwirt. Es ist
schwer zu sagen, was ihn 1785 nach Hergenrath verschlagen
hat. Er war jedoch, daran ist nicht zu zweifeln, der richtige
Mann, um nach der französischen Annektion (1795) die Ver-
waltung der Gemeinde zu übernehmen. Er schreibt einwandfrei
die Sprache Voltaires und ist sicherlich genug eingebürgert, um
von den Einheimischen nicht mehr als Fremdling angesehen zu
werden.
ZT
Er hat es gewiß nicht immer leicht gehabt, er, ein Franzose,
die deutsch oder flämisch klingenden Namen der Hergenrather
und Hauseter richtig zu schreiben. So kommt es denn auch zu
wirklich sehr phantasievollen Schreibungen ein und desselben
Namens. Sogar der beigeordnete Bürgermeister Nicolas Mon-
Champ schreibt seinen Namen mal so, mal so. Die allermeisten
Hergenrather waren übrigens des Schreibens unkundig, was der
”maire” denn auch jedesmal vermerkt. (1) Nur sehr selten kann
er die Urkunde mit den Worten abschließen : ” die die Zeugen
mit mir unterschrieben haben”. Chabert mußte sich also bei der
Schreibung der Namen die meiste Zeit auf sein Gehör verlassen.
Wenn man den Wortlaut der Geburtsurkunden wörtlich
nehmen darf, so wurden die Kinder dem Bürgermeister oder
Standesbeamten auf dem Gemeindeamt präsentiert. Und bei Ster-
befällen, so vermerkt Chabert, begibt er sich zum Sterbehaus, um
sich von dem Todesfall persönlich zu überzeugen. Besonders
hoch ist die Sterblichkeit bei Kindern und Jugendlichen. Von
den neun Gestorbenen des Jahres 1798 waren 5 unter 20 Jahren,
1799 waren es 7 von 13. Auffallend hoch ist auch die Sterblich-
keit junger Mütter, wahrscheinlich bei der Niederkunft. Totge-
burten sind ebenfalls sehr häufig.
Zu den unangenehmen Seiten des Bürgermeisteramtes zählte
sicherlich die Aufstellung der Listen der Milizpflichtigen. Die
ersten Eintragungen dieser Art finden wir unter dem Datum des
25 messidor des Jahres 11 (= 15. 7. 1803). Chabert führt für
die Jahre 9 und 10 nur zwei Militärpflichtige an : Jong Nicolas
Jean aus Hergenrath und Asch Ludwig aus Aachen, Letzterer
leistet den Dienst ersatzweise für den ”citoyen” Joseph Fabri-
cius Nicol. Gegen ein entsprechendes Entgelt.
In der gut 10 Jahre nach Ende der Franzosenzeit, nämlich
1826, begonnenen und bis 1915 geführten Gemeindechronik
schreibt Bürgermeister von Lassaulx einleitend und im Rückblick
auf die Schreckenszeit der Franzosenherrschaft folgende Zeilen :
1) ”Les deux t&moins ont declare ne savoir Ecrire,”
”Les comparans aiant declare ne savoir &crire.”
”Le pere de l’enfant aiant declare ne savoir &crire,”
Das sind immer wiederkehrende Formeln,
28
”Auch die Militärpflichtigkeit wurde eingeführt, das unse-
rem Volke gehässigte Gesetz, dem sich keiner fügte ; damals
waren unsere Wälder und abgelegenen Häuser voller Refrac-
tairs, häufige Gendarmenpatrouillen durchstreiften das Land und
fingen niemand, denn sobald sich ein Gendarm sehen ließ, waren
alle Weiber und Mädchen eifrigst bemüht, alle Schlupfwinkel zu
durchstreifen und zu warnen ...”
In den ersten Jahren des 19, Jh. scheint Hergenrath/Hauset
vom Krieg nur wenig mitgenommen worden zu sein. Man heira-
tet, vergrößert die Familie und stirbt wie bisher. 1806/07 be-
ginnt dann der Krieg, auch Hergenrath und Hauset Blutopfer f
abzuverlangen.
Die erste Gefallenenmeldung kommt aus dem Militärlaza-
rett. von Neuruppin (Bez. Potsdam). Dort erliegt am 15. 11. 1807
der Hergenrather Jean Henri Schmitz einem ”schleichenden Fie-
ber” (”fievre lente nerveuse”). Wahrscheinlich war es Typhus,
dem. man ja auch den Namen Lazarettfieber gegeben hat. Schmitz
gehörte zur ”Grande Arm6e”,
Jean Laurent Stickelmann aus Hauset ist das nächste Opfer
Napoleonischer Großmachtträume. Auch er stirbt am Fieber in
Sables d’Olonnes (Vendee - Frkr.), am 18, 3. 1808.
Jean Hubert Fleck, ebenfalls aus Hauset, stirbt im Militär-
lazarett Saint-Andre in Bordeaux am 22. 11. 1808.
Am 31. 1, 1809 erliegt der 22-jährige Gilles Hanssen im
Militärlazarett von Bayonne seinen Verwundungen.
Jean Lambert Zincken stirbt am 3. 5. 1809 im Alter von 21
Jahren an Skorbut auf der Insel Yeu (arrondissement Sables d’O-
lonnes).
Jean Guillaume Junk, der in der Spanienarmee diente, wird
am 1. 6. 1812 von einer Kugel getroffen und bleibt in fremder
Erde zurück (Burgos/Spanien).
Am 22. 12, 1813 fällt Jean Pierre Hauvenith, 22 Jahre, auf
dem ”Felde der Ehre”.
Am 29. 8. 1814 stirbt in einem Straßburger Militärlazarett
ein unbekannter Soldat. Man weiß nur, daß es ein Bürger Her-
genraths war.
]
|
|
29 |
Wir wissen nicht, wieviele Hergenrather und Hauseter in |
Wirklichkeit in der Franzosenzeit gefallen sind. Wir wissen nicht, |
wieviele den Rußlandfeldzug und das anschließende Debakel mit-
gemacht haben. Es ist anzunehmen, daß es neben den oben Ge-
nannten noch eine Reihe Verschollener gegeben hat (1). Die un-
sicheren Zeiten und die Abwesenheit vieler junger Männer erklä-
ren wohl, daß 1812 nur vier Ehen in Hergenrath/Hauset ge-
schlossen werden,
Gegen Ende des 18. und zu Beginn des 19. Jh. sind die
allermeisten Hergenrather noch in der Landwirtschaft tätig. Aber
es gibt auch einige Tagelöhner und Holzfäller. 1806 werden ein
Maurer, ein Stellmacher und ein Schuster erwähnt. Ein Berners
war Hufschmied. 1807 stoßen wir auf den Beruf des Wollspin-
ners und der Wollspinnerin (”filleur/filleuse ä la laine”). Auch
eine Kuhhüterin, die 13-jährige Magdaleine Fraipont, wird er-
wähnt. Kinderarbeit war gewiß keine Ausnahme, 1820 stirbt im
Alter von 10 Jahren der Wollspinner Johann Heinrich Lennecke.
Das will jedoch noch nicht heißen, daß der Junge in einer Woll-
spinnerei gearbeitet hat. Spinnen und Weben wurde auch als
Heimarbeit betrieben. Viele Häuser waren gewiß noch mit Stroh
gedeckt, denn Hergenrath hatte einen Strohdachdecker. 1799 hat
das Dorf schon eine Mühle, Getreide wurde jedoch nur wenig
angebaut, im Gegensatz zur Preußenzeit. (2)
Der Bürgermeister selber war Landwirt. Er wohnte in der
”mairie”, damals in der Aachener Straße gelegen. Der Bauern-
hof Palm ist heute noch unter dem Flurnamen ”in de Vergade-
ring” (= Versammlung) eingetragen, Aber Louis Marie Chabert
hatte Pläne. Und wären sie verwirklicht worden, so hätte sich
das Gesicht dieses Dorfes wohl von Grund auf verändert. Cha-
1) Nach in den Gemeindearchiven nicht belegten Angaben sollen weiter |
gefallen sein : Bonnie Nicolaus in Magdeburg, am 22. 9. 1813;
Cüpper Stephan in Wien, am 3. 7. 1809;
Lejeune Thomas in Alexandrien, am 18. 9. 1806;
Pleis (Theis ?) Johann in Bordeaux ; .
Stickelmann Wilhelm in Luxemburg, am 6. 2. 1814; |
Havenith Johann in Pont de Mousson am 26, 2. 1808. |
Somit käme man auf die Zahl von 14 Toten für die Doppelgemeinde
Hergenrath/Hauset.
2) Der letzte Ackerer war Thywissen vom Hergenrather Hof. Im Her-
genrather Feld, gegenüber Dr. Keutgen, baute er bis etwa 1920 Ge-
treide an .
30 |
bert wollte nämlich in Hergenrath Kohle fördern! Unter dem |
Datum des 13. April 1808 schreibt er folgenden Brief an den |
Präfekten des Ourthe-Departements zu Lüttich : |
Louis Chabert Bürgermeister und Grundbesitzer in Her- |
genrath, Regierungsbezirk Malmedy
an |
Herrn Micoud d’Umons, Präfekt des Ourthe-Departements |
zu Lüttich, H
|
Herr Präfekt ! 3
Aus verschiedenen Quellen weiß ich von nicht ausgebeu-
teten Kohlevorkommen, die jedoch unter einem Teil des Ge-
bietes der Gemeinde Hergenrath sowie an der Stelle, wo frü-
her mit dem Abbau begonnen worden war, nachgewiesen sind.
Seit langem schon möchte ich dieses Wissen nutzen. Ich kenne
ganz genau die Gründe, die zur Aufgabe der Kohleförderung
in Hergenrath geführt haben. Die Hergenrather Grube hätte
- das beweisen die Anfänge - eine rege Tätigkeit und festen
Bestand genommen, wenn nicht der Abt von Rolduc, der be-
frächtliche Einnahmen aus den Kohlengruben seines Landes
bezog, das Projekt zu Fall gebracht hätte. Zu jener Zeit gehör-
te unsere Gemeinde zu Limburg, und da besagter Abt Mitglied
des Ständerates dieser Provinz und außerdem ein mächtiger
Mann war, war es ihm ein Leichtes, alle Hoffnungen auf ein
florierendes Unternehmen zu zerschlagen, ein Unternehmen,
das gewinnbringend und der ganzen Gegend von Nutzen ge-
wesen wäre. Der Versuch konnte jedoch nicht gelingen, da er
von nur wenig bemittelten und wenig einflußreichen Personen
unterstützt wurde.
Wenn ich bis jetzt gewartet habe, Ihnen, Herr Präfekt,
meinen Antrag einzureichen, dann nur deshalb, weil ich allen
Schwierigkeiten, die mir von einigen Nachbareigentümern hät-
ten gemacht werden können, dadurch vorbeugen wollte, daß
ich selbst das Gelände ankaufte, das noch nicht mein Eigentum
war, mir aber jetzt gehört, und auf dem ich zu schürfen ge-
denke.
Ich bitte Sie also, Herr Präfekt, mir für die Dauer von 50
W
„=
Jahren die gehörige Erlaubnis zu erteilen, damit ich sofort mit |
meinen Sondierungen beginnen kann ; des weiteren bitte ich |
Sie, um jede unnötige Verzögerung zu vermeiden, unverzüg- ||
lich die Bekanntmachung meines Antrages zu veranlassen (1),
damit im Falle erfolgreicher Suche ordnungsgemäß und unver-
züglich ein Entschluß gefaßt werden kann. Um den Gesetzen
und Verordnungen bezüglich der Grubenkonzessionen Genüge
zu tun, füge ich meinem Antrage eine topographische Karte
in dreifacher Ausfertigung bei; an Hand dieser Karte werden
Sie sehen, Herr Präfekt, daß ich klare und unverrückbare
Grenzen gewählt habe. Das Gelände, für welches ich die fünf-
zigjährige Konzession beantrage, hat folgende Grenzen :
Im Norden die Straße von Lüttich nach Aachen
Im Osten den Weg von Bildchen nach Hergenrath sowie
den Gemeindeweg, welcher sich gegenüber den ersten
Häusern dieser Gemeinde befindet ;
Im Süden den Weg von Hergenrath nach Stolberg -
Im Westen die Göhl, soweit sie den zum Schloß Eyneburg
gehörenden Gutshof berührt ; schließlich diesen Guts-
hof bis zur Chaussee, dem Ausgangspunkt.
Sie können feststellen, Herr Präfekt, daß ich dafür gesorgt
habe, daß das Wasser, im Falle, wo das geplante Unternehmen
von Erfolg gekrönt wäre, in die Göhl oder in den Tulinden-
oder Tüljebach abgeleitet werden kann. Ich könnte ohne irgend
jemand zu schaden eine Pumpe installieren, um das Wasser
bis in den Kanal zu heben, der sich in die obengenannten Bä-
che ergießt.
Wenn ich Ihnen sage, Herr Präfekt, daß die Einwohner
Hergenrats und des ganzen Kantons Eupen gezwungen sind, |
ihre Brennstoffe vier bis sechs Meilen weit (2) herholen zu
müssen, so fühlen Sie wohl hinlänglich, wie sehr es zu wün-
schen wäre, daß mein Unternehmen Erfolg habe.
1) Die interessierten Gemeinden, in denen der Konzessionsantrag während
der Dauer eines Monats angeschlagen werden muß, sind Hergenrath,
Moresnet, Montzen, Lontzen und Malmedy.
2) 16 - 24 Km
34
Darf ich Sie bitten, Herr Präfekt, meinen Antrag so bald
es Ihnen Ihre vielen und wichtigen Verpflichtungen erlauben,
wohlwollend zu prüfen. (1)
Soweit also der Antrag Chaberts. Der Unterpräfekt des zwei-
ten Arrondissements erwägt, daß dieser entlegene Teil des zwei-
ten Ourthe-Departements und die Handelsstadt Eupen das Heiz-
material mehrere Meilen weit herschaffen müssen, und daß bei
Genehmigung der Konzession an Chabert das Projekt sowohl für
den einzelnen wie auch für den Handel im allgemeinen mancher-
lei Vorteile brächte. Der Unterpräfekt zieht ebenfalls in Betracht,
daß der Herr Chabert unbescholten ist, über Vermögen verfügt
und aus dem Dauphine, aus der Familie des ”officier general de
la marine”stamme. Das verdiene, so meint er, besondere Be-
rücksichtigung. So kommt er also zu dem Schluß, daß man dem
Herrn Chabert die beantragte Konzession zu den üblichen Be-
dingungen erteilen solle,
Wie lief die Angelegenheit weiter? Das Dossier ”Kohlen-
gruben in Hergenrath”, aufbewahrt im Lütticher Staatsarchiv,
| gibt uns darauf leider keine Antwort. Weitere Schriftstücke in
| dieser Sache sind nicht mehr vorhanden,
Anhand der Karte und der sehr präzisen Angaben, die Cha-
| bert über die Abgrenzungen des Schürfgebietes macht, können
! wir uns ein genaues Bild der Lage machen. ”Hergenraed” steht
auf der Karte dort, wo die alte Kirche sich befand und wo noch
heute der Friedhof liegt. Das Herrenhaus Bertholf, der sogenannte
Hergenrather Hof, wird als Schloß von Hergenraed bezeichnet
(”Chateau d’Hergenraed””). Der Asteneter Weg (”chemin d’Aste-
nette”) führt über die Kreuzung an der jetzigen Kirche hinweg
bis zum Hergenrather Hof. Dort, an der Gabelung, führt links
der Weg nach Bildchen (”Bilgen”), rechts der Stolberger Weg,
heute Bertholf. Die heutige Bahnhofstraße wird als ”Weg von
Hergenrath nach Stolberg” bezeichnet. (”Chemin d’Hergenraed
a Stollberg”).
Das ganze Gemeindegebiet war noch dünn besiedelt. 1803,
also fünf Jahre vor dem Antrag Chaberts um Bewilligung einer
1) Vom Verfasser des Aufsatzes aus dem Französischen übersetzt.
35
Grubenkonzession, zählten Hergenrath und Hauset zusammen
840 Einwohner, Etwa 350 Hektar groß ist das Gebiet, auf dem
Chabert nach Kohle suchen will. Und ausgehen wollte er gewiß
von der Stelle, wo zur Zeit Kohle gefördert worden war, wo
jedoch die Förderung auf Betreiben des Abtes von Rolduc hatte
eingestellt werden müssen. Diese Stelle ist auf der Karte ange-
geben. (Emplacement d’une ancienne extraction de houille”).
Sie befindet sich links und rechts der heutigen Aachener Straße,
| etwa in Höhe der Sägerei Laschet (Heute Sägewerk Pirard).
Die Flur trägt den Namen ”e jene Pratt”, also ”im Morast” oder
”im Schlamm”. Ob ein Zusammenhang zwischen diesem Flur-
namen und der Kohleförderung besteht, ist ungewiß. Die ”Pratt”
-flur verdient nämlich ihren Namen nicht. Sie ist keineswegs
sumpfig.
Die älteren Einwohner des Ortes wissen zu berichten, daß
auf besagtem Gelände tiefe, trichterförmige, von Menschenhand
ausgehobene Mulden bestanden haben ; heute sind diese Mulden
aufgefüllt,
Bei den Ausschachtungsarbeiten zu dem heute dem Säge-
werk als Büroraum dienenden Bau stieß man i. J. 1906 auf eine
schwarze Masse, die im Ofen wie Kohle brannte.
Die Tonwarenfabrik Richard mußte - es war 1922 oder 23 -
einen Teil der gebrannten Ziegel auf den Schutthaufen fahren,
da diese Ziegel sozusagen verbrannt waren. Bei genauerer Prü-
fung des zu diesen Bränden verwendeten Materials stellte es sich
heraus, daß es kohlehaltig war. Es kam aus der jetzigen Wiese
Halmes.
In der unteren Knippstraße sind in den Jahren um 1910
Grabungen vorgenommen worden, doch haben sich die dortigen
Vorkommen als nicht abbauwürdig erwiesen.
Daß die Franzosenzeit in mancherlei Hinsicht, besonders in
den Jahren vor dem Konkordat, auch mancherlei Drangsale für
die Bevölkerung gebracht hat, ist allgemein bekannt. So ist die
Pfarre Hergenrath verwaist, die kirchlichen Güter sind beschlag-
nahmt worden, Der Erlaß des Direktoriums datiert vom 3. bru-
maire des Jahres 6 der Republik (= 24. 10. 1797). In einem
37
Zwei Patrouillenführer bekommen je 12 Fr, zwei Feldhü-
ter je 100 Fr.
Die Gemeindebüro-Ausgaben belaufen sich 1807 auf 120
Fr. Damit deckte man die Kosten für Papier, Kohle, Holz, Licht,
Tinte, Wachs, Federn und anderes. Der ”vicaire” (Pfarrer) er-
hielt 400 Fr. Als Miete für die Lehrerwohnung werden 100 Fr S
veranschlagt, zwei Förster bekommen je 106 Fr. Der Gemein-
deeinnehmer sorgt für den regelmäßigen Eingang der Gelder und
stellt das Büdget auf. Er bekommt 5 Centimes pro Franken.
Die Öffentliche Unterstützungskommission (Bureau de bienfai-
sance) erhält aus der Gemeindekasse 50 Fr für Hilfe in Geld,
40 Fr für Hilfe in Naturalien, 13 Fr für Hilfe in Medikamenten.
(Die Rechnungsablage der Ö.U.K. von Dezember 1803
zählt vier Bedürftige auf, denen Brot gegeben wurde, fünf Per-
sonen bekamen von der Fürsorge Heizmaterial (Kohle u.a.),
sechs Armen wurde eine Geldbeihilfe gewährt und zweien wur-
den Kartoffeln und Salz gegeben. Es handelt sich in allen Fällen
um die gleichen Personen, drei Frauen und zwei Männer, Die
Auslagen der Ö.U.K. werden in ”Marcs” angegeben, dann in
Franken umgerechnet. Die unterstützten Personen sind alle des
Lesens und Schreibens unkundig.)
Ein Brief des Bürgermeisters Chabert an den Bischof von
Lüttich, datiert vom 7. 3. 1812, weist auf den schlechten Zu-
stand der Friedhofsmauer hin, Man müsse sie reparieren, schreibt
der Bürgermeister, und er bittet den Bischof, beim Präfekten die
nötigen Gelder dafür flüssig zu machen. Das Hornvieh, das Glok-
ken am Halse trage, komme auf den Friedhof grasen, scharre
dort in der Asche der Toten und störe die Gläubigen in der Kir-
che sowie den Messe lesenden Priester am Altar. Im Interesse des
geistigen Wohles der Einwohner müsse diesem Zustand ein Ende
bereitet werden,
Der Präfekt wendet ein, daß im Büdget von 1812 keine
Mittel für die Reparatur der Friedhofsmauer vorgesehen seien,
daß er schon für dringend nötige Reparaturen an der Kirche die
Summe von 508,22 Fr bewilligt habe und daß den Mißständen
auf dem Friedhof durch Polizeimaßnahmen entgegengewirkt wer-
38
den könne. Der Bürgermeister solle für 1813 einen neuen Antrag
stellen. Im übrigen, so wendet der Präfekt ein, habe der Bürger-
meister seinem Antrag keine Lageskizze des Friedhofes beige-
fügt. Er vermute, daß der Friedhof nach den geltenden Bestim-
mungen verlegt werden müsse. Das Büdget von 1812 schließt mit
einem Überschuß von 1208,19 Fr. Diesen Überschuß hätte der
Bürgermeister gerne für die Reparatur der Mauer verwendet, Der
Präfekt läßt es jedoch nicht zu.
Hinsichtlich der Verwaltung der Gemeinden während der
französischen Zeit, so schreibt von Lassaulx in der Chronik,
habe der schlimmste Despotismus, nämlich jener der Lokalbe- .
hörden, geherrscht. ”Glücklicherweise, so schreibt er wörtlich,
waren hier die Lokalbehörden jener Zeit rechtliche Leute, un-
fähig ihre Stellung zu mißbrauchen ... Louis Chabert hat sich
in mancher Hinsicht sehr um die Gemeinde verdient gemacht.”
Bis April 1814 führt Bürgermeister Chabert als Standes-
beamter die Geburts-, Heirats- und Sterberegister. Dann zieht
er sich zurück und stirbt einige Monate später, 55-jährig, am
26. 6. 1814. Die Niederlage Frankreichs und den Einmarsch der
Alliierten in Paris (31. 3. 1814) hat er noch erlebt, Aber Water-
loo ist ihm erspart geblieben. Zwei Kinder überlebten ihn : eine
Tochter, Marie-Elisabeth-Sophie, und ein Sohn, Jean-Louis
Guillaume. Der Sohn starb 1840 im Alter von 30 Jahren. Die
Sterbesurkunde aus der preußischen Zeit führt ihn als Wilhelm
Ludwig Joseph! Der Name der Mutter wurde in Steinarts ver-
deutscht. Der Name Chabert ist also in Hergenrath wie so viele
andere (Foberjan, Moresnet, Misere, Monschamp) ausgestorben.
Nur in alten verstaubten und vergilbten Dokumenten lebt er
weiter.
Quellen : Archives de l’Etat, Lüttich, Fonds Francais.
Standesamtsurkunden Gemeinde Hergenrath.
Gemeindechronik Hergenrath,
39
Bienenzucht im Wandel der Zeit
von Leo Homburg
Man wird lange suchen müssen, wenn man heute im Gebiet
von Hauset, Hergenrath, Walhorn oder Lontzen einen Bienen- S
stand mit Bienenvölkern finden will. Früher war das anders, Nicht
nur auf Bauernhöfen, sondern auch beim Pfarrer, beim Lehrer
und bei Arbeitern standen Bienen. Es handelte sich zwar mei-
stens nicht um Züchter, sondern nur um einfache Bienenhalter,
doch waren 30 Pfund Honig und mehr von einem Volke keine
Seltenheit. (1)
Damals gab es allerdings noch viel Bienenweide, die heute
fast verschwunden ist. Es gab noch Ödland; Weidenkätzchen
und hohe Haselnußhecken brachten reichlich Blütenstaub. Auf
jedem Hof standen Obstbäume und viele Straßen lagen im Schat-
ten schöner Linden. Die Wiesen leuchteten in der Pracht ihrer
Blumen ; sie wurden spät gemäht und im Herbst füllte noch ein-
mal der Weißklee die Honigwaben.
All dies ist heute so gut wie verschwunden. Obst- und Lin-
denbäume sind massenweise unter die Axt gekommen, neue sind
nicht mehr angepflanzt worden. Die hohen Hecken wurden aus-
gerissen oder niedrig zurückgeschnitten, die intensive Bewirt-
schaftung des Weidelandes duldet keine Blumen mehr auf den
Wiesen, die heute viel früher als vor einigen Jahrzehnten ge-
mäht werden,
Auf meinem Bienenstand, wo früher 20 Völker reiche Honig-
ernte brachten, stehen heute noch vier. Und diese vier kämen
nicht über den Winter, wenn ich ihnen nicht zu dem gesammelten
Honig noch Futter zugäbe. Sie würden glattweg verhungern.
Zu Anfang unseres Jahrhunderts hatten sogar kleine Dörfer
ihren eigenen Bienenzuchtverein, so z. B. Lontzen. Das Kassen-
buch des Lontzener Vereins, welches in meinem Besitz ist, weist
für 1904 18 Mitglieder auf. Dieses am 3. April 1904 angelegte
Buch ist vielleicht nicht das älteste, denn es führt einen Betrag
von 14 Mark und 15 Pfennigen als Überschuß vom Vorjahre an.
Jedes Mitglied zahlte einen Jahresbeitrag von 2 Mark, Es gab
Vereinsfeste ; 1905 wurden dafür 17,50 Mk ausgegeben. Reise-
unkosten wurden den Mitgliedern zurückerstattet. Man war abon-
1) Im Jahre 1900 standen in Hergenrath noch 46 Bienenvölker,
40
niert auf Fachzeitschriften und dem Imkerbund angeschlossen.
Diese Posten sind i, J. 1908 mit 16,25 Mk für den Verein bzw.
48 Pf pro Mitglied ausgewiesen. 1913 kauft der Verein für 28
Mk Gerät zur Freiverlosung.
Nach dem ersten Weltkrieg ging es langsam bergab. Im
letzten Jahr der Eintragungen, 1935, hatte der Verein noch 11
Mitglieder, welche einen Jahresbeitrag von 5 Franken zahlten.
Auf der Einnahmenseite stehen 55 Franken, auf der Ausgaben-
seite sind es 63,60 Fr. Nach der Auflösung des Lontzener Ver-
eins (1935) schlossen sich die meisten Mitglieder dem Eupener
Bienenzuchtverein an.
Wenn Ende Juli hier die Honigtracht zu Ende und der Blü-
tenhonig geschleudert war, kam für die Imker das große Unter-
nehmen : die Fahrt zur Heide. Schon vor 1900 zogen die großen
Lontzener Bienenzüchter Kaspar Joseph Ahn und mein Onkel
Johann Reul, der am 16. Juli 1939 für 50-jährige Bienenzucht
den Landwirtschaftsorden 1. Klasse erhielt, mit je 24-30 Völ-
kern dorthin. Im Laufe der Jahre hatten sich ihnen noch einige
Züchter angeschlossen. Ich war von meinem Onkel - mehr gegen
meinen Willen - mit einigen Völkern beschenkt worden. Seitdem
fiel mir die Ehre zu, auch des Onkels Bienenvölker mit Vaters
Pferd und Heuwagen ins Venn zu fahren. Als Federung lagen
auf dem Boden des Wagens mit Heu gefüllte Säcke,
Von einer solchen Fahrt möchte ich erzählen.
Es war in der Inflationszeit. Als ich in Lontzen ankam, hatte
mein Onkel die Kasten (es waren keine Körbe) schon alle bis
auf einen vor dem Haus stehen. In diesem einen sollten sich
später noch heimkehrende Bienen festsetzen. Neben den Kasten
stand die große Dezimalwaage, Basküll genannt, auf der jedes
Volk gewogen wurde. Das Gewicht wurde notiert und so konnte
man Ende August, wenn die Völker wieder zurückgeholt wurden,
feststellen, ob sich die Fahrt gelohnt hatte. Vor dem Aufladen
wurde jeder Kasten noch eingehend inspiziert, eventuelle Ritzen
wurden mit einem Gemisch aus Lehm und Gips verschmiert.
Auf der Rückseite war zur Belüftung eine mit einem engen Ma-
schengitter versehene Öffnung.
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41
Mit Proviant, Bienenhauben, Handschuhen und reichlich
Tabak versehen machten wir uns gegen halb zehn Uhr abends,
als es kühler geworden war, auf den Weg. In diesem Jahr waren
es nur zwei Wagen, die zusammen fuhren : Kaspar Joseph Ahn,
dessen Wagen von Joseph Janssen gefahren wurde, sowie mein
Onkel und ich, Vor allem wollten wir eine Katastrophe wie die
des Vorjahres verhindern. Damals waren wir zu sechs gefahren. X
Der hohe gefederte Leiterwagen von Peter Linsen hatte bei der
Abfahrt vom Mützenicher Weg zu kurz gedreht und war dabei
umgeschlagen. Ein Teil der Kasten war zerbrochen oder aufge-
gangen.
Als wir an der Schmiede in Lontzen vorbeifuhren, gesellte
sich Fritz Ramakers zu uns. Er war Witwer und erklärte, die
Fahrt mit uns machen zu wollen. Sein Ziel war die Wirtschaft
Brandenburg in Kalterherberg. Dort war ein Mädchen, das er
wiedersehen wollte. In seiner Brusttasche trug Ramakers einen
Haufen Papiermark, die nur noch wenig Wert hatten. ”Ich habe
hunderttausend Mark mehr als ich in meinem ganzen Leben ver-
dient habe, die werden heute versoffen !”, so prahlte er,
Traditionsgemäß durfte auf der Hinfahrt keiner auf das
Fuhrwerk steigen. Die Pferde mußten geschont werden, und es |
hieß also zu Fuß nebenher laufen. Auf dem Land, hinter Eupen, |
wurde vor der Wirtschaft Hermann angehalten. Dort standen |
immer Tische und Bänke vor dem Hause. Menschen und Pferde
stärkten sich. Dann ging es weiter an Mayerskreuz vorbei zum
belgischen Zollamt Ternell. Für Pferde, Wagen und Bienen hatten
wir einen Geleitschein. Aber es war Nacht. Kein Zöllner war zu
sehen. Für den deutschen Zoll war es eine Ehre, den verlorenen
Brüdern weiterhin die deutsche Heide zur Verfügung zu stellen.
So ging es an der Schenkwirtschaft von Alt Hattlich vorbei, wo
innen auf einem durchhängenden Balken geschrieben stand :
”Hier log einst ein Jäger, daß sich dieser Balken bog.” Kurz vor
Mützenich bogen wir rechts ab, und wenn alles gut ging, mußten
wir bei Sonnenaufgang den Vennhof bei Kalterherberg erreichen. |
Nun, es ging alles gut. Die Familie Esser begrüßte uns freundlich, |
die Pferde wurden in den Stall geführt und versorgt, wir stärk-
ten uns selbst, und es gab sogar warmen Bohnenkaffee, denn |
Bohnen hatten wir genug mitgenommen. Dann wurden die Bie-
|
42
nen abgeladen und hinter einer hohen Buchenhecke aufgestellt.
Das Öffnen der Fluglöcher und das Beobachten des Einfliegens
überließen wir drei, Janssen, Ramakers und ich, den beiden
”Bienenkönigen”. Wir wuschen uns, bürsteten unsere Kleider
und zogen in Richtung Kalterherberg los. In der damals noch
kleinen Bauernschenke im ”Leyloch” kehrten wir ein.
Ein 12-jähriges Mädchen schenkte uns freundlich Reichen-
steiner Korn ein, Als es ans Bezahlen ging, zog Fritz Ramakers
seine 100.000 Mark aus der Tasche, legte sie dem Mädchen hin
und sagte, das sei alles, was er in seinem Leben verdient habe.
Die Kleine durchblätterte die Scheine und sagte dann, das sei "
zu wenig. Wenn er nicht mehr habe, müsse sie ihre Eltern, die
bei der Arbeit auf dem Felde seien, holen. Ramakers hatte seinen
Spaß, das Mädchen stand unschlüssig da. Ich fragte sie, wieviel
ich ihr denn in Franken zahlen müßte, ”Einen Franken für
jeden”, war ihre Antwort, das sei genug.
In Kalterherberg war die nächste Haltestelle. Hier konnte
Ramakers seinen 100.000-Mark-Witz jedoch nicht mehr anbrin-
gen, denn wir wurden mit dem Rufe empfangen : ”Da kommen
Belgier, die han Frange !” Wir bekamen, was Küche und Keller
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43
boten. Zum Abschied klemmte sich noch jeder von uns eine
Flasche Reichensteiner Korn nebst Schnapsgläschen unter den
Arm. 7 Franken kostete die Flasche. Auf dem Weg zum Venn-
hof begegneten wir einer Frau, die zwei Kühe am Straßengraben
hütete. Joseph Janssen versuchte, der Frau eine Kuh abzuhan-
deln, aber soviel er auch bot und soviel Schnaps er ihr auch
einschenkte, den sie wie Wasser trank, die Frau ging auf den
Handel nicht ein.
Etwas weiter saß vor einem Hause auf einer Bank unter
einer Buche - sie steht heute noch dort - eine junge Frau, die
Kartoffeln schälte, Wir unterhielten uns mit ihr und baten sie,
uns ein Glas zum Trinken zu leihen. Sie bat uns einzutreten.
Drinnen saß ihr alter Vater, der gleich anfing, über die schlech-
ten Zeiten zu jammern. Unser Angebot, eins mit uns zu trinken,
nahm der Alte sofort begeistert an und als wir das Haus ver-
ließen, hatte nicht nur die junge Frau blanke Augen, auch der
Alte war randvoll und unser Zustand war sehr ähnlich. Wir
stapften durch die Heide, in der wir uns am liebsten hingelegt
hätten. Aber wir mußten nach Hause. Den beiden Bienenzüch-
tern, die wir am Morgen allein im Vennhof zurückgelassen hat-
ten, gefiel unser Anblick garnicht. Sie trieben uns zur Eile an.
In unseren Flaschen war nur noch ein kleiner Rest; noch vor
dem Passieren des belgischen Zolls waren sie leer, Auf den Heu-
säcken, die den Wagen als Federung gedient hatten, hockten
statt der Bienen nun wir, Das Laufen wäre uns auch schwer ge-
fallen ...
Wie so vieles andere gehören die Heidefahrten mit den
Bienen der Vergangenheit an und leben nur noch als schöne
Erinnerung weiter.
Den Wert des Ordens meines Onkels konnten wir kurz
nach dem zweiten Weltkrieg testen. Da wir unsere alte Bienen-
heide nicht mehr besuchen konnten, hatten wir eine neue suchen
müssen. Und wir hatten eine gefunden. Sie lag hinter Raeren, in
einer Wiese neben einem Schrankenwärterhaus ; dort, etwa 20 m
von der Straße entfernt, hatten wir unsere Bienen aufgestellt,
unter dem Namen Reul. Wenige Tage später erhielt mein Onkel
von der Gendarmerie in Petergensfeld die Aufforderung, unver-
44
züglich die Bienen zurückzunehmen, da sie zu nahe am Wege
stünden. Was tun ? Ich schlug meinem alten ratlosen Onkel vor,
sich die Rosette des Landwirtschaftlichen Verdienstordens ins
Knopfloch zu stecken, die Urkunde mitzunehmen und mit mir
auf dem Motorrad nach Petergensfeld zu fahren. Kurz vor Pe-
tergensfeld wurden wir von Gendarmen angehalten, Woher ? Wo-
hin? Warum? Wir erklärten den Zweck unseres Kommens,
daß wir gerne den Gendarmeriechef sprechen möchten. Das
habe keinen Zweck, schnauzten sie, die Bienen müßten weg.
Trotzdem fuhren wir zum Chef. Wenn er die Bienen jetzt zu-
rücknehmen müsse, so sagte ihm mein gut vorbereiteter Onkel,
sei die Arbeit eines ganzen Jahres vernichtet. Welchen Wert die #
Bienenzucht habe, beweise diese Urkunde. Der Gendarmeriechef
nahm die Urkunde, verglich sie kritisch mit dem Paß und sagte
dann : ”Die Bienen bleiben stehen. Wer vor Stichen Angst hat,
braucht da nicht vorbeizugehen.” So hatte der Orden denn doch
etwas genützt. .
45
Erinnerungen aus meiner Schulzeit
Von Franz Uebags
Ab und zu tauchen ungewollt bei uns Menschen Jugender-
innerungen auf. Wir starren dann nachdenklich vor uns hin und
sehen den Film der Vergangenheit vor unseren Augen ablaufen.
Unwillkürlich, und das ist interessant, versetzt man sich in die
Zeit, wo man nur den Wunsch hatte, erwachsen zu sein, in
die Kindheit, Die jetzige Jugend kann sich, wenn wir über un-
sere Kindheit erzählen, keine Vorstellung davon machen, unter
welchen Verhältnissen wir groß geworden sind. Wie sollte sie es
auch? Sie sieht nur Wohlstand, hat keine Enthaltsamkeit ge-
kannt und wuchs wunscherfüllt aus den Kinderschuhen. Es fällt
ihr schwer, sich vorzustellen, welche Mißstände jeglicher Art frü-
her im hiesigen Schulwesen bestanden haben, Natürlich wußten
wir nicht besser, lebten ärmlich und zufrieden und verlangten
nur das, was die Eltern oder Vorgesetzten uns zu bieten in der
Lage waren. Die Gemeinde, die nach dem Waffenstillstand im
November 1918 in finanzieller Hinsicht schlecht gestellt war,
hatte außer dem Schulproblem noch andere drückende Lasten,
Ich weiß noch sehr gut, daß wir Schulkinder oft genug an einem
Tag nicht wußten, wo wir am nächsten in die Schule mußten.
MC 2 9 7 Altenberg: = Katholische Kirche und Kloster,
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Der Kirchplatz um 1900
46
Das mag vielleicht etwas übertrieben klingen, ist es aber keines-
falls. Es bestand keine Knabenschule, in der wir eine stete Bleibe
gehabt hätten. Sälchen und Zimmer, gleich wo sie lagen, dien-
ten als Schule, was selten von langer Dauer war. Entweder ge-
fiel dem Eigentümer das rege Treiben der lebhaften Jungens
nicht, oder er benötigte den Raum selber, und wieder stand ein
Umzug bevor. Das Lehrpersonal wechselte ständig. Es ist anzu-
nehmen, daß die Zweisprachigkeit hierfür die Ursache war. Leh-
rer, die aus der Provinz Luxemburg nach Kelmis kamen und
der deutschen sowie der französischen Sprache mächtig waren,
lösten endlich auch diese Angelegenheit, Sie paßten sich gleich
den Kindern und auch der Bevölkerung an. Sie schufen Ordnung .
unter den Buben, zeigten großes Verständnis in jeder Sache und
hatten nur das Bestreben, gute, fähige Schüler zu bilden. Weil
nun das neutrale Gebiet, das heißt Kelmis, laut Versailler Ver-
trag, der am 10. Januar 1920 in Kraft trat, zum Königreich
Belgien gehörte, wurde auch die Schulpflicht, die es zuvor auf
neutralem Boden nicht gab, hier eingeführt. Die neuen Lehrer
unterrichteten nach belgischem Lehrprogramm, und seitdem war
die Gemeindeverwaltung eine große Sorge los. Auch Eltern und
Kinder kannten auf dem Gebiete keine Schwierigkeiten mehr,
das Schulleben hatte sich normalisiert. Trotzdem kamen die Ver-
treter der Gemeinde nicht zur Ruhe. Das Projekt eines Schul-
neubaus konnte nicht mehr länger aufgeschoben werden. Das
Vorhaben mußte schnellstens verwirklicht und damit das so viel
Kummer bereitende Problem gelöst werden. Doch das Thema
«Schulunterkunft» ist lange umstritten geblieben. Schließlich
baute man Baracken, die eher Ställen glichen, und der Aufent-
halt in denselben erwies sich als menschenunwürdig. Lange Jahre
hindurch mußten unsere Kinder darin ausharren. Reklamationen
und Proteste an die Regierung fanden weder Anklang noch Er-
folg. Neue Schulen für Kelmis ? Die Ungewißheit blieb, bis im
Jahre 1934 der damalige Kaplan Darcis diesbezüglich einen Not-
ruf an Seine Majestät König Leopold III. und seine Regierung
richtete. Seine Initiative wurde von Erfolg gekrönt. Eine Nach-
richt des Ministeriums bestätigte den Bau einer Schule, und das
kritische Problem war in Kelmis aus der Welt geschafft. Das
Gebäude, die heutige. Mittelschule, ist der Lohn von Darcis’ Be-
mühungen gewesen, f
48
legten keinen Wert mehr auf die Erziehung ihrer Kinder, ließen
sie zuhause und warteten die Dinge ab. Wären nun tatsächlich
alle Schulpflichtigen in die Schule gegangen, hätte sich das
Problem der Unterkunft gestellt, da unser Dorf keine Knaben-
schule besaß, Wie dem auch war, ich entsinne mich, daß ich
1919, nach den Osterferien, ein ABC-Schütze wurde. Es war
eine armselige Zeit. An jenem Tage, ich weiß es noch, als wäre
es heute, trug ich eine blaugestreifte Schürze mit langen Ärmeln.
Die strumpflosen dünnen Beine vermochten kaum die dicken
Holzschuhe, auf deren Spitzen ein buntes Vögelchen gemalt war,
nachzuschleppen. Mein Kopf war nach der damaligen Mode
glatt geschoren. Schiefertafel und Federbüchse, mit einem Leder- .
riemen zusammengebunden, hatte ich unter meinen Arm gepreßt.
Weinend schlenderte ich neben meiner Mutter die Vontstraße
(Albertstraße) hinauf zur sogenannten Bildungsstätte. Unterwegs
traf ich noch andere Leidensgenossen, die, genau wie ich, schwe-
ren Herzens das neue Leben beginnen mußten. Meine Mutter
versuchte mich aufzumuntern, nannte mich einen großen Jungen,
der auch deshalb in die große Schule käme.
Wer erteilte den Unterricht und wo?
Eine Mädchenschule bestand auf neutralem Gebiet schon
seit 1857. Das Kloster, heute das Kelmiser Gemeindehaus, ist
von der Gesellschaft ”Vieille Montagne” erbaut worden, diente
als Mädchenschule und hatte den Namen ”Ecole Saint-Louis”.
Die Schwestern von ”Notre-Dame” aus Namür, bekannt als die
”Schwarzen Schwestern”, hatten darin eine Unterkunft und über-
nahmen den Unterricht in den Mädchenklassen. Der weiblichen
Jugend war also bestens geholfen.
1901 siedelten die weißen Schwestern, die Dominikanerin-
nen, nach hier über. Ihr erster Aufenthalt ist im Haus Dechösne,
später Bäckerei Braun, jetzt Eigentum der Familie Rickal, in
der Kirchstraße, gewesen. (s. Bild S. 47).
Ihr Vorhaben, ein Noviziat zu errichten, genehmigte Pastor Kept,
und das Kloster hinter der Kirche, in dem momentan fünf Fa-
milien wohnen, wurde 1904 in Bau genommen und im März 1909
49
seiner Bestimmung übergeben. Wie es sich Pastor Kept vorbe-
halten, eröffneten die Schwestern in ihrem neuen Heim am 14.
Juli desselben Jahres eine Privatschule für Knaben. Als Schul-
geld verlangten sie monatlich 2 Mark oder Franken. Da die
Schülerzahl immer mehr stieg, mußte die Gemeindeverwaltung
sich darum bemühen, die Kinder anderswo unterzubringen,
Klassenräume in der Patronage
Schon längere Zeit hatten die Gemeindeväter in Verhand-
lungen angestrebt, in der sich im Bau befindlichen Patronage
drei Klassenräume zu mieten. Das wurde ihnen gewährt und seit
dem 19. September des Jahres 1911 unterrichteten die Ordens-
schwestern im neuen Jugendheim,
Auch ich ging mit meiner Mutter am ersten Schultag zur
Patronage, wo mich Schwester Theodora, die Leiterin des er-
sten Schuljahres, in Empfang nahm, Die kleine Gestalt hatte
einen energischen Blick, ein autoritäres Verhalten und eine durch-
dringende Stimme. Sie verstand es schon, sich bei den nahezu
50 Neulingen den nötigen Respekt zu verschaffen. Unser Raum
lag im ersten Stockwerk, gegenüber der Treppe, rechts neben
uns lehrte Schwester Thoma und über uns die eigentliche Haupt-
lehrerin, Schwester Leo. Die nannten wir, ihrer Größe wegen,
immer nur ”de Lang” (die Lange).
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Das Pfarr- und Jugendheim St. Louis
(links im Bilde, letztes Haus)
50
Nach dem Morgengebet, das uns jedesmal ohne Ende schien,
begann die tägliche Musterung. Die Ärmel mußten hochgekrem-
pelt und der Hals frei gemacht werden. Wehe dem, der unsau-
ber war oder sich ein Kränzchen gewaschen hatte! Solche
Schmierfinken, sie fand deren alle Tage, bekamen im Flur an
der Wasserleitung den Schmutz abgeschrubbt. Danach folgte die
Inspektion der Utensilien, Schiefertafel, Griffel, Bleistift,
Schwämmchen und ein trockenes Läppchen mußten auf dem
Pult ausgelegt werden, Ein beschmierter Tafelrahmen, ungespitz-
ter Griffel oder Bleistift, ein trockenes Schwämmchen oder un-
sauberes Läppchen verhalfen zu einer Portion ”Langem Hafer”
(Prügel). N
In unserer Klasse saßen Jungens, die uns um einige Jahre
hätten voraus sein sollen. Weil die nun größer und stärker waren
und sich nicht so mir nichts dir nichts schlagen ließen, zog die
kleine Schwester oft den kürzeren. Dann kam die ”Lange” als
Verstärkung, den Rebellen zu bändigen. Sie redete nicht viel,
faßte den Übeltäter beim Schopf, schleppte ihn ins Prügelzim-
merchen neben der Klasse von Schwester Thoma. Blitzschnell
legte sie ihn auf den kleinen Tisch, nahm den langen Rietstock
und klopfte tüchtig seinen Hosenboden aus. Ich hatte noch viel-
mals Gelegenheit dieses Zimmerchen zu sehen. Jedes Mal habe
ich dann so für mich gedacht : ”Aha, da ist das Folterkämmer-
chen”. Alle drei Schwestern hatten noch solch eine Rute in
ihrem Pult verschlossen. Jeder Fehltritt wurde damit vergolten.
Es gab damit 10, 20 oder sogar noch mehr Schläge in die offe-
nen Hände. Bei kalter Jahreszeit tat das doppelt weh. Strafe
muß ja sein, aber es wurde, meine ich, etwas schnell zum Stock
gegriffen. ”Wir wollen aus Euch Menschen machen und keine
Vagabunden”, bekamen wir immer wieder zu hören. Ehrlich
gestanden, daran gewöhnte man sich auch, und ob’s geschadet
hat 307
Was das Lernen betrifft, kann und darf den Dominikane-
rinnen kein Vorwurf gemacht werden. Ich weiß, daß wir das
Programm schnell durchnahmen. Die Schwestern spornten uns
an, die Schule als fähige Menschen zu verlassen. Zum Nach-
sitzen gingen wir nach Schulschluß mit ins Kloster, wo die Tür
51
hinter uns gut verriegelt blieb. Wie lange wir da ausharrten, hing
von der Laune der Vorgesetzten ab, Diese Art von Strafe mach-
te manchmal Spaß, aber zuhause war man anderer Meinung. Das
Schulgeld betrug 3,75 Franken oder Mark monatlich.
Eines Tages, ich weiß nicht aus welchem Grunde, teilte man
uns der Schwester Leo zu. Vor ihr habe ich immer Angst ge-
habt. Ihr gegenüber kam ich mir vor wie ein Liliputaner, das
mag die Ursache gewesen sein. Ich kann sagen, da herrschte
Disziplin und Ordnung. Wer nicht gehorchte, dem wurde mit
dem ”Möpschen”, dem Rietstock, das Fell gegerbt. Auf Gesang
legte sie großen Wert. Das Lied ”Es klappert die Mühle am
rauschenden Bach” lernten wir als erstes. Bei dem Refrain
”Klipp, klapp”, klatschte die biegsame Rute auf das Pult, daß
alle Kinder erschraken, Das muß ihr anscheinend Freude ge-
macht haben, denn dabei zog jedes Mal ein unterdrücktes Lä-
cheln über das ernste Gesicht. Sprach man mit Vater oder Mut-
ter über die Strenge der Nonnen, so lautete die Antwort, daß
sie ihr gutes Recht dabei hätten. Nach Hause marschierten wir
in Reih und Glied. Diejenigen, die oberhalb der Patronage
wohnten, konnten beim Verlassen des Gebäudes ausscheiden, Die
anderen gingen in Richtung Dorfmitte und durften die Schar
erst dort verlassen, von wo sie am schnellsten nach Hause kamen.
Bei einem Kreuz, das am Wege stand, beugten sich automatisch
unsere Köpfe, dem lieben Heiland zum Gruß, Sonntags war es
Pflicht, zwei heilige Messen zu hören, die von 8 Uhr und das
Hochamt. Als Beweis dafür, daß man dem Hochamt beigewohnt
hatte, mußten wir das Evangelium, das nur in dieser Messe vom
Priester laut gelesen wurde, aufschreiben. Sogar das Verlassen
der Kirche geschah mit dem nötigen Drill, Bei jedem Hände-
klatschen der anwesenden Schwester konnte eine Reihe nach der
andern das Gotteshaus verlassen. Die Schulzeit bei Schwester Leo
hat nicht allzulange gedauert. Ihre Anwesenheit in der Klasse
wurde immer unregelmäßiger, und Schwester Thoma, die uns
dann betreute, gab uns zu verstehen, daß sie nicht lange mehr
bei uns sein würden,
82
Unterrichtsverbot für die Schwestern
Allgemein liefen die Gerüchte, daß der Verbleib der Domi-
nikanerinnen in unseren Schulen in der Schwebe. hinge, Mutma-
Bungen, die sich meistens widersprachen, wurden zum täglichen
Gesprächsstoff. Einer wollte mehr wissen als‘ der andere, bis
sich schließlich im April 1921 das Los der Schwestern entschied.
Da wir vom 10. Januar an den belgischen Gesetzen unter-
worfen waren, mußten laut Beschluß des Unterrichtsministeriums
die. Ordensschwestern durch belgisches Lehrpersonal ersetzt wer-
den. Eines Tages warteten wir vergeblich im Hof der Patronage
auf die Schwestern, sie kamen nicht mehr. An ihrer Stelle ka- "
men einige Herren, die uns durch Händeklatschen aufforderten,
uns zu versammeln. Ich glaube behaupten zu dürfen, daß es un-
ser erster belgischer Bürgermeister, Herr Grignard, mit seinen
Schöffen war. Uns wurde mitgeteilt, daß an dem Tage alle nach
Hause gehen konnten, aber tagsdarauf wieder zur Stelle sein
sollten. ”Morgen,” so sagte der Herr, ”kommen anstatt der Schwe-
stern neue Lehrpersonen.” Seither habe ich die weißen Schwestern
nicht mehr gesehen. Sie sind im Jahre 1924 aus Kelmis verzo-
gen, nachdem sie der Gemeinde ihr Kloster für 195.000 Fr.
verkauft hatten. Während der 23 Jahre, die die Ordensfrauen
hier in unserer Ortschaft verlebten, kann denselben für ihre Auf-
opferung, ob in der Schule oder in der Krankenpflege, nur Gu-
tes und Dank gesagt werden.
Belgische Lehrer und Lehrerinnen in Kelmis
Am darauffolgenden Tag versammelten wir uns wieder zur
gewohnten Zeit auf dem Hof des Jugendheimes. Die neuen Leh-
rer, die uns erwarteten, fielen allen Schülern direkt auf. Langes
Warten und Zögern gab es nicht, alles ging ziemlich schnell von-
statten. Jeder Lehrer rief die Klasse zu sich, die ihm zugeteilt
worden war. Das zweite Schuljahr, zu dem ich gehörte, wurde
von. einem korpulenten Fräulein aufgerufen, Sie hatte pech-
schwarze Haare und dunkle Augen. Ihr Ton hat so richtig mi-
litärisch geklungen. Wir hatten gleich das Gefühl, vom Regen
in die Traufe zu kommen. Sobald sie alle Schäflein um sich hatte,
ging es in geschlossener Reihe zur Pavei (Lütticher Straße). Vor
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Die ”Pavei”
Das Schullokal befand sich im Hofe hinter dem niedrigen weißen Haus
der Wirtschaft Schoenauen (jetzt Fischenich-Hanotte) befahl sie
haltzumachen,
Der Eigentümer kam und geleitete uns in ein Sälchen, das
im Hof an die Gaststätte angebaut und nur durch eine Glastür
getrennt war. Die Außenseite des Lokals bestand quasi nur aus
Glas. Mitten in der Klasse brannte ein hoher Ofen, der dann und
wann dicke Rauchwolken auspuffte. Fräulein P., so hieß die
neue Betreuerin, verteilte uns der Größe nach in die Bänke und
begann mit dem Unterricht, Sie sprach deutsch mit apartem Ak-
zent, hatte eine leichte Hand und eine hallende Stimme. Verlief
nicht alles nach Strich und Faden, ging sie gleich in die Luft,
ballte die Fäuste, schrie und brach in Wut aus. Eines Tages
lachte unser Mitschüler A.H. über ihre Hysterie, was ihm teuer
zu stehen kam. Er wurde an den Haaren aus der Bank gezogen
und hochgestemmt. Als er in der Luft schwebte, ertönte der
Schrei : ”In meinen Adern fließt Franzosenblut !” Unser Freund
wehrte sich, wie er nur konnte, bekam aber eine Abreibung nach
Noten, bis es ihm gelang zu türmen. Nach der Mittagspause kam,
wie nicht anders zu erwarten, die Revanche. Mutter H, trampel-
te nervös vor dem Tor, das in den Hof führte. Unsere Neugier
54
wuchs ständig. Wir wollten sehen, wie Frau H. die Vergeltung
vollziehen werde. Sobald Frl. P. in Erscheinung trat, ging die
Mutter unseres Kollegen auf sie zu und stellte ihr die Frage :
”Haben Sie mein Kind so mißhandelt ?” Blitzschnell griff die
aufgeregte Mutter, die an Größe das Frl. P. noch übertraf, ihrem
Opfer geschickt in die Wolle, schlug mit einer Hand auf sie ein,
zog sie zu Boden und rief : ”In meinen Adern fließt deutsches
Blut !” Für uns Kinder ist das eine Sensation gewesen, die ich
nie vergessen habe. Kurz nach diesem Vorfall haben wir das
Fräulein nicht mehr gesehen. Dann kam zu uns Frl. K. Mit ihr
gab es erneut einen Schulwechsel. Man brachte uns in einem
kleinen Raum über dem Kelmiser Gemeindehaus in der Gemein- ‘
de Neu-Moresnet (Garage Lavalle) unter. Weil es hier an Platz
mangelte, siedelten wir über zur alten Schule, wo damals die
Bergwerkskapelle ihre Musikproben abhielt (das Haus Heintje
bei der Judas-Thaddäus-Kapelle). Unsere Lehrerin erkrankte,
und weil da auch keine stete Bleibe in Aussicht stand, nahm
uns der alte Herr Lehrer Horgnies in seine Klasse im Kloster
der schwarzen Schwestern in der Kirchstraße (Wohnung des
Schuldirektors C. Cravatte). Bei Wiederaufnahme ihres Dienstes
mußte Frl, K. mit uns in die Wirtschaft Willi Meessen, Kirch-
straße (Haus Fraiture). Anfang August des Jahres 1921 gingen
wir laut belgischem Gesetz in die Herbstferien.
Die großen Ferien dauerten bis zur Nachkirmes, vor oder
nach dem 20. September. Genau wie zuvor versammelten sich
bei Schulanfang sämtliche Knaben laut Anordnung auf dem Ge-
lände des Pfarrheims. Bei dem Lehrpersonal, das begeistert un-
tereinander diskutierte, fiel uns wieder ein fremdes Gesicht auf.
Nach Kindesart musterten wir den Neuen von allen Seiten und
stellten uns die Frage, welches Schuljahr er wohl bekommen
werde. Hauptlehrer (wir sagten : Oberlehrer) D. rief vor Unter-
richtsbeginn meine Klasse zusammen und betraute den jungen
Luxemburger, Herrn L., mit unserer Erziehung. Herr L., eine
kleine Gestalt, sprach ein perfektes Deutsch. Nach einer kleinen
Begrüßung, führte er uns hinunter zum Saal Grosch (Haus der
Arbeit) in die neue Schule. In dem großen Tanzsaal hatten wir,
obwohl wir 40 Schüler waren, genügend Bewegungsfreiheit. Zeit-
weise störten berauschte Gäste, die in der nebenanliegenden
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Die Pavillons
Wirtschaft sangen und lärmten, den Unterricht. Doch das alles
war noch halb so schlimm. Hatte am Sonntagabend hier ein
Ball stattgefunden, fanden wir am nächsten Morgen ein wildes
Durcheinander vor. Tabak und Alkoholdunst verursachten eine
widrige Atmosphäre. Tische, auf denen aufgehäufte Aschenbe-
cher und Gläser mit Getränkeresten standen, füllten samt kreuz
und quer liegenden Stühlen unsere Schule. Was blieb uns anderes
übrig als das Ganze wegzuräumen ? Pulte und Bänke, besser ge-
sagt : das benötigte Schulmobiliar, hatten die Veranstalter in der
untersten Ecke des Saales aufeinandergestellt, Bevor der Unter-
richt begonnen werden konnte, richteten wir mit dem Lehrer die
Schule wieder ein. Mittlerweile war es 10 Uhr, Zeit für die
Pause, Diese verbrachten wir auf dem Hof der Patronage und
gingen geschlossen dorthin. Danach begann dann erst das Lernen.
Jeden Sonntag fanden in unserer Schule Veranstaltungen statt,
und jeden Montag schleppten und rutschten wir mit den Möbeln.
Lehrer L. zeigte sich lieb und eifrig. In Kürze hatten ihn seine
Schüler liebgewonnen. Erfreut berichtete er uns eines Tages, der
Gemeinderat habe den Beschluß gefaßt, für Kelmis neue Schulen
zu schaffen. Rasch wurde das Projekt in Angriff genommen, In
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der Parkstraße, auf dem Gelände, wo heute die Staatliche Mit-
telschule steht, hatte ein Unternehmer kurzfristig drei lange Eter-
nithallen errichtet, die als Pavillon 1, 2 und 3 bezeichnet waren.
In dem zum Dörnchen hin gelegenen Pavillon N° 1 befanden sich
4 Mädchenklassen und in den restlichen zwei 8 Knabenklassen.
Im Jahre 1922 übergab man sie feierlich ihrer Bestimmung. An
einem Sonntag mußten sich alle Schulkinder zwecks Teilnahme
an den Einweihungsfeiern des neuen Schulkomplexes an der
Patronage versammeln. Jeder erhielt ein schwarz-gelb-rotes Fähn-
chen. Wir trugen alle wie gewünscht ein weißes Hemdchen und
marschierten so zum Festplatz. Die Geistlichkeit, Pastor Scherrer,
die beiden Kapläne Simons und Wenders, die Schwestern von .
”Notre-Dame” sowie Bürgermeister Grignard mit seinen Rats-
mitgliedern empfingen die große Schar auf dem Schulhof. Nach
einigen Reden nahmen die Priester die Segnung der Räume vor.
Kaum war diese Zeremonie vollzogen, defilierten wir mit erho-
benen Fähnchen vor der Behörde, Zum Schluß ertönte, von uns
Kindern gesungen, die ”Brabanconne”. Vor dem Nachhausege-
hen erhielt ein jeder eine ”Schärmul” (Rosinenbrötchen).
An dem Tag, wo die feierliche Einweihung stattfand, herrsch-
te warmes, sonniges Wetter. Die schwarzen Aschen aus dem
Kesselhaus der ”Vieille Montagne”, womit der ganze Schulhof
bedeckt war, waren dadurch ganz trocken geworden und des-
halb leicht zersetzlich. Das hatte zur Folge, daß beim Marschie-
ren der vielen Kinder der zarte Staub immer wieder hochpuffte.
Wir haben alle wie die Kohlenschaufler ausgesehen. Zuhause
empfing mich lachend meine Mutter, die die Hände zusammen-
schlug und mir zurief : ”Föj, föj, wie siehs du uht ?” (Bah, bah,
wie siehst du aus ?)
In den Pavillons (s. Bild S. 55)
Nach dem Umzug in die neue Schule stellten sich alsbald
andere, unerwartete Unannehmlichkeiten ein. In der heißen Jah-
reszeit, wenn am Nachmittag der Stern auf die Baracken brannte,
machte die unerträgliche Schwüle den Aufenthalt darin unmög-
lich. Entweder gab es hitzefrei, oder der Lehrer ging mit uns in
einen abgelegenen Weg, dort unter einem Baum den Unterricht
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sessen habe. Natürlich bin ich, genau wie die vielen anderen,
trotz der jämmerlichen Verhältnisse groß geworden.
Mit Jugendlichen Vergleiche zwischen den Schulen von
früher und von heute zu ziehen, ist immer sinnlos. Sie, die in
ein fortschrittliches, modernes Zeitalter hineingeboren wurden,
können sich, und das ist verständlich, keinen Begriff davon ma-
chen, wie primitiv das Dasein in unseren jungen Jahren gestal-
tet war. Und doch heben viele der älteren Generation immer
wieder die ”gute alte Zeit” hervor. Ihren Äußerungen zufolge
könnte man fast glauben, daß sie mit dem Neuzeitlichen nicht
So ganz einverstanden sind. Weil sie mit dem Leben nicht Schritt
halten, möchten sie sogar die Jugend wieder in die Zeit der
Entbehrungen zurückversetzen, Es ist höchste Zeit geworden,
das ewige ”Wir früher” beiseite zu legen. Damit kann nichts
mehr erreicht werden. Tischt man der Jugend zuviel des Alten
auf, scheut sie nicht, uns ”Alte Römer” zu titulieren.
Gönnen wir unseren Nachkommen das, was ihnen heute in
Bezug auf Schule geboten wird. Freuen wir uns, daß sie in men-
schenwürdigen Klassenräumen sitzen. Seien wir froh darüber, daß
ihnen eine zeitgemäße Ausbildung gegeben wird, die es ihnen
erlaubt, später ihren Mann zu stehen.
Momentan ist es so, daß selbst unbemittelte Eltern ihre
Kinder dank Stipendien auf eine höhere Schule schicken können.
Das gibt es heute. Seien wir ehrlich : Gab’s das früher auch?
Heute ist es in der Tat so, und das soll mit Nachdruck gesagt
sein : ”Wo ein Wille, da ein Weg.”
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Enge Jedanke
von Gerard Tatas
Twei Bure, die sech lang net mie,
Van ut en Schuel a, hant jesie,
Die treffe no ne Lävensloop
Sech noch ens op’ne Vieverkoop.
En weil se sech now allerhand
Tesame te vertelle hant,
Dröm kikke se net mie no Vie
En jönt sech nevenan en krie.
(Dat es jeng Bureaat, mä wal
Bestemmt passiet en dese Val.)
Nodem der Wiet e Beer hat brat
En sej ens kräfteg ”Prost !” gesat,
Vertellt der Mattes an der Jang,
Dat häe now at erbärmlech lang
Lävt met et Ruth en Ihestand,
Wurä sej ömmer Rüse hant.
”Vör hant os nie verstande” sätt
Der Mattes, dä vertrowlech wätt,
”Sö welt at Johre alle Dag
Der enge Hott, der andere Hag.
Nie hant vör över det ov dat
Deselbe Mienong ens jehat.
Op väteg Johr de öschte Kier,
- Esö vertellt der Mattes wier -
Dat jederenge van os jauw
Derselbege Jedanke hauw,
Dat wor verlän ens wie et brong
En at os Hus e Vlamme stong,
Dä Tur wol ech en och et Ruth
Et öschte nojjen Dör erut !” -
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Et Fo Tiencentimestöck
von Gerard Tatas
Vröjer Johre jov et op de Welt
Völ Pläser en Spaß vör weneg Jeld.
Wie sech amesiert woet met e kiet,
Zege os twei Wiete ut dä Tiet,
Die e Seppenaeke ajjen Jrenz
Sech vermakde belleg en tesens.
Jupp hosch enge en der andre Fritz.
Van die twei vertellt me sech die Witz :
Ens - et es now sästeg Johr at län - .
Jong der Juesep be der Fritz erän.
Häe bestoht e Dröpke sech, e wett,
En sat : ”Fritz, krij do dech och e met! -
Prosit !” - Wie se lägjedronke hant,
Lätt der Juesep jrimmelnd op ne Kant
Vajjen Thek e Tiencentimestöck.
Dat wor jüst, do kräche nex a tröck.
Sös äl lötte och jeng Merk mie ater,
Kneckt der Fritz e Ow en sätt ”Bes later !”
Wie der Jupp erut es, du besitt
Sech der Fritz dat Jeld, dat noch dolitt,
Drett et öm en kikt et jröndlech no, -
”Siste, - sätte, - die twei Merk sönd fo !”
Jrielaacht äl en denkt, dat Deng es jot.
Kritt sech flott et Jeldstöck en der Hot,
Schlütt de Wietschaftsdör noch av en jeht
No der Jupp, dä atern Thek wer steht.
Hej vrott häe e Dröpke sech, e wett,
”Juesep, - sätte, - krich dech och e met! -
Prost !” - Häe werpt dat Tiencentimestöck
Op en Thek en jeht atwerrem tröck.
Äver kom es häe e paar Menütte
En sing Wietschaft atern Thek, du sitte
Öövern Strot atwerr der Juesep kome,
En va wiet at met dat Jeldstöck krome.
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En, verdammt, e kömt erän en lätt
Dat fo Stöck wer op en Thek en sätt :
”Schött mech noch e Dröpke, Fritz, e wett,
En da kriste dech och noch e met ! -
Prosit, Fritz ! - Now mot ech wal wer jue,
Denn ech hann e kiet noch heem te due.”
Noch äl wore heem net an sie Werk,
Koem der Fritz wer met die dobbel Merk :
”Noevend, Juesep, schött mech noch e Wett !
Hej es Jeld, krij dow dech och e met !” -
Stondelang noch hant sech die twei Auwe
Met datselbe Spelsche drajehauwe,
Lägjedronke noch en männje Fleisch
Met die fo twei Merk mer ejjen Teisch.
Hant derno jedanzt noch en jespronge
En am Eng de Brabanconne jesonge. 5
Also jov et vröjer op de Welt
Völ Pläser en Spaß vör weneg Jeld.
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Kennst Du Deine Heimat ?
Vorerst ein Wort in eigener Sache. Die verschiedensten
Antworten auf das letzte Foto-Quiz haben mir viel Freude ge-
macht. Den Anschreibern herzlichsten Dank dafür ! Das gleiche
gilt auch für die, die mich persönlich zu den gegebenen Fragen
angesprochen haben, Seien Sie mir nicht böse, wenn ich im Inter-
esse der anderen Leser und Frager Ihnen die richtige Lösung
nicht geben, bzw. schreiben konnte.
Doch hier die richtigen Lösungen aus Heft Nr, 10.
Bild A Die Kirche steht zwischen Montzen und Bleyberg j
(Schindel). Zu dieser Kirche gehört auch das Kirchen-
innere des Bildes W. Sie ist erst in neuerer Zeit gebaut
worden. |
Bild B ist die Kirche von Hergenrath. Zu ihr gehört das Bild
Y. Im Oktober 1971 feierte die Pfarrgemeinde von
Hergenrath das 125-jährige Bestehen der jetzigen Kir-
che. Sie ist die zweite Kirche von Hergenrath.
Bild C ist die Pfarrkirche von Bleyberg. Auch sie ist ein Bau-
werk der neueren Zeit,
Bild D ist die Pfarrkirche von Kelmis. Hierzu entnehmen wir
der Festschrift ”Hundert Jahre Pfarre Kelmis”, heraus-
gegeben von Firmin Pauquet (S. 8 u. 12), daß nach der
Gründung der Pfarre am 25. August 1858, die Grund-
steinlegung zur Kirche erst am 18. Mai 1863 und ihre
Einweihung erst am 3. Oktober 1865 stattfinden konn-
te.
Bild X ist das Innere der Pfarrkirche von Homburg.
Bild Z ist das Innere der Pfarrkirche von Lontzen.
An den drei letzten Bildern X, Y, Z sind viele gescheitert.
Und nun zu neuen Aufgaben ! Kennst Du Deine Heimat ?
Auch ihre Kunstschätze ?
Frage eins : Wo stehen diese Gotteshäuser ?
|
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c) In welcher Kirche könnte dieses herrliche Taufbecken
Bild Y stehen ?
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; = ai [= 4
SA U R/
EN =
L RR |
3 Re
1 5 A
d) In welcher Kirche des Göhltales finden wir dieses wun-
derbare klassische Chor, Bild Z?
ı nn A
2 12000) ;
- Da an
== =
Ja, das wär’s dann für heute wieder einmal. Viel Spaß beim
Raten und Suchen! Euer Foto-Quiz Freund Jac. Demonthy
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Tätigkeitsbericht 1971
von Gerard Tatas
Beim Erscheinen der zweiten Nummer des Jahrgangs 1970
der Zeitschrift ”Im Göhltal” im Monat Januar erregte der Satz
aus dem Vorwort des Schriftleiters ”Wir bringen lieber weniger
Druckreifes als viel Unausgereiftes” die Gemüter mehrerer Mit-
arbeiter, die eine Entmutigung der Schreiber als Folge dieser
Bemerkung befürchteten.
Im Laufe der Plenarsitzung - die am 7, Februar im Hotel
Reinartz in Neu-Moresnet mit rund 30 Teilnehmern abgehalten
wurde - plädierten der Schriftleiter Dr. Aldenhoff und Kultur-
inspektor Pauquet für absolute Authentizität der Thesen bei wis-
senschaftlichen und geschichtlichen Aufsätzen. Das Plenum be-
faßte sich noch - jedoch ohne konkretes Ergebnis - mit dem chro-
nischen Problem der Beschaffung von Archivräumen und wählte
am Ende der Versammlung, bei welcher P. Zimmer den Vor-
sitz führte, die Herrn Herff Gregor, Janssen Alfred und Janssen
Walther in den Verwaltungsrat und Herrn Uebags in den Redak-
tionsausschuß.
Unter Mitwirkung unserer Vereinigung veranstaltete das
Kulturelle Komitee Kelmis - Neu-Moresnet am 4. März im Kul-
turzentrum der Patronage zu Kelmis einen Vortragsabend. Herr
Joh. Cloot aus Eupen zeigte unter dem Titel ”Kleine Kostbar-
keiten - Kostbare Kleinigkeiten - Sakrale Goldschmiedekunst des
Eupener Landes ”herrliche Lichtbilder von Werner Fischer und
sprach dazu einen lehrreichen Kommentar. Leider hatte sich
nur eine kleine Zahl Zuhörer eingefunden.
Die anwesenden Mitglieder des Verwaltungsrates wählten
bei der Quartalversammlung am 20. April im ”Cafe des Sports”
zu Kelmis eine neue Arbeitsgruppe, bestehend aus den Herren
Herff, Palm, Wintgens, Bertha, A. Janssen und Tatas, die den
Präsidenten Zimmer unterstützen soll. Daraufhin bleibt Herr
Zimmer der wegen Überlastung sein Amt niederlegen wollte, wei-
terhin 1. Vorsitzender. Nach Überprüfung der Artikel 8 und 9
der Statuten wurde beschlossen, daß der nachträglich gewählte,
in den Statuten noch nicht vorgesehene Redaktionsausschuß künf-
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tig bei umstrittenen geschichtlichen und wissenschaftlichen Bei-
trägen über deren Veröffentlichung abstimmen soll. Ein Beschluß
soll mit 3/5 Mehrheit gefaßt werden. Die Versammlung will
sich für den Beitritt zum Kulturellen Komitee Kelmis - Neu-Mo-
resnet noch nicht fest entschließen, ”wiederkäut”” ohne konkretes
Resultat die Archivraumfrage und programmiert die nächsten
Veranstaltungen.
Die erste dieser Veranstaltungen ist die Wiederholung des
Vortrages über den vorgeschichtlichen Feuersteinbergbau durch
die inzwischen durch eine Fernsehsendung einer breiten Öffent-
lichkeit bekanntgewordenen Forscher P. J. Felders und Rader- 3
mackers am 7. Mai im Hotel Reinartz in Neu-Moresnet.
Alsdann wurde am 23. Mai eine Besichtigung der Kohlen-
zeche Andre Dumont, Waterschei, auf Initiative des Vorsitzen-
den organisiert. 55 Personen nahmen an dieser Busfahrt nach
Waterschei teil.
Mit weiteren 34 Interessenten unternahm die Vereinigung
am 27, Juni eine zweite Besichtigung gleichen Ziels. |
In dem Mitte August erscheinenden Heft 9 der Zeitschrift
berichtet F. Uebags mit profiliertem Text- und Bildmaterial über
die jüngste Geschichte des Altenberger Grubenfeldes, A Janssen
glaubt die Frage ”Cesar Franck, Arnold Franck - ein Stamm-
baum?” anhand eines Chronikfundes bejahen zu können und stellt
weiter in Wort und Bild das Kunstschmiedewerk auf dem Kal-
varienberg von Moresnet-Kapelle und seinen Schöpfer, Laien-
bruder Valensz Zimmermann, vor. Aus der guten alten Zeit
stammen fast alle Themen der übrigen Beiträge, wobei an einem
Pachtvertrag vom 19. 9. 1928 besonders augenfällig bewiesen |
wird, daß für die meisten aus dieser guten alten Zeit das erste
Adjektiv ein verlogenes Epitheton ornans war.
Der am 17. August in der Parkvilla zu Kelmis versammelte |
Verwaltungsrat ist nach wie vor auf Lokalsuche. Auf das Ange-
bot, in 2 Jahren die Archive im sogenannten ”Kloster” in Kel- |
mis unterzubringen, hat man nach dem ”Heureka !” des Herrn
Demonthy verzichten können. Auf dieser Quartalversammlung
wurden noch Veranstaltungen geplant und der Vorschlag von |
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Frl. Xhonneux, der Zeitschrift einen französischsprachigen An-
hang beizufügen, diskutiert. Die Versammlung beschloß auch,
zukünftig jeweils das erste Heft der Zeitschrift gegen Nachnahme
des Jahresbeitrages an die Mitglieder zu verschicken,
Zu einer Busfahrt nach Bergheim, zu den Gruben des Rhei-
nischen Braunkohlebergbaus, hatte die Vereinigung am 2. Sep-
tember 35 Interessenten am Start versammeln können. In den
Anlagen dieses größten Braunkohletagebaus der Welt gab es
eine 4- bis 5-stündige Revierbefahrung, eine Führung durch das
Informationszentrum im Schloß Paffendorf sowie eine Fahrt
durch Tagebau Fortuna-Garsdorf und die Rekultivierungsgebiete.
Die Zahl der an Bergbau interessierten Mitfahrer war auf
52 gestiegen,als die Grube Waterschei am 28, November zum
dritten Male unter der Reiseführung von P. Zimmer besichtigt
wurde,
Bei der letzten Verwaltungsratssitzung des Jahres, am 7.
Dezember im Lokal Deprez in Kelmis gab es zwei Schlagzeilen
für die Berichterstattung in der Tagespresse : ”Göhlvereinigung
endlich unter Dach” und ”Zeitschrift wird mehrsprachig”. Das
oben erwähnte ”Heureka” des Herrn Demonthy bezog sich auf
das positive Resultat seiner Verhandlungen mit der Neu-Mores-
neter Gemeindeverwaltung um die mietweise Überlassung einiger
Räume des Gemeindehauses als Bibliothek und Archivlokal. Ab
Januar 1972 stehen der Vereinigung 3 Zimmer zur Verfügung
für eine Monatsmiete von 1000 Fr, womit die Vereinigung also
endlich eine Bleibe hat.
Nach verschiedenen Meinungsäußerungen über den von Frl.
Xhonneux wiederholt vorgebrachten Vorschlag bezüglich der
Aufnahme französisch- oder niederländischsprachiger Beiträge
in der Zeitschrift fand Inspektor Pauquet Cie richtige Formel :
Der Anhang darf in seinem Umfang nur ein Fünftel der Heft-
seitenzahl umfassen und nur geschichtliche Beiträge enthalten ;
die obligatorische Zusammenfassung dieser Artikel in deutscher
Sprache hat der jeweilige Autor selbst zu liefern, damit dem Re-
daktionsausschuß nicht die Übersetzungsarbeit zufällt. Mit die-
sem Beschluß kann die Zeitschrift nunmehr mehrsprachig werden.
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Zum dritten Male - womit man schon von einer Tradition
reden kann - hatte G. Tatas mit einer eigenen Spielgruppe im
Auftrag der Vereinigung ein Krippenspiel einstudiert, das am
19, Dezember in der Pfarrkirche von Hauset, am 26. Dezember
in der Kapelle von Moresnet-Eichschen und am 2. Januar 1972
in der Pfarrkirche von Kelmis unter Mitwirkung der Kirchen-
chöre von Hauset und Gemmenich und der ”Kleinen Kelmiser
Sänger” erfolgreich aufgeführt wurde. Die Leistungen der Spieler
(Pierrot, Rose-Marie und Josee Straet, Louis und Carmen Drou-
ven, Barbara und Marie-Claire Kohnen, Alice Küpper, G. Tatas),
die der Regisseur und Initiator der Spiele sämtlich aus seinem .
Verwandtenkreis holte, sowie die Klarinettensoli von Antoine
Straet, die Gesangvorträge von Karin Counotte und die Dekora-
tion von Hubert Counotte sind in der Tagespresse mit viel Lob
bedacht worden.
Die unterschiedlich interessanten Beiträge im deutschspra-
chigen Rundfunk jeden dritten Montag im Monat, die von L.
Kohl, P. Emonts-pohl, L. Wintgens, W. Janssen, Pfarrer Olbertz,
G. Tatas und P, Zimmer stammten, zeigten wie oft und wieviel
aus dem Brunnen des heimatlichen Kulturgutes geschöpft werden
kann. Immer mehr Schätze aus diesem tiefen Brunnen zutage zu
fördern, wird die Aufgabe der Vereinigung in Zukunft sein.